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Ein demokratisches Europa sollte auch Sezessionen erlauben drucken

Darf sich eine Provinz, ein Bundesland, eine Region für unabhängig erklären? Von Schottland bis zum Baskenland wird Europa in der nächsten Zeit vor dieser prinzipiellen Frage stehen. Wer die Demokratie ernst meint, kann nur zu dem Schluss kommen: Wenn Regionen wirklich weg von ihrem bisherigen Staat wollen und sie die dafür nötigen Kosten zu zahlen bereit sind, dann muss ihnen das möglich sein. Alles andere ist nackter Kolonialismus und Imperialismus.

Eine Region – wie groß oder klein sie auch immer definiert sein mag – ist ja nicht Privateigentum eines Zentralstaats oder einer Verfassung. Sondern sie gehört schon naturrechtlich primär den dort lebenden Menschen. Wenn diese in klarem Mehrheitswillen, also nicht bloß aus momentanem und nur ein paar Wochen akutem Ärger, dem derzeit herrschenden Staat die Legitimation entziehen, dann hat dieser sie auch verloren.

Alles andere ist formaljuristisches Gerede, das im Widerspruch zum obersten Grundprinzip der Demokratie steht. Echte Demokratie kann ja nicht nur bedeuten, Abgeordnete in ein Parlament zu wählen. Sondern sie muss schon zuvor auch die Klärung der viel wichtigeren Grundfrage zulassen, in welches Parlament überhaupt die Abgeordneten entsandt werden.

Gerade in einem Jahr, das aus historischer Distanz den ersten Weltkrieg intensiv aufarbeitet, werden fundamentale Erkenntnisse deutlich. Erstens: Das Drängen nach nationaler Selbstbestimmung und die Abwehr dieses Drängens durch Zentralstaaten, die ihre Herrschaft oft nur mit Eroberungen oder Verträgen aus dem Mittelalter begründen konnten, waren eine der allerwichtigsten Ursachen jenes fürchterlichen Krieges. Und zweitens: Hätten nach 1918 die kriegsentscheidenden USA ihre Forderung nach Selbstbestimmung wirklich überall durchgesetzt, dann wäre wahrscheinlich die folgende Weltgeschichte nicht so schlimm verlaufen. Aber die USA haben sich nach dem ersten Weltkrieg ja rasch wieder in ihren Isolationismus zurückgezogen. Und Selbstbestimmung bekam nur ein Teil Europas.

Unverständliche Drohungen Madrids

Aus all diesen Gründen steht man den massiven Drohungen der spanischen Zentralregierung gegen die katalonischen Sezessionstendenzen ziemlich fassungslos gegenüber. Sie will sogar das in Katalonien geplante Referendum verbieten. Seither sehen wir, dass sich Barcelona und Madrid gegeneinander und gegenseitig aufplustern.

Soll das bis hin zu einem Krieg gehen? Muss ein Kastilier weniger stolz sein, wenn er nicht mehr über die Katalanen und Basken herrschen kann, – oder sollte er sich nicht im 21. Jahrhundert vielmehr einer demokratischen Toleranz rühmen? Will man auf der iberischen Halbinsel die nationalistische Eskalation wirklich so weit treiben, bis auch in Katalonien ständiges Blutvergießen an der Tagesordnung ist? Was ist das für eine Demokratie, in der Referenden verboten werden?

Viel schlauer hat da die britische Regierung auf die schottischen Sezessionstendenzen reagiert. Gewiss, auch sie hat erst einst in Nordirland mühsam lernen müssen, dass man jahrhundertealte Konflikte nur mit demokratischen Methoden dauerhaft löst. Heute jedenfalls sind in Nordirland die blutigen Auseinandersetzungen weitestgehend befriedet. Und diese Befriedung ist dem einstigen britischen Premier John Major zu danken. Er hat – erstmals! – verkündet, dass Nordirland selbständig werden (oder sich die Republik Irland anschließen) kann. Sofern es eine Mehrheit der Nordiren einmal so will.

Seither ist zwar dort zwischen (londontreuen) Protestanten und (nach Irland blickenden) Katholiken noch nicht die große Liebe ausgebrochen. Es gibt auch noch bisweilen die andere Seite provozierende Umzüge. Aber der Konflikt wurde auf die Ebene der Demokratie verlagert. Es gibt auch gemeinsame Regierungen. Und den Katholiken wurde durch Major formell bedeutet: Wenn ihr einmal die Mehrheit seid und dann immer noch weg von uns wollt, dann könnt ihr auch gehen.

Seither ist die Auseinandersetzung auf die Ebene verlagert worden, welche Seite mehr Babys in die Welt setzt. Das ist jedenfalls ein weit friedlicherer Wettstreit als Bombenlegen.

London wirbt um die Schotten

Ähnlich reagiert London nun auf den schottischen Sezessionismus. London hat keine Sekunde mehr versucht – wie in vielen Jahrhunderten davor –, diesen durch Gewalt oder Verbote zu verhindern. Statt dessen ist klar, dass ein Anti-Großbritannien-Ausgang des Referendums auch wirklich zur schottischen Unabhängigkeit führen wird.

Premier Cameron kämpft statt mit Verboten mit geschicktem sympathiebetontem Werben um die Schotten. London demonstriert den Schotten intensiv, dass diese im Vereinigten Königreich gewollt und gemocht sind, dass es aber ihre eigene Entscheidung ist, bei Großbritannien zu bleiben oder auch nicht. Man bemüht sich um Schottland, statt es zu beherrschen, statt nur wie einst dessen einsame Landschaften, seine Schlösser und seinen Whisky zu genießen.

Zugleich werden den Schotten jedoch auch unverblümt die Konsequenzen einer Sezession klargemacht. Das ist zweifellos legitim ist. Ein Fünf-Millionen-Volk wird als selbständige Nation eben auch nur das Gewicht einer Fünf-Millionen-Nation haben, aber sehr wohl die Kosten eines eigenen Staates. Gleichzeitig geht der Schutz des starken britischen Pfundes verloren. Was die Schotten durchaus als relevant begreifen: Hat doch London seine bisher größte und kostenschwerste Bankpleite ausgerechnet bei der Royal Bank of Scotland gehabt. Und diese Bank will im Fall einer Trennung prompt lieber englisch als schottisch werden.Trotz ihres Namens.

Dümmlich ist hingegen die Reaktion des EU-Kommissionspräsidenten Barroso auf die schottischen Wünsche. Er gibt sich ganz zentralistisch und will den Schotten die Unabhängigkeit vermiesen. Barroso geht sogar so weit anzudeuten, dass für ein unabhängiges Schottland wahrscheinlich kein Platz in der EU wäre.

Das ist natürlich ein Unsinn. Denn erstens entscheidet das kein Herr Barroso, sondern das tun die EU-Mitglieder. Zweitens ist in den EU-Verträgen ganz Europa zur Mitgliedschaft eingeladen, also sicher auch Schottland. Richtig ist also nur, dass es keinen Automatismus gibt, und dass eine schottische EU-Mitgliedschaft eigener Verhandlungen bedarf.

Funktionierende Teilung der Tschechoslowakei

Die Tschechoslowakei hat vorgezeigt, wie eine Trennung funktionieren kann. Diese war damals zwar von fast allen internationalen Kommentatoren kritisiert worden. Sie war auch von mühsamen Verhandlungen begleitet, etwa darüber, wie man denn Armee, Nationalbank oder Botschaftsgebäude aufteilt.

Aber es hat funktioniert. Dabei war ein Trennung der Tschechoslowakei sogar viel schwieriger, als es bei Schottland oder Katalonien der Fall wäre: Denn die beiden Landesteile waren größenmäßig einander viel ähnlicher, und die Trennung konnte nicht einfach als Sezession einer Region angesehen werden.

Das Ergebnis ist eindeutig positiv: Heute redet in der Slowakei niemand mehr negativ über die Präpotenz der Tschechen. Und in Tschechien kann niemand mehr darüber stänkern, dass man so viel Geld in die ärmliche Slowakei transferieren müsse. Tschechen und Slowaken sind heute die besten Freunde. So wie es übrigens auch Tschechen und Deutsche sowie Österreicher wohl geworden wären, hätte nach 1918 die damalige Tschechoslowakei den deutschsprachigen Teilen Böhmens und Mährens die Selbstbestimmung erlaubt.

Kanada blieb am Ende doch ein einziger Staat

In den bisher erwähnten Fällen waren die Sprachen identisch oder eng verwandt. Ganz anders in Kanada. Dort gab es im katholisch-französischsprachigen Quebec immer wieder sezessionistische Tendenzen. Viele wollten sich vom mehrheitlich protestantisch-englischsprachigen Teil abtrennen. Doch trotz dieser Unterschiede hat sich die Bevölkerung Quebecs mehrheitlich für einen Verbleib bei Kanada entschieden. Die Mehrheit wollte letztlich doch die Vorteile eines großen Landes genießen.

Und Kanada selbst hat sich umgekehrt sehr um Quebec bemüht und sich dafür auch selbst gewandelt: Heute tritt Kanada auf allen Ebenen immer betont zweisprachig auf, was früher keineswegs der Fall gewesen ist.

Gerade wenn man Minderheiten die Sezession erlaubt, sind Zentralregierungen demonstrativ um diese Minderheiten bemüht. Das kann dazu führen, dass Minderheiten letztlich dann doch beim gemeinschaftlichen Staat bleiben wollen. Aber das ist eben die eigene Entscheidung der Minderheit. Solche Entscheidungen werden dann in aller Regel auch von den Überstimmten akzeptiert.

Es kann also sowohl eine Trennung wie auch ein Verbleib bei einer gemeinschaftlichen Nation zu positiven Ergebnissen führen. In jedem Beispiel war Selbstbestimmung die entscheidende Grundlage. Und beides ist jedenfalls weiser als das Verbot solcher Referenden.

Spanien hat sich in seinem kastilischen Nationalismus jedoch für ein striktes Verbot eines solchen Referendums entschieden.

Das hat auch Italien seit 1918 gegenüber Südtirol getan. Italien bemüht sich zwar seit dem Südtirolpaket 1969 anerkennenswert um die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler. Aber die Südtiroler wissen dennoch das demütigende Faktum: Sie sind nur als Kriegsbeute bei Italien. Sie wurden von den Siegern damals ohne jede Legitimität dem südlichen Staat zugeschlagen, nicht aus freiem, demokratischem Willen.

Wollen die Südtiroler das rückgängig machen? Das kann nur ihre freie Entscheidung bei einem Referendum zeigen. Dessen Ausgang wäre durchaus offen. Haben sich doch Nord- und Südtirol in den letzten Jahren naturgemäß auseinandergelebt, juristisch wie auch psychologisch. Ist doch der Import von Italienern nach Südtirol nicht rückgängig machbar (auch wenn ihr Anteil seit dem Paket kontinuierlich schrumpft). Ist doch eine Änderung staatlicher Identität immer mit massiven Kosten verbunden. Egal ob sich die Südtiroler nun für eine Rückkehr zu Österreich oder zu einer Freistaatlösung entscheiden würden.

Auch Kärnten wollte selbständig werden – kurz

Aus Österreich selbst ist in der Zeit seit 1945 nur eine separatistische Episode bekannt: Das war, als Jörg Haider eine Zeitlang davon sprach, dass Kärnten ein Freistaat werden solle. Freilich, heute weiß man, das war einfach nur ein Aufsehen erregender Sager. Wie es vieles bei Haider war. Das Gerede vom „Freistaat Kärnten“ sollte ihn lediglich ein paar Wochen mit einem neuen Thema in die Zeitungen bringen. Das gelang. Und nachher war die Idee rasch wieder vergessen. Weil sie nie ernst gemeint oder gar von einer breiten Stimmung getragen war.

Heute würde im Übrigen die Idee einer Sezession des schönen, aber armen Süd-Bundeslandes wohl von keinem einzigen Landesbürger mehr unterstützt. Im Rest Österreichs hingegen würden sehr viele gerne Kärnten samt all seinen (Hypo-)Haftungen in die Unabhängigkeit verabschieden. Für diese Haftungen müssen ja nun aus bundesstaatlicher Solidarität die restlichen Österreicher in die Bresche springen, die nach dem Willen der Bundesregierung zweistellige Milliardenziffern zusätzlich an Steuern zu zahlen haben . . .

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Das Ende einer EU-Illusion drucken

Nach der Schweizer Volksabstimmung gerät das Dogma der multikulturellen Einwanderungsgesellschaft ins Wanken. Die Schweizer waren immer schon gut im Abschießen von Geßlerhüten. Mit der Entscheidung für eine restriktivere Normierung des Ausländerzuzugs haben die Schweizer am 9. Februar eine Herrschaftsinsignie der Europäischen Union vom Sockel geholt. Seither fegt ein Sturm der Empörung aus Brüssel über die Schweiz hinweg, und die ersten Sendboten eines Rachefeldzuges gegen die Eidgenossen sind ausgeschwärmt.

Kommissionschef Manuel Barroso polterte, dass „die Freizügigkeit nicht zur Verhandlung“ stehen würde. Justiz-Kommissarin Viviane Reding und  der Vorsitzende des Außenpolitik-Ausschusses des Europäischen Parlaments Elmar Brok (CDU) taten sich als erste mit der Forderung nach scharfen Konsequenzen und Strafmaßnahmen für die Schweiz hervor. Tatsächlich wurde bereits die geplante Teilnahme an den millionenschweren Förderprogrammen im Rahmen des EU-Projekts „Horizon 2020“ ausgesetzt. Und die Verhandlungen über das Studenten-Austauschprogramm „Erasmus plus“ wurden gestoppt.

Gleichzeitig werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Relativierung der Rechtsfolgen des Volksentscheides vorzubereiten. Das Abstimmungsergebnis von 50,3 Prozent zugunsten einer Einwanderungsbeschränkung sei „äußerst knapp“ und daher wenig repräsentativ, weswegen sozialistische Schweizer Politiker bereits laut über eine Wiederholung des Urnenganges unter geänderter Fragestellung nachdenken.

Doch man muss die bibbernde Wut der Eurokraten über die Bloßstellung der mangelhaften Repräsentativität ihrer Politik verstehen. Denn nach dem Zweidrittel-Entscheid der Kroaten zugunsten der Verankerung der Normal-Familie in der Verfassung und gegen den Gender-Wahn ist das bereits die zweite schallende Ohrfeige für die Betreiber einer aggressiven kulturellen Totaltransformation des Europäischen Kontinents. Dass sich die Befürworter einer traditionellen Europäischen Werteordnung in beiden Fällen gegen die organisierte Wucht des politischen Establishments, gegen die Gesamtheit der Mainstream-Medien und gegen die geschlossene EU-Nomenklatura durchgesetzt haben, tut den Neue-Welt-Betreibern naturgemäß besonders weh.

Diese wissen auch in Österreich genau, was sie ihren Auftraggebern schuldig sind. Dem Publizisten Herbert Vytiska ist die Publikation einer Zusammenschau der Antworten prominenter EU-Politiker verschiedener Parteien auf dem Blog EurActiv zu verdanken, die bemerkenswerte Einsichten liefert. Befragt wurden Gernot Blümel (Generalsekretär der ÖVP), Jörg Leichtfried (Delegationsleiter der SPÖ im Europäischen Parlament), Ulrike Lunacek (Delegationsleiterin der Grünen im EP), Andreas Mölzer (Mitglied des EP, FPÖ) und Angelika Mlinar (Spitzenkandidatin der NEOS für die bevorstehenden EU-Wahlen). Dabei vertritt Mölzer den von ihm bekannten Standpunkt, sodass auf ihn im Folgenden nicht eingegangen zu werden braucht. Nicht, dass die Aussagen der Anderen so fundamental oder originell wären, dass sie es wert sind, reproduziert zu werden. Aber sie sind so vollständig archetypisch für den Geist und die Diktion der EU-Fanatiker, dass es sich auszahlt, sie bewusst zu rezipieren.

Vytiska stellt drei Fragen zum Thema.

  1. Worin sieht man die Ursachen für das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung?
  2. Haben die Motive, die zu dieser Entscheidung führten, Relevanz für Österreich?
  3. Was heißt das nun für die Argumentation im bevorstehenden EU-Wahlkampf?

Eine – nicht gestellte – vierte Frage wäre wahrscheinlich noch besonders interessant gewesen: Welches eigene Interesse des EU-Herrschaftsprojektes bringt die wütende und aggressive Reaktion seiner Protagonisten zum Ausdruck – hat man uns doch immer eingebläut, dass die hemmungslose Einwanderung im höchsten Interesse der Ziel-Länder selbst steht? Unbeschadet der Tatsache, dass diese eigentlich entscheidende Frage ungestellt bleibt, ist die Darbietung der gleichgeschalteten System-Marionetten zum Thema „Abstimmungsergebnis der Schweiz in der Zuwanderungsfrage". trotzdem durchaus augenöffnend. Denn diese Darstellung der Meinungen dieser „glühenden Europäer“ ist ein Lehrbeispiel für den geistigen und moralischen Bankrott der herrschenden Klasse, deren Angehörige nicht mehr den Hauch eines Gefühls für die Probleme und Anliegen der Menschen haben, die sie zu vertreten vorgeben.

Der Volltext der Interviews findet sich unter: http://www.euractiv.de/oesterreich/artikel/sterreich-vier-von-fnf-parteien-gegen-schlagbaumpolitik-008548

Die Aussagen von Blümel, Leichtfried, Lunacek und Mlinar zeigen unwiderlegbar Folgendes:

  1. Die Statements der Betreffenden sind beliebig und vollständig gegeneinander austauschbar. Kein einziger dieser Funktionäre ist imstande, einen eigenständigen oder gar originären Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr bieten sie nichts als verschiedene (geringfügige) Variationen einer vereinheitlichten EU-Superstaats-Ideologie auf, als deren reflexions- und kritikunfähige Sprechpuppen sie sich gerieren. Der Umstand belegt, dass SPÖVP, Grüne und Pinke Angehörige ein- und desselben Nomenklatura-Verbundes sind, dem es ausschließlich um den Herrschaftserhalt der politischen Kaste geht.
  2. Die fast kabaretthafte Unterwerfung unter die vorgegebene Sprachregelung und -kontrolle lässt wirklich keines der 24-Stunden-Mantras der EU-Propagandisten und Multikulti-Ideologen aus. Die SVP sei „populistisch" und hätte es geschafft, „diffuse Ängste in der Bevölkerung zu schüren" (Leichtfried). Das wäre eine „populistische Agitation des rechten Flügels" (Mlinar). „Panikmache und Populismus" (Blümel), „Abschottung und Ausländerfeindlichkeit" (Leichtfried).
  3. Die üblichen, unhinterfragten, geradezu mystifizierten Stehsätze, die der Suggestion der Unvermeidbarkeit und „Alternativenlosigkeit" des inzwischen aus dem Ruder gelaufenen EU-Projektes dienen, werden eifrig gepflegt. „Es kann nicht möglich sein, sich die Rosinen herauszupicken…" (Blümel).
    Warum sollte das nicht möglich sein? Genau das wäre eigentlich die Aufgabe einer proaktiven Außenpolitik. Die Amerikaner benennen das so: Etwas entspricht oder widerstrebt „den Interessen der USA". Gnade Gott dem „Nationalisten", der dies für einen europäischen Staat einfordert.
    „Es ist bekannt, dass wir den Zuzug von Ausländern brauchen, um einem Fachkräftemangel in verschiedenen Branchen entgegenzuwirken." (Leichtfried) Wer hat diese Behauptung je mit etwas anderem belegt als mit der Forderung der Industrie, stets billigere Arbeitskräfte zu brauchen, als im Inland zum jeweiligen Zeitpunkt vorhanden sind? Und warum wird dieser seit vielen Jahren gepflegte Mythos nicht mit der Ächtung der Bildungspolitiker beantwortet, die uns diesen „Mangel" über lange Zeiträume hinweg beschert haben?
    „Es gibt keine Freiheit des Waren- und Kapitalverkehrs ohne Freiheit des Personenverkehrs" (Lunacek). In welchem Lehrbuch der Nationalökonomie oder Gesellschaftswissenschaft findet sich diese lichtvolle Gesetzeseinsicht? Immerhin haben zahlreiche Staaten bzw. Volkswirtschaften jahrhundertelang Außenhandelbeziehungen unterhalten, ohne dabei auch gleichzeitig ihre Bevölkerungen auszutauschen bzw. zu exportieren.
  4. Ohne selbst wirtschaftspolitisch im Entferntesten kundig zu sein, maßen sich intellektuell leichtgewichtige Apparatschiks apodiktische Behauptungen über fundamentale ökonomische Kausalzusammenhänge an. „Immerhin wurden seit dem EU-Beitritt jährlich 14.000 neue Arbeitsplätze geschaffen und es konnten zusätzliche Wachstumsimpulse um jährlich 0,6 Prozent am BIP erwirtschaftet werden." (Leichtfried). Die Darbietung der Zahl des bloßen Absolutwachstums an Arbeitsplätzen bei gleichzeitigem Verschweigen des darüber weit hinausgehenden (ausschließlich zuzugsbedingten) Wachstums der Wohnbevölkerung (im selben Zeitraum von nicht viel weniger als 40.000/Jahr), was immerhin zur höchsten Arbeitslosenrate seit dem Zweiten Weltkrieg geführt hat, ist nichts anderes als billige Propaganda.
    Und die Behauptung eines EU-induzierten Wirtschaftswachstums in einer bestimmten Höhe entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Es gibt keine einzige ernstzunehmende Studie, die auf der Basis anerkannter ökonomischer Theoreme, unter Einsatz valider Datensätze und im Rahmen nachvollziehbarer Modellrechnungen derartige Zusammenhänge abbilden würde.
    Die wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger Europas – Finanzminister, Notenbankchefs und Kommissionsmitglieder – haben uns in den vielen Monaten der Vorbereitung von Hilfspaketen für notleidende EU-Staaten und Banken sowie der Durchsetzung des „EU-Rettungsschirms" mit Informationen und Prognosen belästigt, deren jeweilige Halbwertszeit nur selten vierzehn Tage überschritten hat. Sie haben uns entweder belogen oder keine Ahnung gehabt. Wie kann es sein, dass wir uns angesichts dessen von nationalökonomischen Analphabeten wie den hier zitierten die Behauptung der Kenntnis kompliziertester wirtschaftlicher Transmissionsmechanismen um die Ohren schlagen lassen?
  5. Die hier wiedergegebenen System-Vertreter geben mit keinem unter all den Propagandaansagen, Stehsätzen und Killerphrasen verborgenen – auch noch so kleinen – Halb- oder Nebensatz zu erkennen, dass sie angesichts des Abstimmungsergebnisses der Schweizer irgendeine Art von Verständnis für die Kritik und Ablehnung eines Einwanderungsregimes haben, das zuletzt bis zu 80.000 Zuwanderer pro Jahr ins Land gebracht hat.
    Dieses Einwanderungsregime ruft keineswegs nur „diffuse Ängste" hervor, sondern hat eine Reihe objektivierter und sehr ernst zu nehmender Folgen. Die Ausrichtung und Dimension dieser Folgen ist in keinem einzigen europäischen Land je einem politischen Diskurs, geschweige denn einer demokratischen Entscheidungsfindung, zugeführt worden. Die Inkompatibilität des Islams mit unserem Kulturbestand, die schrittweise Herabminderung des Kulturkapitals und des Bildungsstandards, wachsende Kriminalitätsraten, steigende Arbeitslosigkeit, Zunahme von geistigen und psychischen Erkrankungen, die Überlastung von Sozialsystemen und die Zunahme verbreiteter Armutsphänomene sind reale und durchgehend dokumentierte Fakten.
    Wo findet man hier ein einziges Wort des Bedauerns und der Besorgnis? Stattdessen die totalitäre Attitüde, das Konzept der Massenmigration und das damit verbundene Modell der multikulturellen Gesellschaft mit allen Mitteln durchziehen zu wollen.
    Erschreckenderweise wird die Entscheidung einer absoluten Mehrheit der Schweizer, die gegen die gesamte politische Elite und gegen das gesamte Establishment der (medialen) Bewusstseinsindustrie zustande gekommen ist, als Produkt der Verschwörung rechter Hetzer und dumpfer Populisten wahrgenommen, denen es leichtfüßig gelungen ist, die Bevölkerung in einen Zustand der Desinformation zu versetzen. Dies ist Ausdruck einer erschütternden Borniertheit und Abgehobenheit der Nomenklatura-Funktionäre, die mittlerweile jeden Bezug zur Realität und zu den Bedürfnissen der Menschen verloren haben. Damit besitzt auch das System, das von ihnen getragen wird, längst keine Legitimität mehr.
  6. Die Pflichtübungen der hier zitierten System-Marionetten sind repräsentativ für den Zustand der morbide gewordenen Parteiendemokratie, die von der kontinentalen Kulturtransformation des EU-Superstaates überwachsen wurde. Dieses System ist gekennzeichnet durch vollständige Diskursverweigerung, durch die Etablierung von Sprechverboten, Sprachregulierungen und Gesinnungskontrollen und durch die Erzwingung großer gesellschaftspolitischer Projekte gegen die definitiven Wünsche der Mehrheitsbevölkerung (Entchristlichung und Multikulturalisierung, Genderisierung und Homosexualisierung der Gesellschaft, Etablierung kontinentübergreifender Umverteilungsmechanismen, Um-Eignung von Kapital- und Vermögenswerten durch ein verfehltes europäisches monetäres Regime, territoriale Erweiterung und kompetenzmäßige Vertiefung der „Europäischen Integration"). Was berechtigt uns noch, dieses System als Demokratie oder als Rechtsstaat zu bezeichnen?

Die Reaktionen und Verhaltensweisen der System-Marionetten zeigen, dass das Dogma der multikulturellen Einwanderungsgesellschaft nach der Schweizer Volksabstimmung tatsächlich ins Wanken geraten ist. So sehr die damit verbundene Bewusstseinsbildung erfreulich ist, so bedenklich muss uns der Gesamtzustand der Europäischen Gesellschaften stimmen.

Wenn der gegenständliche Befund nicht völlig in die Irre geht, bewegen wir uns auf einen staatspolitisch sehr gefährlichen Zustand zu. Sobald sich die mittlerweile weitgehend erodierte Legitimität des Gemeinwesens mit den aggressiven Produkten des wirtschaftlichen Niederganges verbindet, kann sich das eine oder andere wirklich bedrohliche Szenario verwirklichen. Sind wir darauf vorbereitet?

Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie.

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Die Sendung mit dem Großvater - Folge 1: Ist die EU gut? drucken

Maximilian Hamburger fragt seinen Großvater Andreas Unterberger, ob die EU eigentlich gut oder schlecht ist, wie es sich mit Griechenland verhält, und ob etwa auch Österreich mit solcher Hilfe rechnen kann.

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Mehr als tausend an bloß einem Wochenende drucken

Trotz der erschreckenden Zahlen werden die Fakten überhaupt nicht registriert. Denn die linke Lügenmaschine beherrscht die Medien ja fast total. Allein am letzten Wochenende wurden mehr als Tausend „Flüchtlinge“ vor Lampedusa „gerettet“. So liest man es dort, wo überhaupt darüber berichtet wird.

Aber in der Tat: Nur die Zahl war diesmal besonders hoch. Sonst ist ja eh alles wie fast täglich. Und die gutmenschlich getarnte Zuwanderungsmaschinerie funktioniert bestens.

  • Wie immer liest man, wenn überhaupt, nur von „Flüchtlingen“. Dabei geht es fast durchwegs um Wohlfahrt und Arbeit suchende Zuwanderer aus Afrika und arabischen Ländern, die illegal nach Europa einreisen.
  • Wie immer wird von „Rettung“ geschrieben, obwohl damit die entscheidende Hilfe für das zynische Business der Schlepper geleistet wird: Migranten werden von den Schleppern zuerst abgecasht und dann auf hoher See jedes Mal ganz gezielt in Seenot gebracht; worauf italienische und EU-Schiffe die Einwanderer retten (die Schlepper selbst wollen sich und ihre Schiffe ja nur eher ungern italienischen Behörden ausliefern).
  • Wie immer werden diese Migranten nach ein paar Tagen aus den italienischen Lagern verschwinden und in den Städten des Landes illegale Handelstätigkeiten aufnehmen oder überhaupt gleich nach Norden geschleust werden. Zu Rückschiebungen kommt es hingegen fast nie, sondern maximal zu durch die „Flüchtlinge“ und die vielen den Schleppern helfenden NGOs unendlich lange verzögerten Asylverfahren. An deren Ende sagt dann selbst nach negativen Bescheiden der Chor der Gutmenschen: Aber trotzdem sollen sie jetzt dableiben; sie sind doch schon so lange da.
  • Und ebenfalls wie immer werden von den Gutmenschen in den Medien all diese Fakten verschleiert. Oder liest man irgendwo diese Tatsachen, die halt ein wenig anders sind als die ewig gleichen Lügen über „Flüchtlinge“ und „Rettungen“? Liest man irgendwo von der erstaunlichen Statistik, dass Österreich heute schon den zweitgrößten islamischen Bevölkerungsanteil in der ganzen EU hat? Obwohl Österreich meines Wissens zum Unterschied von vielen anderen europäischen Ländern nie eine Kolonialmacht war . . .

Aber das ist ja alles in der Tat nichts Neues. Sondern eben wie immer. Nur die Zahlen werden halt immer größer . . .

 

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Genmais und die Schweiz, Österreicher- und Kärntner-Witze drucken

Gleich vier schwierige Fragen: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen der Schweiz und Österreich? Müssen sich nur noch Nichtmitglieder an EU-Recht halten? Warum müssen die Kärntner ständig noch witziger sein als die Österreicher? Und: kann noch einer diese Staatsanwaltschaft erklären?

Beginnen wir bei der Vorgeschichte der ersten beiden Fragen: Die EU hat die Zulassung einer neuen Maissorte beschlossen, bei der ein Gen verändert worden ist. Denn selbst ausgiebige wissenschaftliche Tests haben keinerlei Gefährdung durch diesen Mais entdecken können. Im Gegenteil: Es muss bei Verwendung dieser Sorte weniger Gift auf die Maisfelder gespritzt werden. Was sie zu einem durchaus positiven Umwelt-Faktor macht. Und Genveränderungen durch Züchtungen finden ja im übrigen seit Jahrtausenden ganz selbstverständlich statt.

Natürlich sehen das die grünen Spendenkeilorganisationen (=NGOs) anders. Und erstaunlicherweise offenbar auch alle österreichischen Parteien. Sie agitieren weiterhin geschlossen gegen den Mais.

Wissenschaft? Brauch ma net. Wir wissens besser. Außerdem will das die Kronenzeitung so.

Daher soll nun ein Gesetz beschlossen werden, dass die Verwendung dieser Maissorte in Österreich verbietet. Obwohl sie von der EU ausdrücklich erlaubt worden ist. Ein glatt EU-widriges Verhalten. Dennoch finden das hierzulande offenbar alle in Ordnung.

In Wahrheit ist das aber mehr als seltsam. Denn gerade noch haben praktisch alle Medien und zahllose europäische Politiker die Schweiz wegen fast genau des gleichen Verhaltens verdammt. Dort will man künftig (nach einer Volksabstimmung mit sehr hoher Teilnahme, welche jene bei Parlamentswahlen in manchen anderen Ländern weit übertrifft) EU-Bürgern nicht mehr in unbegrenzter Zahl die Ansiedlung gestatten. Damit verstößt – auch – die Schweiz gegen eine rechtliche Regelung der EU.

Das sei völlig ausgeschlossen, heißt es da aber. Der Schweiz werden diese Flausen schon noch ausgetrieben werden. Kommt überhaupt nicht in Frage. Recht sei Recht.

Hat das auch nur irgendeine Logik? Will man da wirklich argumentieren, dass das Nicht-Mitglied Schweiz rechtlich enger an das EU-Recht gebunden sei als das Mitglied Österreich?

Nur zur Klarstellung für die üblichen Stänkereien: Ich bin natürlich kein Bauer, der Mais anbaut. Ich habe auch keinerlei Beziehungen zu irgendwelchen Saatgutfirmen oder ähnlichem. Ich sorge mich nur, dass Österreich mit seiner Gen-, Hormon-, Atom-Hysterie unter Druck der Grünen und der Krone immer mehr und immer peinlicher ins tiefe Mittelalter zurückrutscht.

Kärnten übertrifft noch alles

Dazu passt auch gut die jüngste Behauptung des Kärntner Stronach-Landesrat Köfer, die auch unsere dritte Frage ist. Der Mann meint nämlich allen Ernstes, dass er durch Nichtaufstellung eines Handymastes die Bürger vor Krebs bewahrt habe. Jetzt bin ich ernstlich besorgt: Hat der Typ für sich selbst keine diesbezüglichen Sorgen, sobald er ein Handy benutzt? Oder soll man ihn wegen seines heldenmütigen Telefonierens im Dienste aller Kärntner loben?

Diese himmelschreiende Blödheit des Herrn Köfer rechtfertigt freilich nicht, dass die Kärntner Staatsanwaltschaft jetzt allen Ernstes gegen ihn ein Verfahren wegen genau dieser Handymast-Verweigerung begonnen hat. Damit demonstriert sie nur ebenso himmelschreiende Blödheit.

Es ist die gleiche Staatsanwaltschaft, die keinerlei Verfahren gegen die Kärntner Landesregierung und ihre Beamten führt. Dabei haben diese grob fahrlässig bis zum Zehnfachen(!) des Kärntner Landesbudgets an Haftungen für die Hypo unterschrieben! Offenbar genügt den Staatsanwälten aber strafrechtlich die Behauptung der Landesregierung, dass diese leider, leider von der Hypo schlecht informiert worden wäre.

Wir lernen daraus: Wegen solch unbedeutender Beträge brauchen doch eine Kärntner Landesregierung und ihre Beamten nicht gleich selber nachzuforschen. Und sie können weiter wie ein Fürst das viele Geld verteilen, das Kärnten als Haftungsprämie für die Hypo kassiert hat. Und das es nicht zurückzugeben denkt.

Wir lernen daraus: Kärntner Witze schlagen noch allemal Österreicher-Witze.

Und zu schlechter letzt die vierte Frage: Noch immer hat sich der neue Justizminister in keiner Weise der vielen Rätsel rings um das Verhalten und Nicht-Verhalten seiner Staatsanwälte angenommen. Wozu seit einigen Tagen auch die seltsame Rolle der Wiener Oberstaatsanwaltschaft beim Kampf ihrer Untergebenen gegen jugendliche Diebsbanden gehören dürfte.

Dafür interessiert den Minister anderes: Er will jetzt einen weiteren, zusätzlichen Richter in allen Schöffenprozessen einsetzen. Solche teuren juristischen Finessen interessieren ihn. Und im Budget findet sich sicher das nötige Geld – spätestens seit dem Hypo-Crash. So glauben es zumindest Politiker mit ihrer spezifischen Mathematik.

 

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Am britischen Wesen könnten wir ein Stück genesen drucken

Österreich oder Deutschland könnten sich ein großes Stück Selbstwertgefühl von den Briten abschauen. Patriotismus ist nämlich an sich absolut kein Widerspruch zu einem vereinigten Europa. Er darf nur nicht in Nationalismus ausarten, der chauvinistisch auf andere Völker herabsieht.

Das sieht man oft an ganz kleinen Details: eines war etwa ein Besuch in einem Londoner Musical. Da haben nach der Vorstellung bei allen Eingängen Schauspieler in ihren Kostümen für die im Kampf gefallenen oder invalide gewordenen Soldaten Geld gesammelt. Zuvor hatte mitten in die Applausrunde hinein der Hauptdarsteller auf offener Bühne diese Sammelaktion für „unsere“ Soldaten angekündigt. Wobei er besonders betonte, dass es eine Art Wettbewerb unter den britischen Bühnen wäre, welche am meisten sammelt. Dass ein kräftiger Griff in die Börse für ihn noch wichtiger wäre als der Applaus.

Das mag manchen als eine Kleinigkeit erscheinen. Es ist aber ganz sicher ein in Österreich oder Deutschland absolut undenkbarer Vorgang. Und zwar nicht nur, weil es in diesen Ländern viel weniger Soldaten in gefährlichen Einsätzen gibt. Hier weigern sich manche Schulen sogar, Soldaten bei Vorträgen auftreten zu lassen; und den Direktoren passiert nichts. Hier trauen sich nicht einmal Offiziere, öffentlich in Uniform aufzutreten.

Die Theater und die Rolle eines Landes

Es ist auch kein Zufall, dass die Londoner Bühnen im Vorjahr einen absoluten Besucherrekord erzielen konnten: Sie lockten über 14 Millionen Besucher an, während hierzulande die Besucherzahlen fast überall ständig zurückgehen. Immer weniger Menschen wollen sich den dekonstruktivistischen Schwachsinn progressiver Regietheaterregisseure anschauen. Dabei werden die britischen Bühnen in einem viel geringeren Ausmaß aus Steuergeldern unterstützt als etwa jene in Wien. Aber höchstwahrscheinlich ist gerade das die Ursache, dass die Theater für und nicht gegen das Publikum spielen.

Ähnlich eindrucksvoll war auch der jüngste „Ausflug“ des Königinnen-Enkels Harry. Er ist mit versehrten Kriegsveteranen drei Wochen lang in der Antarktis bis zum Südpol gewandert. Wo er übrigens als erstes Mitglied der Königsfamilie ankam. Und was tat der Prinz dabei vornehmlich? Er errichtete jeden Abend im neuen Lager eine Latrine.

Das alles ist zweifellos Teil eines ungebrochenen und starken Patriotismus, der sich auch in solchen Details zeigt.

Aber kann man denn die Briten wirklich loben? Wollen die nicht gerade ein EU-Austritts-Referendum machen? Das wollen sie in der Tat. Aber jeder, der Premier Cameron bei seiner Referendums-Ankündigung zugehört hat, weiß, dass er den EU-Binnenmarkt über alles rühmt und schätzt. Er und der Großteil der Briten wollen aber keine Union, die sich mit immer mehr Regulierungen, Richtlinien und Judikaten in ihr Leben einmischt. Und die Briten wollen auch keinesfalls eine gemeinsame Währung, deren Institutionen ständig die selbst erlassenen Regeln brechen.

Ich kann darin nichts Übles finden.

Auch Deutschland beginnt langsam, sich neu zu definieren

Aber auch aus Deutschland hört man in den letzten Tagen interessante Signale. Einerseits werden unter dem offensichtlichen Druck der rapide anwachsenden „Alternative für Deutschland“ vor allem die CSU, aber auch in signifikantem Ausmaß die CDU deutlich EU-kritischer. Der dumpfe Europa-Fanatismus hat ausgedient. Er findet sich höchstens noch bei den Grünen. Freilich ist es mehr als fraglich, ob das nicht bei CDU/CSU nur Wahlkampftöne sind, die man nachher rasch wieder vergisst. Hätte es doch ohne Wolfgang Schäuble niemals die De-Facto-Übernahme griechischer Schulden durch andere Länder gegeben; das wird die CDU rückblickend nur ungern als Fehler eingestehen. Andererseits haben in Deutschland sowohl der Bundespräsident wie auch der – aus der SPD kommende! – Außenminister stärker denn früher die Verantwortung ihres Landes für die Vorgänge in der Welt betont.

Und wie sieht sich Österreich in der Welt? Es wagt es ernsthaft, schon darin einen ausreichenden Beitrag zum Weltgeschehen zu sehen, dass wieder einmal eine Runde der Iran-Atomverhandlungen in Wien stattfindet. Das ist zwar nett, aber am Amtssitz der Atomagentur IAEA eigentlich selbstverständlich. Und es ist ein wenig wenig als einziger österreichischer „Beitrag" für den Lauf der Welt.

Gerade das britische Beispiel zeigt, dass sich ein sehr tiefer Patriotismus exzellent mit einer aktiven Rolle im internationalen Getriebe verträgt. Auch wenn man ganz gewiss Österreich nicht als Groß- oder Mittelmacht einstufen kann, gäbe es da viel zu tun. Aber nur ein starkes Land, das mit sich selbst im reinen ist, kann Sinnvolles für die Welt tun.

Britische Pässe können wieder entzogen werden

Nur scheinbar ein ganz anderes Beispiel ist das jüngste britische Gesetz: Eine ganz überwältigende Mehrheit aus allen Parteien hat dafür gestimmt, eingebürgerten Menschen wieder die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn diese sich des Terrors verdächtig machen. Bei uns würden solche Gesetze zuerst einmal einen politisch korrekten Sturm fast aller Medien auslösen, bevor man draufkäme, dass auch die Mehrheit der Bürger für einen strengeren Umgang mit der Staatsbürgerschaft wäre.

Das britische Innenministerium bereitet darüber hinaus auch noch weitere Maßnahmen vor, die ein Untertauchen suspekter Elemente – vor allem aus der islamistischen Szene – im Land verhindern sollen: Vermieter, Banken und Standesämter sollen jeweils die Aufenthaltsgenehmigungen ihrer Gegenüber überprüfen, bevor sie denen eine Wohnung oder ein Konto einräumen oder sie heiraten lassen.

In Österreich schaut man bei all diesen Dingen lieber weg . . .

 

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Man kann Karlsruhe nur halbherzig gratulieren drucken

Das deutsche Bundesverfassungsgericht sagt in einem aufsehenerregenden Beschluss, dass das umstrittene Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank wahrscheinlich gegen EU-Recht verstößt. Karlsruhe legt deshalb die Angelegenheit nun – erstmals – dem Europäischen Gerichtshof vor. Das mögen viele Kritiker der EZB als Erfolg ansehen. Aber es ist leider nur ein Pyrrhussieg.

Denn in Luxemburg wird mit fast absoluter Sicherheit eine gegenteilige Rechtsmeinung obsiegen. Dort entscheidet die Mehrheit der (ja national bestellten!) Richter meist im nationalen Interesse. Und das liegt für viele Profiteure der EZB-Politik klarerweise in einer Fortsetzung dieser Politik. Obwohl sie gegen EU-Recht verstößt – und natürlich erst recht gegen die Interessen der Deutschen (und Österreicher).

Mit der Weiterleitung nach Luxemburg hat sich Karlsruhe in Wahrheit um eine eigene Entscheidung gedrückt (denn auch in Deutschland gibt es sehr linke Richter, die kein Problem mit dem hemmungslosen Gelddrucken haben). Damit ist die Causa jedenfalls über die EU-Wahl hinaus stillgelegt – was für Politiker ja immer das Allerwichtigste ist. Damit können sich zwar viele Deutsche und Österreicher in ihrer seit Jahr und Tag vorgetragenen Kritik an der EZB bestätigt fühlen. Aber es wird ihnen am Ende nichts helfen. Die EZB wird, wie schon selbstzufrieden angekündigt, ihre Politik letztlich ungehindert fortsetzen.

Trotzdem ist es erfreulich, wenn nun das Höchstgericht des größten EU-Landes vieles festhält, was man zwar seit langem sagt, was aber die EU-Verteidiger – zumindest bis zum Beginn des EU-Wahlkampfes – bisher immer totgeschwiegen oder mit Schimpfworten zurückgewiesen haben: Auch Karlsruhe sieht jedenfalls "gewichtige Gründe", dass die EZB-Politik „nicht vom Mandat der Europäischen Zentralbank gedeckt“ sein dürfte. Die EZB, so Karlsruhe weiter, sei nicht zu einer eigenständigen Wirtschaftspolitik ermächtigt. "Geht man – vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union – davon aus, dass der (… EZB-)Beschluss als eigenständige und wirtschaftspolitische Maßnahme zu qualifizieren ist, so verstößt er offensichtlich gegen diese Kompetenzverteilung."

Der „Beschluss“ bezieht sich auf die Ankündigung des EZB-Präsidenten Draghi, in Zukunft wenn nötig auch unbegrenzt Anleihen der Krisenländer zu kaufen. Was diesen naturgemäß sehr geholfen hat, zu Lasten der sparsameren Europäer.

Freilich: Die Verfassungs-Richter aus Karlsruhe (jene in Wien greifen sowieso heikle Fälle gar nicht erst auf) sind trotz ihrer richtigen Erkenntnisse mehrheitlich aber doch der Auffassung, dass das EZB-Programm mit Einschränkungen aufrechterhalten werden kann. Und mit diesem Hinweis machen sie klar: Die EZB hat zwar Verträge verletzt, aber letztlich will (oder kann?) man ohnedies nicht ernsthaft etwas dagegen machen. Wieder einmal.

Das wird den EU-kritischen Parteien wohl noch mehr Zulauf bringen. Denn letztlich heißt das ja: Deutsche, Finnen, Österreicher und Niederländer mögen zwar an die Bedeutung von Recht und Verträgen glauben, aber in der heutigen EU hat letztlich immer die politische Macht das Sagen. Und die kümmert sich nicht sonderlich um das Recht. Für viele EU-Mitglieder ist das ja auch ganz normal.

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Steuerhinterzieher, Freunderln und Stauverursacher drucken

Binnen weniger Stunden hat sich weltweit die Verachtung, der Zorn auf die politische Klasse wieder um ein kräftiges Stück weiter erhöht. Um dennoch nicht ganz zu verzweifeln, sollte man zum psychischen Selbstschutz greifen: Indem man sich ständig in Erinnerung ruft, dass auch Politiker trotz ihrer Macht genauso Menschen wie alle anderen sind, dass man selber ja auch kein Engel ist, und dass Macht und Missbrauch wohl nie trennbar sein werden. Von welchem Land immer wir reden mögen.

Aber gehen wir zu den Gründen des Zorns. Es sind heute gleich fünf neue:

Da ist in Berlin jetzt nach der Moralistin Alice Schwarzer nun auch ein Kultursenator der SPD dabei erwischt worden, dass er Steuern hinterzogen hat. Was gerade bei Sozialdemokraten besonders widerlich ist, weil sie ja ständig so heuchlerisch gegen die „Reichen“ agitieren. Der Mann hatte fast eine halbe Million Euro in der Schweiz. Zusätzlich zu seinen deklarierten Geldern. Und Schwarzer muss dort noch viel mehr haben.

Da musste in Ungarn der Vize-Parteichef der dortigen Sozialisten über Nacht zurücktreten: Er hatte eine geheimes Bankkonto in Österreich über immerhin 770.000 Euro gebunkert.

Da ist in Amerika ein rechter, ein republikanischer Gouverneur mehr als rücktrittsreif. Der übergewichtige Chris Christie (bis vor kurzem ein potentieller Präsidentschaftskandidat) hatte als Racheakt für eine ihm politisch übel gesonnene Gemeinde künstlich ein schweres Verkehrs-Chaos anrichten lassen. Widerlich. Es erinnert den Wiener übrigens an den Zustand der Bezirksämter in den (schwarzen) Bezirken 18 und 19, die ausschauen, wie wenn wir noch das Jahr 1945 schrieben (Aber in Wien ist das ja sicher Zufall, während die Amerikaner wenigstens penibel aufdecken).

Da weigern sich die Wiener Linien auch trotz der anderslautenden Urteile zweier Instanzen, einer weiteren Zeitung neben dem „Heute“ das Aufstellen von Entnahme-Boxen in U-Bahn-Stationen zu erlauben. Nicht dass mir diese andere Zeitung irgendwie sympathischer wäre (im Gegenteil – ich frage mich eher ständig, auf welchem Gratispapier der größere Mist steht). Aber in einem Rechtsstaat kann es keinesfalls im Belieben einer Gemeinde liegen, welche Zeitung sie bevorzugt. Die Wiener Linien ziehen dennoch das Verfahren weiter in die Länge und gehen auch in die dritte Instanz, ohne vorerst anderen Blättern die gleiche Verkaufsmöglichkeit zu geben wie dem Dichand-Blatt. Damit kann des Bürgermeisters Lieblingszeitung noch ein weiteres Jahr allein die U-Bahn-Fahrer als Leser für sich ausschöpfen.

Da fordert die rot-grün-linksliberale Mehrheit des EU-Parlaments einen besonderen Schutz für Homosexuelle und indirekt auch das volle Eherecht für schwule Paare (das es ja in vielen Ländern nicht gibt). Nicht dass ich das geringste Verständnis dafür hätte, dass jemand gegen Schwule Gewalttaten setzt. Aber in einem Rechtsstaat müssen alle Gruppen denselben Schutz gegen Gewalt und Verhöhnung haben. Etwa auch ein Bischof gegen Aktionen von Radikalfeministinnen. Für den tritt aber kein EU-Parlament ein. In einem Rechtsstaat darf es keine besonders privilegierten Grüppchen geben (auch nicht dann, wenn diese drei Gruppierungen in Wahlkampfzeiten besonders um sie buhlen). In einer EU, die sich noch an die eigene Verfassung hielte, würde man auch respektieren, dass es dabei um ein Thema geht, welches die Union überhaupt nichts angeht. Eine besonders unrühmliche Rolle hat bei dieser Resolution des EU-Parlaments eine österreichische Grüne als Einpeitscherin gespielt. Als ob nicht gerade Grüne derzeit in Sachen Gewalt besonders leise sein sollten.

Fünf internationale Entwicklungen, die fast alle gleichzeitig stattgefunden haben. Alle fünf tragen dazu bei, das abfällige Urteil der Menschen über die politische Klasse und ihre Verlogenheit, ihren Egoismus, ihren Verzicht auf jede Objektivität noch mehr zu steigern.

Da muss man sich selbst ständig zu dem Trost zwingen, dass in einer Demokratie solche Missbräuche wenigstens reihenweise aufgedeckt werden. Hingegen gäbe es nach einem Ende von Demokratie und Rechtsstaat – das eine offenbar wachsende Gruppe insgeheim zu ersehnen scheint – genauso viele Missbräuche wie jetzt oder vielleicht sogar mehr. Nur können diese dann von niemandem mehr aufgedeckt werden.

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Auf in den Kampf um die Freiheit drucken

Die Zukunft Mitteleuropas verdunkelt sich. Das passiert, obwohl es im Vergleich zum Süden scheinbar so stabil dasteht. Das passiert ganz unabhängig von ein paar Zehntel Auf- oder Abwärtsbewegung der sich ja ständig ändernden Konjunkturdaten. Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich. Dazu gehören vor allem die Folgen der um 1970 einsetzenden demographischen Katastrophe, die Masseneinwanderung bildungsferner Schichten aus islamischen und afrikanischen Kulturen, die gigantisch angewachsene Haftungslawine zugunsten der schuldenfreudigen Mittelmeerländer, das immer exzessiver werdende Diktat der Politischen Korrektheit und die daraus erfolgende Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Das Diktat der Political Correctness hat sich in den letzten Jahrzehnten schleichend, aber umso wirksamer ausgebreitet. Es hat seine Wurzeln in den USA, ist aber heute in den deutschsprachigen Ländern besonders tief verankert (vielleicht auch als Folge der deutschen Gründlichkeit).

Die USA waren das erste Land, in dem man die Political Correctness auch in der Sprache nachweisen kann. Allerdings war sie dort nur in Form des relativ wenig störenden „he/she“ zu bemerken. Dafür sind in den USA die Auswüchse der P.C. in anderen Feldern ganz besonders skurril: Dazu gehören etwa die Verbote, eine Kollegin mit Worten wie „Darling“ anzusprechen oder Kleinkinder nackt im eigenen Garten herumlaufen zu lassen oder eine Bürokollegin zum Essen einzuladen. Ein besonders krasses Beispiel war vor kurzem die Schul-Suspendierung für einen Sechsjährigen, weil dieser seine gleichaltrige Schulfreundin auf die Hand geküsst hat. Fast jedes normale Verhalten kann dort schon als „sexuelle Belästigung“ gewertet werden. Selbst wenn es im gegenseitigen Einverständnis erfolgt.

Diese Political Correctness breitet sich nun auch in Europa aus. Sie geht Hand in Hand mit dem Radikalfeminismus, also der skurrilen und natürlich nie bewiesenen oder beweisbaren Lehre, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ein reines soziales Konstrukt wären.

Vor allem im deutschsprachigen Raum hat diese P.C. dann im Verlauf der Zeit Verkrampfungen auf vielen Gebieten ausgelöst. So ist es in der staatsoffiziellen Variante der deutschen Sprache zu viel schlimmeren Folgen als in den USA gekommen. Kann man doch nur im Deutschen sprachliches mit biologischem Geschlecht verwechseln (was die Bürokratie prompt getan hat). Gibt es doch nur im Deutschen nach Sprachgeschlechtern unterschiedliche Artikel. Wird doch hier jedes auf -er endende Wort als böse abgestempelt und in die Faschiermaschine des Genderns gesteckt. Hat sich doch nur im Deutschen die amtlich angeordnete Schriftsprache mit dem unleserlichen Binnen-I total von der gesprochenen wegentwickelt. Hat sich doch nur im deutschsprachigen Raum die hässliche Unsitte entwickelt, zahllose Substantiva durch hässliche Partizipia zu ersetzen (also etwa „Lehrende“ statt Professoren). Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Sprachdekonstruktion von fast allen Literaten, Medien und sprachsensiblen Menschen abgelehnt wird.

Das Gendern war anfangs nur eine verschmockte und belächelte Höflichkeitsfloskel. Heute ist es im bürokratischen und universitären Bereich zum absoluten Diktat mit rechtlichen Zwangsfolgen geworden. Studenten – auch weiblichen – werden noch so gute Diplomarbeiten zurückgeschmissen, wenn diese nicht gegendert sind. Dass ein totales Gendern lange Texte noch viel länger macht, ist dem P.C.-Diktat egal. Ebenso wie die Tatsache, dass es so wie die ebenfalls politisch-bürokratisch diktierte Rechtschreibreform mitschuldig daran ist, dass sinnerfassendes Lesen für Jugendliche immer schwieriger wird, vor allem für jene mit Bildungsdefiziten.

Der Universitätsbereich ist ein besonders guter Nährboden für Genderisten geworden. Dort gibt es nicht nur immer mehr Gender-Institute und Professuren – auf Kosten der seriösen Wissenschaften und auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Universitäten bei ihrem Kampf um mehr Geld. Dort werden auch Gendervorlesungen immer mehr zur Pflicht für die unterschiedlichsten Studienrichtungen. Das ist ähnlich wie einst in den kommunistischen Ländern, wo alle Studenten Marxismus-Leninismus belegen mussten.

Kleines, aber bezeichnendes Beispiel: Die Universität Wien stellte vor kurzem aus den Tausenden dort produzierten Diplom- und Seminararbeiten ausgerechnet jene Arbeit prominent auf ihre Homepage, in der sich ein halbes Dutzend Soziologinnen darüber beklagt, dass es mehrheitlich Frauen sind, die vor Weihnachten backen. Das wird – von einer wissenschaftlichen Institution! – vehement als „Retraditionalisierung“ attackiert.

In den Sog der Political Correctness ist in den letzten Jahren nicht zuletzt durch Verschulden der EU auch die Justiz geraten. Sie engt das Leben der Menschen und deren persönliche wie wirtschaftliche Handlungsfreiheit immer mehr mit Antidiskriminierungsgesetzen und Verhetzungsparagraphen ein.

Insbesondere der Islam hat in der Political Correctness einen intensiven Verbündeten gefunden. Während man etwa nach einem Delikt der „Christophobie“ oder „Katholophobie“ vergebens sucht (das würde ja reihenweise Grüne, Pinke und Rote vor Gericht bringen), wird von Linken seit einigen Jahren „Islamophobie“ als Schwerverbrechen dargestellt.

Alle Fakten, die dieser Sichtweise des Islam widersprechen, werden totgeschwiegen. Und dort wo man nicht strafen kann, wird ignoriert. Das passierte daher etwa auch der erschreckenden Studie, die das „Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung“ präsentiert hatte: Es fand nämlich durch umfangreiche Befragungen heraus, dass zwei Drittel der Moslems die religiösen Gesetze als über den staatlichen stehend erachten. Bei den Christen waren es hingegen nur 13 Prozent. Das zählt heute zu den Wahrheiten, die niemand hören will, die niemand im öffentlichen Raum mehr anzusprechen wagt.

Selbst diese 13 Prozent sind ja letztlich keine Gefahr für den Staat. Findet sich doch in der Bibel nichts, was dem Staat ein bestimmtes Handeln vorschreiben würde. Selbst das Tötungs- und damit auch Abtreibungsverbot ist in allen biblischen Quellen nur ein für das Individuum geltendes Gesetz. Diskrepanzen gibt es lediglich in einem extrem schmalen Bereich, nämlich dort, wo Staaten Christen zwingen wollen, bei Abtreibungen mitzuwirken.

Im Islam hingegen ist ein riesiger Bereich der Glaubenslehre des Korans klassisches Zivil- und Strafrecht. Viele Koranlehrer meinen sogar, dass der Koran die ausschließlich für Zivil- und Strafrecht zuständige Rechtsquelle sei. Daher hat sich in islamischen Zuwanderergruppen in Deutschland und Österreich, sobald diese eine kritische Größe erreicht hatten, eine ausgebreitete Schattenjustiz entwickelt. Diese geht längst über die Rolle von Mediatoren hinaus. Sie führt immer öfter dazu, dass Moslems wegen des in ihren Augen gültigen Vorrangs islamischer Gerichte vor staatlichen falsch oder gar nicht aussagen. Für die Mehrheit der Moslems gibt es keine getrennten Sphären für Religion und Staat – zumindest dort nicht, wo sie die Mehrheit bilden. Das wird aber schon in wenigen Jahrzehnten in Deutschland wie Österreich der Fall sein.

Die drohende Verschmelzung von staatlicher und religiöser Sphäre ist heute überhaupt die größte Bedrohung der menschlichen Freiheit. Dennoch wird von Grün&Co fast jede Kritik am real existierenden Islam heftig bekämpft. Auch in den vielen von Linken beherrschten Medien wird Kritik am islamischen Fundamentalismus meist unterdrückt. Statt dessen erstatten immer wieder grüne Politiker und Journalisten Strafanzeige gegen einen der wenigen mutigen Islamkritiker. Und Staatsanwälte wie Richter verurteilen diese immer öfter, da sie sich anpassungswillig der „politisch korrekten“ Einschränkung der Meinungsfreiheit beugen.

Vorerst gehen all diese Entwicklungen an den Durchschnittsdeutschen und Österreichern eher vorbei. Diese haben zwar immer mehr die Überzeugung, wie Umfragen nachweisen, dass man nicht mehr alles sagen dürfe, was man sich denkt. Sie nehmen das aber eher lethargisch hin. Vorerst wird die mediale und politische Agenda nämlich noch ganz von wirtschaftlichen und europäischen Themen dominiert. Weder die demographische Katastrophe noch die Einschränkung der Meinungsfreiheit scheinen die Menschen derzeit sonderlich zu erregen.

Das tun derzeit offenbar nur jene, die sich an das Jahr 1848 erinnern. Das war die einzige Revolution, die ganz Europa erfasst hat, die Bürger und Arbeiter Seite an Seite gebracht hat. Das oberste Ziel dieser Revolution war der Ruf nach Meinungsfreiheit. Oder wie es damals meist hieß: nach „Preßfreiheit“.

Zwar sind die meisten der 1848 formulierten Verfassungen damals nicht Wirklichkeit geworden. Aber langfristig haben sich ihre Forderungen total durchgesetzt. Von den Menschrechtspakten bis zum deutschen Grundgesetz findet sich die Absicherung der Freiheit als dominantes Ziel und oberste Leitlinie. In Österreich ist sogar heute noch der ganz von 1848 geprägte Grundrechtskatalog von 1867(!) das zentrale Menschenrechtsdokument. Freiheit und Würde des einzelnen sind in jener Epoche immer im Zentrum gestanden: beim Kampf für die Gewaltentrennung, bei der weitgehenden Zurückdrängung der Obrigkeit aus unserem Privatleben oder bei der Durchsetzung des Prinzips „Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt“.

Heute aber ist die Freiheit der Bürger fundamental bedroht, weil all diese Prinzipien unterminiert werden, weil im Strafrecht die Politische Korrektheit langsam zur dumpfen General-Klausel wird.

Letztlich geht es in den meisten Phasen der europäischen Geschichte immer um das Ringen zwischen staatlicher Macht und ihrem Allmachtsstreben auf der einen Seite und dem Kampf der Menschen um Freiheit, ob sich dieser nun individuell oder in Gruppen, Vereinen und Parteien zeigt. Bei diesem Kampf um individuelle Freiheit geht es erstens um Leib und Leben, also konkret vor allem um das Recht auf einen unabhängigen Richter und um objektive, möglichst restriktive Gesetze; und zweitens um die Meinungsfreiheit, ob sich die nun in der Spezialform Religionsfreiheit äußert oder etwa in der Freiheit von Wissenschaft oder Kunst.

Immer geht es um das Recht, anderer Meinung zu sein, anderes zu glauben, anders zu reden, anders zu handeln, als es die Machthaber wollen. Dieses Spannungsverhältnis, diese Abwehr eines totalitär alles beherrschen wollenden Staates lässt sich schon im mittelalterlichen Kampf um die „Zweischwertertheorie“, also um die Trennung zwischen Staat und Kirche nachweisen, in den Geschehnissen rund um Canossa, in den Religionskriegen des 16. und 17. Jahrhunderts, im Einsatz der Aufklärung für Gewaltenteilung und in den nationalen Befreiungskriegen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Heute droht eine neue Einschränkung der Meinungsfreiheit zurück in den Vormärz zu führen. Um nur ein einziges besonders krasses Beispiel zu nennen: Österreichische Staatsanwälte klagen es als unerlaubten Meinungsexzess an und die Gerichte dreier Instanzen bestrafen es, wenn eine Wissenschaftlerin bei einem Seminar den islamischen Propheten als Pädophilen bezeichnet. Dabei gaben Gerichte und Staatsanwaltschaft durchaus das Faktum zu, dass Mohammed systematisch eine sexuelle Beziehung zu einer Neunjährigen gehabt hat. Nur sagen und kritisch thematisieren darf man es halt nicht mehr.

Deutlicher als dieses skandalöse Urteil kann man gar nicht zeigen, wie sehr die Meinungsfreiheit hierzulande wieder unterdrückt wird. Solche Urteile sind eine viel gravierendere Einschränkung der Freiheit als etwa die Vorratsdatenspeicherung. Bei dieser geht es ja nur um das behördliche Festhalten einer angerufenen/angemailten Telefon- oder Mail-Nummer, nicht um den Inhalt. Und die Vorratsdatenspeicherung könnte jedenfalls auch der Verfolgung echter Verbrechen dienen.

Umso erfreulicher ist es, dass sich ein brillanter Autor wie Werner Reichel mit seinem neuen Buch, mit seinem großen Faktenwissen und seiner schreiberischen Begabung ganz dem historischen Kampf für die Freiheit und gegen deren Einschränkungen widmet.

Dieser Text ist das Vorwort zum neuen, soeben erschienenen Werk von Werner Reichel „Die Feinde der Freiheit“ . Es kann bereits unter diesem Link auf Amazon bestellt werden.

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Gegen den zeitgeistigen Hauptstrom drucken

Welche Zeitung man auch aufschlägt, welchem Fernseh- oder Radiosender man den Vorzug gibt: Die Diagnosen, die im Zusammenhang mit der nicht enden wollenden Krise kolportiert werden, laufen meist stereotyp auf herbe Kapitalismuskritik hinaus. Die Therapieempfehlungen der durchwegs staatsverliebten Gesellschaftsquacksalber sind um nichts differenzierter: Stets werden international orchestrierte, hoheitliche Planungs- und Lenkungseingriffe in die Wirtschaft, sowie höhere Steuerlasten und damit eine Umverteilung von Freiheit, Geld und Macht von den Bürgern zu den Zentralbürokratien befürwortet. Subsidiarität? Individuelle Initiative und Verantwortung? Persönliche Haftung? Fehlanzeige! Das Politbüro soll und wird es – fürs Kollektiv – richten!

Umso erfreulicher ist es, gelegentlich kleine Inseln der Staatsskepsis und des bürgerlichen Selbstbewusstseins zu finden, wo man noch Unternehmertum und Freihandel hochhält. Eine davon ist der mittlerweile zum elften Mal abgehaltene „Vienna Congress Com.Sult“. Diese Konferenz dient Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik als Ort der Begegnung. Sie wird von durchwegs liberalem Geist getragen wird (sofern nicht – wie im Vorjahr – ein Robert Menasse das Impulsreferat hält).

Auch heuer konnten die Veranstalter prominente Redner nach Wien bringen. Darunter herausragende Wissenschaftler wie Carl Djerassi (den Erfinder der Antibabypille) oder Dan Shechtman (Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 2011 und gegenwärtig parteifreier Kandidat für das Amt des israelischen Staatspräsidenten) oder politische Schwergewichte wie Václav Klaus (ehemals Staatspräsident der Tschechischen Republik) und Phillip Blond („Mastermind“ der britischen Tories).

Die Worte von Industriellen-Präsident Georg Kapsch fallen etwas zwiespältig aus: Weist er zunächst darauf hin, dass „Europa auf Vielfalt gegründet ist“, fordert er unmittelbar darauf „mehr Integration“ – ohne im Detail auszuführen, was damit gemeint ist. Das will nicht recht zusammenpassen. In der Schaffung von Arbeitsplätzen sieht Kapsch die Hauptaufgabe der Politik. Daher übt er herbe Kritik an der europäischen Klimapolitik, die er im Gegensatz zu diesem Ziel sieht. Die Vertreibung der Industrie aus Europa sei im Hinblick auf die propagierte CO2-Reduktion kontraproduktiv, weil zum Beispiel in Fernost kaum Rücksicht auf den Schadstoffausstoß genommen werde. Ohne industrielles Wachstum gehe es nicht, weil in diesem Sektor – und nicht etwa im dienstleistungsorientierten Tourismus, wie viele meinen – die größte Wertschöpfung erfolge. Die USA zeigten vor, wie es geht. Auch für Europa gelte: „Wir brauchen mehr Freiheit!

Nobelpreisträger Daniel Shechtman bedeutete für viele Besucher eine echte Überraschung. Statt eines staubtrockenen Referats eines weltfremden Wissenschaftlers aus dem Elfenbeinturm legte er das flammende Plädoyer eines Praktikers für „technologisches Unternehmertum“ ab. An seiner Heimatuniversität in Haifa legt er größtes Gewicht darauf, seine Studenten zu unternehmerischem Handeln zu motivieren.

Nach einem Erfolgsrezept für Innovation und Wachstum für Österreich befragt, gibt er zur Antwort, dass „… man bereits im Kindergarten damit beginnen muss, für die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften zu werben.“ Schließlich würden alle relevanten Wachstumsimpulse und Fortschritte aus mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern resultieren. Eine seiner für die Teilnehmer aus Österreich besonders bemerkenswerten Aussagen lautet: „Die Regierung ist nicht dafür zuständig, Jobs zu schaffen!“ Besonders Universitätsabsolventen sollten besser selbst für ihre Arbeitsplätze sorgen, indem sie Unternehmen gründen.

Sein Lebensmotto, das er auch jedem anderen nahe legt, lautet: „Niemals aufgeben!“ Mit der politisch unkorrekten Feststellung, dass gebildete Frauen weniger Kinder hätten – was ein großes Problem bedeute, dem viel Aufmerksamkeit zu schenken sei „um uns selbst zu retten“ – rührt er an ein von den über die Deutungshoheit gebietenden Eliten weithin totgeschwiegenes Phänomen, mit dem heute viele entwickelte Gesellschaften konfrontiert sind.

Marcus Weldon, Präsident von Alcatel-Lucent, richtet sein Augenmerk auf Fragen der Innovationskapazität Europas im Vergleich zu jener der USA und konstatiert schwere mentalitätsbedingte Defizite der Alten Welt. Diese würden unter anderem in einem massiven „Brain-Drain“ ihren Ausdruck finden. Ein großer Teil der besten Köpfe des von ihm geführten Betriebes in den USA stamme aus Europa. Die in Europa weit verbreitete Angst vor dem Scheitern ziehe Tatenlosigkeit nach sich.

Unterbleibende Erfolge wären aber ein viel zu hoher Preis, der für vermiedene Misserfolge bezahlt werden müsse. Die vergleichsweise niedrige Zahl von Unternehmensgründungen in Europa sei Ausdruck dieser Verzagtheit. In den USA gelte man – anders als in Europa – nicht als Versager, wenn man es mit einem eigenen Unternehmen versucht, aber nicht geschafft habe. Die Regierungen Europas seien gefordert, Menschen zum Unternehmertum zu ermutigen.

Kritische Einschätzungen der EU

Phillip Blond, Direktor der konservativen britischen Denkfabrik „Res Publica“ und treibende Kraft hinter Premierminister David Camerons Politik der „Big Society“, konstatiert eine verhängnisvolle „Mischung aus öffentlichem und privatem Keynesianismus“ während der zurückliegenden Jahre. Die „Wirtschaftslokomotive Deutschland“ stehe wesentlich weniger gut da, als gemeinhin angenommen werde. Besonders die schlecht bezahlten Tätigkeiten hätten dort nämlich stark zugenommen. Die Lohentwicklung insgesamt stagniere dagegen seit vielen Jahren, Bond spricht von einer „Wage Depression“. Auch die Höhe der Investitionen ginge merklich zurück.

Er zitiert Hayeks Beststeller „Der Weg zur Knechtschaft“ und sieht eine Renaissance der kollektiven Knechtschaft heraufziehen. „Orthodoxe“ sozialistische Parteien in einer Regierungskoalition seien tödlich für jene Innovationen, die wir dringend benötigten. Die liberale soziale Marktwirtschaft von anno dazumal degeneriere in der deutschsprachigen Welt zum alles erstickenden „Wellfarism“.

Der Liechtensteinische Vizepremierminister Thomas Zwiefelhofer plädiert für eine strikte Haushaltsdisziplin, die in seinem Land auch konsequent vorexerziert werde. Liechtensteins Staatsschuld belaufe sich exakt auf Null – was den Wünschen einer deutlichen Wählermehrheit entspräche. Zwiefelhofer erweist sich insofern als recht untypischer Politiker, als er sich gegen Staatsplanung und -regulierung der Wirtschaft ausspricht. Der „eine-Größe-passt-allen“-Politik der EU steht er kritisch gegenüber.

Bernd Lucke von der bei den zurückliegenden Bundestagswahlen in Deutschland knapp am Einzug ins Parlament vorbei geschrammten AfD möchte die „Südstaaten“ der Eurozone (Zypern, Griechenland, Italien, Spanien und Portugal) nicht aus der EU „rausschmeißen“. Er befürwortet aber deren freiwilligen Austritt. Dass Europa ohne Euro nicht leben könne, sei ein jeder Realität entbehrender Mythos. Immerhin gäbe es mehrere in der Union befindliche Staaten, in denen bis heute nicht daran gedacht werde, ihre eigenen Währungen aufzugeben. Großbritannien sei seinerzeit sogar aus dem Europäischen Währungssystem ausgeschieden, ohne dass dies zu einem Kollaps geführt habe.

Gegen eine Gemeinschaftswährung sei dann nichts einzuwenden, wenn die der Währungsunion zu Grunde liegenden Bedingungen eingehalten würden. Dies sei im Fall des Euro von Anbeginn an nicht der Fall gewesen. Die EU funktioniere demzufolge seit Einführung des Euro schlechter als davor. Entgegen anders lautender Behauptungen der Regierenden und Darstellungen in den Medien diene der ESM keineswegs der europäischen Solidarität, sondern vielmehr der Umverteilung von Mitteln an den relativ reichen Süden, während die wirklich armen Länder des Ostens (etwa im Baltikum) leer ausgingen. Der vermeintliche Stabilitätsmechanismus ESM sorge dafür, dass dorthin, wo am schlechtesten gewirtschaftet werde, das meiste Geld fließe. Wohlstand werde aber allemal durch marktwirtschaftliche Prozesse, niemals jedoch durch diese konterkarierende Staatsinterventionen geschaffen.

Václav Klaus stellt fest, dass sich seit Ausbruch der Krise im Jahr 2008 nichts zum Besseren gewendet habe. Europa befinde sich in einer Sackgasse. Er sehe die Ursache dafür in Europas fortschreitender Zentralisierung und in einer „Unterdrückung der Nationalstaaten“. Das Problem seines Landes bestehe darin, 80 Prozent seiner Exporte in die EU zu tätigen – und dort gebe es kein Wachstum. Wir haben es derzeit nicht mit einem „Unfall“ zu tun, sondern mit systematischen Fehlern, so Klaus.

Die „paternalistische Wohlfahrtsstaatsatmosphäre“ in Europa sei tödlich für die Prosperität. Klaus spricht in diesem Zusammenhang von einer „postdemokratischen Ära“. Zudem habe die Einführung des Euro Probleme mit sich gebracht, die zuvor nicht bestanden hätten. Sämtliche Systeme fixer Wechselkurse seien früher oder später gescheitert.

Der Euro sei im Grunde nichts anderes. Die Südeuropäer wären zu Opfern des Eurosystems geworden. Sie sollten daher in ihrem eigenen Interesse die Eurozone verlassen. „Was wir nicht brauchen, sind mehr Gipfeltreffen in Brüssel. Wir benötigten vielmehr eine tief greifende Mentalitätswende in Europa. Was wir brauchen ist eine Freiheitsunion!“

Schade, dass keine maßgeblichen Größen aus dem Kreis der rezenten Regierungen der EU anwesend waren, um diesen gegen den Strich gebürsteten Ausführungen zu lauschen …

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien

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Wie unterscheiden sich die EU-Wahlen der einzelnen Staaten? drucken

Mandate pro Staat, Bürger pro Mandat und weitere wahlrechtliche Regelungen nach EU-Staaten

 

Quele: Europäisches Parlament, vienna.at

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EU-Grüne und Sozialisten: Narzissmus als Leitprinzip! drucken

Der Bericht der Grünen Europa-Abgeordneten Ulrike Lunacek zu dem „EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität“ zeigt, wie die Menschenrechte von Homo-Lobbyisten umgedeutet werden, um sie für die eigenen Interessen nutzbar zu machen.

Artikel eins der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt, dass der Mensch mit Gewissen und Vernunft begabt ist. Sehr viele menschliche Handlungen, Gedanken, Gewohnheiten und Neigungen sind aber wider jegliche Vernunft und äußerst gewissenlos. Durch das Antidiskriminierungsgesetz wurde jedes widernatürliche sexuelle Verhalten legalisiert und unter Diskriminierungsverbot gestellt. Aus dem beschworenen Geist der Brüderlichkeit wurde eine Gesinnung, die besagt: „Was ich nicht will, das man mir tu, das füge einem anderen zu“. Jeder nämlich, der den homosexuellen Lebensstil als widernatürlich und unsittlich empfindet, wird als homophob gebrandmarkt, und wer sich nicht betont homosexuellenfreundlich äußert, wird als Hassprediger bezeichnet.

Die Menschenrechtserklärung spricht in Artikel zwei nur von Geschlecht und nicht von sexueller Orientierung. Erst in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wurde das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung in Artikel 21 aufgenommen. Geschlecht und sexuelle Orientierung sind zwei verschiedene Dinge! Das Geschlecht des Menschen ist determiniert, eine sexuelle Neigung ist ein sich veränderbares Verhalten.

Gender-Ideologen behaupten, ein Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz sexueller Vielfalt sei das Problem. Ein solches Argument ist scheinheilig und ignoriert die Tatsache, dass sexuelle Neigungen, die nur der Triebbefriedigung dienen, ein Missbrauch von Liebe sind und die menschlichen Beziehungen zerstören, da es den/die Partner/in nur ausnutzt und entwürdigt. Dass ein homosexueller Lebensstil für die Gesundheit eines Menschen riskant ist und Liebesaffären das Leben ganzer Familien zerstören, wird allgemein akzeptiert. Dass aber sexuelle Neigungen oft nur als Rechtfertigung dienen, die unreife Sexualität auszuleben, wird völlig ignoriert.

LGBT-Menschen wähnen sich immer als Opfer und befreien sich schon in ihrer Sprache von Verantwortung, indem sie behaupten, ihre Orientierung sei angeboren. Diese Haltung bestätigt ihre Meinung, sie seien fremdbestimmt und produzieren Beweise, die diese Vorstellung unterstützen. Viele LGBT-Menschen fühlen sich bereits diskriminiert, wenn sie nicht beachtet bzw. nicht berücksichtigt werden.

Im Bericht von Frau Lunacek über den EU-Fahrplan zur „Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität“ geht es nicht um Benachteiligung und Diskriminierung, sondern um Macht und das Recht auf Selbstbestimmung auf Kosten von Frauen, Männern und Kindern. Von den Verfassern der Arbeitsgruppe „Rechte der LGBT“ und ihren Unterstützern werden Kinderrechte sowie die Würde des Menschen mit Füßen getreten.

Josef Gundacker, Leiter des Familienforum Österreich

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Der nächste totalitäre Durchgriff der EU droht drucken

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit bereitet die EU-Kommission eine neue Richtlinie vor, die in ganz massiver Form unter dem Vorwand einer noch verschärften Gleichbehandlung die Rechtsordnung jedes Mitgliedsstaats und die Rechte jedes einzelnen Europäers schwer beschneiden wird. Von österreichischer Seite gibt es zwar Widerstand zweier anderer Ministerien. Aber das offensichtlich total ideologiegetriebene Sozialministerium ist erfolgreich dabei, eine österreichische Zustimmung zu dieser Richtlinie zu erzwingen. An Parlament, Hauptausschuss und Bundesregierung vorbei. Dabei hat in den letzten Jahren der Nationalrat schon zweimal Nein zu ähnlichen innerösterreichischen Vorstößen der SPÖ gesagt. Pessimisten fürchten, dass die ÖVP in ihrem gegenwärtigen Zustand auf die klare Möglichkeit eines Vetos verzichtet.

Die Europäische Kommission hat 2008 im Rahmen der erneuerten Sozialagenda einen Vorschlag für eine Richtlinie (RL) zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung vorgelegt (zum Vorschlag hier). Die Verhandlungsdauer von sechs Jahren hängt damit zusammen, dass die RL zwischen den Mitgliedstaaten sehr umstritten ist.

Viele Mitgliedstaaten lehnten ursprünglich die RL ab. Diese Gruppe besteht aber inzwischen nur noch aus Deutschland und der Tschechischen Republik. Aufgrund der Materie und der derzeitigen Kompetenzlage muss diese RL einstimmig von den Mitgliedstaaten beschlossen werden.

Die Kommission will damit die Gleichbehandlung in den verschiedensten Sektoren durchsetzen, unter anderem bei der Vermietung von Wohnobjekten, bei Bildung, Versicherungen etc. Sie verteidigt die Ausweitung der RL auch auf das Gebiet der Bildung damit, dass Gleichbehandlung nur auf EU-Ebene und nicht subsidiär geregelt werden könne.

Bezüglich der RL ist in Österreich das Sozialministerium federführend zuständig, da der Vorschlag in der Ratsarbeitsgruppe für Sozialfragen eingebracht wurde, die in die Kompetenz des Sozialministeriums fällt. Der Vorschlag wurde 2008 von allen österreichischen Akteuren begrüßt. Allerdings wollten einige Interessensvertreter noch Änderungen haben. Es gab und gibt allerdings noch immer zwei Ministerien, die sich dezidiert gegen den RL-Vorschlag aussprechen: Das sind die beiden Bildungsministerien für Wissenschaft sowie für Unterricht. Allerdings weiß man auch hier nicht, wie weit durch die Regierungsneubildung der Widerstand dieser beiden Ministerien aufgegeben wird. So ist ja der nunmehr für Wissenschaft zuständige Wirtschaftsminister Mitterlehner bekannt dafür, dass er für die Wünsche von Sozialminister Hundstorfer immer ein sehr offenes Ohr hat.

Die Argumente gegen den Vorschlag

Die Argumentationslinie der beiden Ministerien basiert auf rein rechtlichen Bedenken. Ideologische Gründe spielen nur eine untergeordnete Rolle, da es sich sowohl um ein schwarzes als auch um ein rotes Ministerium handelt. Die Gründe sind: 

  • Im Bereich der Kunst- und Sportstudien werden im Rahmen der Zulassungsprüfungen besondere künstlerische, aber auch körperliche Eignungen festgestellt, die Voraussetzung für das entsprechende Studium sind. Die Richtlinie würde nun die rechtliche Grundlage liefern, eine Zulassung trotz mangelnder körperlicher oder künstlerischer Voraussetzungen zu erzwingen.
  • Art. 165 des EU-Vertrags moniert eine „Förderung der Zusammenarbeit zwischen EU und Mietgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und Gestaltung des Bildungssystems“.
  • Die RL enthält Eingriffe in das EU-Primärrecht (was aber letztlich der Europäische Gerichtshof zu entscheiden hätte).
  • Es handelt sich grundsätzlich um eine Materie, die in den Nationalstaaten geregelt werden kann. Daher bedarf es keiner einheitlichen EU-Regelung (Frage der Subsidiarität).
  • Die RL stellt nationale Regelungen im Bildungsbereich in Frage, die beim Zugang zur Bildung auf das Alter, eine Behinderung, die Religion und Weltanschauung abstellen. Die Ausnahmeregelungen in der RL sind nicht ausreichend.
  • Die Gleichbehandlungsrichtlinien haben eine grundlegende Systemänderung und eine Änderung der Rollenverteilung zwischen EU und Mitgiedstaaten mit sich gebracht. Sie greifen nämlich direkt in rein inländische Sachverhalte ein, wodurch es zu einem Eingriff in diverse Rechts- und Politikbereiche kommt, die bislang nicht gemeinschaftsrechtlich betroffen waren. Daraus folgt eine umfassende Zunahme der Zuständigkeit der Gemeinschaft und eine Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten. Sogar der Bereich der auf  nationaler Ebene bestehenden Grundrechte wird durch die RL ausgehöhlt und überlagert.
  • Die RL nennt keinen einzigen Grund, warum die Regelung Bildung umfassen muss, es wird kein einziges sachliches Argument vorgebracht, außer, dass dies notwendig sei.
  • Grundrechte der Gemeinschaft sollten nur dann anwendbar sein, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben ist. Auch die Grundrechtecharta ist nach deren Art. 52 nur bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht anwendbar. Die nationalen Grundrechte würden somit die inneren Sachverhalte regeln, die EU-Grundrechte gelten nur ergänzend dort, wo nationale Grundrechte nicht wirksam werden können, nämlich bei transnationalen Sachverhalten.

Die Argumente für den Vorschlag

Das Sozialministerium führt folgende Argumente an:

  • Die beiden Bildungsministerien stellen sich dem „gesellschaftspolitischen Fortschritt“ entgegen. Sie seien ein Rückschritt in der Debatte, den das Sozialministerium in EU-Gremien nicht vertreten könne. Man befände sich dann in der Gruppe der Nein-Sager zusammen mit Deutschland und Tschechien.
  • Das Subsidiaritätsargument sei nicht ausreichend, um gegen den Vorschlag zu stimmen.
  • Eingriffe in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten durch die RL seien schon deshalb ausgeschlossen, weil das Primärrecht solche verbietet. [Anmerkung: Die RL enthält aber solche Regelungen].
  • Die Richtlinie enthalte nichts Neues, alle Inhalte seien bereits durch die Rechtsprechung des EuGH vorgegeben und im österreichischen Gleichbehandlungsgesetz niedergeschrieben [Anmerkung: Dann ist die Regelung durch eine RL entbehrlich, außerdem ist eine einschlägige Judikatur nicht bekannt. Überdies ist die Zuständigkeit des Gemeinschaftsgesetzgebers fraglich].
  • Es bedarf einer EU-Regelung, um den hohen innerösterreichischen Standard auch auf EU-Ebene zu propagieren.
  • Bildung sei ja auch in der Dienstleistungs-RL inbegriffen und unterliege selbstverständlich dem Wettbewerb [Anmerkung: Das Argument ist rechtlich falsch].

Wenn man sich die Argumentationen näher ansieht, kann man sich vorstellen, wie das Sozialministerium die österreichische Position in den EU-Gremien vertritt: nämlich gar nicht.

Anfangs belächelt, sind die Bildungsministerien zum großen Ärgernis für das Sozialministerium geworden, da sie sich nicht und nicht von der Richtigkeit und einzigen Wahrheit belehren lassen. Besonders ärgerlich für das Sozialministerium ist, dass es sich hier um eine Position sowohl eines schwarzen als auch eines roten Ministeriums handelt. Daher übt das Sozialministerium Druck aus, auf dass die beiden anderen Ministerien ihre Position aufgeben.

Bisher allerdings erfolglos. Die beiden Ministerien haben trotz Ablehnung des Vorschlags immer wieder neue umfangreiche Textvorschläge gemacht. Das Sozialministerium vertritt konsequent ohne Rücksicht auf andere Ministerien seine eigene Position.

Die RL wird auch unter der griechischen Präsidentschaft weiter verhandelt werden. Solange Deutschland und Tschechien die RL blockieren, kann sie nicht zu einem Abschluss gebracht werden. Aufgrund der neuen Regierungskonstellationen in beiden Ländern ist allerdings fraglich, ob sie ihre Position beibehalten werden. Der Vorschlag wurde in mehreren Bereichen, darunter auch im Bildungsbereich, auf Druck einzelner Mitgliedstaaten entschärft.

Das Sozialministerium ist leider völlig ideologisiert und versperrt sich jeglichen Argumenten. Auf der sozialpolitischen Ebene treten beide ablehnenden Ministerien für die Gleichberechtigung ein, doch ist Recht einzuhalten, auch wenn es sich um Gleichbehandlung handelt. Das haben leider manche in Österreich vergessen.

Der Autor bittet zu seinem persönlichen Schutz ungenannt zu bleiben.

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Die gekaufte EU-Bürgerschaft drucken

Das europäische Parlament ist empört: In Malta kann man sich neuerdings Staatsbürgerschaften kaufen. Damit haben zahlungskräftige Nicht-E­uropäer automatisch auch alle Rechte im gesamten EU-Gebiet. Die Staatsbürgerschaft in einem Land öffnet einem ja auch alle anderen EU-Länder. Wie schlimm ist das eigentlich wirklich?

Aufs Erste sehr. Staatsbürgerschaft hat zumindest in unseren Ohren viel mit emotionaler Bindung an die eigene Heimat zu tun. Diese Bindung geht in Ländern mit Wehrpflicht ja sogar bis hin zur zumindest theoretischen Pflicht, für dieses „Vaterland“ zu sterben.

Das ist zwar derzeit glücklicherweise ein eher theoretischer Aspekt. Das wird auch – etwa in Österreich – von der Politik nie mehr erwähnt. Diese hat im Vorjahr ja die Wehrpflicht fast nur noch mit den Vorteilen des Zivildienstes beworben (sofern sie überhaupt für die Wehrpflicht war). Die letzte Konsequenz von Soldatsein wurde von allen Politikern und Medien verschwiegen. Aber die Durchschnittsbürger selbst verstehen den Einsatz des eigenen Lebens durchaus noch immer als dessen Teil.

Und jetzt kann man sich einfach schon mit Geld in eine solche europäische Staatsbürgerschaft einkaufen! Ganz ohne Wehrdienst. Das ist für viele Europäer unverständlich.

Mittellose Migranten belasten Europa

Dennoch sollte man Malta nicht ganz verdammen. Denn der Nutzen der Menschen mit viel Geld, die solcherart angelockt werden, ist unvergleichlich größer als jener Nutzen, den ungebildete und mittellose Zuwanderer stiften. Zwar werden diese in politisch korrekten Medien gerne als „Flüchtlinge“ bezeichnet. Und zwar keineswegs nur, wenn sie auf – ganz zufällig(?) regelmäßig ins Seenot geratenden – Schiffen auf Arbeitssuche nach Europa kommen. Übrigens ist da gerade Malta ein besonders intensiv angesteuertes Ziel.

Aber trotz dieser Propaganda ist klar: Ungebildete und mittellose Menschen sind in keiner Weise das, was Europa mit seiner riesigen Arbeitslosigkeit braucht. Sie belasten die Sozialsysteme weit mehr, als sie an Beiträgen bringen.

Etwa die österreichischen Statistiken zeigen regelmäßig und eindeutig: Nichteuropäer sind zu einem deutlich geringeren Anteil als die gleichaltrigen Österreicher arbeitstätig und sie zahlen daher auch deutlich weniger Abgaben. Dennoch finden skurrilerweise gerade die lautstarken Kritiker Maltas gleichzeitig diesen Migrationsstrom positiv.

Die Kritik am Sozialtourismus wird heftiger

Auf der anderen Seite wird von Bayern bis Großbritannien die Kritik an der Sozialmigration und an den europäischen Zentralisierungstendenzen immer lauter. Zuerst war die Kritik nur unter den Bürgern zu hören, jetzt ertönt sie auch bei den dortigen Parteien.

Dass diese so deutlich migrationskritisch geworden sind, hängt ganz direkt mit dem massiven Aufblühen neuer Konkurrenzparteien zusammen. Das ist in Deutschland die „Alternative für Deutschland“ und in Großbritannien die Unabhängigkeitspartei UKIP. Diese ist nach einer aktuellen Umfrage sogar schon Englands stärkste Partei. Dort richtet sich die Kritik besonders stark gegen Zuwanderer aus anderen EU-Ländern, wenn diese nicht arbeiten, sondern nur die Sozialsysteme beanspruchen wollen.

Diese Frage hat neuerdings auch eine tiefe Kluft quer durch die EU-Kommission gerissen: Während einige bürgerliche Kommissare intensiv darauf hinweisen, dass Mitgliedsländer in ihrem Sozialsystem ja nur arbeitende EU-Bürger gleich behandeln müssen, wollen die sozialistischen Kommissare das Thema Sozialmigration ignorieren – also das Kassieren von Wohlfahrtsleistungen, ohne jemals in dem zahlenden Land gearbeitet zu haben.

Die neue maltesische Praxis ist da zumindest ein richtiges Signal: Europa braucht primär jene Ausländer, die Geld hereinbringen, die hier investieren, die einen hohen Bildungsstandard haben, die nicht auf Europas volle Sozialtöpfe schielen.

Das Interesse an reichen Zuwanderern ist keineswegs eine Erfindung Maltas. Genauso kann man in vielen anderen Ländern als Investor relativ leicht den Pass bekommen. Auch außereuropäische Länder wie etwa Kanada haben solche Regelungen. Dort gibt es sogar längst genaue Tarife, wie viel Geld oder welche Ausbildung Ausländer mitbringen müssen. Kanada hat sehr profitiert davon.

Die Nostalgie verbleicht

Die Landesverteidigung als einzige echte Pflicht eines Staatsbürgers – genauer gesagt: jedes jungen männlichen Staatsbürgers – tritt gegen diesen Nutzen immer mehr zurück. Die meisten Staaten haben ja längst Armeen, die nur noch auf dem Papier existieren oder die nach dem alten Prinzip von Söldnerheeren geführt werden: Soldat wird man bloß gegen Geld. Daher ist Wehrpflicht kein wirklich taugliches Argument mehr gegen die Käuflichkeit von Staatsbürgerschaften.

Also ist es im Grund völlig logisch, dass man auch den Pass zu etwas Käuflichem macht. Oder?

Nur noch ein paar Konservative werden sich voll Nostalgie an jene Zeiten zurückerinnern, da das eigene Vaterland, die Identität mit diesem und der Dienst für dieses lebenslang etwas völlig Selbstverständliches gewesen sind. Freilich: Der heutige Zustand der Staaten wie auch der EU lässt diese Nostalgie rasch verbleichen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Hypo: Also die viertbeste Lösung drucken

Da kann man Michael Spindelegger nur zustimmen: Sein Ziel ist es, die Steuerzahler wegen der Hypo Alpe-Adria möglichst wenig zu belasten, wie er am Montag erklärte. Da bleibt nur die Frage offen: Warum tut er es nicht?

Denn selten ist so klar wie in diesem Fall, was unter lauter schlechten Lösungen die für den österreichischen Steuerzahler relativ beste wäre: Seine bei weitem geringste Belastung brächte ein Konkurs der Hypo, auch wenn ein solcher vor mehr als drei Jahren natürlich noch viel günstiger gewesen wäre. Nur: Einen Konkurs haben die famosen Hypo-Spezialisten Nowotny und Liebscher bei ihrem angeblich ersten offiziellen Bericht an die Bundesregierung gar nicht vorgeschlagen (ja genau, Liebscher ist der, der Studien internationaler Finanzspezialisten zur Hypo gar nicht lesen will, wenn sie Unpassendes sagen. Ja genau, Nowotny ist der, der die Krise für beendet erklärt, wenn es der SPÖ gerade parteistrategisch passt).

Gewiss: So blöd sind die beiden auch nicht, dass sie nicht wüssten, was für den Steuerzahler am besten wäre. Sie haben natürlich vorher genau gefragt, was sie vorschlagen und wollen sollen. Und da wurde ihnen bedeutet, dass ein Konkurs unerwünscht ist.

Ein Konkurs hat nur ein Gegenargument: Er wäre natürlich mit einer tagelangen Aufregung verbunden. Aber wer das Feuer nicht aushält, sollte nicht in die Politik gehen. Schlimm wäre der Konkurs freilich für Bayern und Kärnten, weil dann dort Milliarden-Kredite abzuschreiben beziehungsweise Milliarden-Haftungen schlagend wären. Darauf sollte man aber keine Rücksicht nehmen. Schließlich sind das ja genau die beiden Bundesländer, die schuld sind am Hypo-Debakel.

Ein Hypo-Konkurs würde vor allem für Kärnten mit Sicherheit den eigenen Konkurs bedeuten. Ein Konkurs wäre aber für den österreichischen Steuerzahler das Beste, auch wenn dieser dann – selbstverständlich – den Betrieb in Kärntens Schulen, Krankenhäuser oder Straßendiensten finanzieren müsste. Das Mitleid mit Kärntens Politik hält sich jedenfalls in besonders engen Grenzen, seit dessen Landeshauptmann am frechsten von allen Landeskaisern die Schließung kostenintensiver Polizei-Inspektionen in kleinen Dörfern zugunsten von mehr Polizisten auf der Straße abgelehnt hat. Selbstverständlich müsste auch dafür gezahlt werden, dass in der Wirtschaft kein Gläubiger der Hypo durch einen Dominoeffekt existenzgefährdet wäre. Das wäre aber alles weit billiger als die Vorschläge von Nowotny und Liebscher.

Besonders köstlich: Bundes- und Vizekanzler tun so, als ob sie jetzt erstmals mit der Lage der Hypo konfrontiert worden wären. Und dass sie daher jetzt wieder Monate brauchen werden, um Beschlüsse zu fassen. Das ist natürlich unwahr. Natürlich haben die beiden schon oft das Thema auf dem Tisch gehabt. Nur: Die beiden haben sich dabei halt auch zwischen der zweit- und drittbesten Lösung (unter lauter schlechten Lösungen) nicht entscheiden können.

Die zweitbeste Lösung für den Steuerzahler wäre eine Beteiligung der anderen Banken an einer Bad Bank. Dann würden diese einen Teil des Risikos tragen, was ein wenig günstiger für die Staatsverschuldung wäre. Die Banken hätten auch viel mehr Knowhow beim Eintreiben von Forderungen als die unsägliche Nationalbank oder das ständig wechselnde Hypo-Management.

Nur: Die Kommerzbanken sind halt kein Wurmfortsatz der Regierungsparteien (sonst hätten sie ja die Krise gar nicht überlebt). Das heißt: Sie sind nur dann zum Einsteigen bereit, wenn ihnen die Regierung rechtsverbindlich einen Teil der Steuerlast abnähme, die sie auf den Schultern der Banken aufgehäuft hat und die sie noch weiter vermehren will.Dabei nimmt die Regierung keine Rücksicht darauf, dass sie mit ihren vielfältigen Bankensteuern bald die letzten österreichischen Institute in ausländische Hände getrieben haben wird.

Die ÖVP wäre zumindest für diese zweitbeste Lösung. Die SPÖ hingegen will in ihrem populistischen – und zweifellos auch populären – Hass auf die Banken diesen hingegen keine Garantien geben und zieht daher insgeheim lieber die drittbeste Lösung vor. Das heißt: Alle Schulden und das ganze Risiko, wie viele Wackelforderungen eine Bad Bank überhaupt eintreiben kann, sollen auf den Schultern der Steuerzahler abgeladen werden.

Daher kommt es jetzt zur viertbesten Lösung, wie wir staunend als Ergebnis des Regierungsgipfels vernehmen dürfen: Monatelange wird nun weiterhin keine Entscheidung getroffen. Monatelang wird von uns weiterhin der lebende Leichnam Hypo finanziert werden müssen.

Wir gratulieren (uns).

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Spindelegger wird emotional, Karas bleibt europafanatisch und die SPÖ ruft: Haltet den Dieb drucken

Keine Frage: Michael Spindelegger wirkt immer dann etwas besser, wenn er emotionaler wird. Am schlimmsten sind seine Auftritte ja stets dann, wenn er an der Seite seines Koalitionszwillings auf souverän und staatsmännisch zu machen versucht.

Irgendwie begreift der ÖVP-Obmann halt nicht, dass seine Wähler von ihm genau das Gegenteil von Händchenhalten mit der SPÖ erwarten. Sie sind im Gegensatz zur Regierung über vieles, das sich in Österreich und Europa abspielt, extrem besorgt.

Othmar Karas, der von der ÖVP – offenbar mangels besserer Alternativen – als EU-Spitzenkandidat aufgestellt wird, wird das zweifellos besonders zu spüren bekommen. Hauptsächlich wird er aber aus eigenem Verschulden ein Debakel erleiden. Denn seine Europabegeisterung klingt, als ob Karas in den Neunziger Jahren steckengeblieben wäre. Seither scheint er offenbar nichts mitbekommen zu haben: den eiskalten Bruch europäischer Verträge (No Bailout, Maastricht-Kriterien . . .); die hemmungslose Überregulierung durch die EU des 21. Jahrhunderts von den Glühbirnen und Duschköpfen bis hin zu dem gerade mit einer weiteren Richtlinie vorbereiteten endgültigen Gleichheits-Zwang, der die EU endgültig zum totalitären Monster machen wird.

Im Gegenteil. Karas ist bei all dem immer eifriger Mittäter.

Der intelligentere neue Außenminister Kurz hingegen scheint die gewaltig gewachsene EU-Skepsis zu spüren. Er hat jedenfalls im Gegensatz zu Karas schon einige distanzierende Vokabel über die EU gefunden. Ähnliche EU-kritische Töne waren auch schon von Reinhold Lopatka zu hören gewesen.

Aber jetzt ist halt Karas mit seiner undifferenzierten EU-Begeisterung dran. Offenbar hat die ÖVP diese Wahlen schon völlig abgeschrieben.

Der Krieg mit den Bundesländern

Spindelegger selbst hat sich angesichts der hirnarmen Revolte von vier kleineren Bundesländern erstmals ein wenig auf die Beine gestellt und kantigeres Profil gezeigt. Das steht ihm besser als seine sonstige Möchtegern-Souveränität. Er hat da vor allem deshalb Erfolg, weil sich diese Bundesländer-Parteien ja mit besonders absurden Positionen exponiert haben. Diese kommen allesamt bei den Wählern besonders schlecht an (von der Zwangsgesamtschule bis zu Vermögenssteuern), nur bei den linksliberalen Medien.

Während die Bundes-ÖVP in diesen Fragen und damit auch in der Auseinandersetzung mit den aufbegehrenden Bundesländern also gut liegt, ist es ihr „gelungen“, sowohl Wirtschaftsliberale wie auch Konservative frontal zu provozieren. Das aber wird in der ÖVP erstaunlicherweise viel weniger diskutiert. Obwohl es ein geradezu historischer Fehler ist.

Zum einen sind alle wirtschaftlich Denkenden wegen der unfassbaren Ideen tief verärgert, die ausgerechnet Spindelegger selbst in Begutachtung geschickt hat: Das sind neue steuerliche Lasten für Unternehmen und das ist eine deutliche höhere Hürde bei der Neugründung einer GmbH. Niemand kann verstehen, wie das jemand aussenden kann, der mit dem Ruf nach „Entfesselung!“ in die Wahlen gezogen ist. Inzwischen hat sogar der Alt-68er Christoph Leitl mitgekriegt, dass das bei Unternehmern extrem schlecht ankommt. Steuererhöhungen sind in Zeiten besonders unsinnig, wo selbst die sozialistischen Regierungen Europas von Frankreich bis Italien die Unternehmen spürbar zu entlasten begonnen haben.

Aber auch die Konservativen sind sehr zornig auf die ÖVP. Der jüngste Anlass war die völlig unkritische Reaktion zweier VP-Minister auf den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat lesbischen Paaren die künstliche Befruchtung zugebilligt, ohne dabei auch nur eine Sekunde die Interessen der Kinder zu prüfen. Eine sich ihrer Werte bewusste ÖVP hätte zweifellos ein Verfassungsgesetz zumindest vorgeschlagen, das den VfGH überstimmt. Statt dessen geben sich sowohl die neue Familienministerin wie auch der neue Justizminister total begeistert über den VfGH und trotten ihm hinten nach.

Gewiss: Die SPÖ hätte sich sicher auf die Seite der homosexuellen Paare gestellt und dem Verfassungsgesetz nicht zugestimmt. Aber der Versuch wäre der ÖVP gut angestanden. Er wäre ein wichtiges Signal gewesen. In anderen Fragen sind für diese Regierung ja Höchstgerichte auch nicht sakrosankt. Denn gerade in diesen Tagen überstimmt die Koalition parlamentarisch in Sachen Raucher-Nichtraucher ein anderes seltsames Höchstgerichtsurteil. Oder sind in der ÖVP nur noch die (an sich ja total legitimen) Interessen der Kaffeehausbesitzer relevant?

Meint Spindelegger das ernstlich?

Jedenfalls hat die ÖVP sowohl Konservative (ob katholisch oder nicht) wie auch Unternehmer heftig verschreckt. Daran ändert die Tatsache nichts, dass Spindelegger in der Auseinandersetzung mit den Bundesländer-Parteien punkten konnte.

Zweimal hat der ÖVP-Obmann mit seiner „Bundesländer-Rede“ vor dem ÖVP-Klub den Zuhörer aber dennoch verzweifelt auflachen lassen. Das erste Mal passierte das, als Spindelegger die im Eiltempo durchgepeitschten Steuerhöhungen mit dem Argument verteidigte: „Strukturreformen wirken erst später.“ Der Satz ist zwar richtig. Nur: Die Österreicher hören ihn schon seit 30 Jahren. Und nie ist mit wirklichen Strukturreformen begonnen worden. Daher können sie logischerweise auch nie zu wirken beginnen. Auch heute sind keinerlei Strukturreformen begonnen worden. Weder kurzfristige noch langfristige.

Genauso zynisch stimmt Spindeleggers Behauptung, dass so etwas wie die Hypo-Pleite in Österreich nie wieder passieren dürfe. Das hätten wir wohl alle gern, hochverehrter Herr Finanzminister. Nur gibt es auch heute keinerlei Garantie dagegen. Denn der Bund – vom Steuerzahler gar nicht zu reden – weiß auch heute noch nicht, welche Haftungen andere Bundesländer, Gemeinden und ausgegliederte Teile der Verwaltung überhaupt eingegangen sind! So wenig wie der Bund einst die horrenden Haftungen der Kärntner Landesregierung für die Hypo Alpe-Adria gewusst hat. Also kann jederzeit eine weitere Pleite passieren. Die – schwarzen wie roten – Bundesländer verhindern es nämlich weiterhin, dass endlich überall volle Transparenz und moderne Buchhaltungsregeln einkehren.

Die SPÖ und die Folgen ihrer Politik

Zu Spindeleggers Glück muss man freilich derzeit über die SPÖ noch viel mehr lachen. Fordert sie doch allen Ernstes: Wohnen und Bauen muss billiger werden. Ausgerechnet die SPÖ.

So als ob es nicht vor allem das rote Wiener Rathaus gewesen wäre, das durch massive Gebührenerhöhungen die Wohnkosten in die Höhe getrieben hat. So als ob es nicht die Sozialdemokraten wären, die immer besonders heftig die Zuwanderung (und damit den Ansturm auf Wohnraum) gefördert haben. Und so als ob nicht gerade Sozialdemokraten die lautesten Verfechter des – über die Gratisgeldpolitik der EZB organisierten – Raubes an den Sparern wären.

Die Genossen müssen schon sehr naiv sein, wenn sie sich wirklich über die Auswirkungen dieses Raubes auf die Wohnkosten wundern sollten. Es ist doch eigentlich völlig klar, dass nun alle Sparer versuchen, ihr Geld in Wohnungen, Häusern und Grundstücken anzulegen. Was natürlich die Wohnkosten noch mehr in die Höhe treibt. Ich wette jede Summe, dass zumindest diese Ursache der Verteuerung des Wohnens sofort aufhören würde, sobald es für Anlagen wieder Zinsen gibt, die zumindest der Inflation entsprechen.

 

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Rote Freunde drucken

Vom ORF-Nachrichtensprecher zum SPÖ-Politiker. Keine ungewöhnliche Karriere. Eugen Freund ist nicht der erste Prominente, der vom Staatsfunk in die rote Parteizentrale wechselt. Der personelle Austausch zwischen Küniglberg und Löwelstraße ist seit jeher rege – in beide Richtungen. Eine schlechte alte österreichische Tradition.

Die Liste jener, die für die SPÖ und für den ORF tätig waren und sind, ist lang: Karl Amon, Josef Broukal, Heinrich Keller, Johannes Kunz, Andreas Rudas, Alexander Wrabetz, Gerhard Zeiler oder Helmut Zilk, um nur die bekanntesten Namen zu nennen.

Viele Jahre lang war auch das marode sozialistische Parteiblatt, die Arbeiterzeitung, ideologisches Ausbildungsstätte, Lehrredaktion und Kaderschmiede für den ORF. Von der AZ zum Staatsfunk wechselten etwa Ulrich Brunner, Hans Besenböck, Barbara Coudenhove-Kalergi, Fritz Dittlbacher, Robert Hochner, Franz Kreuzer, Peter Pelinka, Robert Wiesner oder Erich Sokol. Dieser muntere Personalaustausch hatte für den ORF, die SPÖ und nicht zuletzt für den betreffenden Journalisten viele Vorteile. Wer bei der Arbeiterzeitung gegen den Klassenfeind angeschrieben hat, der hat die richtige Gesinnung bereits unter Beweis gestellt. Wer will schon die Katze im Sack kaufen. Die SPÖ konnte und kann so sicher sein, dass die ORF-Berichterstattung stets in ihrem Sinne ist, weil ein Großteil ihrer Leute die ORF-Redaktionen besetzen. Und für die Redakteure hat es sich vor allem finanziell gelohnt.

Eine Win-Win-Win-Situation, außer für die Gebühren- und Steuerzahler. SPÖ und ORF sind eine perfekte Symbiose eingegangen: Linientreue Berichterstattung erfolgt im Tausch gegen Sonderrechte für den ORF und seine Mitarbeiter. Sie verdienen nach wie vor deutlich besser als ihre Kollegen im Privatrundfunk.

Ein „Erfolgsmodell“, das die Geschichte der Zweiten Republik maßgeblich geprägt hat. Die tendenziöse Berichterstattung hatte und hat großen Einfluss auf die Wahlergebnisse und die heimische Parteienlandschaft, zumal die SPÖ dem ORF bis zur Jahrtausendwende die private Rundfunkkonkurrenz erfolgreich vom Hals gehalten hat. In keinem anderen demokratischen Staat gab es so lange ein Rundfunkmonopol. Davon haben beide Seiten profitiert. Dass dieser medienpolitische Zustand menschrechtswidrig war, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 1993 festgestellt hat, hatte weder die SPÖ noch den ORF sonderlich gestört.

Die Zusammenarbeit zwischen ORF und SPÖ lief und läuft wie geschmiert, daran haben auch die privaten Sender nicht viel geändert. Man ist schließlich unter Freunden. SPÖ-Kritisches ist so gut wie nie im ORF zu sehen oder zu hören. Und wenn es doch mal passiert, dann laufen die Telefone zwischen Löwelstraße und Küniglberg heiß. In schlechter Erinnerung ist etwa jener Fall, als 1999 Fritz Dittlbacher auf Zuruf aus der SPÖ-Zentrale einen für Bundeskanzler Viktor Klima unangenehmen Beitrag kürzen lassen haben soll. Der Schere sollen genau jene acht Sekunden zum Opfer gefallen sein, in denen der ORF-Redakteur Jan Klima, den Sohn des Bundeskanzlers, in Zusammenhang mit der Euroteam-Affaire erwähnt hatte.

Solche Schwierigkeiten hat Freund der SPÖ nie bereitet. Er hat immer brav berichtet und nie irgendwelche Anflüge von Objektivität oder Unabhängigkeit gezeigt. Wer jahrelang so treue Dienste leistet, dem verzeiht man auch die immer wieder etwas holprigen Moderationen. Auch im neuen Job agiert Freund alles andere als souverän. Er stolpert von Fettnapf zu Fettnapf. Bisheriger Höhepunkt: Der EU-Spitzenkandidat der SPÖ weiß nicht, was ein heimischer Arbeiter so verdient. Im Profil-Interview schätzt er das durchschnittliche Gehalt auf 3.000 Euro, was um schlappe 1.000 Euro zu viel ist. Seine Unwissenheit versucht Freund durch Überheblichkeit zu kompensieren: „In Amerika werden mit Gesichtern wie meinem Autobusse plakatiert, um für den Fernsehsender zu werben. Sage ich in aller Bescheidenheit.“ Man staunt.

Ebenfalls amüsant und aufschlussreich ist jene Stelle im Profil-Interview, wo Freund so tut, als ob er ORF-Kollegin Barbara Karlich nicht kennen würde: „Wenn die (Sozialdemokraten) nur ein prominentes Fernsehgesicht wollen würden, hätten sie auch die – wie heißt die Burgenländerin, die diese Diskussionen am Nachmittag macht?“ Freund bedient sich dabei einer vor allem in Österreich sehr beliebten Strategie: Man definiert sich und seinen Status in der Gesellschaft nicht darüber was man weiß, liest oder macht, sondern darüber was man nicht weiß, liest oder macht. Das ist viel einfacher und bequemer.

Inhaltlich ist von Freund, außer Standardfloskeln und Worthülsen, bisher nicht viel gekommen. Das verlangt aber auch niemand, zumindest nicht in der SPÖ. Die Sozialdemokraten brauchen Freund ohnehin nur, um die Pensionisten für die EU-Wahl zu mobilisieren. Denn der durchschnittliche ZiB1-Seher hat seinen sechzigsten Geburtstag bereits lange hinter sich. Diese Zielgruppe sitzt noch brav jeden Tag um 19:30 vor dem Fernseher, für sie gehört der etwas steife Freund quasi zur Familie. Das soll sich bei der EU-Wahl für die SPÖ lohnen, so das nicht gerade schwer zu durchschauende Kalkül der roten Parteistrategen. Und es dürfte aufgehen. Laut einer Umfrage im Auftrag des Boulevardblattes Österreich können sich 61 Prozent der Pensionisten vorstellen, ihre Stimme Freund zu geben.

Darum ist es auch gut, dass der Neo-Politiker bisher fast ausschließlich über seinen neuen Job, seine Familie, seine Befindlichkeiten und seine Wohnung plaudert. So kann er weitere Peinlichkeiten vermeiden und sich ein ähnliches Schicksal wie Frank Stronach ersparen. Es ist deshalb auch folgerichtig, dass Spitzenkandidat Freund die SPÖ-Delegationsleitung in Brüssel nicht übernehmen möchte.

Doch Eugen Freund gehört zu einer aussterbenden Spezies. Die Zeiten, als man sein Gesicht nur lange genug in eine ORF-Kamera halten musste, um ein „Star“ zu werden, gehen langsam zu Ende. Der ORF verliert von Jahr zu Jahr Marktanteile an die private Konkurrenz. Auch das Image und die Glaubwürdigkeit sind schon etwas angekratzt. Vor allem bei den Jungen spielen der Staatsfunk im Allgemeinen und seine Informationssendungen im Besonderen praktisch keine Rolle mehr. Die Außenwirkung des ORF nimmt stetig ab. Damit wird er auch für die SPÖ zusehends unwichtiger und problematischer.

Die Jungen können via Staatsfunk nicht mehr erreicht und beeinflusst werden. Die SPÖ-Wahlergebnisse in dieser Zielgruppe zeigen deutlich, dass die Sozialdemokraten bisher noch keine funktionierende Alternative zu ihrem staatlichen Propagandainstrument gefunden haben. Auch für die Staatsfunker ist die Lage nicht einfach. Die symbiotische Beziehung zwischen ORF und SPÖ droht dank stetig sinkender Quoten in eine parasitäre zu kippen. Wenn der ineffiziente und teure ORF immer weniger Bürger (sprich Wähler) erreicht, dann wird er auch für die SPÖ zunehmend zur Belastung. Schließlich sind die hohen Rundfunkgebühren in der Bevölkerung nicht gerade populär. Der Erfolg von Eugen Freund bei der EU-Wahl ist deshalb auch für den ORF nicht ganz unwichtig.

Von Werner Reichel ist 2012 das Buch „Die roten Meinungsmacher – SPÖ-Rundfunkpolitik von 1945 bis heute“ im Deutschen Wissenschafts-Verlag erschienen.

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Bitte liebes Ausland, nimm uns auch noch die letzten Banken ab drucken

Banken sind so wie Energie-Unternehmen und Medien: Bei ihnen tut es einem Land viel mehr weh als in jeder anderen Branche, wenn das Eigentum ins Ausland wechselt. In diesen drei Branchen hat die Nationalität des Eigentums eine viel größere Bedeutung und mehr Folgewirkungen als in allen anderen. Auch wenn gewiss kein Ausländer diskriminiert werden darf und soll, macht es Sorge, wenn bei fast allen österreichischen Banken die Eigentumsrechte im Eilschritt ins Ausland gehen – und zwar nicht, weil irgendein Eigentümer aus besonderer Gier seine Aktien versilbert, sondern einzig wegen der konzentrierten Dummheit der Politik. Und wegen des ideologischem Hasses von Rot (und auch Blau) gegen alle Banken, obwohl diese das Herz jeder funktionierenden Wirtschaft sind.

Man erinnere sich: Creditanstalt, Länderbank, Zentralsparkasse, Bank Burgenland, Bawag, PSK. Das waren einst durchwegs und zur Gänze österreichische Banken. Sie haben das Land total beherrscht. Sie sind aber seither alle durch Politiker ganz oder teilweise gegen die Wand gefahren worden. Sie existieren heute großteils nicht einmal mehr unter ihrem alten Namen. Sie sind heute (ebenso wie andere kleinere Banken) in ausländischer Hand.

Keines der Nachfolgeinstitute ist heute noch österreichisch. Geschweige denn dass es so handeln würde. Auch die Bank Austria trotz des noch stolzen Namens nicht; sie wurde vom Wiener Rathaus an ein bayrisches Institut verkauft, und ging dann mit diesem wie auf dem Sklavenmarkt weiter an ein italienisches. Das Schicksal der Bank Austria ist schon weit enger mit dem Schicksal Italiens als mit dem Österreichs verbunden.

Da würde man denken, dass Österreich wenigstens die beiden letzten noch als österreichisch geltende Großbanken wie auch einige mittelgroßen Institute jetzt besonders pfleglich behandelt. Aber ganz im Gegenteil. Beim Raiffeisen-Spitzeninstitut ebenso wie bei der Erste Bank samt allen Sparkassen zerrinnt als Folge mehrerer politischer Maßnahmen der Aktienanteil des österreichischen Kernaktionärs wie der Inhalt einer Sanduhr. Mit offenbar unabwendbarer Stetigkeit. Da wie dort muss der einst sichere Großaktionär notgedrungen immer mehr Aktien verkaufen, um das Überleben zu sichern. Dabei waren das alles einmal rein österreichische Institute.

Es scheint bei beiden Großbanken nur noch eine Frage der Zeit zu sein: Dann werden Investoren im Ausland ihren gierigen Blick auf ein Institut oder beide werfen. Bei den Aktien im Streubesitz können sie sich ja ziemlich problemlos schrittweise bedienen, bis sie das Sagen haben. So ähnlich, wie es gerade jetzt ein Mexikaner mit Erfolg bei der Telekom Austria getan hat. Oder wie es die Lufthansa vor ein paar Jahren bei der AUA getan hat. Längst sind die Zeiten vorbei, wo – beispielsweise – die oberösterreichische Raiffeisen-Landesbank bei der Voest als Käufer entscheidender Aktienpakete einspringen konnte. Längst haben praktisch alle österreichischen Institute die für solche Aktionen nötige Luft verloren.

Dennoch hetzen Politik – Rotgrün an der Spitze –, Gewerkschaften und Freiheitliche ständig weiter gegen die Banken. Aber auch die ÖVP begreift deren Bedeutung nicht. Bankenhetze ist zwar populär, hat aber keinerlei ökonomisch nützliche Perspektive oder Strategie. Geschweige denn ein nationales Interesse. Kursgewinnsteuer, Bankensteuer, Transaktionssteuer, und ständig würgender werdende Regulierungen: All das wird öffentlich bejubelt, führt aber eben dazu, dass immer mehr Aktien verkauft werden müssen, damit diese Banken überleben können.

Während die Banken von der Politik unter Beifall von den Rängen ausgepresst werden wie eine Zitrone, war die Republik so blöd, sich die – teils durch Kärntner, teils durch bayrisches Verschulden total kaputte und schuldenschwere – Hypo Alpe-Adria andrehen zu lassen. Um diesen katastrophalen Fehler der Politik mit zu finanzieren, werden jetzt die anderen Banken besonders heftig ausgepresst. Diese haben dadurch noch weniger Österreichisch-bleib-Perspektive als früher (den großen Rest der Hypo-Fehlentscheidungen müssen wie immer die übrigen Steuerzahler brennen).

Dennoch wird weiterhin nicht gewagt, die Hypo endlich in Konkurs zu schicken, obwohl das Österreich viele Milliarden ersparen würde (weil dann ja auch Bayern sein in der Hypo steckendes Geld verliert). Aber offenbar fürchtet die Koalition, dass sie damit ihre vielen Hypo-Fehler eingestehen würde. Sie verschleppt daher den Konkurs weiter. Und sie ist nicht einmal bereit, den Banken eine Milderung der vielfältigen Folter anzubieten, damit ihr diese bei der Hypo vielleicht beistehen. Warum auch? Diese Regierung hat ja ohnedies die Steuerzahler als Geiseln. Und wer braucht schon österreichische Banken?

PS: Der ungarische Ministerpräsident Orban will offensichtlich alle im Land tätigen Banken – EU hin, EU her – wieder ins nationale Eigentum bringen. Ebenso übt die tschechische Notenbank üblen nationalen Druck auf Banken aus. Ebenso ist das Handeln der britischen Regierung in der EU stets vom Interesse der nationalen Banken geprägt. Umso schwerer verständlich ist, wie gezielt die offenbar nur von Ressentiments geprägte österreichische Bankenpolitik die noch vorhandenen Geldinstitute gezielt aus dem Land vertreibt.

 

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FN 564: Die imaginäre Deflation und die harten Fakten drucken

Deflation droht, also ein Sinken aller Preise. Daher müssen die Zinsen leider gleich Null bleiben, trommeln nationale und europäische Zentralbanker.

Dabei beträgt in Österreich die offizielle Inflationsrate trotz Rückgangs noch immer zwei Prozent. Und die gefühlte (vor allem Lebensmittel und Energie) ist noch viel größer. Jetzt hat die österreichische Nationalbank eine überhaupt unglaubliche Zahl von amtswegen zugeben müssen: Von 2007 bis Mitte 2013 sind die Immobilienpreise um nicht weniger als 39 Prozent gestiegen, in Wien sogar um 80. In Worten: Achtzig. Aber all das bereitet der Nationalbank dennoch „keine Sorge“, wie sie sagt. Na super. Den Menschen, die eine Wohnung suchen, bereitet das nämlich sehr wohl große Sorge. Dennoch denkt die EZB nicht daran, den Sparern wieder Zinsen zu zahlen. Es ist auch klar warum: Höhere Zinsen müssten vor allem die völlig überschuldeten Staaten zahlen, die dann endgültig kollabieren würden. Daher halten die Parteigenossen der Regierungspolitiker in den Zentralbanken einfach weiterhin die Euro-Druckmaschinen in Gang. Tag und Nacht. Zum Nulltarif (für die ausgabensüchtigen Staaten). Als Raubzug (auf die Sparer, die sich nicht an Stelle des Sparbuchs ein Grundstück gekauft haben).

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Das Privateigentum ist abgeschafft drucken

Fast alle Indikatoren für die Wirtschaft deuten nach oben. Ist die Krise nach sechs Jahren also nun wirklich zu Ende, wie etwa der Nationalbankpräsident verkündet? Oder befinden wir uns, wie viele andere meinen, bloß im Auge des Sturms, in dem es kurzfristig besonders ruhig ist, bevor es erst richtig wieder losgeht? Da niemand die Zukunft wirklich kennt, klammern wir uns an die Aussagen der Optimisten (alles andere würde uns ja ohnedies depressiv machen). Aber dennoch darf man einige jetzt schon feststehende Fakten nicht verdrängen. Dazu gehört vor allem die Tatsache, wer eigentlich die Krise bezahlt.

Das sind ganz eindeutig nicht die Griechen, Italiener oder Portugiesen. Auch wenn uns rührselige Medienreportagen das weismachen wollen. Deren Einkommen sind zwar gesunken – aber nur um einen Teil jener Prozentsätze, um die sie im ersten Jahrzehnt weit über die deutsche Entwicklung hinaus er- und damit überhöht worden sind. Daher ist auch ein leichtes Zurücksinken der Preise in jenen Ländern noch alles andere als eine Deflation. Noch immer fährt man ja keineswegs so wie in Vor-Euro-Zeiten zum billigen Einkaufen nach Italien und Umgebung (sondern wegen Landschaft, Klima, historischen Attraktionen, gutem Essen oder netten Menschen).

Die Krise hat jemand ganz anderer bezahlt. Und bezahlt sie jeden Tag weiter. Das sind die Sparer. Das sind jene Menschen, die sich mit den Erträgnissen ihres Arbeitslebens ein komfortables Alter erarbeiten wollten. Deren Beraubung findet freilich kaum in rührseligen Medienreportagen Niederschlag.

Umso präziser hat sie Paul Kirchhof, der große deutsche Ökonom und Jurist, beim Namen genannt: „Eine Kernidee des Privateigentums ist abgeschafft.“ Kirchhof zeigt, dass das Rechtssystem instabil geworden ist. „Ein Fundament des Vertrauens ist zerstört.“ Einst war jedem Bürger als Grundrecht garantiert, dass ihm sein Finanzkapital jährlich einen Ertrag bringe. „Dieses Versprechen wird nicht mehr erfüllt.“ Kirchhof arbeitet vor allem eine Ursache dieser Enteignung heraus: Die EZB-Zinspolitik.

Dazu kommen die vielen Abgabenerhöhungen in Ländern wie Österreich. Dazu kommen die Raubzüge auf die Banken durch Transaktions- oder Bankensteuern. Dazu kommen die Attacken auf Anleger und Börsen wie etwa durch die Ausweitung der Kursgewinnsteuern.

Die Politik glaubt, solcherart die Krise widerstandslos zu überstehen. Der Raubzug durch steigende Steuern und die jährliche Entwertung von Sparanlagen geschieht heimlich und ohne Paukenschlag. Dieses Prinzip zieht sich derzeit durch die gesamte Wirtschaftspolitik. So wird ja auch bei der Hypo-Alpe-Adria anstelle der notwendigen Insolvenz, die den Österreichern viele Milliarden ersparen würde (insbesondere zu Lasten Bayerns), eine auf Jahrzehnte gehende Mega-Belastung der Österreicher vorgezogen.

Nur kein Paukenschlag! Dafür trifft es voll die Sparer und Steuerzahler.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Schläfer der SPÖ drucken

Die Positionierung eines Sprechers im ORF kann strategischer Natur sein. Die Partei benötigt den Schläfer nicht aktuell, sondern erst bei einer entsprechenden Konstellation.

Immer erfolgt der Einsatz auf speziellen Befehl. Wer aber war es?

© LUTZ Cartoons

Der zweimalige Staatspreisträger für Werbung & Marketing verpackt nun, nach 35 Jahren Kampagnenshooting, seine Botschaften in Cartoons. Gezeichneter Humor als treffende Antwort und listige Notwehr dem Alltag gegenüber. „Für mich auch Hilfe um halbwegs unversehrt an Gemüt und Seele durch Bad News zu kommen“ meint er dazu. Als Golfer, Jäger und Gourmet entstehen aber auch witzige Cartoons für diese Zielgruppen. Nach ihren Wünschen lässt Lutz Nowotny Bilder mit Pointen, auch als Geschenke, entstehen.

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FN 561: Hurra wir sind reicher! drucken

Und so simpel geht das! Danke EU! Eigentlich ist nur schade, dass wir da nicht früher draufgekommen sind.

Die EU hat einfach die Berechnung des Bruttoinlandsprodukts geändert. Dadurch werden alle EU-Staaten im Schnitt mit einem Schlag um immerhin 2,4 Prozent reicher. Das ist eine Wohlstandsvermehrung, die sonst Jahre dauern würde. Diese Vermehrung wird mit Sicherheit von der Politik künftig oft herangezogen werden, um zu beweisen, wie es uns doch (natürlich: dank der Politik) besser ginge. Wie das geht? Nun, die EU berechnet plötzlich sämtliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung als Investition. Selbst wenn sie nie auch nur einen Euro Ertrag bringen. Und noch schöner: Auch Rüstungsausgaben gelten neuerdings als Investitionen. Wer hätte das gedacht! Die EU macht‘s möglich. Champagner! Feiern!

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Die EU, die Kyoto-Ziele und die langsame Rückkehr der Vernunft drucken

Nach dem französischen Abrücken vom Sozialismus scheint Europa gleich auch noch in einer anderen Frage vor einem historischen Wandel zu stehen: Nach deutschen Zeitungsberichten will die EU auf die verbindliche Festlegung von Klimazielen verzichten. Das ist eine Sensation – wäre aber total logisch: Das Vorzugsschülergehabe der EU bei den sogenannten Kyoto-Zielen hat zu schweren Schaden für Europas Industrie geführt. Die durch die Kyoto-Politik der EU vertriebenen Jobs sind in den USA und Asien wiedererstanden. Während ein CO2-Alleingang Europas auf Grund seiner Größe jedenfalls irrelevant ist – selbst wenn die Klimapaniker recht hätten.

Natürlich wird diese EU-Wende jetzt wilde Proteste der vielen Profiteure von Sonnen- und Windenergie auslösen. Und erst recht bei den ihnen vorgelagerten Gutmensch-NGOs. Milliarden an staatlich garantierten Dauerrenditen gibt man nicht kampflos auf.

Kommissionspräsident Barroso plant offenbar, dass es ab 2020 für die einzelnen EU-Länder keine verbindlichen Vorgaben mehr in Hinblick auf die Quellen ihrer Energieproduktion geben soll. Diese sogenannten Kyoto-Ziele sind ja von der EU in der Illusion verpflichtend festgelegt worden, dass Europa damit der anderen Welt ein leuchtendes Vorbild gibt. Die andere Welt hat sich aber nur –  geschlossen – des leuchtenden Profits erfreut, den die Selbstfesselung Europas ihnen verschafft hat. Die Energiepreise sind weltweit auseinandergelaufen - da hinauf, dort hinunter - und haben damit zur Abwanderung vieler Produktionen aus Europa geführt.

Zwar will Barroso am europaweiten Ziel von 27 Prozent „erneuerbarer“ Energieformen nach 2020 festhalten. Aber der Zwang auf die einzelnen Länder soll wegfallen. Womit auch das Ziel eher ein rhetorisches bleiben dürfte.

2007 war ja noch auf dem (in vielerlei Hinsicht) grünen Tisch die 20–20–20–Formel beschlossen worden. Damit hatte die EU gemeint, den Energieverbrauch per Dekret um 20 Prozent effizienter machen zu können (was zu solchen Schwachsinnigkeiten wie dem Glühbirnenverbot geführt hat), die Treibhausgase um 20 Prozent zu reduzieren und den Anteil von Wind- und Sonnenenergie um 20 Prozent zu erhöhen. Und zwar jeweils in Hinblick auf den Stand von 1990.

Solche plakativen Formeln lassen sich zwar bei Politikern und Journalisten gut verkaufen. Die weltweite Konkurrenz der europäischen Unternehmen hat das aber ganz anders gesehen – oder vielmehr ignoriert.

Die EU-Kommission scheint nun zunehmend einzusehen, dass das Projekt weitgehend sinnlos war. Nicht nur weil die internationale Bereitschaft zum Mittun total gefehlt hat. Sondern auch, weil Europa nur in zwei Bereichen diesem Ziel nähergekommen ist: Erstens dort, wo nach der Wende in Osteuropa total veraltete und daher auch schmutzige Fabriken durch saubere ersetzt worden sind (was ganz unabhängig von den Kyoto-Zielen genauso passiert wäre).

Und zweitens während der Rezession: Als Europas Wirtschaft echt geschrumpft ist, ist auch der CO2-Ausstoß geschrumpft. Aber es hat sich gezeigt, dass eine Rezession höchstens bei grünen Kernwählern Popularität genießt, die ja immer schon gegen das Wachstum waren. Die mit Rezessionen verbundene Arbeitslosigkeit und der Wohlstandsverlust haben sonst aber erstaunlich wenig Begeisterung ausgelöst.

Zugleich machen einige Länder wie Großbritannien und Polen ordentlich Druck, dass sich die EU vom grünen Utopismus verabschiedet. Auch Frankreich will lieber auf Atomkraftwerke statt auf Windmühlen setzen.

Die EU setzt ihre Abkehr vom Utopismus noch in einem anderen Zusammenhang fort: Sie will auch die sogenannte Fracking-Methode leichter ermöglichen. Diese Öl- und Gas-Abbaumethode ist ja als Folge der gestiegenen Energiepreise in den USA sehr erfolgreich und hat dort zum Wiederaufstieg des Landes geführt. In Österreich freilich sind die schwarzen, roten, blauen, pinken und grünen Grünen vehement dagegen. Sie sind nämlich überzeugt, dass der Strom aus der Steckdose, die Tankfüllung aus der Tankstelle und die Jobs vom Staat kommen. Sie alle sehen in dem – international seit Jahrzehnten problemlos eingesetzten – Fracking gewaltige Bedrohungen.

Die österreichischen Grünen aller Lager werden diese Überzeugung wohl auch noch eine Zeitlang beibehalten. Sie werden das zumindest solange können, als noch jemand Österreich Geld borgt. Was derzeit ja durchaus der Fall ist, trotz ständig steigender Verschuldung.

Aber nicht nur Österreich ist noch voller Begeisterung auf dem Utopieweg. Auch das EU-Parlament liebt ihn. Daher stehen Europa noch sehr spannende Debatten bevor. Daher weiß noch niemand, ob die Vernunft wirklich dauerhaft zurückkommt.

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Jubel für ganz Europa: Frankreich erwacht drucken

Es ist eindrucksvoll: Nach Italien haben nun auch in Frankreich die Sozialisten erkannt, dass linke Sprüche nur in noch mehr Sackgassen führen. Präsident Francois Hollande ist über Nacht auf eine klare und liberale Wirtschaftspolitik gewechselt. Man staunt.

Der französische Präsident hat die Periode sozialistischer Rhetorik (die einst der SPÖ so gut gefallen hat) und wahnwitziger linker Steuererhöhungsideen hinter sich gelassen. Er hat erkannt, was die einzige Strategie ist, um ein darniederliegendes Land wieder aufzurichten: eine Politik für Wirtschaft und Unternehmer. Nachdem diese in den letzten beiden Jahren nur beschimpft und noch mehr niederreguliert worden sind, hat Hollande jetzt den Kurs um 180 Grad gewendet.

Er verspricht der Wirtschaft 30 Milliarden an Steuererleichterungen und etliche gesetzliche Fördermaßnahmen. Zugleich will er massiv sparen. Noch spannender: Er prangert in seinem großen Neujahrsauftritt „Exzesse" und „Missbrauch" in den sozialen Sicherungssystemen an.

Vor allem der letzte Punkt war ja in der Verdrängungswelt der europäischen Sozialisten bisher ein absolutes Tabu. Und jetzt schließt sich ausgerechnet Hollande der auch vom britischen Premier Cameron vorangetragenen Kritik am Sozialmissbrauch an.

Ähnliche Vorschläge wie Hollande haben in den letzten Tagen auch die italienischen Sozialisten gemacht. Beide Male ist man lebhaft an die Agenda 2010 erinnert worden, mit welcher der deutsche Sozialdemokrat Gerhard Schröder (in Absprache mit Angela Merkel) im letzten Jahrzehnt tiefe Einschnitte ins Wohlfahrtssystem gewagt hat. Das hat Deutschland aus einer fast genauso schlimmen Not, wie sie jetzt die Südeuropäer plagt, heraus an die Spitze Europas katapultiert. Man könnte aber auch an Margaret Thatcher denken, die ein völlig kaputtes Großbritannien saniert hat, und an Tony Blair, der ihre Leistung eindrucksvoll fortgesetzt hat. Natürlich gibt es für solche Leistungen nie den Dank der sogenannten Intellektuellen. Diese träumen lieber von linken Phrasen. Aber diese Reformen sind absolut lebenswichtig.

Natürlich: Das sind erst Ankündigungen. Da könnten noch genug Pferdefüße damit verbunden sein, welche die 30 Milliarden und die sonstigen Ankündigungen wirkungslos machen. Vor allem muss Hollande noch viel präziser und genauer definieren, wie und wo überall der Sozialmissbrauch reduziert werden soll. Gewerkschaften, harte Linke und verträumte Gutmenschen werden jedenfalls erst einmal fürchterlich aufheulen und demonstrieren.

Es wird aber – hoffentlich – nichts nutzen. Hoffentlich hat Hollande jetzt wirklich erkannt, dass er all das jetzt Versprochene auch wirklich voll umsetzen muss, damit das Land zumindest eine kleine Chance bekommt, einem Crash zu entgehen. Wenn er jetzt hingegen nicht konsequent bleibt, sind er und Frankreich endgültig verloren.

Es ist jedenfalls die erfreulichste Nachricht seit Jahren aus Frankreich. Mit wem hingegen Monsieur Hollande seine Nächte verbringt, sollte auch künftig seine Privatangelegenheit bleiben (und die der betroffenen Frauen). Wichtig ist nur, dass er tagsüber die eigenen Worte ernst nimmt: „Es gibt keine Zeit zu verlieren“.

Was aber tut zur gleichen Zeit die österreichische Regierung? Sie schickt ein umfangreiches Steuererhöhungspaket aus, das hierzulande vor allem die unternehmerische Initiative reduzieren wird. Wer hätte das gedacht, dass man einmal den Herrn Faymann und Spindelegger sogar Francois Hollande als positives Vorbild vorhalten muss. Aber Faymann versteht sich halt noch immer als verlängerter Arm der Gewerkschaft. Was ihm zwar innerparteilich Ruhe verschafft, aber Österreich enorm schadet. Und der offizielle Vertreter der österreichischen Wirtschaft kümmert sich lieber um die Zerschlagung eines guten Schulsystems durch linken Gesamtschulzwang als um die österreichischen Unternehmer. Sein Parteichef spricht von Entfesselung und macht das Gegenteil.

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Warum BIC und IBAN verschoben werden drucken

Niemand hat sich über die – zumindest anfängliche – Verkomplizierung von Banküberweisungen gefreut. Werden doch ohnedies alle Transaktionen ständig kompliziert. Aber dennoch ist es mehr als seltsam, wenn IBAN und BIC-Pflichten nun drei Wochen vor ihrer lange fixiert gewesenen Einführung plötzlich um sechs Monate verschoben werden. Als ob das am Prinzip irgendetwas ändern würde.

Scheinbar einziger Anlass: Viele Europäer sind mit dem Wechsel auf IBAN noch säumig – aber sie agieren völlig korrekt. Sind doch bis zum Stichtag problemlos IBAN-lose Überweisungen möglich. Daher erspart man sich bis dahin die elendslangen IBAN- (und fürs Ausland zusätzlich verlangten BIC-)Eingaben. Da uns eingetrichtert worden ist, wie günstig für uns alle der einheitliche europäische Zahlungsraum sei, wie sicher und leicht dann internationale Zahlungen wären, hat sich der brave Österreicher aber nicht sehr aufgeregt und sich vorbereitet. Viele Investitionen sind genau auf den Stichtag 1. Februar hin programmiert worden. Wenn wenigstens halbwegs ein Sinn hinter dem Tun der Politik erkennbar ist (was freilich immer seltener der Fall ist), dann beugt man sich ihr eh.

Warum dann jetzt die Verschiebung? Das wahre Motiv ist ganz eindeutig klar: Es ist ein parteipolitisches. Die beiden großen Parteiblöcke, die Europa noch dominieren, wollen vor der EU-Wahl keinen Wirbel haben. Einen solchen wird aber vor allem in Südeuropa die IBAN-Einführung jedenfalls auslösen. Deswegen will die Kommission die Pflicht einfach verschieben. Was freilich nichts ändert: Denn auch in einem halben Jahr wird es mancherorts genauso einen Wirbel geben. Niemand agiert freiwillig komplizierter, solange er nicht muss.

Mit diesem plötzlichen Rückzug hat sich die Union noch mehr als opportunistischer und in vielem nicht mehr ernstzunehmender Haufen entpuppt. Denn immer wieder beschließt man zuerst etwas ganz Ernstes, aber am Ende gilt es dann eh nicht. Das ist genau das, was einst nur als südeuropäische Krankheit gegolten hat, was aber jetzt zu einer europäischen geworden ist.

Das sehen wir bei immer mehr europäischen Regelungen. Daher wird auch kaum eine überhaupt noch ernst genommen. IBAN wird verschoben; das Bailout-Verbot gilt doch nicht; die alten Glühbirnen gibt es in bestimmten Geschäften weiterhin; die verbotene Schuldenpolitik geht überall weiter; die Maastricht-Kriterien sind eh nur ein Schmäh. Undundund. Und jetzt will halt nach so vielen südeuropäischen Schmähs auch schon Deutschland einen solchen versuchen und eine glatt EU-widrige Maut einführen, die alle Ausländer, aber nicht die Deutschen treffen soll.

Es ist traurig, wie sich das einst so stolze, und für den eigentlichen Binnenmarkt auch nach wie vor nützliche EU-Projekt selbst demontiert.

PS: Besonders grotesk: Jetzt ist nicht einmal der Rückzug fix. Jetzt wollen manche doch wieder einen Rückzug vom Rückzug . . .

 

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Diese Welt lässt mich staunen oder: Der Kampf der Freiheit gegen die Zwängler drucken

Vieles in dieser Welt bringt mich ins Staunen: der neue Mut der BBC wider die bisher ihre eigene Politische Korrektheit; das Verhältnis von katholischen Bischöfen zu kapitalistischen Insolvenzen; die Selbstauflösung von einst übermächtigen Parteien; die Erprobung neuer Erfindungen in der Schweiz, noch bevor diese zur allgemeinen Pflicht gemacht werden (ja, das ist dort erlaubt); die totalitären Attitüden schwarzer und grüner Landespolitiker; die Androhung einer dreijährigen Haft in Polen für Bagatelldelikte; das Desinteresse der jungen Österreicher am Gender-Schwachsinn der alten Frauen; das Verhältnis der Thais zur Demokratie; die Hartnäckigkeit der schwulen und lesbischen Lobbys. Eigentlich schön, wenn man so viel findet, über das man noch staunen kann.

Mehr als erstaunlich ist der leitende BBC-Redakteur Nick Robinson: Er gibt zu, dass die BBC vor und nach der Jahrtausendwende „fürchterliche Fehler“ bei ihren Berichten über Immigration gemacht hat. Die Berichte seien einseitig gewesen und haben die Sorgen der Zuschauer in Hinblick auf Einwanderer nicht ernst genommen. Die BBC habe nämlich geglaubt, dass eine offene Debatte über dieses Thema „einige schlimme Seiten der britischen Öffentlichkeit von der Leine lassen“ würden. Auch eine offizielle Untersuchung des „BBC-Trust“ hat ergeben, dass die BBC bei diesem Thema eine schwere Schlagseite hatte. Diese Selbstkritik ist nicht nur richtig, sondern auch toll und eindrucksvoll. Der Mut hängt zweifellos mit der tiefverwurzelten Fairness der Briten zusammen wie auch mit der Erkenntnis, dass Medien primär objektiv zu sein haben und nicht manipulative Volkserzieher. Und damit, dass Medien nur dann Seher und Leser haben, wenn sie nicht ständig gegen deren Interessen schreiben. Vom ORF und den anderen österreichischen Medien hingegen werden wir solche Selbstkritik wohl nie erleben. Die verlieren lieber den letzten Seher und Leser. Und der ORF-Chefredakteur tritt lieber eitel in Filmchen mit drittklassigen Schauspielern auf, als einmal ehrliche Selbstkritik zu versuchen.

Mehr als erstaunlich ist die Insolvenz des katholischen deutschen Weltbild-Verlags. Die verantwortlichen Bischöfe haben zu Recht argumentiert, dass sie den Kirchenbeitragszahlern nicht 160 Millionen als weiteren Zuschuss für die zeitweilige Rettung des Verlags abknöpfen wollen. Ganz anders klingen freilich ihre Worte, wenn es privatwirtschaftliche Eigentümer sind, die eine Insolvenz anmelden müssen. Dann schließen sich Kirchenmänner immer ungeprüft als erste der Polemik der Gewerkschaften gegen die insolvent gewordenen Unternehmer an. Die Gewerkschaften behaupten immer automatisch, dass die Eigentümer schuld an der Insolvenz seien, weil sie früher mit ihrem Unternehmen gut verdient hätten. Dasselbe sagen sie jetzt zum Weltbild-Verlag. Auch hier, egal obs stimmt oder nicht. Aber kein Bischof plappert diesmal die Gewerkschaftsworte nach. Warum nur?

Mehr als erstaunlich ist die totale Selbstauflösung einer noch vor kurzem großen europäischen Partei. Die HZDS, die unter Vladimir Meciar die Slowakei jahrelang regiert und dabei auch die Loslösung von Tschechien beschlossen hat, gibt es nicht mehr. Vielleicht sollten sich auch manche österreichische Parteien ihrer eigenen Sterblichkeit bewusst werden.

Mehr als erstaunlich sind die Ergebnisse der ersten echten Einsatzstudie von Smartmeters, mit denen die EU sämtliche Haushalte zwangsbeglücken will. In der Schweiz hat man diese nämlich zuerst(!) im Einsatz getestet, noch bevor man über ihren Einsatz entschieden hat. Das ist ja eine für die EU eher unbekannte Vorgangsweise. Dabei haben die Schweizer entdeckt, dass Smartmeter nur dann Stromeinsparungen bringen (und selbst die sind nur minimal), wenn jeder Haushalt rund um die Uhr den jeweiligen Strompreis beobachtet. Bei günstigen Preisen sollten also rasch Waschmaschine und Geschirrspüler eingeschaltet werden. Bei taglangem Nebel und Windstille jedoch nie. Was ziemlich absurd ist. Es gibt aber keinen Zweifel: Die Zwangsneurotiker in der EU werden solche Fakten weiter ignorieren.

Mehr als erstaunlich sind die Worte schwarzer Tiroler Landespolitiker zum Thema Gesamtschule. Auch sie träumen von einer Zwangsgesellschaft, in der die weise Obrigkeit alles anordnen kann, was die Menschen zu tun haben. Sowohl der Gendarm als Landeshauptmann wie auch seine Schullandesrätin ärgern sich daher über die „gesetzlichen Rahmenbedingungen“, die einer echten Gesamtschule im Weg stünden. Diese störenden Rahmenbedingungen bestehen freilich einzig und allein darin, dass Eltern, Schüler und Lehrer zustimmen müssen, wenn Gesamtschulen eingeführt werden. Da sind die Tiroler Landesherren und -frauen natürlich strikt dagegen. Demokratie, Entscheidungsfreiheit, Mitbestimmung? Wer braucht denn so etwas! Wichtiger ist, zweieinhalb Artikel in lokalen Zeitungen zu ergattern, wo ein paar Grünjournalisten für die Zwangsschule agitieren.

Mehr als erstaunlich sind die Vorgänge in Thailand. Dort wird wochenlang demonstriert, damit es – keine Wahlen gibt. Weg mit der Demokratie, wenn die Falschen gewinnen könnten.

Mehr als erstaunlich ist die Anklage, die jetzt in Polen einen ehemaligen Transportminister mit drei Jahren Haft bedroht. Er habe falsche Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht. Sein ganzes Delikt: Er hat vergessen, eine 4000 Euro teure Armbanduhr zu melden. Irgendwann verliert man das Verständnis, wenn die Korruptionsjäger so total übers Ziel schießen. Und weit Schlimmeres ignorieren. Angedrohte Strafen sollten zumindest halbwegs in Relation zum Delikt stehen. Sonst geht dem Rechtsstaat jede Legitimität verloren.

Mehr als erstaunlich war vor ein paar Tagen der „Schüler-Standard“: Gleich in zwei Kolumnen haben sich dort junge Autoren über die zwangsweise verordnete Sprach-Genderei lustig gemacht. Trotz Aufforderung fand sich laut der Zeitung niemand, der die Gegenposition vertreten würde. Das könnte wohl beim alten Standard nicht passieren. Das schafft aber die Gewissheit, dass mit dem Noch-Älterwerden der ohnedies schon alten Genderfrauen rund um Barbara Prammer, Eva Kreisky und Maria Rauch-Kallat diese Lächerlichkeiten wieder verschwinden werden (nur die Schulen, Unis und Bundeshymne werden halt noch ein paar Jahrzehnte nachhinken, weil ja dort das Gendern zwangsweise verordnet ist. Von der ach so klugen Obrigkeit und der Prammer-Rauch-Generation).

Mehr als erstaunlich ist, dass Europas Linke jetzt schon zum dritten Mal binnen weniger Wochen versucht, im EU-Parlament eine Resolution durchzubringen, um Lesben, Schwule & Co in eine privilegierte Situation zu bringen. Sie will Schwulen-Ehen europaweit durchsetzen (obwohl viele Länder sie ablehnen). Sie will schwule Meinungen und Versammlungen privilegieren. Diese sollen eine weit über den Schutz sonstiger Meinungen und Versammlungen hinausgehende Sonderstellung bekommen. Was alle Andersdenkenden früher oder später ins Gefängnis bringt.

Mehr als erstaunlich ist die Wortwahl von Grüninnen, wenn sie wie in Sachen Mariahilfer-Straßen-Abstimmung mit dem Rücken zur Wand stehen. Da verwendet die Frau Vassilakou für ihre Gegner das Wort „verlogen“ – und hat die Frechheit, zugleich die 850.000 Euro Steuergeld für ihre einseitige Pro-Autoverbots-Propaganda auch noch als Kosten der „direkten Demokratie“ zu rechtfertigen. Wer ist denn da wirklich verlogen, Frau Vassilakou?

Mehr als erstaunlich agieren auch die Vereinigten Staaten, wenn sie jetzt eine Friedenskonferenz für Syrien organisieren. Alle möglichen Nachbarn und Gruppen dürfen und sollen daran teilnehmen – nur der mächtig und mit Waffen und Soldaten in Syrien mitmischende Iran nicht. Das wird mit tausendprozentiger Gewissheit die ohnedies winzigen Chancen dieser Friedenskonferenz zerschlagen.

Mehr als erstaunlich ist es, dass sich der Weizenpreis dramatisch verändert, aber niemand Spekulanten und Banken attackiert. Freilich: Der Preis steigt nicht, sondern sinkt. Das bewirkt eine gute Ernte immer, so wie eine schlechte das Steigen von Preisen. Wir lernen: Spekulanten, über die sich Gutmenschen edel und laut erregen können, gibt es immer nur dann, wenn die Preise steigen. Wenn diese sinken, gibt es sie nicht mehr. Dann ist der Markt plötzlich wieder lobenswert und erwünscht.

Mehr als erstaunlich ist, wofür McDonald’s jetzt in Ungarn bestraft wird. Denn dem US-Konzern wird vorgehalten, dass er ein Produkt mit „Hühnerfleisch“ beworben hat, in dem auch Hühner-Haut zu finden ist. Abgesehen davon, dass die Haut ohnedies das Beste am Huhn ist: Wettbewerbs-Kontrolleure und Werbungs-Überwacher machen sich immer öfter immer mehr lächerlich.

Gar nicht erstaunlich ist hingegen, dass im jetzt grünrot regierten Baden-Württemberg ein neues Unterrichtsfach eingeführt wird: nämlich Homosexualität. Und ebenfalls nicht erstaunlich ist, dass gegen jenen Lehrer, der dagegen eine Bürgerinitiative gestartet hat, sofort mit einer Strafanzeige vorgegangen wird. Von Woche zu Woche wird es deutlicher: Die Grünen sind jene Partei, die nicht nur Homosexuellen, sondern auch totalitären Attitüden weitaus am nächsten steht.

 

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FN 556 : Der Freund der SPÖ drucken

Man kann die SPÖ beruhigen: Dieselbe Pleite wie mit ihrem einstigen EU-Spitzenkandidaten Hans-Peter Martin werden sie mit Eugen Freund nicht erleben. Auch wenn es wieder ein Medienmann ist.

Dazu war der Mann schon seit seinen Ministerkabinett-Zeiten in allen Auftritten viel zu brav auf Parteilinie gewesen. Mit ihm ist wieder ein bekanntes Mediengesicht in den Dienst einer Partei getreten. Das ist absolut legitim, im konkreten Fall aber auch ein klares linkes Signal und keineswegs eines von mehr SPÖ-Öffnung oder gar Verständnis für die Wirtschaft. Freund hat seine Zwangspensionierung durch den ORF zwar geschickt und auch mit Hilfe von Tränen dramatisiert. Aber er hat nie Kritik an der Linie der SPÖ in Sachen Pensionsantrittsalter geübt. Er hat auch nie Kritik an der Gewerkschaft geübt, die mit ihrem Bestemmkurs ältere Arbeitnehmer für den Arbeitgeber besonders teuer macht. Und er hat es schon gar nicht kritisiert, als der ORF alle bürgerlichen Journalisten bereits mit einem um zwei Jahre jüngeren Lebensalter in Pension schickte. Der Standpunkt prägt halt die Sichtweise.

PS: Bei SPÖ wie - vorerst auch - ÖVP fällt auf: Von den eigentlichen Parteigranden ist kein einziger bereit, nach Europa zu gehen. Jobs in der Heimat sind halt auch viel angenehmer.

 

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Wie unser Geld in den Wind geblasen wird drucken

Am Anfang hat kein Mensch gewusst, was alles passieren wird, als die Politik unter dem Druck apokalyptischer Propaganda vehement auf Solar-, Bio- und Wind-Kraftwerke zu setzen begann. Heute sind die Folgen klarer: Vor allem in den deutschsprachigen Ländern ist der Energiemarkt total verzerrt. Ein marktverzerrender Eingriff hat den nächsten ausgelöst; und der wieder weitere. Jetzt herrscht totales Chaos, und die EU-Kommission muss einschreiten. Aber niemand weiß, wie Österreich und vor allem Deutschland aus den vielen gut gemeinten, aber abgrundtief dummen ökologischen Selbstfesselungen entkommen können. Denn entweder gehen Hunderttausende Arbeitsplätze verloren oder die Alternativförderung kommt zu einem abrupten Ende.

Die EU-Kommission fordert nun eine Totalreform der deutschen Energiewende. Was automatisch auch für Österreich Auswirkungen haben wird. Dabei waren die deutschen Regierungen und insbesondere Angela Merkel jahrelang sehr stolz auf diese Wende. Sie hatten lange nicht gedacht, wie sehr diese ins Chaos führen wird.

Noch immer weit weg von jeder Konkurrenzfähigkeit

Denn diese neuen Energiequellen haben alle eines gemeinsam: Sie sind in keiner Weise mit anderen Energieformen konkurrenzfähig. Sie wurden aber so heftig gefördert, dass daraus dennoch ein brillantes Geschäft wurde: für zahllose Bauern, die Solarpaneele auf die Dächer geschraubt haben; für die Holz- und Agrarindustrie, die Biokraftwerke beliefert; für die diversen Lobbyistenverbände; und für die Erzeuger von Solarmodulen – die anfangs noch europäische waren, jetzt aber fast ganz aus China kommen.

Diese neuen Lobbys sind so lautstark und mächtig geworden, dass eine schwache Politik sie kaum mehr zurückdrängen kann. Heute stehen längst nicht mehr nur ihre grünen Fanatiker hinter ihnen (und die Sozialdemokraten, die den Grünen fast alles nachplappern), sondern etwa auch viele konservative Parteien, die unter Druck der Forst- und Landwirtschaft stehen.

Die Alternativ-Lobbys haben schlauerweise durchgesetzt, dass sie auf viele Jahre (meist 15) garantiert überhöhte Abnahmetarife bekommen. Sie können in diesem Zeitraum jede Kilowattstunde zu Superpreisen ins Netz liefern, egal ob der Strom dort zu diesem Zeitpunkt von irgendjemandem gebraucht wird oder nicht. Wenn aber Wind beziehungsweise Sonne auslassen, beziehen sie in der Gegenrichtung selbst Strom – aber zu viel niedrigeren Preisen als zu ihrem Lieferpreis, obwohl genau dann ja Stromknappheit herrscht. Absurder geht’s kaum mehr.

Das Geld zur Finanzierung der ganzen Idiotie muss freilich irgendwoher kommen. Da die öffentlichen Kassen total leer sind, greift man den Konsumenten in die Tasche. Diese zahlen bei der Stromrechnung, aber auch bei Hausbetriebskosten steil gewachsene Gebühren. Viele Bürger haben aber dennoch bis heute nicht entdeckt, dass keine einzige politische Partei ihre Interessen vertritt, dass die Politik vielmehr ganz an den Fäden der Alternativ-Lobby hängt.

Viele Unternehmen sind – noch – von den Förderkosten befreit

Was die normalen Konsumenten umso mehr trifft, als sich ein Teil der Strombezieher bisher sehr wohl von den diversen Ökoumlagen befreien konnte: nämlich viele Industriebetriebe, die besonders viel Strom brauchen. Sie konnten der Politik klarmachen, dass Hunderttausende Arbeitsplätze kaputt wären, wenn die Industrie die Ökoförderungen bezahlen müsste. Ist doch im Ausland – etwa den USA – Energie teilweise sogar deutlich günstiger geworden, hat also eine gegenteilige Entwicklung zu dem grün beherrschten Mitteleuropa genommen.

Vor allem in Deutschland sind auch immer mehr Betriebe von den Alternativ-Kosten befreit worden, die keineswegs in Konkurrenz mit dem Ausland stehen. Lokale Verkehrsbetriebe haben ja sicher keine internationale Konkurrenz. All das müssen die Konsumenten zusätzlich zahlen.

Jetzt ist es der EU zu blöd geworden: Sie tritt – erfreulicherweise – zum Schutz der gerupften Verbraucher an und bekämpft nun die unberechtigten und ungleichen Begünstigungen. Formal heißt das, dass die EU-Kommission nun ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland eröffnet. Die Alternativ-Förderungen sind richtigerweise als verbotene Beihilfen identifiziert worden. Dieses Verfahren wird natürlich auch für Österreich große Folgewirkungen haben.

Dadurch drohen den privilegierten Betrieben nämlich massive Strompreis-Nachzahlungen und zumindest schrittweise Reduktionen der Rabatte. Das aber wieder wird bei den wirklich dem globalen Wettbewerb ausgesetzten Branchen dazu führen, dass in Deutschland und Österreich etliche Unternehmen zusperren müssen. In der Folge wird die Arbeitslosigkeit gewaltig zunehmen und Wirtschaftskraft wie Wohlstand werden zurückgehen.

Auswege aus dem Dilemma sind rar. Der einzige funktionierende wäre eine Wiederherstellung der Marktmechanismen und ein rasches Auslaufen der Ökostromförderungen. Aber gerade gegen diese Perspektive läuft die mediale und grüne Stimmungsmache jetzt schon auf vollen Touren. Sie wird von den profitierenden Lobbys heftig unterstützt. Das alles macht es den Regierungen doppelt schwer, den Weg zur Vernunft zurückzufinden.

Negativer Strompreis

Besonders absurde Folge der teuren Ökoförderung: Strom wird dadurch zu sonnigen und windigen Zeiten viel zu viel produziert. Er ist an den internationalen Strombörsen dann sehr billig. Bei starkem Überangebot ist sogar ein negativer Strompreis logisch. Da ja Strom an sich nicht gespeichert werden kann (es sei denn indirekt in den wenigen Speicherkraftwerken, die aber meist ohne ausreichende Leitungsverbindungen ganz wo anders liegen), muss er irgendwohin fließen, soll er nicht sämtliche Leitungen und Umspannwerke zerstören.

Das aber wieder macht sämtliche anderen Stromformen bis auf – ausgerechnet – die schmutzigen Kohlekraftwerke unwirtschaftlich. Dabei geht es vor allem um den Bedarf an beliebig hochfahrbaren Lückenbüßern. In Deutschland wie Österreich werden deshalb etwa hochmoderne und sehr saubere Gaskraftwerke dauerhaft außer Betrieb genommen. Womit neuerlich Geld verbrannt wird. Womit die billigen Stromspitzen in seltsamem Kontrast zur fehlenden Grundversorgung stehen.

In strengen Wintern (von denen wir ja vorerst zum Glück weit entfernt sind) sind plötzliche Strom-Blackouts daher viel wahrscheinlicher geworden. Diese drohen vor allem dann, wenn Deutschland die letzten Atomkraftwerke abgestellt haben wird. Und Österreich ist ohnedies schon längst ein reiner Strom-Importeur geworden – trotz seiner großen Wasserkraft-Möglichkeiten. Aber hier werden ja schon lange keine Kraftwerke mehr gebaut.

Der Kampf zwischen den Ökoprivilegienrittern und dem nur durch den Markt herstellbaren Prinzip der Gerechtigkeit wird in den nächsten Jahren zweifellos zu einer Determinante in Mitteleuropa werden. Er wird sowohl die politische wie auch die ökonomische Zukunft beherrschen.

Österreich verlängert die Förderungen einfach

Österreich hat die gleichen Probleme wie Deutschland, auch wenn es die Ökostromförderung nicht so stark ausgebaut hat wie die oft zu Extremen neigende Bundesrepublik. In Österreich scheint die Politik dafür jedoch noch viel mehr zu schlafen. Denn hier wurde vor Weihnachten einfach die Förderung für erneuerbare Energie in weitgehend gleicher Form weiter verlängert, ohne dass es eine öffentliche Debatte darüber gegeben hätte. Die garantierten Einspeistarife wurden lediglich um ein Prozent reduziert. Besonders absurd: Für Wind- und Biostrom wurde die Förderung diesmal sogar für zwei Jahre verlängert.

Der Ansturm auf diese Förderungen ist so groß, dass die dafür geschaffene Homepage nun schon zum zweiten Mal kollabiert ist. Daher musste auch der Ausschreibungs-Stichtag zweimal verschoben werden. Das ist in diesem Chaos zwar scheinbar nur eine Groteske am Rande. Aber bezeichnend. Denn die Alternativ-Lobby hat als Reaktion auf den Internet-Zusammenbruch umgehend eine „Entdeckelung“ der Förderungen gefordert. Das heißt auf Deutsch: Die Lobby verlangt nun sogar die Subventionierung einer absolut unlimitierten Zahl an Solar- und Windanlagen. Es soll für ihren Griff in die Taschen der Konsumenten überhaupt kein Limit mehr geben.

Viel Spaß mit zehn Prozent Rendite

Eine Reform der österreichischen Fehlanreize ist auf Grund der jüngsten politischen Beschlüsse jedenfalls erst 2016 möglich. Frühestens. Denn die Grünen und die profitierenden Lobbies wie etwa der Raiffeisenkonzern werden auch dann wieder mit Riesenpropaganda und der gesamten Medienorgel an der Seite ihre Millionen-Schäfchen ins Trockene zu bringen versuchen.

Immerhin sind dabei Renditen von bis zu zehn Prozent zu erzielen! Während jeder Durchschnittshaushalt ihren Profit über die sogenannten Netzentgelte mit Beträgen subventionierten muss, die zwischen 60 und 80 Euro liegen. Jährlich.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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REKOS – eine neue Kampfansage gegen links drucken

Der EU-Abgeordnete Ewald Stadler wird zu den Wahlen zum europäischen Parlament im Mai antreten, und zwar mit einer neu gegründeten Partei, den „Reformkonservativen“, kurz: REKOS. Obwohl er diesmal fest entschlossen war, endgültig aus der Politik auszusteigen und sich ganz seinem Beruf als Anwalt sowie seiner achtköpfigen Familie zu widmen, ist es einer Gruppe größtenteils neuer Mitstreiter gelungen, ihn zu einem letzten Versuch zu motivieren, eine authentisch konservative Kraft in Österreich zu etablieren.

Die Voraussetzungen waren selten so gut. In vielen Ländern Europas ist der Stern der Linken derzeit im Sinken und Konservative sind auf dem Vormarsch. Umfragen und Wahlergebnisse zeigen das ganz deutlich. Rund um Ewald Stadler, einen der bekanntesten und profiliertesten Konservativen in diesem Land, hat sich in den vergangenen Wochen eine stark motivierte Gruppe vor allem junger, politisch unverbrauchter Leute gebildet, die bereit sind, am Aufbau dieser neuen Bewegung mitzuarbeiten.

Außerdem bietet diese EU-Wahl eine einmalige Chance. Mit seiner Unterschrift kann der EU-Abgeordnete Stadler das Antreten der neuen Partei ermöglichen, ohne Unterstützungserklärungen sammeln zu müssen, und wird auch an den wichtigsten TV-Diskussionen teilnehmen.

Auch die politische Lage ist nicht ungünstig. Durch das in allen Parteien zu beobachtende zunehmende Abdriften nach links tut sich im wertkonservativen und marktwirtschaftlich orientierten Wählersegment ein immer weiter wachsendes politisches Vakuum auf. Immer größer wird die Zahl derer, die nach einer bürgerlichen Alternative suchen. Es sind jene Wähler, denen die ÖVP mittlerweile zu lasch und die FPÖ zu rabaukenhaft geworden ist und die die Neos als das erkennen, was sie wirklich sind, nämlich die temporäre Wiedergeburt des pseudoliberalen, in Wahrheit aber weit links stehenden LIF.

Ich hatte in den vergangenen Wochen oft Gelegenheit mit Ewald Stadler zu sprechen. Wer ihn gut kennt, weiß, dass es ihm immer darum gegangen ist – in welcher Partei oder welchem politischen Rahmen auch immer – seinen christlich geprägten konservativen Wertvorstellungen, die von weit mehr Menschen geteilt werden, als es die Linken gerne darstellen, eine öffentliche Plattform zu geben. Das war in der Vergangenheit nicht immer möglich. Deshalb, denke ich, war es die richtige Entscheidung, es nun mit einer neuen Partei zu versuchen.

Die REKOS bekennen sich zur christlichen Werteordnung, zu den Traditionen des Abendlands, zur staatstragenden Funktion der Familie und zum freien Eigentum in einer freien Marktwirtschaft. Sie wollen, ohne sich das Blatt der „Political correctness“ vor den Mund zu nehmen, jene konservativen Werte vertreten, die heute in den – größtenteils linken – Medien nur noch marginal Gehör finden.

Auch wenn uns der politische Mainstream in eine andere Richtung bewegen will, so gibt es doch eine große Zahl von Menschen in diesem Land, für die die traditionellen Werte nach wie vor einen hohen Stellenwert haben – und auch eine wachsende Zahl junger Leute, die erkannt haben, dass uns die linke Gesellschaftspolitik in zunehmende Unfreiheit und die linke Wirtschaftspolitik in den finanziellen Ruin führt. Viele konservativ eingestellte Wähler vermissen mittlerweile bei der ÖVP ein klares Bekenntnis zu ihren eigentlichen Grundsätzen; viele können auch mit Straches linker Wirtschaftspolitik nichts anfangen und fühlen sich auch aus anderen Gründen von der FPÖ nur minimal oder gar nicht angezogen.

Bei der kommenden EU-Wahl wollen die REKOS den Grundstein für eine neue konservative Politik in Österreich legen. Soweit ich im Rahmen meines bisherigen Engagements erfahren konnte, gibt es auch hervorragende Kontakte zu anderen Kräften in Europa, mit denen nach der Wahl eine Zusammenarbeit möglich sein wird, sodass in Zukunft unsere Standpunkte hoffentlich auch im EU-Parlament mehr Gehör finden werden.

Die REKOS wollen Reformen auf Basis konservativer Werte. Im EU-Wahlkampf wird vor allem der Kampf gegen die sozialistischen und zunehmend totalitären Aspekte der Europäischen Union im Vordergrund stehen. Sie wollen eine EU, die sich auf den Abbau von Zöllen, die Wahrung des Binnenmarkts und die vier Grundfreiheiten beschränkt; ein Europa der souveränen Vaterländer, die auf freiwilliger Basis in verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten.

Sie sagen Nein zu einer EU, die sich als politische Union versteht und sich in zu viele Bereiche einmischt.

Durch klare und unmissverständliche Botschaften wollen die REKOS dem Begriff „konservativ“ wieder zu seiner eigentlichen Bedeutung verhelfen. Sie wollen in allen Bereichen konsequent antisozialistische Positionen vertreten und auf den Grundlagen der Tradition, der individuellen Freiheit und der natürlichen Bindung an Familie und Heimat einen neuen politischen Zufluchtsort für die vielen enttäuschten bürgerlichen Wähler in Österreich bilden.

Ich bin aus diesen und vielen anderen Gründen voller Begeisterung und Zuversicht, dass dieses Projekt erfolgreich sein wird. Deshalb engagiere ich mich für die REKOS und möchte alle anderen dazu motivieren, das auch zu tun.

Alexander Tschugguel (20 Jahre, Wiener) ist Student der Geschichte und Mitarbeiter der REKOS.

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Hundert Jahre später: die zweite österreichische Abenddämmerung drucken

Noch nie waren die Österreicher so unsicher: Welchen Parteien, welchen Politikern können sie noch trauen? Viele wussten daher bei der Nationalratswahl nicht, was sie tun sollten. So mancher davon wählte daher gar nicht mehr. Viele andere wollten, kaum hatten sie ihre Stimme abgegeben, diese Stimme am liebsten wieder zurück haben, sie anders abgeben.

Diese Verunsicherung ist Folge einer sich ausbreitenden Grundstimmung: Wir leben in der Abenddämmerung einer zwar wunderschönen, aber untergehenden Welt. Und die Versäumnisse der Innenpolitik, der von uns gewählten Parteien sind eine Hauptursache des Untergangs.

Viele Menschen fühlen sich so wie ihre Vorfahren vor hundert Jahren. Diese ahnten zwar das bevorstehende Ende des multinationalen Kaiserreichs, eines langen Friedens und eines ständigen Wohlstandszuwachses. Sie wollten das alles aber nicht wirklich wahrhaben. Bis es für jede Gegenstrategie zu spät gewesen ist.

Die Periode der letzten 68 Jahre war noch viel schöner als jene am Anfang des 20. Jahrhunderts. Österreich erlebt seit 1945 ja einen ununterbrochenen Aufstieg vom ärmsten Flecken des Kontinents zu einem überaus wohlhabenden Land. Während Reichtum und Sicherheit ununterbrochen zunahmen, fanden äußere Bedrohungen nur in den Zeitungen statt. Die Schrecken des nationalsozialistischen wie dann des kommunistischen Terrors sind kaum mehr im Bewusstsein.

Dem Land blieben all die schweren ökonomischen und damit auch sozialen Krisen erspart, die fast alle europäischen Länder irgendwann in diesem Zeitraum erlebt haben. Die europäischen Beispiele reichen von der deutschen Wiedervereinigungskrise über den Zusammenbruch der skandinavischen Wohlfahrtssysteme in den 90er Jahren bis zum Kollaps der südeuropäischen Länder.

Bei den Österreichern hingegen ist nicht einmal die Weltwirtschaftskrise nach 2008 geistig wirklich angekommen. Die Republik nahm einfach 54 Milliarden weiterer Schulden auf, die Zentralbank überflutete den Kontinent mit künstlichem Gratisgeld – und schon glaubte man, alles übertauchen zu können.

Als Reaktion auf das Auseinanderklaffen zwischen den intellektuell beobachteten Fakten und dem emotionalen Gefühl wechseln bei den Menschen ständig zwei widersprüchliche Gefühle. Das eine lautet: „Gut ists gangen, nichts ist geschehn.“ Das andere: „So kanns nicht weitergehn.“

Dementsprechend widersprüchlich verhalten sich auch die Parteien. Keine einzige sagt den Menschen die ganze Wahrheit. Die SPÖ als noch immer größte Partei spricht etwa davon, dass man durch Wachstum die Schuldenkrise (die sie zu Ablenkungszwecken gerne „Finanzkrise“ nennt) lösen könne. Sie meint damit aber in Wahrheit nur das, was sie seit 1970 zu verantworten hat: immer noch mehr Schulden machen.

Die Idee eines Wachstums durch Schulden ist freilich mehr als skurril. Wäre sie richtig, müsste Griechenland das reichste Land Europas sein. Für viele Wähler der SPÖ hat diese Theorie aber dennoch Logik: Denn sie stehen im Pensionisten-Alter. Und da das Schuldenmachen schon seit den siebziger Jahren ohne sichtbare Katastrophe läuft, glauben sie wie viele Südeuropäer, dass das ständig so weitergehen könnte. Und selbst wenn sie das kritischer sehen sollten, so hoffen sie: „Läuft das Pyramidenspiel noch ein paar Jahre, dann haben wir schon unsere ganze Lebensspanne gut hinter uns gebracht.“ Besser als jede andere Generation bisher. Was soll man sich da um die Kosten und Folgen dieses Schuldenspiels scheren? Hinter uns die Sintflut.

Klarerweise ist dieses sozialdemokratische Konzept für junge Menschen völlig unattraktiv. Da klingt die Volkspartei verbal viel vernünftiger. Nur: Sie hat – abgesehen von den positiven Sanierungsansätzen zwischen 2000 und 2006 – auch selbst viel zu bereitwillig bei der Ausgabenpolitik mitgemacht. Sie hat damit fast jede Glaubwürdigkeit verloren.

Und sie hat zugleich selber eine ähnliche Klientelpolitik betrieben wie die SPÖ. Während die Roten Pensionisten, Arbeiter und Wohlfahrtsprofiteure auf Kosten der nachhaltigen Stabilität des Landes bedienen, stellen die Schwarzen Bauern, subventionsgierige Unternehmer und ausgabenfreudige Landeshauptleute zufrieden.

Neben den beiden einstigen Monopolparteien ist die Opposition immer vielfältiger geworden. Sie macht schon die Hälfte der Wählerschaft aus. Und wenn man die Nichtwähler mitzählt, sind die Gegner von Rot-Schwarz sogar längst in der deutlichen Mehrheit. Das ist eine logische Reaktion darauf, dass sich Rot und Schwarz seit Jahrzehnten die ganze Republik aufgeteilt haben. Demokratie braucht aber den Wechsel.

Aber auch die Oppositionsparteien stimmen einen nicht sehr optimistisch. Bietet doch keine einzige von ihnen derzeit eine glaubwürdige und funktionierende Antwort auf die wichtigsten Zukunftsprobleme des Landes.

Blau und Grün haben sich – zielgruppengerecht – auf Einzelthemen konzentriert. Sie haben aber auf die zentralen ökonomischen Herausforderungen überhaupt keine Antwort, weil sie beide zur sozialen Anspruchslizitation neigen.

Die beiden neuen Gruppierungen im Parlament wiederum werden in der Außensicht primär vom Charisma ihrer Gründer geprägt. Der freilich schon rasch abbröckelt. Inhaltlich herrscht bei beiden ein riesiges Vakuum, das von Tag zu Tag deutlicher wird. Beide Parteien leben derzeit so wie die FPÖ von der widersprüchlichen Mischung aus Frust, dumpfem Protest gegen alle Verantwortungsträger und dem Glauben der Österreicher, dass man nur einige niemanden schmerzende Stellschrauben drehen müsste. Und schon wäre alles wieder gut.

Nur wenige Wähler begreifen die fundamentale Krise unseres Gesellschaftssystems und die Konsequenzen der neokeynesianisch-sozialistischen Schuldenpolitik. Daher gibt es auch keine Parteien und Politiker, die das zu begreifen versuchen. Selbst wenn sie es vielleicht könnten.

Zugleich ist die Qualität des politischen Personals ständig zurückgegangen. Jungen Menschen ist der Weg in die Politik durch Medien und Skandalisierungen in hohem Ausmaß verleidet worden. All das hat das Image von Parteien, Politik und leider auch Demokratie auf den niedrigsten Stand seit Jahrhunderten schrumpfen lassen.

Was aber sind nun die inhaltlichen Herausforderungen, denen sich die Innenpolitik nicht oder zumindest nicht ausreichend stellt? Die zehn wichtigsten in Schlagworten:

  • Die demographische Katastrophe (die so wie das Schuldenmachen 1970 eingesetzt hat), besonders die Geburtenverweigerung der gebildeten Schichten;
  • die massive Zuwanderung bildungsferner Menschen aus Drittweltstaaten, deren Defizite auch in der zweiten und dritten Generation nicht geringer werden;
  • das rapide Vordringen einer aggressiven und kulturfremden Religion;
  • die explodierende Staatsverschuldung;
  • das viel zu niedrige und sogar trotz rapide steigender Lebenserwartung sogar noch zurückgegangene Pensionsantrittsalter (vier Jahre unter dem EU-Schnitt);
  • der in vielerlei Hinsicht, etwa beim Gesundheitssystem, unfinanzierbar gewordene Wohlfahrtsstaat;
  • die massive ökologische, soziale, sicherheitsorientierte Überregulierung von Wirtschaft und Gesellschaft (die jedes nennenswerte Wachstum verhindert);
  • das zunehmend leistungsfeindlich gewordene Schulsystem, das die Linke durch Gesamtschulen endgültig kaputt machen will;
  • Universitäten, die ohne Zugangsregelungen und ausreichende Finanzierungen ständig an Prestige verlieren;
  • und die progressive Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die Political Correctness.

Das sind nur die wichtigsten Problemkreise. Es gibt keine Partei, die mutig alle Bedrohungen unserer Zukunft wenigstens beim Namen nennen, geschweige denn gegen alle ankämpfen würde. Zwar erleidet die Linke – welche ja eindeutig die Hauptschuld an den meisten Problemen trägt – einen ständigen Schrumpfungsprozess. Die politische Rechte ist aber ob zahlloser inhaltlicher Details zerstritten. Sie zerfällt in immer mehr Gruppen und Richtungen.

Etliche Parteien gehören auch nur zur Hälfte auf die liberalkonservative Seite: Die Freiheitlichen etwa haben zwar in allen gesellschaftspolitischen Themen eine wertkonservative Position. Wirtschaftlich und sozial versuchen sie jedoch seit einigen Jahren wie eine kommunistische Partei die SPÖ links zu überholen. Umgekehrt haben die Neos zwar in wirtschaftlichen Themen sehr vernünftige Konzepte, stehen aber gesellschaftspolitisch – soweit ihre Positionen überhaupt erkennbar sind – ganz links.

Die ÖVP wiederum ist in vielen Fragen völlig standpunktlos geworden. Sie ist heute durch die Dominanz der Klientelpolitik und die lange Machtausübung ausgedünnt, müde und alt geworden.

Stronach und BZÖ haben noch am ehesten die wichtigsten Problempunkte im Visier – wenn auch oft verschwommen und in Details völlig unausgegoren. Aber gerade diese beiden Gruppierungen haben sich durch dauernde personelle Konflikte und problematische Politikerpersönlichkeiten selbst ins Out geschossen. Andere, kleinere Gruppen wieder streiten sich um völlig überholte Themen aus dem 19. Jahrhundert wie etwa um die Frage, ob das, was da unterzugehen droht, eine österreichische oder eine deutsche Nation gewesen ist.

Im Grunde gibt es jetzt nur drei Perspektiven:

  1. Die unwahrscheinlichste wäre es, würden sich die beiden einstigen Großparteien plötzlich zu mutigen Reformparteien wandeln, die all diese Fragen wirksam angehen.
  2. Nicht sehr viel größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich bis zu den nächsten Wahlen eine kraftvolle neue Bewegung bildet (eventuell auch mit den gegenwärtig im Parlament herumkollernden liberalen Bruchstücken), die eine zukunftsorientierte, wirtschaftsliberale, freiheitsliebende, wertkonservative Kraft bildet.
  3. Am wahrscheinlichsten ist die unerfreulichste Perspektive: Erst wenn eine große, alle Menschen in ihrem ganz persönlichen Leben treffende Krise eingetreten ist, haben mutige, nicht auf politische Korrektheit und Gruppeninteressen schauende ordnungsliberale Reformen eine Chance. Und nicht einmal das ist dann sicher. Nur in Nordeuropa, den Niederlanden und der Schweiz reagiert man auf Krisen mit den notwendigen Reformen. Der Süden bleibt lieber in der Krise stecken.

Bleibt Österreich tatenlos, dann gibt es nur einen Unterschied zur Abenddämmerung vor hundert Jahren, aber der ist gewaltig: Damals ist es als Folge der vielen fehlgeleiteten Nationalismen zu einer kriegerischen Explosion mit 30-jährigen Folgen gekommen. Im 21. Jahrhunderts steht hingegen eher eine kulturelle, ethnische, soziale und ökonomische Implosion bevor.

Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form auch in den "Genius-Lesestücken" (www.genius.co.at), einer unabhängigen Online-Zeitschrift zu den großen Fragen der Zeit.

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Kampfansage an den Mittelstand drucken

Das neue Jahr beginnt, wie das alte geendet hat: Mit einer Fortsetzung der Verschuldung öffentlicher Haushalte; mit inzwischen sogar von den Hauptstrommedien erkannten Kaufkraftverlusten für die Bürger und mit weiterhin tobendem Regulierungswahnsinn.

Die Ankündigung der US-Notenbank Fed, bei den Anleihenkäufen ein wenig bremsen zu wollen, ist alles andere als der Entschluss, mit der seit Jahren betriebenen Geldmengenausweitung aufzuhören. Und schon bald steht in den USA eine Neuauflage des ritualisierten Streits um eine Anhebung der Staatsschuldenobergrenze ins Haus. Die vorgeblich für eine sparsamere Haushaltsführung kämpfenden Republikaner werden – wie schon im Vorjahr – unter dem Druck der veröffentlichten Meinung erneut nachgeben. Die Obama-Administration wird daraufhin zu einem neuen Schuldenrekord stürmen und verstärkten Druck auf Euroland ausüben, es ihr gleichzutun. Im Westen also nichts Neues.

Aber auch mit dem Regulierungsirrsinn geht es weiter. Ob Glühlampen, Duschköpfe, Klospülungen, Privatwaffen, etc – nichts entgeht dem Ge- und Verbotsfuror der im Machtrauschmodus agierenden Eurokraten. Um das Setzen von Rahmenbedingungen geht es ihnen schon lange nicht mehr. Stattdessen ist permanenter Interventionismus angesagt. Und immer ist dabei der Bürger der Dumme. Entweder er bekommt gar nicht (mehr) zu kaufen, was ein freier Markt ihm jederzeit zu liefern bereit und imstande wäre, oder er hat – dank der durch Behördenauflagen bedingten Verteuerung der Produktionsprozesse infolge eines aufwendigen Papierkriegs – höhere Preise oder Nachrüstkosten zu schlucken und erleidet dadurch weitere Kaufkraftverluste.

Manch einer vermutet hinter dieser Entwicklung eine Verschwörung von Big Government und Big Business zu Lasten der Konsumenten. Doch nicht immer müssen Verschwörungen oder finstere Absichten im Spiel sein. Oft genug reicht auch der pure Unverstand der Initiatoren bestimmter Beschlüsse als Erklärung aus. Man denke etwa an die angeblich der Sicherheit dienende Registrierung von Privatwaffen, die außer Schikanen für die Betroffenen und höheren Verwaltungskosten nichts bringt.

Viele Regulierungen ziehen steigende Umsätze in bestimmten Branchen nach sich. Etwa dann, wenn Vorschriften erlassen werden, welche die Nutzung bestimmter Altgeräte oder -anlagen nur unter der Bedingung aufwendiger Nachbesserungen erlauben oder gar Neuanschaffungen erfordern. Schlichte Gemüter neigen dazu, das als wirksame Maßnahmen zur „Wirtschaftsbelebung“ zu bejubeln. Dass es sich dabei in Wahrheit aber um Fehlallokationen von Ressourcen und um Marktverzerrungen handelt, begreifen sie nicht. Für alternative, in aller Regel bedeutend wirtschaftlichere Investitionen stehen dann nämlich weniger Mittel zur Verfügung.

Unsinnige Bürokratie für Wirte

Es geht aber noch schlimmer. Als anschauliches Beispiel seien die mutwilligen Erschwernisse für die Gastronomie genannt, die derzeit geplant werden (Stichworte Allergenausweis und Rezepturverpflichtung). Die dräuende Vorschrift, die alle Gastronomen dazu zwingen wird, die in den angebotenen Speisen enthaltenen Inhaltsstoffe genauestens zu dokumentieren, wird kleineren Betrieben, in denen nach Gusto und Intuition des Küchenchefs, oft aber jedenfalls ohne Rezept gekocht wird, erhebliche Schwierigkeiten bereiten.

Wie etwa sollte der Wirt um die Ecke einer derartigen Verpflichtung Rechnung tragen, sofern er nicht auf industriell hergestellte Fertigprodukte ausweichen oder die Hälfte seiner Zeit für eine wild gewordene Bürokratie anstatt für den Dienst an seinen Kunden aufwenden möchte? Der anmaßende Plan, jede noch so kleine, unwahrscheinliche oder überhaupt nur in der Phantasie von Paranoikern existierende Gefahr ausschalten zu wollen, führt stets zur Behinderung von Innovationen, zur Beschäftigung von immer mehr Menschen in völlig unproduktiven Tätigkeiten (als Überwacher, Kontrolleur und Dokumentationsbeauftragter) und damit letztendlich zur Reduktion der Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. Unsere internationalen Wettbewerber, die des Irrsinns lichte Höhen bislang nicht so entschlossen erklimmen, werden die Begeisterung der Europäer an der Selbstbeschädigung erfreut zur Kenntnis nehmen…

Internationale, mehrheitlich amerikanische Ausspeisungsketten, die ihre nicht unbedingt gourmettauglichen Produkte in weltweit standardisierter Form feilbieten, werden mit der Kennzeichnungspflicht kaum Probleme bekommen. Ihre Kosten wären – umgelegt auf ihre schmale Produktpalette bei gewaltigen Stückzahlen – marginal. Mittelständische Betriebe mit einem vielfältigen Angebot indes werden entweder in erhebliche Schwierigkeiten geraten oder sich veranlasst sehen, ihrerseits auf die Lieferungen von Industrieprodukten umzusteigen und sich aufs Aufwärmen und Anrichten zu beschränken. Prost Mahlzeit! Wenn dann auch die kulinarisch verwöhnten Bürokraten in Brüssel nur noch ödes Junkfood zu fressen bekommen, wird ihnen möglicherweise ein Licht aufgehen.

Einmal mehr geht eine Vorschrift der EU klar zu Lasten von kleinen und mittleren Unternehmen. Das Muster ist immer das gleiche: Bürokraten verabscheuen die Vielfalt und lieben die Vereinheitlichung. Alles soll so homogen wie möglich und damit leicht kontrollierbar sein. Durch behördliche Auflagen erzwungene Angebotsstandardisierungen haben zwei Hauptwirkungen: Sie führen einerseits zu einer Verringerung der Angebotsvielfalt und anderseits zu einer Wettbewerbsverzerrung zugunsten großer Betriebe, die gegenüber den Kleinen Kostenvorteile infolge von Skaleneffekten lukrieren können.

Schon heute stehen Gastronomiebetriebe in der Insolvenzstatistik ganz weit oben. Durch Behördenauflagen, die in der Praxis vermutlich so gut wie unerfüllbar sind, wird sich das Angebot weiter ausdünnen, denn Kapitalausstattung und Margen liegen in dieser Branche heute schon auf einem beklagenswert niedrigen Niveau. Die EU setzt mit ihrem aktuellen Vorhaben einen – absolut vermeidbaren – weiteren Schritt in Richtung einer noch stärkeren Unternehmenskonzentration.

Die dafür vorgebrachten „Sicherheitsargumente“ sind mehr als fadenscheinig: Den (wenigen) Restaurantbesuchern, die tatsächlich an gefährlichen Lebensmittelunverträglichkeiten leiden, ist es zumutbar, bei der Bedienung entsprechende Auskünfte einzuholen. Dass ihretwegen alle anderen Kunden künftig mit unlesbaren Speisekarten, erhöhten Kosten und/oder freudlosem Fraß aus der Mikrowelle gequält werden sollen, ist schwerlich einzusehen.

Eines ist jedenfalls sicher: Bei nächster sich bietender Gelegenheit werden die Zerstörer des Mittelstandes mit Sicherheit wieder „Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Selbständigkeit“ oder „Offensiven zur Unternehmensgründung“ ankündigen. Das wirft ein grelles Licht auf deren wirtschaftlichen Sachverstand: Entweder die Eurobonzen agieren tatsächlich – zum kollektiven Schaden der Binnenwirtschaft – als bezahlte Handlanger der Großindustrie, oder sie und ihre Helfershelfer sind einfach unfähig, die Konsequenzen ihrer Handlungen abzuschätzen.

In beiden Fällen ist Das Urteil F. A. Hayeks eindrucksvoll bestätigt, der sich schon in den 1940er Jahren zur Feststellung genötigt sah, dass in politischen Systemen „…die Übelsten an die Spitze kommen.“ Wer könnte ihm widersprechen?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Die Rumänen kommen drucken

Kaum hat das neue Jahr begonnen, hat es schon ein Thema – ganz über die Silvesterfolklore um Raketen, Neujahrsbabies, Walzer, Sektsteuer und hohle Neujahrsansprachen hinaus. Das Thema ist die nunmehr volle Binnenmarkt-Freizügigkeit für Bulgaren und Rumänen innerhalb der EU. Die Übergangsfrist im Anschluss an deren Beitritt ist abgelaufen.

Wie bei vielen Themen findet in den Politikeräußerungen auch hier eine wilde Mischung aus Birnen und Äpfeln und Erdäpfeln statt. Gutmenschen und Schlechtmenschen stehen einander neuerlich mit erschlagenden Schlagworten gegenüber. Die einen mischen bewusst, die anderen aus Unkenntnis. Daher sollte ein Neujahrsvorsatz auch darin bestehen, die Dinge besser auseinanderzuhalten.

Der erste Bereich ist die nunmehr genehmigungsfreie Freizügigkeit von Arbeitskräften aus Bulgarien oder Rumänien. Diese Freizügigkeit ist ein unverrückbarer Eckpfeiler des EU-Binnenmarkts. Wer kommt und zu den gesetzlichen Bedingungen in Österreich, Deutschland oder Großbritannien arbeitet, ist ein Beitrag zum gemeinsamen Wohlstand. Schlecht ist das nur für ihre Heimatländer und insbesondere die Familien der Arbeitskräfte. Aber auch gut qualifizierte Menschen finden in diesen Ländern oft keinen Job.

Das zweite davon scharf zu trennende Thema sind jene Menschen, die nicht herkommen, um zu arbeiten, sondern um zu betteln und die zahlreichen Sozialeinrichtungen zu nutzen. Da hat erstmals die sonst ja wenig erfreuliche EU-Kommissarin Viviane Reding das Wesentliche und Richtige gesagt: „Es gibt ein EU-Recht auf Freizügigkeit, aber kein Recht auf Einwanderung in die nationalen Sozialsysteme.“ Nur arbeitende EU-Bürger haben, so Reding, Anspruch auf Sozialleitungen. „Deutsche Urteile, die EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht Ansprüche auf Hartz IV einräumen, basieren allein auf deutschem Recht und haben nichts mit EU-Recht zu tun. Wenn nationale Sozialsysteme zu großzügig sind, dann ist es Sache der Mitgliedstaaten, das zu ändern."

Klarer kann man es nicht sagen. Es ist nicht die EU, sondern das heimische Gutmenschentum in Deutschland wie Österreich, welches die Probleme verursacht. Egal, ob es bei Richtern, Beamten oder Wohlfahrtseinrichtungen grassiert. Man denke etwa an den Kollaps von Caritas-Wärmestuben schon im abgelaufenen Jahr, als ganze Sippen von Zigeunern dort eingefallen sind und sehr selbstbewusst Forderungen gestellt haben.

Damit ist auch schon das Schlüsselwort gefallen, das die Dinge so schwierig macht, wenngleich es in fast allen offiziellen Erklärungen zum Thema peinlich vermieden wird. Das Problem besteht nämlich vor allem mit Roma und Sinti und noch einem runden Dutzend weiterer Ethnien, die unter dem Sammelbegriff Zigeuner zusammengefasst werden (der übrigens auch von vielen dieser Menschen als einzig passender verwendet wird).

Schätzungen rechnen mit Millionen Zigeunern, die alleine in den beiden betroffenen Balkanländern leben. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil diese Minderheit ja nicht als solche erfasst wird, da sie sich ja meist weder durch Sprache noch durch Religion unterscheidet. Schon jetzt werden jedenfalls aus mehreren Balkanländern Bustouren direkt zu österreichischen Wohlfahrtseinrichtungen organisiert.

Was in Deutschland wie Großbritannien in den letzten Tagen schon intensiv diskutiert wird, wird spätestens bei Einführung in diesen Ländern genauso in Österreich unumgänglich werden: Auch lokale Armen- und Obdachlosenhilfen müssen künftig an die Staatsbürgerschaft geknüpft werden.

Die erwartbaren Proteste der Landau-Caritas dagegen können jetzt schon als verlesen gelten und sollten ignoriert werden. Denn wenn Landau den Zigeunern des Balkans wirklich helfen wollte, dann sollte er diese nicht durch offene Hilfsangebote nach Österreich locken und damit viele zusätzliche Folgeprobleme auslösen. Es sollte vielmehr darum gehen, diesen Menschen auf dem Balkan, in der Slowakei und Ungarn zu helfen. Dort gibt es eine Unzahl von Möglichkeiten dafür (wobei immer der Versuch, die Menschen in Arbeitsplätze und geordneten Schulbesuch einzugliedern, weit sinnvoller ist als Ausspeisungen, Sach- und Geldgeschenke).

Das dritte zumindest in Deutschland endlich offen diskutierte Problem ist eines, das in Österreich außer dem Tagebuch bisher niemand offen angesprochen (oder auch begriffen?) hat: Das sind die Familienbeihilfen für Menschen aus fernen Ländern, die sehr wohl hierzulande arbeiten. Diese Hilfen werden nämlich auch dann ausgezahlt, wenn die Kinder weiter in der (rumänischen, türkischen, bulgarischen, arabischen) Heimat leben.

Das wird zwar vielfach als positiv interpretiert, weil dadurch die Bindung an die alte Heimat stärker bleibt und weil damit die Wahrscheinlichkeit einer Heimkehr nach Verlust des Arbeitsplatzes größer wird.

Das löst aber gleich ein doppeltes Problem aus: Zum einen berichten österreichische Beamte im Privatgespräch von ihren großen Zweifeln, ob die vielfach behauptete große Kinderschar wirklich immer vorhanden ist beziehungsweise ob sie wirklich vom Beihilfe kassierenden Vater stammt. Österreich verlässt sich da in seiner gutmenschlichen Blauäugigkeit auf die vorgelegten Dokumente. Aber es geht nun einmal um Regionen, wo man mit einem mittleren Bakschisch noch immer jede gewünschte Bestätigung kaufen kann.

Zum anderen gibt es eine große Zahl an – durchaus echten – Kindern, die erst in den allerletzten Pflichtschuljahren nach Österreich oder Deutschland kommen. Hier können sie dann Ausbildungsgarantie und vieles andere nutzen, sind aber niemals mehr imstande, die deutsche Sprache gut zu lernen und ihre Bildungsdefizite ein wenig aufzuholen.

Diese Problematik wird rund um den Jahreswechsel in Deutschland und Großbritannien intensiv diskutiert. Freilich: Bei der Familienbeihilfe für nicht im Arbeitsland lebende Kinder spielt – zum Unterschied vom zweitgenannten Problembereich – die EU sehr wohl eine Rolle. Eine Streichung solcher Beihilfen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit vom EU-Gerichtshof nicht gebilligt werden.

Aber die beiden Länder diskutieren wenigstens das Problem. Österreich hingegen schaut am liebsten weg. Einschließlich des Integrations-Staatssekretärs, der jetzt ein Minister ist. Er ist offensichtlich nur für Schönwetterthemen zuständig und ignoriert die anderen. Er lässt lieber dubiose Umfragen verbreiten, dass eh alles bestens wäre. Und von der Weltfremdheit der neuen Unterrichtsministerin wollen wir gar nicht reden, die ist mindestens genauso groß wie bei der Vorgängerin.

PS: In der EU sind seit Mitternacht nicht nur die genannten Übergangsbestimmungen ausgelaufen. Die EU ist gleichzeitig auch um mehr als 180.000 Menschen größer geworden. Um einem dringenden europäischen Bedürfnis abzuhelfen, hat Frankreich die Insel Mayotte zwischen Ostafrika und Madagaskar zu einem offiziellen Teil der Europäischen Union gemacht. Natürlich ohne die anderen Mitgliedsstaaten zu fragen. Das bringt den Einwohnern viel Geld aus Europa, für das übrigens der Kommissar Johannes Hahn zu sorgen hat. Von den Einwohnern sind übrigens rund die Hälfte Moslems . . .

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Der Zerfall einer Union drucken

Während die Europäische Union von Duschköpfen bis Glühbirnen ständig immer mehr unser Leben überreguliert, während sie in der Schuldenkrise die eigene Verfassung eiskalt bricht (No Bailout, Maastricht-Kriterien), versagt sie in einem anderen Bereich völlig: beim Binnenmarkt. Dabei ist sie gerade für den geschaffen worden. Hier wäre sie absolut unverzichtbar. Aber weder Kommission noch Parlament kümmern sich darum, dass die vier Freiheiten dieses Binnenmarkts heftig erodieren.

Der Zerfallsprozess begann mit der Dienstleistungsrichtlinie. Diese hat als schwacher Kompromiss unter Druck der Gewerkschaften eben nicht das einst versprochene Ziel hergestellt, nämlich die volle Freiheit für Dienstleistungen.

Auch die Personenfreizügigkeit ist bedroht. Es gibt immer mehr Sozialtourismus und viel zu wenig Arbeitskräftemobilität. Während erstaunlich wenige arbeitslose Südeuropäer in Deutschland oder Österreich Jobs suchen, wollen dort immer mehr EU-Bürger vom Balkan vom üppigen Sozialstaat profitieren. Wer daheim oft nur Pensionen von knapp über 100 Euro hat, der bekommt (als Ehepaar) in Österreich 1255 Euro. Vierzehn Mal. Da ist es schon einige Anstrengungen wert, den Eindruck zu erwecken, dass man jetzt hier seinen Wohnsitz hat.

Und nun geht es auch der dritten Freiheit, der des Kapitalverkehrs, an den Kragen. Bisher glaubte man diese nur durch krause Ideen einiger Extremisten bedroht. In Wahrheit aber ist sie schon längst durch die konkrete Politik von Zentralbanken unterminiert. Das trifft insbesondere die großen, in Mitteleuropa tätigen Banken.

Denn immer mehr nationale Zentralbanken unterbinden es unter politischem Druck de facto, dass Kapital von einem EU-Land in ein anderes transferiert wird. Das hat katastrophale Folgen für die kreditsuchende Wirtschaft, aber auch die Ertragskraft einer Bank. Das ist auch deshalb besonders provozierend, da die österreichischen Banken ihre Mittelosteuropa-Töchter mit eigenem Geld gekauft haben.

Beispiel: Im Land A gibt es einen massiven Einlagenüberschuss, der nicht von Kreditnehmern in Anspruch genommen wird. Im Land B hingegen gäbe es Kreditnachfrage. Diese kann aber nicht ausreichend bedient werden. Das Geld darf auf Grund des Vetos der Zentralbank von A nicht mehr transferiert werden (was ja eigentlich der einzige Zweck einer interinational tätigen Bank wäre). Keine Bank kann es sich aber erlauben, ein solches Veto zu ignorieren oder gar zu umgehen, auch wenn dessen Rechtsqualität zweifelhaft ist.

Der EU ist das wurscht. Schließlich gelten spätestens seit den Gold- und Libor-Tricksereien einiger (durchwegs!) ausländischer Banken in Öffentlichkeit und damit Politik Geldinstitute  generell als Verbrecher und Betrüger. Dass jeder seriöse Ökonom nachweisen kann, dass genau durch solche Vetos der Wohlstandsgewinn durch die EU vernichtet wird, ist Medien und Politik hingegen egal.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Es geht uns besser! Geht’s uns besser? drucken

Fast stündlich werden wir derzeit mit guten ökonomischen Meldungen überhäuft. In der Tat: Eine Reihe von Wirtschaftsindikatoren zeigt nach oben. Das ist anzuerkennen und Grund zur Freude. Das Jahr 2014 könnte tatsächlich besser werden als die letzten Jahre. Was dieses erhoffte Bessergehen aber wirklich bedeutet, vor allem, wie langfristig es halten kann, wird sofort wieder zweifelhaft, wenn man ein bisschen tiefer in die Daten geht.

Dennoch bleibt vorerst einmal ein gutes Zwischenhoch festzuhalten:

  • Weihnachten 2013 waren keineswegs Krisenweihnachten.
  • Die Umsätze des Handels legten zu.
  • Die österreichischen Wirtschaftsforscher halten für 2016 „mit Anstrengungen“ das „strukturelle Nulldefizit“ für erreichbar.
  • Die Wachstumsprognosen werden reihum noch oben korrigiert, sogar der Zweier vorne gilt dabei als möglich.
  • Europas entscheidende Ökonomie, also Deutschland, hat deutlich mehr Einnahmen im Staatshaushalt als prognostiziert.
  • Irland kann sich seit kurzem wieder auf dem Markt mit Staatskrediten versorgen; Großbritannien ist schon wieder im Wonnemodus; und auch Zypern hat sich erstaunlich rasch wieder erholt (interessant: Alle drei Länder – wozu auch das nicht-EU-Land Island zu rechnen ist – sind nicht so wie Südeuropa durch eine gesamtwirtschaftliche Strukturkrise leidend geworden, sondern wegen des Finanzsektors, der sich aber erstaunlich rasch erholt hat).
  • Der österreichische Nationalbankpräsident verkündet schon das Ende der Wirtschaftskrise.
  • Siemens ist endlich imstande, die ersten ICE-Züge auszuliefern.
  • Die USA fahren ihre Gelddruck-Aktionen ein wenig zurück, nachdem dort vor allem die eigenen Schieferöl- und Schiefergas-Vorräte die Energiekosten verbilligt haben.
  • Und was ganz besonders wichtig ist und als Bilanz mehr zählt als alles andere: Weltweit hat sich in den letzten Jahren trotz Bevölkerungswachstums die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, halbiert (was man vor allem in den kapitalistisch orientierten Drittweltländern dramatisch merkt!). Und die weltweite Lebenserwartung ist auf 70 Jahre gestiegen.

Nach mehr als fünf schlechten Jahren hat man große Sehnsucht nach solchen Daten und Informationen. Jede einzelne wird da verständlicherweise mit Freuden begrüßt.

Da fühlt man sich fast als Spielverderber, wenn man daran erinnert, dass wir in den letzten Jahren schon allzu oft Krisen-Ende-Botschaften gehört haben. Es ist aber unabdingbar, neben diese frohen Botschaften auch die viel weniger frohen zu stellen. Denn die sind genauso Faktum. Und sie sind vor allem langfristig wirksam.

  1. In allen Wachstumsanalysen und -prognosen liegt eine Weltregion immer an letzter Stelle. Das ist die EU. Mit anderen Worten: Selbst wenn es in Europa wieder ein wenig aufwärts geht, dann ziehen sämtliche anderen Kontinente dem in jeden Hinsicht alten Erdteil mit seinen vielen Fußmaroden links und rechts davon.
  2. Keine gute Nachricht ist das allzu rasche Steigen der Börsenindizes. Das klingt zwar gut, bedeutet aber eine deutliche Flucht der Menschen in für relativ sicher gehaltene Anlagen. Weil eine Beteiligung an einem Unternehmen handfest wirkt, weil man dem Bargeld immer weniger traut, weil man den Sparbüchern und den vom Staat wie ein Selbstbedienungsautomat behandelten Banken noch weniger traut, und weil man am allerwenigsten darauf baut, das der Staat nicht doch noch den von Rot und Grün geforderten Raubzug auf private „Vermögen“ beginnt.
  3. Die Inflation ist laut den offiziellen Berechnungen des Verbraucherpreises zwar niedrig geblieben, aber die Menschen in den relativ stabilen Ländern flüchten dennoch weiter in Betongeld: Die Immobilienpreise für halbwegs guten Lagen sind neuerlich binnen eines Jahres um satte zweistellige Prozentzahlen gestiegen. Freilich wird bei diesen Fluchtversuchen ignoriert, dass dieser drohende Raubzug gerade die Immobilienbesitzer mit Sicherheit als erstes treffen wird. Das zeigen etwa schon die Wiener Pläne für eine neue Infrastrukturabgabe, die nichts anderes bedeutet als ein Ausweichen der rotgrünen Steuererhöhungspläne auf die Landesebene, nachdem die Linke auf der Bundesebene damit nicht durchgedrungen ist.
  4. Österreich ist nach wie vor im Bereich des Pensionsantrittsalters fahrlässig untätig. Denn die in Aussicht gestellten Erhöhungen des „realen“ Antrittsalters werden wohl maximal zu einem Ausgleich der ständig steigenden Lebenserwartung beitragen. Jedoch nicht zu einer Reform des Systems. Für die Erhöhung des zu einer Stabilisierung einzig wirklich wirksamen gesetzlichen Antrittsalters (insgesamt oder speziell bei den Frauen) gibt es aber keinerlei Beschlüsse. Die müssten jedoch jetzt schon erfolgen, damit die auch vom Verfassungsgerichtshof verlangten langen Vorlauffristen zu laufen beginnen könnten. Daher wird die Regierung neuerlich die Jungen belasten (müssen), sobald sie merkt, dass die angepeilten Maßnahmen zu wenig greifen. Dabei liegt Österreich laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung beim Thema „Generationengerechtigkeit“ schon jetzt nur noch am blamablen 20. Platz unter 29 untersuchten Ländern.
  5. Da gehen etwa im Bereich der Gemeinde Wien trotz aller anderslautenden Versprechungen der Politik mehr Menschen denn je in Frühpension, und zwar tun sie das im Schnitt schon mit 54 Jahren. Das sind in erster Linie Kanzleibedienstete und nicht etwa Krankenschwestern und Müllmänner. Hier wie in vielen Bereichen zeigt sich, dass die angedrohten Erschwerungen der Frühpensionierungen viele Menschen schon vor Inkrafttreten dieser Erschwerungen aus dem Arbeitsleben treiben. Eine total perverse Skurrilität.
  6. Genaue Zuhörer haben es sehr wohl bemerkt: Die Pläne der österreichischen Regierung, 2016 ein Nulldefizit zu erreichen, sind durch die Beifügung des für die meisten Bürger kaum verständlichen Eigenschaftswortes „strukturell“ signifikant aufgeweicht worden. Diese Hinzufügung bedeutet, dass vor allem die gewaltigen Kosten, welche die einstige Kärntner Landesbank Hypo hinterlassen hat, nicht in die Defizitberechnung einbezogen werden. Und etliche andere Ausgaben ebenfalls nicht. Damit tut die Republik so, als ob es nicht der Steuerzahler, sondern der liebe Gott wäre, der Hypo&Co finanzieren müsste.
  7. Da sind selbst die Prognosen eines „strukturellen“ Defizits so optimistisch gestaltet, dass sie von der kleinsten schlechten Nachricht über den Haufen geworfen werden.
  8. In Österreich sind nach den Auswertungen eines gewerkschaftsnahen deutschen Wirtschaftsinstituts in der Periode seit 2008 und besonders im Vorjahr die Arbeitskosten so stark gestiegen wie in keinem anderen EU-Land. Das verringert stark die künftige Wettbewerbsfähigkeit. Und unterscheidet sich total von der Entwicklung in Österreich und Deutschland zwischen 2000 und 2008. Damals sind in diesen beiden Ländern die Lohnkosten weniger gestiegen als in jedem anderen Land. Davon konnten die beiden Länder während der letzten Jahre, also in der Krise stark profitieren. Dieser Vorsprung wird seit 2008 verspielt.
  9. Auch in Deutschland schafft die neue Koalition alles andere als Zuversicht: Dort haben alle(!) Regierungsparteien teure Ausgabenprogramme insbesondere im Pensionsbereich durchgedrückt, so als ob das echte Nulldefizit schon erreicht wäre. Das heißt mit anderen Worten: Selbst die gegenwärtige europäische Konjunkturlokomotive Deutschland wird ihre Kraft verlieren. Dazu kommen die katastrophalen Auswirkungen der Energiewende, die nach den Konsumenten die Unternehmen würgen wird.
  10. Nur sehr große Optimisten glauben, dass die Amerikaner nach dem zarten Anfang auch den eigentlich dringend notwendigen kompletten Ausstieg der Notenbank Fed aus dem gegenwärtigen gigantischen Gelddruckprogramm verkraften könnten.
  11. In zahlreichen europäischen Ländern zeigen die Konjunkturprognosen nach wie vor nach unten. Darunter sind etwa die für Österreich besonders wichtigen Balkanländer Slowenien und Kroatien. Darunter ist insbesondere auch das europäische Schwergewicht Frankreich, das sich der Intensivstation immer mehr nähert, und das allen europäischen Ökonomen weitaus am meisten Sorge macht.
  12. Italien hat zuletzt zwar etliche Reformen durchgebracht, die aber insbesondere im Pensionsbereich viel zu schwachbrüstig waren. Und schon ruft das Land nach den alten Pseudomethoden, mit denen es sich in Lira-Zeiten immer über Wasser gehalten hat: Premier Letta verlangt europaweite Anstrengungen, um den „verflucht“ hohen Euro abzuwerten.
  13. In Portugal versucht die Regierung zwar tapfer immer wieder Reformen. So hat sie zuletzt beschlossen, Straßenbeleuchtungen zu reduzieren oder ganz abzudrehen. Die Reformbeschlüsse stoßen aber gerade in diesem Land ständig auf einen unwilligen Verfassungsgerichtshof, der regelmäßig Sparbeschlüsse kippt. Zuletzt tat er das etwa bei einem Gesetz, das die privilegierten öffentlichen Pensionen den privaten angleichen sollte (eine Regelung, die Österreich schon vor etlichen Jahren beschlossen hatte, was jetzt langsam Früchte einbringt).
  14. In Europa ist letztlich die deutsche Bundeskanzlerin ziemlich alleine geblieben, als sie verlangt hatte, dass zumindest für die Euro-Staaten eine strengere Finanzdisziplin künftig zur durchsetzbaren Pflicht werden soll.

Das alles waren jetzt nur die rein ökonomischen Fakten. Die werden in Europa durch die demographische Katastrophe, und speziell in Österreich durch die enormen Kosten der unproduktiven Arbeitsaufteilung zwischen Bund und Ländern, durch die Kuschelbildungspolitik der Unterrichtsministerin (mit den obersten Zielen: kein Durchfallen, keine Nachhilfe, keine Hausübungen) und durch die Massenzuwanderung von leistungsfernen Gruppen ins Wohlfahrtssystem zusätzlich weiter verschlechtert.

Daher ist es zwar durchaus legitim, sich an den kurzfristig positiven Ausblicken auf 2014 zu erfreuen. Es ist aber fatal, dass die österreichische, die deutsche, die europäische Politik all die negativen Signale gleich wieder zu ignorieren versucht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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David Cameron hat recht drucken

EU-Kommissare haben jedes Recht auf ihre Meinung. Sie können daher auch Mitgliedsstaaten das Verlassen der Union nahelegen. Warum auch sollte die Meinungsfreiheit nicht ebenso für Kommissare wie für alle anderen Europäer gelten? Nur sollten die Kommissare schon wissen: Sehr schlau ist es nicht, Großbritannien, also einem der größten EU-Länder, solche Vorschläge zu machen. Vor allem nicht wegen eines britischen Verlangens, das weit über die Insel hinaus populär ist. Und sie sollten es dann schon gar nicht tun, wenn der britische Premier mit seinen Forderungen eigentlich das wirklich Bewahrenswerte an Europa, also den Binnenmarkt, vor der in seinem Land, aber auch in ganz Westeuropa massiv aufbrandenden Anti-EU-Stimmung retten will.

Und am allerwenigsten sollten sie es dann tun, wenn dadurch eine schon in Gang befindliche EU-Austrittsbewegung noch mehr angefacht wird. Wenn es durch solche Äußerungen wirklich zum Zerfall der Union kommen wird, dann sind solche Hinausschmeiß-Kommissare und nicht etwa David Cameron hauptschuld daran.

Was will Cameron so Schreckliches, dass ihn die (ja schon oft durch ihren Linkspopulismus aufgefallenen) Kommissare Laszlo Andor und Viviane Reding zum Austritt auffordern? Dass sie Großbritannien als das „hässliche Land“ in der EU bezeichnen?

Cameron will erstens Zuwanderern aus anderen EU-Ländern während der ersten drei Monate in Großbritannien keine Arbeitslosenunterstützung mehr zahlen. Er will zweitens Obdachlose, die nur zum Betteln in sein Land gekommen sind, wieder verabschieden.

Wegen dieser Vorschläge sehen also die Luxemburgerin Reding und der Ungar Andor die „Freizügigkeit“ in Europa bedroht. Als ob irgendein EU-Gründer einst mit der Schaffung der Personenfreizügigkeit solche Auswüchse im Sinn gehabt hätte. Als ob es zu rechtfertigen wäre, dass man in ein anderes Land übersiedelt, um dort gleich Arbeitslosenunterstützung zu kassieren (die dort viel höher ist als daheim). Als ob die Freizügigkeit nicht für Arbeitnehmer und Unternehmer, sondern für Bettler und Obdachlose erfunden worden wäre.

Diese Attacke auf den derzeit fast einzigen handlungswilligen EU-Regierungschef kommt wohlgemerkt von der gleichen Kommission, die bisher peinlich herumgestottert hat, wenn Deutschland eine Ausländer-Maut auf Autobahnen einführt. Die schweigt, wenn Bulgariens Regierung offen und mit erpresserischen Methoden die Strafjustiz einsetzt, um Abgeordnete zu ihrer Unterstützung zu motivieren. Die schweigt, wenn auf dem Balkan teure Bus-Tickets mit dem erklärten Reiseziel österreichischer Asyl- und Wohlfahrts-Einrichtungen verkauft werden, wo die Insassen dann abgeladen werden. Die schweigt, wenn Frankreich mit Expresstempo auf den ökonomischen Crash zusteuert, der dann unweigerlich auch alle Euro-Haftungs- und Stützungsmechanismen zum Zusammenbruch bringen wird, die bei einem so großen Land wie Frankreich endgültig überfordert wären.

Durch diese Anti-Cameron-Äußerungen treibt die Kommission nicht nur den EU-kritischen Listen vor der Europawahl neue Millionen zu. Sie macht auch allen anderen Europäern zu deren Frust klar: Die Freizügigkeit habe Bettlern und Sozialtouristen zu dienen und die Wünsche der Bürger seien egal.

Das mag formaljuristisch schon in mancher Hinsicht richtig sein. Und jene Mitgliedsländer, die solcherart einige Bettler und Sozialleistungsbezieher exportieren wollen, werden sogar froh darüber sein. Aber genau solche Botschaften werden Europa ruinieren. Ist doch jetzt schon der Glaube an die EU bei allen Umfragen rapide geschmolzen.

Auf Dauer ist es noch nie geglückt, grob am Willen der Menschen vorbei Politik zu machen. In der Mehrheit der Länder lehnt die Mehrheit der Bürger jedoch solchen Sozialtourismus massiv ab. Mit einem Austritt Großbritanniens wird der Zerfall der EU zugleich irreversibel. Auf der britischen Inseln ist aber schon ein demokratischer Prozess Richtung Austritt in unaufhaltsamem Gang. Dieser kann nur noch gestoppt werden, wenn die EU gravierende Kurskorrekturen in der von Cameron angesteuerten Richtung vornimmt.

Es ist daher nicht nur unverständlich, sondern geradezu tragisch, dass das in der EU-Kommission nicht begriffen wird. Dass Retter Europas zu deren Feinden erklärt werden.

Manche werden nun entgegenhalten, es seien ja ohnedies nur ein ungarischer Kommissar (aus Ungarns einstiger linker Periode) und dessen Luxemburger Kollegin gewesen, die sich so geäußert haben. Das ändert aber nichts daran, dass ihnen kein anderer Kommissar entgegengetreten ist. Wer schweigt, stimmt zu. Das gilt hier noch mehr als anderswo.

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Ein peinlicher Start für Spindelegger – und jetzt auch noch die Hypo drucken

Der neue Finanzminister hat in den ersten Tagen bewiesen, dass er sich mit dem Ressortwechsel nichts Gutes angetan hat. Er hat sich gleich mehrfach ordentlich blamiert. Und jetzt droht mit der Hypo die nächste Katastrophe – aus der sich Michael Spindelegger wohl nicht retten wird können.

Selbst die nicht gerade linke FAZ amüsiert sich schon über den ÖVP-Chef. Hat er doch im Fernsehen behauptet, dass er Österreich das Triple-A zurückgebracht habe. Davon weiß freilich außer ihm niemand etwas, auch wenn es im ORF unerwidert geblieben ist (Der ORF ist halt bei Interviews oft völlig blank, wenn etwas Unerwartetes gesagt wird; aber der Staatsfunk ist heute nicht das Thema).

Es geht um Spindelegger. Der Mann verzettelt sich so, dass er derzeit reihum bei allen wichtigen europäischen Terminen fehlt. Offenbar muss er vor Ort bleiben, weil ihm die ob seiner Personalentscheidungen konsternierte Partei auseinanderzubrechen droht.

Er fehlte nicht nur beim entscheidenden Treffen der europäischen Finanzminister, bei dem nach jahrelangem Ringen die europäische Bankenunion beschlossen wurde (ein Projekt von historischer Bedeutung – und historischer Gefahr). Er fehlte auch beim Treffen der Europäischen Volkspartei, wo es immerhin um deren Spitzenkandidaten für die EU-Wahl gegangen ist. Und bei dem Angela Merkel sehr wohl dabei war, obwohl auch sie so wie Spindelegger gerade erst neu angelobt worden ist – mit einem neuen heiklen Partner. Sehr zum Unterschied von Österreich, wo ja die alten beiden weiterregieren.

Noch peinlicher sind die seltsamen Kommentare, die der Finanzminister nun zu der erwähnten Bankenunion abgibt: „Damit werden künftig die Kosten für die Beseitigung von Bankenproblemen nicht mehr auf die Steuerzahler abgewälzt, sondern auf die Eigentümer.“ So Spindeleggers O-Ton – der aber ein völliger Unsinn ist.

Gewiss: Auch zahlreiche Sozialdemokraten und ORF-Redakteure haben ähnliche Blödheiten abgesondert. Aber jemand, der Finanzminister werden wollte, sollte es eigentlich besser wissen. Denn selbstverständlich sind bei allen „Bankenrettungen“ immer die Eigentümer als erste skalpiert worden. Denen ist nichts geblieben. Es sei denn, man hält den einen Euro, den die Bayern als symbolischen Kaufpreis von Österreich für die Hypo Alpe-Adria bekommen haben, für relevant.

Auch für die zweite verstaatlichte Bank, die Kommunalkredit, ist natürlich ebenfalls kein Kaufpreis bezahlt worden. Bei den Bankenrettungen ist es immer schon nur um das Geld der Einleger gegangen, noch nie um das der Eigentümer. Die waren immer als erste ihr Eigentum entschädigungslos los. Auch die Vorstände waren durch die Bank sofort draußen. Nur in der Rhetorik von Populisten aller Art werden ständig Bankeigentümer oder Vorstände gerettet.

Es geht immer nur um die Einleger. Bei deren Rettung kann es aber leider nicht nur um die relativ kleinen – also etwa bis 100.000 Euro – gehen, sondern es muss in vielen Fällen auch um die großen gehen. Denn keine Regierung der Welt kann es verantworten, dass Tausende gesunde Unternehmen bankrott gehen, nur weil ihr auf der Bank liegendes Geld über Nacht weg ist. Denn dann wären bei großen Banken auch Hunderttausende Jobs weg. Das alles sollten Spindelegger und Faymann endlich begreifen.

Jetzt haben sie beide – aber vor allem natürlich der Finanzminister – die Hypo am Hals. Da ist der Vergleich mit einem Mühlstein noch viel zu harmlos. Die Hypo ist weit gefährlicher als Spindeleggers bisherige Hoppalas. Bei der Hypo geht es um weit mehr Geld als bei allem, was im Koalitionsabkommen steht. Die Regierung und insbesondere der neue Finanzminister müssen aber nun in den nächsten Wochen Entscheidungen treffen, die eigentlich schon zu Zeiten von Josef Pröll getroffen werden sollten.

Spindelegger und Faymann werden sich dabei jedoch nach allen Anzeichen nicht für den einzigen richtigen Weg entscheiden, nämlich für eine Insolvenz der Hypo. Natürlich müsste Österreich auch in diesem Fall nicht nur die kleinen, sondern auch alle arbeitsplatzwichtigen großen Einleger retten. Nur so kann eine zerstörerische Kettenreaktion vermieden werden. Österreich müsste auch für einen Fortbetrieb der notwendigen Abläufe in Kärnten einspringen. Denn Kärnten geht ja fast automatisch mit der Hypo in die Zahlungsunfähigkeit.

Hingegen würden durch diese Insolvenz die dort noch immer üblichen Geldverbrennungsaktionen endlich gestoppt. Und vor allem: Österreich würde sich nur durch eine Insolvenz der Hypo rund drei Milliarden Euro ersparen, die Bayern noch immer für einen der Bank gegebenen Kredit zurückhaben will (obwohl das Land Bayern einer der Hauptschuldigen am Crash ist). Dieser Kredit aber wäre bei einer Insolvenz endgültig verloren.

Die Insolvenz würde also in Sachen Bayern und Kärnten dem österreichischen Steuerzahler viel ersparen. Ansonsten müsste er im Wesentlichen auch all das zahlen, was bei den anderen diskutierten Lösungen fällig wird. Daran ändert auch die Anti-Insolvenz-Kampagne nichts, die die Nationalbank jetzt offenbar im Auftrag der SPÖ fährt.

Die Insolvenz wäre gewiss ein nationaler wie internationaler Schock. Aber sie wäre ein kurzfristiger und heilsamer Schock. Und sie wäre für uns eindeutig die billigste Lösung.

Genau diese (nun von vielen Experten laut oder zumindest leise empfohlene) Insolvenz der Hypo ist übrigens schon vor mehr als vier Jahren hier an dieser Stelle empfohlen worden. Damals waren Finanzprokuratur und fast alle Medien freilich noch strikt dagegen, die heute ebenfalls, so wie internationale Gutachter, die Insolvenz empfehlen. Ausnahmsweise – auch wenn es ein wenig eitel anmuten mag – darf ich mich einmal selber zitieren, und zwar eine Tagebuch-Eintragung vom 30. November 2009 über die dann Tage darauf leider von der Republik übernommene Hypo:

„Für solche Fälle hat die Rechtsordnung an sich ein bewährtes und klares Institut: ein Insolvenzverfahren. Das wäre genauso wie im deutschen Fall Opel die einzig logische Konsequenz. Nur so werden künftig Firmen davon abgehalten, ähnlich riskant zu operieren (und Politiker, sich in die Wirtschaft einzumischen). Eine solche Insolvenz wäre im übrigen auch bei der Kommunalkredit eindeutig richtig gewesen.“

Aber Spindelegger und Faymann wagen wohl auch heute nicht das, was Pröll und Faymann schon 2009 nicht gewagt haben. Obwohl es eindeutig der relativ beste Ausweg aus einer katastrophalen Situation war und ist.

Womit wir wieder zurück bei Spindelegger sind. Er hat sich aus nur ihm bekannten Gründen das Finanzministerium angetan. Und daher wird die Schuld jetzt auch primär an ihm hängen bleiben. Selbst wenn er sich in den nächsten Tagen so weit einarbeiten sollte, um zu erkennen, dass die Insolvenz das Beste ist, wird er das niemals gegen seinen sozialdemokratischen Regierungspartner durchbringen. Und auf offene Konfrontation wird er keinesfalls gehen. Dazu hat sich Spindelegger in den letzten Tagen viel zu sehr an die SPÖ gebunden.

Und Faymann selber ist schon gar nicht der Mann klarer Entscheidungen. Ganz abgesehen von seinen Ratgebern, die außer immer-noch-mehr-Schulden-machen schon lange kein Rezept mehr kennen.

Daher hört man in der ÖVP schon hinter vorgehaltener Hand das intrigante Raunen: „Jetzt müssen wir uns halt wieder einen neuen Parteiobmann suchen.“ Spindeleggers einziges Glück im selbstverschuldeten Unglück: Es gibt weit und breit keinen, der überhaupt noch an diesem Himmelfahrtskommando interessiert wäre. Außer Reinhold Mitterlehner. Aber den wollen sich nicht einmal die verzweifelsten Rauner als ÖVP-Obmann antun.

Dabei stand Spindelegger nach der Wahl noch sehr gut da. Waren seine Stimmverluste doch deutlich geringer als erwartet. Und hat doch die SPÖ deutlich mehr verloren. Zwar haben ihn ORF und Krone am Wahltag zum Hauptverlierer stempeln wollen, nur um von dem Dämpfer für Faymann abzulenken. Aber das war leicht durchschaubar und daher wirkungslos. Spindelegger stand relativ stark da. Jetzt aber hat er sich binnen 14 Tagen höchstwahrscheinlich selbst gekillt. Erstaunlich.

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Wie viele absolut Arme gibt es in Europa? drucken

Anteil der "erheblich materiell deprivierten" ausgewählter EU-Staaten 2011 in Prozent

 

Erheblich materiell depriviert sind Personen, die vier von neun von der EU ausgewählte Merkmale aufweisen, wie etwa:

  • Können sich kein
    • Auto
    • Telefon
    • Waschmaschine leisten
  • Können nicht regelmäßig auf Urlaub fahren
  • Können nicht Fisch und Fleisch essen
  • Können keine unerwarteten Ausgaben von 950 Euro tätigen

Dieser Wert sinkt in Österreich seit 20 Jahren stetig.

Lediglich durch von der Statistik Austria festgelegte nationale Indikatoren – wie etwa über 25 Prozent des Einkommens als Ausgabe für Miete oder Kreditraten – steigt der Anteil der Armutsgefährdeten in Österreich.

Quelle: Michael Hörl: Factsheet "Armut in Österreich"

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FN 539: Die Genossen drehen und wenden die Fakten, wie sie es brauchen drucken

Das zeigen wieder zwei Äußerungen sozialistischer Spitzen-„Ökonomen“ im Abstand weniger Tage. Hier der SPÖ-Nationalbankpräsident Ewald Nowotny, dort Jacques Attali, einer der einflussreichsten Wirtschaftsexperten Frankreichs und Berater von Präsident Hollande.

Nowotny, ganz „zufällig“ ausgerechnet in der Endphase der Koalitionsverhandlungen, wo die ÖVP mit dem Versuch gescheitert ist, Nowotnys Genossen zu den notwendigen Reformen zu bewegen: „Die Rezession in der Eurozone ist zu Ende.“ Attali hingegen: „Wir sind noch weit von einem Ende der internationalen Wirtschaftskrise entfernt. Ich glaube sogar, sie wird sich wieder zuspitzen, zu schlecht ist der Zustand der amerikanischen und europäischen Wirtschaft.“ Da erübrigt sich jeder Kommentar. Außer dass alle Welt Attali glaubt und nicht Nowotny. Reformverweigerer sind die Sozialisten jedoch genauso in Frankreich wie in Österreich.

 

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Selbst die EU ist noch nicht ganz verloren drucken

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten, selbst aus der EU, selbst von der heimischen Asylpolitik. Darob wollen wir heute die schlechten aus Europa (fast) ganz vergessen.

Die erste gute Nachricht: Das EU-Parlament hat nun schon zum zweiten Mal – wenn auch mit äußerst knapper Mehrheit – den Vorstoß der linken Volksfront abgelehnt, europaweit die Abtreibung einzuzementieren. Es waren die christdemokratischen Abgeordneten, also in unserer Diktion die „Schwarzen“, und es waren die in diverse Fraktionen zerstreuten rechtskonservativ-nationalen Abgeordneten, also auf österreichisch primär die „Blauen“, die diese Mehrheit zusammengebracht haben.

Das zeigt, wie wichtig es ist, selbst bei großer kritischer Distanz zur EU jedenfalls an Wahlen teilzunehmen – auch an europäischen, und auch wenn man an der Urne nur das jeweils kleinste Übel wählen kann. Nur so kann man Dinge beeinflussen.

Diese Notwendigkeit wird umso größer, wenn man die hetzenden Vokabel der Grünen Ulrike Lunacek nach der Niederlage der Linken hört: In ihrer Sichtweise sind die anderen, also die Abgeordneten der Parlamentsmehrheit, durchwegs „ultrakonservativ und reaktionär“. Und die sozialistische Antragseinbringerin Estrela sprach gar von „Schande“ und „Heuchelei“.

Linke Schimpf- und Hass-Diktion halt. Die ist ja bekanntlich für Rotgrün völlig normal, wenn sie einmal bei einer Abstimmung unterliegen. Welche Worte einem freilich für die Frau Lunacek und die Frau Estrela in den Sinn kommen, kann man hingegen gar nicht explizit schreiben. Denn sonst schicken einem die linken Häscher ja am Ende den Staatsanwalt an den Hals. Festzuhalten ist, dass jene Fraktion, der die Neos zugehören (wollen), neuerlich fast geschlossen mit Rotgrün mitmarschiert ist. Es wächst halt doch zusammen, was zusammengehört.

Die zweite gute Nachricht: Österreich hat gewagt, im EU-Finanzministerrat zusammen mit Luxemburg neuerlich die sogenannte Zinsbesteuerungsrichtlinie abzulehnen. Damit ist vorerst der Rest des Bankgeheimnisses gerettet, das ja bei dem mit dieser Richtlinie verbundenen automatischen Informationsaustausch zwischen den EU-Ländern endgültig Vergangenheit wäre.

Tatsache ist ja, dass die EU noch immer nicht die von Österreich als Vorbedingung für diese Richtlinie verlangten Vereinbarungen mit Steuerparadiesen in Drittländern getroffen hat. Tatsache ist auch, dass ein solcher Informationsaustausch – an Stelle von Pauschalzahlungen – eine gewaltige bürokratische Lawine auslösen würde. Trotzdem versuchen die anderen Länder immer wieder, diesen Richtlinienentwurf einzubringen.

Jedenfalls aber freut, dass sich Österreich doch traut, hartnäckig Nein zu sagen. Finanzministerin Fekter (die freilich diesmal wegen der Wiener Koalitionsverhandlungen gar nicht anwesend war) muss ja in dieser Frage seit Jahr und Tag geradezu imperialistischem Druck der großen EU-Länder standhalten. So formulierte etwa – ausgerechnet! – der italienische Wirtschaftsminister in hochmütigem Ton gegenüber den beiden Kleinen: „Wir vergeuden hier Zeit in Europa.“ Dabei weiß ganz Europa, dass in Wahrheit mit Italien selbst die meiste Zeit „vergeudet“ wird. Schafft das Land es doch seit Jahrzehnten nicht, seine Dinge in Ordnung zu bringen.

Und die dritte gute Nachricht: Acht der Votivkirchenbesetzer sind jetzt wegen Schlepperei in Untersuchungshaft gekommen. Dabei hatte man ja schon lange geglaubt, dass diese von Kommunisten und Caritas unterstützten Typen nicht nur die Kirche, sondern auch die Republik ungestraft und dauerhaft verhöhnen dürfen. Auf Kosten von Kirchenbeitrags- und Steuerzahlern.

Bei der Republik hat das offenbar doch Grenzen. Irgendwem ist dort nun doch aufgefallen, dass die Votivkirchen-Pakistanis reihenweise den selben Namen und das selbe Geburtsdatum haben (die Pässe werden ja auf Ratschlag der „Flüchtlings“-Helfer in aller Regel rechtzeitig weggeschmissen). Genauer gesagt: Das ist nicht „irgendwem“ aufgefallen, sondern ganz konkret der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt. Diese hatte es geschafft, die Zuständigkeit an sich zu ziehen. In Wien hingegen wäre das ja vermutlich noch auf zehn Jahre niemandem aufgefallen. Ganz zufällig natürlich.

Hinter drei so guten Nachrichten müssen heute die weniger guten zurücktreten (und die Trauernachrichten von den rot-schwarzen Koalitionsrunden erst recht, die vorerst aber nur den Charakter diffuser, fast stündlich wechselnder Gerüchte haben).

Eine der schlechten Nachrichten dringt ebenfalls aus dem EU-Parlament, und zwar aus dessen Innenausschuss. Dort wurde unter sozialistischer Führung eine lange Forderungsliste beschlossen, wobei alle Punkte auf das Gleiche hinauslaufen: Man will die Migration (in linker Diktion: die „Flucht“) Richtung EU deutlich erleichtern. Aber ein Ausschuss ist eben ein Ausschuss und seine Beschlüsse sind noch nicht Recht. Daher warten wir einmal ab.

Die zweite schlechte Nachricht hat einen serbischen Politiker als Quelle. Der Vertreter einer Belgrader Regierungspartei(!) hat geglaubt, mit einem geschmacklosen Foto Deutschland unter Druck setzen zu können. Dieses solle Serbien den Weg in die EU öffnen. Mit diesem Verlangen schickte der Mann Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Aufnahme einer deutschen Fliegerbombe aus dem Weltkrieg. Tiefer gehts nimmer.

Wenn Serbiens Regierung auf diesem Niveau angekommen ist, sollte man ihr im Gegenzug vielleicht ein Foto der durchlöcherten Uniformjacke von Franz Ferdinand schicken. Mit dieser hat ja bekanntlich etliches angefangen, was man in Serbien mehr verdrängt als in Deutschland den Weltkrieg . . .

 

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Mit Karas in die honorige Niederlage drucken

Es war seit Wochen zu erwarten gewesen. Michael Spindelegger hatte sich mit Othmar Karas ausgesöhnt. Daher ist der jetzt halt EU-Spitzenkandidat geworden. (mit nachträglicher Ergänzung)

Nun, das ist natürlich Sache der ÖVP. Man hörte auch weit und breit nichts von interessanten Alternativen. Hatten die Parteien doch schon fürs Wiener Parlament oder (allem Anschein nach) auch für Ministerämter keine interessanten Persönlichkeiten gefunden. Noch weniger Interesse herrscht da an dem wenig attraktiven Pendelleben eines EU-Abgeordneten zwischen Wien, Strassburg, Brüssel und des öfteren auch Luxemburg. Und aktive Suche nach solchen Kandidaten wird sowieso keine betrieben, halten sich doch selbst bei schrumpfenden Parteien immer noch sehr viele für auserwählt.

Und ja, fast hätt ich es vergessen: Karas ist ein braver Mann.

Klar muss den Schwarzen freilich auch sein: Mit dieser Entscheidung wird die unvermeidliche Wahlniederlage noch deutlicher werden. Denn die Partei steht nicht nur im Negativsog der rot-schwarzen Handlungsunfähigkeit. Die Partei wird auch nicht mehr von dem (eigentlich gar nicht geplant gewesenen) Effekt eines emotionalisierenden Duells Strasser vs. Karas, also Pröll/Raiffeisen vs. CV profitieren können, wie bei der letzten EU-Wahl.

Vor allem aber hat sie sich mit Karas jetzt für einen hemmungslosen EU-Fanatiker entschieden. Karas war in den letzten Jahren ständig auf Seite jener, die immer noch mehr Macht, noch mehr Geld für die EU verlangt haben. Und das ist halt, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade das, wofür sich die Österreicher derzeit in langen Kolonnen begeistern können.

An der Anti-EU-Stimmung wird auch die erwartbare proeuropäische Gehirnwäsche im nächsten Halbjahr nichts ändern können, obwohl die EU-Propaganda aus allen Medien dröhnen wird. Dazu hat die EU durch maßlose Überregulierung, Political-Correctness-Diktate und vor allem die schweren Fehler in der Schulden- und Eurokrise viel zu viele katastrophale Ärgernisse gesetzt. Unter tatkräftiger Mitwirkung von Othmar Karas. Der sich in Deutschland schon abzeichnende große Erfolg der „Alternative“ wird daher zweifellos auch in Österreich stattfinden. Aber das alles ist ja Sache der ÖVP.

Nachträgliche Ergänzung: Ach ja, fast hätt ich es vergessen: Die ÖVP hat auch gleich einen neuen Generalsekretär. Nach dem schwachen Tiroler Rauch ist Michael Spindelegger damit jetzt sogar schon auf die Kategorie seines eigenen Ministerkabinetts abgesunken. Da muss bereits allerhöchster Belagerungszustand herrschen, wenn man sich so einigelt.

Der neue Mann – irgendwann wird man sich auch seinen Namen merken – hat wohl nur zwei Vorteile: Er wird erstens seinem Parteiobmann in keiner Weise gefährlich werden können (was ja in der ÖVP-Geschichte des öfteren der Fall war). Er kann zweitens, wie es schon bei seinem Protektor Sebastian Kurz einst der Fall gewesen war, niemanden negativ überraschen. Freilich sollte niemand glauben, dass die fehlenden Erwartungen an den neuen Generalsekretär automatisch die Wahrscheinlichkeit auf eine positive Wende erhöhen. Nur weil das dann bei Kurz passiert ist.

In Wahrheit bräuchte die ÖVP heute, wenn sie doch noch überleben will, einen wirklichen Dompteur, jemanden, der den auseinandergefallenen Laden noch einmal mit starker Hand zusammenpicken könnte. Falls das angesichts des heute in den Landeshauptmann-Sesseln dominierenden Hinterwäldlertums überhaupt noch möglich sein sollte.

Aber etwas Positives kann man – bei einigem Bemühen – dem neuen Mann doch abgewinnen: Er hat mit Philosophie und Wirtschaft etwas halbwegs Ordentliches studiert und wenigstens nicht Publizistik oder Politologie.

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Iran, die Atombombe und eine vage Hoffnung drucken

Die Wahrheit werden wir wohl erst in ferner Zukunft wissen: Hat der Westen wirklich erreicht, dass der Iran dauerhaft auf die nukleare Bewaffnung verzichtet? Oder haben sich die Iraner in den letzten Wochen durch geschicktes Taktieren erst recht den Weg dorthin eröffnet? Selbst heute sind noch viele Details rund um den Deal der Großmächte mit dem Iran unklar. Aber selbst diese Details können nicht die wahren Intentionen Teherans offenlegen.

Am klarsten und aufschlussreichsten ist die Beobachtung, wer NICHT am Verhandlungstisch gesessen ist: Israel, Saudiarabien und die EU.

Das Fehlen der EU wurde nicht einmal bemerkt, geschweige denn bedauert. Dabei reden EU-Politiker ständig davon, dass man eine 500-Millionen-Union geschaffen habe, die nun ebenbürtig mit den ganz Großen dieser Welt wäre. Dabei hat die EU heute schon zwei Präsidenten, eine eigene Außenministerin und Tausende eigene Diplomaten. Aber wenn es wirklich ans Eingemachte geht, gibt es diese EU nicht. Nicht einmal am Katzentisch.

Statt der EU wird Deutschland wichtiger

Am Verhandlungstisch mit Iran sowie den USA, Russland und China saßen hingegen die EU-Länder Frankreich (das sich dort zum Unterschied von seinem wirtschaftspolitischen Kollaps außenpolitisch positiv profilieren konnte), Großbritannien und Deutschland. Dieses ist als einziger der Gesprächspartner Teherans kein ständiges Sicherheitsratsmitglied. Berlin ist gerade durch die Teilnahme an den Iran-Gesprächen zum Unterschied eben von der EU der endgültige Aufstieg in den Kreis der Großen dieser Welt geglückt.

Auch Israel und Saudiarabien sind keine Sicherheitsratsmitglieder. Und sie sind für den Nahostfrieden noch viel wichtiger. Aber wenn man sie beigezogen hätte, hätte es dieses Abkommen nicht gegeben. Dann wären viel schärfere Bedingungen gestellt worden. Ja, dann hätte Iran wohl nicht einmal verhandelt.

Beide Staaten fühlen sich aber durch die Perspektive einer iranischen Atomwaffe existenziell bedroht. Israel hat schon längst eine solche Waffe, wenn auch nie offiziell zugegeben. Und Saudiarabien hat nach etlichen Anzeichen aus Angst vor Iran mit ihrer Beschaffung begonnen. Was Israel interessanterweise viel weniger zu stören scheint.

Die Saudis sind (zusammen mit den kleinen, aber reichen Scheichtümern) der große Rivale Irans am Golf. Sie sind die finanzstarke Schutzmacht der Sunniten, die ja mit den von Teheran unterstützten Schiiten in vielen Staaten des Nahen Ostens, insbesondere Syrien, Irak und Libanon, in blutige Kämpfe verstrickt sind. Werden sie den – vor allem amerikanischen – Zusicherungen trauen, dass man Irans Ambitionen jetzt gestoppt habe? Wohl eher nicht, auch wenn die Saudis viel ruhiger reagieren als Israel, das empört und besorgt aufschreit.

Was bewirkt globaler Druck?

Die Vergangenheit ist zwar leichter zu analysieren als die Zukunft. Aber auch die gibt keine eindeutige Antwort, ob die israelischen Ängste berechtigt sind. Es gibt positive wie negative Beispiele und Antworten auf die Frage, ob sich aufstrebende Mächte durch internationalen Druck von atomarer Bewaffnung abhalten lassen.

Auf der positiven Seite finden sich interessanterweise die gestürzten Diktatoren des Iraks und Libyens. Sowohl Saddam wie Gadhafi hatten eindeutig schon Massenvernichtungswaffen, aber beide hatten schon vor ihrem Sturz unter westlichem Druck darauf verzichtet. Was die Amerikaner aber im Fall Irak erst nach Saddams Sturz erfahren haben wollten.

Auf der anderen Seite hat sich Pakistan unbemerkt in den Besitz von Atomwaffen gebracht (was dann wieder Indien aktiviert hat). Noch dramatischeres Exempel ist Nordkorea. Dieses betreibt ein ähnliches Zuckerbrot-und-Peitsche-Spiel wie Iran in den letzten Jahren: verhandeln, Verhandlungen unter einem Vorwand abbrechen, lügen, schmuggeln, geheime Anlagen betreiben, Zugeständnisse gegen materielle Gegenleistungen machen, diese Zugeständnisse wieder zurückziehen.

Israel hat sicher recht: Es ist durchaus möglich, dass auch Iran dasselbe Spiel spielt wie Nordkorea. Iran erlaubt vorerst keineswegs unabhängige Inspektionen an allen unter Verdacht geratenen Plätzen. Es zerstört auch keine suspekten Anlagen.

Die iranische Bevölkerung wurde unruhig

Das Land ist aber dringend daran interessiert, wieder an seine vor allem in den USA eingefrorenen Konten heranzukommen und von Handelsrestriktionen befreit zu werden. Die wirtschaftlichen Schäden der Sanktionen sind schon enorm. Und das droht die Stimmung in Iran immer regimefeindlicher zu machen.

Extrem schwer ist freilich die Einschätzung, ob sich die iranische Führung jetzt in der sechsmonatigen Phase der Zurücknahme etlicher Sanktionen so gut mit Geld und strategischen Gütern eindecken kann, dass sie dann viel gelassener auf neuerlichen Druck zu reagieren imstande wäre. Bemerkenswerte Tatsache ist jedenfalls, dass die Wirtschaftssanktionen (an denen Österreich übrigens erst nach etlichen „freundlichen“ Hinweisen der USA mitgewirkt hat) im Gegensatz zu einer lange verbreitet gewesenen Meinung sehr wirksam gewesen sind.

Tatsache ist auch, dass Teheran es sich nicht so wie das steinzeitliche Nordkorea leisten kann, seine politischen Ziele ohne Rücksicht auf die darbende Bevölkerung zu verfolgen. Iran ist eine – auch im regionalen Vergleich mit arabischen und zentralasiatischen Nachbarn – hochentwickelte Nation. Daher hat der Terror der Revolutionsgarden und der noch im Mittelalter steckenden Mullahs viel engere Grenzen. Die Bevölkerung macht durchaus das Khamenei-Regime für die spürbare Verschlechterung ihrer Lage immer direkter verantwortlich. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Mehrheit der Menschen in Iran keine Einwände gegen eine atomare Bewaffnung ihres Landes hat.

Da geht es um nationalen Stolz – und der ist gerade in dieser Weltgegend ganz wichtig. Von den Indern bis zu den alten Griechen haben viele oft weit weg beheimatete Völker ja im Lauf der Geschichte schon einmal unerquicklichen Kontakt mit persischen Großmachtstrategien gehabt. Und diese imperiale Vergangenheit steckt heute noch in vielen iranischen Köpfen. Da bräuchte es gar nicht den kollektiven Hass auf die bösen "Zionisten".

Zumindest die Elite Irans weiß überdies auch: Im Weltkonzert sind nur atomare Mächte wirklich relevant.

Atomwaffen bringen Macht und Respekt

Das kann man etwa an Hand der Ukraine exzellent zeigen: Diese ist heute fast willenlos Erpressungen eines mächtigen Nachbarn ausgesetzt. In Washington oder Peking, in Paris oder London interessiert man sich hingegen herzlich wenig für das Land. Noch dazu da dieses von einer diktatorischen Clique der Oligarchen regiert wird.

Das war noch in den 90er Jahren ganz anders. Da wurde die damals genauso autoritäre Ukraine von allen genannten Mächten hofiert und respektiert. Aus einem einzigen Grund: In der Ukraine lagerten nach dem Zerfall der UdSSR viele Atomwaffen. Kiew zögerte zwar etliche Jahre, bis es schließlich dann doch alle an Russland überstellte. Es merkte aber sehr rasch: Nach dem Abzug der letzten Atomrakete waren viele der vorherigen Versprechungen vergessen. Und die Ukraine ein trotz ihrer Größe unbedeutendes Land.

Das haben viele Regierungen dieser Welt sehr genau registriert. Atommächte sind einfach mächtiger. Das macht die israelische Skepsis gegenüber der Ehrlichkeit Irans durchaus nachvollziehbar.

Dennoch sagen auch in Israel zumindest außerhalb der Regierung viele Experten ähnlich wie die Großmächte: Man müsse trotz berechtigter Skepsis alles versuchen. Man müsse den kleinsten Hoffnungsschimmer nutzen. Denn die Alternative wäre letztlich wohl ein Präventivkrieg. Einen solchen hat Israel durch – sehr gezielte – Leaks den Iraner auch immer wieder angedroht. Internationale Medien mit (scheinbar) unklaren Quellen haben detailliert berichtet, wie Israel den Mullahstaat durch einige überraschende Luftschläge entmannen könnte.

Mitteleuropäern, die einem Explosionsherd in Nahost geographisch viel näher liegen als die sechs Unterhändler, bleibt daher nur die Hoffnung: Dass Iran diesmal wirklich ehrlich spielt. Wissen können sie es nicht. Sie wissen nur: Nach wie vor ist für ihre Region keine Kriegsgefahr so relevant und bedrohlich wie die nahöstliche wie vor allem Israel vs. Iran.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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FN 528: Faymann, die Flugzeuge und die Asfinag drucken

Hätten wir einen Bundeskanzler, der seine Gage wert wäre, bräuchte es zweifellos nicht erst der Aufforderung vieler Salzburger Bürgermeister mit dem Sozialdemokraten Schaden an der Spitze, in Sachen Luftraumsperre in Deutschland zu intervenieren.

Denn dem Salzburger Flughafen droht der Tod, und damit einem großen Fremdenverkehrsraum großer Schaden. Freilich: Ein Mann, der so wenig internationales Standing hat wie Werner Faymann, wird sich bei Interventionen schwer tun. Überdies kann man in Verhandlungen nie mit leeren Händen eintreten. Zu Salzburg würde es im logischen Gegenzug gehören, auch über die Pickerl-Schikanen der Asfinag und der Verkehrsministerin gegen deutsche Autofahrer im Raum Kufstein zu sprechen (freilich nur, falls man nicht Angst hat, dass die Asfinag dann zuwenig Geld für Inserate hat). Über die angebliche Ausländermaut auf deutschen Autobahnen braucht Österreich hingegen nicht zu sprechen. Denn die deutschen Vorstellungen (vor allem der CSU) sind so absurd, dass die EU gar nicht anders kann, als sie zu verbieten.

PS: Ein Regierungschef und ein Außenminister, die ihr Geld wert sind, würden auch nicht schweigend die gewaltige Erhöhung der Autobahntarife in Slowenien schlucken. Vielleicht könnte man es ja einmal auch im Interesse der Österreicher nutzen, dass in Wien wie Laibach die gleiche Partei den Regierungschef stellt . . .

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Wien und Innsbruck: Zwei Städte haben zu viel Geld drucken

Durch zwei ganz verschiedene politische Aktionen haben die Bürgermeister der Bundeshauptstadt und der Tiroler Landeshauptstadt unbeabsichtigt eine unerwünschte Wahrheit zugegeben: In ihren Gemeindekassen gibt es im Gegensatz zum allgemeinen Finanznot-Gerede viel zu viel Geld.

Die Innsbrucker Bürgermeisterin Öppitz-Plörer (von einer Dissidentenliste aus dem vielschichtigen Tiroler ÖVP-Biotop) will das am Wochenende festgesetzte Burschenschafter-Treffen in ihrer Stadt im letzten Moment verhindern. Auch wenn das nicht unbedingt die Plattform ist, auf der ich meine Wochenenden verbringen würde, so ist doch klar: Es gibt keinerlei Rechtswidrigkeiten auf Seite der Burschenschafter, also keinen relevanten Grund der Absage.

Die gewohnheitsmäßige Gegendemonstration der üblichen linken Haufen kann in einem Rechtsstaat daran nicht das Geringste ändern. Das sollte auch der Bürgermeisterin klar sein. Ganz unabhängig davon, dass die Dame offenbar sehr launisch ist, wechselt sie doch alle paar Monate ihre Parteiverbindungen (sowohl in Innsbruck wie auch in Tirol). Und jetzt sitzt sie ganz auf dem Schoß der Grünen.

Oppitz-Plörer kann das Burschenschaft-Treffen jedoch nur durch einen Bruch des Vertrags der Veranstalter mit der „Congress und Messe Innsbruck GmbH“ erreichen. Die gehört zwar mehrheitlich der Stadt, aber damit in Wahrheit natürlich den Innsbruckern und nicht Oppitz-Plörer. Was die Dame offenbar vergessen hat. Freilich vergessen auch viele andere Politiker solche Zusammenhänge.

Da der beabsichtigte Bruch des Vertrags mit den Burschenschaftern eindeutig von der GmbH verursacht würde, muss diese bei einer Absage den Herrn mit den Narben im Gesicht jede Menge Schadenersatz (und eventuell auch Pönale) zahlen. Das aber zahlt nicht die Bürgermeisterin, sondern es zahlen direkt oder indirekt alle Innsbrucker.

Daraus kann man schließen: Erstens, dass Innsbruck noch immer zuviel Geld hat. Und zweitens, dass solche Geldverschwendungen wohl solange immer weitergehen werden, bis die Staatsanwaltschaft erkennt, dass solche Fälle verdammt nach Amtsmissbrauch sowie Untreue riechen. Was endlich handeln auslösen sollte. Erst dann wird den Politikern ihr populistisches Agieren ein wenig vergehen.

Die antifaschistischen Parolen sollte die Bürgermeisterin trotz all ihrer Anpassungsfähigkeit dem Gebrüll der linken Horden überlassen. Diese sind ja noch viel enger mit dem kommunistischen Totalitarismus verwandt, als es die Burschenschafter mit dem nationalsozialistischen sind. Daher gibt es keinerlei Gründe, mit den Demonstranten zu sympathisieren (außer für die Grünen, die haben ja dort ihre Wähler).

Freilich: Die Zeiten, da die Tiroler für ihr Rückgrat bekannt waren, sind ja leider schon lange vorbei.

Der zweite Bürgermeister, der um eine Verschwendung von Steuergeld kämpft, heißt Michael Häupl. Der Wiener Rathausboss erregt sich über die EU-Kommission. Diese hat nämlich schon mehrfach – bisher allerdings nur in anderen Städten – dafür gesorgt, dass der steuerlich geförderte kommunale Wohnbau nur wirklich sozial Bedürftigen zugute kommen darf.

Was ja absolut richtig und gerecht ist. Und man muss inständig hoffen, dass sich die Kommission bald auch mit der Eiterbeule der Wiener Wohnbaupolitik befasst. Es ist nicht nur ein Verstoß gegen das europäische Beihilfenverbot, sondern auch gegen den Anstand und gesunden Menschenverstand, wenn Wien gut betuchte Menschen wie etwa grüne Nationalratsabgeordnete auf Kosten der Allgemeinheit subventioniert.

Das ist zwar wohl keine Rechtswidrigkeit wie im Fall Innsbruck. Das bedeutet aber in finanzieller Hinsicht einen noch viel größeren Schaden. Das zeigt auch, dass die Existenz der EU und ihrer Binnenmarkt-Regeln durchaus sehr sinnvoll und positiv sein kann (was ja noch keine Rechtfertigung für die schweren Fehler rund um den Euro ist).

Das Gegenargument Häupls ist dürr: Dadurch gebe es eine „Durchmischung“ der Stadt. Mehr ist ihm nicht eingefallen. Das ist aber ein geradezu läppisches Argument.

  • Denn erstens ist das absolut keine ausreichende Begründung, um den Bürgern ständig mit Zwang und Gewalt höhere Abgaben und Gebühren abzuknöpfen (derentwegen ja in Wien in den letzten Jahren die Wohnbetriebskosten explodiert sind).
  • Zweitens ist das eine unerträgliche Bevormundung der Bürger, die eigentlich über ihr Geld selbst verfügen und keineswegs Protektionskindern subventionieren wollen.
  • Und drittens sehe ich weit und breit nichts von Durchmischung in dieser Stadt, obwohl hier laut Rathauspropaganda angeblich 60 Prozent in geförderten Wohnungen leben. Ein Fremder, der etwa von der Josefstadt nach Favoriten transferiert wird, käme ohne zusätzliche Aufklärung nie auf die Idee, dass er da noch immer in der selben Stadt ist. Ganz zufällig wohnen ja auch viel mehr Politiker in der kleinen Josefstadt, obwohl sie im Großbezirk Favoriten doch eigentlich zur Durchmischung beitragen könnten . . .

Wetten, dass von Oppitz-Plörer bis Häupl nichts mehr zu hören und sehen sein wird, wenn dann eines Tages nach tausendfacher Geldverschwendung dieser Art auch hierzulande die Troika das Kommando übernimmt?

 

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Die gefangene Zentralbank auf dem Weg in den Abgrund drucken

Die Europäische Zentralbank, die Herrin über den Euro, ist auf eine so schiefe Bahn geraten, dass sie auf dieser zwangsläufig immer weiter hinuntergleitet. Seit mehr als drei Jahren betreibt sie indirekt und direkt die Finanzierung der kranken Staaten. Und kann längst nicht mehr zurück. Alle offiziellen Aussagen, dass das jederzeit möglich ist, erweisen sich als leeres Gerede. Das ist in den letzten Stunden gleich zweifach klar geworden. Und zwar schockierender denn je.

Zum ersten gab es da ein Dementi von EZB-Chef Mario Draghi zu einem Bericht des „Spiegel“. Das Dementi war aber so gedrechselt, dass man als geübter Zuhörer daraus eine klare Bestätigung ablesen muss.

Der „Spiegel“ berichtet, dass Draghi die Berater des bei der EZB angesiedelten Systemrisikorates zu beeinflussen versucht hat. Diese wollen nämlich das, was die ökonomische Vernunft schon lange sagt: Dass Banken von ihnen gekaufte Staatsanleihen in gleicher Weise wie andere Kredite  behandeln muss, nämlich als Risikopapiere. Das ist spätestens seit den Vorgängen in Griechenland und Zypern (sowie nach vielen Pleiten von Nicht-Euro-Ländern) eigentlich logisch. Und jeder gesunde Menschenverstand müsste es als zwingend ansehen.

Dennoch haben die Euro-Staaten es bisher immer gezielt verhindert. Über die EZB, über die sogenannten Basel-Regulierungen. Müssten Banken bei den diversen Stresstests Staatsanleihen nämlich mit dem jeweiligen Risiko bewerten, würden erstens viele Banken-Stresstests viel negativer ausfallen. Und zweitens würden die Banken sofort viel weniger Staatsanleihen kaufen. Das wäre für die ständig Defizit machenden Staaten eine Katastrophe. Denn dann würden sie ihre Anleihen nicht mehr anbringen. Oder die Sparer würden sie ihnen nur zu viel höheren Zinsen abkaufen.

Eine unabhängige EZB würde und müsste unbedingt diese Interessen der diversen Finanzminister ignorieren und nur auf die Stabilität schauen. Wie es in Zeiten vor der EZB die deutsche Bundesbank und die österreichische Nationalbank getan haben.

Die EZB dementierte diesen Bericht. Aber sie tut das mit einem seltsamen Wortlaut: Draghi habe „keine Vorschläge abgeblockt“. Das ist ungefähr so geschraubt wie die Dementis des US-Präsidenten, dass er die deutsche Kanzlerin nicht abhöre und nicht abhören werde. Woraus – durch Barack Obama unwidersprochen – das Eingeständnis abzulesen war, dass die USA in der Vergangenheit sehr wohl Angela Merkel belauscht haben.

Draghi hat halt die EZB-Berater nicht „blockiert“ – was wäre das auch für ein unelegantes Wort für einen eleganten Italiener! –, sondern er hat sie zu einer Überarbeitung ihrer Vorschläge eingeladen. In dem Dementi steht vor allem kein Wort von dem, was eigentlich am Platz wäre: nämlich, dass Draghi für eine korrekte Risikogewichtung der Anleihen wäre.

Genau wegen dieser Bevorzugung von Staatsanleihen gibt es trotz heftiger Geldproduktion von neuen EZB-Euros heute in vielen Ländern eine schlimme Kreditklemme für die Wirtschaft. Seit 2010 ist in der Eurozone das Krteditvolumen um sechs Prozent gefallen. EZB wie Staaten beklagen diese Klemme auch lautstark. Was aber mehr als zynisch ist, da sie ja selber deren Urheber sind!

Und ausgerechnet diese EZB will jetzt zum obersten Aufseher aller großen Banken Europas werden. Dabei tritt - zusätzlich zu dieser Kreditbewertungsproblematik - ja auch noch ein weiteres Problem auf: So wie bei den Staaten ist auch bei den Banken eine Gleichbehandlung aller Institute in den 17 Euro-Ländern absolut unmöglich. Was den EZB-Job unmöglich macht.

Einer der nicht mehr bereit gewesen ist, diese betrügerischen Spiele mitzumachen, ist der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing. Womit wir beim zweiten Schock sind. Issing hat in einem offiziellen Interview mit mehreren Medien noch eine weitere gravierende EZB-Problematik klar gemacht. Das ist der diskriminierende Charakter der direkten Staatsanleihenkäufen durch die EZB.

Denn diese kauft ja nicht bei allen 17 Ländern Anleihen, etwa entsprechend dem Sozialprodukt, sondern primär bei den notleidenden. Gäbe es wirklich Deflationsgefahr, wie von manchen behauptet (Issing sieht sie übrigens nicht), dann müsste die EZB ein ausgewogenes Bündel von Anleihen aller 17 kaufen. Nur so könnte (auch laut dem Ex-Chefvolkswirt der EZB) eine Diskriminierung vermieden werden.

Was noch viel schlimmer ist: Diese Vorgangsweise des ständigen Kaufs von Anleihen kranker Staaten ist wohl vor einem Crash nicht mehr rückgängig machbar und wird immer weitergehen. Als Folge werden viele Regierungen bald im alten Trott und undiszipliniert wie einst weitermachen.

Issing wörtlich: „Ich kann mir zum Beispiel schwer vorstellen, dass die EZB sagt: Wir beharren auf einer tiefgreifenden Arbeitsmarktreform, die etwa in Italien politisch . . . gar keine Chance hat. Also ist die EZB damit Gefangener der Politik.“ Sie kann praktisch nicht mehr aus ihren Anleiheaufkaufprogrammen aussteigen. Denn: „Überlegen Sie einmal, was dann an den Märkten los wäre.“

Aber auf Leute wie Issing wird beim Weg in den Abgrund schon lange nicht mehr gehört. Warnte er doch auch heftig vor einer Bankenaufsicht durch die EZB.

PS: Die deutschen Koalitionsverhandlungen lassen befürchten, dass bald auch Deutschland so wie etwa Italien in kritische Stürme gerät. Gewiss ist da noch nichts fix. Aber dafür ist in Person des unsäglichen sozialdemokratischen Europa-Spitzenmannes Martin Schulz klar, wie man bei der neuen deutschen Regierungspartei denkt, und was uns bevorsteht: Der Mann will die "Banken rechtlich dazu verpflichten", das billige Geld anteilig an die Wirtschaft weiterzugeben. Da geht einem das Geimpfte auf: Zuerst stehen die Sozialdemokraten an der Spitze, wenn man die Banken zur Staatsfinanzierung "bewegt", und dann will man sie zwingen, die Kredite anderswo zu vergeben. Offenbar damit dann die Banken in jedem Fall prügeln und zum Schuldigen für etwas stempeln kann, woran die Politik ganz allein schuld ist.

 

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Schwarzer Hahn und rote Taktik drucken

Die SPÖ handelt klug, sich für die Verlängerung von Johannes Hahn als EU-Kommissar auszusprechen. Die Sozialdemokraten haben dieses Angebot in den letzten Tagen breit durchsickern lassen. Und sie erwecken damit den Eindruck, großzügig zu sein. In Wahrheit ist es aber sehr gute – freilich leicht durchschaubare – Taktik.

Denn erstens versuchen sie damit Druck bei der Verteilung der Ministerien aufzubauen. Sie signalisieren vor den Medien: Da müsse jetzt schon auch im Gegenzug einmal die ÖVP großzügig sein und manches akzeptieren. (Etwa eine Frau Heinisch-Hosek als Unterrichtsministerin: Womit ja Claudia Schmied durch eine inhaltlich ebenso radikale, aber politisch stärkere Person ersetzt würde. Was den Deal Pröll-Faymann, auf den der Niederösterreicher so stolz ist, total konterkarieren würde.)

Zweitens ist Hahn ein netter, immer schon großkoalitionär gesinnt gewesener Mensch. Er ist bisher in Brüssel kein einziges Mal kantig aufgefallen. Auch sonst nicht. Andere Kommissare äußern sich ständig und oft sehr eigenartig zu allem und jedem. Hahn nicht. Mit ihm riskieren die Sozialdemokraten also absolut nichts.

Drittens ist Hahn ja auch deswegen der SPÖ verpflichtet, weil diese ja einst eiskalt ihn statt des vereinbarungsgemäß von der ÖVP eigentlich nominierten Willi Molterer für Brüssel durchgesetzt hat. Da wird es auch bisher wohl schon das eine oder andere öffentlich unbemerkte Zeichen der Dankbarkeit gegeben haben.

Viertens versuchen die sozialdemokratischen Strategen mit der vorzeitigen Nennung Hahns der ÖVP den Weg abzuschneiden, einen alternativen Vorschlag zu machen, der den Schwarzen vielleicht mehr nutzen würde. So könnten sie die viel mutigere Maria Fekter nach Brüssel schicken. Michael Spindelegger will ja die von ihm aus unklaren Gründen verabscheute Fekter möglichst weit aus den Augen und aus dem Sinn haben.

Fünftens und vor allem: Damit kann die SPÖ elegant davon ablenken, dass zwei viel wichtigere europäische Positionen schon jetzt sehr links besetzt sind. Und weiter so besetzt bleiben sollen, ohne dass das zu einem politischen Geschäft wird: Das sind die beiden Richterposten in den von Monat zu Monat wichtiger werdenden supranationalen Gerichtshöfen in Luxemburg und Straßburg. Jeder von den beiden (der EU-Gerichtshof ebenso wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof) ist gesellschaftspolitisch weit relevanter und einflussreicher als die Kommission. Die Gerichtshöfe und vor allem die beiden dort tätigen österreichischen Richterinnen stehen dennoch seltsamerweise außerhalb des Scheinwerferlichts, in dem die Kommission ständig steht. Wenn auch nicht gerade Hahn selbst.

Eine sich und ihrer Wertebasis bewusste ÖVP müsste daher darauf beharren, dass zumindest eine der beiden Gerichtspositionen bei Ablauf der gegenwärtigen Periode bürgerlich besetzt wird. Selbst um den Preis einer Opferung Hahns als Kommissar.

Dasselbe müsste sie ganz parallel auch in Hinblick auf jene beiden innerösterreichischen Funktionen verlangen, die ebenfalls wichtiger sind als die meisten Ministerjobs: der ORF-Generaldirektor und der Verfassungsgerichtshof-Präsident. Einer davon müsste bei Freiwerden bürgerlich besetzt werden, wenn die ÖVP eine Koalition auf Augenhöhe erreichen will (auch der gegenwärtige VfGH-Präsident ist ja trotz seiner lange zurückliegenden bürgerlichen Wurzel seit langem ein den Sozialdemokraten treuer Diener).

Aber es wird natürlich weder das eine noch das andere geschehen. Denn angesichts des Totalverlustes juristischer wie medialer Kompetenz begreift die heutige ÖVP ja nicht mehr, dass die gestaltungsmächtigen Höchstgerichte zehnmal wichtiger sind als Ministerposten. Und selbst wenn die ÖVP das wider Erwarten doch verstehen sollte, würde sie sich diese gestaltungsstarken Funktionen um ein Linsengericht abkaufen lassen. Wirtschaftskammer oder Bauernbund haben ja sicher irgendeine Subventionsforderung liegen, die unbedingt abgetauscht werden muss . . .

 

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Den Schweizern ist das Geld wichtiger als Ressentiments drucken

Die Schweizer haben bei drei Referenden gesellschaftspolitisch spannende Entscheidungen getroffen. Sie haben mit ihrem Votum – sowie mit der davorliegenden langen Diskussionsphase, die durchaus die Meinungen noch stark geändert hat, – neuerlich gezeigt: Die direkte Demokratie ist dem Populismus und dem Kurzfristdenken repräsentativer Modelle überlegen. Besonders eindeutig und klar war ihre Entscheidung gegen die Beschränkung von Spitzengehältern. Ihre Ablehnung solcher Beschränkungen stellt indirekt auch eine donnernde Ohrfeige für eine neue dumme Äußerung von Werner Faymann und den in Österreich grassierenden Populismus von Politik und Medien dar.

Die Eidgenossen haben mit einer rund zwei Drittel ausmachenden Mehrheit das rotgrüne Verlangen abgelehnt, die Gehälter von Spitzeneinkommen mit maximal dem Zwölffachen des niedrigsten Lohnes zu limitieren. Sie haben sich damit als weit klüger erwiesen als all die Schwätzer unter Linkspolitikern, Caritas-Funktionären, ORF- und Boulevardjournalisten, die sich gerne und regelmäßig darüber zu erregen verstehen, dass manche Vorstandsmitglieder weit mehr als dieses Zwölffache verdienen. Was eine große Ungerechtigkeit wäre.

Warum lehnen die Schweizer diesen oberflächlich gerecht klingenden Vorschlag ab? Die Bezieher von Supergagen machen samt Angehörigen ja nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung aus und sind auch noch dazu oft Nichtschweizer. Daher waren sie in keiner Weise selbst abstimmungsentscheidend. Sie sind natürlich auch anderswo in keiner Weise wahlentscheidend.

Folglich glauben oberflächliche Politiker, dass bei diesen Reichen ohne Probleme etwas zu holen wäre. Etwa auf der Linie des Satzes, den der berühmte sozialistische Umverteilungsphilosoph Werner Faymann erst am Wochenende in einem Interview wieder geäußert hat: "Wenn man nicht einfach mehr Schulden machen kann, muss man dafür sorgen, dass von seiten der Vermögenden ein höherer Beitrag geleistet wird."

Im Unterschied zu Faymann haben die Schweizer aber erkannt: Wenn auch nur einer dieser Vermögenden, einer dieser Supergagenbezieher samt seiner Infrastruktur, seinem Unternehmen ins Ausland geht, ist der Schaden für Arbeitnehmer und Staatshaushalt enorm. Er ist höher als der Nutzen für den Staatshaushalt durch das Schröpfen der anderen, im Land bleibenden „Reichen“. Auch die Bezieher von Niedrigstlöhnen haben nichts davon, wenn sie als Folge der Reichenvertreibung ihren Job verlieren.

Eine Annahme der Vorlage hätte zwar Ressentiments gegen die Reichen bedient. Aber ansonsten hätte sie sowohl eine substanzielle Einschränkung der privaten Freiheit wie auch einen Schaden für die staatlichen Kassen bedeutet. Diese Zusammenhänge sind übrigens auch dann relevant, wenn man in etlichen Fällen durchaus der Meinung ist, dass bestimmte Spitzenmanager nicht das Geld wert sind, das sie bekommen.

Sparsamkeit hat auch die beiden anderen Entscheidungen der Schweizer geprägt. Diese sind allerdings mit weit geringerer Deutlichkeit erfolgt als die Ablehnung des linken Eingriffs in privat vereinbarte Gehälter.

Die Schweizer haben zugleich eine Erhöhung der Autobahnmaut aufs Zweieinhalbfache abgelehnt. Sie zahlen lieber die wachsenden Autobahnkosten über das Budget als übers Pickerl. Wohl auch deshalb, weil sie dadurch bei einzelnen Straßenbau-Entscheidungen mehr Sparsamkeit erhoffen. Das überrascht aber dennoch, denn beim Pickerl müssen ja auch viele Ausländer mitzahlen, die bei den Steuerzahlungen fürs Budget ungeschröpft bleiben.  

Das ist für Österreicher natürlich erfreulich. Es ist aber auch interessant in Hinblick auf die deutsche Diskussion. Dort versucht ja gerade die CSU ein Modell zu erfinden, in dem nur die Ausländer zahlen müssen. Was aber zumindest bei EU-Bürgern so nicht möglich ist. Und für die paar Nicht-EU-Autofahrer zahlt es sich schon gar nicht aus. Denkbar ist aber ein Modell, wo in Kompensation für eine allgemeine Mautpflicht andere deutsche Steuern gekürzt werden.

Zurück in die Schweiz: Weniger erfreulich – aber ebenfalls von alemannischer Sparsamkeit geprägt – ist eine weitere Entscheidung der Stimmbürger:Sie haben Steuerbegünstigungen für Familien abgelehent, die ihre Kinder selbst erziehen. Das hilft zwar der Eidgenossenschaft beim budgetären Sparen. Das bedeutet aber eine anhaltende Ungerechtigkeit gegenüber Familien: Daheim betreute Kleinkinder kommen die Allgemeinheit ja viel billiger als jene Kinder, wo die Allgemeinheit für Horte oder Kindergärten (mit)zahlt.

Die familiäre Betreuung ist ja – bis auf bildungsferne Randschichten – auch qualitativ die viel bessere Erziehung für kleine Kinder. Dies hat man aber offensichtlich nur in einigen katholischen Kantonen in der Innerschweiz verstanden, nicht jedoch im Rest der Schweiz, wo neuerlich das Sparen wichtiger war.

PS: Der oben zitierte Faymann-Satz lässt übrigens auch allzu deutlich anmerken, wie sich der SPÖ-Chef ärgert, dass man heute „nicht einfach mehr Schulden“ machen kann. War das doch der Inbegriff der linken Politik seit Kreisky und Androsch, einfach jeden Wunsch dadurch zu erfüllen, dass man ständig „einfach mehr Schulden“ macht. So was Blödes auch, dass das nicht mehr geht. Böse EU, böse Finanzmärkte. Dass übrigens neben immer mehr Schulden machen und Reichenvertreiben noch eine dritte Möglichkeit besteht, will er einfach nicht begreifen. Die buchstabiert sich so, damit es vielleicht einmal auch die SPÖ begreift: S – P – A – R – E – N.

 

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Immer wieder die Deutschen drucken

Sie sind und bleiben unverbesserliche Kriegstreiber! 1870/71 führen die ruchlosen Teutonen Krieg gegen Frankreich, das von einem (20 Jahre zuvor an die Macht geputschten) Friedensengel regiert wird; 1900 tönt der Kaiser anlässlich der Verabschiedung des Expeditionskorps zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China: „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“ Hunnen! 1914 stürzen die Deutschen die Alte Welt in eine katastrophale zweite Auflage des Dreißigjährigen Krieges. Kaum sind sie dafür mit Gebietsverlusten, Massenvertreibungen und Plünderungen gebührend bestraft, düpieren sie die Welt mit ihrem „Wirtschaftswunder“ (das mit den bescheidenen Marshall-Plan-Krediten übrigens wenig bis nichts zu tun hat).

Anno 2013 sind sie, zum größten Verdruss ihrer europäischen „Partner“ und ihrer transatlantischen „Freunde“, Exportweltmeister und brechen, den krausen Vorstellungen der Spitzenbürokraten der „Freunde“ zu Folge, schon wieder einen Krieg vom Zaun. Diesmal nicht mit MG42, Stuka und Sturmgeschütz, sondern mit wirtschaftlichen Mitteln. Alleinige Ursache des verheerenden Zustands, in dem sich Staatsfinanzen und Beschäftigungssituation der „Südstaaten“ befinden, ist demnach – wieder einmal – der „Deutsche Sonderweg“ (der darin besteht, zu arbeiten anstatt zu streiken). Das Säbelrasseln gehört eben einfach zur deutschen Natur…

Stand für die seriöseren unter den europäischen Staatsmännern einst die Idee von Markt und Freihandel als zukunftsträchtiges europäisches Friedensprojekt im Mittelpunkt, hat der Wind längst um 180 Grad gedreht: Für die Neobolschewiken der EU-Kommission ist Planwirtschaft Trumpf. Ganz im Sinne dieser Logik droht Olli Rehn, seines Zeichens Wirtschaftskommissar der EU, den Deutschen ein Verfahren an und will sie bestraft sehen – und zwar wegen seit Jahren zelebrierter „Exportexzesse“. Nicht etwa kollektiver mediterraner Schlendrian, Ineffizienz und Korruption stehen in der Kritik, sondern die als aufreizend empfundene (deutsche) Tüchtigkeit. Dafür könnte es am Ende sogar empfindliche Strafen setzen. Bastelstunde im Irrenhaus. Wer nach den Gründen für wachsende Politikverdrossenheit und EU-Skepsis sucht – hier wird er fündig!

Nun muss man allerdings wissen, dass Herr Rehn nicht nur Kommissar ist (was allein schon einiges darüber verrät, wes Geistes Kind er ist, denn anständige Menschen zieht es nun einmal nicht in die Politik – schon gar nicht nach Brüssel!), sondern auch Ökonom. Eine brandgefährliche Synthese! Bekanntlich wimmelte es ja auch in der selig entschlafenen UdSSR von an maßgeblichen Positionen tätigen Volkswirten. Die lichtvollen Höhen, zu denen diese die Wirtschaft ihres Landes führten, sind noch in lebhafter Erinnerung. Je mehr beamtete Ökonomen, desto mieser die Wirtschaftslage. Ein ehernes Gesetz. Euroland bildet da keine Ausnahme.

Herr Rehn stößt sich also daran, dass in der Mitte Europas tüchtig gearbeitet wird und alle Welt demzufolge auf Produkte „Made in Germany“ scharf ist. Das darf nach seiner, leider durchaus maßgeblichen, Meinung nicht sein. In der Tat exportiert die deutsche Volkswirtschaft deutlich mehr als sie importiert. Logische Folge ist ein beachtlicher Leistungsbilanzüberhang.

In einer freien Wirtschaft läuft es so: Wenn Betrieb A stärker begehrte Produkte herstellt als der mit ihm konkurrierende Betrieb B, wird letzterer Maßnahmen ergreifen (müssen), um seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Andernfalls verliert er Kunden und läuft am Ende Gefahr, Pleite zu machen.

In der Europäischen Union herrschen – nach den Vorstellungen der Zentralbürokratie – völlig andere Regeln. Hier sinnt man daher auf Mittel und Wege, dem leistungsfähigeren Wettbewerber möglichst viele Prügel vor die Füße zu werfen, um ihn wirkungsvoll daran zu hindern, zum Nutzen seiner Kunden tätig zu werden. Genau darauf laufen die Pläne des Kommissars hinaus. Deutsche Unternehmen sollen schlechter, unwirtschaftlicher und teurer arbeiten, nicht etwa alle anderen besser und kostengünstiger. Man sollte so viel Torheit nicht für möglich halten!

Der Vorwurf Herrn Rehns an deutsche Adressaten basiert offensichtlich auf einem tief verinnerlichten, planwirtschaftlichen Denken: Denn selbstverständlich sind die deutschen Exportüberschüsse keineswegs das Ergebnis einer von langer Hand geplanten Verschwörung ebenso bösartiger wie kriegslüsterner Krauts, sondern die Folge der Summe freier Entscheidungen aller Konsumenten auf den internationalen Märkten. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Binnenmarktes geben viele von ihnen deutschen Produkten einfach den Vorzug vor allen anderen. Daran ist nichts verkehrt. Ende der Durchsage. Auf welche Weise und zu welchen Kosten von deutschen Betrieben produziert wird, geht (neben Eigentümern und Mitarbeitern) allein die Käufer der Waren etwas an. Brüsseler Geistesathleten vom Schlage Olli Rehns aber ganz sicher nicht!

Um zu begreifen, inwiefern etwa der griechischen Tsatsiki-Industrie oder französischen Froschzüchtern damit gedient wäre, wenn Brüssel deutsche Auto- oder Maschinenbauer dazu zwänge, ab sofort miese Produkte zu überhöhten Preisen anzubieten, muss man schon Kommissar sein. Ohne einen ausgedehnten Aufenthalt im sozialistisch verstrahlten Brüssel würde keiner auf die außerirdisch blödsinnige Idee verfallen, die strukturellen Probleme des „Club Méditerranée“ (inklusive Frankreichs) ausgerechnet dadurch lösen zu wollen, dass man die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie reduziert.

Dass die deutschen Bürger (namentlich die Sparer und Nettosteuerzahler unter ihnen) ihre Exporterfolge innerhalb der Eurozone letztlich aus der eigenen Tasche bezahlen, da die Rechnungen für ihre Lieferungen – etwa nach Griechenland - zu einem guten Teil nicht prompt beglichen, sondern langfristig, und zwar mutmaßlich uneinbringlich, kreditiert werden, ist wieder eine andere Geschichte – Stichwort „Targetfalle“.

Tatsache ist, dass die deutschen Verkäufe nach Übersee ein deutlich stärkeres Wachstum aufweisen als jene in Euroland. Wer sich also anschickt, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Betriebe zu reduzieren, schädigt damit am Ende ganz Europa. Durch Bummelei bei der Arbeit, Frühpensionierungen, Streiks, „soziale Umverteilung“ und mittels als „öffentliche Investitionen“ getarnter, staatlicher Geldverbrennungsaktionen, wird die EU nicht weiterkommen. Von dem einstigen Ziel, dadurch zum „dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt“ zu werden, wie anno 2000 in Lissabon vollmundig angekündigt, ganz zu schweigen. Planwirtschaft funktioniert eben nicht. Weder in der UdSSR, noch in ihrem Nachfolgemodell namens EU.

Herr Rehn wäre daher gut beraten, wirtschaftsfeindliche linke Regierungen – wie jene Frankreichs – oder Griechenlands beamtete Kleptokraten, ins Visier zu nehmen, anstatt die vorbildlich arbeitenden deutschen Betriebe und deren Mitarbeiter…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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FN 524: Wie sich die EU täglich noch beliebter macht drucken

40.512 Euro muss Österreich Strafe zahlen. Täglich. Wir haben‘s ja.

Der Grund: mangelhafte Umsetzung der EU-Richtlinie über Erneuerbare Energiequellen. Offenbar sind der EU-Kommission die unzähligen Windmühlen noch lange nicht genug, welche Österreich verschandeln; und auch nicht die (Papier- und Nahrungsmittelpreise-treibenden) Biomasseanlagen; und auch nicht der Kollaps des Güssinger „Modells“; und auch nicht die zahlreichen (rechnerisch in unserem Klima völlig ineffizienten) Solarpaneele auf neuen wie alten Häusern. Tut nichts, Österreich wird bestraft. Dabei liegt der Anteil erneuerbarer Quellen am Energieverbrauch in Österreich an fünfter Stelle unter allen EU-Ländern. Und er ist mehr als doppelt so hoch wie im EU-Schnitt. Tut nichts, Österreich wird bestraft. Eigentlich muss man noch mehr als der EU-Kommission der heimischen Politik zürnen, den Textern einschlägiger Parlamentsresolutionen (aus allen Parteien!), den jeweiligen Umweltministern und deren Beamten, die Österreich immer auf besonders ehrgeizige Ziele verpflichtet haben. Sie wollten dadurch den Prügeln der diversen grünen Terrorvereine entgehen (die sie natürlich dennoch bekamen). Was wirklich zornig macht: Die Strafe für die Nichteinhaltung nichteinhaltbarer Selbstverpflichtungen zahlen nicht diese Schuldigen, sondern die Steuerzahler. Die sollten ihren Zorn daher nicht nur auf die EU richten, sondern – auch – auf Parteien und Minister, auf Beamte und Grünvereine.

 

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Bankenunion: Der nächste Schritt zum Abgrund drucken

Es ist derzeit das größte – und gefährlichste Projekt auf der Vorhabenliste der EU: die sogenannte Bankenunion. Das Projekt ist zumindest in Teilen so weit gediehen, dass es für die Politik kein Zurück mehr gibt. Denn diese will ja keinesfalls als blamiert dastehen. Was der Fall wäre, wenn einmal von ihr begonnene und weit vorangetriebene Projekte später als unsinnig und gefährlich erkannt und abgebrochen würden. Da macht man lieber mit dem Unsinn weiter.

Nun scheint es im Prinzip ja durchaus sinnvoll zu sein, wenn die internationale Kontrolle großer europäischer Banken verstärkt wird. Nationale Aufseher könnten allzu leicht nationale Rücksichten auf die heimischen Finanzriesen üben, manche internationalen Zusammenhänge übersehen.

Da muss man freilich schon die ersten Fragezeichen hinzufügen: Erstens, ist es nicht vielleicht sogar richtig, dass nationale Bankenkontrollore auch immer ein wenig mitbedenken, welche Konsequenzen ihre Maßnahmen haben? Und zweitens: Werden nicht auch europäische Aufseher situationsbedingt Rücksichten üben, wenn auch halt aus europäischer Sichtweise?

Jedenfalls richtig und sinnvoll ist es, wenn man sich mehr als in der Vergangenheit den Kopf zerbricht, was mit maroden Banken zu geschehen hat. Da sind in den letzten Jahren insbesondere in Österreich viele Fehler begangen worden. Die Frage ist nur: Wie macht man‘s besser? Durch mehr Bürokraten oder durch den Markt? Etwas anders oder zentralisierter zu machen ist ja noch keine Garantie für Besserung.

Formalrechtlich gilt bei Banken derzeit das normale Konkursrecht, erweitert durch die Einlagensicherung. Diese soll kleine und mittlere Sparer bis zu einer bestimmten Grenze schützen (was freilich immer nur solange geht, wie irgendwer in der Branche oder auf staatlicher Ebene zahlungsfähig ist).  

Ansteckung durch den Domino-Effekt

Da der Konkurs einer Bank schlimme Folgen auch für größere Einleger hätte, hat man sich in Europa zum Unterschied von den USA immer für politische „Rettungen“ entschieden. Heute freilich erkennen immer mehr Experten, dass der amerikanische Weg richtiger war, Lehman und Hunderte andere Banken in Konkurs zu schicken, aber den Dominoeffekt abzufedern.

Die europäische Vorgangsweise wird oft salopp mit dem Schlagwort „too big to fail“ bezeichnet. Die Intention: Durch das generelle Auffangen gefährdeter Finanzinstitute wird die Panik eines Bank-Runs vermieden. In einem solchen räumen alle Einleger binnen weniger Stunden ihre Konten ab, sobald das erste diesbezügliche Gerücht auftaucht. Was letztlich jede Bank umbringt.

Im Gegensatz zu einem verbreiteten Irrtum, sind auch größere Einleger aus sozialen und Arbeitsmarkt-Gründen oft sehr schutzwürdig, meist sogar noch mehr als Sparer. Sind die Großeinleger doch häufig durchaus gesunde Wirtschaftsbetriebe. Die wären samt Tausenden Arbeitsplätzen aber über Nacht kaputt, wenn ihre Einlagen bei der Bank weg wären. Diese Einlagen liegen ja dort nicht zum Vergnügen oder aus Gier (wie manchmal behauptet wird), sondern damit Rechnungen, Gehälter oder Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden können. Auch der Staat (Bund, Länder, Sozialversicherungen, Gemeinden und hundert andere staatlicher Organisationen) ist nur arbeitsfähig, wenn er unbesorgt größere Summen über Bankkonten bewegen kann.

Die Verhinderung von Domino-Effekten ist also im Prinzip absolut richtig. Und sie wird es auch sein, wenn plötzlich europäische Institutionen über eine Bankinsolvenz entscheiden. Die zentrale Frage ist nur: Ist es schlau, zur Vermeidung von Dominoeffekten auch gleich die ganze Bank zu retten?

Wichtig, wenn auch eigentlich nicht neu ist die nun fixierte Reihenfolge der Folgen einer Bank-Insolvenz für verschiedene Gruppen, die Geld in einer Bank haben. Dass als Erstes die Aktionäre haften, ist mehr als selbstverständlich. Auch bei der Hypo Alpe-Adria waren die Aktien Bayerns am Schluss nur noch einen Euro wert.

Ebenso sollten zum Vermeiden des erwähnten Domino-Effekts normale Einleger, also die Wirtschaft wie auch die ganz Vorsichtigen, so gut wie möglich geschützt werden. Das sind insbesondere Inhaber von Girokonten und Sparbüchern.

Das wirklich Positive an den europäischen Plänen betrifft die Zwischenklasse. Das sind die diversen Anlageformen zwischen dem vollen Risiko einer Bankaktie und der höchstmöglichen Sicherheit eines Sparbuchs (beziehungsweise Girokontos). Da wird nun klargestellt, dass diese Anleger künftig auch wirklich haften müssen: Das sind beispielsweise all jene, die eine Anleihe dieser Bank gekauft haben. Sie haben dafür ja auch mehr Zinsen kassiert als auf einem Sparbuch.

Das Risiko eines Anleihenkäufers war zwar rechtlich immer klar. Aber dennoch hat die Politik bisher bei Bank-Problemen meist die Anleihe-Gläubiger geschützt (außer in den Fällen Griechenland und Zypern). Für die Zukunft ist jedenfalls klargestellt: Auch eine Anleihe ist eine Risiko-Investition. Hoffentlich bleibt man künftig im Ernstfall auch wirklich bei diesem Prinzip.

Nur der Markt kann eine Lösung bringen

Was aber ist mit der Bank selber? Zusperren oder Retten?

Wenn ein Geldinstitut trotz Insolvenz weitergeführt wird – wozu entscheidungsfeige Politiker gerne tendieren –, dann laufen auch viele Kosten weiter: für Gehälter, für Gebäudemieten, für den Büroaufwand. Daher wäre oft das rasche und auch rechtlich eigentlich vorgesehene Zusperren günstiger. Die ausstehenden Forderungen (Kredite) werden dabei auf eine Bad bank übertragen. Diese hat einzig die Aufgabe, alle Forderungen bestmöglich Zugunsten jener, die beim Crash bluten mussten, zu verwerten.

Dem steht häufig das Gegenargument gegenüber: Wenn man eine Bank in Problemen zusperrt, dann gibt es keine Chance mehr, dass diese vielleicht wieder Geld verdient und den Schaden gut macht oder zumindest verringert.

Die Politik hat aber gar nicht deswegen Banken „gerettet“. Sie hat sich vielmehr vor der Aufregung gefürchtet, vor dem lauten Paukenschlag, den das Schließen einer Bank bedeuten würde. Sie wollte immer wieder Arbeitsplätze retten, was ja in jedem Fall das allerdümmste Argument ist. Die Politik fürchtet sich vor der Aufregung der Medien und der Reaktion der Wähler. Sie ignoriert aber die langfristigen Folgen einer Rettung, wie jetzt die Österreicher etwa am Fall Hypo Alpe-Adria sehen können.

Heißt das, jede insolvente Bank sollte zugesperrt werden? Nein, aber man sollte die Entscheidung dem Markt überlassen. Nur er kann in halbwegs sinnvoller Weise über die Zukunft einer maroden Bank entscheiden. Wenn der Kern der Bank gesund scheint, wenn diese halbwegs positive Perspektiven und Chancen hat, werden andere Banken oder Investoren die kranke Bank kaufen. Wenn sie das nicht hat, wenn es in einer Region ohnedies viel zu viele Banken gibt, dann wird niemand die Bank haben wollen. Dann ist das Zusperren sicher schlauer.

Aber genau der Logik dieser Markt-Entscheidung wollen nicht nur Regierungen, sondern auch die europäischen Bankenunion-Bastler entkommen. Und sie basteln daher eine unglaublich komplizierte und teure Maschinerie, die künftig die Banken regulieren soll. Diese wird aber scheitern. Denn eine politisch eingesetzte und daher massiv beeinflussbare Organisation kann nie gut beurteilen, ob die Weiterführung einer Bank eine reelle Chance hat oder nicht. Das kann nur – halbwegs – ausreichend, wer sein eigenes Geld riskiert. Politik und Bürokraten verstehen hingegen vom Bankgeschäft nichts.

Auch in Österreich hat sich die Republik zuletzt immer für eine Weiterführung einer Bank entschieden. Aber sowohl die Volksbanken-AG wie auch die Hypo Alpe-Adria sind alles andere als überzeugende Beispiele, dass der Staat als Eigentümer von Banken gut wäre. Wobei er es bei der ÖVAG allerdings nur zum Teil ist.

Die Volksbanken (die sich einst durch den Kauf der schon sehr proporzartig geführten Investkredit und Kommunalkredit in die Krise geritten haben) werden nur deshalb weniger kritisch in der Öffentlichkeit diskutiert, weil der Schaden lange nicht so groß ist wie bei der Hypo. Diese steht vier Jahre nach der Verstaatlichung noch viel deprimierender da. Sie ist (nach den katastrophalen Fehlern, der Großmannssucht von Provinzpolitikern und auch einigen kriminellen Handlungen in der Kärntner wie in der bayrischen Zeit) nach der Verstaatlichung 2009 erst recht ins Unglück geritten worden. Denn seither hat es aus lauter Angst und Vorsicht des staatlichen Eigentümers überhaupt keine unternehmerischen Entscheidungen an der Spitze der Bank gegeben. Was der allersicherste Weg zu einem negativen Ergebnis ist.

Entscheidungen stehen unter großem Zeitdruck

Zwei zusätzliche Probleme: Erstens, die Entscheidung, welchen Weg man geht, muss in jedem Krisenfall sehr schnell getroffen werden. Was die Sache noch problematischer macht. Egal, ob die Mitgliedsstaaten oder Europa sie treffen. Und zweitens: Entscheidungen sind immer auch mit Haftungen verbunden, mit dem Tragen von Verantwortung.

Wer haftet bei Fehlentscheidungen: Europa, die Europäischen Zentralbank oder doch wieder das jeweilige Land? Diese Haftungsfrage ist besonders schwierig, wenn die Verantwortungen, Kompetenzen und Entscheidungen in diffuser Weise zwischen Land und EU, zwischen EZB und Kommission aufgeteilt sind. Viele wollen mitsprechen, aber niemand will haften. Jetzt scheint es so zu werden, dass das Los von Großbanken letztlich durch EZB und/oder Kommission entschieden wird. Die Haftungen wollen die beiden Institutionen aber keinesfalls tragen. Die wollen sie auf andere abwälzen.

Dasselbe gilt genauso, wenn bei der Abwicklung einer Bank kein Fehler passiert, wenn also niemand haftet. Einen Schaden gibt es aber bei Insolvenzen dennoch fast immer (auch wenn man alle Anleihegläubiger heranzieht). Wer trägt ihn: Der jeweilige Staat? Der sogenannte Stabilitätsmechanismus ESM?

Wenn es der ESM sein soll – was sich derzeit abzeichnet –, dann sollten sich die Steuerzahler in den wenigen noch halbwegs stabilen Ländern wie Deutschland, den Niederlanden, Finnland und Österreich fest anschnallen. Dann werden zwei, drei Insolvenzen von Großbanken so gewaltige neue Summen erfordern, dass die Staaten trotz ihrer eigenen Überschuldung neues Geld in den ESM pumpen müssen. Die Insolvenzbanken hingegen werden höchstwahrscheinlich neuerlich primär aus jenen Ländern kommen, die direkt oder indirekt schon von Deutschland & Co unterstützt worden sind. Diesen öffnet sich damit ein neuer Weg, andere für ihren Kollaps zahlen zu lassen.

Das alles macht sehr skeptisch gegen die neue Bankenunion.

Einlagensicherung auch für Banken mit hohen Zinsen?

Noch gewichtiger ist die Frage der Einlagensicherung. Und zwar jetzt schon. Warum müssen andere Banken oder Sparkassen für ein anderes Institut geradestehen? Das gibt es in keiner anderen Branche, dass die Konkurrenz für ein Crash-Unternehmen haftet, auf dessen Geschäftsführung sie absolut keinen Einfluss hatten.

Was die Sache noch ärgerlicher macht: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden ja vor allem jene Institute kollabieren, die mit hohem Risiko und aggressiv in den Markt hineingegangen sind, die höhere Zinsen gezahlt haben, die Wackelkredite vergeben haben. Jedes Gerechtigkeitsgefühl wehrt sich da dagegen, dass andere Banken, die niedrigere Zinsen zahlen, die besonders vorsichtig bei der Kreditvergabe sind, für die Einlagen bei der risikofreudigen Konkurrenz zahlen müssen. Diese hat ihnen ja schon vorher wehgetan, als noch Hoffnung bestand, dass die eingegangenen Risken nicht schlagend werden.

Jetzt aber will die Politik vieler Länder sogar noch einen Schritt weitergehen: Vor allem die Linksparteien hätten am liebsten, dass alle europäischen Banken gezwungen werden, crashende Institute irgendwo in Europa mit viel Geld aufzufangen, beziehungsweise zumindest sämtliche Einlagen in den Crash-Banken zu sichern.

Das ist absurd.

Einlagensicherung und Haftung kann nur auf freiwilliger Basis (wie beispielsweise unter den österreichischen Sparkassen) funktionieren. Also nur zwischen jenen Instituten, die zueinander Vertrauen haben; die sich an einen strengen Kodex der Vorsicht halten; die genug Eigen- und Risikokapital haben, um die allergrößten Risken abzudecken. Einzig dafür bräuchte es Aufseher und Regeln, die es in den Verbünden auch schon gibt.

Wenn aber auch die Politik eine Einlagensicherung abgibt (die dann eben aus den erwähnten Gründen für alle Giro- und Sparkonten gelten sollte), dann sollte das jedenfalls nur für jene Institute gelten, die sich freiwillig einer strengen Kontrolle unterwerfen, die keine über dem Marktniveau liegenden Zinsen vergeben, die ihre Risiken streuen.

Das wäre das entscheidende Prinzip. Denn für alle anderen aber sollte gelten: Sie können machen, was sie wollen. Aber jeder, der bei solchen Banken Geld einlegt, sollte wissen, dass da dann keine Steuerzahler, kein mithaftende Sektor dahintersteht. Dass man also ganz auf seine eigene Verantwortung agiert. Dass man keine Sicherheit hat, wenn man gierig hohe Einlagezinsen (etwa bei südeuropäischen Banken) kassieren will. Wer dort anlegt, spekuliert. Das ist kein Verbrechen. Das muss aber mit allen Konsequenzen, also Risken auch von der Politik völlig klargelegt sein.

Die europäische Politik geht jedoch andere Wege. Mit der – fast schon fix beschlossenen – Rekapitalisierung maroder Banken durch den „Stabilitätsfonds“ und mit der – noch von der CDU und Finanzministerin Fekter abgelehnten, aber sonst von der Mehrheit geforderten – europaweit gemeinsamen Einlagensicherung droht ein weiterer Schritt Richtung Abgrund. Dadurch werden erneut alle Europäer zwangsweise zur Hilfe für die Maroden herangezogen.

Gegen all diese Gefahren nimmt sich ein weiterer Schönheitsfehler der europäischen Bankenunion geradezu harmlos aus: Große Banken werden künftig europäisch kontrolliert, kleine und mittlere aber weiterhin national. Auch dadurch entsteht natürlich eine weitere überflüssige Zone an Reibereien, Unklarheiten und Umgehungsmöglichkeiten.

Fazit: Durch die europaweite Einlagenhaftung wie auch durch die ESM-Haftung für das Kapital von Banken wie auch durch europäisch diffundierte Haftungsstränge wird das Prinzip Verantwortung noch weiter unterminiert. Das aber ist für eine gesunde Wirtschaft das absolut wichtigste Prinzip.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Eine Justiz macht sich lächerlich drucken

5400 Euro hat eine niederösterreichische Richterin als Strafe wegen eines Flugblatts mit scharfer Buddhismus-Kritik verhängt. Damit hat sich neuerlich gezeigt, wie dringend die in den letzten Jahren eingeführten „Verhetzungs“-Paragraphen wieder eliminiert werden müssen. Denn diese führen (wider alle bei ihrer Einführung gemachten Beteuerungen) zu einer dramatischen Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wie jetzt bewiesen ist.

Das Gericht stellte sich auf den Standpunkt: Auch wenn die vom Angeklagten geäußerten Vorwürfe in Hinblick auf Gruppen um den Buddhismus tatsächlich stimmen, darf man sie trotzdem nicht äußern. Denn es gibt ja auch viele friedliche und durch nichts negativ auffallende Buddhisten. Eine unglaubliche Logik, die einem feudalen und totalitären Regime würdig ist. Die – beispielsweise – zu folgenden Konsequenzen führt:

  • Alle die „den Christen“ oder „der Kirche“ die Kreuzzüge des Mittelalters vorwerfen oder den Missbrauch von Schülern in einem Internat oder die Inquisition, müssen nun genauso streng bestraft werden (alle Leser sind so wie ich sicher überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft da schon jede Menge Verfahren eingeleitet hat. Wenn nicht, sollte man sie reihenweise mit Anzeigen überschütten).
  • Das gleiche gilt, wer den Protestanten den Antisemitismus vorwirft.
  • Wer sagt, Staatsanwälte und Oberstaatsanwälte in Ostösterreich halten offensichtlich die SPÖ und ihre Politiker auch bei grober Untreue strafrechtlich für tabu, der muss jetzt immer dazufügen: Es gibt sicher auch Staatsanwälte, die das nicht so sehen, die Untreue auch bei SPÖ-Politikern anklagen würden (wo auch immer).
  • Wer sagt „Die allermeisten Selbstmordattentäter sind Moslems“, muss jetzt immer hinzufügen: Aber es gibt viele Moslems, die keine Selbstmordattentäter sind (sie tun halt nur nichts Zielführendes, um die Attentate zu verhindern).
  • Wer sagt „Die Koalition hat bezüglich der Budgetlöcher gelogen“, der muss jetzt immer hinzufügen: Aber es haben nicht alle in der Koalition gelogen (sie haben halt nur geschwiegen).
  • Wer sagt „Wir haben ein gewaltiges Problem mit Schwarzafrikanern als Drogendealer“, der muss jetzt immer dazusagen: Aber nicht alle Schwarzafrikaner sind Drogendealer.
  • Wer sagt „Die EU-Politiker haben mit der Euro-Schuldenpolitik die Zukunft des ganzen Binnenmarkt gefährdet“, der muss jetzt immer hinzufügen, dass das nicht alle EU-Politiker getan haben (es ist halt nur trotzdem geschehen).
  • Wer sagt, dass sich Frauen nicht für Technik, sondern mehr für Menschliches interessieren, der muss jetzt immer hinzufügen, dass das nicht für alle Frauen gilt, sondern nur nach einer Gaußschen Normalverteilung.

Wir sind in des Teufels Küche gelandet. Eine außer Rand und Band geratende Justiz maßt sich voller Präpotenz an, Meinungs- und wissenschaftlichen Aussagen überprüfen zu können. Natürlich trifft das nicht automatisch jede Meinungsäußerung, aber man weiß nie, welche von der Justiz dann etwa wegen einer Denunziation herausgefischt wird. Genau das nennt man Willkür-Regime.

Das ist die schöne neue Welt der Political correctness, wie sie Rot, Grün und Pink erträumen (Natürlich nicht alle, es gibt sicher auch dort welche, die eigentlich noch die Meinungsfreiheit respektieren wollen . . .) und wo die Schwarzen solche Gesetze ermöglicht haben, sei es in der EU oder in Österreich.

Immer mehr Menschen sind überzeugt, dass am Ende der Monarchie deutlich mehr Meinungsfreiheit geherrscht hat als heute. Solche Judikate sind jedenfalls meilenweit von dem entfernt, was Ministerium und Politik bei der Einführung der „Verhetzung“ als Verteidigung gesagt hatten: Es würden ohnedies nur jene bestraft, die öffentlich dazu auffordern, dass eine Gruppe die Straße waschen muss. Davon ist das niederösterreichische Flugblatt meilenweit entfernt.

Eine rasch wachsende Zahl von Menschen spürt jedoch: Wir rutschen immer tiefer in den Vormärz. Wir wissen nur noch nicht genau, wann 1848 und 1867 kommen.

Was ein Richter oder Staatsanwalt denn tun solle, wenn die Politik diese Einschränkung der Meinungsfreiheit nicht zurücknimmt, wird mir bei Gesprächen mit Angehörigen dieser Berufsgruppen oft entgegengehalten? Die Antwort ist einfach: Nichts. Das ist allemal besser als Urteile, die problematische Paragraphen noch extensiv interpretieren. Und das ist ohnedies das, was manche (natürlich nicht alle . . .) in der Justiz ohnedies recht oft tun, wenn es nicht gegen christliche Aktivisten geht.

Und allen anderen rate ich, freie Meinungsäußerungen nur noch in Ländern wie den Niederlanden oder den USA zu machen. Dort ist die Meinungsfreiheit noch geschützt, selbst wenn man einen Blödsinn oder eine Geschmacklosigkeit äußert. Bei uns aber droht jetzt immer die Aktivität von Staatsanwälten und Richtern, die Meinungen auf ihre Korrektheit überprüfen.

PS: Ich habe – vermutlich zum Unterschied von Richterin und Staatsanwälten – Tibet selbst besucht und mehrmals den Dalai Lama interviewt. Ganz unbestreitbar ist der dortige Buddhismus eine atavistische und rückständige Religion, die meilenweit von Menschenrechten oder Demokratie entfernt ist. Woran auch der nette Dalai Lama nichts ändern kann. Dennoch bin ich ein vehementer Unterstützer des tibetanischen Anspruchs auf Selbstbestimmung. Als Volk, als Nation, aber nicht wegen einer Religion.

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FN 521: Nowotny, der bekehrte Sünder drucken

Es ist eine mehr als gute Nachricht – auch wenn letztlich das Gegenteil eingetreten ist.

Laut der immer seriös informierten „Financial Times“ hat der Gouverneur der  Nationalbank in der Vorwoche gegen die Zinssenkung der EZB gestimmt. Zusammen mit Deutschen und Niederländern hat er beim internen Votum der Europäischen Zentralbank diesen fast schon kriminellen Raubzug auf die Sparer zu verhindern versucht. Richtigerweise. Denn von der Zinssenkung profitieren nur die Schuldnerländer Südeuropas, die sich so auf Kosten der enteigneten Sparer billig refinanzieren. Das war zwar schon länger der Fall, ist aber jetzt noch krasser geworden. Das Gute daran: Damit hat sich der bisher vor allem feige Ewald Nowotny endlich offen an die Seite der anderen stabilitätsorienterten Länder gestellt. Er hat damit nicht nur mit den schuldengierigen Gewerkschaften gebrochen, sondern auch mit der von SPÖ-Chef Faymann begonnenen Allianz mit Frankreich. Nowotnys – hoffentlich dauerhafter – Haltungswechsel kann daher gar nicht hoch genug gelobt werden. Auch wenn er (vorerst) nichts gebracht hat.

 

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Das EU-Parlament auf griechischen Irrwegen drucken

Nachher sind immer alle gescheiter. Dieses alte Prinzip gilt überall – nur offensichtlich nicht bei EU-Parlamentariern. Diese haben jetzt eine Kommission gebildet, die das Verhalten der „Troika“ bei der Griechenlandaktion überprüfen soll. Die parlamentarischen Kommissare haben aber schon vor Abreise so große Dummheiten abgesondert, dass mit Sicherheit solche auch ihren Bericht prägen werden. Obwohl man nach fast vier Jahren eigentlich schon klüger sein sollte.

Lassen wir einmal die „Kleinigkeit“ beiseite, weshalb sich der Währungsfonds und die Zentralbank überhaupt vom EU-Parlament prüfen lassen sollen, unterstehen sie diesem doch in keiner Weise. Vergessen wir die „Kleinigkeit“, dass sich das EU-Parlament nie für die vor dem Crash passierten statistischen Betrügereien durch Griechenland interessiert hat, die ja eine Hauptursache der Katastrophenausmaße sind. Übergehen wir auch die weitere „Kleinigkeit“, dass die Parlamentarier reichlich spät das Thema entdecken, erst „ganz zufällig“ vor den EU-Wahlen.

Halten wir uns vielmehr nur an das, was der Österreicher Othmar Karas selbst schon vor Beginn seiner Griechenland-Tour verkündet (er hat ja dabei die zentrale Funktion eines Berichterstatters übernommen): „Wenn das EU-Parlament stärker eingebunden wäre, hätte es sicher keine Senkung des Mindestlohns in Griechenland gegeben.“

Da kann man nur sagen: Gott sei Dank haben die Populisten aus dem EU-Parlament in Sachen Griechenland nichts mitzureden. Denn sie begreifen offenbar nicht einmal die grundlegende Tatsache: Die Senkung der Gehälter war überhaupt das Wichtigste und Richtigste, was die Troika in Griechenland getan hat. Sind doch zwischen der Einführung des Euro und dem griechischen Crash 2010 die griechischen Gehälter um rund 30 Prozent schneller gestiegen als die deutschen. Da war es absolut zwingend, dass sie nun wieder um einen ähnlichen Prozentsatz sinken mussten.

Offenbar meinen jedoch Karas&Co, dass es gerecht ist, wenn osteuropäische Euro-Länder für Griechenland haften und zahlen müssen, bei denen der Durchschnitts(!)lohn niedriger ist als griechische Mindest(!)löhne. Zum Glück hat die Troika aber Experten entsandt und keine EU-Abgeordneten.

Das heißt nun keineswegs, dass das Verhalten gegenüber Griechenland richtig war. Aber den Hauptfehler haben Politiker selbst zu verantworten, griechische Minister und Wolfgang Schäuble an der Spitze. Sie haben 2010 nicht nur eine bis dahin eiserne EU-Regel gebrochen, das Verbot eines „Bailouts“ von einzelnen überschuldeten Mitgliedsländern. Sie haben vor allem durch Griechenlands Verbleib in der Eurozone die Sanierung der griechischen Schuldenpolitik langfristig viel schmerzhafter werden lassen als notwendig. Für die Griechen wie den Rest Europas.

Diese Entscheidung wäre in der Tat intensiv zu untersuchen. Aber nicht die Senkung der griechischen Löhne.

PS: Das Chaos im EU-Parlament hat sich übrigens auch bei der jüngsten Abstimmung zum Antrag eines Ausschusses gezeigt, ein Recht auf Abtreibung europaweit festzuschreiben. Dieser Antrag ist ja - zu Erleichterung vieler wertorientierter Europäer - vom Plenum wieder an den Ausschuss zurückgeschickt worden. Jedoch haben auch konservative Abgeordnete für seine Behandlung gestimmt. Wie etwa der nämliche Othmar Karas. Er war zwar angeblich gegen den Bericht, aber im Gegensatz zur Mehrheit für dessen Behandlung. Kennst Dich aus? EU-Parlament eben . . .

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Heuchler, Netzwerker, Stichwortgeber – Mechanismen des medialen Furors gegen Ungarn drucken

Ein gefundenes Fressen für Medien, vor allem deutsche und österreichische: Abgeordnete der rechtsextremen Partei Jobbik haben in der reformierten (calvinistischen) „Kirche der Heimkehr“ zu Budapest, somit an geweihter Stätte, eine Büste Miklós Horthys enthüllt, des „Reichsverwesers“ Ungarns zwischen 1920 und 1944.

In der Berichterstattung darüber ist weitgehend untergegangen, dass sich nicht nur Vertreter der Oppositionsparteien, sondern auch der Regierungspartei Fidesz – für westliche Medien Hort eines angeblich „wieder erstarkenden ungarischen Nationalismus“ nach dem Muster der Zwischenkriegszeit, oder gar des unseligen „Pfeilkreuzlertums“ – unmissverständlich von diesem Akt distanziert haben. Antal Rogán, Fidesz-Fraktionsvorsitzender und Bürgermeister des Budapester Stadtbezirks, in dem sich die Kirche befindet, nannte die Jobbik-Aktion eine Provokation, welche die Beurteilung Ungarns negativ beeinflusse, was sich sogleich medial bestätigen sollte.

Sein Argument, Fidesz habe sich deshalb der von den link(sliberal)en Parteien organisierten Gegendemonstration nicht angeschlossen, weil deren Abgeordnete zuvor ohne Skrupel mit Jobbik zusammen einen gemeinsamen Antrag im Parlament einreichten, ist in der Berichterstattung geflissentlich unterschlagen worden. Rühmliche Ausnahme: Stephan Löwenstein in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (F.A.Z).

Mediale Einseitigkeit respektive Unausgewogenheit punkto Ungarn hat Methode. Und sie ist denkbar einfach. Wenige Stichwortgeber liefern die Ingredienzien, welche im denk- und recherchefaulen politisch korrekten Mainstream-Journalismus zum Einheitsgericht Ungarn- bzw. Orbán-Herabwürdigung verkocht werden. So sprachen unlängst in Wien die Schriftsteller György Dalos und Rudolf Ungváry – beide ehemalige Dissidenten – sowie Kathrin Lauer, Budapester dpa-Korrespondentin, über die dortige politische Lage. Während Dalos – nicht zu Unrecht – „die Hasskultur“ in seiner Heimat beklagte und Frau Lauer einen „zunehmend aggressiven Tonfall von Seiten der Regierung“ konstatierte, redete Ungváry dem „Export des Faschistoiden in die EU“ das Wort.

Derlei greifen Medien begierig auf und intonieren, wie beispielsweise Michaela Kampl im Online-„Standard“ unter dem Titel „Ungarn baut um“, das Lied vom „Land, das unter Orbán auf dem Weg in eine am autoritären Horthy-Regime anknüpfende Diktatur“ sei. Dass Frau Lauer in ihrer Beurteilung den aggressiven Tonfall lediglich der einen Seite unterstellt, ist angesichts von Auftritten verbalradikaler linker Oppositionspolitiker verwunderlich. Im Übrigen widerspricht ihre Äußerung – ebenso wie mitunter ihre Handlungsweise als Berichterstatterin - auch dem von einer Agentur wie der dpa zu erwartenden Objektivitätsgebot.

Sie hätte auch auf die kaum weniger verdauliche Rabulistik hinweisen sollen, die „gemeinsame Auftritte“ der gänzlich zersplitterten Opposition kennzeichnete, als beispielsweise Anhänger des ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, der jetzt eine chancenlose politische Randfigur ist, die Rede des aktuellen Sozialistenchefs Attila Mesterházy störten. Oder auf die zelebrierte „Enthauptung“ einer Orbán-Statue aus Pappmaché, was selbst linken Blättern wie dem früheren Partei- und jetzigen Anti-Orbán-Organ „Népszabadság“ zu unappetitlich schien. Und wovon man in hiesigen Medien naturgemäß nichts erfuhr.

Wenn es um Dalos’ Begriff der Hasskultur geht, so sollte man wissen (oder wenigstens medial zu wissen geliefert bekommen), dass dies keine jüngere, sondern eine in den 1990er Nachwende-Jahren wieder aufgegriffene, aus der Zwischenkriegszeit tradierte Erscheinung ist, angereichert mit polittraumatischen Erfahrungen der Magyaren während der kommunistischen Alleinherrschaft von 1947 bis 1989. Während die Rechte linke Gegner als „Erbe der Kommunisten“ oder „Diener fremder Herren” tituliert, rückt die Linke den nationalkonservativen Fidesz stets in die rechtsextreme Ecke und setzt die Regierungspartei mit Jobbik gleich.

In Erörterungen ausländischer Medien und Politiker kommen die Diffamierungen durch Linke indes weit weniger zur Sprache als jene von rechts der Mitte oder von ganz rechts außen. Und im Falle Rudolf Ungvárys muss man wissen, dass er – mit Paul Lendvai und György Konrád – zu den zügellosesten (und daher medial gefragtesten) Kritikern der Orbán-Regierung gehört; und wie dieser als netzwerkender Ungarn-„Experte“ gilt, der als einer der begehrtesten Stichwortgeber in der nicht gerade gefüllten Auskunftei für das Ausland wirkt.

Lobenswerte Regierungsinitiativen werden verschwiegen

Das wirkt sich samt und sonders auf das Erzeugen klischierter Verdikte der Art aus, Ungarn sei ein Hort des Antisemitismus, und die Regierung(sparteien Fidesz und christdemokratische KDNP) schau(t)en dem Treiben nicht nur zu, sondern unternähme(n) in der Absicht, politischen Terrainverlust an Jobbik zu verhindern, nichts dagegen. Verschwiegen wird, dass die Regierung Orbán sich weit mehr als ihre sozialistischen Vorgängerregierungen, die das Thema lediglich politisch instrumentalisierten, besonders in der Roma & Sinti-Problematik durch praktische Hilfen engagiert. Auch dass die Regierung Orbán seit ihrem Amtsantritt im Frühsommer 2010 nicht nur durch Erklärungen, sondern auch in Wort und Tat, also vor allem in gesetzlichen Regelungen, gegen antisemitische und minderheitenfeindliche Umtriebe einschreitet, bleibt ausländischen Medien-„Konsumenten“ weithin verborgen.

So sind Symbole beider Willkürherrschaften ebenso verboten worden wie Formen „uniformierter Kriminalität“, wofür bereits paramilitärische Gruppen zur Verantwortung gezogen worden sind. Das geschah beispielsweise bei bedrohlich-martialischen Auftritten der Jobbik-nahen so genannten „Ungarischen Garde(n)“. Ebenso hat die Regierungsfraktion die Leugnung des Holocaust strafrechtlich fixiert.

Durch diese Maßnahmen hat die Regierung Orbán zweifelsfrei bewiesen, dass sie bei der Verteidigung der Menschenrechte und der Würde der ethnischen sowie religiösen Gemeinschaften nicht von den in zivilisierten demokratischen Staaten geltenden rechtlichen Standards abweicht, sondern – im Gegenteil – verfassungsrechtlich schützt, was nicht überall auf der Welt, nicht einmal in Europa, der Fall ist.

Dennoch wird all dies kaum medial thematisiert. Dennoch reißt die internationale Kritik an der Politik Orbáns nicht ab. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. In verständlicher, rasch Fakten schaffender Hast, daher ohne Bedacht auf handwerkliche Sorgfalt, ist er mit seiner Zweidrittelmehrheit daran gegangen, seine eigenen Vorstellungen und die seiner Mitstreiter von der „richtigen Politik“ für das von den Sozialisten und ihren (seit 2010 aus dem Parlament verschwundenen) „liberalen“ Helfern an den Rand des Staatsbankrotts geführte Land durchzusetzen. Dabei ist es mitunter zu fragwürdigen, auch rechtlich angreifbaren Maßnahmen gekommen. Und damit bringt man viele gegen sich auf.

Es fällt auf, dass viel Kritik aus dem Nachbarland Österreich kommt, mit dem man sich – wie es allzu gerne heißt – in einem „Verschwägerungsverhältnis“ befindet. Von ungarischen Stichwortgebern (siehe oben) „aufmunitionierte“ Medien-Vertreter, die von Wien aus den mittel-osteuropäischen Raum beäugen, werden die oft unkonventionell getroffenen Entscheidungen in Ungarn ebenso begierig aufgegriffen und – meist ohne deren Wirkung abzuwarten – verdammt, wie von Interessengruppen aus Unternehmen und Banken mit (bisher gewinnbringendem) Engagement in Ungarn, deren Lobbyisten das Land in Brüssel und anderen Hauptstädten der EU anschwärzen.

Dabei fällt auf, dass eine gehörige Portion Heuchelei im Spiel ist. So etwa hinsichtlich der „Taschenverträge” – also zum Schein geschlossener Verträge über den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen – gegen die die Regierung Orbán mithilfe eines neues Bodenerwerbsrechts einzuschreiten gedenkt. Was immer daran rechtlich problematisch und also nicht EU-konform sein sollte, in der (gewiss von Raiffeisen-Verband und Bauern-Lobby, somit der ÖVP, geförderten) medialen Entrüstung wäre zumindest der Hinweis angebracht gewesen, dass man diesbezüglich bei heimischen Schutzvorkehrungen vor ausländischem Erwerb ganz und gar nicht zimperlich war und ist. Unerwähnt bleibt dabei nämlich in aller Regel, dass in Österreich mittels restriktiver, gegen „Überfremdung“ abschottender Grundverkehrsgesetze der Bundesländer Tirol, Salzburg und Vorarlberg Regelungen eingeführt wurden, die es Ausländern faktisch unmöglich machen, landwirtschaftlich, mitunter auch forstwirtschaftlich genutzte Flächen zu erwerben und/oder zu bewirtschaften.

Kritisierte Gesetze von Österreich abgeschrieben

Selbst der Erwerb von Grundstücken für den Hausbau, ja von Wohn-Immobilien insgesamt, fiel – vor dem EU-Beitritt, dann für eine Übergangsfrist, seitdem müssen alle Erwerber vor Erwerb fünf Jahre ihren Wohnsitz in Österreich gehabt haben – darunter, wovon, nicht nur wegen „räumlicher Nähe“, besonders Deutsche betroffen waren/sind. Aufgrund auch von Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof mehrmals modifiziert, entsprechen die heutigen österreichischen Regelungen dem, was an Neuem im ungarischen Bodenerwerbsrecht festgeschrieben ist. Beispielsweise, dass – wie übrigens auch in Deutschland ab einem halben Hektar (5000 m²) – landwirtschaftlicher Grund und Boden von einer bestimmten Größe in Österreich nur dann käuflich erworben, ja sogar „nur“ gepachtet werden kann, wenn sich Erwerber bzw. Pächter selbst im Inland als praktizierende Landwirte betätigen. In Österreich befinden darüber bei Anhörung der Landwirtschaftskammern die Grundverkehrsbehörden (in Deutschland die regional zuständigen Landwirtschaftsämter). Ausnahmen, wie sie fallweise beim Erwerb und Betrieb von Landwirtschaften durch Unternehmen/r aus Tirol bekannt wurden, dürften auch in anderen Bundesländern die Regel bestätigend sein.

An derlei Beispielen lassen sich mühelos weitere aufbieten. Da wäre etwa die Verfassungsgerichtsbarkeit, in Bezug auf die der Regierung Ungarns (nicht nur) in Österreich unterstellt worden ist, dieselbe einzuschränken, zu umgehen, ja sogar „abzuschaffen“. Da dem österreichischen Verfassungsrecht die Popular-Klage fremd ist, sollten sich hiesige Publizisten nicht anklagend darüber alternieren, dass Ungarn – übrigens mit Zustimmung des Verfassungsgerichtshofspräsidenten aufgrund kaum mehr zu bewältigender Fallzahlen – die zuvor bestehende rechtliche Möglichkeit unterband, dass jeder Bürger Anträge auf Überprüfung von Gesetzen stellen konnte, unabhängig davon, ob sie ihn träfen oder nicht. Tatsächlich kritikwürdig ist indes das neue ungarische Verfassungsrecht dort, wo die Prüfung von Gesetzen auf Verfassungswidrigkeit inhaltlich, also materiell, beschränkt worden ist.

Selbstverständlich gilt dies auch für die Strafbarkeit von Meinungsdelikten; was allerdings auch auf die österreichische (und deutsche) Strafverfolgung in Fällen von Meinungsdelikten im Sinne der „NS-Wiederbetätigung“ zutrifft, wofür die „Causa David Irving“ als ein(es von nicht wenigen) Beispiel(en) stehen mag. Und selbstverständlich ist auch der nachträgliche gesetzgeberische Eingriff in laufende Verträge rechtlich höchst frag- und kritikwürdig, wie er unter der Orbán-Mehrheit hinsichtlich der Fremdwährungskredite vorgekommen ist.

Ebenso heuchlerisch ist die medial befeuerte Wortmeldung des EU-Parlamentsabgeordneten Hannes Swoboda (SPÖ), der der Regierung Orbán – zu Recht – vorwarf, Befugnisse des Verfassungsgerichts dadurch auszuhebeln, dass sie mit ihrer Zweidrittelmehrheit für rechtswidrig erkannte Gesetze durch Aufnahme in die Verfassung vor neuerlichem Zugriff schützt. Heuchlerisch ist das deshalb, weil Swobodas Partei zu Zeiten großer Koalitionen mit Zweidrittelmehrheit (die natürlich längst nicht mehr gegeben ist) mehrfach Gesetze in den Rang von Verfassungsgesetzen gehoben hatte, um sie der Prüfung des Verfassungsgerichtshofs zu entziehen: Das Beispiel der „Wiener Taxiordnung“ zu erwähnen, die so im Interesse von Lobbyisten abgesichert wurde, mag genügen.

Sodann sei auf den ebenso heuchlerischen Aufschrei wider den rahmengesetzlichen Umgang mit Obdachlosen in Ungarn hingewiesen. Dort ist es Gebietskörperschaften verfassungsrechtlich gestattet, bei Strafandrohung das Nächtigen im Freien respektive den „Aufenthalt zum Zwecke der Lebensführung“ an bestimmten Plätzen zu untersagen. Von Susanne Scholl, der früheren Moskau-Korrespondentin des ORF, ist der angeblich „menschenverachtende Umgang mit den Ärmsten“ als „Missachtung von EU-Normen“ gebrandmarkt worden. Es bedurfte (wiederum) der F.A.Z. und des zurechtrückenden Hinweises ihres Österreich- und Ungarn-Korrespondenten Stephan Löwenstein auf vergleichbare Gebietskörperschaftsverordnungen mehrerer deutscher Bundesländer, sowie der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Korrespondentin Meret Baumann), um nicht nur darauf aufmerksam zu machen, dass in Österreich seit 28 Jahren schon eine gesetzliche Regelung in Kraft ist, wonach das Campieren im Freien verboten werden kann, sondern auch darauf, dass die österreichische Regelung der ungarischen weitgehend ähnelt.

Linke Skandale werden ignoriert

Schließlich hat man weithin in außerungarischen Medien schamhaft den jüngsten Sündenfall wider das sonst wie eine Monstranz hochgehaltene „journalistische Ethos“ verschwiegen. So galt die Kommunal-Nachwahl in der südungarischen Gemeinde Baja als eine Art Probelauf des unter Mühen gezimmerten linken Oppositionsbündnisses für die im Frühjahr 2014 anstehende Parlamentswahl. Es besteht aus Sozialisten und der (von Kurzzeitregierungschef Gordon Bajnai geführten) Bewegung „Együtt 2014" („Zusammen 2014"), aus vier Kleinparteien.

Wegen Manipulationsvorwürfen hatte die Wahl in Baja, bei der Fidesz knapp gesiegt hatte, teilwiederholt werden müssen. Unmittelbar nach dem wiederholten Urnengang hatte die Orbán-kritische Wochenzeitung „hvg“ auf ihrer Internetseite ein Video veröffentlicht, das angebliche „Beweise für wiederholten Wahlbetrug“ zeigte: Ein Mann verteilte an einige Roma – viele Bürger in Baja gehören dieser stärksten Minderheit des Landes an – jeweils 200 000 Forint (umgerechnet 670 Euro) und sagte ihnen für den Fall, dass sie und ihre wahlberechtigten Familienmitglieder für Fidesz stimmen würden, weitere Geldgeschenke und Brennholz zu. Sogleich prangerten Sozialisten-Chef Mesterházy und andere Oppositionspolitiker den vermeintlichen Betrug des Fidesz an und stellten ihn als Beispiel für „geplante Manipulationen bei der Parlamentswahl 2014“ dar. So weit so schlecht.

Bis hierher waren die Vorgänge nichtungarischen Medien des Berichtens und Kommentierens wert. Dass dann polizeiliche Ermittlungen zu dem Ergebnis kamen, dass das Video schlicht gefälscht war, die festgesetzten „Akteure“ angaben, im Auftrag des (mittlerweile zurückgetretenen) Kommunikationschefs der Sozialisten gehandelt zu haben und der Online-Chef von „hvg“ seinen Platz räumen musste, verschwiegen sie – mit Ausnahme (wiederum) der F.A.Z.

Fazit: Bevor man sich dazu hinreißen lässt, über Ungarn, seine Regierung, die sie tragenden Parteien und/oder „die“ Ungarn herzufallen, sollte man vor der eigenen Haustür kehren, Einflüsterungen irgendwelcher ungarischer Stichwortgeber (und Netzwerker) möglichst wenig Gehör schenken und – vor allem – sich dem medialen Mainstream entziehen und unvoreingenommen recherchieren. Dann wird man sicherlich zu ausgewogeneren Analysen und weniger vor Gemeinheiten triefenden Kommentaren/Urteilen über das Land kommen, dem wir maßgeblich den Einsturz der Berliner Mauer, den Systemkollaps des „real existierenden Sozialismus“ jedweder europäischen Provenienz und der Überwindung der Teilung Deutschlands – und damit Europas – verdanken.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist 

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Südtirol 2013: Unrecht verjährt nicht drucken

Wie heißt es so schön in den ersten beiden Zeilen der dritten Strophe der österreichischen Bundeshymne? „Mutig in die neuen Zeiten/Frei und gläubig sieh uns schreiten." Ob diese Zeilen auch für Südtirol gelten können? Der Verfasser dieser kleinen Abhandlung glaubt daran. Unrecht verjährt nicht. Der Einsatz für Wahrheit und der Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung muss als Kontrastprogramm zur Zugehörigkeit Südtirols zu Italien angesehen werden.

Wer das Unrecht als Recht ansieht und die Wahrheit aus Toleranzgründen verschweigt, macht sich mitschuldig, wenn es darum geht, nicht mutig in die neuen Zeiten frei und gläubig zu schreiten. Fürwahr war die Autonomie Südtirols vor vielen Jahren der gangbarere Weg, die realpolitisch richtigere Entscheidung. Aber in Zeiten der Krise zeigte Italien sein wahres Gesicht, nicht erst durch die Melkkuh-Politik in der Phase des „technokratischen" Ministerpräsidenten Mario Monti.

Nur ein friedlich vereintes Tirol kann als gerechte Lösung der Südtirolfrage angesehen werden. Die Summe des Denkens eines Volkes bestimmt sein Schicksal. Und wenn man den international hoch angesehenen und leider all zu früh verstorbenen Völkerrechtler Felix Ermacora zitieren darf, kann keine Macht der Erde einem Volk auf Dauer die Selbstbestimmung vorenthalten – auch Italien den Südtirolern nicht. Aber wollen und verlangen muss man sie.

Auf den rechten Augenblick zu warten ist eine Kunst. Nachdem die deutschen Oppositionsparteien im Südtiroler Landtag durch den Wähler politischen Aufwind bekommen haben, wäre die Chance da, aber höchstwahrscheinlich möchte man ja aus Loyalitätsgründen das friedliche Zusammenleben der Volksgruppen nicht aufs Spiel setzen. Man wird sehen, ob die Bekundung des Freiheitswillens der Schotten (hier durch ein Referendum im Herbst 2014), der Basken und der Katalanen auf Südtirol wirken werden. Darüber hinwegzusehen wäre sicherlich der falsche Weg.

Aber es heißt auch, dass nur die glücklichsten Sklaven die erbittertsten Feinde der Freiheit wären. Das heißt, dass nicht alles an Italien falsch oder zu beanstanden wäre. Aber es wäre gut zu wissen, weshalb die Tagespolitik der Apenninenhalbinsel immer wieder den Artikel drei des eigenen Grundgesetzes missachtet.

Darin heißt es, dass alle Staatsbürger die gleiche gesellschaftliche Würde haben und vor dem Gesetz ohne Unterschied des Geschlechtes, der Rasse, der Sprache, des Glaubens, der politischen Anschauungen, der persönlichen und sozialen Verhältnisse gleich sind.

Andreas Raffeiner (Jg. 1979), Diplomand aus Geschichte mit politischem und völkerrechtlichem Interesse.
Bozen-Innsbruck

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Die seltsamen Sorgen der Nomenklatura und ein echtes Problem drucken

Es fällt immer schwerer, für die Bocksprünge der Brüsseler Spitzen wenigstens noch Spurenelemente rationaler Begründungen zu finden. Die pure Lust an der Ausübung ihrer Macht zum Ge- und Verbieten scheint mit den Damen und Herren Zentralbürokraten immer häufiger durchzugehen. Die Initiative zur Leistungsbegrenzung von Staubsaugern ist ein gutes Beispiel dafür. Nur zwei Erklärungen für diese haarsträubende Schnapsidee bieten sich an: Einerseits der völlige Mangel an Kenntnissen fundamentaler Prinzipien der Physik; anderseits die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass keiner der Urheber dieser Groteske jemals selbst mit einem Staubsauger gearbeitet hat.

Andernfalls wäre jedem von ihnen klar, dass ein leistungsstärkeres Gerät effektiver arbeitet und damit kürzere Arbeitszeiten ermöglicht. Als Besitzer eines kurzhaarigen weißen Hundes sowie einiger dunkelroter Teppiche und zugleich deklarierter Freund der Sauberkeit, betrachtet sich der Autor dieser Zeilen als einschlägigen Experten: Mit geringer Saugleistung ist es beinahe unmöglich, jedenfalls aber mit erheblichen zusätzlichen Anstrengungen verbunden, die wie Nadeln im Teppichflor steckenden Hundehaare zu entfernen.

Mein kürzlich erworbenes 2000-Watt-Gerät dagegen schafft das in kürzester Zeit mühelos. Es besteht, wovon sich jedermann jederzeit praktisch überzeugen kann, ein linearer Zusammenhang zwischen der Leistungsaufnahme eines Staubsaugers und der aufzuwendenden Einsatzzeit, um eine gegebene Fläche zu reinigen. Doppelte Leistung = halbe Einschaltzeit. Das bedeutet eine neutrale Energiebilanz und damit die Unmöglichkeit, durch verringerte Geräteleistung Strom zu sparen.

Auch das Argument, durch behördliche Auflagen würde der industriellen Innovation auf die Sprünge geholfen, ist an Putzigkeit kaum zu überbieten. Klar, jene Kreaturen, die ja gerade deshalb Bürokraten und nicht etwa Produktentwickler geworden sind, weil sie jeglicher Kreativität, konstruktiver Phantasie und Bereitschaft zum Dienst am Bürger/Konsumenten ermangeln, braucht es, um den Fortschritt voranzutreiben. Ganz bestimmt!

Wie dem auch sei: Das Ziel der (selbstverständlich im Hinblick auf den zunehmend pathologische Züge annehmenden Klimarettungskult) angestrebten Energieeinsparung ist durch die Reduktion der Leistung von Staubsaugern nicht zu erreichen. Über die Regelung von Duschkopfgrößen und die Begrenzung der Wassermenge pro Toilettenspülung wird von der Nomenklatura ebenfalls intensiv nachgedacht – was besonders in Ländern wie Österreich ungemein viel Sinn haben wird, wo 80 Prozent des zur Verfügung stehenden Wassers ohnehin ungenutzt – im wahrsten Sinn des Wortes – den Bach runtergehen. Herr, bitte lass nicht nur Wasser, sondern auch Hirn regnen – bevorzugt über dem Berlaymont!

Müßiggang ist bekanntlich aller Laster Anfang. Auf den real existierenden Irrsinn der EUdSSR übertragen: An Nutzlosigkeit nicht zu übertreffende Schreibtischtäter haben – in totaler Ermangelung produktiver Aufgaben – ganztägig Zeit, sich den Kopf darüber zerbrechen, auf welch trickreiche Weise sie die Freiheit von 500 Millionen Europäern weiter beschränken. Im Gegenzug dazu können sie ihre eigene Macht noch stärker ausdehnen.

Die Staubsauger-Initiative ist nur der Anfang. Wird der Gedanke konsequent weitergedacht, ist der Tag nicht mehr allzu fern, an dem absolute Leistungsbegrenzungen für den Strombedarf privater Haushalte verfügt und durchgesetzt werden. Das (einst schon von Bruno Kreisky propagierte) Nassrasieren wird zur unbedingten Pflicht werden. Der zeitgleiche Einsatz von Bügeleisen, Kühltruhen, elektrischen Rasenmähern und Fernsehern und einer einigermaßen akzeptablen Beleuchtung wird dann technisch unmöglich gemacht sein. Eine Wahl oder ein Ausweichen wird es für den gemeinen Untertanen des EU-Molochs nicht mehr geben. In Nordkorea ist man schon so weit. Die Alte Welt ist auf dem besten Weg dahin…

Über die Aufregung angesichts all dieses sagenhaften Unfugs drohen die wahrhaft besorgniserregenden Entwicklungen gänzlich übersehen zu werden. Besonders alarmierend erscheint die seit Jahren drastisch sinkende Sparquote in der Alpenrepublik. Lag diese vor einigen Jahren noch bei über zehn Prozent des verfügbaren Einkommens, ist sie nun auf unter sechs Prozent gesunken. Manche „Experten“ entblöden sich nicht, diesen Umstand auch noch regelrecht zu bejubeln, da dadurch der Konsum – und damit die Konjunktur – angetrieben würde. Klar, durch Konsum wird man reich, während man durchs Sparen verarmt – das liegt doch auf der Hand, oder?

Die Wahrheit hängt indes nicht davon ab, was die Hauptstrommedien kolportieren – und schon gar nicht davon, was linke Wirtschafts„wissenschaftler“ (die gewissenlosen Herolde und Apologeten einer absolut verantwortungslosen Schuldenwirtschaft) von sich geben. Denn wahr ist: Konsum mindert den Kapitalstock. Anders herum: Was heute nicht gespart wird, steht morgen für Investitionen nicht zur Verfügung.

Keine oder zurückgehende Investitionen bedeuten abnehmende Kapitalproduktivität. Im Klartext: Steigende Konsumausgaben bei sinkender Sparneigung zu bejubeln, offenbart die totale Verinnerlichung dessen, was der liberale Ökonom Guido Hülsmann als „Inflationskultur“ bezeichnet. Denn ausschließlich die aus dem Konsumverzicht resultierende Bildung von Ersparnissen bietet die Möglichkeit zur schuldenfreien Schaffung von Realkapital, das die zukünftig verfügbaren Einkommen und den Wohlstand der Gesellschaft sicherstellt. Wer dagegen sein Einkommen nicht zum Teil spart, sondern vollständig verkonsumiert, später aber dennoch Investitionen tätigen möchte, entscheidet sich damit langfristig für den Weg in die Schuldknechtschaft.

Ob die Erklärung für die sinkende Sparneigung primär in der Einsicht großer Teile der Bevölkerung besteht, dass das Geld, dank der moralfreien staatlichen Geldpolitik, zunehmend an Kaufkraft verliert und Sparen daher tatsächlich reale Verluste bedeutet, oder ob die stetig wachsende fiskalische Enteignungsquote dazu führt, die realen Einkommen derart zu erodieren, dass zum Sparen schlicht nichts mehr übrigbleibt, ist letztlich unerheblich.

Es ändert sich dadurch nichts an der mittel- bis langfristig zu erwartenden Folge der sinkenden Sparbereitschaft: Der kollektiven Verarmung der gesamten Volkswirtschaft. Dafür bedanken dürfen sich sämtliche Betroffenen nicht bei den zu Sündenböcken erklärten, herzlosen „Spekulanten“ oder ausbeuterischen Unternehmern, sondern bei jener ehrenwerten Gesellschaft, die in Staatskanzleien und Zentralbanken seit Jahrzehnten damit beschäftigt ist, den Weg ins (nicht nur wirtschaftliche) Chaos zu pflastern…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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FN 519: Europäisches Morgengebet: "Und was verbieten wir heute?" drucken

Vor den EU-Wahlen werden die regulierungswütigen Menschen in der Brüsseler Kommission von immer heftigeren Fieberschüben geplagt.

Verbieten, verbieten, regulieren, regulieren. Das ist in der heutigen EU die zentrale Devise. Jene EU-Beamten und Politiker, die einst die EU als Vorkämpferin der Freiheit groß gemacht haben, scheinen in Brüssel allesamt schon hinausgemobbt worden zu sein. Jedenfalls kommen jetzt die Verbotswünsche im Staccato-Tempo – offenbar spürt man schon, dass bei den EU-Wahlen die verbotsgierigen grün-rot-gelben Linksparteien einen kräftigen Deckel bekommen werden. Nach Glühbirnen und Duschköpfen haben daher die Eurokraten in den letzten Tagen auch den leistungsstarken Staubsaugern und den Mist- und Plastiksackerln den Kampf angesagt. Gewiss: Der Plastikdreck in den Meeren ist ein echtes Problem – nur landen österreichische Sackerln mit Sicherheit nicht im Meer, sondern im Müll, meist sogar im nützlichen Recycling-Müll.

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Aus Angst der Regierenden vor dem Volk: Auf dem Weg zur totalen Entwaffnung drucken

Kennen Sie Cecilia Malmstöm? Nein? Nun, das spricht für Sie. Die gute Frau stammt aus dem sozialistischen Musterland Schweden und ist gelernte Politikwissenschaftlerin. Außerdem ist sie Politikerin der „liberalen Volkspartei“ (dass „liberal“ unserer Tage für links steht, braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden). Seit 2010 wütet Frau Malmström als Innenkommissarin der EU und liefert in dieser Funktion, was man von Menschen Ihres Schlages erwartet: Kontrollphantasien bisher unerreichten Ausmaßes.

Nach ihrer engagierten Initiative zur flächendeckenden Kontrolle des Internets (die sie listig als über jede Kritik erhabenen Kampf gegen die Kinderpornographie zu tarnen wusste) treibt die resche 45Jährige nun die nächste Sau durchs Dorf. Diese hört auf den Namen Europaweite Waffenkontrolle. Angesichts des mittlerweile groteske Züge annehmenden Überwachungs- und Regulierungsfurors der Brüsseler Nomenklatura, man denke etwa an deren jüngste Schnapsidee zur Reduzierung der Leistung von Staubsaugern, kommt diesem Amoklauf der Hochbürokratie leider nicht jenes Maß an Aufmerksamkeit zu, welches ihm angesichts seiner Bedeutung gebührt.

Selbstverständlich hat die Frau Kommissarin bei ihrem ambitionierten Vorhaben nicht solche Waffen im Sinn, mithilfe derer uniformierte Europäer auf Regierungsgeheiß unschuldige Menschen im Irak, in Afghanistan oder in Libyen liquidier(t)en (demnächst vielleicht auch in Syrien, unter dem Motto „Reise in exotische Länder, begegne interessanten Menschen – und bring sie um!“). Es geht auch nicht um Waffen, die von Regierungsbütteln (am Ende schon recht bald) – falls die Europaweite Schuldenwirtschaft kollabiert und großflächige Hungerrevolten ausbrechen – gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden sollen.

An dieser Stelle scheint ein Einschub angebracht: Mit der Grundrechte-Charta der Europäischen Union, die mit dem Vertag von Lissabon Rechtskraft erlangte, wurden – von der Öffentlichkeit unbemerkt – Untaten bis hin zu Massenexekutionen legalisiert. Zwar heißt es in Artikel zwei, Abs. zwei, „…niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden...", die als Interpretationshilfe dienenden Erläuterungen zur Charta der Grundrechte stellen jedoch klar: (Erläuterung zu Artikel zwei – Recht auf Leben):

„Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um […] jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern“ oder um „…einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen“. [Hervorhebung durch den Autor]

Man braucht seine Phantasie nicht über Gebühr zu strapazieren, um zu erkennen, dass damit faktisch eine Handhabe zur gesetzeskonformen Beseitigung von Dissidenten geschaffen wurde, wie sie gestandene Stalinisten nicht besser hätten hinbekommen können. Allerdings, das sei der Fairness halber gesagt, waren Jossif Dschugaschwili & Genossen nicht verlogen genug, um dem glatten Bruch von Grundrechten durch komplizierte Gesetzeswerke auch noch den Anschein von Rechtmäßigkeit verleihen zu wollen. Dessen Killerbrigaden wurden ohne maßgeschneiderte Rechtsgrundlage von der Leine gelassen.

In Euroland besteht das Werkzeug zur gewaltsamen Unterdrückung unbotmäßiger Untertanen seit 2006. Es hört auf den schmucken Namen EUROGENDFOR und ist eine militärisch organisierte Polizeitruppe, die, wie Wikipedia euphemistisch vermeldet, dem „Krisenmanagement“ dienen soll. Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, von dieser mit der Lizenz zum Töten ausgestatten Prätorianergarde beamtshandelt zu werden?

Worum also geht es Genossin Malmström? Richtig – um die in den Händen von naturgemäß gefährlichen Privatleuten befindlichen Waffen. Die sollen nun nicht nur zentral erfasst werden (Obertanen lieben Tabellen und Listen, die sich zur Überwachung des gemeinen Volkes eignen), sondern – und das ist ein wahres Gustostückerl – mit „biometrischen Sicherungssystemen“ ausgestattet werden, die den Gebrauch der jeweiligen Feuerwaffe nur dem rechtmäßigen Eigentümer gestatten.

Selbstverständlich darf das übliche Totschlagargument zur Begründung dieser Aktion nicht fehlen: „Und wenn dadurch nur ein einziges Menschenleben gerettet wird…“ Wie auf diese Weise „Menschenleben gerettet“ werden sollen, wie derlei Apparaturen zuverlässig funktionieren sollen, wie sie beschaffen sein und welche Kosten damit (für den Waffenbesitzer, versteht sich!) verbunden sein werden, ist derzeit noch nicht recht abzuschätzen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass derartige Sperrsysteme in vielen Fällen den Wert der jeweiligen Waffe übersteigen werden (zumindest ist das bei jenem sauteuren Produkt der Fall, das derzeit bereits auf dem Markt ist). Wenn, wie im vorliegenden Fall, aus dem Elfenbeinturm heraus Entscheidungen über Materien getroffen werden, von denen die dafür Verantwortlichen nicht den leisesten Schimmer haben, kommt dabei eben selten etwas Gescheites heraus.

Einen „Erfolg“ wird die Genossin Kommissarin allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verbuchen können: Die Zahl der im Umlauf befindlichen illegalen Waffen wird dank ihrer weltfremden Initiative explosionsartig zunehmen. Sie dürfte in ihrem Überschwang nämlich übersehen haben, dass derzeit eine Kampagne zur amtlichen Erfassung von Privatwaffen läuft, die in Österreich mit Ende Juni 2014 abzuschließen ist. Bisher wurden weniger als fünf Prozent des geschätzten Bestandes zur Meldung gebracht.

Gesetzestreue Waffenbesitzer sind vom Staat bereits in der Vergangenheit mehrfach gebrannte Kinder. Man denke an den Umgang mit jenen unter ihnen, die im Vertrauen auf die Seriosität des Gesetzgebers von dessen Angebot Gebrauch gemacht hatten, ihre im Nachhinein zu „Kriegswaffen“ oder „illegalen Waffen“ erklärten, zuvor allerdings gesetzeskonform erworbenen Stücke anzumelden und damit weiterhin legal besitzen zu dürfen. Sie alle wurden kalt enteignet! Weder ein Verkauf noch ein Vererbung ihres Eigentums ist zulässig.

Diese Opfer ihres Vertrauens in den Staat werden nun kein Problem damit haben, einzuschätzen, worauf Madame Malmström in Wahrheit aus ist: Sie sollen mit derart irrwitzigen Kosten und bürokratischen Schikanen belastet werden, dass sie entnervt auf ihr Eigentum verzichten. Voraussetzung dafür allerdings ist die amtliche Registrierung ihres rechtmäßig erworbenen Eigentums.

Das wird wohl auch die traditionell verträumte Jägerschaft durchschauen, die bisher in der Illusion lebt, ihr (und ihren Waffen) könne nichts passieren. Keine Meldung – kein Zwang zur Anschaffung teurer Sicherungssysteme und keine Gefahr der Enteignung. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass sich die Registrierungskampagne – spätestens nach Bekannt werden der Malmström-Initiative – als Schuss in den Ofen erweisen wird.

Jeder ernstzunehmende Terrorist, ob weiland von RAF, Brigate Rosse, IRA oder ETA, oder heutzutage von der Al Quaida, greift spontan zu aus Armeebeständen stammenden Waffen, die auf dem zivilen Markt niemals legal verfügbar waren oder sind. Auch unpolitische Schwerkriminelle geben gestohlenen Militärwaffen gewöhnlich den Vorzug vor legal zu erwerbenden Jagd- und Sportwaffen. Selbstverständlich wird keine davon den Behörden jemals gemeldet werden. Frau Kommissarin behauptet dennoch allen Ernstes, der Sicherheit Vorschub leisten zu können, indem sie rechtschaffene Bürger bis jenseits der Zumutbarkeitsgrenze schikaniert, während selbst ihr einleuchten muss, dass sie die wirklich bösen Buben (und Mädels) mit derlei Maßnahmen nicht beeindrucken kann.

Da man ein solches Maß an Torheit selbst einer schwedischen Politikwissenschaftlerin nicht unterstellen sollte, ist der Grund für ihr Treiben also anderswo zu suchen – und auch gar nicht schwer zu finden. Es ist, banaler geht es gar nicht, der immer gleiche Wunsch der Herrschenden, ihre Macht maximal auszudehnen. Jeder dieser Bestrebung im Wege stehende Widerstand soll aus dem Weg geräumt werden. Und entwaffnete Bürger sind nun einmal erfreulicherweise nicht nur (privaten) Kriminellen, sondern auch den bis an die Zähne gerüsteten Schergen des Leviathans wehrlos ausgeliefert. So einfach ist das.

Leider wird, wie es scheint, eine allzu offensichtliche Gefahr von den meisten Menschen gar nicht mehr als solche erkannt. Dass die seit vielen Jahren gegen den legalen privaten Waffenbesitz gerichtete Politik der EU als Vorbereitungshandlung für weit Schlimmeres betrieben wird, hält demnach kaum einer für möglich. Es sei daran erinnert, dass Sklaven zu keiner Zeit Waffen besitzen und tragen durften (außer in der Arena, wo sie sich zur Belustigung der Herrschenden und des Pöbels gegenseitig abzuschlachten hatten).

Waffenbesitz ist ein Indikator für die in einer Gesellschaft herrschende Freiheit. In freien Gesellschaften besitzen die Bürger Waffen – ohne dafür um eine Genehmigung ansuchen zu müssen. Diktaturen dagegen fürchten den wehrhaften Bürger. In einer Zeit, in der Staaten und Imperien über Überwachungs-, Kontroll- und Unterdrückungsinstrumente verfügen, die bis vor wenigen Jahrzehnten noch unvorstellbar waren, gilt das – so paradox es auch scheinen mag – umso mehr.

Zum Schluss sei einer der Gründerväter der USA, Thomas Jefferson, zu dieser Frage zitiert: “The strongest reason for the people to retain the right to bear arms is, as a last resort, to protect themselves against tyranny in government.”

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Liberalismus begeistert mehr denn je drucken

Obwohl in den deutschsprachigen Medien kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein Abgesang des klassischen Liberalismus angestimmt wird, wachsen die European Students For Liberty weiter. Mit unserer Hilfe wurden mehr als 200 Studentengruppen in 36 europäischen Ländern gegründet (weltweit sind es bereits über 1000). Wir sehen uns als einen „Serviceprovider“ für klassisch-liberale Studenten und möchten deren primäre Anlaufstelle an den europäischen Universitäten werden. Zu diesem Zweck stellen wir kostenlos Ressourcen (z.B. Bücher oder Onlineseminare), Trainings und Netzwerkmöglichkeiten zur Verfügung.

Unser Ziel ist es, die Ressource für klassisch-liberale Studenten zu werden. Der Fokus liegt auf Studenten, da unsere Theorie des sozialen Wandels auf langfristige Veränderungen in der Denkweise der Gesellschaft abzielt. Das heißt, wir möchten den jungen Menschen so früh wie möglich die klassisch-liberalen Ideen näher bringen, damit sie diese während ihres weiteren akademischen und beruflichen Werdegangs verbreiten können.

Regionalkonferenz am 23. November in München

Nachdem die fünf Regionalkonferenzen im letzten Jahr – mit insgesamt mehr als 570 Teilnehmern – auf großen Anklang gestoßen sind, veranstalten wir diesen Herbst zehn weitere solcher Konferenzen (für die gesamte Liste hier klicken), zu denen wir Sie hiermit sehr herzlich einladen möchten.

Die Konferenz in München wird am 23. November 2013 in deutscher Sprache abgehalten. Das Programm beinhaltet prominente Redner, wie z.B. Gerd Habermann (Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft E.V.), Christian Hoffmann (Universität St. Gallen/Liberales Institut), Matt Kibbe (FreedomWorks), Barbara Kolm (Hayek Institut/Austrian Economics Center), Prinz Michael von Liechtenstein, Rolf W. Puster (Universität Hamburg) und Franz Schellhorn (Agenda Austria). (Für das gesamte Programm hier klicken)

Was uns European Students for Liberty von bereits bestehenden Organisationen unterscheidet, ist unsere Struktur und Schwerpunktsetzung. Wir nehmen kein Geld vom Staat an und sind nicht politisch tätig. Als European Students For Liberty konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Ideen der Freiheit und deren Diskussion und Verbreitung. Wir schreiben dabei niemandem vor, welcher Weg zur Freiheit der beste ist. Vielmehr wollen wir genau darüber mit Ihnen – und möglichst vielen anderen Teilnehmern – diskutieren.

Aus diesem Grund würden wir uns sehr freuen, Sie am 23. November 2013 in München begrüßen zu dürfen.

Informationen:

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig und studiert „International Affairs and Governance“ an der Universität St. Gallen. Sie können ihn unter der E-Mail-Adresse mlandl@studentsforlibery.org erreichen.

Weiterführende Links:
European Students For Liberty
Regionale Konferenzen
Regionale Konferenz München 

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Homoehe in Österreich? – eine spannende juristische Auseinandersetzung drucken

Gemäß einem Kurier-Artikel von Mitte Oktober 2013 kommt das Thema Schwulen-Ehe vor den Verfassungsgerichtshof.

Der Titel des Kurier-Artikels:

Schwulen-Ehe ist vor Höchstrichtern
Gleichberechtigung: Verfassungsgerichtshof könnte die geltende „Verpartnerung“ kippen.

Die wichtigsten Passagen daraus:

Dürfen Schwule und Lesben in Österreich heiraten? Nein, sagt der Gesetzgeber. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen sich zwar „verpartnern“, klassisch heiraten oder Kinder adoptieren bleibt ihnen aber verwehrt. Bis jetzt.

Denn zwei Verfahren, die ein niederländisches Paar beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) angestrengt hat, könnten dazu führen, dass Österreich gleichgeschlechtliche Ehen nun doch zulässt bzw. zulassen muss.

Worum geht es? Zwei Niederländer sind vor Jahren in den Bezirk Kitzbühel gezogen, sie betreiben hier eine Ferien-Pension, alles läuft wunderbar. Irgendwann waren sich die schwulen Unternehmer aber nicht sicher, ob sie in Österreich weiter als verheiratet gelten.

Eigentlich wäre das eine Selbstverständlichkeit. Erstens haben sie rechtskräftig in den Niederlanden geheiratet und zweitens gilt zwischen EU-Staaten das Prinzip, dass eine gültige Ehe im Staat A auch von Staat B anerkannt wird. Um sicher zu gehen, gingen die Wahl-Tiroler auf die Gemeinde und baten, die standesamtliche Hochzeit zu wiederholen. Der Beamte weigerte sich, schrieb einen Bescheid – und den bekämpft das Paar jetzt vor dem VfGH.

„Es gibt keinen Grund, warum meine Mandanten plötzlich auf ein Institut zweiter Klasse zurückgestuft werden. Das ist eine Diskriminierung“, sagt Anwalt Helmut Graupner zum KURIER.

Tatsächlich hat er gute Argumente, warum ihm die Höchstrichter recht geben könnten. Das entscheidende Stichwort ist die „Freizügigkeit“, also das Prinzip, wonach EU-Bürger nicht davon abgehalten werden dürfen, sich frei in der EU zu bewegen.

„Der EuGH hat beispielsweise beim Namensrecht mehrfach entschieden, dass etwa spanische Doppelnamen auch in jenen Ländern anerkannt werden müssen, die grundsätzlich keine Doppel-Namen vorsehen“, sagt Graupner.

Selbiges gilt laut Graupner für den Ehe-Status.

Als österreichischer Staatsbürger seit Geburt stellen sich für mich einige Fragen dazu:

Zwei in Holland verheiratete Männer sind also nach Österreich gezogen

  • Ist diesen beiden nicht zuzumuten, dass sie sich vorher erkundigen und feststellen, dass Österreich eine andere Ehe-Gesetzgebung durch eine andere Auffassung von „Ehe" hat?
    • Wenn ich in ein anderes Land auswandere, so würde ich mich vorher erkundigen wie dort die Gesetze sind und somit die Gesetze des Gastlands respektieren und einhalten.
    • Immerhin betreiben die beiden im Bezirk Kitzbühel eine Pension, also müssen sie überdurchschnittlich intelligent, überdurchschnittlich qualifiziert und überdurchschnittlich vermögend sein. Also warum erkundigten sie sich nicht vorher?
  • Als Staatsbürger würde ich denken, dass es sich hier um keine EU-Kompetenz handelt und es der EU somit nicht zusteht, in die nationale Gesetzgebung einzugreifen und einem Land sozusagen die Homo-Ehe „durch die Hintertür aufzuzwingen".
  • Wie sieht es mit der Verhältnismäßigkeit aus?
    • Es ist nur eine ganz geringe Anzahl von Menschen die gleichgeschlechtlich verheiratet sind und die aus Holland, Belgien, oder Spanien etc. nach Österreich übersiedeln.
    • Es ist eigentlich nur eine Handvoll Menschen. Wie kann es sein, dass so wenige Menschen einer Nation mit 8,4 Millionen Einwohnern eine andere Ehe-Gesetzgebung aufzwingen können?
  • Wie lässt sich so etwas mit dem demokratischen Willensbildungsprozess gemäß Wahlen, Parlamentsmehrheiten, Regierungsbildung und Gesetzesbeschlüssen vereinbaren?
  • Wie kann man einem Land mit 8,4 Millionen Bewohnern ein anderes Ehe-Gesetz aufzwingen, wo doch so etwas eine neue Definition von Ehe und Familie bedeuten würde? Und somit die bisherige, traditionelle Förderung rund um den Schutz der Familie ins Absurde führen würde?

Es bleibt spannend wie diese Justizsache vor dem Verfassungsgerichtshof ausgehen wird.

Arthur Vinuly-Nordenfels ist ein Pseudonym. Der Autor hat zum Schutz für seine Familie um Anonymität gebeten. Er ist seit dem Start des Tagebuchs 2009 ein Dauerleser und oftmaliger Poster. Er beschäftigt sich intensiv mit politschen, gesellschaftlichen und weltanschaulichen Themen. 

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Die Banken als Bauernopfer der Politik drucken

„Alle Banker an den Galgen! Sie sind schuld an der Krise!“ Dieser populistische Ruf ist derzeit massiv mehrheitsfähig. Nur jene kleine Minderheit, die Zahlen und Ursachen genauer anschaut, erkennt: Weit mehr als neun Zehntel der Staatsverschuldung haben überhaupt nichts mit Banken zu tun, sondern nur mit der Ausgabenwut der Politik. Und jene Banken, die heute den deutschen und österreichischen Steuerzahler belasten, sind wiederum zu neun Zehntel staatlich, also selbst von der Politik kontrolliert.

Etwa rund um die Hypo-Alpe-Adria wird jetzt Managern ein Prozess nach dem anderen angehängt. Das ist aber ein reines Ablenkungsmanöver – außer in jenen Fällen, wo sich Manager persönlich bereichert haben. Die folgenschwersten Delikte rund um die Hypo-Katastrophe hat aber eindeutig die Politik selbst zu verantworten.

Auf die Anklagebank gehören in Wahrheit sämtliche Mitglieder der Kärntner Landesregierung. Denn sie haben auf Kosten der Steuerzahler der Bank grob fahrlässig Garantien für deren Anleihen gegeben, die ein Zehnfaches des Kärntner Budgets ausmachen. Und sie haben – Jörg Haider an der Spitze, aber keineswegs alleinschuldig – immer wieder Druck auf die Bank ausgeübt, von diesem Geld Kredite an politische Lieblingsprojekte zu vergeben. So hat das Land, statt direkt eine regionale Fluglinie zu finanzieren, die Bank dazu „motiviert“.

Auf die Anklagebank gehören aber auch die Mitglieder der bayrischen Landesregierung, welche die Hypo gekauft und dann schuldhaft in einen noch aggressiveren Kurs als davor hineingetrieben haben.

Ebenso auf die Anklagebank gehören die Mitglieder der österreichischen Bundesregierung, die sich 2009 von den Bayern abenteuerlich die Bank andrehen haben lassen. Deswegen müssen jetzt vermutlich alleine die österreichischen Steuerzahler all das bezahlen, was unter Kärntner und bayrischer Verantwortung passiert ist. Die Regierung hat dabei nicht einmal eine Schadensminimierung versucht, also die juristische Wahrung aller Ansprüche gegen Bayern und die sofortige Gründung einer Bad Bank. Zugleich wurde die Bank danach erneut extrem schlecht geführt.

Das heißt nun nicht, dass man nicht jedem einzelnen Kredit der Vergangenheit nachgehen sollte. Das heißt aber:

  • dass man zuerst die großen, die politischen Täter verfolgen sollte;
  • dass man der EU auch einmal dankbar sein muss, weil sie die marktverzerrende Finanzierung von Banken durch öffentliche Haftungen verboten hat;
  • und dass noch nie klarer bewiesen worden ist, dass die Politik als Eigentümer von Unternehmen fast immer nur Unsinn macht. Bei Banken, bei Energieversorgern, bei Flughäfen, bei Bahnen, bei Sportanlagen.

Der Staat (also die Politik) macht jetzt jedoch in einem großen Ablenkungsmanöver nur den Managern (also den Erfüllern politischer Wünsche) den Prozess. Diese sind damit Bauernopfer und Kanonenfutter, wie man früher die Opfer der politischen Macht genannt hat.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Tschechen machen Freude, die Tschechen machen Sorgen drucken

Die tschechische Linke hat einen argen Dämpfer bekommen – an Stelle des von vielen internationalen Medien schon bejubelten Wahlsieges. Statt dessen haben die nördlichen Nachbarn massenweise zwei Parteien gewählt, die von Milliardären über Nacht auf der grünen Wiese gegründet worden waren. Daraus kann man gleich mehrere Lektionen ableiten.

Eine erfreuliche Lektion: Die bisherigen – rechten – Regierungsparteien haben zwar das Land in einen im Vergleich mit vielen anderen Ländern exzellenten wirtschaftlichen Zustand gebracht. Sie sind aber zu Recht schwer abgestraft worden. Denn zumindest in Tschechien wird von den Wählern Korruption nicht stillschweigend geschluckt. Gut so.

Während ja etwa in der benachbarten Stadt Wien die Bestechung willfähriger Medien mit hunderten Millionen Steuer-Euro von den Wählern ebenso ignoriert wird wie die Zuschiebung eines PR-Auftrags um weitere 130 Millionen an den – vorsichtig ausgedrückt – sehr SPÖ-nahen Bohman-Verlag. Anders formuliert: Politische Sauberkeit ist den tschechischen Wählern ein Anliegen, aber nicht den Wienern.

Noch eine erfreuliche Lektion: Die tschechischen Sozialdemokraten schneiden noch schwächer ab als die österreichischen oder deutschen. Auch das spricht zumindest aus einem Punkt für die große Weisheit der Wähler: Hatten die Sozialdemokraten doch vor der Wahl ganz offen angekündigt, mit Hilfe der Kommunisten regieren zu wollen.

Das hat ihnen sehr geschadet.

Denn die Tschechen wissen noch sehr genau, was für ein Menschenschlag Kommunisten sind. Bis vor einem Vierteljahrhundert haben diese Tausende wegen ihrer politischen Ansichten ins Gefängnis geworfen, haben Hunderte Menschen ermordet, haben einem ganzen Volk die Freiheit geraubt, und haben das einst im Vergleich zu Österreich reiche Land in arge Armut gestürzt. Dabei war die Tschechoslowakei das einzige Land Europas, wo die Kommunisten anfangs demokratisch eine Mehrheit errungen hatten.

Wenig hilfreich für die Sozialdemokraten sind aber auch die schweren inneren Zerwürfnisse in der Partei. Sie landeten daher mit 20 Prozent nur ganz knapp am ersten Platz. Wähler wählen niemanden Zerstrittenen. Hauptschuld an diesen Zerwürfnissen trägt der sozialdemokratische Staatspräsident Zeman. Er führt seit Jahren einen unbarmherzigen Feldzug gegen seine innerparteilichen Gegner (zumindest dann, wenn er gerade nüchtern ist).

Diese Spaltung hätte die Sozialdemokraten sogar dann schwer belastet, wenn sie wie geplant zusammen mit den Kommunisten oder anderen Linksparteien die Mehrheit gehabt hätten (die anderen Linksparteien sind aber nicht einmal ins Parlament gekommen).

Noch eine erfreuliche Prognose: Die tschechischen, deutschen und österreichischen Wahlen sind auch ein positiver Vorgeschmack auf die 2014 fälligen EU-Wahlen: Da wird es sicher keinen Linksruck geben.

Neben diesen erfreulichen Nachrichten von der tschechischen Verwandtschaft gibt es freilich auch zwei unerfreuliche. Die eine ist eben das Machtverständnis von Präsident Zeman. Es wollte und will ohne Rücksicht auf parlamentarische Mehrheiten einen Regierungschef nach eigenem Gutdünken einsetzen. Solche Pläne eines Staatspräsidenten sind in einer europäischen Demokratie ungehörig und einmalig (wenn man einmal von kurzfristigen, aber – angeblich wegen der heftigen Kommentarkritik des Tagebuch-Autors – nie realisierten Überlegungen eines Thomas Klestil aus dem Jahr 2000 absieht).

Zeman hingegen hat einen solchen frechen Demokratiebruch aber schon einmal begangen: Er hat vor ein paar Monaten eine Regierung gegen die Mehrheit des Parlaments inthronisiert. Dagegen hat es erstaunlicherweise keinen Protest aus der EU gegeben.

Das ist nur damit erklärbar, dass Zeman eben ein Sozialist ist. Es sind ja immer nur die Linksfraktionen (grün, rot, linksliberal nach LIF-Art), die ständig mit Schaum gegen die innenpolitischen Verhältnisse in einzelnen Mitgliedsstaaten agitieren. Wie etwa einst gegen Österreich oder zuletzt gegen Ungarn. Obwohl es dort keinerlei mit Tschechien vergleichbare Verletzungen der Demokratie gibt.

Das, was Herr Zeman da neuerlich tun will, hat übrigens zuletzt ein gewisser Franz Josef getan. Es ist überraschend, dass ein tschechischer Präsident ausgerechnet den bei seinen Landsleuten ungeliebten „alten Prochazka“ zum Vorbild zu nehmen versucht.  

Ebenfalls problematisch – wenn auch nicht ganz so schlimm wie Zemans Verhalten – ist ein weiterer Aspekt dieser Wahlen: Die einzigen wirklichen Wahlsieger sind zwei von reichen Unternehmern neu gegründete Parteien. Sie haben 19 beziehungsweise 7 Prozent errungen. Das erinnert lebhaft an zwei ebenfalls neu ins österreichische Parlament gekommene Parteien. Solche früher unbekannten Parteien finden heute zunehmend Unterstützung von Protestwählern. Freilich: Klare inhaltliche Gestaltungsvorstellungen über ihre hohlen Phrasen hinaus haben sie bisher nicht.

Das intellektuelle Vakuum dieser derzeitigen Erfolgsparteien zeigte sich in Tschechien schon in den ersten Stunden nach der Wahl. Die Siegerpartei kündigte dort nämlich sofort an, nicht regieren, sondern in Opposition gehen zu wollen. Dadurch hat vorerst keine mögliche Koalition eine Mehrheit.

Das aber kann genauso wie Zemans Verhalten die Demokratie zerstören. Es ist jedoch kein tschechisches Spezifikum. Denn in immer mehr Ländern findet man Parteien, die nur bei Wahlen reüssieren, aber keineswegs regieren wollen. Oder höchstens irgendwann einmal, wenn ihnen die Wähler eines Tages die absolute Mehrheit geben sollten.

Das aber werden wohl weder die Herrn Babis und Okamura (in Tschechien) noch Herr Grillo (in Italien), noch die Herren Stronach oder Strache schaffen.

Kritisieren und gegen alles zu sein ist bequem und populär. Eine politische Perspektive für das jeweilige Land ist das aber nicht.

Das führt vielmehr immer zur gleichen Konsequenz: zu notdürftigen Koalitionen zwischen Mitte rechts und Mitte links. Nach Deutschland und Österreich droht das nun auch in Tschechien. Und wenn dann einmal auch diese einst „großen“ Koalitionen keine Mehrheit mehr haben, dann droht dem Land die Unregierbarkeit. Die einen haben keine Mehrheit. Die anderen wollen nicht regieren. Wem auch immer das nutzen soll.

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FN 515: Ein Parlament gegen die Bürger drucken

Und wieder will das EU-Parlament mehr Geld ausgeben (lassen), als die Regierungen beschlossen haben. Und auch als die Kommission verlangt hat.

Mag sein, dass manchen Menschen 1,3 Milliarden Euro nicht gar so viel vorkommen, also jene Summe, die das Parlament 2014 mehr ausgeben will als die versammelten Finanzminister. Dennoch sollten sich die – demnächst zur Wahl anstehenden – Abgeordneten schon eines fragen: Ist auch nur einer von ihnen deswegen gewählt worden, damit er ständig für noch mehr Ausgaben auf Kosten der Bürger agitiert? In Bezug auf Sparen und Bekämpfung von Betrug sowie Verschwendung hört man hingegen sehr wenig aus dem Brüssel-Straßburger Wanderzirkus.

 

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Wie sehen die Österreicher ihr Land im Vergleich zur Rest-EU? drucken

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Die Vorteile der direkten Demokratie drucken

Die Einführung von mehr direkter Demokratie hat viele Vorteile, die der öffentlichen Diskussion gar nicht bewusst sind. Sie ist vor allem Garant gegen Anlassgesetzgebung und gegen schlechte Huschpfusch-Gesetze. Beides ist in den letzten Jahren in Österreich ja fast die dominierende parlamentarische Mode geworden. In Ländern mit direkt demokratischen Instrumenten wirkt die Phase vor dem Referendum hingegen durch ihre Dauer und ihre öffentlichen Diskussionen versachlichend und beruhigend.

Es ist immer wieder beeindruckend, wie nüchtern etwa in der Schweiz von den Medien und Bürgern alle Pro- und Kontra-Argumente dargelegt und abgewogen werden. Daher sollten auch die österreichischen Parteien endlich lernen, dass es bei einem Referendum um die Sache und nie um einen Politiker (beispielsweise um den einst angekündigten Rücktritt Bruno Kreiskys) gehen sollte.

Auch die – eigentlich nur aus populistischen Motiven angeordnete – Bundesheerabstimmung des vergangenen Winters hat bei den Österreichern solche Abwägungen in breiter Front ausgelöst. Bei den Wählern noch mehr als bei den Medien. Diese behandelten die Abstimmung so wie die Parteisekretariate noch immer verfehlterweise als parteipolitische Angelegenheit.

Das sind Referenden aber nur noch für einen kleinen Prozentsatz der Bürger. Die Mehrzahl hingegen hat im Winter weitestgehend sachlich, nicht parteipolitisch über das Heer nachgedacht. Und dann entschieden.

Dennoch äußern nach wie vor viele Politiker und Beamte Einwände gegen die direkte Demokratie. Der am häufigsten vorgebrachte: Sie warnen, dass das Volk in dieser oder jener Frage „falsch“ entscheiden könnte.

Das ist in Wahrheit ein skandalös provozierender Einwand. Denn er geht davon aus, dass irgendjemand da oben das absolute, oder zumindest ein höherrangiges Wissen über „falsch“ oder „richtig“ habe. Aber die Demokratie ist nicht zuletzt deshalb entstanden, weil man erkannt hat, dass niemand und niemandes Wissen höherwertig sind. Die Elite – und damit die Machthaber – versucht jedoch, sich moralisch und intellektuell über das zu bevormundende Volk zu erheben. Motto: „Wir wissen‘s besser.“

Das ist reine Anmaßung, und hat auch keine Grundlage in der Verfassung oder in der Rechtsphilosophie. Dahinter verbirgt sich auch der Gesinnungsterrorismus der Political correctness, der den Menschen eine wachsende Menge an Denk-, Sprech- und Verhaltensregeln aufzwingen will. Zugleich versucht er diese Regeln als höherwertig denn normale (=abänderbare) Gesetze einzustufen.

Diese Haltung verwandelt den alten Scherz über die Verfassung in beklemmende Wirklichkeit: Das Recht geht vom Volk aus, aber es ist nie wieder zum Volk zurückgekehrt; denn eine herrschende Mandarinen-Klasse hat es sich inzwischen angeeignet.

Diese hält das Volk für ungeeignet, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Sich selber hält diese Klasse hingegen für sehr gut geeignet, auch die Angelegenheit anderer Menschen zu regeln. Ihre wahren Motive sehen freilich ein wenig anders aus. Bei vielen Abgeordneten hört man primär egoistische und geradezu primitive Bedenken. Etwa des Inhalts, dass bei den Referenden dann die Politikerbezüge oder Parteiförderung reduziert würden.

Die Behauptung der Überlegenheit repräsentativdemokratischer Abstimmungen wird durch die Realität jedenfalls total ad absurdum geführt. So schlechte, so überflüssige, so populistische, so viele nachhaltig zum ökonomischen und gesellschaftlichen Kollaps führende Gesetze, wie sie die repräsentative Demokratie in den letzten Jahren produziert hat, bringt das Volk nie und nimmer zusammen.

Die Staatsschulden oder der Zustand der Universitäten oder das seit Jahrzehnten gesunkene(!) Pensionsantrittsalter oder die vielen verfehlten Schulreformen oder die überflüssig teure Rettung von Hypo und Kommunalkredit oder die Aufblähung der bürokratischen Regulierungsmenge: All diese Beispiele zeigen ein Versagen der repräsentativen Demokratie.

Diese versucht ständig eilfertig, vermeintlichen Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen. Jedoch hätten die Bürger selbst die meisten Unsinnigkeiten der repräsentativen Demokratie gar nie beschlossen, wenn sie selbst die Letztverantwortung hätten. Denn meistens werden ja nur lautstarke Lobbies bedient. Und dort, wo sich die Bevölkerung für eine Schimäre engagiert, tun die repräsentativen Politiker aber auch gleich servil mit. Siehe etwa Neutralität.

Man kann übrigens die um das eigene Überleben bangenden Politiker trösten: Das Parlament bleibt ohnedies das entscheidende Gremium, und zwar in all jenen Fällen, wo niemand die vielen Unterschriften für ein Referendum zustandebringt. Daher werden die meisten Aufgaben der Parlamentarier weiterlaufen – aber vielleicht mit mehr Nachdenken verbunden, ob man auch gut begründet agiert. Zugleich nimmt direkte Demokratie viel des derzeit ständig wachsenden Erwartungsdrucks von den Parlamentariern. In Wahrheit wissen die ja längst selber, dass sie immer weniger die vielfältigen und widersprüchlichen Erwartungen erfüllen können, die an sie gestellt werden.

Eine Reform nach Schweizer Muster wäre daher absolut richtig. Schwarz, Blau und meist auch Grün sind ja bei ihren Reformüberlegungen der letzten Jahre auch von diesem Ziel ausgegangen. Also: verpflichtende direktdemokratische Abstimmungen im Falle einer erfolgreichen Unterschriftensammlung für oder gegen ein Gesetz. Aber inzwischen ist unter dem Druck der SPÖ und einiger schwarzer Bedenkenträger das Projekt stark verstümmelt worden. Auch Grün und zum Teil Blau haben anscheinend die Lust ein wenig verloren.

Die ersten Entwürfe Richtung direkter Demokratie sind im Sommer fertiggestellt worden. An diesen wird öffentlich vor allem die Festlegung einer sehr hohen Grenze für die notwendige Unterschriftenzahl kritisiert. 10 beziehungsweise 15 Prozent der Wähler sind eine gewaltige Menge. Diese muss man binnen einer Woche in die Amtsstuben bringen, damit die Menschen dort das einleitende Volksbegehren unterschreiben (und sich dabei vor politisch vielleicht andersdenkenden Funktionären outen!). In der Schweiz sind hingegen je nach Materie nur 50.000 beziehungsweise 100.000 Unterschriften nötig. Also maximal ein Sechstel.

Noch viel schlimmer aber als bei der notwendigen Unterschriftenzahl fällt der Vergleich in Hinblick auf den Zeitraum aus: Die Schweizer haben ein halbes Jahr Zeit, um die nötigen Signaturen zu sammeln. Bei uns gibt es nur eine Woche.

Am ärgerlichsten aber ist die umfangreiche Liste der Bereiche, über die nicht abgestimmt werden darf. Dabei geht es vor allem um das EU-Recht. Während es noch nachvollziehbar ist, dass gegen dessen Geltung keine sinnvollen Referenden möglich sind, wären Referenden bei der Frage der Schaffung neuen EU-Rechts sehr wohl möglich und sinnvoll.

Denn absurderweise bestimmen über neue EU-Gesetze (Richtlinien oder Verordnungen) in den EU-Räten einzig und allein die zuständigen Ressortminister. Die im österreichischen Ministerrat immer vorgeschriebene Einstimmigkeit ist dabei nicht notwendig. Zwar könnte das österreichische Parlament das Abstimmungsverhalten jedes Ministers durch einen Beschluss vorweg auch inhaltlich festlegen. Aber nur wenn es will. Und es will nie. Denn die Koalition hat sich auf eine skandalöse Linie festgelegt: Die Schwarzen reden den roten Ministern nicht drein, und die Roten nicht den schwarzen Ministern. Dass nachher auch noch das EU-Parlament abstimmt, ist da absolut kein Trost. Denn dieses ist nicht nur total undemokratisch gewählt (ein deutscher Abgeordneter vertritt 811.000 Menschen, einer aus Malta nur 67.000!), ihm fehlt auch die nationale Gesamtverantwortung einer Regierung.

Provozierenderweise sollen die Bürger künftig also bei EU-Themen nicht einmal das dürfen, was das Parlament kann. Direkte Demokratie hin oder her. Dabei geht es in der EU wirklich um Wichtiges: Denn im EU-Rat können Minister im Alleingang zusammen mit ihren 27 Kollegen aus den anderen Ländern Gesetze für die ganze EU genehmigen oder blockieren. Und die sind auch inhaltlich meist wichtiger als normale österreichische Gesetze.

Minister sind also via EU viel mächtiger als innerösterreichisch. Daher wäre es absolut logisch, dass sie bei ihrer europäischen Gesetzgebertätigkeit künftig durch Referenden zwingend gebunden werden können. Denn, auf einen Satz gebracht: Wenn man die direkte Demokratie ernst und nicht nur als Augenauswischerei versteht, dann muss künftig das Volk dieselben Möglichkeiten wie das Parlament bekommen.

Noch ein weiteres schweres Manko prägt die kursierenden Entwürfe für mehr direkte Demokratie: Sie beschneiden die Rechte des Volkes bei Verfassungsgesetzen zusätzlich. Bei diesen soll das Quorum für eine erfolgreiche Einbringung noch um 50 Prozent höher sein als bei normalen Gesetzen. Das hat keinerlei Berechtigung. Denn im Parlament braucht es ja auch nicht mehr Abgeordnete als sonst, um eine Verfassungsänderung vorzuschlagen. (Die „Verfassungsmehrheit“ ist nur bei der Abstimmung, nicht aber bei der Einbringung nötig). Und auch bei der allerhöchsten Stufe, einer Gesamtänderung der Verfassung, ist nur eine Mehrheit bei einem Referendum notwendig. Nicht mehr. Dass ausgerechnet in diesem - einzigen - Fall die Verfassung eine Volksabstimmung sogar vorschreibt, zeigt aber auch, dass die ursprünglichen Verfassungsautoren durchaus das Volk als alleroberste Instanz angesehen haben.

Aber heute will der Machtdünkel der Politik das Volk weiterhin von wirklichen Entscheidungen möglichst fernhalten. Mit allen möglichen Tricks.

Überdies schafft sich das Parlament laut dem Entwurf die Möglichkeit, durch fünfmonatige Ausschussberatungen und Verhandlungen den Antrag wieder zu verwässern. In der Schweiz ist hingegen eine Volksabstimmung ein automatisches Muss, wenn das Parlament nicht zur absoluten Gänze dem von Bürgern begehrten Entwurf zustimmt.

Zugleich wollen Rot und Schwarz die Bundeswahlbehörde sowie den Verfassungsgerichtshof bei solchen Verwässerungen durchs Parlament in eine Schiedsrichterposition bringen. Der VfGH ist jedoch ein auf Jahrzehnte absolut unaufbrechbares Machtrefugium von Rot und Schwarz. Alle Verfassungsrichter sind ausschließlich auf einem Ticket einer dieser beiden Parteien dort hineingesegelt. Damit haben Rot und Schwarz auf Jahrzehnte einen starken Verhinderungshebel in der Hand.

Wenn man Schweizern diese Rolle des VfGH erklärt, schütteln sie nur entgeistert den Kopf. Kennen Sie doch eine solche Institution gar nicht. Das einzige, was es dort gibt, ist das Recht der Regierung, zu einer Volksabstimmung ihre Meinung zu sagen und dann eventuell neben der eingebrachten Formulierung den Bürgern auch noch eine eigene zur Abstimmung vorzulegen.

In Österreich hingegen wird der Souverän behandelt wie ein Kindergartenkind, das man ständig fest an der Hand halten muss.

Die allergrößte Einschränkung der Bürgerrechte liegt aber im Bereich der in ihrer Urform zweifellos unabdingbaren Menschenrechte. Den Bürgern ist aber noch viel zu wenig bewusst: Unter Berufung auf die angeblich notwendige ständige Fortentwicklung der Menschenrechte haben sich die obersten Richter Österreichs und Europas Schritt für Schritt ein unglaublich weitreichendes politisches Gestaltungs- und Einmischungsrecht geschaffen. Dadurch gilt in hohem Ausmaß Richterrecht – total an Geist und Buchstaben der Menschenrechtskonvention und der Verfassung vorbei. Diese haben ja die Schaffung von neuem Recht eigentlich exklusiv dem Gesetzgeber vorbehalten.

Die Schöpfer der Verfassung und Menschenrechtskonvention haben offensichtlich die expansive und machtbewusste Partisanentaktik von Richtern unterschätzt. Fast in ganz Europa haben diese unter Berufung auf "Menschenrechte" ihre Macht ständig ausgeweitet. Dadurch nähert sich die europäische Realität immer mehr den USA an. Dort sind es ja auch die Richter und nicht der eigentlich gewählte Kongress, die über fundamentale Fragen wie Schwulenehe oder Abtreibung entscheiden.

Da aber die Parlamente der eigenen Entmachtung jahrzehntelang tatenlos zugesehen haben, sollen nun offenbar auch die (vielleicht eines Tages) direktdemokratisch entscheidenden Stimmbürger sofort wieder weitgehend entrechtet sein.

Dieser Beitrag beruht in großen Teilen auf einem Aufsatz, den ich für einen Sammelband der Wochenzeitung „Zur Zeit“ zum Thema „Direkte Demokratie“ geschrieben habe.

 

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Welche Staaten verstoßen am öftesten gegen EU-Recht? drucken

Anzahl der EU-Vertragsverletzungsverfahren pro Staat 2012

 

Staat Verfahren
Italien

99

Belgien

92

Spanien

91

Polen

82

Griechenland

81

Portugal

67

Frankreich

63

Ver. Königreich

61

Deutschland

61

Österreich

51

Bulgarien

46

Rumänien

44

Finnland

43

Zypern

43

Ungarn

42

Niederlande

41

Slowenien

39

Irland

39

Schweden

36

Tschechien

36

Luxemburg

34

Slowakei

33

Dänemark

27

Malta

26

Estland

24

Litauen

22

Lettland

20

Quelle: EU-Kommission

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FN 513: Erfreulicher Mut im EU-Parlament drucken

Eine radikalfeministische Vorlage aus einem rot-grün dominierten Ausschuss ist im Plenum des EU-Parlaments jetzt abgeschmettert worden.

Das ist ebenso überraschend wie erfreulich. Denn normalerweise werden Ausschussberichte auch im Plenum angenommen. Die Debatte im Plenum war so heftig und emotional wie schon lange nicht. Sie ist aber letztlich mit 351 zu 319 gegen die radikalen Befürworter von Abtreibung, Sexualisierung selbst kleinster Kinder und Einschränkung der Gewissensfreiheit (insbesondere in allen medizinischen Bereichen) ausgegangen. Damit hat die Bürgerinitiative „One of us“ auch wieder deutlich mehr Chancen für ihre Initiative zur Betonung auf menschlicher Würde.

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Quo vadis Südtirol? drucken

Bei der Landtagswahl am Sonntag geht es diesmal mehr denn je um die Zukunft des Tiroler Etschlandes.
„Siamo in Italia“ – wie unter ihresgleichen üblich, kanzelt ihn die Polizistin ab. Der Urlauber aus Österreich hatte sie unweit des Bozner Walther-Platzes auf Deutsch gebeten, sie möge, da die Parkzeit für sein Fahrzeug erst seit zehn Minuten abgelaufen sei, doch „Milde“ walten lassen, und zur Antwort ein „Non capisco“ („Ich verstehe nicht“) erhalten. Woraufhin er sie höflich, aber wirkungslos auf das im Südtiroler Autonomiestatut verankerte Zweisprachigkeitsgebot für öffentlich Bedienstete hinwies.

Für Roland Lang vom Heimatbund (SHB) ist das Alltag. Seit Jahren verlangen die Oppositionsparteien Süd-Tiroler Freiheit (STF), Freiheitliche (F) und BürgerUnion (BU) – nicht zuletzt aber auch die seit 1948 regierende Südtiroler Volkspartei (SVP) – die Einhaltung dessen, was gemäß dem mühsam erkämpften, im Statut von 1972 festgeschriebenen sowie nach der österreichisch-italienischen Streitbeilegung von 1992 noch erheblich ausgeweiteten Selbstverwaltungskompetenzen eigentlich verbrieftes Recht ist, aber von Rom oder dessen Statthaltern an Eisack und Etsch mäßig oder gar nicht vollzogen, verschleppt oder einfach ignoriert wird.

Wenn es eines nachhaltigen Beweises für die Missachtung statuarischer Bestimmungen des Autonomie-Pakets durch die römische Politik bedurfte, so lieferte ihn „Übergangsregierungschef“ Mario Monti, als vormaliger EU-Kommissar ein „Vorzeigepolitiker des demokratischen Italien“, der ungeniert in die Selbstverwaltungsrechte der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol eingriff. Das ist zwar schon wieder Geschichte, und Monti hat sogar der von ihm gegründeten Partei SC den Rücken gekehrt. Doch unter dem alerten Enrico Letta, dem am Faden von Berlusconi(s PdL) hängenden Ministerpräsidenten, mit dessen linkslastiger Partei PD die SVP – erstmals überhaupt – ein Bündnis einging, wird der römische Griff nach den Subsidien der „reichen Provinz“ unterm Alpenhauptkamm kaum nachlassen.

Deren Prosperität ist allerdings längst nicht mehr so, wie sie in der zu Ende gehenden „Ära Durnwalder“ zweifellos war. Doch Lettas Hand ist geschmeidig und sein Ton moderater als der Berlusconis und selbst Montis gegenüber dem „Alto Adige“.

Während dort seit Magnagos Zeiten ordentlich regiert und verwaltet wird, schieben Italiens Regierungen und Finanzminister – ganz gleich, wer sie stellt(e) – seit Jahrzehnten einen Schuldenberg vor sich her, der sich an 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bemisst. Was der von der SVP quasi in „vorauseilendem Gehorsam“ unterstützte Letta daher finanz-, steuer-, und sozialpolitisch zu beschreiten gezwungen ist, wird letztlich die Südtirol-Autonomie weiter entwerten.

Aus alldem und anderem mehr leitet sich für die nicht-italienische Opposition zwingend ab, dem maroden Italien ein für allemal den Rücken zu kehren. Für SHB und STF, auch für den Südtiroler Schützenbund (SSB) ist die Autonomie lediglich ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Wiedervereinigung mit Tirol. Gemeinsam ist STF, F und BU das „Los von Rom“, über den zu beschreitenden Weg gehen die Ansichten auseinander. Daher finden sie auch nicht zur nötigen Geschlossenheit, oder sei es nur zu einer gemeinsamen „Plattform“, wie sie Pius Leitner, Spitzenkandidat der Freiheitlichen, anregt.

Gemeinsam kämpfen sie gegen die SVP, aber jeder kämpft für sich allein. Das mag für das erhoffte Erstarken der jeweiligen Repräsentanz im künftigen Landtag, der am 27.10. neu gewählt wird, zielführend sein, um die absolute Mehrheit (der Sitze) der SVP zu brechen. Für das Fernziel – Unabhängigkeit und Eigenständigkeit als Freistaat, wie ihn die Freiheitlichen anstreben, oder über Ausübung des Selbstbestimmungsrechts erwirkte Wiedervereinigung mit dem Bundesland Tirol, damit die Rückgliederung an Österreich, wie ihn STF und BU propagieren, mithin also für die Loslösung von Italien – ist die Aufsplitterung der oppositionellen Kräfte allerdings mehr als hinderlich.

Das „Los von Rom“ bestimmte indes den gesamten Landtagswahlkampf, überlagerte alle anderen Themen. Dies rührte maßgeblich vom seit 1. September bis 30. November quasi parallel laufenden „Selbstbestimmungs-Referendum“ her, welches allein von der STF betrieben wird, beflügelt von Unabhängigkeitsbewegungen in Schottland und Katalonien und unterstützt von der österreichischen FPÖ, die in Gestalt des „Gesamt-Tiroler“ Nationalratsabgeordneten (und „Bergisel-Bund“-Vorsitzenden) Werner Neubauer häufig bei STF- und SSB-Aktionen anwesend ist.

Vom Wahlerfolg der FPÖ erhoffen sich auch die F unter Spitzenkandidat Pius Leitner stimmungsmäßig Auftrieb; nicht gänzlich bereinigte Animositäten, die auf Andreas Mölzers einstigem Versuch beruhten, im EU-Parlament eine Rechtsparteien-Achse unter Einbindung von Alessandra Mussolini, der Enkelin des Duce, zu schmieden, stehen indes einem engeren Verhältnis zu den „Gesinnungsfreunden“ in Österreich entgegen. Wegen des Übertritts eines bisherigen F-Landtagsabgeordneten (mitsamt Funktionären einer ganzen Bezirksparteiorganisation) zur BU, der es unter Spitzenkandidat Andreas Pöder auch gelungen ist, eine Listenverbindung mit einer Ladiner-Partei einzugehen, müssen die Südtiroler Freiheitlichen allerdings fürchten, einen Teil ihres bei der italienischen Parlamentswahl im Februar erzielten beachtlichen Stimmengewinns wieder einzubüßen.

Worauf die SVP ebenso setzt wie – nach dem Skandal um die Landesenergiegesellschaft SEL – auf den von ihr propagierten „Neustart“ unter ihrem Spitzenkandidaten Arno Kompatscher, der den seit 1988 im Amt befindlichen Landeshauptmann Luis Durnwalder beerben soll. Auffällig massiv warnt die SVP vor dem „Los von Rom“, vor Unabhängigkeitsbestrebungen, vor der Freistaatsidee der F und der Selbstbestimmungskampagne der STF und ihres Spitzenkandidaten Sven Knoll.

Da bemühte die wie ein SVP-Parteiorgan agierende Zeitung „Dolomiten“ zum einen den emeritierten Salzburger Zivilrechtler Franz Matscher, einen gebürtigen Südtiroler, der einst eine wenig rühmliche Rolle als österreichischer Generalkonsul in Mailand spielte, und ließ ihn als „Völkerrechtler“ gegen die (angeblichen Unwägbarkeiten der) Selbstbestimmung Stellung nehmen. Zum andern vereinnahmte die SVP, vom „Wahlerfolg der Schwesterparteien“ – Tiroler ÖVP, CSU in Bayern sowie CDU und CSU im Bund – beflügelt, Edmund Stoiber und Angela Merkel.

So „bestätigte“ der ehemalige bayerische Ministerpräsident im „Dolomiten“-Interview sowie auf einer Veranstaltung des SVP-Wirtschaftsflügels, dass die Sammelpartei „genau auf dem richtigen Weg“ sei und „mit Arno Kompatscher eine große Zugkraft“ habe. Und die deutsche Kanzlerin fand trotz beanspruchender Koalitionssondierungen in Berlin Zeit für Kompatscher und das Unterstützung signalisierende Photo mit ihm in den „Dolomiten“.

Dessen vorgetragener SVP-Konzeption von der „Vollautonomie“ – alle Kompetenzen nach Bozen, lediglich Außenvertretung und Militärwesen sollen in der Zuständigkeit Roms verbleiben – und von der „Zukunft Südtirols in einer Zusammenarbeit der Regionen in Europa“, stimmte die CDU-Vorsitzende pflichtschuldigst bei: Zwar gebe es „in Deutschland wie in Südtirol europafeindliche Tendenzen“, es sei aber „für eine Minderheit der europäische Weg der einzig gangbare“. Man wird am Landtagswahlergebnis auch ablesen können, wie viele Südtiroler diesem Weg folgen wollen.

Herrolt  vom Odenwald ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist.

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FN 512: Die EU, die Griechen und die österreichischen Betrüger drucken

Wenn die Gauner nur in Salzburg und sonst nirgendwo säßen!

Die EU-Statistikbehörde Eurostat bezweifelt wegen des Finanzskandals in Salzburg die von Österreich gemeldeten Defizit- und Schuldenstand-Zahlen für 2012. Was noch peinlicher ist: Österreich ist das einzige Land Europas, wo es diesen "Qualitätsvorbehalt" gibt. Als Österreicher kann man sich da nur in Grund und Boden genieren. Vor allem dann, wenn man weiß, was die EU offenbar noch nicht weiß: Denn es sind auch viele andere Bundesländer, die so lügen und betrügen, wie es jahrelang die Salzburger getan haben – bisher ohne strafrechtliche Konsequenzen für die Akteure (übrigens genauso wie bei dem noch viel größeren Betrug in Griechenland, für den auch nie irgendein Politiker vor Gericht gelandet ist!). Und die Bundesländer tun es weiterhin ganz ungeniert. Sie behaupten auch noch ganz frech, der Föderalismus gäbe ihnen das Recht, öffentliche Schulden und Haftungen geheim halten, ausgliedern und verstecken zu dürfen. So haben ja auch die Kaiser einst ihre Schulden vor den blöden Bürgern nie veröffentlichen müssen . . .

 

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Eine Union zerstört ihre Werte drucken

Strafen für jene Parteien, die nicht die Werte der EU vertreten! Diese Forderung der europäischen Sozialisten stößt auch in Teilen der EU-Kommission auf große Zustimmung. Dennoch ist völlig klar: Würde Europa solche Strafen wirklich einführen, verlässt es endgültig den Weg des demokratischen Rechtsstaats. Denn der baut auf weltanschaulicher Neutralität auf, wie sie etwa schon die österreichische Verfassung seit fast hundert Jahren ganz wertfrei verkörpert. Sobald diese Neutralität aufgegeben wird, ist Tür und Tor zu einem neuen Totalitarismus geöffnet.

Der Vorstoß Richtung Strafbarkeit ist umso chancenreicher, als im EU-Parlament auch Gruppierungen sitzen, die sich zwar als „liberal“ bezeichnen, die aber in Wahrheit große Sympathien für solche Ideen einer Wertekontrolle haben.

Jede Strafbarkeit für Meinungen und Werte ist aber ein schwerer Verstoß gegen die fundamentale liberale Grundidee der Aufklärung und aller in der Folge darauf aufbauenden Revolutionen und Verfassungen. Das oberste Verlangen der Aufklärung war der Ruf nach Meinungsfreiheit. In der Präzisierung von Voltaire: Auch wenn ich total den Inhalt dessen ablehne, was ein anderer sagt, so werde ich (als freiheitsbewusster Einzelmensch ebenso wie als Rechtsstaat) alles tun, damit dieser andere seinen Inhalt weiter verbreiten kann. Meinungsfreiheit nur für jene, die so denken wie man selbst, wäre ja nur eine Karikatur.

Auch Nazis und Kommunisten schützten ihre Werteordnungen

Um die Notwendigkeit der echten Meinungsfreiheit zu unterstreichen, denke man an die Geschichte der letzten paar Jahrhunderte, da es eben keine Meinungsfreiheit gegeben hat. Da wurde in der mariatheresianischen Zeit sogar der Messbesuch kontrolliert; da gab es in der Nazi-Zeit den Zwang, die nationalistischen, antisemitischen und rassistischen „Werte“ der Nazis zu unterstützen; da musste bis 1989 halb Europa die „Werte“ des Klassenkampfes und des ausbeuterischen Aufbaus sozialistischer Gesellschaften einhalten. In Wahrheit wurde freilich immer die eigene Macht geschützt.

Jetzt droht also die Verordnung „europäischer Werte“. Schon etliche Urteile der obersten europäischen Gerichte (in Luxemburg wie Straßburg) in den letzten Jahren waren stark vom Geist einer Machtelite geprägt, die den Zwang zu einem politisch-korrekten Denken und Reden auf Kosten der Meinungsfreiheit durchsetzen will. Künftig will offenbar die Politik (oder zumindest ein Teil der politischen Klasse) wieder ganz unser Denken kontrollieren.

Natürlich hat der EU-Binnenmarkt, der freie und damit preisgünstige Austausch von Gütern und Dienstleistungen, den Europäern viel gebracht. Daher setzt sich jeder für seine Bewahrung ein, der die ökonomischen Grundrechnungsarten beherrscht. Aber es wäre ein absoluter Wahnsinn und absolut kontraproduktiv, wenn man Kritik am Binnenmarkt oder einzelnen seiner Aspekte als „Verstoß gegen die europäischen Werte“ zu bestrafen versucht.

Das schon deshalb, weil Menschen (erfreulicherweise) immer gerne das Gegenteil dessen glauben, was ihnen eine Obrigkeit zu glauben anordnet. Sie tun das zumindest ab dem Zeitpunkt, da sie die erste Lüge, Dummheit, Korruption dieser Obrigkeit entdecken. Und das war selbst unter einem Hitler oder Stalin trotz totaler Kontrolle über Medien und andere Kommunikationsschienen nicht zu verhindern.

Solange die EU eine reine Wirtschaftsgemeinschaft gewesen ist, hat sie sich auch ohne Zwang höchster Zustimmung und Sympathie erfreut. Die damalige EU passte auch gut zu dem zweiten großen und erfolgreichen Netzwerk der Nachkriegsjahre, der Nato, in der sich die Westeuropäer – und insbesondere die Amerikaner – gegenseitigen Beistand im Falle einer Bedrohung versprochen haben.

Brüssel sucht neue Betätigungsfelder

Beides hat exzellent funktioniert. Als aber nach 1989 die gemeinsame Herausforderung aus dem Osten weggefallen ist, haben die Machthaber, insbesondere die (von zweitklassigen Kommissaren geführte) Brüsseler Bürokratie neue Betätigungsfelder gesucht. Von der Justiz bis zur Kultur, von den Universitäten über die Währung und Duschköpfe bis zu den Glühbirnen haben sie begonnen, immer mehr zu regulieren, zu vereinheitlichen. Immer mehr Regeln und Richtlinien wurden den Gemeinden, Provinzen und den – sich interessanterweise noch für souverän haltenden – Staaten vorgeschrieben. Und damit vor allem den Menschen.

Viele in der EU taten das sicher in der besten Absicht. Oder, wie Margaret Thatcher es einmal formulierte: Wenn sie Italienerin wäre, würde sie vielleicht auch mehr auf Brüssel als auf Rom setzen. Umso enttäuschter ist man in Brüssel und Straßburg, weil die Menschen immer mehr auf innere Distanz zur EU gehen.

Wie schon so oft in der Geschichte ist den Menschen meist die mittelmäßige eigene Regierung lieber als ein sich für noch so weise haltender fremder Herrscher irgendwo weit draußen. An dieser Grundhaltung sind letztlich alle großen Reiche der Geschichte wieder zerbrochen. Was uns in den nächsten Monaten auch die hundertste Wiederkehr des Weltkriegs-Ausbruchs in Erinnerung ruft.

Die EU-Führer wären daher gut beraten, auch für sie ärgerliche Ansichten und Gruppierungen zu tolerieren. So wie es die Briten als Musterland der Demokratie vorbildlich vorexerzieren. Sie haben klargemacht, dass sie auch eine Sezession von Nordirland oder Schottland widerwillig, aber gelassen hinnehmen würden, wenn es dort eine Bevölkerungsmehrheit verlangt.

Genauso muss es Europa hinnehmen, wenn Gruppierungen wieder die Loslösung von der EU anstreben. Diese wäre klug beraten, auf jeden Versuch zu verzichten, unerwünschte und unverständliche Forderungen zu verbieten, zu bestrafen, oder sonstwie mit undemokratischen Mitteln zu unterdrücken.

So zu denken fällt freilich auch vielen autoritär strukturierten Mitgliedsstaaten gar nicht so einfach. Denn während sich die Briten zur prinzipiellen Tolerierung von Sezessionen durchgerungen haben, während die Tschechoslowakei eine solche schon erfolgreich absolviert hat, sehen andere EU-Staaten in der bloßen Idee noch immer Hochverrat. Ja, selbst das bloße Wort „Autonomie“ wird mancherorts bestraft.

Diese autoritär-zentralistischen Tendenzen sind besonders in jenen Staaten der EU übermächtig, in denen die Bevölkerung großer Gebiete – oder zumindest die mutmaßliche Mehrheit – weg will von diesem Staat. Man denke an die Basken und Katalanen, an die Südtiroler und Flamen, an die Ungarn in Rumänien und der Slowakei. Um nur die wichtigsten Gruppen zu wünschen, die unter Zwang zu einem nicht gewünschten Staat gehören.

Niemand hat bisher überhaupt definiert, was beispielsweise in dieser so grundlegenden Frage die angeblichen „europäischen Werte“ überhaupt bedeuten. Brutaler Zentralismus oder freie Entscheidung der Einwohner über die wichtigste staatspolitische Frage? Die EU schweigt. Aber dennoch wagen es europäische Politiker, von gemeinsamen Grundwerten der EU zu schwafeln. Und deren Nichteinhaltung zu bestrafen.

Auch Grundrechte ändern sich ständig

Allein der bloße Gedanke ist absurd. Sind doch auch in vielen anderen Fragen die „europäischen Werte“ eine absolute Schimäre, unter der jeder versteht, was er eben will. Selbst die sogenannten Grundrechte sind keine fixen Werte, sondern ändern sich ständig. Sollten sie aber einen Bestandteil der nie definierten, jedoch durch Strafen geschützten Werteordnung bilden (wie es eben bei totalitären Instrumenten der Fall ist), dann macht sich jeder Richter strafbar, der eine neue Judikatur entwickelt, und jeder Politiker und Beamte, der eine Änderung des Rechtsregeln vorschlägt.

Wenn eines hoffentlich fernen Tages die EU wieder auseinanderfallen sollte, dann sind jene die Hauptschuldigen, die die Union mit völlig unrealistischen Ansprüchen weit über den Aufbau eines Binnenmarkts hinaus aufzuladen versucht haben. Denn sie haben etwas versucht, was noch nie in der Geschichte dauerhaft geglückt ist, nämlich Werte und Loyalität mit Strafen durchzusetzen.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich gibt es Werte, die in Europa mehr Signifikanz haben als in Asien oder Afrika. Aber dabei ist eben immer zentral, dass es Werte sind, die aus Überzeugung befolgt werden, und nicht aus Not oder Zwang oder Angst vor Strafe.

Auch "Anti-Feminismus" soll verboten werden

Aber diese Initiative ist noch lange nicht alles, wie die dominierende Linke in der EU die Meinungsfreiheit einschränken will. Es steht auch schon ein Richtlinienentwurf in den Pipelines der Kommission, welcher die Meinungsfreiheit auch noch auf anderen Gebieten einzuschränken  versucht. Schon die ersten Richtlinien-Entwürfe versuchen die Mitgliedsstaaten zu zwingen, Meinungen zu "bekämpfen", welche die Kommission als "anti-feministisch", "homophob", "xenophob", "ethnisch diskriminierend" oder "religiös intolerant" einstuft.

Wobei ja auch der Kampf gegen "religiöse Intoleranz" keineswegs so harmlos ist, wie er klingt. Denn in der europäischen Praxis wird diese Formulierung praktisch nur gegen die Kritiker des Islam eingesetzt. Gewiss: Dieser Text ist erst am Beginn des europäischen Gesetzeswergungsprozesses.

Was man gegen diesen Wahnsinn tun kann? Nun, das Dümmste wäre es jedenfalls, aus Protest gegen europäischen Totalitarismus und weitere Einschränkungen der Meinungsfreiheit etwa den EU-Wahlen fernzubleiben. Auch die ÖVP wird dabei wohl absolut unwählbar sein, wenn sie wirklich auf der fanatisch EU-zentralistischen Linie des Otmar Karas bleiben sollte.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Jeder macht sich so lächerlich, wie er kann drucken

Wenn jemand lächerliche Behauptungen aufstellt oder lächerlich agiert, dann gehört immer auch jemand dazu, der das so schluckt. Statt den Betreffenden mit nassen Fetzen davon zu jagen. Ob das nun der Herr Mitterlehner, die Wiener Polizei, der Siemens-Betriebsrat, das EU-Parlament, ORF-Lobbyisten oder die Caritas sind.

In die Kategorie der Sich-lächerlich-Macher gehört beispielsweise Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Er pries jetzt öffentlich, dass künftig die Finanzierung von Firmen durch „Risikokapital“ (also Unternehmensbeteiligungen) viel „attraktiver“ würde. Als Grund kann er nicht etwa eine Neuregelung des Risikokapitals nennen, die diese derzeit steuerlich diskriminierte Finanzierungsform attraktiver machen würde, sondern nur die Verknappung der Kreditfinanzierung. Diese wird durch die neuen Bankregulierungen, also insbesondere Basel III, deutlich schwieriger. Durch diese kommt es zu einer Verteuerung von Krediten für die Wirtschaft und zu einer Reduktion des Kreditvolumens. Dieses Schönreden muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Risikokapital wird in keiner Weise attraktiver, sondern andere Finanzierungsformen (die in Österreich dominierend sind!) werden deutlich unattraktiver und knapper. Und dafür lobt Mitterlehner also die Politik. Diesen Schwachsinn haben wir uns also offenbar unter „Entfesselung“ vorzustellen. Noch schlimmer: Fonds, die in Österreich Risikokapital-Beteiligungen an Privatanleger verkaufen wollen, klagen sogar heftig, dass sie hier viel schlechter behandelt werden als in Deutschland.

In die Kategorie der Sich-lächerlich-Macher gehört der Chef des in München sitzenden Siemens-Gesamtbetriebsrats, ein Herr Lothar Adler. Er bekommt ein Gehalt von nicht weniger als 300.000 Euro. Und das in Zeiten, da Siemens weltweit reihenweise Mitarbeiter feuern muss. Wie war das schnell mit der Gewerkschafts-Hetze gegen die „Reichen“, also auch gegen jene, die zum Unterschied von Herrn Adler wirklich etwas geleistet, wirklich Risiko getragen haben? Wie das mit dem Abgang der – hier vor kurzem gelobten – Siemens-Personalchefin Brigitte Ederer zusammenhängt, können wir uns nur denken und beschweigen es daher bis zum Vorliegen konkreter Indizien.

In die Kategorie der Sich-lächerlich-Macher gehört auch die „Arbeitsgruppe ORF Reform“ des Bundeskanzleramtes. Die besteht ausschließlich aus drei Alt-ORFlern, darunter zwei Linksradikalen. Diese haben im Auftrag der Herrn Ostermayer und Faymann eine Forderungsliste aufgestellt, wo alles drinnen steht, was (für den ORF) gut und (für uns) teuer ist. Bis hin zur Haushaltsabgabe, bei der auch nicht fernsehende Menschen den ORF finanzieren müssen. Gleichzeitig sollen die längst gleichgeschalteten Redaktionen jeder Pflicht zu öffentlich-rechtlicher Ausgewogenheit entkommen. Die Ostermayer-Gruppe glaubt jetzt offenbar ernsthaft, dass das auch Teil des neuen Koalitionsabkommens wird. Oder sollte sie sich mit diesem Wahnsinn sogar durchsetzen? Dann würde freilich nicht sie sich abgrundtief lächerlich machen, sondern die Koalition.

In die Kategorie der Sich-lächerlich-Macher gehört auch die EU. Sie hat der Ukraine für die Abschiebung der inhaftierten Oppositionsführerin Timoschenko Richtung Ausland umgehend eine Freihandelszone und ein Assoziierungsabkommen versprochen. Geht es noch primitiver? Kann man sich noch plumper erpressen lassen? Eine Semidiktatur braucht offenbar nur eine Geisel ins Gefängnis zu werfen, um dann im Gegenzug für deren Freilassung von der Europäischen Union alles zu bekommen, was sie will. Und sie kann sich dabei noch als edel profilieren.

In die Kategorie der Sich-lächerlich-Macher gehört auch das EU-Parlament. Das will jetzt einem der ersten erfolgreichen EU-Volksbegehren („One of us“), das bereits überraschende 1,3 Millionen Unterschriften gesammelt hat, durch eine radikal-feministische Resolution mit gegenteiligem Inhalt die Luft abdrehen. Und zwar noch bevor das Volksbegehren abgeschlossen und eingebracht worden ist (Fristablauf am 1. November). Das Begehren richtet sich gegen Klonen, Embryonenversuche und Abtreibungsförderung. Und jetzt versucht das – eigentlich gar nicht zuständige – Parlament mit seiner rot-grün-linksliberalen Mehrheit, durch eine Resolution die Forderungen von vornherein auszuhebeln. Das ist mehr als lächerlich, nämlich abgrundtief undemokratisch. Offenbar darf es nur Volksbegehren geben, die von links kommen.

In die Kategorie der Sich-lächerlich-Macher gehören auch die Caritas-Bosse Küberl und Landau. Sie haben öffentlich die Einführung der Gesamtschule gefordert. Zwar ist nicht ersichtlich, ob die beiden auch nur in irgendeiner Hinsicht eine Ahnung von Bildungsfragen und Schulen haben. Aber als Vorfeldsprecher von Rotgrün haben sie sich damit neuerlich fest einbetoniert. Wobei nur rätselhaft bleibt, warum die Bischöfe dann immer schutzsuchend zur ÖVP rennen, um die Anliegen der Kirche gegen Rot-Grün-Pink zu verteidigen. Denn sie selbst sind ja die Vorgesetzten der Caritas-Bosse.

In die Kategorie der Sich-lächerlich-Macher gehört auch der burgenländische Landtag. Rot und Schwarz beschlossen dort wieder einmal ein Budget, in dem man nichts erfuhr über die ausgegliederten Gesellschaften und die Haftungen des Landes. So als ob die Milliardengaunereien in Kärntner und Salzburger Hinterzimmern und all die Besserungsschwüre der Politik nie passiert wären. Als die Opposition dagegen remonstrierte, warf man dieser im Gegenzug sofort „Arbeitsverweigerung“ vor und erregte sich in gut politisch-korrekter Art maßlos über ein in einem Zwischenruf gefallenes Schimpfwort. Ziemlich lächerlich, wenn man gegen den neuerlichen Betrug an Wählern und Steuerzahlern selbst nichts tut. Der ein wenig schlimmer ist als ein Kraftausdruck.

In die Kategorie der Sich-lächerlich-Macher gehört auch die Wiener Polizei. Sie versucht ihre Jagd auf Strafmandate rhetorisch mit „mehr Verkehrssicherheit“ zu begründen. Wobei ganz Wien weiß, dass die Mandatsaktionen in Wahrheit zur Anfüllung der Wiener Rathauskassen dienen. Denn die Polizei agiert ja niemals dort, wo wirklich die Verkehrssicherheit auf dem Spiel steht (Drängereien, Schneiden, Abbiegen ohne Signal, Ignorieren von Zebrastreifen, Fahrradfahren auf Gehsteigen). Dafür agiert sie stets mit großer Intensität dort, wo absolut Null Gefahr für irgendjemanden besteht, wo aber Autofahrer wegen eines Formaldelikts ganz leicht abkassiert werden können. So sieht man die Uniformträger in total verkehrsarmen Zeiten vor dem Museumsquartier, wo Autofahrer mutterseelenallein auf einer dreispurigen kreuzungsfreien Richtungsfahrbahn eine lange gerade, völlig einsehbare Strecke vor sich haben. Und wo selbst der vorsichtigste Lenker ohne jedes Risiko schneller als 50 fahren kann, es aber wegen des formalistischen Gessler-Hutes der geltenden Geschwindigkeitsbeschränkung nicht darf. Genauso provozierend ist es, wenn die Polizei auf der ebenfalls dreispurigen, geraden, einsichtigen, menschenleeren, kreuzungsfreien Schönbrunner Schloßstraße (Richtung Grünbergstraße) an Samstagen um 6,45 Uhr(!) auf die Radarjagd geht. Auch dort gibt es keinerlei Sicherheitsmotiv, sondern nur das Abkassiermotiv. Das ist wohlgemerkt dieselbe Polizei, die Diebstähle und Einbrüche mit wachsendem Desinteresse zur Kenntnis nimmt, und die auch absolut nichts zu deren Aufklärung unternimmt.

 

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Der hundertjährige Klimakalender drucken

Es wird seit 15 Jahren global nicht wärmer. Dennoch wird uns eine ganz anders lautende Botschaft auf allen medialen Kanälen in die Ohren getrommelt. Das sollte aber nicht überraschen, ist diese Behauptung doch schon lange vorher festgestanden.

Denn die seit den 80er und vor allem 90er Jahren entstandene Global-Warming-Industrie wird nie und nimmer zugeben können und wollen, dass sie sich geirrt hat, dass sie viele Zusammenhänge nur auf Vermutungen und Spekulationen aufbaut, dass sie keine Ahnung von vielen möglichen Rückkoppelungseffekten hat. Dazu sind viel zu viele materielle und Macht-Interessen involviert.

  • Die der einschlägigen Forschungsinstitute, die ein sofortiges Versiegen fetter Steuergelder befürchten, wenn sie Entwarnung geben.
  • Die des UNO-Apparates und vieler angeblich wohlmeinender NGOs, die mit großer Sucht immer wieder nach Argumenten suchen, die Menschen zu entmündigen (man erinnere sich nur, wie sie in den 70er Jahren dasselbe mit der „wissenschaftlichen“ Behauptung versucht hatten, dass bis ins Jahr 2000 die meisten Rohstoffe ausgegangen sein werden).
  • Die der vielen Industrien, die am Bau von Solarpaneelen, Windmühlen und Tausenden Kilometern langen Stromleitungen heftig verdienen.
  • Die vieler anderer Branchen, wie etwa die Hersteller der neuen teuren Leuchtmittel.
  • Die der linken Parteien, die nichts mehr als das Argument lieben, dass die Staaten noch viel mächtiger werden müssen. In diesem Fall eben um die behauptete globale Erwärmung zu verhindern (sie würden genauso begeistert aufspringen, wenn es um die Behauptung gehen sollte, dass nur ein allmächtiger Staat eine neue Eiszeit verhindern könnte).
  • Die vieler Entwicklungsländer, die endlich wieder ein starkes Argument sehen, um mehr Entwicklungshilfe zu fordern (nachdem sich die Entwicklungshilfe-Billionen des letzten halben Jahrhunderts als großer Fehlschlag, die Einführung liberaler Marktwirtschaften hingegen als großer, freilich unbequemer Segen für Drittweltländer erwiesen hat).

Was sollen da die nüchternen Fakten, die zeigen, dass die Alarmisten zumindest in den letzten Jahrzehnten völlig falsch gelegen sind? Dass ihnen schon eine Reihe von Manipulationen nachgewiesen worden ist? Dass wir definitionsmäßig noch immer in einer auslaufenden Späteiszeit leben? Dass es in der Erdgeschichte – höchstwahrscheinlich der Sonne und minimaler Variationen der Erdrotation wegen – immer wieder wärmer und kälter geworden ist, was die Lebewesen und schlussendlich die Menschen regelmäßig zu Reaktionen gezwungen hat?

Natürlich hätten wir es am liebsten, wenn nicht ständig Unvorhersehbares passiert. Natürlich würden wir alle gerne zumindest wissen, wie es in hundert Jahren zugehen wird. Deswegen haben ja auch schon die Hundertjährigen Kalender seit so vielen Generationen so große Beliebtheit. Die haben uns aber wenigstens nicht so entmündigt und beraubt, wie es die Global-Warming-Industrie versucht. Und in der EU sogar mit großem Erfolg.

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Zwei Wahlen, ein Europa und fast keine Zukunft drucken

Immer öfter fühlt man sich an jene Epoche erinnert, die derzeit auch den Buchmarkt überschwemmt: an die Zeit vor genau hundert Jahren, die Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Auch damals hat man noch in vollen Zügen das Leben genossen, während das größte Gewitter der Menschheitsgeschichte, ein  dreißigjähriger Weltkrieg, schon unabwendbar geworden war. Darauf hatte sich aber dennoch niemand vorbereitet. Und niemand hat ernsthafte Anstrengungen unternommen, um es noch zu verhindern.

Ganz ähnlich ist die Situation heute. Das haben der deutsche wie der österreichische Wahlkampf gezeigt. Überall Schönwetterpolitik. Bis auf die kleine „Alternative für Deutschland“ gibt es im ganzen deutschen Sprachraum keine einzige Partei, die kompromisslos einen Ausweg aus der drohenden Wirtschafts- und Finanzkatastrophe ansteuern würde. Im Gegenteil.

In Deutschland wie Österreich überboten sich die Parteien an neuen, immer wilderen und teureren Versprechungen. Die „Alternative“ ist jedoch nicht in den Bundestag gekommen. Knapp, aber eben doch nicht. Das zeigt: Krisenbewusstsein gibt es auch fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise und dreieinhalb Jahre nach dem Schlagendwerden der Staatsschuldenkrise in der Politik keines und bei den Wählern nicht.

Im Gegenteil: Wie Drogensüchtige freuen sich viele, dass die amerikanische Fed in den letzten Tagen vor der deutschen Wahl offiziell eine Fortsetzung ihres Dollardruckprogramms beschlossen hat. Unvorstellbare 85 Milliarden Dollar werden also weiterhin jeden Monat zusätzlich unter die Menschen gebracht. Obwohl keine neuen Werte geschaffen worden sind, die dieser Summe auch nur annähernd entsprechen. Die Bestätigung dieser Währungspolitik lässt die Börsenkurse weiter in die Höhe springen.

Der Vergleich mit Drogen ist keineswegs absurd: So wie bei Rauschgift gibt es absolut keinen schmerz- und katastrophenfreien Weg mehr, davon wieder loszukommen. Das macht einige Akteure bei der Fed und der ähnlich handelnden Europäischen Zentralbank zwar zunehmend besorgt. Nur wissen sie alle längst keinen Ausweg mehr. Perpetuierter Rauschgiftkonsum führt ebenso wie ununterbrochenes Gelddrucken mit absoluter Sicherheit in den Abgrund. Wäre das anders, könnten wir ab jetzt ja ohne Arbeit und Anstrengung einfach vom ständigen Gelddrucken leben.

Daran wird auch der als Triumph der Stabilitätsorientierung gefeierte Wahlerfolg der Angela Merkel nichts ändern. Denn auchsie hat vielfach leichtertige Haftungen für unhaltbare Schuldner ausgesprochen.

Die Flucht in die Sachwerte

Gerade das jüngste Kursfeuerwerk ist in Wahrheit ein sehr bedenkliches Vorzeichen. Denn es zeigt: Die Unternehmen werden von den Börsen als immer wertvoller eingestuft, ohne dass sie wertvoller geworden wären. Die Kurssteigerungen haben immer weniger mit der Realität, mit irgendwelchen Fundamentaldaten zu tun.

Das an die Börse strömende Geld dient nur zum kleinen Teil der Ankurbelung von Investitionen. Jetzt wollen auch noch Internet-Firmen wie Twitter rasch durch Börsengänge abcashen, bevor die unweigerlich bevorstehende Stunde der Wahrheit kommt. Diese wird zwar auch die Börsen treffen – aber vermutlich viel weniger als andere Bereiche. Börsengänge werden dann aber jedenfalls wieder viel weniger ertragreich sein.

Der Strom des Geldes an die Börse bedeutet primär eine rasante Flucht in die Sachwerte. Dasselbe trifft auf die in vielen europäischen Städten beobachtbare Flucht in Immobilien zu (gute Lagen steigen seit Jahren alljährlich um zweistellige Prozentsätze). Dasselbe findet man etwa auch beim Gold. Die Menschen kaufen das Metall weiterhin massiv. Obwohl sein Preis in den letzten Monaten wieder etwas gefallen ist, bleibt es Ziel vielen Fluchtgeldes. Dieser teilweise Preisrückgang ist aber nicht die Folge eines Sinkens des Interesses, sondern vielmehr Folge von Goldverkäufen durch internationale Notenbanken und des Auslaufens einiger großer Termingeschäfte in der Finanzwelt. Die Menschen flüchten weiter ins Gold, bei niedrigeren Preisen noch viel lieber.

Das heißt in Summe: Viele Menschen spüren deutlicher als die Politik die Krisenzeichen und wollen sich noch irgendwie absichern. Natürlich zeigt auch die in vielen Ministerien und internationalen Forschungs-Institutionen vorhandene Expertise bedenkliche Vorzeichen. Aber die Parteien glauben eben fast allesamt, dass der Mehrheit der Wähler die Wahrheit nicht zumutbar wäre. Das hat die deutsche Wahl dominiert. Und das beherrscht den österreichischen Wahlkampf.

Die Parteien bestechen die Wähler (um deren eigenes Geld) mit Brot und Spielen. Das reicht vom besonders in Österreich sowohl beim Antrittsalter wie auch bei der Höhe vieler nie durch Beiträge finanzierter Pensionen viel zu großzügigen Pensionssystem bis zu den tatsächlichen Spielen, die jeden Sommer auf fast jedem niederösterreichischen Schloss, jedes Wochenende auf Donauinsel oder Rathausplatz stattfinden.

Aber warum funktioniert zwar die Ankurbelung der politischen Bestechungsaktionen, aber nicht auch jene der realen Wirtschaft durch das viele künstlich geschaffene Geld? Die Wirtschaft müsste ja gemäß den keynesianischen Theorien derzeit gerade gewaltig explodieren. Der Großteil des rund um die Uhr neugedruckten Geldes fließt aber direkt in die Finanzierung der öffentlichen Defizite. In Amerika nimmt etwa die Hälfte der frisch gedruckten Dollar diesen Weg. Diese Tatsache führt mit absoluter Sicherheit entweder in eine heftige Inflation oder eine noch viel größere Krise.

Regulierung führt zu immer ärgeren Hochwässern

Für jede Bank, jede Versicherung ist es relativ am sichersten und bequemsten, das zugeflossene Geld in möglichst hohem Ausmaß in Staatsgeldern anzulegen, statt der Wirtschaft Investitionskredite zu geben oder Venture capital zur Verfügung zu stellen. Das ist auch eine völlig perverse Konsequenz der Bankenregulierung.

An deren Verschärfung wird aber dennoch unter dem Druck der Medien und der populistischen Politiker auf zahllosen Ebenen gearbeitet. Ob das nun die Finanzmarktaufsicht oder die Nationalbank, die Zentralbank der Zentralbanken mit ihren Basler Abkommen, die EU-Kommission, das EU-Parlament, die EZB, die G20 oder die nationalen Parlamente und Finanzministerien sind. Überall wird an Regulierungen gebastelt. Überall will man sich als Verhinderer künftiger Krisen feiern lassen. Und begreift nicht, dass man statt dessen geradezu deren Förderer geworden ist. Denn Risiko ist nur am Friedhof verbietbar. Wer es wegzuregulieren versucht, sorgt nur dafür, dass anderswo das Hochwasser noch viel höher steigt.

Niemand weiß genau, was noch alles an Regulierungen auf die reale und die Finanzwirtschaft wirklich zukommt. Die Tendenz der Politiker und Regulierer ist fast überall gleich schädlich: Während Staatsanleihen bei der Vergabe von Bankgeldern massiv bevorzugt werden (durch die Fiktion der angeblichen Krisensicherheit), wird jeder einzelne Kredit an die Wirtschaft durch mehr Regulierungen immer mehr behindert. Weil ja naturgemäß jeder Kredit riskant ist. Freilich ist das heute auch ein Kredit an Staaten genaus (=Anleihekauf).

Dahinter steht die breite Ahnungslosigkeit in Medien und Öffentlichkeit, die sofort von „Zocken“ sprechen und nach Strafen rufen, wenn ein Kredit notleidend wird. Nur: Kredite ohne Risiko gibt es nicht. Und ohne ein Risiko, das einzelne Investoren und Kreditgeber eingehen, kann es niemals zu einem neuen Wirtschaftswachstum kommen. Über immer fettere Staatsbudgets kann es schon gar kein Wachstum geben.

Hoffnungsschimmer aus Italien und Griechenland

Um dennoch auch jeden Funken Hoffnung zu beachten (sonst würde man ja ganz depressiv): In einigen der Krisenländer gibt es zarte Anzeichen von Vernunft zu sehen. Gerade in bedrohlichen Zeiten sollte man diese daher auch ordentlich preisen. Auch wenn sie eben noch sehr zart sind und auch wenn sie in keiner Weise den Fehler der Billionen-Haftungen ausmerzen.

Am positivsten fällt da derzeit Italien auf. Es hat ein 50-Punkte-Programm zur Anlockung von Investitionen erstellt. Das enthält Punkte, die man einer von einem Sozialisten geführten Regierung eigentlich niemals zugetraut hätte, die für österreichische und deutsche Linke absolut unvorstellbar wären, und erst recht für die französische, die sich total weigert, irgendeine Realität zur Kenntnis zu nehmen.

Italien hat immerhin Folgendes angekündigt, um nur das Wichtigste zu nennen:

  • Die Wirtschaft soll Steuererleichterungen bekommen (führt zu mehr Investitionen).
  • Die Mehrwertsteuer soll erhöht werden (führt zu weniger Konsum). Das wird allerdings noch von der Berlusconi-Partei gebremst, aber von den Sozialisten forciert. Was total erstaunt, da sich ja anderswo Sozialisten eher entleiben würden, als anstelle von „Reichensteuern“ die Mehrwertsteuer zu erhöhen.
  • Es wird eine Reihe von Privatisierungen angekündigt (führt zu weniger Schulden und effizienteren Betrieben).
  • Und die Bürokratie wird in einigen konkreten Punkten abgebaut (führt zu Einsparungen und Erleichterungen für Unternehmen).

Damit will Italien vor allem ausländische Direktinvestitionen anlocken. Diese sind ja allgemein zuletzt stark zurückgegangen. Investieren gilt als zu riskant und scheint in Europa auch angesichts der verbreiteten Reichenhatz sehr unerwünscht zu sein. Übrigens sind die Direktinvestitionen aus dem Ausland nirgends so stark wie in Österreich zurückgegangen. Dort haben sie binnen eines Jahres um 44 Prozent abgenommen. Was freilich dort im Wahlkampf noch von keiner Partei angesprochen worden ist.

Dass in Italien langsam wieder Arbeiten statt Feiern in Mode kommt, zeigt sich auch an einem ganz spezifischen Detail: Seit 2012 mussten im Land des guten Essens schon 10.000 Restaurants zusperren.

Zusatzurlaub für Computernutzung

Auch Griechenland hat den einen oder anderen Sanierungserfolg. Endlich wird die oft versprochene Reduktion des Beamtenheeres ernsthaft angegangen. Dieses ist ja nicht nur maßlos aufgebläht und unproduktiv. Es hat in den letzten 15 Jahren auch Gehaltserhöhungen bekommen, die fast das Zehnfache des Zuwachses für die deutschen Beamten ausmachen. Und die Regierung lässt sich bei ihrem Reduktionsplan auch von einer großen Streikwelle nicht beirren.

Bei den Streiks kämpfen die griechischen Beamten sogar um derart absurde Dinge, wie sechs Tage Zusatzurlaub für Beamte, wenn sie auch einen Computer benutzen. Unglaublich, aber Folge der 80er Jahre, als Gewerkschaften und Grüne tatsächlich europaweit massiv Propaganda gegen den Computer und die dadurch angeblich ausgelöste Arbeitserschwernis geführt haben. In Griechenland hat das zu viel heftigeren Konsequenzen geführt als anderswo. Was aber besonders ärgerlich ist: Solche Anachronismen beginnt Griechenland erst dreieinhalb Jahre nach jenem Zeitpunkt auszumerzen, da das Land Deutschland, Österreich und Co zum erstenmal in die Börse gegriffen hat . . .

PS: Die hohen Börsenkurse sollten auch in Österreich eine ganz dringende, und derzeit leider von der SPÖ völlig blockierte Debatte auslösen: Sie bedeuten den idealen Zeitpunkt für Privatisierungen. Das Geld bräuchte Österreich ja ganz dringend, nicht nur zur Eindämmung der Schuldenexplosion, sondern auch zur Abdeckung alleine des von der Kärntner und Wiener Regierung angerichteten Hypo-Alpe-Adria-Debakels.

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Bundestagswahl in Deutschland 2013 drucken

Offizielles vorläufiges Endergebnis der Bundestagswahl 2013 mit Vergleich zu 2009

 

 

Ergebnis der Bundestagswahl 2013 nach Bundesland

 

Quelle: Bundeswahlleiter

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Merkel, Österreich und zwei historische Fehler drucken

In der gesamten deutschen Nachkriegsgeschichte hat niemand so schwere Fehler begangen wie Angela Merkel. Und dennoch liegt sie in allen Prognosen für die deutsche Bundestagswahl mit einer sensationellen Beliebtheit anscheinend unangreifbar weit voran. Aber nicht nur deswegen haben diese Wahlen auch für Österreich und viele andere Europäer zentrale Bedeutung.

Zum einen sind sie für Österreich wegen der nur eine Woche danach stattfindenden Nationalratswahl besonders interessant. Und allenthalben wird – wie nach Bayern – über Nachahmungseffekte spekuliert.

Wien im Kielwasser Berlins

Zum anderen ist Österreich so wie viele anderen europäischen Länder in vielerlei Hinsicht enorm von Deutschland abhängig. Das war auf Grund der zehnfachen Größe der Bundesrepublik immer schon der Fall. Das konnte zwar in Hinblick auf Handel und Wirtschaftskontakte sogar ein wenig reduziert werden. Die österreichische Wirtschaft hat es ja in den letzten 20 Jahren immerhin geschafft, sich international stärker zu diversifizieren: Richtung Osteuropa, aber auch nach Asien.

Dennoch ist Deutschland heute für die Alpenrepublik noch wichtiger denn früher: Das ist Folge der inzwischen unbestrittenen Führungsrolle Deutschlands in der EU. Alle anderen europäischen Großmächte haben aus unterschiedlichen Gründen an Bedeutung verloren. Österreich agiert daher (ähnlich wie etliche andere Länder) seit Jahren nur noch als Beiboot zum deutschen Riesen.

Österreich versucht nicht einmal mehr, wenigstens hie und da einen eigenen Kurs einzuschlagen. Das letzte Mal hat es das versucht, als Ursula Plassnik und Wolfgang Schüssel den Beitritt der Türkei zur EU zumindest signifikant verzögert haben. In jüngster Zeit hingegen fährt die österreichische Außenpolitik sogar dann im Kielwasser Deutschlands, wenn dieses sich erkennbar verirrt. Das war etwa beim gemeinsamen Vorstoß der Außenminister dieser beiden Länder zugunsten des gestürzten islamistischen Präsidenten Mursi zu beobachten gewesen. Dieser Vorstoß ist dann freilich schubladisiert worden, als Berlin merkte, dass sowohl der Rest der Welt wie auch die eigenen Wähler insgeheim sehr froh über die Entfernung von Mursi sind.

Man sollte aber durchaus kühl zur Kenntnis nehmen: Es ist irgendwie logisch, dass Großmächte in einer Union viel mehr zu reden haben als um den Faktor Zehn kleinere Länder. Und dass sie in der Regel auch qualitativ ein viel interessanteres Politikerangebot produzieren. Auf der anderen Seite ist schon als interessant festzuhalten, dass es ausgerechnet dem Luxemburger Premier gelungen ist, zu einem der ganz großen europäischen Spieler zu werden.

Davon ist Österreich weit entfernt. Merkel konnte sich – so wird zumindest in Deutschland verlässlich kolportiert – einmal eine spitze Bemerkung über ihren „Kollegen“ Werner Faymann nicht verkneifen: Ihr österreichischer Kollege ginge ohne eigene Meinung in europäische Gipfeltreffen hinein und komme dann mit der Meinung Merkels wieder heraus. Was freilich nach der Wahl in Frankreich nicht mehr gestimmt hat. Damals bemühte sich Faymann eine Zeitlang, statt Merkel seinem französischen Parteifreund Hollande zu folgen – bis er freilich merkte, dass Frankreich mit ziemlicher Sicherheit gegen ein Riff donnern wird. Dann war Frankreich für Faymann wieder weniger populär.

Die Crux mit den Leihstimmen

Tatsache ist jedenfalls, dass Angela Merkel in Deutschland um ein Vielfaches höhere Beliebtheitswerte hat als Faymann oder sonst ein Politiker in Österreich. Tatsache ist aber ebenso, dass die CDU/CSU schon bei mehreren Wahlen letztlich schlechter abschnitt, als es ihr vorher die Umfragen bescheinigt hatten.

Das hängt – auch – damit zusammen, dass die FDP regelmäßig im letzten Augenblick viele Leihstimmen von CDU-Sympathisanten bekommt. dies passiert zumindest dann immer, wenn diese glauben, dass es auf ihre Stimmen für die FDP und auf die FDP für eine bürgerliche Koalition ankommen könnte. Die FDP hat die Werbung um solche Stimmen nach der Schlappe in Bayern auch deutlich intensiviert. Die FDP macht das möglich, indem sie seit Jahrzehnten immer fixe Koalitionszusagen an die Union abgibt.

Dadurch werden immer wieder CDU-Wähler ermutigt, für die FDP zu stimmen, damit deren Stimmen mit Sicherheit über die schicksalshafte Fünfprozent-Grenze kommen und sich somit auch in Mandaten niederschlagen. Außerdem gibt es in Deutschland das anderswo unbekannte Zweitstimmensystem, wobei die Zweitstimme verwirrendweise die eigentlich entscheidende ist. Während die erste primär der Persönlichkeitswahl dient.

Dieses System könnte  auch der „Alternative für Deutschland“ zugute kommen. Auch wenn diese von Schwarz und Gelb im letzten Augenblick für unberührbar erklärt worden ist. Die "Alternative" ist aber auch schon von sich aus in den letzten Umfragen in einen steilen Aufwärtsflug gekommen. Sie vertritt eine Position, die auch bei vielen CDU/CSU- und FDP-Wählern sehr beliebt ist: Sie wendet sich vor allem vehement gegen eine Fortsetzung der diversen Euro-Rettungsaktionen und kritisiert die hemmungslose Förderung von Windmühlen und Solarpaneelen.. So denken auch viele viele schwarz-gelbe Wähler. Das wollte aber deren Regierung nicht. Und will es offenbar weiterhin nicht.

Die unpopuläre Griechenland-Rettung

Damit sind wir auch schon bei einem der beiden großen Merkel-Fehler: Sie – und vor allem ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble – waren entscheidend dafür verantwortlich, dass seit Mai 2010 Griechenland und andere Länder mit Hunderten Milliarden Geldern, Krediten und vor allem Haftungen „gerettet“ wurden (nach Berechnungen des renommierten Münchner ifo-Instituts sind es sogar schon Billionen).

Andernfalls hätten sich jedenfalls etliche Euro-Länder für zahlungsunfähig erklären und in der Folge wohl aus dem Währungsraum ausscheiden müssen. Genau das wäre aber vielen Deutschen als die einzig richtige Strategie gegenüber verschuldeten Ländern erschienen. Zwar hat sich jetzt ihr Zorn ein wenig gelegt, weil es in den letzten Monaten keine neuen Kredite und Haftungen mehr gegeben hat, und weil das Wirtschaftswachstum Europas nach fünf Jahren des Absturzes erstmals kein Minuszeichen aufweist (wenngleich das Plus nur minimal und wohl nur vorübergehend ist).

Dennoch sind die meisten Experten einig, dass Griechenland & Co die Schulden niemals zurückzahlen werden können. Vor allem aber ist wichtig: Diese gewaltigen Beträge sind noch gar nicht bei den deutschen und österreichischen Steuerzahlern gelandet. Man fingiert vielmehr, als ob diese Haftungen und Kredite ohnedies alle zurückbezahlt würden. Wenn da aber einmal die Stunde der Wahrheit kommt, wird das Erwachen in Deutschland (wie in dem brav nachtrottenden Österreich) ein extrem hartes werden. Und wenn vielleicht in ein paar Jahrzehnten (etwa) Griechenland doch das ausgeborgte Nominale zurückzahlen kann, dann wird das aber nur noch einen Bruchteil des ausgeborgten Geldes wert sein. Und den gewaltigen Zinsverlust wird man wohl den europäischen Steuerzahlern umhängen.

Die Energiewende nach nirgendwo

Dazu kommt der zweite schwere Fehler Merkels: die sogenannte Energiewende. In ihrem populistischen Grundzug hat die deutsche Kanzlerin unmittelbar nach der japanischen Tsunami-Katastrophe und der Zerstörung des Atomkraftwerks Fukushima den kompletten Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Der droht aber zum Todesstoß für die deutsche Industrie zu werden – trotz ihrer derzeitigen Erfolge. Denn schon jetzt, also während noch viele AKW laufen, steigen die deutschen Strompreise steil nach oben, was viele Unternehmen umzubringen droht. Die Energiewende funktioniert nur auf dem Papier. Denn:

  • Die Windkraftwerke im windreichen Norden und die Industrien im Süden und Westen Deutschlands liegen weit auseinander. Es fehlen die notwendigen Stromleitungen dazwischen, sodass der Strom oft über Polen und Tschechien fließen muss.
  • Solarenergie im wolkenreichen Deutschland ist ein noch dümmeres Unterfangen als die Windmühlen.
  • Der dringend notwendige Bau neuer Leitungen wird von vielen Gruppen vehement bekämpft.
  • Wind und Sonne produzieren im Gegensatz zu allen bisherigen Kraftwerkstypen den Strom naturgemäß nur sehr unregelmäßig. Einmal so viel, dass man den Strom verschenken müsste, einmal wiederum gar nicht.
  • „Regelkraftwerke“, also Lückenfüller, rentieren sich angesichts der wilden Strompreiskurven überhaupt nicht mehr. Vor allem die sauberen, aber etwas teureren Gastkraftwerke sind fast vollständig stillgelegt worden, während die schmutzigen Kohlekraftwerke verstärkt herangezogen werden müssen.
  • Und vor allem kostet die Energiewende enorm viel: Teuer kommt die Deutschen nicht nur der notwendige Leitungsbau, sondern insbesondere auch der hohe Preis, der auf Jahrzehnte den Solar- und Windstromproduzenten garantiert worden ist. Sie bekommen fette Entgelte selbst dann, wenn phasenweise der von ihnen gelieferte Strom angesichts der Überproduktion überhaupt nichts wert ist und nur die Netze belastet. Da aber (möglicherweise EU-widrig) einige große Stromverbraucher von den Alternativ-Aufschlägen befreit worden sind, müssen die anderen umso mehr zahlen. Wenn einmal aber die ganze Industrie den hohen Strompreis zahlen muss, werden Investitionen heftig ins Ausland abschwimmen, vor allem nach Übersee.

Warum eigentlich Merkel?

Diese zwei katastrophale Fehler überschatten die Ära Merkel. Die gegenwärtige Wirtschaftsstärke Deutschlands ist hingegen noch ein Produkt der harten (und von der Linkspartei heftig bekämpften) Agenda-2010-Reformen, die unter Gerhard Schröder von Rot-Grün beschlossen worden waren. Freilich im Konsens mit der damals oppositionellen CDU.

Dennoch ist Merkel beliebt wie noch nie ein Bundeskanzler. Ihre ruhige, nie aufgeregte Art ist den Deutschen angenehm. Und vor allem: Die rotgrüne Opposition hat sich immer noch viel massiver als die schwarz-gelbe Regierung für die Zahlungen an die Schuldnerländer und für die Energiewende ausgesprochen. Also bringt es nichts, aus Zorn über diese beiden Entscheidungen eine der Linksparteien zu wählen.

Merkel hat die Front nach links also anscheinend elegant abgedichtet. Sie nimmt den Sozialdemokraten den politischen Spielraum. Da nutzt es der SPD auch nichts, dass sie mit Peer Steinbrück einen extrem intelligenten Spitzenkandidaten hat, der – bei Sozialdemokraten sehr selten – auch von Wirtschaft und Finanzen viel versteht. Aber er ist zu kühl norddeutsch und wurde mit vielen Deutschen nie vertraut. Daher scheint es ihm nicht wirklich geholfen zu haben, dass er innerhalb der SPD eindeutig zum rechten, pragmatischen Flügel zählt. Seine oft spitzen Sprüche oder seine provozierenden Stinkefinger-Gesten halfen ihm auch nicht zu mehr Popularität.

So deutet alles auf einen Erfolg Merkels hin. Diese hat sich ja auch in anderen Fragen (Millionen für einen „Kampf gegen Rechts“ oder die massive Vermehrung von Kindergartenplätzen) in den letzten Jahren links profiliert. Erst in den Wahlkampfmonaten ist Merkel wieder nach rechts geschwenkt, sobald sie gemerkt hat, dass etliche ihrer Wähler doch mit der „Alternative“ kokettieren.

Aber sogar der britische „Economist“ – der sich etwa einst vehement für die italienische Linke und gegen eine Wahl Silvio Berlusconis ausgesprochen hatte – unterstützt „Mutti“ vorbehaltlos.

Also alles längst geklärt? Davor würde ich warnen. Denn Wahlkämpfe nehmen oft in den letzten Stunden vor der Wahl noch eine ganz überraschende Wendung. Und der Wohlfühlwahlkampf Merkels, bei dem alle Kanten geglättet scheinen, ist gerade gegenüber solchen Wendungen doppelt exponiert. Denn plötzlich könnte auch jenen, die sie sympathisch finden, das Motiv fehlen, wenn sie sich zu fragen beginnen: Warum eigentlich Merkel?

Österreich und die anderen Satelliten Deutschlands tun jedenfalls gut, genau zu beobachten, wie es dort weitergeht. Das ist vielleicht wichtiger als die eigene Wahl. 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Fußnote 492: Wenigstens eine EU-Katastrophe ist gescheitert drucken

In der Wahlkampf genannten Ansammlung an Idiotie wird es kaum jemand zur Kenntnis nehmen: Aber der Europäische Gerichtshof hat ein für Österreich sensationell erfreuliches Urteil gefällt.

Der EuGH hat nämlich den Anspruch eines Deutschen auf eine Ausgleichszulage in Österreich abgeschmettert – zumindest sofern Österreich nachweisen kann, dass die Zahlung solcher Leistungen eine unangemessene Belastung des heimischen Sozialsystems darstellt. Diesen Nachweis zu erbringen, müssten selbst die schwächsten Juristen der Republik schaffen. Hinter diesem scheinbaren Einzelfall stand eine große Angst: Falls EU-Ausländer hier Ausgleichszulagen verlangen können, dann wird Österreich von Tausenden, vielleicht sogar Millionen solcher Pensionisten überrannt werden. Wobei weniger der Zuzug von älteren Deutschen Sorge gemacht hat, sondern von solchen aus Osteuropa, vor allem dem Balkan mit ihren Minirenten. Jetzt sind zwei Dinge EU-amtlich: Erstens, die Ausgleichszulage ist eine Sozial- und nicht eine Versicherungsleistung; zweitens haben EU-Ausländer keinen gleichberechtigten Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben. Sonst hätte eine Lawine gedroht. Hat sich doch schon binnen der letzten drei Jahre die Zahl der EU-Bürger mit Ausgleichzulagenansprüchen in Österreich verdoppelt. Kein Wunder, leistet sich die Republik doch das freigiebigste Pensionssystem Europas (wenn nicht der Welt). Ohne es sich leisten zu können.

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Was wir brauchen drucken

Was Österreich braucht, ist eine Regierung, die nicht – wie übrigens die aller anderen Länder auch – gegen das Volk regiert, sondern vielmehr die Interessen des Souveräns mit Entschiedenheit vertritt.

Schon arbeiten die so genannten Eliten daran, nach dem Prinzip des Hexeneinmaleins Minderheiten zur Mehrheit zur erklären und den Begriff der Demokratie umzudefinieren. Hieß es vor siebzig Jahren „du bist nichts, dein Volk ist alles“, so transponiert man diesen fragwürdigen Slogan heute auf eine erweiterte Ebene, nämlich: „Dein Volk ist nichts, die Zentraldiktatur ist alles“. Daraus resultiert ein artifiziell konstruierter Begriff von Einheit und Solidarität, der ebenso wenig durchzusetzen ist wie ein etwaiges Postulat, man solle in Notzeiten für fremde Leute sorgen, zu Lasten der eigenen Kinder.

So wie die Familie gesellschaftspolitisch zerschlagen wird, werden Zugehörigkeiten aller Art systematisch untergraben. Der Begriff „Volk“ ist in der veröffentlichten Meinung verpönt, die „Egoismen“ der Nationalstaaten werden kontinuierlich gegeißelt und deren Vertreter nach Möglichkeit isoliert und geächtet. Als flankierende Maßnahme werden Migration und Verfall des Bildungs- und Sozialsystems gewaltig angekurbelt. Auch die Unterschiede der Geschlechter werden eingeebnet und alles, was zumindest bisher dem natürlichen Empfinden entsprach, wird unter dem Begriff der Biologismen abgetan. Dafür floriert der Todeskult der Abtreibung, die man Schulklassen durch Besuch von einschlägigen Kliniken als Lösungsansatz für die Beseitigung der Folgen eines möglichst frühen Sexualverkehrs schmackhaft machen will.

Politiker, die sich dagegen aussprechen (was sich bezeichnenderweise niemand mehr zu tun getraut), würden sofort als „Rechtsextreme“ von weiteren Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Auch auf die Religion (besonders die katholische) wird aus vollen Rohren geschossen, weil diese ja den geplanten Entwicklungen mit ihrem Wertekatalog hinderlich sein könnte. Mittlerweile rückt selbst der medial hochgejubelte progressive Flügel der Kirche von früher als unverhandelbar betrachteten Grundsätzen ab. Das ist der traurige Befund, den man nach Belieben weiter ausführen und vervollständigen könnte.

Wo ist nun eigentlich der Politiker, der allen diesen Missständen ernsthaft und mit Konsequenz entgegenträte? Der die gesetzlichen Möglichkeiten eines Vetos auf EU-Ebene einsetzen würde? Der die Möglichkeit eines EU-Austritts zu nützen bereit ist?

Denn die Europäische Union ist ja zumindest hierzulande der Spiritus Rector hinter allen genannten Missständen, auch wenn das einige Unentwegte in Abrede stellen. Zwar sind die meisten der in Brüssel fuhrwerkenden Gestalten zu beschränkt, um alle Zusammenhänge zu sehen, die dahinter stehenden Drahtzieher (Teilnehmer an diversen Geheimkonferenzen in Europa und Vertreter der Hochfinanz vor allem in Übersee) arbeiten aber mit Hochdruck an der Neuen Weltordnung, in welcher unter Vorspiegelung einer Perspektive von Friede, Freude, Eierkuchen eine Masse von gezielt verblödeten Zombies willfährig oder auch nur apathisch, gut choreographiert, nach der Pfeife der so genannten Eliten tanzen soll.

Niemand wird ernsthaft versuchen, Sand in die Maschinerie dieses Treibens zu streuen. Ein solcher Mensch würde ja auch ziemlich gefährlich leben. Überdies wäre jeder Widerstand nicht nur für die eigene Person, sondern möglicherweise auch für die Allgemeinheit riskant. Und dennoch: Sollen sich die herrschenden Tendenzen wirklich ungebremst fortsetzen und weiter verschärfen?

Es gibt Anti-EU-Kleinparteien, die aber mangels medialer Unterstützung chancenlos sind bzw. gar nicht erst zur Wahl stehen.

So bleibt nur die Möglichkeit, die Kräfte auf einem bereits vorhandenen Fundament zu bündeln und sich darüber klar zu werden, was man überhaupt will. Kann man sich nicht einigen, so sind jene Leute, die letztlich im Sinne der derzeit untragbaren Zustände arbeiten auszutauschen gegen solche, die bereit wären Nägel mit Köpfen zu machen.

Manche linientreue Katholiken sind der Meinung, das Heil könne noch am ehesten in der FPÖ liegen, was aber fraglich ist. Ich denke mit Schrecken daran, wie man Barbara Rosenkranz zur Präsidentschaftswahl einerseits aufstellte, ihr aber dann praktisch in den Rücken fiel, weil ein paar Leute ihre heimliche Liebe zur EU nicht auf dem Altar einer charaktervollen, weitblickenden Frau opfern wollten oder auch antiquierte Ansichten hinsichtlich der Bekleidung hoher politischer Ämter durch Frauen hatten. Es war auch kein Glücksgriff, sich im neuen Programm vom Christentum zu verabschieden, obgleich ja neuerdings Bibelzitate plakatiert werden und man die Kurve zwischen säkularer Haltung und einer Verbeugung vor der Religion irgendwie zu kratzen hofft.

Das etwas leiser werdende Gefasel von der Revolution von 1848 war von Anbeginn kontraproduktiv, da diese ganz andere Wurzeln hatte als jene, auf die man sich heute besinnen sollte. Jedenfalls ist aber die Erhaltung des christlichen Abendlandes wenigstens als Kulturgemeinschaft ein vorrangiges Anliegen. Kann man sich teilweise nicht mit der Religionsgemeinschaft identifizieren, so möge man doch bedenken, dass man vor allem im linken Lager die Kirche zu demontieren trachtet und antiklerikales Agitieren lediglich das Geschäft der politischen Gegner besorgt.

Jener Wertekatalog, dessen Beachtung man heute schmerzlich vermisst, ist vor allem in der Kirche verankert oder zumindest hier in konsequenter Form niedergelegt. Man sollte sich nach dem Gebot der Stunde richten und anstelle der Vergangenheit lieber die Fährnisse der Gegenwart zu bearbeiten und zu bewältigen trachten, was in der ursprünglich dazu berufenen ÖVP seit geraumer Zeit nicht mehr stattfindet. Sie ist zu jenem Reichen geworden, der in das Himmelreich nicht eingehen wird und zu dem Jüngling, der traurig davonging, weil er sich nicht von seinen Gütern trennen konnte.

Grundsätze (die dann keine mehr sind) nach der gängigen unerfreulichen Praxis zu richten (wie das selbsternannte Reformatoren verlangen) wird zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen. Die scheinbare Unterscheidbarkeit zwischen ÖVP und SPÖ besteht nur noch in kasperltheaterhaftem Geplänkel vor Publikum. Als ich vor Jahren in einer ÖVP-Veranstaltung nach dem offiziellen Teil das Thema Abtreibung und die Unvereinbarkeit mit der noch immer so bezeichneten „Christ“-Demokratie ansprach, wechselten die Herren Tschirf und Hahn (der damals noch nicht in Brüssel war) einen bedeutungsvollen Blick und murmelten einige inhaltslose Floskeln.

Über die Grünen braucht man an dieser Stelle kaum etwas zu sagen. Sie propagieren den „Crossover“ bei allem und jedem und sind selbst ein Hybrid aus Hardcore-Kommunismus und labeltragender Bobo-Community. Sie lassen eine Weste heraushängen, die so weiß gar nicht ist. Das auszuführen würde aber hier zu weit führen.

Alles kleinliche Herumdoktern an unliebsamen Gegebenheiten und Reförmchen in Teilbereichen ist Flickwerk. Jeglicher konkreten Maßnahme vorauszugehen hat eine eindeutige ideologische und moralische Ausrichtung, und es wird schwer genug sein, hier einen gemeinsamen Nenner zu finden, allerdings wäre es bekanntlich die Einigkeit, die stark macht.

Die Grundsätze der fehlenden Partei

Die ideale Partei müsste aus meiner Sicht für folgende Grundsätze glaubwürdig eintreten:

  1. Respekt vor dem einen Gott und allen Religionen, wobei einem politischen Imperialismus, der unter der Flagge der Religion segelt (wie in einer fehlgeleiteten Form des Islam zu beobachten), entgegenzutreten ist. Wenn andererseits islamische Politiker ihre Reden mit den Worten „im Namen des gütigen Gottes“ einleiten, so ist es das, was ihnen jene Kraft verleiht, die uns (bis auf schwache Rudimente) fehlt.
  2. Respekt vor der Natur und dem Leben. Ergreifen sinnvoller Maßnahmen (zu denen z.B. der verbrecherische Bio-Sprit und die überdimensionierte Fleischproduktion nicht gehören). Wichtig wäre die Ablehnung der Abtreibung, die leider auch in „konservativen“ oder „rechten“ Kreisen keineswegs einhellig verurteilt wird, obgleich es hier mannigfache überzeugende Argumente gibt. Mit diesem Thema polarisiert man erfahrungsgemäß am meisten; die Leute verteidigen mit Zähnen und Klauen ihr vermeintliches Recht, ihren Nachwuchs umzubringen. Wer gegen die Abtreibung ist, gilt eo ipso als Nazi, Selbstannullierung ist zur Pflicht geworden.
  3. Kulturelle Institutionen und Veranstaltungen dürfen nicht zu Schauplätzen der politischen Agitation oder zu Spielwiesen für abartige Einfälle aller Art umfunktioniert werden. Die seltsame Koexistenz lasziver sexueller Aufklärung schon im Volksschulalter und gleichzeitiger absurder Prüderie, in der das Küsschen der Großtante bereits zum sexuellen Übergriff stilisiert wird, ist durch eine vernünftige Handhabung dieser Themen zu ersetzen. Die weit verbreitete Frustration von Lehrern, auch deren teilweise unzulängliche Qualifikation, sind durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen zu mildern und möglichst zu beheben.
  4. Einbremsung der Immigration. Sich hier die Rosinen herauszupicken halte ich allerdings für problematisch bis fast schon unmoralisch, da z.B. Fachkräfte in ihren Herkunftsländern fehlen und diese folglich in ihrer Entwicklung hin zur Gleichrangigkeit mit den Zielländern beeinträchtigt und ihres Humankapitals beraubt werden. Hier könnte man zur Abwechslung einmal wirklich solidarisch sein und eigene Leute entsprechend ausbilden, damit die Herkunftsländer mit den Zielländern mittelfristig gleichziehen können. Daran bestand aber bisher kein Interesse, da man ja von dem wirtschaftlichen Gefälle zumindest eine Zeit lang profitierte. Die Anreize für weitere Zuwanderung sind drastisch zu reduzieren.
  5. Regulierung des Bankwesens. Kredite sind mit Maß und Ziel zu vergeben, die Einstellung der Konsumenten, man müsse alles sofort haben (auf Pump) ist einzudämmen. Weitere Rettungsschirme für andere Länder sind abzulehnen.
  6. Anordnungen der EU, soferne sie sich schädlich auswirken, sind zu unterlaufen, wenn man nicht überhaupt den Austritt auf den Weg bringt. Da die EU ihre eigenen Regeln bzw. Gesetze wiederholt gebrochen hat, stellt sich die Frage, ob man die unautorisierten Neuregelungen überhaupt befolgen muss. Man könnte hier europaweit einen Stein ins Rollen bringen. Die Voraussetzung wäre, dass die kritischen Kräfte eine Stärke erlangen, die eine dominierende Stellung in der Regierung ermöglicht.

Vielleicht wird sich so manches Problem durch die sich anbahnenden Unruhen von selbst erledigen, allerdings nur dann, wenn man das Rebellieren nicht diversem Geschmeiß überlässt, sondern sich breite Kreise der Bevölkerung den Protesten anschließen, die dann aber auch wissen müssen, was das Resultat sein soll. Zwar dürfte primär das Fressen (nach Brecht) und, wenn überhaupt, dann erst die Moral kommen, aber die Leute sind offenbar zum guten Teil „rerum novarum cupidi“ (begierig auf das Neue), wie das seinerzeit der Lateiner nannte.

Mir (und nicht nur mir) fällt angesichts der Lage der Nation Schillers Wilhelm Tell ein, dessen Wertschätzung heute eine enden wollende ist. Das folgende Zitat könnte die Stimme des Wutbürgers sein: „Ich lebte still und harmlos, … Du hast aus meinem Frieden mich heraus geschreckt, in gärend Drachengift hast du die Milch der frommen Denkart mir verwandelt.“ Und: „Ans Vaterland, ans teure schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen, hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.“

Leute wie Nigel Farage oder Viktor Orban haben wir leider nicht.

Was man als Privatperson tun kann, sind – wenn auch noch so bescheidene – Beiträge in Richtung einer Meinungsbildung, indem man in Internetforen oder auch im Gespräch im privaten Umfeld seine Meinung mit Unerschrockenheit vertritt.

Dkfm. Waltraut Kupf, geb. 1933 in Wien, Matura am Wasagymnasium 1952, Studium an der Hochschule für Welthandel bis zum Diplom, nach einigen kurzzeitigen Jobs von 1958 bis 1969 in der Finanzabteilung der Internationalen Atombehörde, dort wegen Unvereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kindererziehung ausgeschieden, nach dem Selbständigwerden der Kinder verstärktes Interesse für Politik. Mehrjährige Mitgliedschaft beim Akademikerbund und später der FPÖ, aus beiden Organisationen wieder ausgetreten.

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Die Schwellenländer als Opfer der europäischen Notenpresse drucken

Die Weltwirtschaft scheint wieder das alte Bild zu zeigen, das schon lange vergessen war: gute Nachrichten aus Europa und Amerika, heftige Turbulenzen in der Dritten Welt. Deren Währungen haben einen wilden Schlingerkurs begonnen, die Börsenkurse stürzen ab, während sie Europa ganz gut gehen. Wenn sich die Europäer und Amerikaner darüber aber wirklich freuen sollten, dann wären sie Opfer einer extremen Selbsttäuschung.

Faktum ist, dass auch die freundliche und überraschende Konjunkturentspannung der letzten Wochen den Europäern nur sehr bescheidene Wachstumsraten beschert. Diese sind zwar gewiss besser als die vielen Minus-Bilanzen der letzten Rezessionsjahre. Das europäische Wachstum macht aber weiterhin nur einen Bruchteil der Raten des Wachstums der Schwellenländer aus. Und Europa ist vor allem – bis auf Deutschland – weit weg von jenen Wachstumsraten, die für einen Stopp der Arbeitslosenzahlen nötig wären.

Ebenso ist Faktum, dass vor den deutschen Wahlen zwar alle negativen Nachrichten möglichst unter den Teppich gekehrt werden. Aber dennoch ist klar: Europa ist mehr als jede andere Weltregion von den Turbulenzen im Nahen Osten bedroht. Dabei geht es keineswegs nur um Syrien oder das Palästinenserproblem, sondern noch um einen viel größeren Bogen: Der reicht von Libyen (mit seinen seit Monaten der Konflikte wegen weitgehend ungenutzt bleibenden Energieschätzen) über Ägypten (mit seinem halben Bürgerkrieg), Iran (mit seinen Nuklearentwicklungen) bis Afghanistan (wo nach dem bevorstehenden Abzug der Westmächte ein weitgehender Triumph der Taliban droht).

Europa kann zwar auf einige Reformen verweisen, die durch die Krise mancherorts in Gang gesetzt worden sind. Aber kein Ökonom hält sie wirklich für ausreichend. Österreich übrigens hat seit Krisenausbruch laut EU-Kommission weitaus am wenigsten Reaktionen und Reformen gesetzt. Das spiegelt sich ja auch im laufenden Wahlkampf wider. Aber auch in den meisten anderen Staaten der EU gleichen die derzeit beruhigenden Signale mehr einem Pfeifen im Wald als einem Startschuss zu neuer europäischer Stärke.

Das Geld kehrt nach Europa und Amerika heim

Dennoch zeigt sich der Euro an den internationalen Märkten seit längerem sehr stark, und fast alle Drittweltwährungen sind im Trudeln. Das scheint ein ziemlicher Widerspruch. Dafür gibt es aber doch durchaus Erklärungen. Die wichtigste Erklärung: Bei Signalen der globalen Unsicherheit flüchtet man noch immer am liebsten in altvertraute Häfen. Und das sind nun mal Europa und Nordamerika.

Zugleich gibt es erste zarte Zwischentöne, dass in beiden Regionen die Zentralbanken mit dem hemmungslosen Gelddrucken aufhören könnten. Zart. Vielleicht. Und irgendwann einmal, wenn das Wachstum kräftig genug ist: Aber schon solche vagen Perspektiven genügen offensichtlich, um die Ängste zu zerstreuen, dass Europas und Amerikas hemmungsloses Gelddrucken am Ende in eine Inflation führen muss. Daher glauben Europäer wie Nichteuropäer offensichtlich sofort, dass man dort wieder sicherer anlegen kann.

Zugleich würde bei einer auch nur leichten Verknappung der europäischen und amerikanischen Geldmenge wieder weniger Geld für Investitionen in den einige Jahre von Dollars und Euros überschwemmten Schwellenländern zur Verfügung stehen. Daher ziehen viele Investoren Geld jetzt schon aus diesen Ländern ab, also noch vor irgendeiner echten Verknappung.

Es ist in der Tat zumindest möglich, dass Deutschland nach der Wahl die Politik der fast unbegrenzten Haftungen für Griechenland & Co beenden oder abbremsen könnte. Das würde Investitionen in Europa wieder sinnvoll machen. Vor der Wahl konnten Angela Merkel und Wolfgang Schäuble zwar nicht gut zugeben, dass das ein großer Fehler war, was sie seit 2010 an Krediten und Haftungen alles unterschrieben haben. Aber nach den Wahlen ist ein Politikwandel zumindest denkbar.

Zwar scheint ein solcher Kurswechsel nach wie vor nicht sehr wahrscheinlich. Aber die Investoren und Devisenmärkte reagieren offensichtlich auch schon, wenn eine Denkmöglichkeit bloß einmal ausgesprochen wird.

Pubertäre Wachstumsstörungen

Genauso wichtig sind aber auch die Turbulenzen in den einzelnen Schwellenstaaten. Wenn man es biologisch vergleicht: Diese Turbulenzen ähneln schweren pubertären Wachstumsstörungen. Diese sind ja auch bei Menschen oft sehr heftig. Nur sind sie in der Dritten Welt in aller Regel eben mit kräftigem Wachstum – und nicht mit Stagnation verbunden.

Neben den skizzierten globalen Trends hat fast jedes der pubertierenden Schwellenländer auch sehr spezifische eigene Wachstumsstörungen.

In China ist es etwa die Notwendigkeit, sich erstens auf eine rasch alternde Bevölkerung umzustellen, die logische Folge von Jahrzehnten der Einkindpolitik. Zweitens versucht China, die einseitige Abhängigkeit von billigen Industrieproduktionen abzubauen und sich in Richtung einer Dienstleistungsgesellschaft zu entwickeln. Drittens muss es dringend die – noch immer großen – Überreste der alten und nicht wettbewerbsfähigen Staatsindustrie abbauen, in der Unmengen fauler, jedoch noch nicht abgeschriebener Kredite stecken. Und viertens steht China vor der unabdingbaren Mega-Aufgabe, die Korruption nicht nur verbal, sondern wirklich zurückzudrängen. Was ja vor allem bedeutet, eine unabhängige Justiz aufzubauen, die auch gegen mächtige Parteisekretäre vorgehen darf, welche sich bisher über das Recht meist hemmungslos hinweggesetzt haben.

Indien als Opfer des eigenen Populismus

Ganz anders, aber in Wahrheit noch viel schlimmer sind Indiens Wachstumsprobleme. Indien ist nämlich unter dem populistischen Druck vieler Politiker noch weniger in der Marktwirtschaft angekommen als China. Indische Aktien werden derzeit massenweise verkauft. Indien hat ein gewaltiges, politisch verursachtes Leistungsbilanzdefizit.

Indien hat im Gegensatz zu China eine sehr junge und rasch wachsende Bevölkerung. Daher müsste es dringend etwas für die vielen Jungen tun. Denn das eindrucksvolle Wachstum des Mittelstandes alleine ist sicher zu wenig, um die nachdrängenden Massen zu beschäftigen.

Nur eine echte Öffnung für ausländische Unternehmen – auch im Handel und bei Dienstleistungen – kann die benötigten Arbeitsplätze schaffen. Aber die vielen kleinen heimischen Händler und sonstigen Betriebe bekämpfen das bis aufs Messer. Denn sie fürchten – wohl zu Recht – dass ihnen die Konkurrenz wehtun wird.

Die verzweifelt um eine Wiederwahl kämpfende indische Regierung hat in dieser Situation die völlig falschen Maßnahmen gesetzt. Sie hat als Reaktion auf die Turbulenzen die wirtschaftlichen Freiheiten eingeschränkt, statt sie auszubauen: Der Geldtransfer ins Ausland wurde limitiert, ebenso der Import von Gold.

Am schlimmsten ist die jüngste Maßnahme: Künftig haben 820 Millionen Inder Anspruch auf ein paar Kilo Getreide zu Billigpreisen. Freilich nur auf dem Papier. Denn in der Geschichte hat noch jede Preisregulierung unter dem Marktpreis zu Verknappungen geführt. In Indien ebenso wie anderswo.

Indien hat außerdem eine große Tradition, dass staatlich subventionierte Lebensmittel auf dem Schwarzmarkt oder in korrupten Kanälen landen, aber nicht bei den Armen – genauer gesagt: Wählern. Nichts wird auch gegen die großen Probleme bei der Lagerung und beim Transport von Getreide getan. Niemand kümmert sich, ob überhaupt genug Getreide produziert wird. Aber trotz des mutmaßlichen Scheiterns wird das Nahrungsprogramm den schwer verschuldeten indischen Staat jedenfalls viele Milliarden kosten.

Argentinien hängt noch die alte Schuldenkrise nach

Ähnlich kann man auch für andere große Staaten wie Indonesien, Brasilien, Argentinien oder Thailand jeweils spezifische nationale Probleme analysieren. Argentinien etwa wird jetzt noch von seiner alten Schuldenkrise knapp nach der Jahrtausendwende eingeholt, die nur in der Rhetorik der Politik schon überwunden war: Das Land ist von US-amerikanischen Gerichten verurteilt worden, in Amerika gemachte Schulden auch voll zurückzuzahlen, sofern kein freiwilliger Teilverzicht stattgefunden hat.

Jenseits ihrer Spezifika ist allen Schwellenländern gemeinsam, dass Währungen und Börsenkurse den ganzen Sommer über steil gefallen sind, dass viele Investitionen reduziert worden sind, dass viel zu wenig neue kommen.

Diese Entwicklungen sind vor allem für die Demokratien ein Problem: Denn das Wissen um weltwirtschaftliche Zusammenhänge fehlt bei den meisten Wählern komplett. Daher ist jede notwendige Reform zumindest anfangs sehr unpopulär.

Bei allen Problemen Europas und Amerikas zeigt sich nun überraschenderweise, dass die Schwellenländer trotz der gewaltigen Erfolge in den letzten Jahren noch keineswegs eine selbsttragende Wirtschaftskraft geworden sind. Sie hängen in hohem Maße weiterhin von den beiden weißen Kontinenten ab. Die Schwellenländer haben oft nur einen Scheinboom erlebt, der lediglich auf europäisch-amerikanischen Notenpressen basiert ist.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Die Torheit der Regierenden: Waffenregistrierung drucken

Wer Barbara Tuchmanns im Jahr 1984 (!) erschienenes Buch „The March of Folly“ gelesen hat, weiß, wie vielfältig sich die Idiotie machttrunkener Eliten manifestieren kann. „Richtlinie 2008/51/EG“ heißt das Machwerk, in dem sich – einmal mehr – der Überwachungs- und Kontrollfetischismus des Europäischen Parlaments in beispielhafter Weise niederschlägt. Ehe die Damen und Herren europiden Überwachungsfanatiker sich an die Erfassung von in Privathaushalten lagernden Unterhosen, Rasierklingen, Zahnstochern und Bohrmaschinen machen, sollen demnach zunächst die Waffen registriert werden. Denn, so hören wir: Waffen töten und sind daher böse – mit Ausnahme derer natürlich, welche wackere Staatsdiener dazu benutzen, einheimische Zivilisten und/oder uniformierte Ausländer zu bedrohen oder niederzuschießen. Auch jene legal erstandenen Waffenbestände, von denen nationale und supranationale Behörden bislang keine Kenntnis haben, sind betroffen.

Angesichts der vermuteten Zahlen ein beachtliches Vorhaben. Überdies tickt die Uhr täglich lauter, denn bis Ende Juni 2014 soll die Sache abgeschlossen sein. Mehr als die Hälfte der seit dem ersten Oktober 2012 laufenden Frist ist also bereits wieder vorbei.

Kenner wissen: „Dies Österreich ist eine kleine Welt, // In der die große ihre Probe hält.“ Sollte das auch auf das heiße Bemühen der EU-Nomenklatura zutreffen, den Waffenbestand in Euroland möglichst lückenlos zu erfassen, dürfte eine veritable Blamage bevorstehen. Georg Zakrajsek von der „Interessengemeinschaft Liberales Waffenrecht in Österreich“ (IWÖ), schätzt den in der Alpenrepublik vorhandenen Bestand an registrierungspflichtigen Waffen auf mehrere Millionen Stück. Nach Angaben des Innenministeriums wurden nach seinen Informationen bis Anfang August gerade einmal 60.000 davon im „Zentralen Waffenregister“ (ZWR) erfasst. Erinnerungen an den Flop mit den „Pumpguns“ (deren Erwerb und Besitz im Zuge einer Waffenrechtsnovelle anno 1996 verboten wurde) werden wach.

Damals erging an jene Bürger, die derartige Waffen besaßen, das Angebot, diese zu melden und fortan legal besitzen zu dürfen. Rund 2.000 Personen machten von dieser Offerte Gebrauch. Bei insgesamt geschätzten 40.000 Betroffenen waren das ganze fünf Prozent. Dass von den 95 Prozent somit illegal gewordenen Waffen seither keine einzige zur Begehung einer Straftat verwendet wurde, wirft ein grelles Licht auf die Plausibilität des von den politischen Eliten vorgebrachten Hauptarguments für die Meldung: die angebliche Steigerung der Sicherheit. Dass staatliche Zusagen das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen, ist durch den Umstand erwiesen, dass die gemeldeten „Pumpguns“ weder weiter veräußert noch vererbt werden dürfen – was eine entschädigungslose Enteignung bedeutet, von der zuvor natürlich keine Rede war.

In der Tat muss man schon recht seltsame Kräuter rauchen, um auf Idee zu kommen, dass die Registrierung eines Gegenstandes dessen möglichen Missbrauch verhindern könnte. Mehr als die Hälfte aller Bluttaten werden schließlich mit Messern begangen. Nicht einmal Frau Kallenbach von den Deutschen Grünen (die maßgeblich für die genannte Richtlinie verantwortlich zeichnet), wäre wohl schwindelfrei genug anzunehmen, dass eine amtliche Erfassung von Messern einen Beitrag zur Hebung der Sicherheit zu leisten imstande wäre. Wenn aber eine Registrierung von Messern, Baseballschlägern, Waldäxten oder Vorschlaghämmern mutmaßlich nichts bringen würde – weshalb sollte sich das bei Feuerwaffen anders verhalten? Das Beispiel der „Pumpguns“ in Österreich spricht Bände…

Selbst wenn nicht unterstellt wird, dass die Datenerfassung in Wahrheit ganz anderen Zielen dient, sind einige schwerwiegende Fehler in den Überlegungen der Kontrollfreaks offensichtlich: So argumentieren Behördenvertreter zum Beispiel gerne mit dem einfachen „Knopfdruck“, mithilfe dessen sie fürderhin befähigt wären, nach einem Kriminalfall den Besitzer einer Waffe identifizieren zu können. Diese Überlegung ist gleich mehrfach unsinnig. So wird etwa vorausgesetzt, der Täter würde seine Waffe freundlicherweise am Tatort zurücklassen – was überaus selten der Fall ist. Selbst dann aber führte dies nur dann zur Ausforschung des Täters, wenn es sich um eine tatsächlich amtlich registrierte Waffe handelte.

Bewaffnete Kriminelle neigen indes – elende Spielverderber die sie nun einmal sind – nur in Ausnahmefällen dazu, ihre Tatwerkzeuge vor der Begehung den Behörden anzuzeigen. Außerdem würde es, selbst wenn das bei einer Untat verwendete Kaliber einer Waffe oder – in besonderen Glücksfällen – sogar der Waffentyp festgestellt werden könnte (was sehr unwahrscheinlich ist), die Behörde angesichts vieler Tausend in Frage kommender Stücke kaum weiterbringen. Oder ist in solchen Fällen etwa daran gedacht, in Tausenden Haushalten unbescholtener Waffenbesitzer Beschlagnahmen zwecks ballistischer Untersuchung deren Eigentums vorzunehmen? Vermutlich (vorerst) nicht. Fazit: Wenn der Täter nicht so nett ist, mit dem sprichwörtlichen, noch rauchenden Colt in der Hand auf das Eintreffen der beamteten Freunde und Helfer zu warten, nutzt das Waffenregister für die Tataufklärung nicht mehr als ein angestrengter Blick in den Kaffeesud. Der sich auf „Knopfdruck“ einstellende Erfolg ist reine Chimäre.

Keine Chimäre sind allerdings die Kosten dieses bürokratischen Amoklaufs. Angesichts der gewaltigen Größe der zu erfassenden Datenmenge (Besitzer, Standort, Waffentyp, Hersteller, Kaliber, Seriennummer, etc.) und des in der Folge zu leistenden Kontrollaufwandes, kann sich der Steuerzahler auf einen ganz hübschen Aderlass gefasst machen. Die keineswegs abwegige Sorge vieler Betroffener, die hohe Politik könnte am Ende auf die Idee verfallen, den entstehenden Kontrollaufwand in Form einer „Überprüfungsgebühr“ oder „Waffensteuer“ den präsumtiven Opfern dieses personalintensiven behördlichen Veitstanzes aufzubürden, wird gewiss das seine dazu beitragen, die Aktion zu einem vollen Erfolg werden zu lassen.

In Kanada, wo sich die Regierung bereits vor geraumer Zeit angemaßt hatte, ihren Bürgern im Hinblick auf ihren Waffenbesitz nachzuschnüffeln, wurde die ganze Chose, nachdem dadurch Kosten von sagenhaften zwei Mrd. kanadischen Dollar (rund 1,45 Mrd. Euro) entstanden waren, wegen erwiesener Erfolglosigkeit längst sang- und klanglos abgeblasen. Offensichtlich kann die politische Elite der EU nicht umhin, die nämliche Erfahrung wiederholen zu müssen … Es geht ja schließlich nur um das Steuergeld der Bürger.

Natürlich ist es Unsinn zu meinen, die Machthaber würden tatsächlich an einen Sicherheitsgewinn durch Waffenregistrierung glauben. Es geht in Wahrheit um etwas völlig anderes. Wie auch beim Kampf gegen den CO2-Ausstoß, gegen das Bargeld, gegen das Rauchen, gegen Glühbirnen, fettige Ernährung und gegen „Steueroasen“, geht es einzig und allein um eine lückenlose Überwachung und Gängelung, sowie die Enteignung und Entmündigung des Bürgers. Der hat sich untertänig in seine Rolle als ewig von Regierung und Bürokratie abhängige, hilflose Marionette zu fügen. Gedacht und gesteuert wird von den Brüsseler Spitzen, nicht von Otto Normalverbraucher in eigener Sache. Behördliche Anmaßung in Reinkultur.

Der Kampf gegen den privaten Waffenbesitz – und genau darum handelt es sich bei der Registrierungskampagne – ist ein weiteres von der Freiheits-Salami abgesäbeltes Scheibchen. Hätten die Regierenden es gewagt, die Bürger auf einen Schlag mit all den Ungeheuerlichkeiten zu konfrontieren, die man ihnen in den letzten fünfzehn Jahren peu à peu zugemutet hat, wären sie vermutlich mit den sprichwörtlichen nassen Fetzen aus dem Amt gejagt worden oder hätten wie weiland Kriegsminister Theodor Graf Baillet de Latour im Oktober anno 1848 geendet. Größte Vorsicht ist geboten. Wer sein rechtmäßig erworbenes Eigentum noch länger behalten und von Nachstellungen des Leviathans verschont bleiben möchte, sollte sich gut überlegen, was er bis 30. Juni 2014 tut…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Problemlos-Stimmung ist angeordnet drucken

Parallel zu den bevorstehenden Wahlen in Deutschland und Österreich haben sich die optimistischen Prognosen staatsnaher Konjunkturpropheten deutlich vermehrt. Aber die wahre Stunde der Wahrheit kommt nach den Wahlen.

Derzeit kann in Österreich sogar unter den Tisch gekehrt werden, dass die Daten für Deutschland um ein Vielfaches besser sind als für das weitgehend von Deutschland abhängige Österreich. Manche österreichische Medien versehen sogar schon eine minimale Konjunkturverbesserung um 0,2 Prozent mit dem Adjektiv „stark“. Dabei ist das höchstens ein Tropfen auf einen heißen Stein.

Aber auch europaweit wird von der Politik und den meisten Medien schöngefärbt. Während nämlich fast alle Ökonomen von der Notwendigkeit eines weiteren Schuldenschnitts für Griechenland ausgehen, dementieren den sowohl Angela Merkel als auch Wolfgang Schäuble vehement. Freilich mit Formulierungen, die – bei sehr genauem Zuhören – eine Kursänderung im kommenden Winter weiterhin durchaus offen lassen.

Sie haben aber neben dem Wahltag noch einen Grund, warum sie das Wort "Schuldenschnitt unvermeidlich" hassen: Ein Schuldenschnitt müsste diesmal zwangsläufig die öffentlichen Gläubiger treffen, nachdem die privaten schon geschoren worden sind. Das sind vor allem Länder wie Deutschland, Österreich, Finnland und die Niederlande - und am allermeisten die Europäische Zentralbank. Damit wären sämtliche Prognosen über die Staatsverschuldung oder gar ein baldiges Nulldefizit Makulatur.

Insbesondere die deutsche Regierung kann daher Hinweise auf einen Schuldenschnitt keineswegs brauchen. Freilich kann ihr die Opposition dabei nur den inkorrekten Umgang mit der Wahrheit vorwerfen. In der Sache selbst haben sich die Linksparteien ja immer für noch mehr Zahlungen und Haftungen zugunsten von Griechenland&Co ausgesprochen. Und die wirtschaftsliberale Opposition (wie die „Alternative“) wird solcherart geschickt ausgebremst. Sie kommt in der verordneten Wohlfühl- und Problemlos-Stimmung kaum mehr zu Wort.

Nach den Wahlen kommt aber die Stunde der Wahrheit. In dieser wird nur trösten können, dass es auch durchaus positive Entwicklungen gibt. Sie kommen freilich primär aus dem Bereich der Privatwirtschaft. Sowohl die Erste Bank wie die Schweizer UBS retournieren ihre staatlichen Kredite mit hohen Zinsen (wie freiwillig oder unfreiwillig ihnen die Kredite immer aufs Auge gedrückt worden sind).

Es gibt auch aus Italien, Spanien und Portugal einzelne positive Indizien (Wachstums-, Primärdefizit- oder Tourismuszahlen). Aber solche Einzelnachrichten haben wir von dort schon oft gehört. Und sie haben sich dann nie wirklich als nachhaltig bestätigt.

Man kann also nur auf den Winter warten. Derzeit haben (fast) alle ja nur ein Interesse: die Botschaft zu transportieren, dass der angeblich alternativlose Kurs „Alle werden gerettet“ richtig war. Langsam glauben es viele Menschen sogar – ob es aber auch richtig ist, ob die positiven Konjunkturprognosen diesmal wirklich stimmen, das wird man frühestens am Ende des Jahres wissen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wenig Kluges von Klug drucken

Wenn das Bundesheer im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach als Partner mit an Bord ist, ist es selbstverständlich, dass auch der Verteidigungsminister zu Wort kommen darf. So kam Mag. Gerald Klug am 25. August dieses Jahres in das Dorf der Denker, um vor dem gespannten Auditorium über Österreichs Sicherheitspolitik, speziell im Zusammenhang mit dem Thema „Cyber war“, zu referieren.

Und ja, bezüglich der Sicherheit des Auftretens und des Vortrages sowie der Ausstrahlung der Person konnte der Herr Minister durchaus überzeugen. Was er allerdings inhaltlich von sich gab, war alles andere als überzeugend.

Es begann schon damit, dass der Ressortchef bereits am Beginn ideologische Duftmarken setzen musste, indem er „soziale Sicherheit“ und ganz besonders „Verteilungsgerechtigkeit“ als erste Herausforderung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (nicht der Sozialpolitik, wenn man denn schon die Umverteilungsmaschinerie weiter forcieren will) benannte.

Peinlich war sodann die folgende Selbstoffenbarung: Nämlich, dass man innerhalb der EU und besonders hierzulande keinesfalls mehr, sondern eher immer weniger Geld für die jeweiligen Streitkräfte ausgeben will und stattdessen lieber auf gegenseitige Aushilfe, Improvisation und das Vertrauen, dass schon kein gröberer militärischer Zwischenfall passiert, setzt. Im O-Ton des Mag. Klug freilich klang das wesentlich euphemistischer, sprach er doch davon, die Verteidigungshaushalte „zu stabilisieren bzw. neu auszurichten“ und davon, dass „das Spannungsverhältnis zwischen Aufgaben und Mitteln (…) nur durch verstärkte Kooperationen, Schaffung von Synergieeffekten, Konzentration auf die wahrscheinlichen (!) Einsätze und Arbeitsteilung“ abgefedert werden könnte.

Was vielleicht für die Aufrechterhaltung einer Gemeinschaft finanziell klammer Vereine in einem 500-Einwohner-Dorf in der alpinen Peripherie durchaus Sinn macht, als Konzept für die europäische Sicherheitspolitik zu präsentieren, ist nicht nur fachlich bedenklich sondern schlicht gefährlich.

Einmal mehr bewies der Minister sodann die Schizophrenie der roten Militär-Politik: Einerseits die Neutralität als „unverrückbares Fundament“ der nationalen Sicherheitspolitik zu bezeichnen und sich explizit von der Verteidigungsdoktrin 2001 abzugrenzen und andererseits die europäische Kooperation nicht nur im Sanitätsbereich oder Katastrophenschutz zu suchen, sondern auch bei Terrorismusabwehr, im Rahmen von Groß-Manövern und „am gesamten (…) militärischen Aufgabenspektrum von EU und UNO“ mitwirken zu wollen, stellt den Versuch einer Quadratur des Kreises dar, der sich jeglicher Logik entzieht. Dasselbe trifft im Übrigen für die Erklärung des SPÖ-Politikers zu, dass er sich klar zu internationalen Einsätzen bekenne, während er gleichzeitig nach wie vor den fragwürdigen und Österreichs Ruf schädigenden Abzug vom Golan verteidigt.

Dass Klug zudem „konkrete neutralitätspolitische Akzente“ bei der Konfliktvermittlung setzen will, kann angesichts des sicherheitspolitischen Agierens Österreichs im Ausland der vergangenen Jahre wohl nur als Farce bezeichnet werden. Denn schon alleine die Grundbedingung dafür – eine realistische Bewertung der geopolitischen und regionalen Lage – war in vielen Fällen nicht gegeben. Man denke hierbei nur an die dümmliche Bejubelung des sogenannten „Arabischen Frühlings“, der sich als tief islamistischer Winter entpuppte. Wo waren da die „neutralitätspolitischen Akzente“ um die Heißsporne in Großbritannien oder Frankreich von für Europa massiv schädlichen Interventionen abzuhalten?

Immerhin erkennt der Minister, dass Afrika „an Bedeutung für die europäische Sicherheit“ (oder besser: Unsicherheit) gewinnt, auch wenn klar ist: „Österreich wird dabei natürlich nicht an vorderster Front stehen“. Inwiefern also das neue „Afrika-Kompetenzzentrum“ mit seinen „konfliktpräventive(n) Vorhaben“ tatsächlich eine Stabilisierung vor Ort und vor allem das Fernhalten von Terrorismus, Kriminalität und Zuwanderungsströmen nach Europa gewährleisten kann, bleibt dahingestellt.

Für offene Heiterkeit auch beim sicherheitspolitisch nicht versierten Laienpublikum sorgten dann allerdings die Ausführungen Klugs zum Thema „Cyber-Verteidigung“ in Österreich. So sollen Grundwehrdiener ab 2014 ein Modul „Cyber-Sicherheit“ wählen können. Dazu sollen die künftigen Rekruten bei der Musterung einem „Cyber-Talentecheck“ unterzogen werden und nach der allgemeinen Grundausbildung eine „Cyber-Grundausbildung“ durchlaufen. Danach (!) könnten sie unter anderem die Prüfung zum „Computerführerschein“ ablegen. Offenbar genügt also die Fähigkeit, den PC oder Laptop in Gang zu bringen, um den „Cyber-Talentecheck“ zu bestehen, während man nach der „Cyber-Grundausbildung“ in der Lage ist, ein Word-Dokument zu formatieren oder eine Excel-Tabelle mit Verknüpfungen anzulegen. Dann werden die Rekruten „im Rahmen ihrer besonderen (!) Fähigkeiten (…) zur Cyber-Sicherheit der Republik“ beitragen – was soll man dazu noch sagen?

Der Besuch von Alpbach erweist sich dann doch immer wieder als recht aufschlussreich – so oder so.

Mag. David Nagiller ist Mag.iur., ehemaliger Journalist und ehemaliger Parlamentarischer Mitarbeiter. Derzeit absolviert er die Ausbildung zum Hauptschul-Lehrer. Er ist im ÖCV, Austria Innsbruck, korporiert.

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Fußnote 485: Hut ab vor Merkel! drucken

Erstaunlich, dass Wahlkämpfe, eigentlich die Zeiten hemmungsloser Lügen und haltloser Versprechungen, bisweilen auch zur Stunde der Wahrheit werden können.

Zumindest in Deutschland. Dort hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Satz gesagt, auf den viele Österreicher bei einem ihrer Spitzenpolitiker bis heute vergeblich warten. Wörtlich: "Man hätte zum Beispiel Griechenland gar nicht aufnehmen dürfen in den Euro-Raum." Brava! Wenn auch mehr als ein Jahrzehnt zu spät. Wenn auch wohl als Seitenhieb auf die damalige rotgrüne Regierung Schröder gedacht. Aber ein Aussprechen von Wahrheiten ist immer ein erster Weg zur Besserung. Jetzt fehlt freilich noch das Eingeständnis, dass es ein mindestens ebenso großer Fehler war, 2010 Griechenland – und dann fast logischerweise auch etliche andere Länder – mit unvorstellbaren Haftungssummen zu „retten“, statt es die Folgen seiner Verschwendungspolitik spüren zu lassen. Aber 2010 hat nicht mehr Schröder, sondern Merkel regiert. Daher werden wir auf diesen zweiten Teil der Wahrheit noch längere Zeit vergeblich warten. Dabei könnte Merkel zu Recht sagen, dass sie 2010 erst nach längerem Widerstand umgefallen ist – unter dem Druck Frankreichs, der USA, der EU-Kommission, sämtlicher Südeuropäer und aller Sozialdemokraten Europas, aber auch so mancher Bürgerlicher à la Helmut Kohl.

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Buchrezension: Die optimale Währung für Europa? drucken

Nur selten lohnt es sich, ein unter dem Eindruck aktueller Ereignisse geschriebenes Buch zwei Jahre nach seiner Veröffentlichung zu lesen. Die Halbwertszeit vieler solcher Publikationen ist nämlich nur allzu kurz. Kaum geschrieben – schon von der Entwicklung überholt. Ganz anders das vorliegende, von Peter Altmiks vom Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung herausgegebene Werk zur „optimalen Währung für Europa“. Im Angesicht der von einem Höhepunkt zum nächsten eilenden Verschuldungskrise im Jahr 2011 veröffentlicht, haben die darin enthaltenen Analysen bis dato nichts von ihrer Gültigkeit verloren.

Der Untertitel „Segen oder Fluch des Euro“ bringt den Inhalt des Buches auf den Punkt. Die fünf Autoren sind – wie der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark – allesamt hochkarätige Fachleute aus dem Finanzbereich. Weitgehend einig sind sich die Herren bei der Beurteilung der aktuellen Krise als einer Schulden- nicht aber einer Währungskrise. Die Gemeinschaftswährung trifft nach ihrer Meinung keine Schuld an den ständig weiter eskalierenden Problemen der Gemeinschaft.

Nur in einem Beitrag, nämlich dem von Pascal Salin, der von 1994 bis 1996 als Präsident der Mont-Pèlerin-Gesellschaft fungiert hat, wird für eine „marktwirtschaftliche Geldordnung“ unter den Bedingungen eines Währungswettbewerbs plädiert. In den übrigen konzentriert sich die kritische Analyse vorwiegend auf eine nicht ausreichend gründliche Vorbereitung der Währungsunion, sowie auf eine Serie eklatanter Vertragsbrüche, wie etwa die Nichteinhaltung der „Maastrichtkriterien“ im Hinblick auf die zulässige Höhe der Staatsverschuldung und die Übertretung des „No-Bailout-Principle“ nach Artikel 125 des Vertrages zur Arbeitsweise der EU. Die grundsätzlich unterschiedlichen Perspektiven von Deutschen und Franzosen (erstere messen der finanzpolitischen Autonomie der einzelnen Volkswirtschaften große Bedeutung bei, während letzteren eine zentral steuernde „Wirtschaftsregierung“ mit unbeschränkten Durchgriffsrechten vorschwebt), hätten von Beginn an für schwer überbrückbare Spannungen gesorgt.

Obwohl es durchaus vertragkonforme Möglichkeiten gegeben hätte, aus dem Ruder laufende Entwicklungen in einigen Ländern der Währungsunion abzustellen, seien diese – aus Gründen kurzsichtiger politischer Opportunität – nicht zur Anwendung gekommen. Das Hauptmotiv zur Einführung der Gemeinschaftswährung sei der Wunsch der politischen Eliten nach einer politischen Integration gewesen, obgleich es einen empirischen Beweis für die „friedensstiftende Wirkung“ eine Gemeinschaftswährung bis heute nicht gibt. Die mahnenden Stimmen der „Euroskeptiker“ („Der Euro kommt zu früh“ – Manifest von 155 Wirtschaftswissenschaftlern anno 1998) wurden einfach nicht gehört…

Die optimale Währung für Europa?
Segen und Fluch des Euro
Peter Altmiks (Herausgeber)
Olzog-Verlag 2011
138 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-7892-8333-8
€ 24,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

 

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Die neue EU-Mode: Weniger statt mehr Europa drucken

Bevorstehende Wahlen bewirken Erstaunliches: Plötzlich nehmen Politiker weit mehr Rücksicht auf die Haltung der Wähler als normalerweise. Dabei entdecken sie derzeit vor allem, dass viele Europäer, insbesondere Deutsche, der EU heute viel kritischer gegenüberstehen als noch vor ein paar Jahren. Daher beeilen sich viele Politiker, über Nacht den eigenen Standpunkt neu zu justieren. Das zeigt der deutsche Wahlkampf; aber auch jener fürs EU-Parlament wirft schon ähnliche Schatten voraus. Einige Zeit nach den Deutschen hat nun auch in Österreich Außenamts-Staatssekretär Lopatka ähnliche Gedanken geäußert.

Spannend und signifikant, wenn auch wie immer ein wenig verschwurbelt ist etwa der Tonwechsel bei der deutschen Bundeskanzlerin. Während Angela Merkel früher eine klare Verfechterin des Ziels Vereinigter Staaten von Europa und der Alternativlosigkeit dieses Ziels war – soweit halt bei Merkel etwas wirklich „klar“ ist –, so findet sie jetzt ganz andere Töne.

Zwar verlangt sie weiterhin, dass die EU von den Mitgliedsstaaten die eindeutige Einhaltung präziser ökonomischer Vorgaben erzwingen kann. Das Verlangen bedeutet zweifellos noch mehr Macht für Europa. Jedoch ist es kaum vorstellbar, dass sich etwa Franzosen oder Spanier von der EU zu irgendetwas wirklich Substantiellem in der nationalen Politik zwingen lassen werden, ob das nun Defizit, Pensionsalter, Arbeitsmarktflexibilität oder sonst etwas betrifft.

Offenbar für diesen Fall hat Merkel nun plötzlich auch den Retourgang im verbalen Repertoire: Sie spricht nämlich erstmals davon, dass Kompetenzen von Europa wieder an die Mitgliedsstaaten zurückgehen können und sollen. Zwar tut sie so, als ob das gleichzeitig mit dem „Mehr Macht für Europa“ ginge. Aber kein Zweifel: Die eine Strategie führt in die absolute Gegenrichtung von der anderen.

Dahinter stecken gleich drei Motive:

  • Erstens erkennt Merkel, dass ohne solchen Kompetenztransfer nach unten keinerlei Chance mehr besteht, die Briten in der EU halten zu können. Dazu ist das diesbezügliche Forderungspaket von Premier Cameron für die von ihm angekündigte EU-Volksabstimmung viel zu eindeutig. Merkel will aber die Briten unbedingt in Europa halten.
  • Zweitens spürt sie mit ihrem politischen Instinkt eine ganz neue Gefahr aus einer bisher ignorierten Ecke, nämlich durch die Euro-skeptische „Alternative für Deutschland“. Diese könnte der schwarz-gelben Koalition zumindest so schaden, dass sich dann wider aller Umfragen doch eine Linksregierung ausgeht. Diese „Alternative“ kritisiert jedenfalls scharf die Hunderte Milliarden schweren Hilfen und Haftungen für die Krisenländer, die Deutschland wohl nie zurückbekommen wird.
  • Drittens aber sollte man den Merkelschen Kurswechsel nicht automatisch nur als taktisch ansehen. Sie scheint in der Tat erkannt zu haben, dass sich die EU tatsächlich schon zu viele Kompetenzen arrogiert hat. Merkel dürfte also das bisher nur papierene Wort „Subsidiarität“ diesmal wirklich ernst meinen. Das macht uns Europas mächtigste Politikerin zumindest glauben.

Oettinger: Der „Sanierungsfall“

In der CDU gibt es andere Politiker, welche die Kritik an der Entwicklung der Union noch viel schärfer formulieren als Merkel. Dazu gehört vor allem der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger.

Er macht der EU – obwohl dort selbst hoher Funktionsträger! – unglaublich harte Vorwürfe: Die EU sei ein „Sanierungsfall“. Sie leide an „Gutmenschentum“. Mitgliedsländer wie Bulgarien, Rumänien und auch(!) Italien seien „im Grund kaum regierbar“. Und zu Frankreich fand Oettinger die kompromisslose Formulierung: Dieses sei „null vorbereitet auf das, was nötig ist“. So deutlich hat wohl noch nie ein EU-Exponent selber die Probleme der EU beim Namen genannt.

Nachdem solche deutlichen Worte bisher nur in der CSU und bei unabhängigen Kritikern wie Thilo Sarrazin oder Hans-Werner Sinn zu hören gewesen sind, zeigt das, dass sich auch das Schlachtschiff CDU zu wenden beginnt.

Martin Schulz, der plötzliche EU-Kritiker

Noch mehr überrascht, dass auch der sozialdemokratische Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, plötzlich zu ähnlichen Worten findet. Der scharfzüngige SPD-Mann stand bisher wie seine ganze Partei an der Spitze der europäischen Hilfs- und Interventionswilligen. Aber ganz offensichtlich unter dem Einfluss des eindeutig in der wirtschaftsorientierten Mitte stehenden Spitzenkandidaten Peer Steinbrück hat sich Schulz zu kritischen Positionen durchgerungen.

Und das heißt weit über Deutschland hinaus etwas: Denn Schulz gilt als der aussichtsreichste Kandidat der gesamteuropäischen Sozialisten für die Wahl eines EU-Kommissionspräsidenten. Offensichtlich kann sich auch ein Sozialdemokrat wie Schulz nur noch als Integrationskritiker, nicht mehr als Integrationsfanatiker Chancen für die nächstjährigen EU-Wahlen ausrechnen.

Schulz ist jedenfalls mit folgendem Satz über die EU – wenn auch bei einem innerdeutschen Vortrag – aufgefallen: „So wie sie heute organisiert ist und geführt wird, wird sie scheitern.“ Er verlangte ähnlich wie Merkel und der Briten-Premier Cameron, dass Aufgaben von der europäischen an die lokale, regionale und nationale Ebene zurückdelegiert werden. „Wir müssen das Subsidiaritätsprinzip ernster nehmen.“ Was lokal zu machen sei, müsse auch lokal gemacht werden. Viele Menschen wenden sich von der EU ab, weil sich Brüssel aus ihrer Sicht zu stark in ihr Alltagsleben einmische, wie Schulz beklagt.

Schulz und Oettinger zusammen: Das ist eine dramatische, nicht mehr zu überhörende Entwicklung in beiden großen deutschen Parteien. Der Positionswechsel ist gewiss auf die Wahlen hin orientiert, aber er zeigt jedenfalls auch: Es ist – wenn auch mit Verspätung – „oben“ angekommen, dass die Menschen „unten“ sehr EU-kritisch denken. Was freilich noch keineswegs ein Austrittsszenario bedeutet.

Klaus: Das Salz in der Europa-Suppe

Interessantes tut sich dafür in einem ganz anderen Land: Der soeben abgetretene tschechische Präsident Vaclav Klaus dürfte nun ebenfalls ins Rennen um die Rolle als EU-Kommissionspräsident gehen. Er hat zwar wenige Chancen zu gewinnen; dazu ist er zu tschechisch-national.

Auf Grund seiner hohen Intelligenz, seiner ökonomischen Brillanz, seiner ungebremsten Konfliktlust und vor allem seiner scharfen Zunge (sowie seine perfekten Deutsch- und Englisch-Kenntnisse) könnte Klaus aber mit Sicherheit den Wahlkampf thematisch dominieren. Er würde das zweifellos mit intensiver Kritik an allzu starker Integration und am Euro sowie an den hemmungslosen Hilfspaketen tun.

Klaus könnte solcherart gerade als Chancenloser die Diskussion der EU sehr vorantreiben. Er wird jedenfalls eines schaffen: Seine Gegner werden gegen ihn nicht mit den üblichen hohlen Politikerphrasen davonkommen können.

Wir können uns schon auf ein spannendes 2014 vorbereiten. Denn kampflos werden sich die Zehntausenden Eurokraten jedenfalls nicht mehr zurückdrängen lassen. Wer gibt denn schon freiwillig Macht aus der Hand . . .

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Abgesandelt und abstürzend: Endlich wird Tachles geredet drucken

Mit ihrer Erregung über ein (sprachlich eher ungebräuchliches) Wort des Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl haben SPÖ und ihre Medien deutlich gemacht: Die Sozialdemokratie ist die einzige Gruppe im Land, welche die signifikante Verschlechterung der langfristigen Zukunftsprognosen für Österreich (Demographie, implizite Staatsverschuldung, Verlust der Konkurrenzfähigkeit auf Grund der hohen Steuern usw.) nicht zur Kenntnis nehmen will und keinerlei Handlungsbedarf sieht.

Die SPÖ verhält sich dabei ungefähr wie ein Mann, der vom hundertsten Stockwerk stürzt, und der nach dem Flug über 95 Stockwerke noch beruhigend ruft: „Gut is gangen, nix ist gschehn!“ Das Schlimme daran: Es stürzt nicht nur die SPÖ – dem könnte man ja eigentlich amüsiert zusehen –, sondern wir mit ihr. Hat doch die SPÖ seit fast sieben Jahren trotz fast ständiger Wahlverluste heute fast alle wichtigen Positionen in der Hand. Vom Bundeskanzler über den Bundespräsident und alle relevanten ORF-Kommandojobs bis zu dem ihr von der ÖVP leichtfertig ausgelieferten Verfassungsgerichtshof.

Was aber noch wichtiger ist: Die SPÖ ist hauptverantwortlich für das, was – neben vielen anderen Studien – die EU-Kommission vor kurzem bilanziert hat: Es gibt kein europäisches Land, das mit so wenig Reformen auf den Ausbruch der Krise reagiert hat wie Österreich. Denn die SPÖ hat praktisch jeden Reformvorschlag abgeschmettert. Dies geschah primär unter dem Diktat der Arbeiterkammer-Bonzen, aber auch aus Ahnungslosigkeit des kanzlerdarstellenden Gemeindebau-Funktionärs von den ökonomischen Notwendigkeiten im internationalen Wettbewerb.

Dabei war Österreich noch 2006 ein europäisches Musterland gewesen: In zahllosen Analysen und Artikeln wurden damals die Alpenrepublik und ihre politischen Erfolge insbesondere der deutschen Regierung als leuchtendes Vorbild vorgehalten. Diese damaligen Erfolge Österreichs waren eindeutig ein Ergebnis der schwarz-blauen Periode. Gerade wegen dieser für die SPÖ so peinlichen Kontrastwirkung werden jetzt die schwarz-blauen Jahre von Rot und Grün sowie den korrumpierten Medien gezielt verteufelt.

Gewiss: Es sind inzwischen etliche Korruptions-Affären aus jenen Jahren bekannt geworden (insbesondere rund um Telekom), die einen dunklen Schatten werfen. Aber:

  • Diese Affären können erstens nichts am historischen Verdienst ändern, dass diese Koalition damals wichtige Reformen geschafft hat (Pensions-Teilreform, einzige Periode seit 1970 mit rückgängiger Staatsverschuldung, Privatisierungen etwa der Voest, Ausgliederung der Unis, Studiengebühren sowie die Reduktion endemischer Korruptionsherde durch Transfer wichtiger Staatsaufgaben aus der Ministerialbürokratie in professionell geführte Agenturen wie BIG und BBG). Während seit Faymann totaler Stillstand regiert.
  • Zweitens: Sowohl bei der (leider nur teilweise privatisierten) Telekom wie bei der Causa EADS-Abfangjäger sind auch Sozialdemokraten Empfänger von wohl nur durch Korruption erklärbaren Zahlungen gewesen (denen nur die linkslastige Wiener Staatsanwaltschaft bisher nicht ausreichend nachgegangen ist).
  • Drittens ist der Schaden für die Steuerzahler durch die von Werner Faymann und Josef Ostermayer angeordneten Skandalinserate betragsmäßig viel größer (von den Medienbestechungen der Gemeinde Wien gar nicht zu reden) als die Korruption durch die Telekom. Oder der Schaden für Wien durch die von Faymann verschuldete „News“-Tower-Schiebung.
  • Viertens sind etliche offenbare Rechtswidrigkeiten wie die mutmaßlichen Steuerhinterziehungen Karl-Heinz Grassers, die von SPÖ-finanzierten Wochenmedien regelmäßig großflächig berichtet und die der schwarz-blauen Ära angehängt werden, erst lange nach dieser passiert.
  • Noch immer  gibt es keine Partei mit so vielen verurteilten Regierungsmitgliedern wie die SPÖ.

In Wahrheit könnte sich Österreich also trotz dieser üblen Korruptionsfälle nur mit allen Fasern eine Rückkehr des Reformgeistes der Jahre 2000ff wünschen. Auch wenn die Arbeiterkammer damit nicht viel Freude hätte.

Freilich: Die heutige FPÖ ist geistig weit weg von jener Zeit. Sie zeigt fast keine Reformabsichten (weil sie fürchtet, dass das einen Teil ihrer prinzipiell antipolitischen Protestwähler aus der XYZ-Schicht wieder vertreiben könnte). Und auch die ÖVP hat in den letzten Jahren viel zu vielen Unsinnigkeiten zugestimmt, als dass man sie noch für so veränderungswillig wie damals halten könnte.

Besonders erstaunlich ist da jedoch, dass ausgerechnet ein Christoph Leitl jetzt mit dem – offenbar oberösterreichischen – Wort „abgesandelt“ plötzlich Klartext in Hinblick auf die wirtschaftlichen Perspektiven des Landes herstellen kann. War es doch gerade er, der unter Schwarz-Blau aus sozialpartnerschaftlicher Rücksicht auf Gewerkschaft und Arbeiterkammer (und aus seinem eigenen sozialdemokratischen Denken) viele der Reformpläne der damaligen Koalition abgeschwächt hat. Die praktisch durchwegs positiv für die Zukunft des Landes gewesen wären.

Aber es ist immer noch besser, spät als nie vernünftiger zu werden. Überdies ist anzuerkennen, dass Leitl es mit seinem „abgesandelt“ offensichtlich geschafft hat, den bisher unerträglich oberflächlichen Wahlkampf ein wenig substanzieller zu machen. Er hat jedenfalls dafür gesorgt, dass nun nicht nur die Finanzministerin, sondern auch der konfliktscheue ÖVP-Obmann sowie der (seine linksliberale Vergangenheit bisher nie los gewordene) Industriellenpräsident jetzt endlich auf den politischen Weichmacher verzichten.

Und der Wirtschaftsminister? Naja, der spült wohl weiter weich. Und hofft insgeheim, dass er einmal Steigbügelhalter einer Gewerkschaftsregierung werden darf. Was dann die ÖVP wohl aus dem Parlament katapultieren wird. Daher wäre es für diese Partei eigentlich gut, wenn sie den Wählern garantieren könnte, dass jedenfalls nicht dieser Regulierungs-Minister nächster Parteichef wird, falls Spindelegger aus welchen Gründen immer zurücktritt.

 

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Fußnote 479: Wahlkampfhilfe aus Italien drucken

Irgendwie muss einem die SPÖ fast schon leid tun.

Wenn die Faymann-Darabos-Partei niemand anderen als den Ministerpräsidenten aus Italien als Wahlkampfhilfe zu importieren weiß, dann zeigt das den Zustand der europäischen Sozialisten. Der Mann hat im Auftreten die Ausstrahlung von Werner Faymann und inhaltlich für sein schwer angeschlagenes Land bisher nur Gesundbeterei anzubieten; Signore Letta ist die hundertprozentige Fortsetzung des alten italienischen Lavierens. Aber Faymann sucht halt in seiner eigenen Profillosigkeit verzweifelt, sich irgendwo anzuhalten – aber von Deutschland über die Niederlande bis Finnland und Schweden sind halt alle (relativen oder absoluten) Erfolgsregierungen Europas nicht sozialdemokratisch geführt. Die SPÖ hat jedoch nur die Wahl zwischen Letta und dem noch unpopuläreren Minusmann Hollande aus Frankreich (den Faymann vor einem Jahr freilich noch angehimmelt hatte). Am sozialdemokratischen Lager fänden sich übrigens noch ein paar Viertel-Demokraten vom Balkan, aus der Ukraine oder Weißrussland. Wie wäre es damit? Hatte man doch einst auch gegenüber Mubarak & Co keine Berührungsängste . . .

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Warum „die“ EU die Industrie nicht mehr mag drucken

Der Präsident der Deutschen Industrie klagt lebhaft: Die EU verhalte sich total widersprüchlich; zum einen drängt sie intensiv auf eine Erhöhung des Industrieanteils in Europa, zum anderen ist sie selbst hauptschuld, dass Europas Industrie nicht vom Fleck kommt, sondern eher schrumpft.

Diese Schizophrenie trifft alle, die in der Industrie arbeiten, wie auch jene, die ihr Erspartes, ihre Altersvorsorge in Industrieaktien gesteckt haben. Auch sie wundern sich so wie BDI-Präsident Ulrich Grillo. Wie soll angesichts der EU-Politik die industrielle Wertschöpfung von 16 auf 20 Prozent des europäischen BIP gesteigert werden? Dabei wäre das ja dringend notwendig: Denn in der Krise haben sich jene Länder am besten gehalten, die noch etliches an Industrie haben.

Die EU ist jedoch gleichzeitig intensiv aktiv, um jedes Wachstum, insbesondere das industrielle an Ketten zu legen. Sie tut das durch eine Unzahl von Regulierungen. Diese sind nicht mehr wie am Beginn der Integration dazu bestimmt, den Austausch von Gütern in einem Binnenmarkt sicherzustellen, was ja noch immer sehr wichtig wäre (siehe etwa Frankreich vs. Mercedes). Die EU-Regulierungen haben heute ganz andere Ziele: gesundheitliche (etwa das Rauchen), ökologische (etwa die Kyoto-Ziele), justizpolitische (die Pflicht, eigene Staatsbürger auszuliefern) gesellschaftspolitische (die „Anti-Diskriminierungspolitik“, die Arbeitgeber und Vermieter entrechtet), soziale (die Pensionsansprüche von EU-Ausländern in Österreich, die nie Pensionsbeiträge gezahlt haben) und viele andere.

Fast jede einzelne EU-Regulierung kostet, verteilt um, hemmt Wachstum und Entwicklung. Dabei will die EU doch das Gegenteil? Die Antwort ist einfach: Es gibt nicht „die“ EU. Es gibt viele EUs.

Während die einen noch die Binnenmarktziele anpeilen, welche die EU so erfolgreich gemacht haben, sind in anderen Bereichen inzwischen ganz neue Lobbys aktiv geworden. Ökologische, soziale, feministische usw. Sie sind heute so aktiv wie einst nur die Agrarlobby.

Alle haben in den letzten 15 Jahren erkannt, dass sie über die EU ihre Ziele viel leichter durchsetzen. Ohne jede nationale Debatte und ohne mühsame Mehrheitssuche bei anderen Parteien und Ministerien. In der EU muss  ein Sozialminister nur die anderen Sozialminister überzeugen und schon ist irgendein meist teures Anliegen durch Kommission und Rat geschleust. Vorbei an Ministerrat, Parlament und Öffentlichkeit.

Industrie, Wachstum oder Marktwirtschaft sind für diese neuen Lobbys völlig uninteressant. Daher braucht sich der BDI-Chef nicht zu wundern, dass die EU mehr gegen als für Europas Industrie und Arbeitsplätze tut. Sie schaut vielmehr tatenlos zu, wenn ihre eigene Kyoto-Politik fast alle energieintensiven Investitionen aus Europa vertreibt. Um nur ein Beispiel der europäischen Absurditäten zu nennen, die dringend nach einer grundlegenden Neukonstruktion Europas rufen lässt.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Das Zeitungssterben: Ursachen und Folgen drucken

Jetzt ist es in vielen Ländern Europas und in den USA Schlag auf Schlag gegangen. Das, was sich schon seit fast 20 Jahren wie ein Gewitter am Medienhimmel drohend angesammelt hat, ist mit lautem Getöse losgegangen: Der Niedergang, das Sterben von Zeitungen und Zeitschriften ist gleich an mehreren Orten schlagend geworden. Was aber ist schuld? Und vor allem: Was wird bleiben, was wird kommen?

Die Details sind vielfach durch die Medien gegangen. Sie reichen vom Tod des „Newsweek“-Magazins bis zum Verschleudern der „Washington Post“ an einen Internet-Tycoon, vom Tod der „Financial Times Deutschland“ bis zur Weggabe der meisten Zeitungen des renommierten Springer-Verlags. Und das sind nur die bekanntesten Namen.

Weltweit sind seit Ausbruch der Krise Hunderte Tages- und Wochenmedien eingegangen. Damit ist die Zeitungsbranche die weitaus am härtesten von der Krise getroffene Industrie. Das zeigt, dass es hier um weit mehr geht als um bloße Kollateralschäden einer Konjunkturkrise. In Frankreich etwa kann keine einzige Zeitung ohne Regierungsgelder mehr positiv bilanzieren. Daher ist man eigentlich fast schon erstaunt, dass es noch kein EU-Programm zur Förderung der Zeitungen gibt (etwa nach Art der Solarpaneele) . . .

Nur in Österreich ist in der großen Strukturkrise der Zeitungen bisher kein Blatt eingegangen. Das mag verblüffen. Das ist aber leicht erklärbar: Denn parallel mit der Zunahme der Krise ist ab 2007 die Finanzierung durch politische Inserate hinaufgefahren worden. Das Geld kam vor allem aus dem Dunstkreis der Gemeinde Wien, aber seit Werner Faymann in der Regierung ist, auch aus Ministerien beider Couleurs und aus staatlichen Betrieben (natürlich kam es in Wahrheit immer vom Steuer- und Gebührenzahler, aber der wird ja nie gefragt). Zumindest bis zum Wahltag wird sich daran auch gewiss nichts ändern. Mit anderen Worten: Viele Verlage haben sich auf die Prostitution verlegt. Von der kann man ja ganz gut leben. Eine Zeitlang.

Interessant ist nur, dass kaum jemand kritisch darüber schreibt. Aber im Grund haben ja alle mehr oder weniger Bestechungsdreck am Stecken. Da berichtet man nicht über den Dreck am Stecken des Konkurrenten.

Die Papierzeitung wird überleben – aber ganz anders

Um mit der Zukunft zu beginnen, eine scheinbar beruhigende Annahme: Es wird auch in etlichen Jahrzehnten trotz des Internets noch Papier-Zeitungen geben.

So wie das Fernsehen das Kino nicht umgebracht hat. So wie Schallplatte/CD/VHS/DVD nicht den Andrang zu Livekonzerten reduziert haben (ganz im Gegenteil). So wie der starke Aufstieg von Plastikgeschirr und -möbeln in den 50er Jahren keinen langfristigen Tod für Metall, Glas und Holz bedeutet hat (obwohl der damals in Hinblick auf die Verwendung in Küche und Haus prophezeit worden war). Im Gegenteil: Metall, Glas und Holz symbolisieren heute edle Qualität und sind auch viel teurer als die billige Plastik-Massenware.

Freilich wird sich, wie es bei all diesen Beispielen aus anderen Bereichen in irgendeiner Form der Fall war, auch das Zeitungswesen fundamental verändern. Verändern müssen.

Auf der einen Seite wird es das billige Gratisprodukt ohne jeden Tiefgang, jeden Objektivitätsanspruch geben. Dort zahlt der Käufer nichts. Klare Folge: Die Verlage sehen sich nicht dem Leser verpflichtet, sondern Inserenten und/oder Parteien.

Das wird sich in der (nicht sehr großen und heute schon bekannten) Bandbreite zwischen einem Spar-Prospekt und jenem bedruckten Papier abspielen, auf dessen erster Seite „Heute“ oder „Österreich“ steht. Die Masse wird glauben, informiert worden zu sein, hat aber doch nur Opium fürs Volk, hat doch nur Manipulation und politische wie kommerzielle Verführung konsumiert. Denn: Was nichts kostet, ist auch nichts wertet. There is no free lunch.

Traurige Aussichten für Lokalzeitungen

Kaum überleben werden hingegen die meisten Lokalzeitungen. Die lokalen Anzeigen (Gebrauchtautos, Wohnungen, Arbeitsplätze usw.) werden fast zur Gänze ins Internet wandeln.

Die schnellen Agenturinformationen werden dasselbe tun. An diese Entwicklung haben ja die Zeitungen selbst das Publikum gewöhnt: Haben sie doch alle fast die gleichen Agenturnachrichten gratis ins Internet gestellt. Die Konsumenten werden kaum mehr überzeugt werden können, dass es eines Tages doch wieder sonderliche Unterschiede zwischen den Zeitungen geben könnte. Sie werden daher immer weniger bereit sein, für Sushi-Informationen wieder zu zahlen. Denn selbst wenn die Zeitungen wieder eigenständiger werden sollten, wird die schnelle Nachricht irgendwo immer gratis erhaltbar sein, und sei es nur als Marketing-Gag.

Der einzige zukunftsfähige Asset der Lokalzeitungen wären breite, kritische, unabhängige Berichte über Vorgänge in Stadt und Region. Aber gerade das haben zumindest in Ostösterreich praktisch alle Zeitungen aufgegeben: Wenn man so viel Geld (vor allem von der Gemeinde Wien, aber auch von anderen Landesregierungen) bekommt, ist es denkunmöglich, eine glaubwürdige Lokalberichterstattung zu haben.

Die ganz neu entdeckte Qualität

Überleben werden Qualitätsmedien. Das werden freilich nicht die heutigen Qualitätsmedien sein. Sie werden sich zumindest grundlegend ändern müssen. Sie werden zielgruppengenauer sein müssen. Sie werden sich ganz bewusst mit einer Leser-Minderheit am Markt begnügen. Sie werden sich für diese anspruchsvolle Minderheit auf weit höhere Qualität konzentrieren müssen, schreiberisch wie recherchemäßig.

Das heißt keineswegs: höhere Quantität, dickere Umfänge. Im Gegenteil. Die Qualitätszeitungen der Zukunft werden sich im Dienst einer intellektuellen, aber zeitknappen Elite ganz auf die Aufgabe konzentrieren müssen, das herauszufiltern, was wirklich wichtig ist. Journalismus muss daher auch vom Wissen und der Allgemeinbildung der Akteure her wieder zu einem elitäreren Beruf werden.

Vor allem aber werden die Qualitätsmedien der Zukunft selbst die leichteste Abhängigkeit von Inserenten oder gar von politischem Geld vermeiden müssen. Vielleicht werden sie gut daran tun, sogar total inseratenfrei zu werden. Das heißt in jedem Fall, dass sie auch deutlich teurer sein müssen.

Jene Minderheit, die wirklich gut, seriös und qualitativ informiert sein will, der wird das jedoch auch zweistellige Euro-Beträge pro Exemplar einer Zeitung/Zeitschrift wert sein (in heutigem Geldwert). Aber eben nur dann, wenn er, der Leser, absolut sicher sein kann, dass er der einzige Auftraggeber der Redaktion ist. Und nicht in Wahrheit bestenfalls Nummer zwei hinter irgendwelchen Inserenten, Druckkostenbeiträgern und Kooperationspartnern.

Einige Erfolge der Zukunft hat schon begonnen

Ohne jetzt noch allzu lange, ideale – und wirtschaftlich funktionsfähige! – Zeitungskonzepte der Zukunft ausbreiten zu wollen, einige Hinweise, dass es solche schon da und dort gibt. (Übrigens, weil sonst gleich wieder gestänkert würde: Ich habe mit keiner der hier genannten Zeitschriften irgendetwas zu tun)

So war der deutsche „Cicero“ einige Jahre lang sehr erfolgreich mit höchster Qualität unterwegs (bevor man dort SPD-Politiker mit Jobs zu versorgen begann, was dem Heft natürlich jede Glaubwürdigkeit nahm). So werden mit Sicherheit der englische „Economist“ und der deutsche „Spiegel“ überleben. Eben weil sie Topqualität bieten, die man in Österreich weder in der Wirtschaftsberichterstattung noch in den politischen Seiten auch nur annähernd findet.

So ist in Österreich „Servus in Stadt und Land“ extrem erfolgreich. Seine (nie ausgesprochene) Zielgruppenorientierung: Frauen über 40 mit Liebe zum Land, zur Schönheit, zur Qualität, die an den üblichen Zeitungsinhalten weniger interessiert sind. Das ist eine große, dennoch sonst total vernachlässigte Gruppe. „Servus“ ignoriert trotz seines primär weiblichen Publikums total den sonst üblichen Promi-, Skandal-, Kosmetik- und Modeschwachsinn. Es orientiert sich am Ruhigen, am Heimatverbundenen, am Schönen. Während das für die anderen Medien lauter Igitt-Worte sind, tut „Servus“ dies sogar ziemlich perfekt. Das Heft aus dem Haus Red bull hat dadurch mitten in der Krise den steilsten Auflagenerfolg der letzten Jahrzehnte erzielt. Und zwar ohne Gewinnspiele und sonstige Mätzchen, sondern nur mit Qualität und Hirn.

Die wichtigsten Ursachen

Fragt man nach den Ursachen des Zeitungssterbens, dann liegen die wichtigsten auf der Hand. Das ist vor allem das Internet – in dem Sie ja auch diese Analyse lesen: Das Internet hat noch viel mehr Zukunft vor sich, als wir heute ahnen. Von den kommerziellen bis zu den redaktionellen Angeboten.

Das Internet tut sich aber – zumindest vorerst – freilich schwer mit der Finanzierung rein redaktioneller, nicht fremdgesteuerter Angebote, die über solche kleine, aber erfolgreiche Nischen hinausgehen.

Das Internet wird in den nächsten Jahrzehnten noch ein weiteres Problem bekommen. Es wird in seiner Qualitätsanmutung hinter echtes Papier zurückfallen. Nachdem heute fast schon jeder Arbeiter mit zwei Bildschirmen werkt, dürfte die Anmutung von Modernität, die heute Smartphones oder IPads noch haben, total an Strahlkraft verlieren.

Überdies wird das Internet weiter ein Tummelplatz für Desinformationen, Geheimdienste, Schleichwerbung, Pornographen, Spammer, Virenproduzenten und ähnliche Schädlinge bleiben. Aber dennoch ist Faktum: Das Internet wird den Zeitungen schwer schaden. Und das Internet wird vom Mist bis zur höchsten Qualität Vieles zu bieten haben.

Inserenten und Bestecher

Eine weitere Ursache des Zeitungssterbens ist die schon angesprochene Beeinflussung des Inhalts durch den Kommerz. Natürlich sind klar gekennzeichnete Inserate nichts Böses. Aber die kommerziellen und politischen Inserenten und erst recht die scheinbar im Hintergrund bleibenden „Kooperationspartner“ haben in den letzten Jahren immer öfter mit Erfolg versucht, auch auf redaktionelle Inhalte Einfluss zu nehmen. Sobald aber die Leser einmal gemerkt haben, „Die schreiben ja nur deshalb so, weil da im Hintergrund Geld fließt“, schwindet das Vertrauen rapide. Egal ob das kommerzielles oder politisches (=Steuer)Geld ist. Der Leser fühlt sich hineingelegt und getäuscht, auch wenn er es vielleicht erst mit Zeitverzögerung merkt.

Von den ganz üblen Misswüchsen einer neuen Verlegergeneration, wo nicht nur die Inserenten Einfluss zu nehmen begonnen haben, sondern wo umgekehrt auch Verleger erpresst haben (du zahlen, sonst wir schreiben), wollen wir am liebsten gar nicht reden. So übel wird einem dabei.

Zeitungen haben sich überdies in eine Sparspirale nach unten verfangen. Inhalte werden immer weniger überprüft. Es gibt kaum noch ein Gegenlesen. Immer mehr Agenturinhalt fließt Copy-Paste ins Blatt. Die Redaktionen sind im Verhältnis zur Seitenzahl so dünn wie nie zuvor. Zugleich ist die sprachliche und Wissens-Qualität einer neuen Journalistengeneration meist recht erbärmlich. Daran sind zwar primär Unis und Schulen schuld, aber auch der Umstand, dass es sich keine Zeitung mehr leistet, die Besten und Interessantesten unter den Jungen anzusprechen.

Solche schwachen Journalisten schwimmen dann alle sicherheitshalber im (linksliberalen bis grünen) Mainstream. Wenn man immer ungefähr dasselbe schreibt wie alle anderen, dann kann man ja nicht so falsch liegen, denken sie sich. Eine eigene Meinung hat man ja meist ohnedies nicht, oder man wagt diese ohne das nötige Wissen und ohne intellektuellen Mut nicht zu artikulieren.

Keine Frage, dass die Leser dies alles zumindest im Unterbewusstsein spüren. Diese und noch ein Dutzend anderer Ärgernisse der heutigen Medienwelt würden ganze Dissertationen füllen, gäbe es seröse Medienwissenschaft in Österreich.

Es darf daher niemanden wundern, dass das Vertrauen in den Journalismus so tief unten ist wie nie zuvor. Es ist fast so schlecht wie das der Politiker, auch wenn Journalisten täglich alle Politiker heruntermachen (bis auf jene, die ausreichend bestechen).

Die Migranten-Illusion

Gleichsam als PS eine besondere Groteske aus diesem Sommer: Neuerdings glaubt man vom ORF bis zur „Presse“, dass es sie rettet, wenn sie auf Migranten in der Redaktion setzen. Oder tun sie das auch nur deshalb, weil im Hintergrund Geld dafür fließt? Sie begreifen jedenfalls nicht, dass sie damit ihre bisherigen Leser/Seher noch schneller entfremden und vertreiben. Und dass sie bei den außereuropäischen Zuwanderern nicht einmal einen Bruchteil der vertriebenen an neuen Lesern finden werden.

Aber vielleicht tröstet sich die österreichische Medienszene: Solange der Strom politischer Gelder fließt, werden wir schon irgendwie im alten Trott weiterleben können. Erst wenn auch hierzulande griechische Verhältnisse ausgebrochen sind, wird dieses Business-Modell zwangsläufig zusammenbrechen. Dann aber haben wir die Chance, dass spannendes Neues entsteht. Also Medien, die sich ausschließlich am Leser orientieren.

Auch in Deutschlands und Amerikas Medienwelt muss ja zuerst Morsches kollabieren, bis aus den Ruinen wieder neues Leben entstehen kann.

 

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Wie man zugleich unter Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel leiden kann drucken

Eine seltsame Diskrepanz: Die ILO prophezeit Europa gewalttätige Unruhen wegen der wachsenden Arbeitslosigkeit. Insbesondere in Deutschland klagt man hingegen über einen zunehmenden Mangel an Kellnern, Installateuren oder Pflegekräften und an Arbeitskräften in mehr als hundert anderen Berufen. Wie passt das zusammen? Der europäische Bürger ist verwirrt.

Wenn man dem Weltarbeitsmarktbericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO glaubt, dann kann man sich eigentlich nur noch fest anschnallen und hoffen, dass es nicht ganz so schlimm sein wird wie beim letzten Mal. Das war nämlich in den 30er Jahren, als die Arbeitslosigkeit (eine Folge der Kosten des ersten Weltkriegs und der darauf entstanden Inflation) in Deutschland und Österreich eine wichtige Mitursache der bürgerkriegsartigen Unruhen und der Machtergreifung der Nationalsozialisten gewesen ist. Arbeitslose Menschen sind damals auf der Straße gestanden mit dem Schild "Nehme jede Arbeit", sie haben als "Ausgesteuerte" keinen offiziellen Groschen mehr erhalten, und haben in den Höfen der Häuser durch Gesang ein paar Münzen erbettelt.

Die – gewerkschaftsnahe, aber als UNO-Organisation getarnte – ILO sieht heute in nicht weniger als 46 Staaten ein wieder gestiegenes Risiko solcher sozialer Unruhen. Insbesondere in Europa hat sich laut ILO dieses Risiko signifikant erhöht.

Eine dramatische Prognose, da sie ja zumindest unterschwellig diese historischen Bezüge ins Spiel bringt. Eine Wiederholung der 30er Jahre ist jedenfalls das Allerletzte, was man sich wünschen kann. Sie zu vermeiden ist fast jeden Preis wert - nur nicht den eines bloßen Hinausschiebens unangenehmer Konsequenzen, das dann zu noch größeren Risiken führt.

Jedenfalls befindet sich die Eurozone schon seit 2011 in einer Rezession, sie hat also die 2007/08 begonnene Krise alles andere als überwunden. Noch bedenklicher aber ist der Umstand, dass es heute zwar schon wieder global durchaus signifikante Investitionen gibt – nur finden diese überwiegend in den Schwellenländern und (seit der dortigen Verbilligung der Energie) in den USA statt.

Europas Realität zeigt hingegen ein ganz anderes Bild. Noch immer werden in diesem Kontinent 50 Prozent aller weltweiten Wohlfahrtsausgaben getätigt – dabei stellt Europa nur acht Prozent der globalen Bevölkerung. Und wenn man die Programme zumindest der deutschen und österreichischen Wahlkämpfe anschaut, dann droht sogar ein weiterer Ausbau der unfinanzierbaren Wohlfahrtsleistungen.

Mangelware Kellner und Installateure

Ein toskanischer Unternehmer vermittelt dieser Tage bei einer privaten Plauderei ein erstaunliches Bild: "Die italienischen Universitäten produzieren Unmengen von Politologen und Soziologen, die dann zwangsläufig arbeitslos werden. Aber wenn man eine Putzhilfe sucht, findet man keine."

Das mag gewiss ein subjektives Bild sein. Es wird aber jedenfalls durch die jüngste Untersuchung des "Instituts der Deutschen Wirtschaft" in Hinblick auf die Bundesrepublik bestätigt. Darin wird für Deutschland ein besonderer Engpass auch bei Berufen mit einer - formal gesehen - eher geringen Qualifikationsanforderung konstatiert: insbesondere bei Kellnern, Installateuren und Pflegekräften. Fast ebenso Mangelware sind Ärzte, Vermessungstechniker oder Mechatroniker. Insgesamt zählt das Institut schon 119 Mangelberufe! Beim deutschen Bundesinstitut für Berufsbildung bezeichnet man die Lage in vielen Branchen deshalb sogar schon als "dramatisch".

Diese Diskrepanz zwischen einem Mangel und einem ebenso dramatisch scheinenden Überfluss an Arbeitskräften in ein- und demselben Währungsraum wirkt absurd. Die Erklärung für diesen Widerspruch heißt in der Fachsprache "geringe Mobilität". Das heißt: Wenn in Europa irgendwo (geographisch oder branchenmäßig) ein Mangel an Arbeitskräften vorhanden ist, dann müssten eigentlich nach allen Gesetzen der Logik die Arbeitssuchenden - die ja nach etlichen Medienberichten total verzweifelt sind - dorthin strömen. Sie tun es aber nicht. Sie demonstrieren vielleicht, aber ziehen nur zu einem sehr geringen Prozentsatz um.

Wenn hingegen in Amerika die Arbeitslosigkeit in einer Stadt (jüngstes Beispiel: Detroit) explodiert, dann ziehen die Menschen halt wo anders hin auf dem riesigen Subkontinent. Irgendwo boomt es nämlich fast immer. In den verlassenen Städten sinkt die Bewohnerzahl dann des öfteren auf weniger als die Hälfte. Kein Amerikaner sieht darin jedoch einen Grund zur sonderlichen Aufregung, zumindest solange es eben andere Orte oder Branchen mit deutlich mehr Chancen gibt.

Die Ursachen der Immobilität

Was sind nun die konkreten Ursachen der Immobilität der Europäer, die dazu führt, dass diese eben nicht den Arbeitsplätzen nachwandern?

  • Das Fehlen einer gemeinsamen Sprache oder Zweitsprache macht ein Übersiedeln oft schwierig. Die EU hat zwar immer viel von der Förderung der Sprachkenntnisse gesprochen. Aber sie hat sich – vor allem auf Grund französischer Eitelkeiten – nie darauf einigen können, welche Sprache eigentlich als erste Fremdsprache zu lehren wäre. In einem gemeinsamen Markt sollten aber alle zumindest die Zweitsprache gemeinsam haben. Das kann im Grund natürlich nur Englisch sein, jetzt schon in Europa wie global die relativ meistgelernte Zweitsprache. Diese sollten in einem gemeinsamen Arbeitsmarkt alle, auch Menschen mit bloßem Pflichtschulabschluss, zumindest in einem brauchbaren Mindestumfang lernen. In Wahrheit aber ist der Fremdsprachenunterricht vielfach auch dort, wo er stattfindet, völlig unbrauchbar. Insbesondere in Spanien oder Italien trifft man auf Menschen, die vor der Universität angeblich acht Jahre Englisch gelernt haben, die jedoch nicht einmal einen einzigen Satz in dieser Sprache formulieren können.
  • Die Politik hat den Menschen in Europa jahrelang eingeredet, dass der Staat für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen verantwortlich sei. Durch diese Propaganda ist den Menschen vielfach das anderswo selbstverständliche – und auch in unserer Vergangenheit allgemein verbreitete – Grundbewusstsein verloren gegangen, dass jeder primär selbst für sein Überleben, sein Einkommen, seinen Job verantwortlich ist. Bis vor wenigen Jahrzehnten war es auch in Europa noch selbstverständlich, dass man der Arbeit wegen selbst in ganz ferne Länder zieht. Heute sind hingegen arbeitslose Kellner nicht einmal bereit, für einen gutbezahlten Job von Wien nach Salzburg zu ziehen.
  • Die Wohlfahrtsleistungen in den meisten Ländern sind viel zu hoch geworden (was auch dann ein Riesenproblem ist, wenn sie finanzierbar wären). Sie führen dazu, dass man die Last der Arbeitslosigkeit viel weniger spürt, als notwendig wäre, um alle Arbeitslosen zu einer Jobsuche zu animieren. Viele junge Menschen bleiben lieber jahre-, jahrzehntelang bequem im Hotel Mama, statt sich der rauen Härte der Arbeitswelt zu stellen.
  • Auch die Wohnbauförderungen halten von Mobilität ab. Ein Wechsel der Wohnung würde etwa in Österreich vielen einen Verlust der Mieterschutz-Privilegien bringen. Andere müssten teure Wohnbauförderungen zurückzahlen. In Amerika hingegen zieht man problemlos weg; und wenn das Haus keinen Käufer findet, dann ist das letztlich ein Problem der Bank, nicht der (früheren) Bewohner.
  • Kaum jemand in Europa ist vorerst bereit, ein oder zwei Stufen hinunterzusteigen, um einen neuen Job zu finden. Vor allem Akademiker scheuen den Schritt zu nichtakademischen Berufen wie der Teufel das Weihwasser.

Hartz IV brachte Deutschland Wende zum Besseren

Aus all diesen Gründen werden wir noch viele Jahre warten müssen, wird die Krise wohl noch viel härter werden müssen, bis all diese Versäumnisse nachgeholt werden. Also bis es zu besseren Englisch-Kenntnissen und zu einem signifikanten Abbau von Wohlfahrtsleistungen kommt. Erst dann wird es wohl normal und selbstverständlich sein, dass man in anderen Ländern auf spanische Kellner oder griechische Altenpfleger stößt. So wie sich jahrhundertlang Tiroler oder Schweizer europaweit verdingt haben. So wie in den fünfziger Jahren arme Österreicher zu Hunderttausenden nach Kanada oder Australien ausgewandert sind. So wie es vor rund einem Jahrzehnt einen erstaunlichen – und für den Österreicher völlig überraschenden – Zustrom von deutschen Kellnern und sonstigen Arbeitskräften in die Alpenrepublik gegeben hat. So wie heute viele Jungmediziner aus Österreicher nach Deutschland gehen (in diesem Fall allerdings nicht wegen Arbeitslosigkeit in der Heimat, sondern wegen der schlechten Bezahlung in Österreichs Spitälern und in Kassenordinationen).

Gerade das Beispiel der plötzlich in Österreich aktiv gewordenen deutschen Kellner zeigt aber auch, wie rasch sich die Dinge wandeln. Heute kommt schon wieder kaum mehr ein junger Deutscher wegen der dortigen Arbeitslosigkeit nach Österreich. Deutschland ist im Gegenteil auf der Suche nach Arbeitskräften.

Diese Rück-Wende zum Besseren hat auch einen Namen: Hartz IV. Dieses Maßnahmenpaket (einer rotgrünen Regierung im Konsens mit der damals oppositionellen CDU/CSU) hat Deutschland aus der schweren Krise nach der Wiedervereinigung gerettet: Wohlfahrtsleistungen wurden stark reduziert; die Arbeitslosigkeit konnte nicht mehr als Dauer-Hängematte dienen; und es wurden insbesondere viele Formen gering bezahlter Beschäftigung entwickelt – über die zwar manche Gutmenschen und Gewerkschafter jammern, die aber individuell wie volkswirtschaftlich jedenfalls weit besser ist als jede Dauerarbeitslosigkeit.

Dieses Exempel zeigt: Es ginge ja, wenn Europa nur wollte. Deutschland hat jedenfalls dadurch seine Arbeitslosenzahlen von über fünf Millionen auf unter drei Millionen abbauen können. Sogar in Zeiten der Eurokrise.

Dieses Exempel kann aber nur dann allgemeingültig werden, wenn alle Europäer eines begreifen: Solange es keinen wirklich gemeinsamen Arbeitsmarkt gibt, kann eine gemeinsame Währung nie funktionieren.

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Berlusconi: Ein Urteil, keine Klarheit drucken

Das Kassationsgericht hat sich für seinen Spruch unerwartet viel Zeit genommen, aber alles andere als Klarheit geschaffen. Vier Jahre Haft für Silvio Berlusconi sind also das letztinstanzliche Urteil wegen Steuerbetrugs. Den beantragten Ausschluss von öffentlichen Ämtern hingegen haben die römischen Höchstrichter nach Mailand zurückverwiesen. Ob Staatsraison der Grund dafür war oder nicht: Der gefährliche politische Schwebezustand in Italien ist damit prolongiert.

Zwanzig Jahre hat Silvio Berlusconi seine Landsleute immer wieder fasziniert – viermal haben sie ihn an die Regierung gebracht, auch wenn das für Nicht-Italiener oft nicht zu verstehen war. Und auch jetzt hängt das Schicksal Italiens an ihm.
Dass sich die Strafe wegen der italienischen Gesetzeslage auf ein Jahr Hausarrest reduziert, scheint hierzulande wie ein Geschenk im Paradies für Seniorenkriminalität (ab 75 gibt es Haftstrafen nur für Gewaltverbrechen). Für den sicher begabtesten Schauspieler der Politik der letzten Jahrzehnte ist es Grund für bebenden Zorn – auch wenn es nach Larmoyanz geklungenen haben mag, wie Berlusconi das Urteil kommentiert hat.
Doch Beppe Grillo, der nächste (diesmal) Komiker, der auf der italienischen Politbühne Staub aufwirbelt, mit weniger Talent als der Cavaliere, der ihm freilich überhaupt erst den Weg geebnet hat, triumphiert zu früh. Sein Programm – nämlich die vom Wähler verliehene Macht auf keinen Fall konstruktiv für das Land einzusetzen – ist eine Karikatur dessen, was die ewige Rückkehr des Silvio Berlusconi überhaupt erst möglich gemacht hat: das vollständige Fehlen einer politisch ernstzunehmenden Gegenkraft, einer echten, starken und attraktiven Alternative.
Mit politischen Mitteln war Berlusconi also nicht klein zu kriegen. Von den Richtern hat man sich diesen Dienst erwartet. Und die sind nur den halben Weg gegangen.
Eine typisch italienische, schlampige Lösung? Oder der hilflose Versuch, den endgültigen Bruch eines zutiefst gespaltenen Landes zu verhindern?
Wer sich an den gebrochenen Greis Giorgio Napoletano erinnert, wie er aus verzweifelter Liebe zu seinem Land noch einmal das Präsidentenamt angenommen hat, kann den Ernst der Lage nicht übersehen.
Jetzt droht die notdürftig zusammengezimmerte Koalitionsregierung Enrico Lettas zu scheitern. Nicht dass sie bisher den Niedergang des „kranken Manns Europas“, dieses seit Jahrzehnten – schon lange vor dem Auftritt Berlusconis – immer weiter hinuntergewirtschafteten Landes gestoppt hätte. Seit dem grandiosen Scheitern des Wirtschaftsexperten Mario Monti fragt man sich ohnehin, ob das überhaupt möglich ist.
Doch: Taumelt Italien nun in ein Chaos der Unregierbarkeit, endet es endgültig am Abgrund.
Und mit ihm Europa.

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Depressiv, dekadent und überflüssig: Europa 2013 drucken

Der große Historiker Walter Laqueur mag mit seinen 92 Jahren nicht mehr lange unter uns weilen. Aber die Weisheit, mit der er dieser Tage Europa analysiert hat, geht wohl weit über die Spanne seines Lebens hinaus. Es ist wohl das klügste, aber auch bestürzendste Interview gewesen, das man in den letzten Jahren über Europa lesen konnte.

Dabei ist das, was Laqueur da in einem Interview mit dem „Spiegel“ gesagt hat, in fast jeder Zeile von großer, ja verzweifelter Liebe zu Europa geprägt. Er spricht in vielem das aus, was man selber für die Zukunft des Kontinents fürchtet.

Vergnügungspark für die Neureichen aus anderen Kontinenten

Dennoch klingt seine Zukunftsvision aufs erste und oberflächlich recht harmlos. „Die Möglichkeit, dass Europa ein Museum oder ein kultureller Vergnügungspark für die Neureichen der Globalisierung wird, ist nicht völlig von der Hand zu weisen.“ Dies ist in Wahrheit ja heute schon der beherrschende Eindruck, den die Städte des Kontinents vermitteln.

Prinzipiell ist das – auch für den Historiker Laqueur – ja nichts Schlechtes: „Das Ausscheiden aus der Champions League ist nicht das Ende.“ Nur sollte man sich dessen eben auch bewusst sein. Denn „dann wäre es vielleicht auch ratsam, die freigiebige Verteilung von guten Ratschlägen an andere Länder etwas einzuschränken und die eigenen Leistungen weniger pathetisch zu beschwören.“

Laqueur sieht das aus der weit vom Objekt der Betrachtung zurücktretenden Perspektive des Analytikers (und sicher auch seines eigenen Alters): „Aufstieg und Zerfall von Reichen sind Konstanten der Geschichte.“ Das erinnert stark an Oswald Spengler, der schon am Beginn des vorigen Jahrhunderts den Untergang des Abendlandes prophezeit hat. Für Laqueur ist diese Perspektive entweder eine Konsequenz des Alterungsprozesses Europas oder die Folge seines Wohlstandes; dieser habe eine furchtsame Gesellschaft herausgebracht, die allen Konflikten ausweichen will und alle Warnsignale missachtet, durch die sie ihren Wohlstand gestört fühlt.

„Bevor der Zusammenbruch kommt“

Man sollte sich bei der Beurteilung nicht durch seine die relative Stabilität Europas in den letzten Jahrzehnten täuschen lassen: „Es gibt immer ein retardierendes, beharrendes Moment, bevor der Zusammenbruch kommt.“ Europa hoffe auf ein Wunder – wende aber jenes Rezept an, dass auf längere Sicht den geringsten Erfolg verspreche: „ein bisschen Reform hier, ein Stück Flickschusterei da und eine Dosis business as usual.“ Dahinter habe Europa aber das Gefühl für die klare und unmittelbare Gefahr verloren, welche seine Krise bedeutet. Der europäische Antiamerikanismus, „der auf der Linken wie auf der Rechten stets latent geblieben ist“, habe nämlich den Blick auf die eigenen Schwächen Europas verstellt, so Laqueurs unbarmherziges Urteil.

Die Europäer bleiben lieber in Deckung. Sie versuchen gar nicht mehr, wieder zu einer politischen Großmacht aufzusteigen. Aber: „Die Europäer haben noch nicht begriffen, dass es keinen Schutz vor den Folgen der Weltpolitik gibt.“ Ein Rückzug biete keine Sicherheit vor den Konsequenzen.

Europa sei von einer unerklärlichen Willenlosigkeit erfasst. Die europäische Krise sei nämlich keineswegs vorrangig eine Schuldenkrise. „Europäische Werte mögen noch so oft angerufen und angepriesen werden – Willensschwäche, Trägheit, Ermüdung, Selbstzweifel, mangelndes Selbstvertrauen, das läuft auf die psychologische Diagnose eines schwachen Egos hinaus.“

Den Umgang mit Rüpeln und Schurken lernen

Diese Ängstlichkeit strahle Europa naturgemäß auch nach außen aus. „Das merken die Rüpel, und das spüren auch die Hilfsbedürftigen.“ Laqueur verlangt von Europa, dass es endlich zur Kenntnis nehmen solle, in einer Welt zu leben, „in der allzu oft das Chaos herrscht, nicht das internationale Völkerrecht.“ Es müsse daher lernen, sich nach zwei verschiedenen Methoden in der Welt zu verhalten: „einmal nach solchen, die den Umgang untereinander regeln“; jedoch „wenn es um die Rüpel und Schurken geht, die noch nicht den aufgeklärten Zustand der Postmoderne erreicht haben“, dann sollte Europa begreifen, das ganz andere Methoden notwendig sind.

Zweifellos könnte man auch Europas unsichere Reaktion in der aktuellen NSA-Überwachungskrise so interpretieren. Die Europäer sehen in diesem Zusammenhang immer nur brave und anständige Bürger als Opfer, die Amerikaner (und zum Teil Briten) haben hingegen immer Schurken und Schurkenstaaten als Ziel all der Abhöraktionen vor ihrem Auge. Daher fällt es Europa auch so furchtbar schwer, mit den Amerikanern einen Konsens bei der Interpretation der Geheimdienstaktionen zu erzielen.

Zurück zu Laqueurs Bilanz. Sie ist jedenfalls deprimierend. Europa habe seinen moralischen Kredit weitgehend verspielt, fürchtet er. „Es scheut sich Sanktionen zu verhängen; es tut sich unendlich schwer, in Krisen außerhalb Europas zu intervenieren; es hat seine weitgehende Ohnmacht sogar bei Kriegen im eigenen Hinterhof bewiesen.“

Spielball der Weltpolitik

Europa spiele zwar in Wirtschaft und Handel weiterhin eine Rolle. „Aber bis heute steht der Kontinent politisch und militärisch nicht auf eigenen Füßen.“ Das wäre aber nur möglich, wenn global die Machtpolitik keine Rolle mehr spielten würde. „Die Konflikte sind jedoch nicht zurückgegangen, der Fanatismus und die Leidenschaft in ihnen brennen weiter“. Das mache es daher fragwürdig, ob der Gedanke einer europäischen Unabhängigkeit von der Weltpolitik realistisch ist.

Europa erweise sich angesichts der heraufziehenden Stürme vielmehr als hilflos und werde zu einem Spielball dieser Weltpolitik.

Brillante und mutige Gedanken zur Lage des Kontinents und der Union, die einem viel zum Nachdenken geben. Am beklemmendsten ist aber wohl, wie weit diese Gedanken ganz offensichtlich von der Realität Europas, von den Themen seiner Wahlkämpfe und von der Denkwelt seiner Politiker entfernt sind.

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Wer zahlt für die Vertragsverletzung? drucken

Der staatliche Schuldenstand darf nicht mehr als 60 % des Bruttoinlandsprodukts betragen.
So steht es – Papier ist geduldig – im 1992 geschlossenen EU-Vertrag zu den Konvergenzkriterien, bekannter als Maastricht-Vertrag. Dieses offensichtlich wertlose Vertragswerk kann nicht einmal im Euro-Raum umgesetzt werden. Dort liegen die öffentlichen Schulden schon bei skandalösen 92,2 Prozent. Fahren Sie mal in einer 60er-Zone mit 92 Stundenkilometern! Das kann schon mal den Führerschein kosten. Mit Recht!

Im Euro-Raum, wo Milch und Honig für alle fließen, die in öffentlichen Verwaltungen und der Politik arbeiten, bleibt der Verstoß gegen den Maastricht-Vertrag ungescholten. „Ein Skandal“, werden Sie denken. Nein, es ist schlimmer. Es ist das System der EU, das Härte nach Außen lebt, aber zur eigenen Sippe nur unvorstellbare Generosität bei Gehältern, Diäten, Urlaubs- und Reiseregelungen kennt.

So wie beim Verstoß gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung der Fahrer des KFZ bestraft wird, so sollte bei der mehr als 50-prozentigen Überschreitung der Maastricht-Kriterien die komplette Lenkungsgarde der EU bestraft werden. Und zwar mit Kürzungen der Bezüge in dem Ausmaß, in dem die Maastricht-Kriterien nicht eingehalten werden.

Also bei unserem aktuellen Stand – nachzulesen unter http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/2-22072013-AP/DE/2-22072013-AP-DE.PDF – stehen Kürzungen um rund 54 Prozent an.

Diese Kürzungen haben folgende Gruppen zu treffen:

  • EU-Kommission
  • EU-Parlamentarier
  • EU-Beamte
  • Die Beamten in den EU-Mitgliedsländern, die den Maastricht-Vertrag brechen (in dem prozentuellen Ausmaß, in dem dort dieser Vertragsbruch wissentlich passiert)
  • Sämtliche Politiker in den EU-Mitgliedsländern, die den Maastricht-Vertrag ebenfalls nicht einhalten

Jede Wette, dass binnen drei – eher noch zwei – Jahren die Maastricht-Kriterien von allen Ländern erfüllt werden!

Bisher wird die EU als gigantisches Friedensprojekt dargestellt, als Selbstbedienungsladen für viele Begünstigte gelebt und als Fiasko gefürchtet, wenn wir uns nur den höchst wichtigen Bereich der Budgetdisziplin ansehen.

EU soll nicht zum Kürzel für Ein Untergangsprojekt werden. Doch dazu bedarf es eben nicht nur toller Regelwerke, sondern wacher, aufrechter und zukunftsfähiger Politik. Das EU-Parlament hat 13 Vizepräsidenten. Vielleicht kann ein einziger sich mal für die Einhaltung des Maastricht-Vertrages stark machen?

Im Übrigen wird es spannend, ob sich die EU zu so einer Bestrafung zusammenraufen wird? Na ja, nicht wirklich, denn unsere Abgeordneten sind ja unter den Vertragsverletzern und als solche stimmen sie auch über alle Folgen ab. So, als ob wir Verkehrssünder befragen würden, ob ihnen eine Bestrafung recht ist, oder nicht. Die Folgen sind klar: Wir zahlen immer!

Reinhard Bimashofer ist freier Journalist und im Vorstand des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie. 

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Wohin verlogene Politik führt drucken

Nichts könnte verheerender sein als das, was derzeit sowohl den deutschen wie den österreichischen Wahlkampf prägt: Es wird fast nur über Steuererhöhungen und neue Staatsausgaben geredet, fast nie über Streichungen oder Kürzungen von Ausgaben. Offenbar ist man erst dann zu solchen Schritten bereit, wenn die Dinge schon so schlecht stehen wie heute in Südeuropa.

Psychologisch ist das freilich verständlich: In der Politik und damit besonders in Wahlkämpfen äußern sich fast ständig nur jene, die das Geld der Steuerzahler für alles Mögliche ausgeben oder ausgeben wollen. Hingegen hat die Masse jener, die das finanzieren müssen, denen immer mehr Geld abgepresst wird, kaum Artikulationschancen. Sie kann sich nur in der Wahlzelle artikulieren, die bekanntlich keine sehr konkreten oder gar differenzierenden Äußerungen zulässt. Und die nächste Generation, welche die gigantische Schuldenlast erben wird, kann nicht einmal das.

Am schockierendsten war wohl die jetzt mitten im Wahlkampf erfolgte nonchalante Ankündigung Angela Merkels, dass der deutsche Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer entgegen vielen früheren Versprechungen doch nicht aufgehoben wird. Dieser war ja einst zur Finanzierung der Wiedervereinigung eingeführt worden. Für die totalrenovierten Neuen Bundesländer sind die dadurch (jährlich) abgecashten 13 Milliarden Euro künftig zwar nicht mehr wirklich nötig, aber die politische Klasse hat schon jede Menge neuer Ausgabenzwecke gefunden.

Zur Begründung der ständig höheren Steuern wird zwar in Deutschland wie Österreich immer gerne von der Notwendigkeit einer guten Infrastruktur geredet. Aber wenn man sich die Zahlen wirklich anschaut, geht der Großteil des zusätzlichen Geldes ins Sozialsystem und nicht in Straßen, Bahnen oder Glasfaserkabel. Auch die überall im letzten Vierteljahrhundert kassierte Friedensdividende, also die Verringerung der Militärausgaben, ist nicht den Steuerzahlern, sondern den Menschen in der Hängematte des Sozialsystems zugutegekommen.

Höhere Steuern bringen weniger Geld

Dabei bringen schon jetzt die Steuererhöhungen den staatlichen Kassen oft nur noch ein Minus ein. Ein exzellentes Beispiel ist die von der Regierung Faymann eingeführte Kursgewinnsteuer, welche in Österreich die Börse und damit deren Beiträge zur Volkswirtschaft letal beschädigt hat.

Ebenso anschaulich ist die deutsche Tabaksteuer: Deren Erhöhung hat nicht mehr Geld gebracht, sondern einen deutlichen Einnahmenrückgang. Nur scheinbar kann man sich daher über den gesundheitspolitischen Erfolg freuen, dass weniger Zigaretten gekauft worden sind: Denn alle Experten wissen, dass als Folge der Verteuerung halt noch mehr Zigaretten aus dem Ausland importiert oder geschmuggelt worden sind.

Aber es geht eben nicht in die Köpfe von Bürokraten und Politikern hinein, dass die Menschen mit einer Veränderung ihres eigenen Verhaltens auf Maßnahmen der Obrigkeit reagieren. Dass sie sich nicht ganz wehrlos abschlachten lassen.

Die Ahnungslosigkeit des Rechnungshofes

Ein typisches Beispiel für die Denkunfähigkeit dieser Bürokraten hat dieser Tage der österreichische Rechnungshof geliefert: Er kritisierte die Gruppenbesteuerung, mit der international tätige Konzerne, die in Österreich versteuern, ihre Gewinne aus einem Land am Sitz der Konzernzentrale mit Verlusten aus anderen ausgleichen können. Das gefällt den Erbsenzählern des Rechnungshofs nicht. Grund: Die konkreten Ziele und Wirkungen dieser Regelung seien nicht bekannt und daher nicht transparent.

Als ob man solche Wirkungen bei komplexen globalökonomischen Vorgängen jemals konkret beziffern könnte. Damit hat aber der Rechnungshof – eine Körperschaft mit lauter Beamten, die heute schon fix wissen, wie viel sie in fünf Jahren mindestens verdienen werden – der Gruppenbesteuerung den Kampf angesagt.

Dabei ist völlig klar: International tätige Konzerne werden mit Vorliebe mit ihren steuerrechtlichen Hauptquartieren in jene Länder ziehen, wo sie am günstigsten fahren. Und wenn die steuerlichen Konditionen in Österreich auf Wunsch des Rechnungshofs verschlechtert werden, dann ziehen die Konzerne stillschweigend oder lauthals ein paar Länder weiter. Nur: Mit Ziffern genau berechnen lässt sich diese Wirkung natürlich nicht.

Das glauben nur die Rechnungshof-Beamten in ihrer Weltfremdheit. Was die Lehre immer deutlicher vermittelt: Diese Institution dient maximal dazu, Betrügereien und Korruption zu entdecken (aber auch diese übersieht sie meistens). Für ökonomische Aussagen ist der Rechnungshof hingegen schlicht zu dumm.

Natürlich sind auch die 70.000 verlorenen Arbeitsplätze nicht wirklich exakt beweisbar, von denen das Finanzministerium in einer neuen Studie spricht. Aber die Tendenz ist zweifellos richtig, dass die österreichische Hochsteuerpolitik, die entscheidungsunwillige Bürokratie, die zahlreichen Regeln und Schikanen immer mehr Investoren vertreiben. Das alles ist dem Rechnungshof ebenso wie jenen Abgeordneten jedoch offensichtlich wurscht, die nun mit einem Ende der Gruppenbesteuerung einen weiteren Investorenvertreibungsakt planen.

Ähnliche Blödheiten drohen nun mit der Finanztransaktionssteuer. Auch da kann man zwar nicht auf den Prozentpunkt genau eine Wirkung prognostizieren (wenngleich das viele Institutionen tun). Aber ihre Einführung wird mit absoluter Sicherheit gleich zwei Wirkungen haben: Erstens werden primär und neuerlich die Sparer und Besitzer von Lebensversicherungen die Zeche zahlen. Und zweitens wird der Umfang der betroffenen Finanztransaktionen dramatisch abnehmen.

Bezeichnenderweise haben sich die elf steuersüchtigen EU-Länder ja noch immer nicht einmal einigen können, welche Vorgänge überhaupt von der Steuer erfasst werden sollen. Denn je näher man hinschaut, umso problematischer wird diese Idee, für die sich deutsche und österreichische Politiker einst selbst lautstark gefeiert haben. Sie haben damals den Menschen und den Medien eingeredet, dass die Steuer ja ohnedies nur die Reichen treffen würde. Was halt wieder einmal eine typische Lüge der Politik gewesen ist.

Die Ursachen der 30er Jahre

Die ständig blamierten Schulden- und Steuererhöhungsfreaks ziehen sich in ihrem Argumentationsnotstand letztlich gerne auf die Geschichte zurück, auf Maynard Keynes und auf die 30er Jahre. Aber auch dabei lügen sie.

Denn die schwere Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit in den 30er Jahren sind nicht Folge von Sparsamkeit, sondern direkte Folge vom Gegenteil gewesen: von der Inflation der 20er Jahre, vom hemmungslosen Gelddrucken und von der durch die Kriegsjahre erfolgten Zerrüttung der Staatsfinanzen. Die Politik – insbesondere in Deutschland – hatte nämlich in den 20er Jahren populistischerweise die Konsumausgaben gesteigert, obwohl die Produktivität nicht gestiegen war und die Kriegsfolgen alles andere als überwunden waren.

Das alles hat geradezu nahtlos in den Zweiten Weltkrieg geführt. Vorher hat auch der amerikanische New Deal von Präsident Roosevelt kein neues Wachstum in den USA auslösen können.

Keynes: Maximal 25 Prozent Steuern

Noch drastischer verlogen ist die Berufung auf den britischen Ökonomen Keynes. Dieser hatte zwar die kurzfristig stimulierende Wirkung von höheren Staatsausgaben erkannt. Er hatte aber immer dazugesagt, dass das nur in Verbindung mit Staatsüberschüssen in den guten Jahren geht. Jedoch: Seit den späten Sechziger Jahren hat die Politik nie Überschüsse produziert.

Sie hatte vielmehr auch bei guten Einnahmen ständig neue („soziale“) Ausgaben erfunden, um sich die Wählergunst zu erkaufen. Daher ist heute eine stimulierende Wirkung der Defizite nicht mehr zu sehen. Die Wirkung hat sich infolge des Missbrauches tot gelaufen.

Noch etwas zweites an Keynes wird von den heutigen Keynesianern total ignoriert und verschwiegen. Er hatte ausdrücklich gesagt, dass „25 Prozent (des BIP) der maximal tolerable Anteil der Steuern“ sei. Heute liegt etwa in Österreich diese Abgabenquote jedoch über 43 Prozent, und für die wachstumswichtigen Klein- und Mittelbetriebe bei 53 Prozent! Keynes würde sich im Grab umdrehen. Und alle anderen großen Ökonomen der Geschichte sowieso.

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Die Krise, die Autos und der Ausweg drucken

Nirgendwo sonst sieht man klarer die Tiefe der Krise als in der Autobranche. Besonders deutlich ist das in Italien: Dort sind die hinter dem Lenkrad verbrachten Stunden um 27 Prozent zurückgegangen, die Zahl der neu ausgestellten Führerscheine um 19 Prozent, der Verkehr in den Städten um 34 Prozent. Die Neuwagenverkäufe haben sich überhaupt halbiert.

Dramatisch. Aber auch in der ganzen EU sieht es kaum besser aus: Die Autoverkäufe sind auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren. Lediglich Großbritannien – das ja nicht im Euroraum ist – kann ein deutliches Plus aufweisen.

Das sind auch für Österreich schlechte Nachrichten. Hat das Land doch eine sehr signifikante Auto-Industrie von Miba bis Magna. Von dort kommen zwar noch eher beruhigende Nachrichten. Dennoch wird sich auch Österreich nicht von europaweiten Trends abkoppeln können.

Auch Nordamerika geht es nicht so viel anders. Dort hat nur der Steuerzahler GM und Chrysler in der Krise retten können. Das empörte wiederum viele andere Branchen, wo Konkurse weiterhin der natürliche Lauf der Dinge sind, die aber für die Autorettung zahlen müssen. Der Bankrott der Autostadt Detroit mit allen katastrophalen sozialen und demographischen Folgen konnte dennoch nicht verhindert werden.

Das sollte allen Beteiligten ein dramatischer Weckruf zur Umkehr sein. Diese Umkehr ist in vielfacher Hinsicht notwendig. Man schaue etwa noch einmal nach Detroit.

In der Ursachenanalyse stößt man dort immer wieder auf zwei Aspekte. Der eine ist die Politik der Gewerkschaften; diese haben mit überzogenen Forderungen die globale Wettbewerbsfähigkeit der US-Autos stark reduziert; und sie haben überdies die Verlagerung etlicher Produktionsstätten aus Detroit in kleinere Städte ausgelöst, wo die Macht der Syndikate viel schwächer war. Der zweite Grund war die Stadtverwaltung, die mit wahnsinnig überzogenen Gehältern und Pensionen für Stadtbedienstete den Bogen weit überspannt hat, bis das goldene Kalb tot war, von dem man lebte.

Beide Verhaltensweisen sind auch in Europa keineswegs unbekannt. Auch hier holen sich viele aus der Wirtschaft zu viel heraus und übersehen, dass diese – in jeder Branche – in einem beinharten internationalen Wettbewerb steht.

Speziell die Autobranche leidet aber unter noch etwas: Europa hat die weltweit weitaus schärfsten Klimaschutzvorgaben. Diese richten sich geradezu gezielt gegen die deutschen Luxusmarken. Offenbar sollen diesen die gleichen Probleme angehängt werden, die schon Opel, Fiat und die schwedischen und französischen Marken existenziell plagen.

Das geschieht wohl aus purer Schadenfreude, um die (noch) selbstbewussten Deutschen zu demütigen. Denn das Klima kann nicht das Motiv sein. Selbst wenn alle negativen Prognosen stimmen sollten, würde die Erwärmung doch nur durch weltweit gültige Maßnahmen eingebremst. Europäische Selbstbeschädigung hingegen nutzt niemandem.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 462: Wo mehr Blinde sehend werden als einst durch Jesus drucken

Ständig müssen wir uns schuldbewusst vorsagen: Das alles zu finanzieren, ist alternativlos unsere Pflicht, wie uns Politik und ihre medialen Helfershelfer ja ständig klarmachen.

Der europäische Wohlfahrtsstaat ist zu einem einzigen Selbstbedienungsladen geworden. Alleine in Deutschland hat es in einem Jahr mehr als 177.000 Straf- und Bußgeldverfahren wegen Leistungsmissbrauchs gegeben. Jede Wette: Der Anteil der betrügerisch erschlichenen Leistungen ist anderswo noch viel größer. Nur ist man dort halt nicht so penibel wie es deutsche Beamte sind, sondern sieht sich eher als Helfershelfer der Betrüger. Unfassbar etwa, was die FAZ über die griechische Insel Kalymnos berichtet. Dort waren von 152 blinden und schwer sehbehinderten Menschen, die darob wohlfahrtsstaatliche Bezüge erhalten haben, nicht weniger als 100 voll sehtauglich. Aber untersucht worden sind solche Dinge halt erst unter dem massiven Druck der Troika, über deren böse soziale Kälte sich vor allem öffentlich-rechtliche Medien gerne aufregen.

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Lügen, Triumphe, Heuchelei drucken

Es ist eine der meistverbreiteten Unwahrheiten über die Folgen der Euro-Teilnahme. Deutschland und Österreich hätten über die Steigerung ihrer Exporte in den Euroraum von der Währung enorm profitiert. Sie müssten daher geradezu froh sein über die Verschuldung der Südeuropäer.

Klingt gut, ist aber falsch. Österreich oder Deutschland haben wegen der Qualität ihrer Exportprodukte triumphiert und nicht wegen des Euro. Denn der Anteil des Euro-Raums an den Exporten beider Länder ist seit Euro-Einführung stark zurückgegangen. In den Ländern außerhalb des Euro gibt es hingegen sehr starke Zuwächse. Das sieht man ganz deutlich an Zahlen, die Thilo Sarrazin für Deutschland zusammengetragen hat, aber auch an denen der Statistik Austria.

Österreichische Industriebetriebe, früher meist nur südlich des Mains präsent, aber auch viele KMU bewegen sich heute souverän auf dem Weltmarkt. Auf deutliche rot-weiß-rote Spuren trifft man nicht nur in Mittel- und Osteuropa, sondern von Asien bis Lateinamerika. So habe ich – ein winziges, aber besonders erstaunliches Beispiel – in fünf verschiedenen Hotels in Indien beim Frühstück Marmeladen eines österreichischen Produzenten gefunden. Und zwar nur diese.

Freilich: Zunehmend stoßen Firmen gerade dieser beiden Länder auf von der Politik gebaute Hindernisse für ihre Exporte. Das sind die Antikorruptions-Gesetze. Diese gelten seit einigen Jahren auch dann, wenn es in bestimmten Ländern geradezu unmöglich ist, ohne Schmiergeld (für Politiker, Genehmigungsbürokraten, Zollinspektoren usw.) irgendeinen Handel, irgendeine Investition vorzunehmen.

Die Exporteure versuchen nun mit Hilfe aufwendiger und besonders teurer Konstruktionen, diese Barriere zu umgehen. Dabei werden meist an örtliche Berater oder Anwälte überhöhte Honorare bezahlt. Oder es gibt scheinbar ohne Zusammenhang für etwas anderes besonders günstige Preise. Oder es wird ein „Entwicklungs“-Projekt gefördert.

Aber die Tricks stoßen immer öfter an Grenzen. Das zeigt etwa jetzt der Prozess gegen die Gelddruckerei der Nationalbank wegen – „mutmaßlich“ – überhöhter Provisionen.

Die Antikorruptions-Regeln können jedenfalls nur dann funktionieren, wenn sie in allen exportierenden Ländern wirken. Das ist aber nicht der Fall. Ungarn beispielsweise denkt „im nationalen Interesse“ nicht daran, gegen den Ölkonzern MOL vorzugehen oder deren Chefs auszuliefern, obwohl Kroatien sehr konkret behauptet, dass MOL (ein Erzkonkurrent der OMV) bestochen habe.

Besonders infam verhalten sich die USA. Diese benutzen Korruptionsvorwürfe als Waffe gegen Konkurrenten auf Drittmärkten. Eigene Konzerne werden jedoch geschont. Siemens etwa wurde dadurch in die Knie gezwungen. Es ist daher alles andere als Paranoia, wenn die USA so unglaublich umfassend spionieren. Denn damit können sie ganz leicht in die Geschäftsgeheimnisse der europäischen Konkurrenten eindringen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wir zahlen für die Fiesta drucken

Wie sich binnen weniger Tage eines so zum anderen fügt. Beide spanischen Großparteien sind derzeit wegen schwerem Korruptionsverdacht in der Krise. Niemand aber braucht lange nachzudenken, woher denn das Bestechungsgeld für sie eigentlich gekommen ist. Die Antwort gibt diesmal sogar der sonst zahnlose und verschlafene EU-Rechnungshof: Er hat fast zeitgleich mit dem Platzen der Korruptionsaffären enthüllt, dass ein Quadratmeter Fahrbahn in Spanien fast doppelt so teuer ist wie in Deutschland. Na, bumm.

Der Rest ist geradezu zwingend logisch. Denn da spanische Arbeitskräfte nicht teurer sind als deutsche, ist die Vermutung in Wahrheit längst Gewissheit: Das europäische Geld für den Autobahnbau ist in dunkle Kassen geflossen.

Ein Teil floss zu den spanischen Eigentümern der Bauindustrie; diese hatten ja einige Jahre lang jede Summe Geldes, um von der Alpine bis Hochtief jede Baumaschine zusammenzukaufen. Der andere Teil floss zu den Parteien. Der konservative Ministerpräsident, der von einem Parteifreund verpfiffen worden ist, hängt ja seit einigen Tagen als mutmaßlicher Geldempfänger schwer groggy in den Seilen. Und die Sozialisten haben sich insbesondere in ihrer Hochburg Andalusien ebenso heftig an öffentlichen Geldern bedient.

„Öffentliche Gelder“ ist freilich ein recht unpräziser Ausdruck. Denn die spanischen Autobahnen sind nur zum Teil mit spanischem Geld, sondern vor allem mit EU-Geldern finanziert worden. Wie? Nun, die spanischen Regierungen haben seit Jahrzehnten Europa ständig erpresst. Sie haben diversen wichtigen Beschlüssen immer nur zugestimmt, wenn es frisches Geld für sie gab.

Dieses Geld wurde dann mit Hilfe von für die Durchschnittseuropäer kaum verständlichen Programmen nach Süden geschafft. Welcher Europäer fängt denn schon etwas an mit Worten wie „Kohäsionsfonds“ oder „Strukturgelder“? Jeder Europäer hat aber bei einem Spanien-Besuch gesehen, wie quer durchs Land kaum benutzte Luxus-Autobahnen gelegt worden sind. Er hat nur nicht begriffen, dass er selbst und nicht etwa die Spanier diese bezahlt hat.

Womit wir bei einer der vielen Erkenntnisse der neoliberalen Marktwirtschaft sind: Wenn nicht der Empfänger bezahlt, sondern ein Dritter – meist der Steuerzahler –, dann sind Verschwendung und Korruption nicht weit. Ja, meist stehen sie sogar im Zentrum der Dinge.

Und was tun unsere „Volksvertreter“ Swoboda oder Karas in der EU? Sie verlangen lauthals nach immer noch mehr von unserem Steuergeld. Mit dem offensichtlichen Zweck, damit die EU dieses in Spanien&Co verteilen kann. Glauben die beiden ernsthaft, dass irgendeiner ihrer Wähler sie auch beim nächsten Mal wieder wähnen wird?

PS: Ich würde fast wetten, dass die Spanier zur Ablenkung bald einen der alten ethnischen Konflikte wieder neu aufflammen lassen. Offen ist nur, welchen. Wird es wieder gegen die Basken oder Katalanen gehen? Oder gar gegen Gibraltar?

 

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Der neue Strom, ein alter Kurzschluss drucken

So geht es nicht. Das dürfte die EU-Kommission in Kürze zu einem wichtigen deutschen Gesetz sagen. Sie wird es aushebeln, und zwar zu Recht. Das aber wird wiederum ganz gravierende und bedrohliche Auswirkungen auf andere Länder, insbesondere Österreich haben.

Es geht um das deutsche Erneuerbare-Energie-Gesetz. Dieses fördert – auf immer größer werdende Kosten der Verbraucher – die erneuerbaren Energien, also etwa Wind-, Solar- oder Bio-Strom. Diese haben ja alle den Nachteil, zwar enorm populär und modisch, aber auch sehr teuer zu sein, jedenfalls viel teurer als normaler Strom. Daher hat populistische Politik hohe Förderungen beschlossen. Diese machen die Alternativstromerzeugung trotz ihrer Unwirtschaftlichkeit zu einem guten Geschäft. Sonst hätte bis auf ein paar Fanatiker niemand Windmühlen gebaut.

Finanziert wird diese Förderung ähnlich wie in Österreich mit hohen Zuschlägen auf den Strompreis. Deutschland hat aber bei der Belastung durch solche Stromzuschläge Ausnahmen gemacht: für die arbeitsplatz- und exportintensiven Industrien. Und diese Ausnahmen stören nun die EU. Denn die Ausnahmen sind ja wirtschaftlich gesehen nichts anderes als Förderungen einiger Unternehmen. Und solche Förderungen sind logischerweise ein Widerspruch zum gleichberechtigten Wettbewerb in einem freien Binnenmarkt. Sie laufen ja auf eine gezielte Subvention bestimmter Stromabnehmer gegenüber allen anderen hinaus (die wegen dieser Ausnahmen überdies noch höhere Zuschläge für den grünen Strom zahlen müssen!).

Es ist Wettbewerbsverzerrung durch verbotenes Dumping, wenn man die eigenen Exporte billiger macht. Dadurch verstoßen die Deutschen ganz direkt gegen das Grundprinzip eines gemeinsamen Marktes. Die deutsche Politik hat dieses Faktum aber lange zu verdrängen versucht, obwohl die EU Deutschland sicher nicht netter behandeln kann als sie die südeuropäischen Bankrotteure behandelt.

Nun ist guter Rat teuer. Die deutschen Strompreise sind nämlich jetzt schon im internationalen Vergleich Spitze. Wenn sie nun für die Exportindustrie noch höher werden, werden viele Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen und die Jobs werden in Länder mit niedrigeren Stromkosten übersiedeln. Das wird verheerende Auswirkungen auch auf Österreich haben, das ja noch immer in hohem Ausmaß von den Zulieferungen nach Deutschland lebt.

Der einzige sinnvolle Ausweg wäre daher ein rascher Ausstieg aus dem Ausstieg, also ein Ende dieser Förderungen bestimmter Stromerzeugungsformen. Das ist nun nichts anderes als eine Rückkehr zur Marktwirtschaft, deren wichtigster Grundsatz heißt, dass alle Marktteilnehmer gleich zu behandeln sind. Nur so können viele deutsche wie österreichische Arbeitsplätze erhalten werden.

Damit würde überdies auch der größten Absurdität der Alternativwelt entgegengewirkt. Diese besteht darin, dass regelmäßig schon viele teuer geförderte Windmühlen&Co abgedreht werden müssen, weil der Strom zur falschen Zeit am falschen Ort und ohne die notwendigen Leitungskapazitäten produziert wird. Also in den Stunden starken Winds plus starker Sonne. Würde man da die Alternativstrom-Erzeugungsmaschinen nicht abdrehen, würde das die Netze überlasten. Was einem flächendeckenden Kurzschluss entspricht.

Aber nicht einmal die CDU ist sich sicher, ob sie den Ausstieg wagen soll. Denn grünes Denken nistet heute auch in vielen an sich vernünftigen bürgerlichen Köpfen. Der Ausstieg vom Ausstieg wäre überdies nicht nur für die Grünen, sondern auch die Merkel-Partei blamabel, die sich ja nach dem Tsunami plötzlich voll der Alternativbegeisterung hingegeben hat.

Steigt Deutschland aber nicht aus, so ist eine progressive Deindustrialisierung und eine Zunahme der Arbeitslosigkeit im letzten großen Land Europas unvermeidbar, das noch einigermaßen stabil ist. Die Folgen wären ökonomisch wie sozial katastrophal. Und für die kleinen Nachbarn Deutschlands erst recht.

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Wohlstand – Wachstum – Industrie – Energie – Schiefergas: eine Kette von Zusammenhängen drucken

Was hat Ivo Morales eigentlich in Moskau besprochen? Diese Frage sollte den Westen deutlich mehr interessieren als der vieldiskutierte Zwischenstopp, den er auf dem Rückflug einen Tag in Wien machen musste. Vielen Menschen passiert ja deutlich Schlimmeres als ein ungeplanter Zwischenstopp in einem zivilisierten Land. Hingegen ist das Gesprächsthema von Morales in Moskau weit darüber hinaus für ganze Kontinente spannend.

Morales hatte in Moskau nämlich an einem geheimen Forum Gas exportierender Länder teilgenommen. Das ist der Welt ob der Snowden-Hysterie völlig entgangen. Dieses Forum ist eine sehr diskrete und sehr informelle Gruppe. Es sagt Europa und Amerika den Kampf an – vermutlich ohne aber zu wissen, wie das gehen soll. Es scheint in Wahrheit ein Ohnmachts-Forum zu sein. Hoffentlich stimmt dieser Eindruck auch und das Forum ist wirklich ohnmächtig.

Denn es versucht, den weltweiten steilen Verfall der Gaspreise zu verhindern. Diese gehen vor allem deshalb nach unten, weil im Westen, insbesondere in Nordamerika sehr viel neuentdecktes Gas gefördert wird. Das hat die USA von einem Energie-Importeur zu einem Exporteur verwandelt. Das hat den Amerikanern ermöglicht, auf einen neuen Wachstumskurs zu gehen und die Krise der letzten Jahre zumindest vorerst zu überwinden.

Ähnliches spielt sich auch in Teilen Europas ab. Aber eben nur in Teilen. Jene Länder hingegen, die noch immer von langfristigen und teuren Verträgen vor allem mit Russland abhängig sind, haben heute einen um 30 bis 40 Prozent höheren Gaspreis als die anderen, die vom Weltmarktpreis profitieren. Das hält keine Wirtschaft auf Dauer aus – aber damit auch kein Gaspreis-Vertrag.

Die bevorzugten Länder Europas können sich aus zwei Gründen billiger versorgen: Teils über eigene Gasfunde, teils über Flüssiggas aus dem Weltmarkt, das nun statt nach Amerika nach Europa fließt. Sie brauchen dazu freilich geeignete Hafenanlagen.

Daher bauen etwa die langfristig und strategisch denkenden baltischen Staaten vehement an den technischen Einrichtungen, damit auch sie sich bald mit verflüssigtem Gas auf dem Seeweg versorgen können. Sie tun alles vor allem aus einem Motiv: Sie wollen von Russland noch unabhängiger werden. Denn sie haben den Zugriff des großen Nachbarn in der Geschichte deutlich und schmerzhaft kennengelernt.

Auch in vielen Ländern Europas wäre das Schiefergas, das die wirtschaftliche Lage der Nordamerikaner so deutlich verbessert hat, durch neue Techniken abbaubar. Jedoch stößt das in manchen Ländern auf erbitterten Widerstand. Zumindest derzeit. Angesichts eines scheinbar ungefährdeten Wohlstands begreift dort die Bevölkerung nicht die Bedeutung von Energie und Industrie für den eigenen Wohlstand. Man wird freilich abwarten müssen, wie lange sich dieser Widerstand auch in Zeiten einer progressiven Krise hält.

EU kämpft für Netzneutralität

Aber nicht nur durch die eigenen Gas-Funde Europas und durch den Verfall des Weltmarktpreises verschlechtern sich die Karten der bisherigen Gas-Monopol-Länder. Die EU hat noch an einer weiteren Energiefront den Gaskrieg angesagt: Sie besteht darauf, dass Firmen, die Energie „erzeugen“ (also etwa Gas fördern), völlig getrennt werden von jenen, die diese Energie in der EU über ihre Netze verteilen und verkaufen.

Dieses Verlangen ist zweifellos zu einer der wichtigsten und positivsten Strategien im EU-Binnenmarkt geworden. Ein Binnenmarkt kann nur dann konkurrenzfähig sein, wenn er auch Zugang zu günstiger Energie hat. Dazu ist jedenfalls ein möglichst breiter Wettbewerb unter Energieanbietern notwendig, wie die EU richtigerweise erkannt hat. Und nur durch eine Trennung zwischen Netzbesitzern und Anbietern („Netzneutralität“) kann wirklich Wettbewerb unter diesen Anbietern entstehen.

Mehr Wettbewerb nützt immer den Abnehmern (also Privathaushalten ebenso wie arbeitsplatzschaffenden Unternehmen). Diese Strategie praktiziert die EU ja im übrigen auch an anderen Fronten. Beispielsweise:

  • beim Strom (Europa verlangt zu Recht eine Trennung von Erzeugung und Transport),
  • im Telekom-Bereich (die Netzbesitzer und Provider dürfen nicht eigene Programme in irgendeiner Weise bevorzugen),
  • oder bei der Bahn (beispielsweise muss die ÖBB endlich die volle Trennung zwischen der vom Steuerzahler bezahlten monopolistischen Infrastruktur und dem rollenden Betrieb durchziehen, wo voller Wettbewerb möglich ist. Der rollende Betrieb soll künftig mehreren konkurrierenden Unternehmen obliegen. Die „Westbahn“ ist da ein erstes Beispiel für einen solchen Wettbewerb).

Diese lobenswerte Strategie der EU stößt freilich EU-intern auch auf heftigen Widerstand. Dieser wird vor allem von den meist noch immer stark mit dem Staat verbundenen Platzhirschen ausgeübt (im Falle Österreichs sind das etwa ÖBB, Telekom, Wasseranbieter und Landes-Stromversorger).

Panik in Russland

Das Verlangen nach Entflechtung und Wettbewerb wird mit Sicherheit zu weiteren Preisreduktionen führen. Das löst naturgemäß in den fast zur Gänze vom Energieexport lebenden Ländern zusätzliche Panik aus. Als ob ihnen nicht schon Flüssiggas-Konkurrenz, Weltmarktpreise und Gasschieferfunde genug existenzielle Sorgen machen würden. Nach den neuen EU-Regeln müsste beispielsweise Russlands Gazprom, eines der größten Unternehmen der Welt, komplett die Versorgung, also unter anderem den Besitz der Pipelines, von der Gasgewinnung trennen.

Damit hat es die EU gewagt, der russischen Gas-Dominanz den Kampf anzusagen, natürlich ohne Russland oder die Gazprom beim Namen zu nennen. Dementsprechend hektisch hat der russische Präsident Putin seine Agitation gegen das EU-Energiepaket hochgefahren. Dementsprechend sucht er nun globale Allianzen. Russlands gesamtes Wirtschaftssystem würde ohne die fetten Energie-Exporte total kollabieren.

 An seinem Treffen mit Morales haben daher auch der neue (möglichweise nicht mehr ganz so absurd wie sein Vorgänger agierende) venezolanische Präsident Maduro teilgenommen sowie der ausscheidende Iran-Präsident Ahmadinedschad (dessen Nachfolger ebenfalls gemäßigter sein dürfte).

Aber unabhängig vom Ausmaß der verbalen Radikalität bleibt für alle vier Staaten der Gaspreis entscheidend. Bei dessen weiterem Verfall würde sich fast überall der Sturm der Bevölkerung gegen die Machthaber richten, welche die Notwendigkeit einer marktwirtschaftlichen, rechtsstaatlichen und industriellen Entwicklung verschlafen haben. Öl- und Gaseinnahmen haben das ja nie als dringlich erscheinen lassen. Das trifft übrigens auch auf Nigeria zu, das ebenfalls mit dieser Gas-Gruppe kooperiert.

Nabucco musste scheitern

In diesem Zusammenhang wird auch klarer, warum das von Österreich forcierte Nabucco-Projekt einer interkontinentalen Gaspipeline gescheitert ist. Zuerst wurde es von Russland vehement bekämpft. Denn dadurch kommt erstmals mittelasiatisches Gas ohne Einflussmöglichkeit Moskaus aus Zentralasien direkt ins dichtbesiedelte Mitteleuropa. Das hat viel Zeitverzögerung ausgelöst.

Diese hat wiederum dazu geführt, dass sich am Ende die anfangs gar nicht im Spiel gewesene Mittelmeer-Variante Griechenland-Italien durchsetzen konnte. Mit dieser kann Russland freilich auch nicht viel Freude haben, umgeht sie doch ebenfalls russisches Gebiet.

Die Mittelmeer-Variante ist kürzer und geringer dimensioniert, daher billiger. Möglicherweise waren in den Mittelmeerstaaten aber auch Manager "beweglicher" als die Österreicher, bei der endemischen Korruption in Mittalasien mitzuspielen. Und zugleich hat die EU auch nicht mehr wie am Beginn das österreichische Projekt exklusiv unterstützen können (von dem freilich auch einige Osteuropäer profitiert hätten), seit auch südliche Mitgliedsstaaten in den Wettbewerb getreten sind.

Während der Jahre, an denen über Nabucco verhandelt worden ist, hat man aber noch etwas übersehen: Der Energiehunger Chinas wird ständig größer. Das hat nunmehr klar erkennbare Folgen: Künftig wird ein großer Teil des mittelasiatischen Gases nach Osten und nicht Westen fließen.

Doppelte Selbstbeschädigung

Billige Energie ist heute der wichtigste wirtschaftliche Faktor geworden. Sie kann mittelfristig sogar die italienische und die griechische Krise mildern, wenn nicht neue Unsinnigkeiten passieren. Mitteleuropa bleibt hingegen vom teuren russischen Gas abhängig.

Österreich und vor allem Deutschland haben in den letzten Jahren ihre Energieversorgung durch zwei fundamentale Fehlentscheidungen selbst schwer beschädigt. Beide Fehler werden die derzeit relativ günstige wirtschaftliche Lage der beiden Staaten mittelfristig massiv verschlechtern.

Die eine Selbstbeschädigung besteht in dem von Grün & Co erzwungenen Verzicht auf den Abbau von Schiefergas und -öl. Die andere ist die vor allem in Deutschland völlig schief gelaufene Energiewende. Die von der Regierung Merkel erzwungene Strompreisverteuerung zur Finanzierung von unwirtschaftlichen Sonnen-Paneelen und Windmühlen wird zu einer schleichenden Deindustrialisierung zu führen. Wenn Deutschland nicht nach den Wahlen wieder eine radikale Wende rückwärts macht, wird die Energiewende katastrophale Auswirkungen haben.

Ein Anlass für eine solche Wende zur alten Energiepolitik (also unter Einschluss von Nuklearstrom) könnte ausgerechnet aus Japan kommen. Der Tsunami in diesem Land und die Zerstörung eines Reaktors durch die Meereswellen hatten ja damals Merkel zu ihrer selbstbeschädigenden Energiewende veranlasst. In den letzten Monaten aber hat Japan kehrt von der Wende gemacht; es setzt angesichts seiner eigenen Krise wieder ganz auf Atomenergie. Soll jetzt Deutschland als gar nicht Betroffener radikaler auf den Tsunami reagieren als das betroffene Japan selbst? Das wäre absurd.

Wir lernen jedenfalls: Politik als Panikreaktion oder als emotionales Wunschdenken führt immer in die Irre. Sie kann nur funktionieren, wenn sie alle Zusammenhänge begreift:

  • Ohne Wachstum kein Wohlstand
  • Ohne Industrie kein Wachstum
  • Ohne günstige Energie keine Industrie
  • Ohne Atomstrom, ohne Schiefergasabbau, ohne Wettbewerb keine günstige Energie.

(Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.)

 

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Wir wollen ein Europa der freien Nationen drucken

Anders Fogh Rasmussen war voll des Lobes: „Wir schätzen das Engagement Ungarns für unser Bündnis“. Ausdrücklich begrüßte es der Nato-Generalsekretär anlässlich seines Besuchs in Budapest, dass – nach zwei Jahrzehnten ihrer Vernachlässigung – Ungarn seine Streitkräfte trotz haushaltspolitischer Sparzwänge ausbauen und stärker bei Nato-Einsätzen mitwirken werde, etwa in Luftüberwachungseinsätzen über baltischem Gebiet 2014 und 2015.

Rasmussen: „Das internationale Engagement Ungarns ist beispielhaft, seine Soldaten haben bei den Afghanistan- und Kosovo-Missionen professionelle Arbeit geleistet.“ Das erfüllt Ministerpräsident Orbán angesichts der Gefechtslage an der EU-Front mit Genugtuung. Denn das seit seinem Amtsantritt (Frühsommer 2010) überaus gespannte Verhältnis zu Brüssel hat soeben eine weitere Verschärfung erfahren.

Im Europa-Parlament zu Straßburg fand soeben im Beisein Orbáns eine Debatte über den „Bericht zur Lage der Grundrechte in Ungarn“ statt, den Rui Tavares, portugiesischer Abgeordneter der Euro­-Grünen, erstellt hatte. Darin heißt es, die jüngsten Verfassungskorrekturen stellten „systemische Veränderungen“ dar, zudem seien in Ungarn „besorgniserregende Tendenzen bezüglich der rechtsstaatlichen Ordnung“ festzustellen. Tavares schlug vor, das Land und seine Regierung unter Beobachtung zu stellen und dafür eigens eine neu zu schaffende Kommission einzusetzen.

Noch vor Beginn der Debatte über den Tavares-Bericht hatte Orbán gesagt, dass er sich über den Ausgang der Abstimmung keine Illusionen mache, wisse er doch zur Genüge, wie die Abgeordneten links der Mitte abstimmen würden, nämlich gegen Ungarn. Sozialdemokratische und liberale Abgeordnete betonten in der knapp zwei Stunden währenden Debatte, dass sie „Freunde“ Ungarns seien. Mithin trügen sie ihre Kritik aus „Sorge um die ungarischen Menschen“ und um die „Demokratie in Ungarn“ vor.

Hannes Swoboda, der österreichische Fraktionschef der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), richtete gleich mehrere kritische Fragen an Orbán: „Warum verlassen so viele Menschen Ungarn, wenn es dort so schön und gut ist? Warum kehren westliche Investoren Ungarn den Rücken, wenn dort alles floriert? Warum beschweren sich jüdische Menschen bei uns, dass der Antisemitismus in Ungarn überhand nimmt?“ Ihm konterte József Szájer, Mitbegründer der ungarischen Regierungspartei Fidesz und als solcher stellvertretender Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), indem er ihm vorwarf, die gegebenen Fakten stünden im Widerspruch zu Swobodas in Fragen gekleideten Behauptungen.

Guy Verhofstadt, ehedem belgischer Premier, jetzt Fraktionsvorsitzender der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), warf Orbán vor, er habe kein Recht dazu, von einem „Angriff gegen Ungarn“ zu sprechen, wenn vom Tavares-Bericht die Rede sei. Manfred Weber von der CSU und stellvertretender EVP-Fraktionschef, warf hingegen den Befürwortern des Tavares-Berichts vor, mit zweierlei Maß zu messen. Er erinnerte in diesem Zusammenhang zu Recht daran, dass bezüglich Rumäniens oder Bulgariens eine solche Debatte nie stattgefunden hat.

In der Abstimmung hießen 370 der 701 Abgeordneten den Bericht gut, 249 stimmten mit Nein, 82 enthielten sich. Für die entsprechende Entschließung stimmten die Fraktionen der Sozialisten und Sozialdemokraten (SPE), der Linken und Kommunisten (ELP), der Liberaldemokraten (ALDE) sowie der Grünen (EGP). Christliche Demokraten und Volksparteien (EVP/EPP) sowie Konservative (Torys) und Reformisten (ECR) waren ebenso dagegen oder enthielten sich wie die Fraktion europäischer Rechtsparteien („Europa der Freiheit und Demokratie“; EFD) sowie viele fraktionslose Abgeordnete.

In der Resolution wird der Regierung Orbán ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags angedroht, an dessen Ende der Entzug der ungarischen EU-Stimmrechte stünde. Dennoch dürfte es nicht zum Äußersten kommen, denn dazu wäre nicht nur eine Zweidrittelmehrheit im Europaparlament nötig, welche gegen die stärkste Fraktion EVP/EPP, der Orbáns Fidesz angehört, nicht erreicht werden kann. Dazu bräuchte es auch einen Mehrheitsbeschluss im Europäischen Rat, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs. Dieser wird – nach der Blamage weiland anno 2000 gegen Österreich – kaum zustande kommen.

Ungarn wehrt sich

Gleichwohl veröffentlichte Budapest ein Memorandum, in dem es heißt, der Tavares-Bericht tue Ungarn und seinem Volk zutiefst Unrecht und messe mit zweierlei Maß. Daher sei er strikt zurückzuweisen. Orbán sagte in einem Hörfunkinterview, „seit der Herrschaft des Sowjetreichs“ habe „keine andere äußere Macht versucht, offen die Souveränität Ungarns einzuschränken". Die Magyaren wollten „nicht in einem Europäischen Reich leben, mit einem Zentrum Brüssel, von wo aus sie uns an der Peripherie sagen, was wir zu tun und lassen haben".

Schon in Straßburg hatte Orbán in scharfen Worten Debatte und Mehrheitsresolution gegeißelt: Der Tavares-Bericht sei „beleidigend“ und stelle eine Verletzung der EU-Gründungsverträge dar, weil damit „ein Staat der EU unter Vormundschaft gestellt" werden solle. „Wir wollen kein Europa, wo Bevormundung herrscht und die Freiheit beschränkt wird, anstatt sie zu gewährleisten. Wir gehören zu denjenigen, die nicht ein Europa der Unterworfenheit, sondern ein Europa der freien Nationen wollen.“

„Hoch lebe ein Europa der freien Nationen“, rief Orbán den Parlamentariern zu. Er forderte sie auf, sich gefälligst „aus den inneren Angelegenheiten der Ungarn herauszuhalten“. Die Magyaren hätten es nicht nötig, vor sich selbst geschützt zu werden: „Wir Ungarn sind ein freiheitsliebendes, demokratisches Volk, das über sein eigenes Schicksal selbst entscheiden kann.“

Auch das ungarische Parlament reagierte mit einer scharfen Erwiderung auf die Straßburger Entschließung: „Wir verabschieden eine Resolution, um die Souveränität Ungarns zu verteidigen." Die Regierung dürfe sich „dem Druck aus Brüssel und Straßburg nicht beugen", heißt es in dem mit nur sechs Gegenstimmen angenommenen Text.

Herrolt  vom Odenwald ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist.

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Juncker ade – mit ein paar Seltsamkeiten drucken

In den letzten Jahren wusste man gar nicht mehr genau: Wer war eigentlich früher da, die EU oder Jean-Claude Juncker?(Mit einer nachträglichen Ergänzung)

So sehr war der nun zurücktretende Luxemburger Ministerpräsident seit fast jeher ein unverzichtbarer Akteur auf zahllosen europäischen Plattformen gewesen. Dass er jetzt ausgerechnet wegen einer Geheimdienstaffäre zurücktreten muss, lässt daher europaweit aufhorchen. Aber auch die Begleitumstände sind mehr als seltsam.

Erstens zeigt der Rücktritt, dass selbst die größten Karrieren – und das war jene Junckers trotz der Kleinheit Luxemburgs zweifellos – am Ende meist in Peinlichkeiten zerbröseln.

Zweitens hat Juncker im Vorjahr eigentlich selber Amtsmüdigkeit signalisiert, was ihm damals einen viel glorioseren Abschied ermöglicht hätte als jetzt seine Zertrümmerung.

Drittens wird er immer als einer in Erinnerung bleiben, der sich - wenn auch geschickt verklausuliert - zu dem recht zynischen Gedanken bekannt hat, dass den Menschen nicht die volle Wahrheit zumutbar wäre.

Viertens ist grotesk, dass Juncker selbst einer derjenigen ist, der von dem offenbar nicht ordentlich überwachten Geheimdienst seines Landes belauscht worden ist – dass er aber dennoch nun als Schuldiger einer unzureichenden Führung dieses Dienstes dasteht.

Und fünftens fiele mir jede Menge anderer Regierungschefs ein, die viel eher als Juncker zurücktreten müssten, weil sie ihren Geheimdiensten einen von Rechtsstaat und Völkerrecht verbotenen Spielraum gelassen haben. Aber weder in Großbritannien noch Frankreich noch Deutschland hört man auch nur die Forderung danach, obwohl dort offensichtlich ähnlich neugierig agiert wird wie in den USA selber. Und dort gibt es erst recht keine Debatte über den Präsidenten. Aber Juncker geht.

Nachträgliche Ergänzung: 24 Stunden später scheint Juncker plötzlich wieder ganz gute Chancen zu haben, sein eigener Nachfolger zu werden. Denn auch die Luxemburger scheinen nicht ganz der Ansicht, dass Juncker im Geheimdienstthema arge Versäumnisse vorzuwerfen wären. Womit sich auch dort die mediale Klasse blamiert haben könnte.

 

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Das EU-Budget und seine fünf Problemzonen drucken

Die EU hat in den vergangenen Tagen einige gewaltige Brocken gelöst, die sie seit langem geplagt haben: den neuen Finanzrahmen und die Agrarpolitik. Das ist jedenfalls eine anerkennenswerte Leistung und beweist: Europa kann sich doch noch bewegen, wenn es sein muss. Das ist fast ein Wunder angesichts des dafür nötigen Konsenses zwischen mittlerweile 28 Nationen (mit ihren bisweilen uneinigen Koalitionen), dem EU-Parlament und (ja, die gibt’s auch noch) der Kommission. Dennoch sind fünf ganz gravierende Einwände und Defizitpunkte festzuhalten.

Der erste ist ein altvertrauter. Das ist der Ärger über die prinzipiell verfehlte EU-Agrarpolitik. Zwar ist anzuerkennen, dass sich diese wieder einige Millimeter in die richtige Richtung verschoben hat. Dennoch richtet sie weiterhin viel Schaden an.

Die Fehler der Agrarpolitik

  • Sie schützt weiterhin überholte Strukturen (im Gegensatz zu vielen anderen Branchen, wo man es sich – zum Glück – nicht leisten kann, lebensunfähige Betriebe zu Lasten der Allgemeinheit zu erhalten; die in diesen Branchen Beschäftigten müssen aber dennoch für die Agrarpolitik mitzahlen).
  • Sie behindert weiterhin die Dritte Welt (für die ein Verzicht auf alle europäischen und amerikanischen Agrarsubventionen hilfreicher wäre, als es die gesamte Entwicklungshilfe ist, denn ohne den Protektionismus der entwickelten Länder könnten die Entwicklungsländer selbst zu gleichberechtigten Produzenten werden).
  • Sie kostet weiterhin einem schuldenbeladenen Europa viel zu viel Geld, bleibt sie doch der größte Ausgabenbrocken der EU (an Stelle der Agrarsubventionen wären Steuersenkungen und Schuldenabbau auch entscheidend zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionen).
  • Und sie vermischt weiterhin Sozialpolitik mit dem einzig legitimen Ziel von Agrarpolitik, nämlich dem Schutz der Umwelt; sie fügt der sozialpolitischen Dimension sogar neue Elemente hinzu (es ist beispielsweise völlig absurd, dass künftig Jungbauern bis zum 40. Geburtstag ihres Alters wegen gefördert werden. Das ist in Wahrheit auch gleichheitswidrig; nur setzt sich die EU ja immer öfter über die traditionellen Grundrechte hinweg.).

Die EU-Agrarpolitik hat in Wahrheit nur aus einer einzigen Begründung Anspruch auf Geld der Steuerzahler: Das ist der Landschafts- und Umweltschutz. Von der Pflege der Almen bis zur Reinhaltung der Grundwässer ist da vieles der Agrar-Förderungen durchaus sinnvoll. Im Grund darf und soll überall dort Geld fließen, wo andere als die Bauern selbst den Nutzen einer bestimmten Form von Landwirtschaft haben, etwa der Tourismus durch gepflegte Almen, etwa die Wassertrinker durch Schutz des Grundwassers.

Bei diesen Aufgaben kann man im übrigen auch keinen logischen Unterschied zwischen Großen und Kleinen machen, wie es manche gefordert hatten. Das ist in den Verhandlungen zu Recht am Ende abgelehnt worden. Denn (beispielsweise) Wasserverschmutzung ist bei großen Betrieben nicht weniger schlimm als bei kleinen. Ganz im Gegenteil.

Parlament als Ausgabentreiber

Der zweite Kritikpunkt in Hinblick auf die Finanzeinigung bezieht sich auf die mehr als merkwürdige Rolle des Parlaments, die dabei stärker denn je offenkundig geworden ist. Dazu ein kurzer Blick in die Geschichte:

No taxation without representation. Keine Steuern ohne Mitsprache der Betroffenen. Mit diesem Schlachtruf wurden einst überhaupt die ersten Parlamente erkämpft. Die Steuerzahler setzten angesichts der Ausgaben- und Verschwendungsgier der Fürsten, Lobbies und Administrationen ein Mitspracherecht bei der Einhebung der Steuern durch. Und diese Funktion müsste eigentlich auch heute noch eine der zentralsten jeder Volksvertretung sein. Ja sogar noch viel mehr als einst: Ist doch die Abgaben- und Steuerquote ein Vielfaches jener der Feudalzeit.

Das EU-Parlament hat diese Aufgabe jedoch ins absolute Gegenteil verkehrt. Bei allen Streitigkeiten und Verhandlungen hat das Parlament seit seiner machtpolitischen Aufwertung für mehr und höhere Ausgaben gekämpft - gegen die im Rat vertretenen Regierungen, die relativ viel mehr die Steuerzahler vertreten haben. Das ist eigentlich eine unglaubliche Perversion der einstigen Aufgabenteilung.

Aus dieser Einstellung heraus hat das Parlament auch beim jetzigen Finanzrahmen höhere Ausgaben durchgesetzt: Dies gelang ihm mit Hilfe eines nur scheinbar harmlosen Tricks. Bisher sind Budgetposten, die aus welchen Gründen immer nicht ausgegeben werden konnten, verfallen. Das ist den europäischen Steuerzahlern als Einsparung zugute gekommen. Jetzt hat das Parlament hingegen durchgesetzt, dass das budgetierte Geld jedenfalls ausgegeben werden muss. Wenn nicht für die eigentlich vorgesehenen Zwecke dann eben für anderes.

Das Erstaunliche ist, dass auch die Liberalen, Konservativen und EU-Kritiker im Parlament – also eigentlich die Mehrheit! – Seite an Seite mit den ja immer ausgabenfreudigen Linken im EU-Parlament ständig für mehr Ausgaben kämpfen.

Kampf der Arbeitslosigkeit – aber richtig

Dennoch beklagen manche, so etwa der österreichische Bundeskanzler, der im Rat noch an die Sparsamkeitsbeschlüsse der Finanzminister gebunden war (die wieder primär den Deutschen und Briten zu danken sind), dass etwa für die Jugendarbeitslosigkeit zu wenig Geld zur Verfügung steht. Die vorgesehenen sechs Milliarden seien viel zu wenig. Es gibt also durchaus auch Regierungspolitiker, die so wie die Parlamentarier für noch mehr Ausgaben sind. Womit wir bei der dritten Kritikzone sind.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist nun in der Tat ein gewaltiges Problem Europas. Nur braucht es zu ihrer Bekämpfung keineswegs mehr Geld. Das kann ja nur auf Schulden zu Lasten der Jungen aufgetrieben werden, denen man vorgibt, helfen zu wollen.

Es geht vielmehr darum, dass in vielen Ländern Tarifverträge und Gewerkschaften die Arbeitsplätze der Älteren und deren hohe Gehälter effektvoll schützen, während die Jungen arbeitslos herumhängen und nicht mehr in das Privilegiensystem hineinkommen.

Es geht darum, dass eine völlig fehlgeleitete Bildungspolitik die Jugend Europas einseitig zu Abitur und Studium hinlenkt – noch dazu völlig überdimensioniert in Richtung der schönen, aber kaum benötigten Sozial- und Geisteswissenschaften. Die viel notwendigere Facharbeiterausbildung bleibt hingegen weitgehend auf das duale System in Deutschland und Österreich beschränkt, also jene Länder, die keine zwangsweise Gesamtschule und kaum Jugendarbeitslosigkeit haben.

Und es geht schließlich darum, dass viel zu wenige der arbeitslosen Jungen aus den Südländern nach Deutschland&Co kommen. Dabei gibt es dort derzeit noch eine Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. Dabei kann man ja heute in Europa überall seinen Arbeits- und Ausbildungsplatz suchen.

Migration ist an sich auch nichts Inhumanes. Arbeitsmigration, also die Auswanderung zu den Plätzen, die Arbeitskräfte brauchen, ist seit jeher ein Teil der Menschheitsgeschichte. Umso genauer ist für die Beseitigung von bürokratischen Hürden und sprachlichen Defiziten zu kämpfen, die einer innereuropäischen Migration noch im Wege stehen.

Frankreich will Geld, aber weder Öffnung noch Reformen

Der vierte trotz Budgeteinigung sehr negativ stimmende Aspekt in Europa ist die derzeitige Politik Frankreichs. Dort sieht man stärker denn je Europa nur als einen Mechanismus, um ans Geld anderer Länder heranzukommen. Frankreich wehrt sich jedoch vehement, wenn die EU auch die Grande Nation auf die dringend notwendigen und im Prinzip längst beschlossenen Strukturreformen drängt. Als Antwort wird in Paris provozierend behauptet, dass diese die EU nichts angingen. Was schlicht nicht stimmt. Die Union wird in Frankreich von der Regierung neuerdings sogar als schuldig daran beschimpft, dass dort die gemäßigte und die radikale Rechte deutlich Auftrieb haben.

Zugleich verlangt Frankreich aber, dass seine wenig erfolgreiche Kulturindustrie vor dem Wettbewerb geschützt werde. Das aber verurteilt die soeben anlaufenden Verhandlungen mit Amerika über eine große Freihandelszone mit hoher Wahrscheinlichkeit a priori zum Scheitern. Ist doch die amerikanische Kultur-Industrie im Gegensatz zur französischen sehr erfolgreich. Und noch haben die Menschen die Freiheit, selbst zu bestimmen, welche Filme sie ansehen, welche Musik sie hören.

Was besonders schlimm an diesem französischen Kulturchauvinismus ist: Durch Frankreichs Haltung zum Thema Kultur ist die gesamte, jetzt intensiv als Allheilmittel diskutierte transatlantische Freihandelszone bedroht. Diese würde viele Hunderttausende Arbeitsplätze schaffen. Diese Jobs würden wiederum die europäischen Finanzprobleme mildern und die Jugendarbeitslosigkeit signifikant reduzieren. Womit sich der Kreis schließt.

Kroatien: ein neuer Hilfsbedürftiger

Und last not least ist auch eine neue Mitgliedschaft zu verzeichnen, nämlich die Kroatiens. Gewiss kann und soll man sich darüber menschlich mit den sympathischen Menschen zwischen Istrien, Slawonien und Dalmatien nach langen Jahren der Kämpfe um die Selbständigkeit freuen. Aber wirtschaftlich bedeutet Kroatien eine Wiederholung dessen, was frühere Aufnahmen von Balkanländern gebracht haben. Und damit sind wir beim fünften und letzten Sorgenpunkt.

Das ausgepowerte Kroatien ist eine weitere große Last für die europäischen Schuldentöpfe. Es ist in Sachen Rechtsstaat und Korruption noch lange nicht auf dem europäischen Standard. Der ist erst dann erreicht, wenn nicht nur so wie in der Ukraine Politiker der jeweils früheren Regierungen strafrechtlich verfolgt werden. Sondern wenn es auch Korruptionisten aus dem Kreis der gegenwärtigen Machthaber an den Kragen geht.

Freilich muss man zugeben: Auch in Frankreich oder Österreich ist man da offensichtlich noch nicht ganz so weit. Man sehe sich nur den unterschiedlichen Umgang mit aktueller und früherer Korruption an.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Der Wickel mit der Bankenabwicklung drucken

Es ist ziemlich erstaunlich, wie derzeit überall die europäische Regelung der Bankenabwicklung bejubelt wird. Denn in Wahrheit hat man sich ja erneut um das grundlegende Problem herumgedrückt.

Natürlich ist das Prinzip richtig, dass primär die direkten Vertragspartner einer Bank deren Pleite tragen müssen und nicht die Steuerzahler. Denn diese können ja am wenigsten Einfluss nehmen. Sie können ja nicht auf Jobs, Aktien- oder Anleihenkäufe bei einer wackelnden oder unseriös mit hohen Zinsen lockenden Bank verzichten.

Warum hat man dieses Prinzip aber nicht schon seit 2008 so praktiziert? Freilich gibt es ein gravierendes Argument, warum man Banken im Fall einer Pleite nicht so wie ein normales Unternehmen behandeln sollte. Sie würden unweigerlich viele gesunde Unternehmen mitreißen. Man denke nur an einen Konzern, der für Zahlung aller Gehälter, für seine diversen Steuerpflichten, für die Lieferanten ständig Millionen über eine Bank bewegen muss. In manchen Fällen sind das dann jedenfalls schon Hunderte Millionen, ja Milliarden. Die sind bei einem Bank-Konkurs ja weitestgehend weg und jedenfalls mittelfristig total blockiert.

Die europäische Bankenabwicklungs-Einigung hat für dieses entscheidende Dilemma weiter keine funktionierende Antwort. Vorerst gibt es nur jede Menge neuer Behörden, Beamtenjobs und theoretische Konstrukte ohne wirkliche Klarheit.

Der Fonds, aus dem Banken künftig gerettet werden sollen, besteht nur auf dem Papier. Man weiß nur, dass er von den Banken befüllt werden soll. Aber die Banken sind trotz ihrer bedrängten Lage ja schon von den Staaten heftigst ausgeräumt worden. Bankensteuer, Kursgewinnsteuer, Finanztransaktionssteuer fallen einem da etwa im Fall Österreich ein.

Die Fonds-Füllung kann also nur erfolgen, wenn die Republik darauf verzichtet. Dazu ist sie aber nicht bereit. Österreich hat ja laut EU-Kommission unter allen Mitgliedsstaaten am wenigsten Reformen gesetzt, die den nötigen Spielraum im Budget herstellen würden.

Frustrierend ist aber auch die total unterschiedliche Interpretation der angeblichen Einigung. Während Deutschland eine Betonung der nationalen Eigenverantwortung sieht, glaubt Frankreich, dass damit der Weg zu den Milliarden des ESM (Europäischer Stabilisierungsmechanismus) geöffnet wurde. In dem Mechanismus stecken aber nichts als – Steuergelder.

Europa hat so wie im Falle Zyperns den entscheidenden und logischen Schritt nicht gewagt: Der hätte bedeutet, die Haftung an den Zinsen zu orientieren. Wer hohe Zinsen bekommt, kassiert mehr und müsste also auch für viel mehr haften. Wer eine Bank hingegen primär als Dienstleister für Transaktionen benutzt und dafür keine Zinsen bekommt, müsste gesichert sein – ohne die für die Wirtschaft lächerliche 100.000-Euro-Grenze. Aber das wollen die jetzt schon wackelnden Südbanken nicht. Denn sie müssen ja jetzt schon höhere Zinsen zahlen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Hypo. Aus. Amen. Alternativlos. drucken

Deutlicher als mit dem Rücktritt des Hypo-Alpe-Adria-Vorstandschefs Gottwald Kranebitter kann es gar nicht mehr dargelegt werden: Der Staatsinterventionismus ist zwangsläufig gescheitert. Und das gilt erst recht für die vielgliedrigen Kompetenz-Schichtungen Land-Bund-EU (die ja meist Verantwortung-auf-die-jeweils-anderen-Ebenen-abschiebende-Schichtungen sind). Jeder der vielen Akteure hat letztlich ganz andere Vorstellungen und Ziele. Fast immer sind es fatalerweise primär politische. Und das hat letztlich noch jede Bank und jedes Unternehmen umgebracht.

Die Hauptschuld trifft das blau-orange System Jörg Haider. Zur Finanzierung von Haiders politischer, regionaler und persönlicher Großmannssucht hat das Land Kärnten Haftungen für gigantische 20 Milliarden Euro akkumuliert. Und zwar ohne dass es die Öffentlichkeit erfuhr. Dagegen ist alles, was die Herren Elsner, Verzetnitsch & Co bei der Bawag angestellt haben, ein Kavaliersdelikt.

Dazu kam der absurde Traum Bayerns, durch den Kauf der Hypo zu einem großen Player auf dem Balkan zu werden.

Und das alles wurde noch durch den schweren politischen Fehler des Duos Faymann-Pröll getoppt. Diese haben sich – Nein: nicht sich, sondern dem übertölpelten bundesweiten Steuerzahler – binnen weniger Stunden die gesamte Last für die Hypo anhängen lassen. Und sie haben beklemmenderweise Bayern wie Kärnten weitgehend aus der Verantwortung entlassen. Aus vier letztlich durchwegs kurzsichtigen Gründen:

  • Aus lauter Angst vor einem Bankenkrach und seinen Folgen.
  • Aus der idiotischen Haltung jeder Politik, die immer den Eindruck erwecken möchte, alles lösen zu können.
  • Aus – nicht einmal politisch nachvollziehbarer – Rücksicht auf Kärnten, dessen jährliches Landesbudget bloße zwei Milliarden ausmachte; das also in Konkurs gehen hätte müssen (traurig, aber jeder Konkurs ist besser als jahrelange Konkursverschleppung).
  • Und unter Druck der EU, die sich damals enorm um die Auswirkungen einer Hypo-Pleite auf den Balkan sorgte (obwohl es primär die dortigen Gaunereien und Fehlinvestitionen waren, welche die Hypo umgebracht haben).

Dazu kamen dann nach 2009 wie bei jedem Staatsunternehmen die ständigen verheerenden Agitationen und Stänkereien fast aller politischen Parteien (an der Spitze – ausgerechnet! – Haiders „Lebensmensch“). Dazu kamen die vielen anlaufenden Prozesse, die ebenfalls jedes Mal die Hypo in ein noch schlechteres Licht rückten. Dazu kam die EU, die plötzlich nicht mehr an die Balkanrettung dachte, sondern an die Wettbewerbspolitik, wodurch sie jeden Sanierungsversuch unmöglich machte. Dazu kamen die leeren Staatskassen. Dazu kam die Tatsache, dass die Wirtschaftskrise als Folge der gigantischen Schulden und der europaweit viel zu zaghaften Strukturreformen auch im fünften Jahr nicht behoben war, obwohl die – am Schuldenstand selbst hauptschuldige! – Politik ständig an ein rasches Ende der Krise geglaubt hatte.

Es war absolut illusorisch, unter solchen Begleitumständen eine Bank retten zu wollen. Und wenn jetzt einer nach dem anderen das sinkende Schiff verlässt, mögen das manche in ihren Reaktionen halt personalisieren. Aber die Tatsachen sind andere:

  1. Die Parteien denken nur an die Wahlen und nicht den Steuerzahler.
  2. Kein vernünftiger Mensch legt über die Einlagensicherung hinaus sein Geld auf eine Wackelbank oder nimmt sie als langfristigen Partner.
  3. Und auch in zwei Jahren (das ist offenbar die jüngste von der EU gesetzte Wackelfrist) wird niemand einen nennenswerten Preis für die teuer weitergeführte Bank zahlen, mit dem man die inzwischen angelaufenen Überbrückungskosten finanzieren könnte.
  4. Das Schiff sinkt daher unrettbar.
  5. Aus all dem ist völlig klar: Nur eine einzige Strategie wäre sinnvoll, die der Schadensminderung, unabhängig von Wahltagen und politischen Eitelkeiten.

Das hieße: Personal radikal herunterfahren, Eigentum verwerten, keine neuen Kredite vergeben, und Außenstände eintreiben. Aus. Punkt. Alles andere sind nur weitere Luftburgen, an deren Errichtung bloß wieder Berater und Manager verdienen.

 

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Die EU, Syrien, Österreich und der einzige Ausweg aus dem Blutbad drucken

Österreichs Golan-Abzug ist eine totale Katastrophe. Der von den Herrn Faymann und Darabos hinter den Kulissen (in Abwesenheit von Bundespräsident, Außenminister, Verteidigungsminister und Generalstabschef!) blitzschnell über die alten Seilschaften von Darabos durchgezogene Syrien-Abzug hat dem Bundesheer nach der Hoch-Phase durch Referendum und Hochwasser-Hilfe wieder schwere Depressionen und Imageverluste verpasst. Er hat Österreich auch außenpolitisch bis auf die Knochen blamiert. Er zeigt aber auch noch etwas anderes, bisher Verdrängtes: Dass die gemeinsame EU-Außenpolitik endgültig als Farce geplatzt ist. Und dass der gesamte Westen einschließlich der USA nicht wirklich weiß, wie die beste Lösung für Syrien aussehen würde. Denn diese hat man bisher total verdrängt, weil sie zuviele Tabus knacken würde.

So ist auch die Hochstapelei der EU jämmerlich enttarnt. Diese hat ja jahrelang behauptet, eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu haben. In Wahrheit aber ist da absolut nichts gemeinsam, wie sich in diesen Tagen besonders dramatisch bestätigt. Im Balkankrieg, bei der Anerkennung des Kosovo, bei der Libyen-Intervention oder eben jetzt in Sachen Syrien. Die Linie der EU ist immer dieselbe: die einer völligen Uneinigkeit. Und beim jüngsten Gipfel hat man das Thema Syrien da facto voll ignoriert.

Die Interventionswilligen und die Unwilligen können sich in der EU auf absolut nichts einigen. Nicht einmal in läppischen Dingen wie dem Umgang mit Mazedonien gibt es seit Jahrzehnten irgendeine Einigkeit. Und selbst der vielgefeierte einzige Erfolg der Gemeinsamen EU-Außenpolitik, nämlich die Vermittlung in der Nordkosovo-Frage, verwandelt sich schrittweise gerade wieder in einen Nichterfolg. Er wird nämlich vor Ort weitgehend ignoriert.

Das heißt aber: Diese GASP funktioniert nicht. Sie gibt es gar nicht. Sie verbraucht nur viel Steuergeld für die Stäbe und die Tausenden Diplomaten, welche die EU dafür rekrutiert hat. Die Außenministerin der EU ist mir zuletzt vor Wochen als Zuschauerin bei einem Fußballspiel aufgefallen.

Noch viel schlimmer ist: Durch das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit wird die EU nach innen wie außen zwangsläufig zum Objekt zynischer Verachtung. Großmächte wie China oder die USA ignorieren sie geradezu demonstrativ. Sie kennen nur Deutschland, Großbritannien, Frankreich.

Die Verachtung hat sich Europa eingehandelt, weil es unter Führung einiger Europa-Euphoriker von Anfang an nicht das Richtige zu sagen gewagt hat: Wir sind ein Binnenmarkt, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das wäre ehrlich und nüchtern gewesen. Und das hätte die ringsum aufblühende antieuropäische Stimmung weitgehend verhindert. Deren Entstehen ist aber nun nach der Entlarvung der großspurigen Ankündigungen unvermeidlich geworden.

Was aber wäre die richtige Politik gegenüber dem Bürgerkrieg? Keinesfalls wäre das die Lieferung von Waffen. Insofern liegen Österreich und jene Staaten absolut richtig, die Waffenlieferungen strikt abgelehnt haben.

Waffenlieferungen wären wegen der Lage in Syrien selbst ein schwerer Fehler und nicht etwa wegen des Begriffs Neutralität, mit dem Österreich eine Zeitlang wieder herumzuspielen versucht hat, um ihn auf die Ebene der EU zu hieven. Die österreichische Kronenzeitungs-Neutralität ist für einen 500-Millionen-Block als Konzept grotesk. Der muss zwar keineswegs militärisch Partei ergreifen. Der müsste aber klar und mit einer starken Stimme sprechen und handeln, wenn er vorgibt, eine Außen- und Sicherheitspolitik zu haben. Und dann hätte es auch Gewicht, wenn er Waffenlieferungen ablehnt.

Man muss sich in Sachen Syrien im Klaren sein: Bei keinem einzigen Gewehr, das an die syrische Opposition geliefert wird, kann man eine auch nur annähernde Sicherheit haben, dass es nicht in die falschen Hände gerät. Falsch wären vor allem die sunnitischen Fundamentalisten, die schon in mehreren „befreiten“ Gebieten ihr totalitäres Unwesen treiben, die die Scharia einführen und nach dem unerquicklichen, aber religionspolitisch neutralen Assad ein noch viel schlimmeres Regime führen würden.

Kein europäischer Geheimdienst hat einen präzisen Überblick über die Hunderten Milizen, die gegen Assad und zunehmend auch gegeneinander kämpfen, über deren Verquickungen und Machtstrukturen. Jede Waffe kann daher ganz leicht bei den Falschen landen.

Zugleich wird auch von wichtigen Teilen der syrischen Bevölkerung selbst keineswegs ein Sieg der Aufständischen erwünscht. Vor allem Alewiten, aber auch Christen wissen, dass es ihnen dann gar nicht gut gehen wird. Denn dann wird der sunnitische Fundamentalismus das Sagen haben.

Auf der anderen Seite steht ein Assad, der mit den schiitischen Mullahs in Iran und mit der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon eng verbündet ist. Das aber sind zweifellos die zwei übelsten Kriegshetzer des Nahen Ostens.

Mit anderen Worten: Fast keine der streng nach religiösen Linien aufgeteilten Kriegsparteien ist ein wünschenswerter Sieger. Daher sollte kluge Politik auch den Kriegsverlauf nicht noch durch zusätzliche Waffenlieferungen unterheizen. Und schon gar nicht Partei ergreifen. Letztlich wird die Welt mit jedem denkbaren Ausgang des Kriegs leben müssen. Ob sie will oder nicht.

London und Paris glauben, durch Waffen für die kleinen liberal und demokratisch wirkenden Oppositionsgruppen die Dinge in ein besseres Fahrwasser leiten können. Nach allem, was man dazu weiß, scheint eine solche Strategie mehr als naiv. Daran ändert es nichts, dass wieder einmal linke Journalisten so wie im Fall Ägypten oder Libyen Druck zu Gunsten der Aufständischen zu machen versuchen. Und ignorieren, was das in Wahrheit bedeutet.

Wie wäre überhaupt das Blutbad halbwegs erträglich zu beenden? Die Geschichte des Libanon deutet darauf hin, dass der Syrien-Krieg – übrigens auch mit sehr ähnlichen Parteien wie im Libanon – noch viele furchtbare Jahre dauern kann. Ein friedliches Zusammenleben der religiösen und ethnischen Gruppen scheint auf Grund des alten und jetzt dramatisch vervielfachten Hasses gar nicht mehr möglich. Wenn eine der beiden Seiten siegen sollte, dann ist es nämlich geradezu sicher, dass es nachher den Unterlegenen ganz schlecht gehen wird. Daher kämpfen ja beide Seiten mit so großer Erbitterung.

Am positivsten wäre es wohl, wenn es zu einer Teilung des Landes käme. Auf der einen Seite die Sunniten, auf der anderen Alewiten und Christen. Gewiss: Solche Lösungsmodelle sind in Politik und Diplomatie nicht populär. Sie verletzten viele Tabus der Diplomatie. Aber sie würden das Leiden und Sterben doch deutlich reduzieren und verkürzen. Und nach einer echten Teilung kann man ja leichter wieder zu guter Nachbarschaft finden als im Fall einer Unterjochung. Siehe Tschechien-Slowakei, siehe Kroatien-Serbien.

Mir ist schon klar, welche Folgen und Präzedenzwirkungen eine Teilung Syriens hätte. Aber die sind harmlos gegen weitere Hunderttausende Tote und Verletzte und gegen Millionen verzweifelte Vertriebene.

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Der Wettbewerb und das Bankgeheimnis drucken

Der Präsident der italienischen Region Veneto jammert vehement: 700 Betriebe seien aus seiner Region schon Richtung Österreich abgewandert. Er nannte drei Gründe: die Steuerlast, die Bürokratie und das Bankgeheimnis; überall behandle Österreich seine Unternehmer besser. Gewiss: Politiker sind nicht immer seriöse Quellen der Wahrheit. Aber jedenfalls tut es den Österreichern gut, zumindest bisweilen zu hören, dass in anderen Ländern ihre Heimat noch irgendwo als Vorbild gehandelt wird. Wenn auch nur in Krisenländern wie Italien.

Aber jedenfalls macht diese Bemerkung eines Regionalpolitikers klar: Es geht bei allen Aspekten der Wirtschaftspolitik primär immer um die Standort-Vorteile einer Region, eines Landes gegenüber anderen. Sowohl innerhalb der EU wie auch zwischen EU-Regionen und außerhalb liegenden Wettbewerbern. Das vergessen populistische Politiker freilich allzu leicht. Nur in standortgünstigen ("wirtschaftsfreundlichen") Ländern wird investiert. Und nur bei Investitionen entstehen Arbeitsplätze. Und niemals durch Gewerkschaften oder Ministerien.

Stabilität, Rechtsstaat und Binnenmarkt

Dabei gibt es nicht den einen einzigen entscheidenden Faktor, der über Glück oder Elend eines Landes entscheidet. Vieles spielt dabei mit. An der Spitze der für einen Standort entscheidenden Notwendigkeiten stehen zweifellos die innere Stabilität eines Landes und das Funktionieren des Rechtssystems. Aber auch die Teilnahme am EU-Binnenmarkt hat sich als Wettbewerbsvorteil erwiesen, den jedenfalls kein Land aufgeben will.

Die sonstige Regulierungswut der EU ist hingegen keineswegs ein Konkurrenzvorteil. Auch der Euro hat sich nicht als solcher erwiesen, obwohl viele anfangs – auch der Autor dieser Zeilen – sehr wohl einen solchen Nutzen des Euro erwartet hatten. Im Gegenteil: Im Schnitt stehen die Euro-Länder heute bei allen volkswirtschaftlichen Messgrößen schlechter als die EU-Länder da, die nicht den Euro haben.

Freilich zeigen die Fakten ein differenziertes Bild: Auch etliche Nicht-Euro-Länder der EU wie etwa Malta oder einige Osteuropäer erlitten in den letzten Jahren schwere Krisen. Andererseits stehen einige Nicht-EU-Länder, die also auch nicht vollberechtigt am Binnenmarkt teilnehmen können wie die Schweiz und Norwegen, in jeder Hinsicht sehr gut da.

Eine Reihe anderer Ursachen des wirtschaftlichen Erfolgs eines Landes ist daher außerhalb von Binnenmarkt oder Euro zu suchen, wobei auch die Faktoren Rechtsstaat und Stabilität bei weitem nicht ausreichen.

Teilhabe an der Globalisierung und ethnische Vorteile

Besonders wichtig ist für alle erfolgreichen Länder, dass sie sich extrem weit dem Weltmarkt geöffnet haben und auf Schutzzölle und ähnliche Maßnahmen in hohem Ausmaß verzichten. Und dass ihre Löhne nur soweit höher sind als in anderen Ländern, wie die Arbeitskräfte fleißiger und besser ausgebildet sind. Eher irrelevant scheint hingegen die einst stark betonte Größe eines Landes zu sein; denn Singapur und Hongkong sind ebenso erfolgreich wie Kanada und die USA.

Eine absolut dominante Rolle spielen jedoch Faktoren, die von vielen Ökonomen als politisch inkorrekt und heikel gemieden werden wie das Weihwasser vom Teufel. Das sind die ethnischen Unterschiede. Denn kaum werden diese Aspekte auch nur untersucht, schreien Gesinnungsterroristen bereits „Rassismus!“

Aber es kann kein Zufall sein, dass sich Ostasien seit seiner Öffnung für die globale Marktwirtschaft weit besser entwickelt als Afrika und die arabischen Länder, die sich nach sozialistischen Irrwegen ja ebenfalls der Marktwirtschaft geöffnet haben. Es sind also eindeutig auch ethnische Unterschiede im Spiel – ohne dass man sagen kann, ob und wie weit sie kulturell oder genetisch bedingt sind.

Jedenfalls wird dieser gerne verschwiegene Faktor auch dadurch bewiesen, dass die Ostasiaten auf amerikanischen Universitäten die weitaus erfolgreichsten Studenten sind. Sie sind deutlich besser als die Nachfahren der aus Europa gekommenen Amerikaner. Diese liegen selbst wieder weit vor den lateinamerikanischen Zuwanderern. Und diese haben wiederum die Afroamerikaner deutlich hinter sich gelassen.

Steuern und Bürokratie

Aber kehren wir noch einmal zu den Standort-Sorgen des Veneto-Präsidenten zurück, der immerhin einer der erfolgreichsten Regionen Italiens vorsteht. Er hat einige ebenfalls wichtige Faktoren genannt. daher kann der Österreicher mit erstaunter Freude registrieren, dass man in Italien die Alpenrepublik auch in Sachen Bürokratie und Steuern als Vorbild sieht.

Das hätte er eigentlich nicht geglaubt. Aber im Vergleich zur italienischen ist die österreichische Bürokratie tatsächlich besser und nur in Teilbereichen wie etwa bei den Baugenehmigungen in großen Städten korrupt. Bei den Steuern hat der gute Mann hingegen die Einkommensteuer ignoriert. Bei den meisten anderen Steuern hat er zwar Recht, lässt aber außer Acht, dass die Steuereintreibung in Italien viel weniger konsequent erfolgt.

Bankgeheimnis zum Schutz des Privatlebens

Als dritten Wettbewerbsfaktor hat der Veneto-Präsident auch das Bankgeheimnis genannt. Mit dem ist es freilich nicht so einfach, weshalb es eine eingehende Betrachtung wert ist. Wahrscheinlich liegt die Hauptbedeutung dieses Geheimnisses in einer bloßen Illusion. Viele Sparer und Anleger glauben nämlich, dass dadurch ihr Geld ein wenig besser vor dem Staat, vor den Staaten geschützt wird; dass deren Gier dadurch Bremsen angelegt werden.

Ein guter Beweis für diese Gier als Antriebskraft bietet die Schuldenkrise. Es ist kein Zufall, dass die Staaten genau in dieser ihren Würgegriff auf Sparer und Banken verstärken. Genau wegen der derzeit explodierenden Schulden der Staaten kommt jetzt aus dem Ausland, aber auch von etlichen Politikern des Inlands das österreichische und Luxemburger Bankgeheimnis verstärkt unter Druck, ebenso jenes der Schweiz und anderer Verteidiger des Steuergeheimnisses. Die Gier und die Neugier vieler Regierungen kennt keine Grenze.

Steuerhinterzieher verdienen keinen Schutz, aber . . .

Nun werden viele mit Fug und Recht sagen, Steuerhinterzieher verdienen keinen Schutz. Jedoch ist es infam, so zu tun, als ob jeder für das Bankgeheimnis eintretende Europäer ein Steuerhinterzieher wäre. Viele wollen einfach ihr Geld vor der (letztlich gierigen) Neugier des Staates und der lieben Verwandtschaft verbergen. Es ist ja auch nicht jeder ein Terrorist oder Kinderpornokonsument, der es nicht mag, wenn der Staat in seinem Computer herumspioniert. Beim Sparbuch wie beim Computer – wie noch in vielen anderen Bereichen – geht es in Wahrheit um die letzten Residuen persönlicher Freiheit, geht es um Privatheit. Beides ist den Staaten selbst naturgemäß nichts wert. Deshalb wollen sie den automatischen Datenaustausch in Hinblick auf sämtliche Sparkonten der Europäer.

Das Bankgeheimnis kann in Ländern wie Österreich ohnedies jetzt schon sogar ohne Gerichte durch bloße Anfragen ausländischer Steuerbehörden durchbrochen werden. Außerdem ist die von Österreich und der Schweiz praktizierte Quellensteuer ein gutes Mittel, jedenfalls den Herkunftsstaat an im Ausland verdienten Zinsen seiner Subjekte teilhaben zu lassen. Zugleich kann seit langem niemand mehr in Österreich anonym Geld anlegen. Die Geldwäschebestimmungen sind heute schon sehr streng.

All das spräche eigentlich eher dafür, das Bankgeheimnis zumindest in seinen bescheidenen Resten aufrecht zu erhalten. Dennoch hat Österreich kaum mehr Chancen, es zu verteidigen. Hat doch sogar der eigene Bundeskanzler das Bankgeheimnis zu einem Instrument der Steuerhinterzieher erklärt und will es abschaffen.

Und vor allem: Wenn wirklich ein effizienterer Kampf gegen Steuerhinterziehung im Zeichen der Gerechtigkeit das Motiv wäre, dann gäbe es ein Aufgabenfeld, das viel wichtiger ist als das Bankgeheimnis. Dennoch kommt das österreichische Finanzministerium mit diesem Hinweis in der Öffentlichkeit kaum durch. Es kann jedoch beweisen, dass keineswegs das Bankgeheimnis das Instrument ist, mit dem man wirklich relevante Steuerhinterziehungen durchführt: Das Vehikel für diese sind vielmehr die in einigen Ländern zulässigen anonymen Kapitalgesellschaften.

Anonyme Gesellschaften richten hundert Mal mehr Schaden an

Diese sind zwar unterschiedlich konstruiert. Aber immer ist es unmöglich, den eigentlichen wirtschaftlichen Nutznießer zu identifizieren. Nach Einschätzung des seit einem Vierteljahrhundert im Finanzministerium als Sektionschef amtierenden Wolfgang Nolz und seines Kollegen Harald Waiglein wird damit hundert Mal so viel Schindluder getrieben wie mit dem Bankgeheimnis.

Den österreichischen Finanzexperten ist es mit beharrlichen Hinweisen auf dieses Problem nun zumindest gelungen, es zum Teil des EU-Verhandlungspakets mit den „Steueroasen“ zu machen. Den Banken soll vorgeschrieben werden, bei allen Zahlungen an Drittstaaten den wirtschaftlichen Eigentümer des Kapitals zu eruieren.

Weltweit jede Möglichkeit für Missbrauch

Das Ministerium kann dabei als Beleg auch große Studien des britischen Ökonomieprofessors Jason Sharman vorlegen. Diese zeigen ein dramatisches Bild dessen, was international möglich ist: Sharman hat im Vorjahr 7400 Anfragen in 182 Ländern gestellt, bei denen vorgegeben wurde, anonyme Firmen gründen zu wollen. Ergebnis: in 48 Prozent der Fälle war keine ordentliche Identifikation notwendig, in 22 überhaupt keine. Selbst dann, wenn in der Anfrage von schwerer Kriminalität als Hintergrund die Rede war, waren in etlichen Ländern anonyme Firmengründungen möglich: sogar bei Korruption (9 Prozent) oder bei Terrorismus (5 Prozent).

Auch Weltbank, OECD und die Anti-Geldwäsche-Institution FATF sind auf viele Spuren gesellschaftsrechtlicher Tarnvehikel gestoßen. Während das Bankgeheimnis bei kriminellen Verschiebungen fast keine Rolle spielt.

Bei diesen problematischen Firmen-Konstruktionen geht es vor allem um die in etlichen angelsächsischen Ländern üblichen Trusts; es geht um Stiftungen in Ländern ohne umfassendes Stiftungsregister; es geht um treuhänderische Gesellschafter; es geht um den betrügerischen Erwerb ganzer Firmenmäntel samt Vorgeschichten. Wenn solche Firmen einmal über zwei, drei Grenzen hinweg Gelder verschieben, sind deren Spuren nie mehr auffindbar.

Das Schwarzgeld findet immer neue Schlupflöcher

Auf diese Weise geht den Staaten in der Tat viel Geld verloren, das dann die anderen Steuerzahler ersetzen müssen. Freilich: Auch im Wiener Finanzministerium fürchtet man, dass die wirklichen Oasen des Schwarzgeldes sehr bald neue Konstruktionen finden werden, um solche Regelungen zu umgehen.

Die Möglichkeit solcher Konstruktionen vor allem in den angelsächsischen Ländern bedeutet nämlich einen großen Wettbewerbsvorteil für deren Finanzindustrie. Diese Länder werden daher vehement für diesen Vorteil kämpfen. Der von Österreich initiierte Kampf dagegen ist überdies auch juristisch viel komplizierter als jener gegen das Bankgeheimnis.

Dieses Bankgeheimnis wollen jedenfalls die meisten EU-Länder durch einen automatischen Informationsaustausch beenden. Jedoch weisen erfahrene Finanzleute in Wien auch auf die unglaublich große und unstrukturierte Datenmenge hin, um die es dabei gehen würde. Als Beispiel berichten sie von den Pensionszahlungen: Zwischen Deutschland und Österreich werden da zwar schon seit einigen Jahren große Datenmengen ausgetauscht; es hat aber sechs Jahre nach Beginn dieses Austauschs gedauert, bis Deutschland die ersten Bescheide zur Eintreibung seiner Einkommensteuer geschafft hat. Dabei sind diese Datenmengen noch deutlich geringer als die von Banktransaktionen.

Dennoch wird der an sich kluge Gedanke wohl scheitern, dem automatischen Bankdatenaustausch erst dann zuzustimmen, wenn es effektive Maßnahmen gegen Trusts & Co gibt. Hat doch die auf dieser Strategie fahrende Finanzministerin nicht einmal ihren Parteiobmann oder ihren Regierungschef von dieser Strategie überzeugen können. Vielleicht ist das Thema auch ein wenig zu kompliziert. Und jedenfalls spielen Standortfragen bei populistischer Politik keine Rolle.

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Investieren in Österreich? Danke, nein! drucken

Es ist wohl die am stärksten alarmierende Zahl der letzten Jahre, die da soeben (sehr zum Leidwesen der sich noch immer bejubelnden Regierung) von einer internationalen Organisation über Österreich und die EU veröffentlicht worden ist.

Denn die große Wirtschaftsorganisation der UNO (Unctad) hat errechnet: In der EU sind im Vorjahr die ausländischen Direktinvestitionen um nicht weniger als 41 Prozent zurückgegangen. In Österreich beträgt der Rückgang sogar 44 Prozent. Das ist wohlgemerkt binnen eines Jahres passiert! Mit anderen Worten: Nur ein paar Ahnungslose tragen noch Geld in das hemmungslos überregulierte und unter unerträglichen Wohlfahrtslasten ächzende Europa. Oder gar nach Österreich.

Gewiss muss objektiverweise hinzugefügt werden, dass weltweit die Direktinvestitionen insgesamt um 18 Prozent zurückgegangen sind. Das ist ein Beweis des global gewachsenen Misstrauens. Aber wenn China oder Brasilien laut dieser Unctad-Studie nur einen zweiprozentigen Rückgang verzeichnen, dann ist klar, zu welchen Regionen die so dringend benötigten Menschen mit Geld trotz allem Vertrauen haben. Und zu welchen nicht.

Die Gründe hierfür sind im Tagebuch immer wieder aufgelistet worden. Europa und Österreich machen in den letzten Jahren jeden nur erdenklichen Fehler. Und das absurde Konjunkturprogramm der österreichischen Regierung (das trotz anderslautender Beteuerungen natürlich sehr wohl den Schuldenstand weiter erhöht) ist ein weiteres Element der Bemühungen, das Land für dauerhafte Investoren unattraktiv zu machen. Sie alle können ja rechnen, was das bedeuten muss. Manche Unternehmen werden zwar versuchen, einen Teil des Geldsegens einzufangen, aber keiner will mehr dauerhaft hier investieren, weil er die Steuerhöhe kennt und vor allem die rotgrünen Pläne, die Last noch weiter erhöhen.

Den allerwichtigsten Grund für die Flucht des Gelds aus Österreich hat dankenswerterweise (wenn auch unbeabsichtigt) die SPÖ-Politikerin Csörgits in einer Aussendung über die Krisenfolgen formuliert: „Österreich ist EU-weit das einzige Land, das das Sozialsystem ausgebaut hat“.

Wirklich Bravo. Da kann man nur noch sagen: Griechenland hat auch saudumme und populistische Politiker. Aber es hat wenigstens Sonne und Meer.

PS.: Es ist ein bezeichnender Zufall, dass dieser Investorenstreik fast zur gleichen Stunde bekannt wird, da das endgültige Scheitern des von Österreich angeführten Gaspipeline-Projekts „Nabucco“ eingestanden werden muss (auch dieser Kollaps war ja hier mehrfach prophezeit worden). Der Grund ist der gleiche: Ein ausländischer Investor nach dem anderen hat sich zurückgezogen.

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Die Wirtschaftskraft der USA und der EU im Vergleich drucken

Neueste vefügbare zentrale wirtschaftliche Kennzahlen der EU und der USA im Vergleich

 

  USA EU
Bevölkerung (Mio)

312

504

Fläche (Mio km2)

9,2

4,3

BIP (Bio US-$)

14,99

17,58

BIP/Kopf (US-$)

48.820

32.590

Wirtschaftswachstum 2012-13 (in %)

+ 1,9

- 0,1

Außenhandelsbilanz (% des BIP)

- 2,8

+ 1,6

Arbeitslosenquote

7,7

11,1

 Quelle: Europäische Kommission, Weltbank

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Bankenunion – der nächste Irrsinn! drucken

Schrittweise verzichtet der Staat auf seine Souveränitätsrechte. Überdeutlich wird das am Verzicht auf das „Majestätsrecht“ des Staates, seine Währung sowie die Möglichkeiten und Grenzen seiner Geld- oder Kreditschöpfung selbst zu bestimmen.

Die Einführung des Euro als gemeinsame Währung hatte den Zweck, den europäischen Staaten ihr im ökonomischen Sinne wichtigstes Souveränitätsrecht wegzunehmen und es auf die Banken, „die Herren des Kredits“, zu übertragen. „Gebt mir die Kontrolle über den Kredit, und mir ist es dann ganz gleichgültig, wer die Gesetze macht“. Mit dieser Einsicht hat Mayer Amschel Rothschild (1744-1812), der Gründer eines aus bescheidenen Anfängen entstandenen weltweiten Bankenimperiums, das von einem österreichisch-kanadischen Selfmade-Milliardär kreierte und nun schon geflügelte Wort vorweggenommen: „Das Geld macht die Regel“.

Nicht von ihrer Haftung, wohl aber von ihrem Majestätsrecht entkleidet, hängt nun das Wohl und Wehe der Staaten von den Bankherren ab. Wer diese sind und wie sie miteinander kommunizieren, hat ein kluger Kabarettist aus der (deutschen Kabarett-Sendung) „Anstalt“ jedem, der es wissen will, vor Augen geführt. Seine Einlage ist inzwischen zu einem Klassiker geworden.

Die Gründung der Europäischen Währungsunion war wohl der größte wirtschaftspolitische Fehler, der nach dem Zweiten Weltkrieg gegen den Rat von rund 700 Nationalökonomen, die sich in diversen Manifesten zu Wort meldeten, begangen wurde. Die Währungsunion wurde letztendlich auch nicht ökonomisch, sondern politisch begründet: Sie sollte zum Zusammenrücken der europäischen Staaten und zur „Vertiefung“ ihrer Gemeinschaft beitragen. Beides ging fehl. In der zweiten Hälfte des Jahres 2012 geriet die Währungsunion „an die Schwelle ihres Auseinanderbrechens“ (EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen am 11. Juni 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe). Keinem Beobachter konnte entgehen, dass die Spaltung der Europäischen Union mit jedem Tag seit Bekanntwerden der Griechenlandpleite zunahm. Wirtschaftliche Stagnation, Massenarbeitslosigkeit und soziale Spannungen sind, so Asmussen, jetzt politisch kaum noch beherrschbar. Verschiedentlich erfordert die Niederschlagung von Streiks und Bewegungen der „Empörten“ bereits den massiven Einsatz der Exekutive.

Der Euro ist eine „Fehlkonstruktion“. So ist es jetzt selbst aus dem Munde von Bundeskanzlerin Merkel und ihrem Finanzminister Schäuble zu hören. Der ehemalige Ministerpräsident Italiens, Silvio Berlusconi, schockte seine Kollegen in Brüssel mit der hingeworfenen, doch richtigen Bemerkung: „Den Euro nimmt niemand ernst. Es steht hinter ihm kein Staat“. Berlusconi drückte damit aus, was für den Inhaber des Monnet-Lehrstuhls in Wien, Prof. Breuss, als Verstoß gegen das währungspolitische Grundprinzip gilt: „One State – One Money“.

Für den britischen Außenminister William Hague geschah die Gründung der Währungsunion in einem „Anflug von kollektivem Wahnsinn“. Als Folge säßen jetzt ihre Mitglieder in einem „brennenden Haus mit verschlossenen Türen“. Es werde versucht „mit Benzin (noch mehr Schulden) zu löschen“, doch das funktioniere natürlich nicht. Zu diesem Urteil kommt auch der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Klaus: „The Eurozone has failed“, titelte er ein Essay im Wallstreet Journal. Die dort angeführten Gründe für den Fehlschlag sind einleuchtend. In seinem Buch „Europa?“ (2010) hat er sie in aller Breite dargestellt.

Der Versuch, das Scheitern des Euro zu verhindern, hat zu einer fortgesetzten Reihe von Rettungsmaßnahmen geführt, die sich allesamt als nutzlos erwiesen und als Resultat nur „Zeit gekauft“ haben, mit der der Konkurs noch verschleppt wird, wie einer der besten österreichischen Kenner der Materie, Botschafter Scheich, urteilte. Die Rettungsringe erwiesen sich allesamt als aus Blei, sie zogen die Ertrinkenden noch weiter in die Tiefe und schädigten zugleich sowohl die Retter als auch die ganze Weltwirtschaft.

Die Rettungsmaßnahmen haben inzwischen Ausmaße angenommen, die noch vor kurzem unvorstellbar waren. Allein für Griechenland mussten, wie der ehemalige Präsident des slowakischen Parlaments, Richard Sulik, vorrechnete, die Retter sich verpflichten, an die 800 Milliarden Euro bereitzustellen. Nur „die Illusionskünstler tun weiter so, als könne Griechenland die Kredite irgendwann zurückzahlen“, schrieb Holger Steltzer in der FAZ (vom 28. 11. 2012).

Das verrückte Konzept der Bankenrekapitalisierung

Griechenland war der erste Staat, für den ein Rettungsschirm aufgespannt werden musste. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde die sogenannte No-Bailout-Klausel im Mai 2010 vom Tisch gewischt, die Europäische Zentralbank übertrat das Verbot der Staatsfinanzierung und wenig später wurde mit dem EFSF (European Financial Stability Facility) ein Instrument zur vorübergehenden, auf drei Jahre begrenzten Krisenbewältigung geschaffen. Wieder zwei Jahre später wurde dieses Instrument durch ein neues, den ESM (European Stabilitiy Mechanism), jetzt mit unbegrenzter Dauer, ersetzt.

Bald darauf machten außer Griechenland auch Irland, Portugal, Spanien und Zypern von diesen Rettungsinstrumenten Gebrauch, deren Umfang mit 700 Milliarden noch begrenzt ist. Forderungen, diesen durch Haftungszusagen garantierten Finanzierungsrahmen zu „hebeln“, ihn „unbegrenzt auszuweiten“ und ihn auch zur „Bankenrekapitalisierung“ unter Umgehung der Haftung des Schuldnerstaates einzusetzen, werden inzwischen vehement vorgetragen und sind teilweise ja auch schon dem Grundsatz nach auf der Ebene der Finanzminister vereinbart.

Mit dem Problem der „Bankenrekapitalisierung“ ist nun das gesamte Banken-, Kredit-, Geldschöpfungssystem der Europäischen Währungsunion und hier insbesondere die Rolle des Europäischen Zentralbank (EZB) und die ihr angeschlossenen nationalen Notenbanken ins Blickfeld geraten. Mit 9,4 Billionen Euro an ausstehenden Krediten in den PIIGSC-Staaten (Portugl, Irland, Italien, Griechenland, Spanien, Zypern) gleicht das europäische Bankensystem einem Schiff, das in den sich hoch auftürmenden Wellen der Finanzmärkte aus dem Ruder gelaufen und nicht mehr durch Staatseingriffe steuerbar ist. Statt zu steuern, müssen sich die Staaten darauf beschränken, Haftungen für sich und fremde Staaten oder für eigene und fremde Banken zu übernehmen. Wohlstandstransfers oder Umverteilungen zum „Durchfüttern“ zahlungsunfähiger Schuldner müssen sie dulden und im Endeffekt werden sie wohl auch ihre Steuerzahler direkt oder indirekt zur Kasse zu bitten haben.

Im Auge des Taifuns befindet sich nun die EZB. Sie hat durch ihre Selbstverpflichtung zur „unbegrenzten“ Staatsfinanzierung (OMT) nicht nur gegen ihr eigenes Statut und den Lissabonvertrag verstoßen, sondern in einem Verzweiflungsschritt auch die Geldschleusen in einer Weise zu öffnen versprochen, durch die Geld für Staaten und Banken, aber auch für betuchte Privatschuldner und Spekulanten nun „billiger wie Dreck“ geworden ist.

Unversehens haben sich im Zusammenwirken von EZB, Nationalen Notenbanken, Privatbanken und Hedgefonds durch Outright Monetary Transactions (OMT), Securities Market Programmes (SMP), Long-Term Refinancing Operations (LTRO), Emergency Liquidity Assistance (ELA), und Target 2-Salden auf ingeniöse Weise Ponzi-Schemata entwickelt, welche auf Kosten solider Staaten und ganzer Bevölkerungsschichten den Herren der Banken riesige Profite risikolos verschaffen. So kaufen Privatbanken in großem Stil höherverzinsliche Schrottanleihen (z.B. zu 4 und mehr Prozent p.a.) von Pleitestaaten, hinterlegen sie als Collateral bei der EZB gegen frisches Geld (zu 0,5 Prozent p.a.), kaufen damit wiederum Staatsanleihen, die sie neuerlich hinterlegen (usf. bis in alle Ewigkeit) und erfreuen sich damit an einer sich immer höher schraubenden Profitspirale.

Bluten muss für diese Profite die Bevölkerung, deren Staaten auf die Ausübung ihres Majestätsrechtes zur Geldschöpfung verzichtet haben. Vor den Richtern des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe schilderte der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung dieses Ponzi-Schema auf folgende Weise: „Die mittelbare Finanzierung der Staaten durch die EZB hat in der Krise riesige Ausmaße angenommen. So waren allein 77 Prozent der Pfänder, die griechische Banken ihrer Notenbank einreichten, griechische Staatspapiere … Auch spanische und italienische Banken konzentrieren ihre Anlagen in Staatspapiere zu über 80 Prozent auf das jeweils eigene Land“.

Allein die Tatsache, dass die Geldschöpfung der EZB zu 80 Prozent den PIIGSC zugute kommt, die nur 30 Prozent zum BIP der Eurozone beisteuern, lässt erkennen, welch gewaltige Kaufkraft- und Wohlstandstransfers von den soliden zu den unsoliden Staaten stattfinden. Die EZB sitzt am Hebel der Transferunion, ohne dass sich ein einziges Parlament, geschweige denn ein einziger Bürger gegen die Transfers wehren kann, die ihm meist nicht einmal bewusst sind.

Zentrale Bankenaufsicht: Eine gefährliche Drohung

Die Bankenunion soll dieses System nun verfestigen. Ihr Hauptzweck ist es, solide Staaten, Banken und Bürger für unsolide zahlen und haften zu lassen. Aus diesem Grund haben nun bald 200 Nationalökonomen deutscher Zunge, darunter auch fünf Österreicher, gegen die Pläne zur Errichtung der Bankenunion Stellung genommen. In einem „offenen Brief“ wehren sie sich dagegen, dass „Steuerzahler, Rentner und Sparer der bislang noch soliden Länder Europas“ für die absehbaren „riesigen Verluste aus der Finanzierung der inflationären Wirtschaftsblasen der südlichen Länder“ in Haftung genommen werden. Mit allem Nachdruck lehnen sie die Bankenunion als Schritt „in die kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Eurosystems“ ab, schließlich seien „die Bankschulden fast dreimal so groß wie die Staatsschulden und liegen in den fünf Krisenländern im Bereich von mehreren Billionen Euro“ (FAZ, 5. 7 .2012). Die Risken aus der Vergemeinschaftung von Bankschulden seien einfach untragbar.

Ihre Sorge ist berechtigt. Mit der Installierung einer „zentralen Bankenaufsicht“ bei der EZB macht man den Bock zum Gärtner. Die EZB ist es, die den Banken unverhältnismäßig hohe Kredite gegen Schrottpapiere zur Verfügung stellt. Ihr Interesse ist es daher, überschuldete Banken über Wasser zu halten, um so eigene Verluste zu vermeiden. Bevor noch mit den Prüfungen begonnen werden kann, ist das Regelwerk auszuarbeiten, das Banken ihren Geschäften zugrunde legen müssen. Solche Normen oder Regeln sind der Maßstab für jede Prüfung. Zur Durchführung wird eine riesige Behörde mit hoch qualifizierten Beamten entstehen, denn nichts ist schwieriger als die Prüfung von Banken. Die Prüfung soll sich ja auf alle Banken mit mehr als 30 Milliarden Ausleihungen erstrecken, außerdem auf die drei größten Banken eines jeden Landes sowie auf Banken, deren Ausleihungen mehr als 20 Prozent des BIP eines Landes ausmachen.

Die arbeitfähige Installierung der „zentralen Bankenaufsicht“ ist wiederum die Bedingung für die Rekapitalisierung von Banken durch den ESM, um einerseits die EZB zu entlasten und andererseits die Erhöhung der Staatsschuldenquoten zu vermeiden. Die Erhöhung der Staatsschulden träte ein, wenn die Staaten für die Rekapitalisierung ihrer Banken selbst Kapital vom ESM oder von den Finanzmärkten in Anspruch nehmen müssten. Das wollen sie nicht, weil es ihre Bonität gefährden könnte. So zwingen sie lieber die Bürger anderer Staaten, ihr Geld in Bankbeteiligungen anzulegen und sie gegen ihren Willen und ohne Einflussmöglichkeiten indirekt zu Anteilseignern an Banken zu machen.

Offen ist die Frage, in welcher Weise und Höhe die EZB haftet, wenn trotz ihrer Aufsicht eine Bank Konkurs anmeldet und abgewickelt werden muss. Durch Fehler bei der Aufsicht könnten ungeahnte Forderungen von Bankgläubigern gegenüber der EZB entstehen.

Für die Abwicklung von Pleitebanken im Konkursfalle müssen die Bürger gleich mehrfach zahlen und haften. Einmal durch Einzahlungen in einen Garantiefonds der Banken, welcher die Einlagen bis zu einer bestimmten Grenze (derzeit 100.000,- Euro) sichern soll. Die Alimentierung eines europäischen Garantiefonds wird mit Sicherheit über die Erhöhung der Bankgebühren erfolgen. Zum anderen werden die Einleger Verluste tragen müssen, wenn ihre Einlagen die Garantiesumme überschreiten. Die geringe Garantiesumme reicht bei kaum einem Kleinunternehmer aus. Den Unternehmen wird jedenfalls nichts übrig bleiben, als ihre Einlagen zu versichern (CDS) und die daraus entstehenden Kosten auf ihre Kunden abzuwälzen.

Die EU beabsichtigt eine eigene Behörde für die Bankabwicklung einzurichten. Jeder Konkursverwalter kann ein Lied davon singen, wie schwer es ist, die Aktiva einer Bank zu versilbern. Mit Hypo Alpe Adria, Volksbanken und Kommunalkredit sind wir Österreicher gebrannte Kinder. Sicher ist jedenfalls, dass die Kosten der Konkursabwicklung von den Mitgliedsstaaten der Bankenunion und ihren Bürgern zu tragen sind.

Bankenaufsicht, Bankprüfung, Bankenrekapitalisierung und Bankenabwicklung öffnen die Tore für Korruption, Bestechung und Veruntreuung in ungeahnter Weise. Die Verluste, die aus der Korruption resultieren, sind Kollateralschäden, die weitere Kosten verursachen. Sie steigen beträchtlich mit der Übertragung von Funktionen auf zentrale Behörden durch Überdehnung der Kontrollspannen.

Das Konstrukt ist auf Rechtsbruch gebaut

Der Euro kann sich heute nur halten, weil durch Rechtsbruch alle Prinzipien aufgehoben wurden, die bei der Schaffung der Währungsunion Pate standen. Die Rechtsbrüche sind inzwischen Legion. Niemals, so war vereinbart, sollte ein Staat für andere Staaten haften oder zahlen müssen. Das vertraglich gesicherte Bailout-Verbot wurde umgangen. Ausgeschlossen wurde die Finanzierung von Staatsausgaben durch die EZB. Weder auf dem Primär- noch auf dem Sekundärmarkt sollte die EZB Staatsanleihen aufkaufen dürfen. Sie hat diese Vorschrift gebrochen.

Notfallkredite (ELAs) sollten lediglich zur Überbrückung von Tagesengpässen bei der Liquidität dienen. Die EZB missbrauchte die ELAs zur langfristigen Staatsausgabenfinanzierung (Irland, Spanien, Griechenland, Italien). Mit ihrer Selbstverpflichtung zum „unbegrenzten“ Aufkauf von Staatsanleihen (OMT) hat die EZB in die ihr verbotene Fiskalpolitik eingegriffen. Durch diese Eingriffe hat die EZB die Zinsspreizungen verkleinert und die Bonitätssignale der Finanzmärkte außer Kraft gesetzt. Mit der Belehnung von Anleihen zahlungsunfähiger Staaten (GR, E, IR, I, P, C) sowie durch die Nichtkonsolidierung von Target 2-Krediten hat die EZB die durch Parlamentsbeschluss festgelegten Haftungsgrenzen der EZB-Mitglieder aufgehoben.

Die EZB hat mitgeholfen, die Völker von vorne bis hinten zu belügen und zu betrügen. Nie haben die Völker einer Vergemeinschaftung der Schulden von Staaten oder Banken zugestimmt. Ihnen wurde versichert, unter gar keinen Umständen je für andere Staaten oder fremde Banken zahlen und haften zu müssen. Ausdrücklich wurde jeder Transfer ausgeschlossen. Gegen ihren Willen, und teils auch ohne es überhaupt zu bemerken, befinden sie sich jetzt in einer Schulden-, Haftungs-, Banken-, Transfer- und Fiskalunion, die sie ihres Eigentums und ihrer Zukunft beraubt. Unter tatkräftiger Mithilfe der EZB sind sie Sklaven der Bankherren geworden, und müssen um ihr pures Überleben bangen. Überfordert durch die Intrigen der Spitzenbanker, haben ihre Politiker und Volksvertreter sie bis auf ganz wenige im Stich gelassen. Bevor jetzt  die Sommerpause beginnt werden die Staatschefs und ihre Finanzminister noch im Juni in Brüssel bzw. im Juli auf der Insel Mallorca grünes Licht zur Weiterfahrt auf dem Irrweg geben, der über die zur Genehmigung anstehenden „zentralen Bankenaufsicht“ zur Vergemeinschaftung der Bankschulden führt.

Nach den im Herbst abgehaltenen Bundestags- und Nationalratswahlen wird es „auf der Fahrt ins Verderben“ (H.-W. Sinn) kein Halten mehr geben. In der Hoffnung auf eine sozialistische Mehrheit opponiert in Deutschland nicht einmal mehr die extreme Linke gegen die Bankenunion (!), in Österreich kann sich die Regierungskoalition auf die heuchlerischen Grünen als Mehrheitsbeschaffer verlassen.

Das Volk fühlt sich nur noch verraten und verkauft.

Der Autor ist Dozent für Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik. Seine letzte Publikation zum Thema: ESM-Verfassungsputsch in Europa (Edition Antaios 2012).

Einschlägige Quellennachweise:

Erwin Pelzig: Neues aus der Anstalt (ZdF):Grandios wird erklärt, wie Banker die Welt regieren: http://www.rottmeyer.de/neues-aus-der-anstalt-goldman-sachs-verschworung/

Botschafter i. R. Manfred Scheich: http://www.andreas-unterberger.at/2013/03/europa-in-der-sackgasse/

Vaclav Klaus, damals Ministerpräsident der Tschechischen Republik: „The Eurozone has Failed“, in: Wall Street Journal vom 1. Juni 2010. http://online.wsj.com/article/SB10001424052748704875604575280452365548866.html

Vaclav Klaus: Europa? Buchrezension: http://www.zeit-fragen.ch/index.php?id=242)

Richard Sulik, ehem. Präsident des Slowakischen Parlaments: http://www.unzensuriert.at/content/008650-Solidarit-t-mit-Griechenland-konkreten-Zahlen

Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in München : Gutachten für den BVerfGH Karlsruhe vom 12.06.13: http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/presse/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen-Archiv/2013/Q2/pm-201230612-sinn-ezb-kurs.html.

Jürgen Stark, zurückgetretener Chefvolkswirt der EZB, am 21.09.12: Diepresse.com/home/wirtschaft/eurokrise/1293077/Stark_EZB-bewegt-sich-ausserhalb-ihres-Mandats.

Hans-Werner Sinn zitiert aus dem Urteil des BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12.09.12 wie folgt:: „Ein Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank, der auf von den Kapitalmärkten unabhängige Finanzierung der Haushalte der Mitgliedstaaten zielte, ist als Umgehung des Verbotes monetärer Haushaltsfinanzierung … untersagt.“

http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/policy/Staff-Comments-in-the-Media/Press-articles-by-staff/Archive/Eigene-Artikel-2012/medienecho_ifostimme-wiwo-17-09-2012.html

Hauke Janssen: So wurden wir belogen“: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/muenchhausen-check-merkel-und-schaeuble-ueber-die-euro-krise-a-867147.html

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Europa, Karlsruhe und die Folgen drucken

Eine gemeinsame Währung kann ohne politische Union nicht funktionieren. Dieser Konsens wird europaweit immer stärker. Das verschärft aber die Probleme Europas gewaltig: Denn dieses hat zwar – teilweise – eine gemeinsame Währung, aber eben keine politische Union. Und die steht weder in den Verfassungen noch will die Bevölkerung so etwas, die sich ja ihrer Heimat und nicht der Währung verbunden fühlt. Die europäischen Eliten versuchen eine solche politische Union aber dennoch durch die Hintertür einzuführen, um ihr Währungsprojekt zu retten.

Vor diesem Dilemma stehen nun auch die deutschen Verfassungsrichter in Karlsruhe. Immer mehr deutsche Experten und beispielsweise auch die deutsche Bundesbank erkennen, dass die vielen Haftungen und Schuldenübernahmen die Bundesrepublik untrennbar an die Politik der südeuropäischen Schuldenländer ketten. Obwohl das nirgendwo so vereinbart war, obwohl das den Verträgen sogar diametral widerspricht. Das trifft natürlich auch Länder wie Österreich, aber da wird das Problem ja ignoriert.

Wenn die Europäische Zentralbank bis zu 40 Prozent der Anleihen eines Staates hält, dann ist sie angesichts dieser Dimensionen längst vom Schuldner abhängig. Und nicht wie bei geringeren Verschuldungen der Schuldner vom Gläubiger.

Schon wieder hat die EU nachgegeben

Die Macht der Schuldner zeigt sich allerorten. So hat die französische Regierung eiskalt der EU-Kommission mitgeteilt, es ginge sie überhaupt nichts an, wo Frankreich spare; dabei gibt es auf dem Papier zahllose sehr konkrete EU-Positionen in Hinblick auf Pensionen, Sozialstrukturen oder Staatsausgaben, die ja auch für Frankreich gelten. So haben jene Länder, für die es europäische Schuldenprogramme gibt, in den letzten Wochen von der EU-Kommission neuerlich gleich zwei Jahre Zeit bekommen, um die Sanierungsziele zu erreichen. Dabei waren diese Ziele eigentlich unter dem Motto „Jetzt gilt das Alles im Gegensatz zu früher aber wirklich“ fix vereinbart worden. Und im Grund weiß jeder, was in zwei Jahren dann wiederum passieren wird.

Niemand glaubt mehr, dass EZB und EU plötzlich den Mut und die Konsequenz hätten, einem Staat, der seine Zusagen nicht einhält, letztlich den Geldhahn abzudrehen. Daran ändert auch der kleine Hoffnungsstrahl nicht wirklich etwas, den das plötzliche Vorgehen Griechenlands gegen das verschwenderische Staatsfernsehen ausgelöst hat. Um ein altes Sprichwort zu zitieren: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Vor allem dann nicht, wenn man schon die Drohungen der deutschen und österreichischen Sozialisten gegen Griechenland wegen dieser Maßnahme hört.

Die Hilfsprogramme machen süchtig

Jens Weidmann, der Chef der Deutschen Bundesbank, hat es ausgesprochen: Die ständigen Hilfen machen „süchtig“. Eine Umkehr wird, je später sie erfolgt, umso schwieriger und teurer.

Jetzt kommen zwar einige Beschwichtigungssignale aus der EZB: Es würden ohnedies nur Staatsanleihen mit einer Laufzeit von maximal drei Jahren gekauft. Danke, sehr lieb. Das sind jedoch alleine bei Spanien, Italien, Irland und Portugal schon 524 Milliarden Euro. Und überdies: Wie sollen sich die Zahlerländer wehren, wenn die EZB dann doch auch längerlaufende Anleihen kauft? Wenn immer mehr Länder in die Hilfsprogramme flüchten?

Freilich: Endlich Nein zu sagen, nachdem das deutsche Höchstgericht mehr als drei Jahre ständig nur „Ja, aber“ gesagt hat, ist auch alles andere als einfach:

  • Was ist, wenn die nicht dem deutschen Verfassungsgerichtshof unterstehende Zentralbank die Erkenntnisse aus Karlsruhe ignoriert?
  • Was ist, wenn eines Tages auch der Kollaps des derzeit noch hemmungslos Schulden machenden sozialistischen Frankreichs zum Thema wird?
  • Kann Deutschland Frankreich fallen lassen?
  • Ist das nicht politisch und historisch ebenso unmöglich wie umgekehrt eine Rettung Frankreichs ökonomisch Deutschland endgültig ruinieren würde?
  • Was ist, wenn der ja von ganz anderen Interessen und Ideologien geprägte Europäische Gerichtshof das Gegenteil sagt (siehe etwa auch die SPÖ-Politikerin als österreichische „Richterin")?
  • Was soll dann die Deutsche Bundesbank tun, die sowohl dem deutschen Verfassungsrecht untersteht wie zugleich durch verbindliche Verträge an die EZB gebunden ist?

Angst vor Marktturbulenzen

Ein – drei Jahre verspätetes – Nein aus Karlsruhe würde natürlich jetzt auch zu gewaltigen Turbulenzen auf den Waren- wie Geld- wie Währungs-Märkten führen. Das weiß man auf beiden Seiten des Konflikts. Nur sagt die eine Seite: Weitere Jahre später würden die Auswirkungen eines Crashs noch viel verheerender sein. Die andere Seite glaubt hingegen an das Wunder, dass in Südeuropa plötzlich Augenmaß, Sparsamkeit und Disziplin ausbrechen.

Zugleich haben die meisten Bürger Europas die Lage noch immer nicht begriffen, sonst würden nicht in den deutschen und österreichischen Wahlkämpfen ständig teure Versprechungen gemacht: Die Fehler der Vergangenheit lassen sich nicht mehr schmerzfrei oder gar billig auslöffeln. Der Boom früherer Jahrzehnte fordert nun seinen Preis.

  • Das ist schon in einem normalen Konjunkturverlauf so der Fall: Auf jede Hochkonjunktur folgt automatisch eine Krise.
  • Das ist aber diesmal noch viel schlimmer, weil die Konjunkturjahre mit einer gewaltigen Verschuldung erkauft worden waren.
  • Und das heftige Gelddrucken nach Ausbruch der Krise hat alles noch viel schlimmer gemacht, weil es weltweit zu heftigen Blasen geführt hat: Man schaue sich nur die Preisexplosion für Wohnungen und Immobilien in besseren Lagen an. Man schaue nur auf die Entwicklung des Goldpreises (trotz seines kurzfristig leichten Absackens).

Die Richter wollen nicht für die Fehler der Politik schuldig gesprochen werden

Da möchte niemand in der Haut der deutschen Verfassungsrichter stecken. Denn was auch immer sie urteilen: Es wird gewaltige Konsequenzen haben. Die Frage ist nur, ob kurzfristig oder langfristig. Gleichzeitig sind die Politiker wie die Medien ja in einem sehr gut: sofort mit spitzen Fingern auf einen anderen als vermeintlich Schuldigen zu zeigen.

Daher werden sich die Richter mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit erneut feige vor einer wirklichen Festlegung ducken. Denn ihre Lust ist gering, eine Entscheidung zu treffen, die man ihnen in die Schuhe schieben kann. Denn letztlich geht es dabei auch um so etwas Dramatisches wie einen Austritt aus der Währungsunion. Genau den hat freilich einer der bestqualifizierten deutschen Verfassungs- und Europarechtler, nämlich der ehemalige Karlsruhe-Richter Udo di Fabio, als letzte Konsequenz verlangt.

All diese Probleme werden noch durch eine schwere Artillerieschlacht zwischen EU und dem Internationalen Währungsfonds übertönt. Dieser hat erstmals lautstark den Kurs der EU als viel zu optimistisch attackiert. Womit auch der Zusammenhalt und die Glaubwürdigkeit in der in den letzten Jahren überall gemeinsam herumreisenden Troika am Ende sein dürften. Nur ist auch die IWF-Kritik eine sehr problematische: Letztlich fordert der Währungsfonds noch mehr Geld für Griechenland, etwa in Form eines neuerlichen Schuldenschnitts.

Wie Napoleon oder Stalin zum Scheitern verurteilt

Das zeigt nur: Am Ende wird Europa, wird jeder seiner Bürger unweigerlich für die zaghafte und inkonsequente Politik der EU einen hohen Preis zahlen müssen. Dieser liegt inzwischen viel höher, als es die einst schon als zu teuer abgelehnten Folgen einer korrekten und gesetzestreuen Politik gewesen wären. Diese Politik hätte erstens nur darin bestehen können, dass man ohne faulen opportunistischen Kompromiss von Anfang an keine Länder in den Euro aufnimmt, welche die Maastricht-Kriterien nicht komplett erfüllen. Und dass man zweitens beginnend bei Griechenland jedes in Schwierigkeiten gekommene Land auf seine Eigenverantwortung verwiesen hätte, statt es mit Hunderten Milliarden zu unterstützen.

Nichts davon hat man aber getan. Statt dessen versucht man halt, den Schaden durch eine politische Union über die Hintertür zu minimieren. Das kann freilich nie funktionieren. Das hat zum Glück weder ein Napoleon noch ein Hitler noch ein Stalin geschafft. Und das werden angesichts der demographischen Katastrophe, des Widerwillens der Bürger, der fehlenden Verfassungsgrundlagen, der großen kulturellen und sprachlichen Differenzen, der Verantwortungslosigkeit der letzten Jahre und der Ungleichheit der Schuldenlast auch die zaghaften Politiker von heute nicht erfolgreich schaffen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Ich glaub, ich bin im Kino: Wie unser Geld verbrannt wird drucken

Hunderttausende, wenn nicht Millionen neuer Arbeitsplätze würde eine europäisch-amerikanische Freihandelszone bringen. Sie wird es aber nicht, denn EU-Europa hat beschlossen, nur beschränkt darüber zu verhandeln. Worauf auch die Amerikaner natürlich nur beschränkt verhandeln werden, worauf wiederum die Europäer . . . usw. Am Schluss wird wie so oft bei internationalen Verhandlungen wohl das ganze Projekt scheitern. Dabei wäre dieses angesichts der explodierenden Arbeitslosigkeit dringend notwendig .

Das ließe sich vielleicht diskutieren, wenn es um wirklich wichtige Dinge ginge – etwa um ein Verbot der amerikanischen Internet-Spionage. Aber nein, es geht einzig und allein um die Subventionen für die französische Filmindustrie. Die dürfen wie bei einer geschützten Werkstatt für Behinderte nicht geschmälert werden.So der Konsens der EU-Staaten.

Da geht einem wirklich die Galle hoch – den frustrierten Arbeitslosen zweifellos noch viel mehr (sofern sie die Zusammenhänge durchschauen). Die Subventionen kosten also nicht nur viel Steuergeld, sie schaden darüber hinaus auch indirekt.

Französische Filme zeichnen sich ja durch zweierlei aus: erstens durch die Verbreitung gepflegter Langeweile, und zweitens durch den fast automatischen Beifall der Filmjournalisten. Wie wäre es, wenn sich die Filmbranche einmal an dem orientieren müsste, woran sich jeder andere Anbieter einer Ware oder Dienstleistung zu orientieren hat: nämlich an den Kunden? Oder im konkreten Fall an den Kinobesuchern?

Die meiden nämlich französische Filme im hohen Ausmaß. Diese Filme sind zwar – angeblich – künstlerisch und literarisch wertvoll, meist politisch sehr korrekt, aber fast nie sonderlich lustig, berührend, spannend, aufregend oder sonst etwas, was die Menschen in die Kinos treiben könnte. Damit sind wir wieder einmal in der Kategorie staatlicher Bevormundung und durch Steuergelder finanzierter Zwangsumerziehung.

Einzige Begründung: Man dürfe sich doch nicht am Markt orientieren. Beim Wort „Markt“ hören die üblichen Kulturjournalisten vor Empörung ja gleich zum Atmen auf. Daher merken sie gar nicht, dass Markt ja nur ein anderes Wort für die Wünsche der Konsumenten ist. Oder vielleicht merken sie es sehr wohl und bekämpfen die Konsumenten gerade deshalb, weil es letztlich viele Kulturjournalisten arbeitslos machen würde, wenn die Kinogeher und nicht die Rezensenten das letzte Wort bekämen.

Ein weiterer Hintergrund der Subventionsgroteske: Schauspieler und Filmemacher sitzen gerne und oft auf dem Schoß der Politiker, buchstäblich wie metaphorisch. Sie tun das keineswegs nur in Frankreich, aber dort ist dieses Kuschel-Sitzen eben tatsächlich Teil der nationalen Identität. Die Politiker glauben, dass sie eher wiedergewählt werden, wenn sie sich mit irgendeinem (von ihnen mit unserem Geld gefütterten) Schauspieler abbilden lassen, oder wenn dieser für sie einen Aufruf unterschreibt.

Auch der österreichische Wahlkampf wird wohl wieder eine Fülle solcher Peinlichkeiten  bringen. Dabei dürfte wie immer die SPÖ führend sein: Sitzt sie doch an den Schleusen, mit dem die Futtertröge der Schauspieler gefüllt werden.

Auf gleicher Linie liegt, dass der rotgrüne ORF fast täglich seinen Ruf nach mehr Steuergeld damit begründet, dass er für österreichische Filmproduzenten so viel Geld ausgebe. Die Filmproduzenten werden aber auch noch weit über den ORF hinaus ganz direkt mit unserem Geld gefüttert. Vor allem die Unterrichtsministerin ist da eine freigiebige und fast unerschöpfliche Quelle. Was die Kulturjournalisten jubeln lässt (wie immer beim Griff in die Subventionskassa).

Kaum jemand spricht den Zusammenhang an, dass dieselbe Ministerin gleichzeitig zuwenig Geld hat, um die Schulen mit genügend Lehrern und Sekretärinnen auszustatten. Fast in jedem Gymnasium sind deshalb Klassen zu finden, in denen weit mehr Schüler sitzen, als eigentlich gesetzlich erlaubt ist. Um nur einen Missstand von vielen zu nennen, der mit den Filmsubventionen behoben werden könnte. Diese aber sind von der EU jetzt eben zum obersten Heiligtum Europas ernannt worden. Wir habens ja.

 

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Eigentumsschutz und Waffenbesitz drucken

Vor geraumer Zeit lauschte ich mit Interesse den Ausführungen eines sehr hohen Herrn von der Wiener Polizei zum Thema Polizei im Allgemeinen und Einbruchsprävention im Besonderen. Der Zufall wollte es, dass gerade bei diesem Herrn zeitgleich die Wohnung ausgeraubt wurde. Was lernen wir bei allem Bedauern daraus?

Vor den Einbrechern sind alle Menschen gleich!

Dazu fällt mir eine Gedankennotiz ein, die ich kürzlich anlegte:

Reisefreiheit
Was nützt sie mir, wenn ich mich nicht mehr aus dem Haus traue? Sie nützt jenen, die rasch herein und noch schneller hinaus wollen; aber natürlich auch jenen, die rasch herein und nie wieder hinaus wollen.

Nach sechs erlittenen Einbrüchen weiß ich, wovon ich spreche.

Die EU als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist eine Farce.
Nach Angaben von Insidern finden in Wien täglich 200 Einbrüche statt. Jeder Haushalt darf daher getrost erwarten, einmal in 15 Jahren an der Reihe zu sein. Nicht von ungefähr haben sich Bürgerinitiativen gebildet, die mit der Polizei zusammenarbeiten, denn unsere Polizei ist genau so hilflos wie wir alle.

In Wien sind verschiedene Sondertruppen und Sonderbeauftragte installiert, die sich als „Watchers“ um diverse nachrangige Aufgaben kümmern. Der Aufwand hiefür wäre wesentlich sinnvoller und bürgernäher als Investition in die Polizei zu verwenden.

Macht endlich wieder die Grenzen dicht, dann schlagt Ihr zwei Fliegen auf einen Schlag. Ignoriert die Parteien und die Politiker, die uns belogen haben, als sie uns die Notwendigkeit dieser EU vorgaukelten. Und wählt die Politiker ab, denen ihr Platz an den Fleischtöpfen der EU wichtiger ist als die Sicherheit und die Zukunft unserer Bürger.

In dieser Situation der tief empfundenen Wehrlosigkeit müssen wir auch noch vorsichtig in der Ausdrucksweise sein, denn Big Brother passt genau auf, ob wir nur das sagen, was wir auch sagen dürfen. Die mehrschichtige Verzweiflung könnte einen dazu verleiten, Dinge auszusprechen oder Kritik zu äußern, die als Verhetzung ausgelegt werden könnte.

Wir sind ihnen nur als Wähler wichtig und wir sind blöd genug, sie immer wieder zu wählen!

Alarmanlagenerzeuger, Schlosser, Glaser: Sie alle freuen sich über satte Umsatzzahlen. Von wirtschaftsfördernden Maßnahmen habe ich allerdings eine andere Vorstellung, Doch statt uns vor solchen Schäden, ganz abgesehen von den gestohlenen Werten, zu schützen, werden Psychologen, Psychiater und Krisenmanager beschäftigt, um unsere Nerven wieder einigermaßen ins Lot zu bringen. Selbst bei einigem guten Willen kann man solche Maßnahmen nur als blanken Hohn betrachten. Man bekämpft die Folgen, nicht aber die Ursachen. Wenn man mit vornehmlich allein stehenden oder älteren Menschen spricht, erfährt man, dass sie Angst haben. Kein Wunder, erfahren sie doch von den Medien, vorsichtig dosiert aber doch, von gewalttätigen Übergriffen. Sie fürchten sich nicht nur vor Einbrüchen, sondern vor Raub, Verletzung und Totschlag.

In diesem Raum der Unfreiheit, der Unsicherheit und des Unrechts denkt sich wohl jeder, wie er sich und seine Familie schützen kann. Eine Waffe zu besitzen kann beruhigen. Ich denke dabei an eine Schusswaffe, nicht an Küchenmesser, wie sie in letzter Zeit immer mehr in „Mode“ kommen.

Wer sich legal eine Schusswaffe zulegen möchte, braucht einen Waffenpass oder für den Schutz in den eigenen vier Wänden eine Waffenbesitzkarte, ferner einen Waffenführerschein mit behördlich vorgeschriebenen periodischen Überprüfungsmaßnahmen und muss mit dem Hausbesuch von Polizisten rechnen, die die ordnungsgemäße Verwahrung der Waffe überprüfen. Die Waffe hat dabei derart verwahrt zu sein, dass man sie im Bedarfsfall unter Garantie nicht griffbereit hat. Zu diesem Hausbesuch sind die Polizisten werktags von 7 bis 20 Uhr berechtigt. Bei uns läuteten sie dessen ungeachtet am Sonntag um 8 Uhr früh, weil sie gerade „in der Gegend zu tun“ hatten. Ist es Frust über eine derartige wenig erfüllende Tätigkeit, dass Polizisten ihre Vorschriften ignorieren?

Wenn nicht gerade so etwas passiert oder Temposünder mit 61 km/h an völlig harmlosen Stellen gejagt werden, mag man ja die Polizei. Fast möchte man sagen, sie tut ja ihre Pflicht. Es ist wohl ein Dienstaufsichtsproblem oder politisches Versagen, Nicht nur diese Vorschrift, sondern auch die Auflage „Die Überprüfung ist ohne jegliche nicht unumgänglich nötige Belästigung oder Störung des Betroffenen vorzunehmen“ wurde unbekümmert umgangen, lösten jedoch bei einer Familie, die gerade einen Einbruch hinter sich hatte, einen Paniksonntag aus.

Dazu zwei Links:
http://www.iwoe.at/inc/nav.php?id=267;
http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006074

Die Polizei, die ja eine Präventionspolizei sein sollte, ist durch die ihr aufgebürdete Verwaltungsarbeit (siehe Waffenkontrolle) zur Einsatzpolizei geworden. Sie kommt, wenn sie zum Einsatz gerufen wird. Dann ist es aber meistens zu spät.

Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, dass illegaler Waffenbesitz unter diesen Umständen viel bequemer ist. Das wissen auch die geschätztermaßen (es gibt keine verlässliche Statistik) mehr als 50 Prozent der Waffenbesitzer, die keinen Waffenschein ihr Eigen nennen.

Anzustreben wären Erleichterungen für legale Waffenbesitzer, die ohnehin kein Gefahrenpotential krimineller Art darstellen. Dies wird jedoch u.a. von gewissen Grünkommunisten und gleich gesinnten Genossen heftig bekämpft.

Während solcherweise der Selbstschutz erschwert wird, wird Verbrechen leicht gemacht. Wie überhaupt die Anwendung von Schusswaffen ja auch bei der Polizei problematisch ist. Der Gedanke, einen Verbrecher zu verletzen, erzeugt sofort Horrormeldungen und Angriffe auf die Exekutive in den Medien. Waffengebrauch mit Folgen kann für den Polizisten sehr unangenehm werden.

Dass allein in Österreich Zehntausende unschuldige Kinder im Mutterleib getötet werden, ist den Medien natürlich keine Meldung wert. Solchermaßen tätige Kindesmörder werden offiziell „geehrt“, Lebensschützer jedoch gerichtlich verurteilt. Auch dazu das Paradoxon: „EU als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“!

Dkfm Erich Pekarek ist Wirtschaftstreibender, Wiener Landesobmann der kritisch-politischen Partei Christen-Allianz und Vorstandsmitglied des Wiener Akademikerbundes.

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Griechenland: ein doppelter Grund zum Jubel und zur Angst für den ORF drucken

Es ist die beste Nachricht seit langem. Und es ist vielleicht der lange erwartete Wendepunkt einer sich langsam aufbauenden Entwicklung, die erst nach längerer Zeit dramatisch kulminiert: Griechenland hat seinen gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugesperrt. Die Bildschirme des staatlichen Senders bleiben seit einigen Stunden schwarz und die Radios tonlos. Das ist eine unglaublich positive Entwicklung. Sowohl in Hinblick auf die Ernsthaftigkeit der griechischen Sparversuche wie auch in Hinblick auf die sonstigen europäischen Staatssender mit ihren hemmungslosen Manipulationen auf Kosten der Zwangsgebühren. Siehe etwa ORF. 

Ein logischer Vergleich: Man stelle sich vor, welch freudige Welle durch Österreich ginge, wenn es keine monopolistisch einkassierten Zwangsgebühren und Steuergelder für den ORF mehr gäbe. Der Gewerkschafts-Journalismus würde zwar natürlich laut aufheulen, vielleicht würden so wie in Griechenland auch die anderen Medien in grenzenloser und die eigenen Interessen verratender Dummheit in Solidaritätsstreiks treten. Die Bürger aber würden wieder Freiheit erleben. Sie würden Befreiung aus den Klauen einer überbezahlten Mandarinenklasse spüren, die von zwangsweise eingetriebenen Beiträgen der Bürger lebt.

Ein Aus für den ORF wäre wohl auch eine gerechte Konsequenz nach den Jahren einer ideologisch völlig einseitigen Gehirnwäsche, welche die ORF-Programme den Bürgern antun. Diese Einseitigkeit hat der ORF in den letzten Stunden natürlich - natürlich? - auch in seiner Berichterstattung über die griechischen Entwicklungen praktiziert, wo er offenbar die griechischen Kollegen retten will. (Im PS findet sich ein weiteres noch skandalöseres Beispiel für diesen Monopolmissbrauch). Das Gebührenende wäre aber auch die logische Konsequenz aus der Tatsache, dass der ORF immer weniger gesehen und gehört wird.

Noch wichtiger ist die griechischen Fernsehsperre aber vor allem für die Glaubwürdigkeit des Landes. Diese wächst nun erstmals wieder. Diese lässt auch Griechenlands Gläubiger in Deutschland, Österreich und Umgebung erstmals wieder ein wenig hoffen. Diese Freude geht freilich von der Voraussetzung aus, dass die Athener Regierung nicht angesichts lautstarker Demonstrationen wieder wie schon mehrfach bei Sparmaßnahmen einknickt. Aber den Griechen sitzen nun doch mit wachsendem Erfolg die Zwangsverwalter der Gläubiger im Nacken. Und Gläubiger sind ja nicht zuletzt auch die Österreicher.

In der Tat läßt die in gewohnter Art erfolgte rasche Absetzbewegung einiger Minister von dem Sparbeschluss ein Einknicken befürchten. Auch klingt das Angebot der Regierung an die Staatsjournalisten stark intepretierbar: Man werde ohnedies später wieder einen Staatssender gründen, aber viel schlanker, mit viel weniger Personal, mit viel geringeren Gehältern. Und dort können sich dann die jetzt – mit durchaus relevanten Abfertigungen – gefeuerten Mitarbeiter wieder bewerben.

Dennoch: Zum ersten Mal muss man mit der Möglichkeit rechnen, dass der Sparkurs auch wirklich zum Erfolg führen könnte. Und das wäre eine tolle Leistung.

Griechenland hat sich bekanntlich selbst für den Verbleib im Euro und den damit verbundenen Sparzwang entschieden. Andernfalls hätte es aus dem Euro austreten müssen. Ein solcher Austritt wäre für das Land und seine Bürger jedoch viel weniger schmerzhaft und ökonomisch sinnvoller gewesen. Freilich wäre er für die stolzen Griechen demütigend gewesen. Er hätte bedeutet: Ausstieg aus dem Euro, Rückkehr zu einer eigenen Währung und regelmäßige Abwertung, sobald die Gewerkschaften die Wettbewerbsfähigkeit des Landes wieder durch ihre überzogenen Lohnforderungen demolieren.

PS.: Absolut skandalös und ein dramatischer Beweis für die Notwendigkeit, das griechische Fernseh-Zusperr-Beispiel auch nach Österreich zu transferieren, war die Berichterstattung des ORF über den Schlussbericht der Wilhelminenberg-Kommission. Dabei geht es weniger darum, dass der ORF über Missbräuche in kirchlichen Anstalten zahllose Male als Spitzenmeldung der Zeit im Bild berichtet hat, über den Wilhelminenberg hingegen nur unter Ferner liefen. Noch viel skandalöser, und nur noch mit der einstigen sowjetischen "Prawda" zu vergleichen, war die Art und Weise, wie die ZiB darüber berichtet hat. Immerhin ist sie ja noch immer jene politische Sendung, die das größte Publikum findet. In dem Beitrag wurde jedenfalls kein einziges Mal die verantwortliche Institution genannt! Man erfuhr lediglich die geographische Lage des Heimes, in dem über viele Jahre eine Unzahl von Kindern organisiert sexuellem Missbrauch zugeführt worden ist. Man erfuhr nicht einmal, wer nachher sämtliche Akten vernichten hat lassen. Nämlich wieder das rote Rathaus. Schon gar nicht gab es einen Hinweis über die Verwicklung von Politikern in die Verbrechen. Die Vorgänge auf dem Wilhelminenberg waren unbestreitbar viel schlimmer als die (ebenfalls bösen) Fälle, die aus kirchlichen Internaten bekanntgeworden sind. Aber weder der Moderator noch der Beitragstext erwähnten, dass das ein Heim der Gemeinde Wien (oder Stadt Wien oder Magistrat Wien) gewesen ist. Und im Gegensatz zu seriösen journalistischen Regeln wurde weder der Bürgermeister noch sonst ein Rathauspolitiker noch sonst jemand kritisch zu den organisierten Verbrechen vor der Kamera verhört. Aber was will man von einem Fernsehen, in dem ein ehemaliger AZ-Redakteur den Chefredakteur gibt, und ein ehemaliger Sozialistischer Studentenfunktionär den Generaldirektor?

 

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Das Fliegen, die EU und die Gewerkschaften drucken

Endlich macht die EU wieder einmal etwas Richtiges, das (fast) allen Europäern nutzt. Und was passiert? Die Gewerkschaften rufen zum Kampf dagegen.

Die positiven Meldungen aus Europa sind selten geworden. Da muss man es erfreut und mehr als dick unterstreichen, dass die EU-Kommission nun die Flugsicherung europaweit zusammenlegen will. Die kleinen nationalen Lufträume sind längst anachronistisch und machen das Fliegen teurer und komplizierter. Auch wenn es die Passagiere nicht direkt merken.

Natürlich führt die Zusammenlegung auch zu Personaleinsparungen. Genau diese bringen ja einen Gutteil der Kostensenkungen für die Konsumenten und für die zum Teil schwer trudelnden Fluglinien. Das genügt, um die Gewerkschaften von Frankreich bis Österreich mit wilden Protesten auf den Plan zu rufen. Deren Kampf erinnert ein wenig an den einstigen Gewerkschaftskrieg, mit dem bei der Umstellung auf E-Loks die Weiterbeschäftigung der (davor kohleschaufelnden) Heizer durchgesetzt werden sollte.

Alleine in Frankreich sind durch Proteststreiks schon Tausende Flüge ausgefallen. Man kann nur hoffen, dass das niemanden beeindruckt. Man sollte es sich nur gut merken, wenn sich die Gewerkschaft (und ihre geschützte Werkstatt, die Arbeiterkammer) wieder einmal als Konsumentenschützer aufzuspielen versucht.

Manche werden nun fragen: Hält das Tagebuch jetzt plötzlich Zentralisierungen für gut? Nun: Die sind tatsächlich immer gut, wenn sie Verbilligungen bringen. Und im Fall der Flugsicherung wird ja nicht ein funktionierender Wettbewerbsmarkt durch eine zentralistische Regelung ersetzt, sondern nationale Monopole werden zu einem europäischen Monopol zusammengefügt.

Vielleicht kann auf europäischer Ebene eines Tages sogar eine Art Wettbewerb unter mehreren gesamteuropäischen Flugsicherungen hergestellt werden. Ob das technisch funktionieren kann, wage ich nicht zu sagen. Aber es würde jedenfalls eine weitere Ersparnis für die fliegenden Konsumenten bedeuten, die ja heute schon bisweilen fast mehr an Gebühren zahlen müssen als für ihr eigentliches Ticket. Und zu den Gebühren zählen eben die Kosten der Flugsicherung.

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Fußnote 448: Die Friedenstruppe ist nur für den Frieden da drucken

Österreich zieht also jetzt doch vom Golan ab. Mit anderen Worten: Wenn es wirklich darum geht, zum Frieden beizutragen, dann sind unsere Friedenssoldaten zu schade dafür.

Speziell in Wahlkampfzeiten. Freilich hat man auch schon vorher gewusst: Im Grund wollen wir das Bundesheer ja eh nur zum Sandsackfüllen. Wenn hingegen Risiko damit verbunden ist, einen regional stabilisierenden Korridor zwischen Israel und dem syrischen Bürgerkriegschaos zu sichern, dann ziehen wir rasch ab. Die vielberühmten Blauhelme – die früher an anderen Einsatzorten auch trotz Todesopfern geblieben waren! – sind heute nur noch für die Sonntagsreden der Politik und bunte Werbebroschüren des Heeres gut. Das entspricht zwar sicher der Mentalität einer Bevölkerungsmehrheit. Dann sollte man aber sämtliche Auslandsaktivitäten gleich ganz bleiben lassen. Insbesondere dann, wenn wie fast immer weder UNO noch EU eine klare, einheitliche und umsetzbare Strategie haben. Für Österreich selbst bleibt nur die Hoffnung, dass andere Nationen eines Tages nicht so beiseitestehen werden, wenn wieder einmal in Österreichs Umgebung Unruhen und Unsicherheit eskalieren.

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Auf der Flucht vor der Bankenunion drucken

Gewiss machen Goldpreis wie Aktienkurse bisweilen scharfe Zacken nach unten. Dennoch ist beides deutlich gestiegen. Der Grund ist klar: Die Anleger flüchten im Eiltempo zu Gold und Aktien. Sie flüchten vor den Raubzügen der nationalen und der europäischen Politik auf ihre Ersparnisse. Und sie vermuten zu Recht für die Zukunft noch viel Böseres, insbesondere durch eine „Bankenunion“.

Das hemmungslose Gelddrucken durch die Europäische Zentralbank ist ein Mechanismus von vielen, der primär die Sparer trifft. Noch viel schlimmer sind die direkten Raubzüge der Politik zur Finanzierung ihrer Ausgabenwut auf die Banken. Denn auch damit trifft sie immer automatisch auch die Sparer: Bankenabgabe, Finanztransaktionssteuer, Kursgewinnsteuer, Ende des Bankgeheimnisses. Eine ähnliche Wirkung haben natürlich auch die vorgeschriebenen – an sich durchaus sinnvollen – Erhöhungen des Eigenkapitals, das ja keine Ertragszinsen abwirft.

Völlig verdrängt wird – wenn nicht gerade der Erste-Bank-Chef einen öffentlichen Wutanfall wagt – ein weiterer Raubzug: die absurde ungleiche Behandlung von Krediten: Die Staaten haben sich in den Basler Abkommen eine durch nichts mehr gerechtfertigte Privilegierung (Verbilligung zu Lasten der Sparer) von Staatsanleihen gesichert. Diese haben sich ja in Wahrheit, siehe etwa Griechenland, als durchaus riskant erwiesen.

Das alles kostet Sparer, Lebensversicherte und Pensionsvorsorger schon Milliarden. Alljährlich. Das ist aber noch nichts gegen das, was unter dem Stichwort „Bankenunion“ droht. Diese wird derzeit in aller Diskretion – unter österreichischer Koordination! – durch die sogenannte Eurogruppe vorbereitet. Unter diesem Titel droht ein neuer Zugriff auf die Allgemeinheit zugunsten der schuldigen Banken und Länder. An der Brüsseler Oberfläche tobt der bürokratische Atomkrieg, ob nun die Kommission, die EZB oder eine neue Euro-Bürokratie - Deutschland hat ja wahnsinnigerweise jetzt dem französischen Verlangen nach einer hauptamtlichen Euro-Führung zugestimmt! - diese ganze Bankenunion leiten wird.

Wie auch immer die noch nicht im Detail vorliegende Regelung aussehen wird (die auf jeden Fall Geld kosten wird): Sie wird mit Sicherheit eine „Absicherung“, also in Wahrheit Belohnung für riskant agierende und sorglose Banken bringen.

Das haben wir ja im Fall der Hypo Alpe-Adria schon einmal – innerösterreichisch – erlebt. Denn bei dieser wurden die eigentlich Verantwortlichen durch das Duo Faymann-Pröll aus der Haftung befreit. Ursprünglich hatte ja das Land Kärnten für die Bank mit fast 20 Milliarden gehaftet! Das Geld wurde unter Jörg Haider zur Finanzierung von Kärntner Prestigeprojekten sowie für den großmannsüchtigen Plan ausgegeben, den Balkan bankmäßig zu erobern. Zugleich hat die Bundesregierung leichtfertig die Bayern als Käufer der Bank aus der Haftung entlassen (was freilich Gerichte noch prüfen). Als Folge kann Kärntens neue Regierung weiterhin populistische Wohltaten verteilen, etwa durch die Abschaffung des Pflegeregresses.

Als weitere Folge haften jetzt alle Österreicher für den viele Milliarden schweren Brocken aus Kärnten. Und die Bundesregierung weiß nicht, wie der finanziert wird. Eigentlich weiß sie es schon, sagt es nur noch nicht deutlich: durch neue Steuern und Raubzüge auf die Sparer auch seriöser Banken. Sie will uns erst nach den Wahlen sagen, dass diese Erbschaft Jörg Haiders und einer Fehlentscheidung der Regierung Faymann-Pröll uns eine weitere dramatische Zunahme der Staatsverschuldung einbringen wird. Und irgendwann wird dann halt auch wieder der private Goldbesitz verboten werden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Arbeitslosigkeit und Akademisierung drucken

Die OECD kritisiert Länder wie Deutschland, Österreich und die Schweiz wegen zu niedriger Abiturienten- und Hochschulabsolventenquoten. Die Humankapitaltheorie stellte in den 1960-er Jahren einen kausalen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Lebens- und Volkseinkommen her.

Daher forderte die OECD eine massive Erhöhung der Abiturientenquote nach dem Vorbild der USA, wo schon 1959 zwei Drittel eines Jahrgangs die Hochschulreifen erwarben, in Deutschland nur fünf Prozent.

Beispiel Frankreich

1985 wurde als Ziel eine massive Erhöhung der Abiturientenquote auf 80 Prozent eines Jahrgangs definiert unter dem Schlagwort „Demokratisierung der Bildungschancen“.

Ergebnis: im März 2013 lag die Arbeitslosenquote der 15-24 Jahre alten Jugendlichen mit 27 Prozent mehr als dreimal so hoch wie in Deutschland (8,6 Prozent). Das Volkseinkommen pro Kopf lag 2010 um fast 10 Prozent niedriger als in Deutschland.

Beispiel Italien

1969 wurde allen Absolventen aller Schultypen der Sekundarstufe II die allgemeine Hochschulreife zuerkannt – bis 1999 mit der Bezeichnung Maturita. Durch die Senkung der Anforderungen ergab sich ein rasanter Anstieg der Abiturientenquote, die 2007 mit 77,5 Prozent ihren Höhepunkt erreichte (2010 72,6 Prozent).

Ergebnis: Im März 2013 waren 38 Prozent der 15-24 Jahre alten Jugendlichen arbeitslos. Das Volkseinkommen pro Kopf war um 18 Prozent niedriger als in Deutschland.

Beispiele Österreich und Schweiz

Die Abiturientenquote lag 2011 in Österreich bei 40 Prozent, in der Schweiz bei 33 Prozent.

Die Quote der erwerbslosen Jugendlichen lag im März 2013 in beiden Ländern  knapp unter dem deutschen Wert (8,6 Prozent). Das Pro-Kopf-Einkommen lag in Österreich um 3,5 Prozent, in der Schweiz um 22 Prozent über dem Deutschlands.

Fazit

Die Integration Jugendlicher in den Arbeitsmarkt gelingt in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch das praktizierte duale System der Berufsausbildung bedeutend besser als in Ländern wie Italien, Frankreich und Spanien. Schweden und Großbritannien wollen das deutsche System der dualen Berufsausbildung übernehmen, in jüngster Zeit auch Spanien, weil es sich auch in der Praxis bewährt hat. In Spanien lag die Arbeitslosenquote bei den unter 25-jährigen im März 2013 bei skandalösen 58 Prozent, im März 2010 waren es noch 41 Prozent, was auch bereits viel zu hoch war.

Die Akademisierung in den vorhin genannten Ländern Frankreich, Spanien und Italien hat darüber hinaus auch dazu geführt, dass arbeitslose Akademiker keine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausüben und z.B. einen Job als Taxifahrer annehmen müssen, um nicht arbeitslos zu sein.

Zu diesen Schlüssen kamen auch schon mehrere deutsche Medien, siehe: Bericht in der FAZ vom 24.5.2013 S. 7 Nr. 118 „Wohin der Akademisierungswahn langfristig führt“ und Artikel im Spiegel Nr. 21/2013 S. 86 f. „Verlorene Generation“

Der von der OECD behauptete Zusammenhang von Bildungsabschluss und Beschäftigungssituation sowie Volkseinkommen pro Kopf besteht demnach nicht.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart.
Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

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Ist Südtirol das Waisenkind der europäischen Wertegemeinschaft? drucken

Durch die Napoleonischen Kriege Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Ideen der Französischen Revolution nach ganz Europa getragen. Hierfür waren besonders die intellektuellen Kreise des Bürgertums empfänglich. Die Auswirkungen waren in den Ländern höchst unterschiedlich, denn mit der militärischen Niederlage Napoleons wurde eine Phase der Restauration des Feudalismus und des Absolutismus eingeleitet.

Italien war zu dieser Zeit in viele Fürstentümer zersplittert. Um 1815 formierte sich eine Bewegung zur Einheit und Freiheit dieses Landes, die auch „Risorgimento“ genannt wird. Ein bekannter Vertreter war Giuseppe Mazzini. Nach mehreren Kriegen wurde die Einheit Italiens errungen: Am 17.03. 1861 wurde das „Königreich von Italien“ ausgerufen. Südtirol (einschließlich Welschtirol) und Venetien gehörten nicht dazu.

Mit der Gründung der Organisation „Italia Irredenta“ („Unerlöstes Italien“) durch Matteo Renato Imbriani-Poerio im Jahre 1877 wurde die Risorgimento-Bewegung durch den Irredentismus abgelöst. Dieser verlangte die Einverleibung von Welschtirol, Triest, Friaul und Istrien, nicht aber die des heutigen Südtirols. Höhepunkt dieser äußerst aggressiven Bewegung waren die Gebietsforderungen an die Schweiz in Bezug auf das Tessin und Graubünden in den 20-er und 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Ettore Tolomei, der von vielen als „Totengräber Südtirols“ bezeichnet wird, ging über die Ziele des Irredentismus hinaus und propagierte, dass auch Südtirol italienisch sei. Seit 1901 begann er fieberhaft, alle Namen von Orten, Bergen, Tälern und Flüssen in Südtirol ins Italienische zu übersetzen. Er bestieg 1904 den Klockerkarkopf und nannte ihn „Vetta d´Italiá“ („Spitze Italiens“), nur um der Welt vorzugaukeln, Südtirol sei schon immer italienisch gewesen. Die Tatsache, dass dort 1910 nur 7.339 Italiener (2,9 Prozent der Bevölkerung) lebten, wurde geflissentlich verschwiegen.

1915 fiel Italien seinen Bündnispartnern – dem Deutschen Kaiserreich und Österreich-Ungarn – militärisch in den Rücken. Als Lohn für den Vertragsbruch verlangte Italien von den Siegermächten das südliche Tirol als Kriegsbeute. Dabei kam den italienischen Militärs die Vorarbeit von Ettore Tolomei sehr gelegen. Der Leiter der italienischen Delegation, Vittorio Emmanuele Orlando, präsentierte den Siegermächten eine manipulierte Landkarte, wo sämtliche Orts- und Flurnamen Südtirols nur auf Italienisch angegeben wurden. Damit sollte die „Italianítá“ Südtirols bewiesen werden.

In Hinblick auf den Kriegsgegner Österreich-Ungarn, der zuweilen als „Vielvölkergefängnis“ bezeichnet wurde, prägte der damalige US-Präsident Woodrow Wilson den Begriff „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Wilson wollte eine „Berichtigung der Grenzen Italiens nach den genau erkennbaren Abgrenzungen der Volksangehörigkeit“ (14-Punkte-Programm). England und Frankreich waren in ihrem kolonialen Denken so befangen, dass sie nicht auf die Idee kamen, dass auch ihre Kolonien, geschweige denn Tirol, gemeint sein könnten. Hinzu kam der Wille dieser beiden Alliierten, ihren ehemaligen Kriegsgegnern maximal zu schaden. Ein gemäßigterer Umgang mit den Unterlegenen hätte vielleicht mit dazu beigetragen, einen zweiten Weltkrieg zu verhindern.

Südtirol wurde Opfer von Täuschung und kolonialem Denken. Als Wilson von diesem Täuschungsmanöver erfuhr, war der verhängnisvolle Vertrag bereits unterschrieben. Der Präsident war sehr betrübt, dass sich der Geburtsort seines Helden Andreas Hofer dadurch plötzlich in einem fremden Land befand. Hofer war die einzige Persönlichkeit, die sich offen und kompromisslos gegen die Fremdherrschaft durch Napoleon gestellt hatte. Von Wilson ist der sich selbst tröstende Ausspruch verbrieft: „Die deutschen Tiroler sind ein herzhaftes Volk, und ich hege keinen Zweifel daran, dass sie selbst imstande sein werden, das zu ändern.“

Durch den Vertrag von Saint-Germain fiel das südliche Tirol an Italien. Mit dem Erstarken des italienischen Faschismus im Jahre 1921 begann eine schwere Zeit für die Südtiroler. Erinnert sei an den „Bozner Blutsonntag“ und an den „Marsch auf Bozen“. Am 15.07.1923 im Stadttheater von Bozen präsentierte Ettore Tolomei sein 32-Punkte Programm und kündigte an, die deutsche Kultur und Sprache mit Stumpf und Stiel auszurotten. Es wurden etliche Dekrete zur Unterdrückung der Südtiroler erlassen, die Kultur- und Sozialkassen ausgeplündert und alle Schutzhütten konfisziert. Zudem wurden tausende Italiener in Südtirol angesiedelt.

Um die Identität der Südtiroler zu zerstören und die Daseinsberechtigung der Italiener zu unterstreichen, wurden Denkmäler aus der k. u. k. -Zeit zerstört und faschistische, geschichtsfälschende, Bauten errichtet. Die bekanntesten sind das Siegesdenkmal, das Haus des Faschismus und die Beinhäuser in Gossensaß, Mals und Innichen. Letztere sollen die Nachwelt glauben lassen, dass italienische Truppen im 1. Weltkrieg am Alpenkamm Südtirol vor den Aggressoren aus dem Norden heldenhaft verteidigt haben. In Wirklichkeit verlief die Front weit südlich der Grenze des jetzigen Südtirols.

1939 schlossen Mussolini und Hitler ein Abkommen zur Umsiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung nach Deutschland ab. Mit der „Option“ wollte Rom den Südtirolern endgültig den Garaus machen. Durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges kam dieses Vorhaben ins Stocken. Hitler opferte Südtirol zwecks eines Militärbündnisses mit Italien.

Die Situation nach 1945

Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Südtiroler ein zweites Mal bestraft, nur weil Italien die Seite gewechselt, und die Österreicher – bedingt durch Hitlers erzwungenen Anschluss an Deutschland – auf der „falschen“ Seite gekämpft hatten. Der Staat Österreich existierte seit 1938 nicht mehr. Somit fehlte der Interessensvertreter Südtirols bei den Nachkriegsverhandlungen. Resultierend aus der brutalen Unterdrückung der Südtiroler durch die Italiener wurde Südtirol Italien, dieses Mal unter der Bedingung der Gewährung einer Autonomie, zugeschlagen. Italien unterlief den Pariser Vertrag in der Art und Weise, dass es die Autonomie auch auf die Region Trentino ausweitete. In der neu geschaffenen Provinz Trentino-Südtirol befanden sich die Südtiroler plötzlich in der Minderheit. Die Regionalregierung beschloss Gesetze über ihre Köpfe hinweg, was zur Verbitterung und zum Unmut führte.

Während sich das nördliche Westeuropa in der Nachkriegszeit eines wirtschaftlichen Aufschwungs und der gewonnenen Freiheit erfreute, fiel Italien, insbesondere Südtirol, in alte Zustände zurück. Dank der Generalamnestie für alle Faschisten und ihre Kriegsverbrechen durch den Justizminister (und späteren KP-Vorsitzenden) Palmiro Togliatti im Jahre 1946 kam es zu einer Renaissance des italienischen Faschismus. 1957 brachte man in Bozen am Haus des Faschismus die letzten Mussolini-Reliefs an.

Rom dachte gar nicht daran, den Südtirolern die Rechte zu geben, zu denen es sich laut Pariser Vertrag verpflichtet hatte. Es setzte seine Politik der Assimilation fort. Angesichts dieser Ausweglosigkeit kam es 1957 auf Schloss Sigmundskron zu einer Demonstration von 35.000 Südtirolern. Sepp Kerschbaumer gründete 1959 den Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) und organisierte Bombenanschläge. Die Meinungen über die Aktivisten der BAS mögen auseinander gehen. Ihr Verdienst, die Weltöffentlichkeit auf die ungelösten Probleme in Südtirol aufmerksam gemacht zu haben, ist aber unbestritten. Einige Aktivisten kamen durch Folterung um, andere leben noch heute im Exil.

In der Südtiroler Volkspartei (SVP) haben Persönlichkeiten wie Alfons Benedikter, Hans Dietl und Dr. Egmont Jenny Silvius Magnago gedrängt, eine Autonomieregelung zu erwirken, die völkerrechtlich verbindlich ist. Je länger die Bombenattentate andauerten, umso mehr kam es zum Verschleiß bei der SVP und bei den Unterhändlern Österreichs und umso mehr konnte sich Italien als Opfer darstellen. Nur so ist der überhastete Abschluss des Südtirol-Paketes (Zweites Autonomiestatut, das ab 1972 in Kraft trat) zu verstehen. Aus Angst, die Südtiroler könnten sich ein Beispiel an der Wiedervereinigung Deutschlands nehmen, erfüllte Italien nach 20 Jahre langer Verzögerung im Jahre 1992 (fast) alle Punkte dieses Vertrages. Österreich gab darauf vor der UNO eine Streitbeilegungserklärung ab, was aber nicht die Aufgabe seiner Schutzmachtfunktion bedeutet.

Jetzige politische Lage

Die erkämpfte Autonomie brachte Südtirol Wohlstand und relativen Frieden zwischen den Volksgruppen. Die SVP gab sich der Illusion hin, ohne Eingriffe Roms in die Autonomie leben zu können. Spätestens 2006 platzte dieser Traum wie eine Seifenblase. Das nationalistisch-faschistische Gedankengut ist in weiten Teilen der italienischen Bevölkerung noch tief verankert. Daraus resultiert ein Unverständnis für ethnische Minderheiten. So sagte am 05.02. 2013 Michaela Biancofiore, Parteifreundin von Berlusconi, der italienische Faschismus hätte den Südtirolern viel Gutes – wie etwa sanitäre Anlagen – gebracht… Als Landeshauptmann Durnwalder ankündigte, nicht zur 150-Jahresfeier der Staatsbildung Italiens zu erscheinen, gab es einen Sturm der Empörung. Die Südtiroler haben Italiener zu sein, basta!

Staatspräsident Napolitano schrieb an Durnwalder einen Brief, dessen Inhalt streng geheim gehalten wird. Per Pressemitteilung ließ er am 11.02.2011 wissen, dass er die Existenz einer „österreichischen Minderheit“ bezweifelt und „dass auch die Bevölkerung deutscher Sprache italienisch ist und sich mit großer Mehrheit so fühlt“. (Ein Jahr zuvor gab es eine Befragung, wo 95 Prozent der deutschen Südtiroler angaben, sich nicht mit Italien zu identifizieren.) Ist Napolitano wirklich so ahnungslos oder ignoriert er eine unbequeme Wahrheit?

Im Frühjahr 2013 trafen sich Napolitano und der deutsche Bundespräsident Gauck drei Mal. Dabei wurde auf der Pressekonferenz betont, dass Deutschland und Italien in einer „Wertegemeinschaft“ leben. Leider wurde seitens der Korrespondenten dieser Begriff nicht intensiv hinterfragt. Denn dann würden sich zwei grundverschiedene Auffassungen herauskristallisieren: Napolitano ist für einen Nationalstaat, wo Minderheiten an den Rand gedrängt werden, und Gauck ist ein Mensch der Freiheit. Allerdings lässt sich Napolitano nicht in die Karten schauen. So unterschreibt er Gesetze, die die Autonomie untergraben und ruft öffentlich zur Respektierung der Autonomie auf…

Francesco Palermo, Politiker des linken Partito Democratico, kündigte im Februar 2013 an, „ethnischen Ballast“ aus der Autonomie Südtirols zu entfernen. Jedoch aufgepasst: Der Proporz ist eine der friedensstiftenden und wichtigsten Grundsäulen der Südtiroler Autonomie!

Die Italiener waren in der Vergangenheit oft genug unsichere Kantonisten, die Verträge nur solange einhielten, solange sie für sie vorteilhaft waren. Daher muss man sich schon die berechtigte Frage stellen: Was ist das Wort eines italienischen Politikers wert?

Bedenklich sind auch die Aussagen von Ministerpräsident Monti am 25.10.2012 gegenüber der österreichischen Tageszeitung „Kurier“. Dort stellte er die Schutzmachtfunktion Österreichs in Frage und bezeichnete die Auseinandersetzungen um die Autonomie als „inneritalienische Angelegenheit“. Damit sagte er ganz offen, was italienische Spitzenpolitiker schon immer gedacht haben. Erinnert sei an eine Bemerkung des „Spiegel“, Ausgabe 46 von 1966, „Deutsch san mir“: „Sie stehen heute da, wo sie vor zwanzig Jahren auch standen, angewiesen auf den guten Willen der Italiener, die jede Konzession nicht als Pflicht aus dem Pariser Abkommen von 1946 ansehen, sondern als freiwilliges innerstaatliches Geschenk.“ Diese Aussage ist auch deshalb so brisant, weil bereits Ettore Tolomei in seinem Programm zur Assimilierung der Deutsch-Südtiroler am 15.07. 1923 gefordert hatte, dass das Ausland sich nicht in das Südtirol-Problem einzumischen habe.

Zeit zu handeln!

Wenn es nach den italienischen Politikern ginge, dann soll Südtirol zu einer ganz normalen, recht- und schutzlosen Provinz degradiert werden und nur der Name „Autonome Provinz Südtirol“ übrig bleiben. Die Autonomie Südtirols soll zu einer Worthülse verkommen und das Pariser Abkommen unterlaufen werden. Italien hat bis heute nicht alle Punkte seiner sich daraus ergebenen Verpflichtungen erfüllt (z. B. bloß Duldung deutscher Ortsnamen, einseitige Geschichtsdarstellung in Südtiroler Schulen, Diskriminierung von Deutsch-Südtiroler Fußballspielern durch Schiedsrichter).

Unter dem Vorwand der EU-Sparvorgaben hatte Mario Monti etliche Notstandsgesetze erlassen, wie zum Beispiel das „Decreto Salva Italia“ („Dekret zur Rettung Italiens“) vom 6. Dezember 2011, womit reihenweise Autonomie-Gesetze unterschiedlichen Ranges ausgehebelt werden. Gegenüber dem „Kurier“ sagte er süffisant: „Die Provinz hat im Rahmen der italienischen Verfassung alle Möglichkeiten, um ihre Positionen durchzusetzen.“ In der Zwischenzeit werden unumkehrbare Tatsachen geschaffen und die Italienisierung vorangetrieben.

Seit der Annexion Südtirols durch Italien wurden die Werte der Französischen Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Völker in unterschiedlicher Intensität vergewaltigt. Die Südtiroler werden ungefragt und gegen ihren Willen im italienischen Staatenverband gehalten. Die europäischen Staaten haben auf dem Altar der „guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Italien“ die Werte geopfert, die sie eigentlich alle verbinden sollten.

Der Ist-Zustand Südtirols ist nicht gottgegeben. Erfreulicherweise hat in Südtirol die Diskussion zum Thema „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ derart an Intensität zugenommen, dass den Spitzenpolitikern der SVP Angst und Bange wird. Die von dem Südtiroler Schützenbund organisierte Veranstaltung „Jetzt! Für mehr Freiheit und Unabhängigkeit!“ am letzten Wochenende hat der Welt die Aufbruchsstimmung der Südtiroler gezeigt.

Die Partei Südtiroler Freiheit gab der Universität Innsbruck den Auftrag, ein Gutachten betreffs des Selbstbestimmungsrechtes Südtirols zu erstellen. Die Arbeit von Prof. Hilpold brachte zwar nicht den erhofften Freifahrtschein für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes, sie ist aber auch nicht als abschlägiger Bescheid zu verstehen, wie ein paar SVP-Funktionäre frohlocken. Diese haben offenbar das Gutachten nicht bis zum Ende durchgelesen. Jeder Fall hat seine Spezifität. Deshalb gibt es keinen Automatismus in puncto Anerkennung. Wichtig ist, dass ein Volk, welches sich abspalten will, möglichst mit einer Stimme spricht. „Aus einer Illusion kann damit Realität werden.“ (Abschnitt 5: Externe Selbstbestimmung: Illusion oder Wirklichkeit?)

Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Südtiroler den Ernst der Lage begreifen und an der von der Südtiroler Freiheit organisierten Befragung zur Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes im Herbst 2013 teilnehmen. Durch ein eindeutiges Votum der Südtiroler zum „Los von Rom!“ und im Windschatten der Freiheitsbewegungen in Schottland und in Katalonien kann Europa und somit auch Italien zu einem Umdenken bezüglich des Selbstbestimmungsrechts der Völker gezwungen werden.

Der Autor ist Deutscher, EDV-Spezialist und auf Grund der Zugehörigkeit seines Vaters zur bedrohten sorbischen Volksgruppe und als ehemaliger Mitkämpfer der DDR-Bürgerrechtsbewegung in Sachen Minderheitenschutz besonders engagiert.

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Wie man Banken nicht verkauft (und auch sonst nichts) drucken

Die Republik Österreich sitzt auf etlichen Banken, die sie gerne zu einem Minimalpreis loswerden möchte, die sie laut EU sogar umgehend verkaufen muss. Ein dramatisches Dilemma. Dessen Ursache liegt primär im historischen Fehler, diese Banken einst auf Steuerzahlers Kosten „gerettet“ zu haben. Denn jetzt sitzt die Republik überall auf unverwertbaren Forderungen, gegen die Hypo Alpe-Adria, die Volksbank-Zentrale und die Trümmer der Kommunalkredit. Dabei hatte man einst höchstens die Volksbank für „systemrelevant“ gehalten.

Niemand will für die rundum angebotenen Banken – oder Teile davon – einen nennenswerten Preis zahlen. Warum auch? Sobald Käufer wissen, dass jemand dringend verkaufen muss, wissen sie sich in der stärkeren Position. Und sie reduzieren ihre Angebote deutlich. Diese Erkenntnis hätte die EU auch auf jedem Gemüsemarkt knapp vor der Wochenendsperre machen können. Da fallen die Preise plötzlich wie Steine, wenn die Verkäufer etwas anzubieten haben. Aber freilich: Jeder Markt ist ja etwas Urböses, da will man nicht einmal einen kurzen Blick wagen.

Dabei hätte man auf dem Gemüsemarkt die Lektion fürs EU-Leben lernen können, nämlich wie man mit Sicherheit eine Bank nicht verkauft. Und auch sonst nichts.

Für die Regierung wäre nun der von der EU geforderte Verkauf auch aus einem anderen Grund sehr peinlich. Denn dann müssten plötzlich all die Milliarden sofort abgeschrieben werden, die man für Rettung und Fortbetrieb der Institute ausgegeben hat und als „Forderung“ oder „Haftung“ hält. Das würde Budgetdefizit und Staatsverschuldung enorm in die Höhe schnellen lassen. Das soll daher – wenn man schon verkaufen muss – nicht vor den Wahlen passieren. Vor denen will man ja alle negativ klingenden Nachrichten verhindern.

Von Woche zu Woche wird jedenfalls deutlicher, dass eine ganz andere Bankpolitik am Höhepunkt der Krise klüger gewesen wäre. Entweder die Republik wäre dort, wo es sinnvoll ist, als Aktionär ins normale Eigentum gegangen. Und sie hätte diese Aktien behalten dürfen, bis sich jemand ernsthaft (und zu guten Preisen) dafür interessiert. Oder aber: Sie hätte gleich die betreffenden Banken zugesperrt und abgewickelt. Die Forderungen wären dann in einer Bad Bank gelandet, die inzwischen schon wieder viel Geld aus den rücklaufenden Krediten an Gläubiger und Steuerzahler ausgezahlt hätte. Dann müsste man keine Banken mehr verwerten, sondern nur Grundstücke und ähnliches. Gewiss hätte man die Einlagen zu einem Teil sichern müssen, und das Land Kärnten wäre ob der gewaltigen Haftungen aus der Ära Haider vorübergehend in Konkurs gegangen.

Aber in der Politik waren damals alle vom Rettersyndrom erfasst. Sie zogen den Schrecken ohne Ende dem Ende mit Schrecken vor. Längst geben jedoch immer mehr Finanzexperten zu: In der Summe ist das am Ende der viel teurere Weg. Der noch dazu erst viel später einen gesamtwirtschaftlichen Wiederaufschwung zulassen wird.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 442: Das Rad wird neu erfunden drucken

Berlin und Paris starten eine Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit. Lobenswert. Aber für Österreicher nicht ganz neu.

Irgendetwas funktioniert doch noch zwischen den beiden Großeuropäern. Ansonsten haben sich Deutschland und Frankreich ja seit der Wahl des Traummännleins Hollande auseinandergelebt. Die beiden starten nun Initiativen gegen die europäische Jugendarbeitslosigkeit (soweit altes Politikergerede). Dabei rufen sie nach mehr Krediten für kleine und mittlere Unternehmen (auch das findet sich schon in ein paar Tausend Erklärungen). Sie wollen aber noch etwas, und das ist hochinteressant: nämlich die europaweite duale Ausbildung, also die Verbindung betrieblicher Lehre mit Berufsschulen. Das gibt es ja erstaunlicherweise nur in wenigen Ländern. Das sind keienswegs zufällig jene, die nicht wie Spanien, Frankreich & Co alle Jugendlichen in die Gesamtschule zwingen, an deren Ende enorm viele Maturanten, Akademiker – und junge Arbeitslose stehen. Es ist also offenbar ein europäisches Glück, dass sich Österreich (sowie Süddeutschland und die Schweiz) nicht dieses Konzept von Grünrot-Androsch-Industriellenvereinigung aufzwingen ließen. So können Europas Krisenländer wenigstens noch irgendwo funktionierende Schulsysteme studieren.

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Fußnote 439: Die Politik, das Geld und die Schweiz drucken

In Österreich wird immer wieder geklagt, die zunehmend negative Auslese in Landtagen und anderen Gremien liege an den niedrigen Gehältern. Da bleibt freilich eine Frage offen: Wie schafft es die Schweiz, noch nicht untergegangen zu sein?

In der Schweiz sind Kantonsräte das Äquivalent zu Landtagsabgeordneten. Die Kantone haben sogar mehr Kompetenzen als Bundesländer. Dennoch bekommen Kantonsräte gar kein Gehalt, sondern nur Sitzungsgeld. Im Kanton Zürich, dem reichsten und größten mit mehr als einer Million Einwohnern, sind das 200 Franken. Das ergibt im Jahr ungefähr so viel, wie bei uns ein Landtagsabgeordneter im Monat erhält, nämlich 6500 Euro. Und das 14 Mal im Jahr (auf Grund der weltweit bestaunten österreichischen Monats-Anomalie). In der kleinen Schwyz sind es nicht einmal 2500 Euro jährlich. Fragt da noch jemand, warum die Schweizer Steuern so viel niedriger sind und warum die Sozialisten in allen Parteien bei uns so dringend nach einer Kampagne gegen die Schweiz rufen?

PS.: Bei uns fallen Politiker selbst dann gut gepolstert, wenn sie abgewählt werden. Beispiel: Für den bisherigen niederösterreichischen SPÖ-Obmann hat die Arbeiterkammer einen eigenen – bisher von niemandem benötigten – Abteilungsleiterposten erfunden. In der zwangsfinanzierten, aber medial kaum beachteten Arbeiterkammer herrscht nämlich ein sogar noch viel ärgerer Missbrauch mit öffentlichen Geldern als in den Parlamenten.

 

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Südtirol im Umbruch: Los von Rom findet Widerhall drucken

In Freiluft-Cafés entlang der Passer-Promenade sitzen Touristen und blinzeln in die Sonne. Gäste, die das am reißenden Gebirgsfluss gelegene Städtchen Meran vor allem wegen der von alters her gesundheitsfördernden Trauben-Kur aufsuchen, genießen ihr erstes Glas. Urplötzlich durchbricht rhythmischer Peitschenknall von Goaslschnöllern die wohltuende Leichtigkeit selbstgenügsamen Daseins. In Gruppen ziehen rot-weiße Fahnen schwenkende Weiberleit und Mander am Kurhaus vorbei zum Sandplatz, die einen in Tracht, die andern in Freizeitkleidung, nicht wenige im Festtagsgewand.

Rundum sind Stände errichtet worden, Funktionäre Südtiroler Parteien sowie Vertreter des Südtiroler Heimatbunds (SHB) diskutieren mit interessierten Passanten und drücken ihnen Broschüren in die Hand. Folkloristisch-musikalische Darbietungen sorgen für gute Stimmung, Volkstanzgruppen und Schuhplattler lösen einander ab.

Aus Flandern sind Flaggenschwinger auf dem Meraner Sandplatz, ein Traditionsverband aus dem Veneto marschiert im Trommelschlagschritt vorüber und gerät ob der Klänge der „Scottish bagpipers“ (Dudelsackspieler) beinahe aus dem Schritt. Der isländische Chor „Heklurnar“ trägt wehmütige Lieder aus dem Freiheitskampf gegen die Dänen vor. Und bald tanzen Einheimische und Gäste nach fetzigen Rhythmen der krachledern gewandeten Musikgruppe „VolxRock“. Womit sich zeigt, dass eine höchst politisch motivierte Initiative, der die Zukunft Südtirols am Herzen liegt, binnen kurzem den Charakter eines Volksfestes angenommen hat, bei dem sich mehr als zehntausend Besucher aus nah und fern auf dem erstmals in Südtirol stattfindenden „Unabhängigkeitstag“ ein farbenfrohes Stelldichein geben.

Eine in ein fröhliches Fest eingebettete Kundgebung – das ist es, was die Initiatoren unter Führung des traditionsreichen Südtiroler Schützenbunds (SSB) beabsichtigten. Unter dem Motto „Jetzt! Für mehr Freiheit und Unabhängigkeit" wollten sie zeigen, dass die Tiroler südlich des Brenners über ihre Zukunft nachdenken und sich anschicken, sie selber in die Hand zu nehmen.

Nicht in einem Aufmarsch seiner Kompanien und Bataillone unter Trommelwirbel wie im Jahr zuvor, der die italienischen Sicherheitsbehörden zu einem ausnahmezustandsartigen Aufgebot an Staatspolizei, Geheimdienstlern und Carabinieri veranlasste, sollte sich der Schützen-Auftritt erschöpfen, sondern ein Fest verschiedener Völker sollte es werden, die eines gemeinsam haben: Sie treten für die Unabhängigkeit und Freiheit ihrer Heimat ein. Die kurzweilige Festivität ist zweifellos ebenso gelungen wie die lautstarke Bekundung des politischen Willens Tausender, denen es um das „Los von Rom“ bitter ernst ist.

„Die Krise hat in den letzten Jahren viele wachgerüttelt, der Wunsch nach einem freien Südtirol wird immer größer“, sagt eine selbstbewusst auftretende junge Frau. „Wir haben unsere eigene Sprache und unsere eigene Kultur. Wir sind keine Italiener, und das soll auch so bleiben“, unterstützt sie ein junger Mann, dessen T-Shirt die Aufschrift „Dem Land Tirol die Treue“ trägt, und fügt hinzu: „Wir sind gegen unseren Willen bei diesem Staat.“ „Es gab bis vor kurzem Leute, die keine Befürworter der Unabhängigkeit waren, aber viele haben jetzt ihre Meinung geändert“, ergänzt seine Freundin. „Wir wollen über unsere Zukunft frei entscheiden können, und den Weg dorthin möchten wir frei wählen. Wir wollen uns nicht vor uns selber fürchten, vor der eigenen Freiheit, Selbstbestimmtheit und vor dem eigenen Mut“, ruft Verena Geier, eine kesse Marketenderin, den Teilnehmern zu, die sie namens des SSB begrüßt.

Bart De Valck aus Flandern und Matteo Grigoli aus dem Veneto legen Beweggründe für den Kampf ihrer Volksgruppen um Unabhängigkeit dar. Christopher White aus Schottland klärt über das für 2014 festgelegte Unabhängigkeitsreferendum in Schottland auf. Anna Arqué aus Katalonien und Enaut Arretxe Agirre aus dem Baskenland berichten unter tosendem Applaus vom Freiheitskampf ihrer Landsleute. Für die Isländer, die 300 Jahre lang unter dänischer Fremdherrschaft standen und dann die lang ersehnte Freiheit erlangten, spricht Jóna Fanney Svavarsdóttir und ermuntert die Südtiroler, die „erst“ seit 95 Jahren zu Italien gehören. Klaus Tschütscher, ehemaliger Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein, vermeidet zwar Äußerungen, welche ihm als „Separatismus-Empfehlung“ ausgelegt werden könnten, zeigt aber anhand seines Landes (nur 160 Quadratkilometer Fläche und lediglich 37.000 Einwohner) auf, wie lebensfähig ein Kleinststaat sein kann. Sympathie für das Begehr von Organisatoren und Zuhörerschaft lässt er dabei durchaus durchblicken.

Selbstbestimmung auf dem Vormarsch

Ob die Südtiroler Verfechter einer Freistaatslösung, wie die dortigen Freiheitlichen, Liechtenstein zum Vorbild nehmen; ob das Ziel, wie es die Partei Süd-Tiroler Freiheit ansteuert, die Vereinigung mit Tirol und damit Rückgliederung nach Österreich ist; oder ob es diffuser ist, wie bei der Bürger Union, die von einer „wahren Europaregion Tirol“ spricht – zweierlei eint die Landtagsopposition: Sie verlangt die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts und folgt der Devise „Weg von Italien“.

So bereitet die Süd-Tiroler Freiheit für Herbst ein Selbstbestimmungsreferendum vor und sammelt eifrig Unterschriften für die „Internationale Kommission Europäischer Bürger“ (ICEC), welche sich für die formale Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts als Grund- und Menschenrecht einsetzt. Mehr als 50 000 Menschen haben bereits die Erklärung „Ich unterstütze die Initiative für das Recht auf Selbstbestimmung aller europäischen Völker, welches von der Europäischen Union formal als Grund- und Menschenrecht anerkannt werden sollte, und fordere Unterstützung für alle Europäer, ihre Nationen und Institutionen, sollten sie die Ausübung dieses Rechts in Anspruch nehmen wollen" unterzeichnet, was im Zeitalter des Internets selbstverständlich auch unter https://www.europeancitizensdecide.eu/petition.php?language=8 möglich ist.

Die drei oppositionellen Landtagsparteien stellen sich damit vehement gegen die seit 1945 in Südtirol regierende Sammelpartei SVP, deren Ziel das Erringen der „Vollautonomie“ ist. Darunter versteht sie, „im Zusammenwirken mit Österreich“ Italien Zuständigkeiten auf den Politikfeldern Bildung, Steuern und innere Sicherheit (eigene Polizei) abzutrotzen, somit den Weg der „inneren Selbstbestimmung“ weiter zu beschreiten. Womit die SVP allerdings eingesteht, dass die von ihr bisher als „beste Autonomie der Welt“ gerühmte Selbstverwaltung der Provinz Bozen-Südtirol eine Teil-, allenfalls eine Halbautonomie ist, welche Rom in den vergangenen beiden Jahren nahezu bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt hat.

Elmar Thaler, Landeskommandant des SSB, prangert das Zaudern vieler Verantwortungsträger an. Viele Südtiroler wünschten sich als Ziel die „Loslösung von Italien“ und wollten Taten sehen, dies zu erreichen. Es gebe dafür kein fertiges Rezept, schon gar kein Patentrezept, Wege täten sich aber nur auf, wenn man sich entschlösse, sie zu gehen. Thaler unterstreicht die starke Bindung zu Nord- und Osttirol sowie zum „Vaterland Österreich“: „Woher würden wir die Forderung nach Selbstbestimmung nehmen, wenn wir nicht Teil eines abgetrennten Volkes, nämlich des Tiroler Volkes wären. Darauf und auf nichts anderes stützt sich unser moralischer Anspruch auf die Selbstbestimmung.“ Südtirol sei eine der wirtschaftlich stärksten Provinzen Italiens, verliere aber immer mehr den Anschluss an deutsche und österreichische Bundesländer und hinke ihnen immer mehr hinterher.

Seine viel beachtete Rede beendete der SSB-Landeskommandant mit den Worten: „Deshalb werden wir alles daran setzen, dass in unserem Land Schluss ist mit italienischen Verhältnissen.“

„Vollautonomie“ immer weniger glaubwürdig

Italien greift massiv in die Selbstverwaltungsrechte der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol ein. Mit Dekreten und Erlässen wird die dortige Landesregierung zur finanziellen Alimentierung des römischen Finanzbedarfs zur Bewältigung der Überschuldung des Staates gezwungen. Seit Jahrzehnten schieben Italiens Regierungen – egal wer sie jeweils stellt – einen Schuldenberg vor sich her, der rund 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht. Die Regierung Monti hatte allen 20 Regionen und 103 Provinzen aufgegeben, nicht nur selbst zu sparen, sondern er kürzte ihnen zudem die dringend benötigten Zuweisungen aus Rom, ohne die sie ihren Aufgaben kaum nachkommen können.

Bozen-Südtirol und die Nachbarprovinz Trient trifft es dabei überproportional hart. Beide sind aufgrund der politisch-historischen Nachkriegsentwicklung unter dem Dach der Autonomen Region Trentino-Alto Adige „vereint“. Sie sollen doppelt bluten, wobei sich soeben herausstellte, dass es den trickreichen Trentinern gelang, sich bei ihrem Anteil geschickt um zwei Fünftel der eigentlich von beiden Provinzen aufzubringenden und nach Rom zu transferierenden Gesamtsumme herumzudrücken. Für Südtirol allein hat das römische Oktroy zur Folge, dass die Landesregierung für 2013 und 2014 auf gut 850 Millionen Euro verzichten muss – bei einem Landeshaushaltsvolumen von rund fünf Milliarden.

Was ihr Monti aufbürdete, bricht nicht nur das 2010 in Kraft getretene „Mailänder Abkommen“, demzufolge 90 Prozent aller Südtiroler Steuereinnahmen direkt in Bozen verbleiben. Das römische Vorgehen verletzt auch das Autonomiestatut von 1972, mit dem der Jahrzehnte währende Südtirol-Konflikt beendet worden war und Italien Österreichs Schutzfunktion für die Südtiroler anerkannt hatte.

Dieses Abkommen ist nun infrage gestellt: Zum einen verstößt Rom damit, dass es Südtirol finanz-, sozial- und steuerrechtliche Bürden auferlegt, ohne das Einvernehmen mit der dortigen Landesregierung sowie dem Landesparlament gesucht zu haben, klar gegen das Autonomiestatut. Zum andern bedrohen Aussagen, wonach es bezüglich Südtirols um „inneritalienische Probleme“ gehe und die Schutzfunktion Österreichs überholt sei – wie sie just der außerhalb Italiens als Hoffnungsträger erachtete Monti von sich gab – die Respektierung einer internationalen vertraglichen Verpflichtung Italiens.

Damit ist man im Verhältnis Rom-Bozen wieder jener düsteren politischen Existenzform nahe, wie sie vor der formellen, auf UN-Resolutionen aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fußenden italienisch-österreichischen Streitbeilegung bestand, als Rom Südtirol stets als inneritalienische Angelegenheit hingestellt hatte.

Da mögen Landeshauptmann Luis Durnwalder und der Chef der seit 1945 in Bozen regierenden Südtiroler Volkspartei (SVP), Richard Theiner, noch so sehr betonen, Rom habe die Autonomie zu respektieren und Wien schlage sich dafür in die Bresche. Viele Südtiroler besänftigen sie damit ebenso wenig wie ihre eigene Sorge darüber, dass Roms Politik den deutsch-tiroler Oppositionsparteien Aufwind verschafft und die Los-von-Rom-Stimmung begünstigt.

Zwischen Brenner und Salurner Klause gewinnt damit eine Diskussion darüber an Breite, ob der Ende des Ersten Weltkriegs von Italien annektierte und diesem im Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye 1919 zugeschlagene südliche Landesteil Tirols im Stiefelstaat verbleiben oder seine Zukunft anderswo suchen sollte. Die Antworten der politischen Kräfte, die in Bozen, Innsbruck und Wien das Sagen haben, lauten: Mit der EU-Mitgliedschaft Österreichs und dem Entfall der Grenzkontrollen habe der Brenner seinen Charakter als „Unrechtsgrenze“ verloren.

SVP schwächelt zunehmend

Und die SVP sieht die Zukunft des Landes in der „Dynamisierung der Autonomie“ – trotz der von Rom betriebenen Kastration. Doch die „Sammelpartei“ SVP hat in den letzten Jahren merklich an Strahlkraft eingebüßt. Ihre Position ist seit der Landtagswahl 2008 geschwächt. Ein Skandal im Landesenergieversorger SEL AG, befördert durch personelle Verflechtungen mit ihr, haben der SVP enorm geschadet.

Derlei hat es unter Silvius Magnago, dem „Vater der Autonomie“, niemals gegeben. Die seit 1945 regierende Partei ist ausgelaugt, führungsschwach, von Flügelkämpfen durchgeschüttelt und durch Skandale angeschlagen. Die SEL-Affäre belastet Durnwalder, ohne den in der Südtiroler Politik seit 1989 nichts lief. Er tritt indes mit Ende der Legislaturperiode ab, weshalb die Parteibasis im Blick auf die Landtagswahl im Herbst unlängst den Spitzenkandidaten für die Nachfolge bestimmte – wobei sich Parteichef Theiner zuvor selbst aus dem Rennen genommen hatte. Es obsiegte Arno Kompatscher, der außerhalb Südtirols unbekannte Bürgermeister der Gemeinde Völs am Schlern, über seinen Mitbewerber Elmar Pichler, den Landesrat und früheren Parteiobmann.

In der Bevölkerung ist das Vertrauen in die „Sammelpartei der deutsch- und der ladinischsprachigen Südtiroler“ geschwunden. Sie weigert sich, über politische Alternativen zur angeblich „weltbesten Autonomie“ auch nur nachzudenken. Trotz deren von Rom aus betriebener Aushöhlung. Von Silvio Berlusconi über Monti bis zum Ex-Kommunisten Pier Luigi Bersani ist stets die Rede davon, den Provinzen und Regionen mit Sonderstatut  „(Autonomie-)Privilegien“ zu nehmen. 

Und Neu-Senator Francesco Palermo, den sich Parteichef Theiner aufgrund seines – in der SVP umstrittenen und mit dem Scheitern Bersanis höchst fragwürdig gewordenen – Wahlabkommens mit dem linken Partito Democratico (PD) quasi wie eine Laus in den Pelz setzen ließ, bekundete, die Autonomie sei vom „ethnischen Ballast zu befreien“.

Solche Aussagen müssten eigentlich alle Warnlampen aufleuchten lassen. Weit gefehlt. Stattdessen nimmt die SVP hin, dass Rom nicht nur seine vertraglich verbrieften Verpflichtungen nicht einhält; es nimmt offenbar auch ungerührt zur Kenntnis, dass Italien zu den Fußkranken Europas zählt. Und Südtirol damit selbst Teil des Pilzbefalls ist.

Wie es nach der Not-Wiederwahl Giorgio Napolitanos zum Staatspräsidenten und unter dem neuen Ministerpräsidenten Enrico Letta politisch weitergeht, der einer höchst brüchigen „großen Koalition“ aus PD und Berlusconis PdL vorsteht, erahnt man. Daher wird an Eisack und Etsch das „Los von Rom“ stärker, hinter dem sich Freiheitliche (fünf Sitze), Süd-Tiroler Freiheit (zwei Sitze) und Bürger Union (ein Sitz) trotz gelegentlicher, meist personeller Reibereien vereinen. Auch in der Südtiroler Jugend findet dies verstärkt Gehör, und sogar unter Wirtschaftstreibenden wird die Option eines eigenständigen „Südtirol außerhalb Italiens“ nicht (mehr) verworfen. 

Herrolt  vom Odenwald ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist.

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Faymanns und Junckers Rollentausch drucken

In den letzten Wochen haben alle linken Medien, also so gut wie alle, Luxemburg als positives Beispiel für die Preisgabe des Bankgeheimnisses genannt. Jetzt aber müssen Österreichs Sparbuchbesitzer und Finanzinstitute ausgerechnet Luxemburgs Premier Juncker danken, dass die Attacke von Werner Faymann gegen das Bankgeheimnis und damit gegen sie zumindest noch nicht in voller Härte zugeschlagen hat.

Denn beim EU-Gipfel hat Juncker den automatischen Bankdatenaustausch innerhalb der EU mit dem Argument gebremst, dass es zugleich auch diesbezügliche Vereinbarungen mit fünf sogenannten Steueroasen wie der Schweiz geben soll. Jedenfalls gibt es außer Erklärungen für die Kulisse keine klaren und definitiven Beschlüsse dieses Gipfels. Was nicht zuletzt mit Junckers Haltung zusammenhängt. Juncker teilt und verteidigt damit ziemlich präzise die Position von Finanzministerin Fekter und die des jüngsten Finanzministerrates.

Faymann hingegen ist seit einem Jahr zum braven Befehlsausführenden des französischen Präsidenten Hollande (also des nach einem Jahr schon unbeliebtesten Präsidenten der französischen Nachkriegsgeschichte) geworden.

Hollande wie Faymann geht’s natürlich nicht primär um Steuerbetrüger. Beide wollen vielmehr noch mehr Zugriff des Staates auf die Bürger. Beide wollen damit einen Zugriff, der nur noch als totalitär zu qualifizieren ist. Denn wenn einmal die totale Transparenz hergestellt ist, dann tun sich die Regierungen viel leichter, auch legale Steuervermeidung unmöglich zu machen. Und wenn so das letzte Schlupfloch geschlossen ist, können sie die Steuern ins Unermessliche steigern; Hollande ist ja schon bei 75-prozentigen Steuersätzen angekommen (und wundert sich über den immer katastrophaler werdenden Zustand seines Landes).

Daher ignoriert Faymann den drohenden Schaden für Österreichs Banken, der entsteht, wenn künftig in der Schweiz für Ausländer andere Regeln gelten sollten als hierzulande. Daher ignoriert er die auf Grund des EU-Rechts wohl unvermeidliche Zertrümmerung des Bankgeheimnisses auch für Inländer. Denn dieses ist vor dem EuGH dauerhaft nicht haltbar, sobald es einmal für EU-Ausländer aufgehoben ist. Faymann ignoriert natürlich erst recht die demokratiepolitisch eigenartige Tatsache, dass eine nicht einmal von einem Fünftel der Wahlberechtigten unterstützte Partei im Alleingang historische Positionen der Republik aufgibt.

Eher fragwürdig, wenn nicht peinlich bleibt freilich die Position von Michael Spindelegger. Er versucht in dieser Frage ja seit Wochen weder der ÖVP-Finanzministerin noch dem SPÖ-Koalitionspartner zu widersprechen, laviert mit widersprüchlichen Erklärungen herum und sitzt damit zwischen allen Stühlen. Eine schwer verständliche Strategie in einer wichtigen Frage . . .

PS.: Junckers Haltung zeigt: Sogar ein winziges Land kann in der EU gegen alle anderen Haltung zeigen. Das hat Österreich zum letzten Mal vor urdenklichen Zeiten bei Schüssel und Plassniks Nein zu einem automatischen Beitritt der Türkei getan. Dennoch ist es in der Summe bedenklich, wenn es immer öfter nur ein einziges Land ist, das in der EU noch die Reste von Freiheit, nationaler Eigenständigkeit und Vernunft verteidigt. Einmal ist das Luxemburg, einmal Deutschland, einmal Großbritannien, einmal Tschechien. Aber immer öfter steht es eben besorgniserregend und letztlich sehr labil (nämlich von den Zufälligkeiten nationaler Wahlen abhängend): Einer gegen Alle.

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Volksabstimmung über Eurobonds drucken

Frankreichs Präsident Hollande gelingt es nicht, die französische Wirtschaft anzukurbeln. Im Gegenteil, mit seinen Steuerplänen, tatsächlich bereits eingehobenen Sonderabgaben und der Beibehaltung des erstarrten Arbeitsrechtes verjagt er inländische beziehungsweise verschreckt er ausländische Investoren und hält die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau.

Wie immer, wenn eine Regierung die inneren Probleme nicht bewältigt, sucht sich auch Frankreich einen äußeren Reibebaum. Deutschland wurde wegen seiner auf Sparsamkeit drängenden Politik als der wahre Schuldige an der französischen Misere identifiziert. Der bekannt gewordene Parteiantrag der französischen Sozialisten ruft zum Kampf gegen die egoistische Unnachgiebigkeit von Bundeskanzlerin Merkel auf, die ausschließlich das Interesse der deutschen Sparer (damit gleichzeitig das der österreichischen), den deutschen Handelsbilanzüberschuss und die eigene politische Zukunft im Sinn habe. Frankreich müsse sich gegen das von Merkel diktierte Europa zur Wehr setzen.

Unmittelbar danach kam es zu einer Reihe von Entschuldigungen französischer Regierungsmitglieder. Wie wenig sich Frankreich um die Konsolidierung des Staatshaushaltes kümmert, zeigt der angedrohte Mahnbrief der EU-Kommission. Nach Intervention Frankreichs wurde ihm nun eine Frist von zwei Jahren zur Verringerung des Defizites auf die drei Prozent-Marke eingeräumt. Hollande kündigte eine Initiative Richtung EU an, die in Wirtschaftsangelegenheiten eine Vertiefung bringen soll. So schwebt ihm eine monatlich tagende „Wirtschaftsregierung" vor, der ein zu schaffender „Präsident der Wirtschaftsregierung" vorstehen soll. Diesem Präsidenten wird es so ergehen wie der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Ein koordiniertes Auftreten der Mitgliedsstaaten ist ihr bislang nicht gelungen, besonders während des arabischen Frühlings wurde dies offenbar.

Des Weiteren wünscht er sich eine Erhöhung des EU-Haushaltes und europäische Anleihen (Eurobonds). Damit erreichen die Olivenstaaten plus Frankreich einen unbegrenzten Zugriff auf Geld, für das andere haften. Mit den Maastricht-Kriterien und nochmals mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt wird das jährliche Haushaltsdefizit der Mitgliedsstaaten auf drei Prozent des BIP begrenzt. Das heißt das Schuldenmachen findet kein Ende. Bis zum Ausbruch der Schuldenkrise war jeder Mitgliedsstaat für seinen Staatshaushalt selbst verantwortlich. Ausdruck fand diese Ansicht in der No-Bail-Out-Klausel sowie in den Statuten der EZB, der eine Intervention in den Staatshaushalt verboten war.

Diese Regeln wurde alle gebrochen, mit dem ESM werden Staaten „gerettet", darüber hinaus kauft die EZB auch noch Staatsanleihen auf. Eurobonds wären nun eine dritte Schiene um zu Geld zu kommen. Das hätte zudem den Vorteil, keinerlei Auflagen unterworfen zu sein, wie sie bei Inanspruchnahme des ESM zu erwarten wären. Eurobonds, auf deren Emission Österreich keinen Einfluss hat, die aber den österreichischen Haushalt belasten sind – gemäß der Bestimmung, wonach ein nachhaltig geordneter Haushalt anzustreben ist – verfassungswidrig. Sollten daher Eurobonds tatsächlich Realität werden, so fordern wir Bürger schon heute vorsorglich, dass darüber eine Volksabstimmung abgehalten wird.

Rudolf Wirthig – Jahrgang 1937 – ist Oberst im Ruhestand des österreichischen Bundesheeres und war in den letzten Jahren seiner Laufbahn sehr häufig im Ausland tätig.

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Fußnote 438: Das tschechische Staatsoberhaupt und die Schwulen drucken

Der Prager Präsident Zeman weigert sich, einem homosexuellen Professor das Dekret zu dessen Ernennung zu überreichen. Obwohl das ansonsten in Tschechien als persönlicher Präsidentenakt üblich ist.

Der Grund liegt nicht in der „Orientierung“ des Mannes, wie das Schwulsein derzeit gerade politisch korrekt heißt, sondern in einem vulgären Schild, dass er bei einem Schwulenaufmarsch getragen hat. Man stelle sich nun vor, Milos Zeman wäre kein Sozialdemokrat, sondern ein rechts stehender Präsident: Welches Geheule wäre da in der EU losgegangen, bis hin zur Forderung, Tschechien wegen Diskriminierung und Verletzung sogenannter Grundwerte zu bestrafen. Aber Zeman ist ein Sozialdemokrat, daher ertönt gar nichts in der EU. Und die tschechischen Sozialdemokraten liegen – nicht zuletzt Zemans wegen – bei allen Umfragen weit voran. Ob das gar zusammenhängt?

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Mehr direkte Demokratie durch konsequente Dezentralisierung drucken

Nicht zuletzt in (stark) sinkenden Wahlbeteiligungen manifestiert sich die zunehmende Politik- und Politikerverdrossenheit. So machten bei der vor kurzem abgehaltenen Landtageswahl in Tirol nur mehr 56 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch und die kürzlich vereinbarte schwarz-grüne Regierung repräsentiert damit zum Zeitpunkt ihrer Angelobung mit ihrem Stimmenanteil von knapp 52 Prozent gar nur mehr 29 Prozent der Wahlberechtigten.

Um das Abgleiten in eine Legitimationskrise zu verhindern, werden von den politischen Parteien unter dem Schlagwort „mehr direkte Demokratie“ unter anderem der Ausbau direktdemokratischer Instrumente wie Volksbefragungen, Volksbegehren und Volksabstimmungen gefordert sowie die Ausweitung des Instruments der Vorzugstimme vorgeschlagen. Mit derselben Intention, die Beteiligung der Bürger am politischen Prozess zu erleichtern, besteht seit 2012 im Rahmen der EU-Bürgerinitiative für EU-Bürger eine direkte Möglichkeit, die EU-Kommission aufzufordern, einen Rechtsakt vorzuschlagen. Und Vizekanzler Spindelegger hat vor kurzem die Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten durch die Bürger der Mitgliedsstaaten befürwortet.

All diesen Vorschlägen zur stärkeren Bürgerbeteiligung ist jedoch eines gemein. Sie ignorieren eines der größten Übel des gegenwärtigen politischen Systems: die fortschreitende Zentralisierung der Gesetzgebungskompetenz.

Der grundlegende Irrtum besteht darin, die sicherlich ausbaufähigen Formen der Bürgerbeteiligung mit der tatsächlichen politischen Gestaltungsmöglichkeit zu verwechseln. Das politische Ohnmachtgefühl des Einzelnen nährt sich gerade auch aus dem Umstand, dass die eine Stimme eines noch so engagierten Bürgers unter mehr als 500 Millionen Einwohnern in der EU, ja selbst die eine Stimme unter mehr als 8 Millionen Einwohnern in Österreich schlichtweg keinen nachvollziehbaren Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung haben kann. An diesem Größenproblem der politischen Einheiten wird selbst der Ausbau direktdemokratischer Instrumente nichts ändern.

In der Debatte um „mehr direkte Demokratie“ sollte folglich die konsequente Dezentralisierung der Gesetzgebungskompetenz und der damit eng verknüpften Steuerhoheit für die untergeordneten Gemeinwesen in das Zentrum der Auseinandersetzung gerückt werden. Mit anderen Worten: Das Subsidiaritätsprinzip muss wieder ernst genommen werden. Seine klassische Formulierung findet sich in der 1941 veröffentlichten Enzyklika „Quadragesimo Anno“ von Papst Pius XI. Dort heißt es:

„… wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.“ (Nr. 79)

Die angemessene Rückführung der Gesetzgebungskompetenz auf die untergeordneten Gemeinwesen versetzt den Einzelnen wieder in die Lage, sein unmittelbares Lebensumfeld – allen voran in der Familie, in der Gemeinde und im Bundesland – gemeinsamen mit jenen Menschen zu gestalten, deren Auffassungen vom guten Leben relativ homogen sind. Diese relative Homogenität ist für die Legitimität politischer Beschlüsse unabdingbar, weil politische Entscheidungen ihrem Wesen nach Allgemeinverbindlichkeit beanspruchen. Mit der Zentralisierung nimmt die Heterogenität der Bevölkerung notwendigerweise zu und politische Entscheidungen fördern gerade in einer sich pluralistisch verstehenden Gesellschaft die gesellschaftlichen Konflikte anstatt die Einheit. Zudem hätte die Stimme des Bürgers, sei es in der Wahlzelle oder in einer öffentlichen Debatte, wieder das ihr zustehende Gewicht, weil sie eine unter überschaubar Vielen und nicht mehr unter unüberschaubar Unzähligen wäre.

Drei weitere Vorteile hätte die verstärkte Rückführung von Kompetenzen an die untergeordneten Gemeinschaften der Gesellschaft. Erstens vermag diese den immer weiter aufgehenden Graben zwischen den Bürgern und den Politikern zu überbrücken, weil sie die enge räumliche, persönliche und kulturelle Bindung zwischen dem Bürger und den das jeweilige Gemeinwesen verkörpernden Politikern überhaupt erst ermöglicht. Der Politiker würde seinerseits konkrete Personen in konkreten Lebensumständen adressieren und wäre nicht mehr versucht, mit inhaltsleeren oder populistischen Parolen und äußerst zweifelhaften Kommunikationstechniken die anonymen Wählermassen für sich zu gewinnen.

Zweitens verhindert die vertikale Gewaltenteilung die das Gemeinwohl bedrohende Machtakkumulation beim Zentralstaat, die durch die horizontale Gewaltenteilung bestenfalls gemildert wird. Die in regelmäßigen Abständen zu vernehmenden Forderungen nach Abschaffung der Nationalstaaten, wie vor kurzem von Staatssekretär Lopatka lanciert, oder nach Abschaffung der Bundesländer begünstigen die weitere Entfremdung der Bürger von der technokratischen Politik-Elite, die sich durch derartige Maßnahmen der direkten und unmittelbaren Kontrolle durch die Bürger entziehen können.

Und drittens wäre die Initiierung eines politischen Prozesses und die Beteiligung daran mit einem wesentlich geringeren (finanziellen) Aufwand möglich.

Vorzüge der vertikalen Gewaltenteilung

Gerade auch die EU würde durch die Rückführung von Kompetenzen und Souveränitätsrechten an die Nationalstaaten ihrem eigenen Wahlspruch „in Vielfalt geeint“ wesentlich besser entsprechen. „In Vielfalt geeint“ kann gerade nicht bedeuten, EU-weite Einheitsgesetze zu beschließen, so als ob einheitliche Gesetze die Voraussetzung für Vielfalt seien. Wohin dieser Uniformitätswahn eines überzogenen Gleichheitsverständnisses führt, zeigt gerade auch die anhaltende und noch lange nicht überwundene Euro-Krise. Die Einheitswährung zwingt die in ihrer Wirtschaftsstruktur und ihren wirtschaftspolitischen Auffassungen höchst unterschiedlichen Mitgliedsstaaten in ein einheitliches, und damit im jeweiligen Einzelfall unpassendes geldpolitisches Korsett.

In einem wohlgeordneten, auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhenden Gemeinwesen würde die jeweils übergeordnete Einheit die untergeordnete Einheit zur Entfaltung der eigenen politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Eigenheiten anregen, damit diese eigenständig und eigenverantwortlich die ihnen zukommenden Aufgaben erfüllen können.

Zudem müssen die übergeordnete Einheit und insbesondere der Staat als höchste Gemeinschaft eines Gemeinwesens die Hinordnung der untergeordneten Einheiten auf das Gemeinwohl des gesamten politischen Gemeinwesens sicherstellen. Die dauerhafte Einverleibung jener Aufgaben, die von den untergeordneten Einheiten zu erfüllen sind, durch die übergeordnete Einheit ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Rechte dieser Gemeinschaften.

So wäre es eigentlich die Aufgabe des Staates, die Familien wieder in die Lage zu versetzen, ihre Erziehungsaufgaben vollumfänglich und (möglichst) eigenständig zu erfüllen, statt den Eltern die Kompetenz der Kindererziehung durch Verstaatlichung scheibchenweise zu entziehen.

Diese „Verwirrung der Gesellschaftsordnung“ bringt nicht die ersehnte Ruhe der Ordnung (Augustinus) sondern die Unordnung führt zu anhaltendem Unfrieden im Gemeinwesen, weswegen es wie immer gilt, die Extreme zu meiden: Den jede Vielfalt erstickenden Einheitsbrei des Zentralismus auf der einen Seite und den jeden Einheitsgedanken ablehnenden Partikularismus auf der anderen Seite.

Eine auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhende politische Ordnung verstanden als „Einheit in wohlgeordneter Vielfalt“ (Thomas von Aquin) ist ein unabdingbarer Puzzlestein in der Bekämpfung der Politik- und Politikerverdrossenheit. Die Aufwertung der untergeordneten und intermediären Gemeinschaften würde das Grundübel der fortschreitenden Zentralisierung bekämpfen und einen bedeutsamen Schritt zur Re-Personalisierung des gesellschaftlichen Miteinanders setzen. Eines seiner äußerst lesenswerten Bücher versah der in seinem Heimatland viel zu wenig bekannte Sozialwissenschafter Leopold Kohr treffend mit dem programmatischen Titel „Vom Ende der Großen – Zurück zum menschlichen Maß.“

Nur durch diese kopernikanische Wende weg von anonymen, bürokratischen und gesichtlosen Großstrukturen hin zu auf persönlichen Beziehungen beruhenden, lebendigen, am gemeinsamen Guten ausgerichteten politischen Einheiten wird es möglich sein, den fortschreitenden Zerfall der intermediären politischen Glieder und den damit eng verbundenen Rückzug der Bürger vom Politischen Einhalt zu gebieten.

Wer vom mündigen Bürger spricht, sollte ihm nicht nur zutrauen seine Stimme an der Wahlurne abzugeben oder öffentlich zu erheben, sondern gerade auch für die lokalen und regionalen Probleme, die er tagtäglich am eigenen Leib verspürt, passende Lösungsvorschläge zu finden und diese in den Gemeinden und Bundesländern gemeinsam mit den Mitbürgern umzusetzen.

Gregor Hochreiter
Vorstand, Oekonomika – Institut für angewandte Ökonomie und christlich-abendländische Philosophie (www.oekonomika.org) 

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Die britische Lunte brennt (Europa samt Führung pennt) drucken

Die spannendste Debatte für Europas Zukunft findet derzeit in Großbritannien statt. Eine Rechtspartei ist so erfolgreich, dass sie die Konservativen nun schwer unter Druck setzt und umkrempelt. Sie sorgt damit zugleich dafür, dass die Chancen Labours gewaltig wachsen, wieder an die Macht zurück zu kommen. Dies könnte als Folge des britischen Wahlsystems sogar ohne irgendeinen Zuwachs an Wählerunterstützung passieren. Vor allem ist nun ein britischer EU-Austritt recht wahrscheinlich geworden. Das macht die Briten derzeit für die EU relevanter als irgendein anderes Land. Europa müsste eigentlich dringendst darauf reagieren.

Die EU zeigt jedoch ein Bild der Lähmung. Frankreich, Italien & Co sind nur noch zu einem imstande: ständig nach immer neuem Geld aus Deutschland (und anderen relativ stabilen Ländern) zu rufen. Dabei wären – trotz des ständigen Gelddruckens in der Europäischen Zentralbank – bei ihnen überall Reformen dringend notwendig, selbst wenn Deutschland noch mehr zahlen sollte.

Die notleidenden Länder wollen jedoch lieber unter dem harmlos klingenden Titel „Bankenunion“ Zugriff auf die deutschen (und sonstigen) Sparguthaben. Sie hoffen überdies auch, durch die extrem zentralistische Idee einer europäischen „Wirtschaftsregierung“ noch mehr Zugriff auf das Steuergeld der Nordländer zu bekommen. Dadurch glauben sie, sich selbst das wirkliche Regieren ersparen zu können. Dieses wäre ja derzeit keine sehr populäre Tätigkeit. Und schon gar nicht dann, wenn man mit teuren Wahlversprechen angetreten ist, so wie etwa die Regierungsparteien Frankreichs und Italiens.

Deutschland wiederum ist durch den Wahlkampf gelähmt. Die Regierung kämpft dabei insbesondere gegen die wachsende Erkenntnis der Bürger, dass sie europa- und finanzpolitisch in den letzten drei Jahren einen völlig falschen Weg gegangen ist (woran übrigens die Tatsache nichts ändert, dass sie in Sachen Bankengesetz in der Vorwoche wieder einmal recht vernünftig gehandelt hat). Und die deutsche Opposition wollte und will in der Schuldenkrise sogar einen noch viel schlimmeren und teureren Weg als die Regierung gehen.

Die britische Revolution

Ganz anders die Entwicklung in Großbritannien. Dort hat sich mit der Unabhängigkeitspartei UKIP eine neue Gruppierung nun anscheinend dauerhaft durchsetzen können, die England erstmals ein Vierparteiensystem verschafft. Dabei ist jedoch das Wahlrecht (the winner takes it all) eindeutig auf ein Zweiparteiensystem ausgerichtet. Die UKIP bewegt sich bei Umfragen und Regionalwahlen zwischen 18 und 23 Prozent, sie lässt die Liberaldemokraten weit hinter sich und liegt nur knapp hinter Labour und Tories.

Die Folgen sind sensationell:

Erstens könnte Großbritannien beim nächsten Mal von einer Partei mit absoluter Mandatsmehrheit regiert werden, die keine 30 Prozent Wählerunterstützung hat. Nach der gegenwärtigen Lage wäre das Labour. So niedrige Regierungsmehrheiten sind absolut ungewöhnlich und würden die Frage aufwerfen, ob das britische Wahlsystem überhaupt noch als demokratisch gelten kann. Diese Frage ist auch für die EU besonders heikel, da manche gerade derzeit den Ungarn mit viel weniger konkreten Beweisen (eigentlich fast gar keinen) diese Qualifikation abzusprechen versuchen.

Zweitens rücken jetzt die zwei Hauptforderungen der UKIP ins Zentrum der britischen Politik. Die Konservativen haben sie nämlich weitgehend übernommen. Diese Forderungen stoßen auch bei einer Mehrheit der Briten auf volle Sympathie. Ihr Inhalt: erstens ein scharfer Anti-EU-Kurs; und zweitens ein scharfer Kurs gegen die Immigration.

Drittens löst der Erfolg der UKIP vor allem bei der derzeit größten Partei des Landes, den Tories, Panik aus. Denn vor allem sie wurden bisher von einem Teil der UKIP-Unterstützer gewählt. Ein guter Teil der Tory-Abgeordneten fürchtet daher, beim nächsten Mal abgewählt zu werden, und vergisst jede Parteidisziplin. Aber auch Premier David Cameron selber zeigt Interesse an europakritischen Akzenten. Wenn auch vielleicht nur, um politisch zu überleben.

Scharfer Anti-Migrantenkurs

Das sollte man alles anderswo genau beobachten und nicht ganz verschlafen. Jedoch hat beispielsweise die ÖVP das Gegenteil beschlossen: Sie setzt nach einer Periode recht kritischer Akzente nun im Wahlkampf wieder ganz auf Begeisterung für die EU und Zuwanderung. Den Erfolg dieses doppelten Positionswechsels wird man im September beurteilen können.

Jedenfalls zeigt Großbritannien, dass Europa- und Immigrationsskepsis keineswegs vorübergehende Phänomene sind, wie beispielsweise in Österreich manche Zeitungskommentatoren glauben. Die britische Regierung hat sogar offiziell angekündigt, dass sie für Migranten, auch für solche aus anderen EU-Ländern, den Zugang zu Wohngeld und anderen sozialen Leistungen erschweren wird. In ihrer Thronrede heißt es: „Das Gesetz wird sicherstellen, dass dieses Land Menschen anzieht, die ihren Beitrag leisten wollen, und diejenigen abschreckt, die das nicht wollen.“ Den zweiten Teil dieses Satzes wagt in anderen Ländern kaum jemand auszusprechen.

Das alles steht vor dem Hintergrund eines dramatischen sozialen Wandels in Großbritannien. Nur eine Zahl dazu: die Zahl der Christen nahm im Königreich binnen bloß zehn Jahren von 72 auf 59 Prozent ab; der Anteil der Muslime wuchs hingegen stark (wenn auch noch auf viel niedrigerem Niveau). Die Migrations-Probleme der Briten zeigen jedenfalls massive Parallelen zu den Problemen anderer europäischer Staaten. Ähnlich ist es auch beim zweiten britischen Thema, der wachsenden Anti-EU-Stimmung.

Gewiss ist klar, dass für viele Briten Europa immer schon etwas recht Fremdes war. Für sie war „Europa“ der Kontinent, und sie selbst waren ein globales, außereuropäisches Imperium. Diese uneuropäische Stimmung auf den Inseln hat sich aber in den letzten Jahren noch dramatisch vertieft, ebenso wie die Anti-Migrations-Haltung – trotz der globalen Vergangenheit des Königreiches. Noch nie seit dem EU-Beitritt waren diese beiden Emotionen so dominierend wie heute.

Die Ursachen der Anti-Europa-Stimmung

Was sind nun die wichtigsten Ursachen dieser doppelten Emotionalisierung bei den Briten wie auch bei den Bürgern vieler anderer EU-Länder:

  • In Zeiten der Krise werden fast überall und immer nationale Stimmungen und Lösungsversuche wichtiger und stärker.
  • Die EU hat sich seit der Jahrtausendwende von der verdienstvollen Schöpferin eines freien und offenen Binnenmarktes, der allen Europäern Vorteile bringt, für viele Bürger Europas zu einem Moloch mit massiven Tendenzen zu Überregulierung, Machtgehabe und geistiger Einengung verwandelt, der die nationale Souveränität bedroht. Das herrische Verhalten etlicher EU-Politiker gegen Ungarn ist geradezu paradigmatisch für diese Fehlentwicklung.
  • Die unbestreitbar großen Vorteile des Binnenmarktes für fast jeden Bürger Europas sind massenpsychologisch inzwischen konsumiert, sondern gleichsam selbstverständlich. Sie sind den Menschen daher kaum mehr bewusst.
  • Die ständig malträtierte Referenz, dass die EU angeblich den Frieden geschaffen habe, stimmt historisch in keiner Weise. Und schon gar nicht kann sie – so lange nach dem letzten Krieg – mit diesem Argument bei den Bürgern psychologisch noch Reaktionen auslösen.
  • Und last not least sind der Euro und seine Fehlentwicklungen zum antieuropäischen Mobilisierungsvehikel Nummer eins geworden. Der Euro mobilisiert selbst in jenen Ländern kritische Emotionen, die gar nicht zum Euroraum gehören wie eben Großbritannien.

Und Cameron hat doch recht

Damit wird viertens das von Cameron angekündigte (und durch die Tory-Hinterbänkler nun einzementierte) EU-Austrittsreferendum der Briten zum europäischen Fanal. Wenn die anderen Europäer den Briten nicht durch echte Neuverhandlung des Vertrags substanziell entgegenkommen, dann geht das Referendum mit Sicherheit gegen die EU aus.

Da kann man nun gewiss zynisch sagen: Geschieht den Briten recht, sie werden ja bei einem Austritt mit Sicherheit wirtschaftlich ordentlich draufzahlen. Den anderen EU-Ländern sollte aber viel stärker bewusst werden:

  • Auch Resteuropa wird bei einem Ausstieg der Briten schwer leiden;
  • David Cameron hat in vielen Punkten seiner Kritik an der EU-Überregulierung einfach recht;
  • Die Mehrheit der Europäer will keinesfalls die Vereinigten Staaten von Europa, auf die aber sehr viele Eurokraten und EU-Abgeordnete offen oder insgeheim hinarbeiten;
  • Ein Ausscheiden der Briten würde mit Sicherheit auch in der Rest-EU einen unkontrollierbaren Prozess auslösen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem weiteren Zerfall führen würde.

Konzentration auf den Binnenmarkt

Mit anderen Worten: Ein konstruktives Neuverhandeln der EU-Verträge und deren Konzentration und Reduktion auf einen wirklich funktionierenden Binnenmarkt wären absolut im Interesse aller Europäer. Nebstbei bemerkt: Immerhin haben die Briten in ihrer prinzipiellen Korrektheit die bisherigen Binnenmarkt-Richtlinien vollständiger und ordentlicher umgesetzt als viele romanischen Länder. Besonders stark unterscheiden sich die Briten in Sachen Korruption von den Mittelmeer- oder gar den Balkan-Ländern.

Freilich: Bei nüchterner Analyse hätten auch die Briten und Cameron eigentlich starke Motive, in der EU zu bleiben. Das gilt für die gesamte Industrie, aber auch die britische Identität: Denn wenn sie ausscheiden, dann ist nämlich im nächsten Schritt die Sezession Schottlands absolut sicher. Die dortigen Sezessionisten werden dann mit Sicherheit obsiegen; die Schotten werden in der Folge die Metropole London einfach ignorieren und gleich direkt der EU beitreten (beziehungsweise in dieser zu verbleiben suchen). Bei den Schotten gibt es nämlich keine Anti-EU-Emotionen. Sie wollen nur eines: ihren Öl- und Gasreichtum nicht mit den verarmten Städten Nordenglands teilen. Sie wollen aber sehr wohl vom EU-Binnenmarkt profitieren.

Ein Ausscheiden der Schotten wäre wiederum für Labour eine Katastrophe: Denn Labours politische Stärke liegt ja in Schottland und Nordengland, nicht im wohlhabenden Süden der Insel. Ohne schottische Abgeordnete schrumpft aber Labours Chance auf eine Mehrheit in Westminster dramatisch, während die Konservativen in Schottland völlig unbedeutend sind.

Es ist eine Situation mit gewaltig vielen Variablen, die einander alle gegenseitig beeinflussen. Und mit nur einer vernünftigen Lösung.

In der Geschichte hat sich freilich schon oft die Vernunft nicht gegen nationale und sonstige Emotionen durchsetzen können. Umso dringender wäre es, zumindest grundsätzlich zu erkennen, was der gesunde Menschenverstand sagt: Camerons gewagtes Spiel ist überraschenderweise der einzige Ausweg. Angela Merkel scheint die einzige zu sein, die das zumindest ahnt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Der unbotmäßige Ungar drucken

Unlängst ging es wieder einmal hoch her im EU-Parlament. Redner der linken und liberalen Fraktionen sorgten sich um europäische Grundwerte, Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte. Nein, es ging nicht um die Euro-Rettungsmaßnahmen oder um Zustände in Bulgarien, Griechenland und Rumänien. Es ging um Ungarn, einen der beliebtesten Auslandsstandorte deutscher Industrieunternehmen, um ein Land, das trotz Wirtschaftskrise – anders als die meisten EU-Staaten – nicht über seine Verhältnisse lebt, sondern mehr exportiert als importiert. Das aber zugleich auch versucht, seine eigenen (nationalen) Interessen gegen die internationaler Finanz-, Handels- oder Medienkonzerne durchzusetzen.

Seit dort vor drei Jahren eine nationalkonservative Regierung ins Amt gewählt wurde, weht ein kalter Wind aus Brüssel gen Budapest – und er bläst immer schärfer. Mit der Rückkehr Viktor Orbáns – zwischen 1998 und 2002 schon einmal Ministerpräsident – an die Regierungsspitze endete eine sozialistisch-linksliberale Herrschaft, die erstmals zwei Legislaturperioden währte. In den Jahren von 2002 bis 2010 war das Land ökonomisch abgestürzt: die Staatsverschuldung stieg von 53 (2002) auf 82 Prozent (2012) des Bruttoinlandsprodukts (BIP). So sah das Erbe aus, das Orbán übernahm.

Vom Wähler mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit seines aus dem Bund Junger Demokraten (Fidesz) und Christdemokraten (KDNP) bestehenden Parteienbündnisses im Parlament ausgestattet, bedient sich der 49 Jahre alte, fünffache Familienvater Orbán, der in Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) aufwuchs, nach EU-Maßstäben weithin non-konformer Mittel, um postkommunistisch-oligarchische Erbhöfe aufzubrechen. Wegen seiner unkonventionellen Vorgehensweise werden ihm diktatorische Züge angedichtet – doch Orbán und seine Partei sind Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU sowie die ÖVP gehören.

Vor allem aber ist Orbán ein ungarischer Patriot, kein „netter Junge“, wie er kürzlich in Interviews mit deutschen Tageszeitungen betonte: „Ich würde mich sehr schämen, wenn das so wäre.“ Mit „Mainstream-Nice-Guys“ sei Ungarn nicht gedient. Die Wähler hätten ihn „nicht beauftragt, Mainstream-Politik zu betreiben“, er müsse sein Land „mit den schwierigsten Fragen konfrontieren und für diese Lösungen anbieten“. Doch mit Patriotismus und Vaterlandsliebe eckt man an in der schönen neuen EU-Welt. Schon 1989, als Student, hatte Orbán öffentlich den Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen aus Ungarn und die Rehabilitierung der Revolutionäre von 1956 verlangt. Deswegen schätzen es viele Ungarn auch heute noch, wenn sich Orbán „Einmischung jedweder Art von außen“ verbittet.

Dass sich Orbán mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) Wortgefechte liefert, spricht eher für den Ungarn. Doch dass jetzt auch die christdemokratische luxemburgische EU-Justizkommissarin Viviane Reding aus der EVP-Familie Artikel 7 des EU-Vertrags ins Spiel bringt, ist in der Tat ernst zu nehmen. Demgemäß kann ein Mitgliedsland mit Sanktionen bis zum Stimmrechtsentzug in den Unionsgremien belegt werden, wenn es „gegen demokratische Grundsätze verstößt“. Das erinnert fatal an das Vorgehen gegen die „falsche“ Wahl in Österreich anno 2000. Mit dem Unterschied, dass seinerzeit nicht die EU(-Kommission) selbst, sondern 14 Regierungen gegen die 15. (die Wiener ÖVP-FPÖ-Koalition) „besondere Maßnahmen“ (Sanktionen) einleiteten.

Die Wortwahl ist ähnlich martialisch: Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn nennt Ungarn einen „Schandfleck“. Unter Beifall des belgischen EU-Liberalen Guy Verhofstadt sieht der (selbst umstrittene) Grüne Daniel Cohn-Bendit Premier Orbán sogar „auf dem Weg, ein europäischer Chávez zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht“. Sogar Vergleiche mit der „gelenkten Demokratie“ Wladimir Putins oder des weißrussischen Autokraten Alexander Lukaschenko wurden gezogen.

Und das nur, weil eine nationalkonservative Regierung in Budapest ihre Zweidrittelmehrheit – unbeeindruckt von Kritik – dazu nutzt, Ungarn von Grund auf umzubauen und somit die Revolution von 1989/90 zu vollenden. Die Intensität des Umbaus ist vielleicht vergleichbar mit der unter Margaret Thatcher in Großbritannien; inhaltlich geht es allerdings in eine etwas andere Richtung. Und die angeblichen Massendemonstrationen gegen Orbáns Politik haben in der Regel erheblich weniger Zulauf als die national orientierten Kundgebungen des Fidesz. Und Umfragen, so jüngst jene des liberalen Meinungsforschungsinstituts „Median“, bescheinigen dem Orbán-Lager derzeit weiter eine Mehrheit im Wahlvolk.

Orbáns Sündenregister

Wogegen verstößt dieser unbotmäßige Orbán eigentlich? Er gängle die Medien, behaupten seine Kritiker. Doch dass ein Umbau der von ausländischen Verlagshäusern sowie Privatsendern beherrschten und verschuldeten „Staatssendern“ dominierten Medienlandschaft vonnöten ist, können nicht einmal die opponierenden Sozialisten ernstlich bestreiten. In der Printpublizistik hat die den Sozialisten nahe stehende einstige Parteizeitung „Népszabadság“ eine ähnliche Auflage wie das fidesz-nahe Blatt „Magyar Nemzet“.

Was macht Orbán noch verdächtig? Mit Zweidrittelmehrheit wurde ein neues Grundgesetz beschlossen, das 2012 in Kraft trat. Schon seit der Zeitenwende 1989/90  sollte die allenfalls an demokratische Verhältnisse angepasste stalinistische Verfassung von 1949 durch eine gänzlich neue ersetzt werden. Daraus war nie etwas geworden. Orbán ergriff die Gunst der Stunde und ließ ein Grundgesetz ausarbeiten, das laut dem bedeutenden deutschen Staatsrechtler (und Ex-Minister) Rupert Scholz nach „objektiven Kriterien eine moderne, in vielen Punkten sogar vorbildliche Verfassung“ ist.

Darin wird allerdings nicht nur die „Heilige Krone“ Stephans I. als Symbol der Wahrung der historischen Kontinuität der Nation verehrt, sondern auch der „Segen Gottes“ für deren Gedeih erfleht. Ungarn gehört damit zu jenen wenigen Ländern in Europa, die einen Gottesbezug in der Verfassung haben – der übrigens wörtlich aus der ungarischen Nationalhymne entlehnt ist. Auch das „Nationale Glaubensbekenntnis“ ist keineswegs „antieuropäisch“, sondern es betont – fern jedweden territorialen Verlangens – die Verantwortung für die etwa 3,5 Millionen Magyaren außerhalb der Landesgrenzen: „Die Nation muss über Grenzen hinweg vereint werden. Nicht durch die Bewegung von Grenzen, sondern über die Grenzen hinweg, im kulturellen und geistigen Sinne“, pflegt Orbán seinen Kritikern zu entgegnen.

Das festgeschriebene Bekenntnis zur Familie sorgt für Unmut, weil die neue Verfassung die Gleichstellung der Ehe mit gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften ausschließt. Auch mit der Festlegung des 22. Juli zum vierten Nationalfeiertag – im Gedenken an den Sieg eines christlichen Heeres bei Belgrad unter Johann Hunyadi über die Osmanen 1456 – fordert Orbáns Ungarn den Zeitgeist heraus und setzt ihm ein Stück seines christlich geprägten Wertekanons entgegen.

Dass die ungarische Verfassung ohne Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde, hat sie mit dem deutschen Grundgesetz oder der US-Verfassung gemein. Dass das ungarische wie andere Verfassungsgerichte nicht über ähnliche Kompetenzen wie jenes in Karlsruhe verfügt, ist in Europa nicht ungewöhnlich; Großbritannien und Schweden haben gar kein Verfassungsgericht. Und in Österreich wurde der Verfassungsgerichtshof schon oft genug durch großkoalitionäre SPÖ-ÖVP-Gesetze im Verfassungsrang ausgehebelt – ohne dass Brüssel daran Anstoß genommen hätte.

Das „Orbán-Bashing“ wird auf politischer wie medialer Ebene weitergehen, selbst wenn Venedig-Kommission und Monitoring des Europarats Ungarn keine „schwerwiegende Verletzung“ von EU-Grundrechten nachweisen können.

Derweil lässt sich die Autoindustrie weiter von Fakten leiten statt von Vorurteilen: Audi betreibt in Gy?r (Raab) das weltgrößte Pkw-Motorenwerk mit einer Jahreskapazität von zwei Millionen. Zudem werden dort der Sportwagen TT und A3-Varianten montiert. Mercedes begann 2012 mit der Produktion seiner B-Klasse in Kecskemét (Ketschkemet); in diesem Jahr kommt das neue Coupé CLA dazu. Und aus Szentgotthárd (St. Gotthard) sollen von 2014 an 600.000 statt (derzeit) 300.000 Opel-Motoren jährlich kommen. Das stimmt nicht nur Orbán und die „unorthodoxe“ Wirtschaftspolitik seines früheren Ressortchefs (und jetzigen Nationalbankpräsidenten) György Matolcsy optimistisch.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

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Paneuropa – wie eine falsche Idee zur erzwungenen Realität werden soll drucken

Im Rahmen des in Wien im November 2012 veranstalteten Festaktes zu 90 Jahren „Paneuropabewegung" wurde der Präsident des Europäischen Rates, Hermann van Rompuy, mit dem „Europapreis Coudenhove-Kalergi" ausgezeichnet. Der Preisträger bedankte sich mit einer bemerkenswerten Rede, in welcher er auf die von Graf Coudenhove-Kalergi in den 20er Jahres des vorigen Jahrhunderts vorgetragenen Ideengrundlagen einging. Die Paneuropabewegung habe lange vor 1945 den „intellektuellen Nährboden" vorbereitet, der „die Idee eines vereinten Europa für viel mehr Menschen als jemals zuvor möglich machte."

Noch heute bestimme diese Idee Entwicklung, Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union. Coudenhove-Kalergi habe bereits damals die noch immer gültige Frage gestellt, ob denn „Europa in seiner politischen und wirtschaftlichen Zersplitterung seinen Frieden und seine Selbständigkeit den wachsenden außereuropäischen Weltmächten gegenüber wahren kann – oder es gezwungen ist, sich zur Rettung seiner Existenz zu einem Staatenbunde zu organisieren?"

Diese Grundsatzrede des Präsidenten des Europäischen Rates, des höchsten Gremiums der EU, ist Anlass genug,  auf die Ideen von Coudenhove-Kalergi abwägend näher einzugehen.

Vereinigte Staaten von Europa nach dem Muster der USA

Über die Finalité der paneuropäischen Bestrebungen räumt Coudenhove-Kalergi jeden Zweifel aus: „Die Krönung der paneueropäischen Bestrebungen wäre die Konstituierung der Vereinigten Staaten von Europa nach dem Muster der Vereinigten Staaten von Amerika." Wie nahe dieses Ziel bereits ist, beschreibt Hermann van Rompuy mit „Europas politischer Reise, von einem Markt und Handelsblock hin zu einer politischen Rechtspersönlichkeit in voller Blüte mit ihrem eigenen Parlament, ihrer eigenen Währung, ihrer eigenen Flagge, einer gemeinsamen Außenpolitik.“

In seiner euphorischen Feststimmung übersieht van Rompuy, dass  an dieser Reise  längst nicht alle Staaten des europäischen Kontinents teilgenommen haben, dem Europäischen Parlament  noch immer die legislative Gewalt fehlt,  der Europäischen Währungsunion einstweilen nur 17 von derzeit 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beigetreten sind, von einer gemeinsamer Außenpolitik nur in Ansätzen die Rede sein kann und die europäische Flagge von manchen Mitgliedern auf ihren Regierungsgebäuden nicht aufgezogen wird.

Die geistige Basis der „Europäischen Nation“

Coudenhove-Kalergi träumte von einer „Europäischen Nation“ als der geistigen Basis der Vereinigten Staaten von Europa. Europa sei geistig „verbunden durch die christliche Religion, durch die europäische Wissenschaft, Kunst und Kultur, die auf christlich-hellenischer Basis beruht. Die gemeinsame europäische Geschichte begann mit dem Römerreich und der Völkerwanderung, fand ihre Fortsetzung in Papsttum und Feudalismus, Renaissance und Humanismus, Reformation und Gegenreformation, Absolutismus und Aufklärung, Parlamentarismus, Industrialismus, Nationalismus und Sozialismus.“ Diese „abendländische Kultureinheit gibt uns das Recht, von einer europäischen Nation zu sprechen, die sprachlich und politisch in verschiedene Gruppen gegliedert ist.“ Über die Zugehörigkeit zu seiner Nation hinaus, sollte jeder „gute Deutsche, Franzose, Pole und Italiener auch ein guter Europäer sein.“

Es fällt heute zunehmend schwer, in diesem Konglomerat von divergenten geschichtlichen Einflussfaktoren die europäische „Kultureinheit“ zu entdecken, welche die „Nation Europa“ begründen könnte. Die drei Hügel, auf denen einst die Wahrzeichen Europas standen – Akropolis, Golgatha und Kapitol – sind abgetragen, eingeebnet und unsichtbar geworden. Die einstigen Geistesgrößen der Griechischen Philosophie gelten heute als „Feinde der offenen Gesellschaft“, die Kreuze werden abgehängt, die römische Rechtskultur wich positivistischer Willkür.

„Europa schafft sich ab“, diagnostizierte der Altabt des Stiftes Heiligenkreuz im Sommer 2011. „Der Untergang Europas ist besiegelt, weil es sich mit seiner heutigen modernen Weltanschauung, die sich aus einer pervertierten Aufklärung entwickelt hat, verrannte“ (Gregor Graf Henckel von Donnersmarck). Geprägt ist diese „moderne Weltanschauung“ vom Geist des Antichristen, den Papst Franziskus sogar mit der Teufelsanbetung in Verbindung bringt. Sicher kein tragfähiges Fundament für Paneuropa und die „europäische Kultureinheit“!

Religionsbekenntnis und Nationalität müssen „Privatsache“ werden

Mit Coudenhove-Kalergi möchte auch Hermann van Rompuy für Europa „die Herzen der Menschen gewinnen“ und ihrer Denkweise den „Stempel Europa aufdrücken.“ Coudenhove-Kalergi wollte erreichen, dass Paneuropa „Wurzeln“ schlägt „in den Herzen und Köpfen der Europäer… Das paneuropäische Gemeinschaftsgefühl, der europäische Patriotismus muss Platz greifen als Krönung und Ergänzung des Nationalgefühls.“ Um das zu erreichen sei die „Trennung von Nation und Staat“ notwendig, und zwar so, wie Religion und Kirche vom Staat getrennt wurden: „Jeder Kulturmensch muss daran arbeiten, dass wie heute die Religion, morgen die Nation zur Privatsache jedes Menschen wird.“

Es sei eine Schande, dass heute Menschen wie einst für ihre Religion, so heute für ihre Nation „leben und sterben, morden und lügen“ würden. Die Nation sei „ein Reich des Geistes“, das nicht durch Grenzpfähle begrenzt werden könne. „Die deutsche Nation endet nicht an der Reichsgrenze: Österreicher und Südtiroler, Deutschböhmen, Deutschpolen und Deutschschweizer gehören ihr nicht minder an als Preußen und Bayern.“ Staatsbürgerliche Pflichten müssen von jedem Bürger erfüllt werden, „ohne je die kulturelle Zugehörigkeit zu seiner eigenen Nation zu verleugnen.“

Man kann Coudenhove-Kalergi vom Vorwurf der Ambiguität bei der Behandlung der nationalen Frage nicht freisprechen. Abgesehen davon, dass die Trennung von Kirche und Staat oder von Religion und Politik nach katholisch-orthodoxer wie römisch-katholischer Lehre eine Häresie darstellt. Papst Franziskus: „Das, was einer auf der Kanzel sagt, bezieht sich auf die Politik mit Großbuchstaben geschrieben, das ist die Politik, die Werte berücksichtigt; aber die Medien pflegen oft das Gesagte aus dem Zusammenhang zu reißen und es zugunsten der Parteipolitik an die Modeströmungen anzupassen.“

Einerseits fordert Coudenhove-Kalergi „europäischen Patriotismus“ und europäisches „Nationalgefühl“, um Europa als „Vereinigte Staaten“ begründen zu können; auf der anderen Seite plädiert er für die Trennung von Staat und Nation. Nationalistische Politik ist für ihn die „Totengräberin der europäischen Kultur“, doch laufen seine ganzen Vorschläge auf eine nationalistische Politik für „Paneuropa“ hinaus. Abgesehen von diesem Widerspruch, sind die Nationalstaaten ja „kein überständiger Restbestand des 19. Jahrhunderts, sondern eine in 2000 Jahren gewachsene Struktur und die lebendige Wirklichkeit des heutigen Europa. (Thilo Sarrazin)“ Verständlich, dass ganz in diesem Sinne der Ministerpräsident Großbritanniens, David Cameron, die Europäische Union aufforderte, „den Wert nationaler Identität anzuerkennen  und  die Diversität der europäischen Nationen als Quelle der Stärke zu schätzen.“

Europa, ein Machtzentrum der Welt

Coudenhove-Kalergi fürchtete, dass ohne „ihre Einigung die europäischen Staaten binnen kurzem von den wachsenden Weltmächten verschlungen werden“ Neben den vier anderen großen Weltzentren – dem panamerikanischen, dem britischen, dem russischen und dem ostasiatischen – könne Europa nur durch einen Zusammenschluss seiner die Zersplitterung bewirkenden Nationalstaaten sich behaupten. Entweder erfolge die Einigung freiwillig oder gewaltsam, durch Eroberung.

Als Coudenhove-Kalergi  1923 sein Buch schrieb und herausbrachte, sah er Europa durch Russland wie auch durch die amerikanische Wirtschaftskraft bedroht. Der Zusammenschluss „aller Staaten, von Polen bis Portugal“ sei die einzige Chance, wie Europa seine Selbständigkeit, sein Kolonialreich, seine Kultur und seine Zukunft noch retten könne.

Das Argument wird heute noch immer mit Vehemenz vertreten, doch es verliert zusehends an Überzeugungskraft. Nicht nur haben weit über hundert Kolonialvölker nach 1945 ihre Unabhängigkeit errungen, sondern auch der Zerfall des Sowjetimperiums sowie Jugoslawiens hat zur Entstehung von neuen Nationalstaaten geführt. In Ostasien widerspricht der Aufstieg relativ kleiner und in der Weltwirtschaft erfolgreicher „Tiger-Staaten“ der These Coudenhove-Kalergis, „Kleinstaaterei“ führe zum Untergang. Im Nahen Osten ist der erst 1948 gegründete Staat Israel ein Musterbeispiel, welche Macht Kleinstaaten in der Welt ausspielen können.

Zollunion unter sozialistischer Kontrolle

Dürftig sind die Vorstellungen Coudenhove-Kalergis auf wirtschaftlichem Gebiet. In der von den Schutzzöllen profitierenden Nationalindustrie sieht er einen wichtigen Gegner seiner Paneuropabestrebungen. Würde durch europäischen Zusammenschluss die Kriegsgefahr verschwinden, gäbe es keinen Grund mehr für national geschlossene Wirtschaftsgebiete und Autarkie, von denen monopolartige Treibhausindustrien profitierten. Freihandel und freie Konkurrenz würden nicht nur die europäischen Konsumenten mit besseren und billigeren Waren versorgen, sondern jene Industrien neue Märkte gewinnen lassen, welche die Konkurrenz nicht zu fürchten brauchen. Die Gefahren, die von Monopolindustrien und Trustbildungen ausgehen, könnten gebannt werden „durch eine sozialistische Kontrolle, die in Europa leichter durchzuführen ist als in Amerika, weil hier der Sozialismus über mehr Macht verfügt.“

In den über die Grenzen hinausdrängenden „paneuropäischen Monopolindustrien“  und dem „internationalistischen Sozialismus“ sieht Coudenhove-Kalergi starke Antriebskräfte für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa, ebnet doch dort „die natürliche Vervollkommnung des kapitalistischen Systems … den Weg zum Sozialismus.“, jenem „Sozialismus, der die ganze Welt regeln wird“ und „die Menschheit wie von anderen Ausbeutungsfesseln auch befreien (wird) von den hemmenden zwischenstaatlichen Zollschranken.“

Coudenhove-Kalergi sollte mit diesem Hinweis auf die Verbindung von Monopolkapitalismus und Sozialismus Recht behalten. So berichtete Wolfgang Böhm jüngst über das 1983 erfolgte „Treffen der wichtigsten Konzernchefs von Philips über Siemens, Fiat, Volvo bis Nestlé, um die Idee eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes zu forcieren. Dieser „European Round Table“ fand Gehör beim sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten Jacques Delors.“ 1986 öffneten „die einheitlichen Europäischen Akte“ den Weg zum Binnenmarkt.

Jetzt werden über „das mit Abstand wichtigste Projekt der Aufbau einer gemeinsamen transatlantischen Freihandelszone zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union“ noch im Sommer 2013 Verhandlungen aufgenommen. Inzwischen mehren sich die Stimmen der Auguren, die nach dem bereits 1993 erfolgten Beschluss über die „Agenda 21“ der UNO sogar eine Weltregierung im Entstehen sehen, welche die nachhaltige Entwicklung der Weltwirtschaft („sustainable development“) durch umfassende Regelungen und Kontrollen sichern soll.

Der Einspruch gegen dieses grundfalsche, eben auch von Coudenhove-Kalergi vertretene, liberale Konzept „gemeinsamer Märkte“, erfolgt jetzt nicht nur von Nationalökonomen alter Schule, sondern sogar von den Intelligenteren unter den Juristen. Sie sehen im Binnenmarkt einen „Grundfehler der Integration“ und wenden sich „gegen die Freihandelsdoktrin. (Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider)“ Der Eindruck drängt sich auf, die Politikversager möchten den ob seiner horrenden Arbeitslosigkeit gescheiterten, von der Bevölkerung nicht mehr mitgetragenen europäischen „Binnenmarkt“ durch die Flucht in den noch größeren „Nato-Markt“ kompensieren

„Welt-Union“ statt „Europäischer Union“? Das kann die Fahrt in den Abgrund nur beschleunigen.

Die Führung Europas durch den neuen Adel

Die bemerkenswerten Feststellungen zur Verbindung von Kapitalismus und Sozialismus durch gemeinsame Interessen bahnen den Weg zum Verständnis der elitären Vorstellungen Coudenhove-Kalergis über die politische Führung Europas, ihre Rekrutierung und Zusammensetzung.

Einen guten Zugang zu diesen Vorstellungen erhält der Leser durch eine kleine Schrift, die Coudenhove-Kalergi 1922 unter dem Titel „Adel“ veröffentlicht, aber wohl schon 1920 fertiggestellt hat. Die Schrift gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil ist die Rede vom „rustikalen und urbanen Menschen“. Er enthält Gegenüberstellungen von Landmensch und Stadtmensch; Junker und Literat; Gentleman und Bohemien; Inzucht und Kreuzung; heidnischer und christlicher Mentalität.

All diese Charakterisierungen sind amüsant zu lesen. Der rational denkende Stadtmensch habe den organisch denkenden Landmenschen abgelöst, der Literat und Geistesmensch den geistig minderbemittelten Junker und Blutadel verdrängt, der Bohemien den Gentleman. Der Rustikalmensch sei vielfach ein Produkt der Inzucht, der Urbanmensch eher ein Mischling, in dem sich Vielseitigkeit, geistige Regsamkeit, Freiheit von Vorurteilen und Weite des Horizontes verbinden. Schon diese in Kurzform wiedergegebenen Gegenüberstellungen lassen erkennen, wem die Führung in Zukunft gehören wird: Nicht dem „Blut- und Schwertadel“, sondern dem „Hirnadel“.

Der Held und der Heilige

Von besonderem Interesse in diesem ersten Teil ist der letzte Abschnitt mit der Gegenüberstellung von heidnischer und christlicher Mentalität, den wir weitgehend zitieren wollen.

„Heidentum stellt Tatkraft, Christentum Liebe an die Spitze der ethischen Wertskala.“ Christentum will das Raubtier Mensch in ein zahmes Haustier verwandeln, während Heidentum den Menschen zum Übermenschen umschaffen will. Im Mittelalter lebt das Heidentum als ritterliche, in der Neuzeit als imperialistische und militaristische Weltanschauung fort. Offiziere, Junker, Kolonisatoren, Industriekapitäne sind die führenden Repräsentanten modernen Heidentums. Tatkraft, Tapferkeit, Größe, Freiheit, Macht, Ruhm und Ehre: das sind die Ideale des Heidentums;

während Liebe, Milde, Demut, Mitleid und Selbstverleugnung wahre christliche Ideale sind. Allgemeingültiger heidnischer Individualismus ist nur in dünn bevölkerten Erdstrichen möglich, wo der Einzelne sich behaupten und rücksichtslos entfalten kann, ohne gleich in Gegensatz zu seinen Mitmenschen zu geraten. In übervölkerten Gegenden, wo Mensch an Mensch stößt, muss das sozialistische Prinzip gegenseitiger Unterstützung das individualistische Prinzip des Daseinskampfes ergänzen und zum Teil verdrängen.

Christentum und Sozialismus sind internationale Großstadtprodukte. Das Christentum nahm als Weltreligion seinen Ausgang von der rasselosen Weltstadt Rom; der Sozialismus von den national gemischten Industriestädten des Abendlandes. Beide Äußerungen christlicher Mentalität sind auf Internationalismus ausgerichtet, welcher die Zukunft bestimmen wird.

Christentum und Judentum

„Das Christentum, ethisch von jüdischen Essenern (Johannes), geistig von jüdischen Alexandrinern (Philo) vorbereitet, war regeneriertes Judentum. Soweit Europa christlich ist, ist es (im ethisch-geistigen Sinne) jüdisch; soweit Europa moralisch ist, ist es jüdisch. Fast die ganze europäische Ethik wurzelt im Judentum. Die prominentesten und überzeugtesten Vertreter christlicher Ideen, die in ihrer modernen Wiedergeburt Pazifismus und Sozialismus heißen, sind Juden … Der theokratischen Idee der Identifikation von Politik und Ethik ist das Judentum im Wandel der Jahrtausende treu geblieben: Christentum und Sozialismus sind beides Versuche, ein Gottesreich zu errichten. Vor zwei Jahrtausenden waren die Urchristen, nicht die Pharisäer und Sadduzäer, Erben und Erneuerer mosaischer Tradition; heute sind es weder die Zionisten noch die Christen, sondern die jüdischen Führer des Sozialismus: denn auch sie wollen, mit höchster Selbstverleugnung, die Erbsünde des Kapitalismus tilgen, die Menschen aus Unrecht, Gewalt und Knechtschaft erlösen und die entsühnte Welt in ein irdisches Paradies wandeln. Diesen jüdischen Propheten der Gegenwart, die eine neue Weltepoche vorbereiten, ist in allem das Ethische primär: in Politik, Religion, Philosophie und Kunst.“

Charakterstärke verbunden mit Geistesschärfe prädestiniert den Juden in seinen hervorragendsten Exemplaren zum Führer urbaner Menschheit, zum falschen wie zum echten Geistesaristokraten, zum Protagonisten des Kapitalismus wie der Revolution.

Das demokratische Zwischenspiel und sein Ende

Nicht minder anregend ist der zweite Teil dieser kleinen Schrift, der mit „Krise des Adels“ überschrieben ist. Er besteht aus 5 Abschnitten und wird mit einem „Ausblick“ abgeschlossen.

Gleich der erste Abschnitt „Geistesadel statt Schwertherrschaft“ hat es in sich. „Unser demokratisches Zeitalter“, schreibt Coudenhove-Kalergi, „ist ein klägliches Zwischenspiel zwischen zwei großen aristokratischen Epochen: der feudalen Aristokratie des Schwertes und der sozialen Aristokratie des Geistes. Die Feudalaristokratie ist im Verfall, die Geistesaristokratie im Werden. Die Zwischenzeit nennt sich demokratisch, wird aber in Wahrheit beherrscht von der Pseudo-Aristokratie des Geldes.“ Das Schwarzpulver bedeutete das Ende der Ritterschaft, der Buchdruck gab dem schriftstellernden Geist Machtmittel von ungeheurer Tragweite.

„Der Einfluss des Blutadels sank, der Einfluss des Geistesadels wuchs. Diese Entwicklung, und damit das Chaos moderner Politik wird erst dann ein Ende finden, bis eine geistige Aristokratie die Machtmittel der Gesellschaft: Pulver, Gold, Druckerschwärze, an sich reißt und zum Segen der Allgemeinheit verwendet. Eine entscheidende Etappe zu diesem Ziel bildet der russische Bolschewismus, wo eine kleine Schar kommunistischer Geistesaristokraten das Land regiert und bewusst mit dem plutokratischen Demokratismus bricht, der heute die übrige Welt beherrscht und korrumpiert.“

Dürfen wir hier, Coudenhove-Kalergi ergänzend, anmerken, dass manche nicht unbegründet vermuten, die kommunistische Geistesaristokratie sei in die Glaspaläste der Europäischen Union eingezogen, habe den Stuhl des Kommissionspräsidenten eingenommen und führe nun auch den Vorsitz im Europäischen Parlament? Und mit China würde diese „kommunistische Geistesaristokratie“ bereits eine Weltmacht regieren, von deren Wohl und Wehe der „Westen“ weitgehend abhängig sei? Hat demnach Coudenhove-Kalergi mit der Bemerkung recht, Kapitalismus und Kommunismus seien „beide rationalistisch, beide mechanistisch, beide abstrakt, beide urban“, im Grunde also verwandt? Offen bleibt für uns die Frage, ob aus dieser geistigen Verwandtschaft von Kapitalismus und Sozialismus tatsächlich, wie Coudenhove-Kalergi vermutet, ein neuer Geistesadel erwächst, dem die Führung Europas anvertraut werden kann?

Die Krise des Adels

Mit der Erfindung des Schwarzpulvers hat der Schwertadel endgültig ausgespielt. Der Ritter wurde vom Pferd geschossen. Der Blutadel, der einst seine Ländereien verwaltete und bodenständig war, kam bei Hofe mit der Dekadenz in Berührung und verdarb. Der Geistesadel aus Literatur, Wissenschaft, Kunst wurde vom korruptionistischen Kapitalismus „vergiftet“, „Schule und Presse sind heute beide in den Händen einer ungeistigen Intelligenz.“

Auch die „Geldaristokratie“, die Plutokratie, welche die Macht an sich riss, befindet sich „gegenwärtig in einer Verfallsperiode.“ Ihr war es gelungen, ihre Herrschaftsform hinter einer demokratischen Fassade aufzurichten, die Staatsmänner zu ihren Marionetten zu machen und ihnen die Richtlinien der Politik durch Bestechung zu diktieren. Herabgekommen zur Schieber- und Spekulantenaristokratie, droht der kapitalistischen Plutokratie durch den Bolschewismus und Sozialismus eine Katharsis, welche sie zwingt, soziale Forderungen mehr und mehr zu berücksichtigen. Der gemeinsame Tanz von Kapitalismus und Sozialismus hat schon begonnen.

Der unverzichtbare Adel

Trotz aller Verfallsformen ist Adel unverzichtbar: „Will die Menschheit vorwärts schreiten, braucht sie Führer, Lehrer, Wegweiser; Erfüllungen dessen, was sie werden will; Vorläufer ihrer künftigen Erhebung in höhere Sphären. Ohne Adel keine Evolution. Eudämonistische Politik kann demokratisch – evolutionistische Politik muss aristokratisch sein. Um emporzusteigen, um vorwärts zu schreiten sind Ziele nötig; um Ziele zu erreichen, sind Menschen nötig, die Ziele setzen, zu Zielen führen: Aristokraten.“ Das Zwischenspiel der Demokratie „entstand aus Verlegenheit: nicht deshalb, weil die Menschen keinen Adel wollten, sondern deshalb, weil sie keinen Adel fanden.“

„Von der europäischen Quantitätsmenschheit, die nur an die Zahl, die Masse glaubt, heben sich zwei Qualitätsrassen ab: Blutadel und Judentum. Voneinander geschieden, halten sie beide fest am Glauben an ihre höhere Mission, an ihr besseres Blut, an menschliche Rangunterschiede. In diesen beiden heterogenen Vorzugsrassen liegt der Kern des europäischen Zukunftsadels: im feudalen Blutadel, soweit er sich nicht vom Hofe; im jüdischen Hirnadel, soweit er sich nicht vom Kapital korrumpieren ließ.“

Die Überlegenheit ihres Geistes „prädestiniert“ die Juden „zu einem Hauptfaktor zukünftigen Adels“ und zur „Menschheitsführung. Bei ihnen ist seit jeher „das Gemeinsame, Verbindende und Primäre nicht die Nation, sondern die Religion. Im Laufe des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung traten in diese Glaubensgemeinschaft Proselyten ein, zuletzt König, Adel und Volk der mongolischen Chazaren, der Herren Südrusslands. Von da an erst schloss sich die jüdische Religionsgemeinschaft zu einer künstlichen Volksgemeinschaft zusammen und gegen alle übrigen Völker ab. (Richard N. Coudenhove-Kalergi nimmt hier Bezug auf das Buch seines Vaters, Dr. Heinrich Coudenhove-Kalergi: Antisemitismus )“

Die Jahrhunderte währende Verfolgung und Ausrottungsversuche durch das europäische Christentum [Anm.: Die erst mit dem Zweiten Vatikanum einsetzende Reflexion und Reaktion der römisch-katholischen Kirche auf diesen Vorwurf hat ihre Glaubwürdigkeit zutiefst erschüttert und sogar zur Änderung ihrer liturgischen Texte und Riten geführt] haben das Judentum gestählt und einem Ausleseprozess unterzogen, der es „zu einer Führernation der Zukunft erzogen“ und „zu einem geistigen Adel entwickelt“ hat. Das Judentum wird deshalb der Schoß sein, „aus dem ein neuer, geistiger Adel Europas hervorgeht; ein Kern um den sich ein neuer, geistiger Adel gruppiert“.

Lenin und Trotzki, der neue Adelstyp

Dieser neue Adel rekrutiert sich beileibe nicht nur aus dem Judentum. Coudenhove-Kalergi schwebt ein neuer Adelstyp vor, der aus „einem kleinen Rest sittlich hoch stehenden Rustikaladels und eine(r) kleinen Kampfgruppe revolutionärer Intelligenz“ besteht. „Hier wächst die Gemeinschaft zwischen Lenin, dem Mann aus ländlichem Kleinadel, und Trotzki, dem jüdischen Literaten, zum Symbol: Hier versöhnen sich die Gegensätze von Charakter und Geist, von Junker und Literat, von rustikalem und urbanem, heidnischem und christlichem Menschen zur schöpferischen Synthese revolutionärer Aristokratie.“ Der nicht korrumpierte Landadel hat eine Fülle vitaler Kräfte in tausendjähriger Symbiose mit der Natur gesammelt und aufgespeichert Gelingt es, diese gesteigerte Lebensenergie ins Geistige zu sublimieren, dann könnte vielleicht der nichtjüdische Adel der Vergangenheit  zusammen mit dem jüdischen Geistesadel Anteil nehmen am Aufbau des Adels der Zukunft, der sich durch alles „Hervorragende an Schönheit, Kraft, Energie und Geist“, an „Unbeugsamkeit des Willens, Seelengröße und Selbstlosigkeit“ auszeichnet.

Man kann über dieses neue „Herrschervolk“, diese neue „Herrenrasse“, deren Bildung Coudenhove-Kalergi sogar mit eugenischen Züchtungsmethoden fördern wollte, leicht die Nase rümpfen, doch die Bildung von Führungseliten gehört zu den unverzichtbaren Aufgaben staatlichen Überlebens. Auch wenn man die Verbindung von altem Adel und Sozialismus – ob nun „katholischem“ oder „jüdischem Sozialismus“ – ablehnt, so sollte zumindest das Faktum ein wenig des Nachdenkens wert sein, dass seine Kaiserliche und Königliche Hoheit, Otto von Habsburg, die Präsidentschaft der Paneuropabewegung nach dem Tode von Coudenhove-Kalergi übernommen hatte.

Sein Sohn Karl gehört dem Präsidium der Paneuropa-Union seit 1994 an. Unterstützt wurden und werden sie von vielen Angehörigen des Hochadels, die politische und soziale Verantwortung zu ihrem Anliegen gemacht haben. Darüber hinaus sind heute etwa einhundert Abgeordnete zum Europäischen Parlament Mitglieder der Paneuropa-Union.

In zahlreichen Querverbindungen wird die Zusammenarbeit mit den in den USA beheimateten Einflussgruppen gepflegt. Damit wird von der Paneueropabewegung dem Umstand Rechnung getragen, dass die Europäische Union heute nur noch als „euroasiatischer Brückenkopf der USA“ (Zbigniew Brzezinski) fungiert. Die von Hermann van Rompuy eingangs gestellte Frage, ob denn Europa seinen Frieden und seine Selbständigkeit den anderen Weltmächten gegenüber wahren kann, hat sich damit ebenso erledigt wie die Vorstellung Coudenhove-Kalergis, Europa könne durch Zusammenschluss zu einer auf der globalen Bühne mitspielenden Weltmacht werden. Denn trotz Europäischer Union ist Europa, wie Coudenhove-Kalergi schon 1923 befürchtete, „politisch und militärisch zum Schachbrett der Welt“ und anderen Großmächten hörig geworden.

Die Vereinigten Staaten von Europa – eine „idée fausse“

„Europa als politischer Begriff besteht nicht.“ Diese, wenn auch von ihm bekämpfte Einsicht, die Coudenhove-Kalergi 1923 vortrug, ist heute so gültig, wie sie es immer war. In seiner Geschichte war Europa nie eine staatliche Einheit, weder unter der Herrschaft Roms, noch unter den Kaisern und Päpsten des Mittelalters. Ganz zu schweigen von den gescheiterten Versuchen, die Napoléon, Stalin oder Hitler zur Neuordnung Europas unternommen haben.

Nach ihrer von Freiherrn von der Heydte so beredt beschriebenen „Geburtstunde des souveränen Staates“ im 13. Jahrhundert, hat die Entwicklung zu Nationalstaaten bis heute nicht an Fahrt verloren. Es ist einfach Utopie zu glauben, dass selbstbewusste Völker wie die Briten, Irländer, Holländer, Franzosen, Spanier, Italiener, Dänen, Schweden, Norweger, Finnen, Polen oder Tschechen ihre Souveränität an einen europäischen Bundesstaat abtreten. Selbst Vielvölkerstaaten wie Österreich, Belgien oder gar die Schweiz denken nicht daran, ihre staatliche Existenz aufzugeben.

Europa ist ein opakes, intransparentes, vergiftetes Wort, missbraucht zur Irreführung und zur Verschleierung politischer Zwecke. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ – selten hat ein Satz die Runde gemacht, der an Unsinnigkeit kaum zu überbieten ist. Europa „scheitert“ nicht einmal, wenn die EU sich auflöst! Die europäischen Völker und ihre Staaten werden auch ohne übergestülpte Zwangsjacke in Frieden weiterleben, solange jedenfalls wie die NATO ihn wahrt.

Völker sind Völker. Niemand hat das Recht, ihnen ihre Existenz in der von ihnen bejahten staatlichen Form zu verweigern. Weder kulturell noch politisch gibt es ein Substrat, das für die Vereinigten Staaten von Europa die notwendigen Ligaturen oder Bindekräfte beistellen könnte. Es gibt kein „europäisches Volk“. Die Abstimmungen über die Europäische Verfassung haben das dort, wo sie stattfinden konnten (Irland, Frankreich, Holland), eindeutig bewiesen. Heute kann die EU nur noch durch ständigen Rechtsbruch am Leben gehalten werden (Paul Kirchhof, Jürgen Stark).

Die EU steht vor einem Scherbenhaufen und muss zusehen, wie in vielen Staaten die Bevölkerung protestiert, Gewerkschaften mit Streiks das Land lahm legen, Parlamente gestürmt, Banken belagert, Schaufenster eingeschlagen, Geschäfte geplündert, Autos, Barrikaden und Häuser angezündet werden und ganze Stadtviertel außer Kontrolle geraten. Ein Europa, in dem es notwendig ist, Knüppel, Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse  einzusetzen, um das Versinken in Anarchie zu verhindern, ist das das Europa, das Coudenhove-Kalergi erträumte? Sicher nicht!

Es ist an der Zeit, Alternativen ins Auge zu fassen und den Völkern nicht länger das Naturrecht  auf Existenz in den von ihnen im Laufe der Geschichte gebildeten poltisch-staatlichen Einheiten zu verweigern. Europa der Vaterländer, das Konzept de Gaulles, ist das, was von den Völkern akzeptiert wird: Kooperation auf gleicher Augenhöhe, nicht aber die Vereinigten Staaten von Europa!

Der Autor ist Dozent für Theoretische Volkswirtschaftslehre und Politik. Er war Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz. Seine letzten Publikationen: Die Rechte der Nation (2002, slowakisch 2008), Der Sinn der Geschichte (2011), ESM-Verfassungsputsch in Europa (2012). 

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Fekter – eine nur sehr bedingte Siegerin drucken

Maria Fekter könnte nach dem EU-Finanzministerrat als Siegerin im Konflikt um die Zinsbesteuerung dastehen – wenn auch nur als sehr vorläufige –, wäre ihr nicht vor einigen Wochen der eigene Parteiobmann in Sachen des diesbezüglichen österreichischen Briefs an Brüssel völlig überflüssigerweise in den Rücken gefallen.

Dieser schwere Fehler bleibt unbegreiflich. Aber offenbar hat Werner Faymann den Vizekanzler mit seinem Vorstadtcharme wieder einmal um den Finger gewickelt. Die Andeutungen, dass Faymann bei einem Hartbleiben Spindeleggers ja dann beim Europäischen Rat Fekter desavouieren hätte können, sind nicht weiter ernst zu nehmen; denn damit hätte er sowohl Verfassung (Artikel 23d und folgende) wie auch Koalitionsvertrag gebrochen – wenn die ÖVP auf beide Dokumente gepocht hätte.

Aber ebenso offenbar hat Michael Spindeleggers tiefsitzende Aversion gegen die nicht gerade pflegeleichte Finanzministerin dessen Haltung mit beeinflusst. Das wird nun logischerweise von der SPÖ und den SPÖ-nahen Medien (also fast allen) weidlich ausgeschlachtet.

Fekter kann sich aber jedenfalls Dreierlei zugute halten:

  • dass Österreichs bilaterale Abkommen vor allem mit der Schweiz vorerst halten;
  • dass Luxemburg wieder Seite an Seite mit Österreich steht;
  • und dass die EU-Kommission keineswegs die erwünschte extensive Vollmacht bekommen hat, zur obersten Bankeinlagen-Institution zu werden. Dementsprechend frustriert reagiert man ja auch nach dem Finanzministerrat in der Kommission.

Dennoch ist der Erfolg der Finanzministerin ein nur sehr vorläufiger.

Denn erstens dürfte am Ende des nun eingeleiteten Verhandlungsprozesses sehr wohl der von ihr anfangs abgelehnte automatische Datenaustausch in ganz Europa stehen. Und dieser wird mit Sicherheit auch das innerösterreichische Steuergeheimnis kippen. Denn seit Jahrzehnten ist eisernes EU-Gesetz, dass in allen Fragen alle EU-Bürger mit Inländern gleichzustellen sind. Das wird auch die erste Klage eines EU-Ausländers beim EuGH mit absoluter Sicherheit ergeben. Es macht fassungslos, wie sehr die Politik und fast alle Medien dieses Faktum unter den Tisch kehren, offenbar weil es parteipolitisch opportun ist. Und weil sie hoffen, dass das niemand sonderlich auffallen wird, weil bis zur Rechtskraft einer solchen Entscheidung natürlich noch Jahre vergehen werden.

Zweitens wird man erst am Ende sehen – also wenn einmal alle Wortlaute ausverhandelt sind –, ob es weiterhin die in den Niederlanden und Großbritannien derzeit problemlos möglichen anonymen Gesellschaften geben wird. Fekter hat mit ihrer wiederholten Aussage ja absolut recht, dass diese Trusts perfekt geeignet sind, um dubiose Vermögen zu verstecken.

Und drittens steht noch völlig in den Sternen, ob die EU auch gegenüber den USA (Delaware!), Singapur und sämtlichen Karibik-Inselchen eine symmetrische Klärung erreichen wird.

Dahinter verschwindet ohnedies das überhaupt Allerwichtigste, das auch Fekter nie ausgesprochen hat: So wenig man für Steuerbetrüger auch nur irgendeine Sympathie haben kann, so wenig sollte sich irgendein Steuerzahler freuen, falls nun wirklich alle Länder gleichgeschaltet werden. Denn nach der Gleichschaltung können Regierungen und Finanzminister aller Länder endgültig hemmungslos Steuern und ähnliche Konfiskationsmethoden zur Finanzierung ihrer Geldverschwendungs-Manie erhöhen. Bisher war ja die Möglichkeit zur Finanzflucht im Falle von Steuerexzessen noch das effizienteste Hindernis gegen die Gier und Verantwortungslosigkeit der Politik.

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Zwischen Sparer und Steuerzahler drucken

„Was für eine Frivolität!“ Solche empörte Formulierungen hört man derzeit von Europas Sparern. Selbst Deutsche und Österreicher realisieren langsam, dass auch ihren Sparguthaben bei einem Zusammenbruch der Hausbank Böses geschehen könnte. „Wie soll denn der normale Anleger oder ein kleines Unternehmen herausfinden, wie stabil die Hausbank ist?“, fragte einer von ihnen im Internet voller Zorn.

Ja, wie denn? Und warum soll ein Zugriff auf Bankeinlagen überhaupt denkbar, oder gar zumutbar und gerecht sein?

Tatsache ist jedenfalls, dass im Gefolge des von Europa verlangten Zugriffs auf die zypriotischen Sparer ein totaler Wandel der europäischen Spielregeln diskutiert wird, zumindest in finanzieller und ökonomischer Hinsicht. Dass Sparer nichts anderes als Gläubiger einer Bank sind, und als solche auch ein Risiko tragen, war bisher nicht Teil unserer Denkwelt.

Zurück zur Eigenverantwortung

Im Grunde aber ist es ein Zurück zur Normalität. Jahrtausende war jeder selbst verantwortlich, wo und wie er beispielsweise sein Geld aufbewahrt. Wenn Mäuse oder Motten seine Banknoten zerfressen haben, gab es genausowenig jemanden, der ihn gegen den dabei erlittenen Schaden sicherte, wie im fast noch blöderen Fall, dass alte Menschen vergessen, wo sie das Geld versteckt haben. Auch wenn ein Haus durch Blitz, Hochwasser oder sonstige Naturkatastrophen zerstört worden war, traf es den Eigentümer und seine Familie, sonst aber niemanden. Es gab sicherlich Nächstenhilfe durch Verwandte und Nachbarn, aber keine Sicherungs-Ansprüche, wenn man nicht versichert gewesen ist.

Staatliche De-facto-Garantien für die Opfer von Naturkatastrophen haben sich erst in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Sie haben aber gefährliche Folgen. Seit nach fast jedem Hochwasser Landeshauptleute und Bundeskanzler durch die Lande fuhren und versprachen, dass sie allen helfen (natürlich sind es in Wahrheit immer die Steuerzahler beziehungsweise die Schuldenzahler der nächsten Generation, die zur Hilfe gezwungen wurden), seither ist logischerweise bei vielen die Lust geschrumpft, sich selbst ausreichend und teuer zu versichern. Zugleich ist die Lust gestiegen, billige, aber riskante Bauplätze zu nutzen, die lawinenbedroht oder überschwemmungsgefährdet sind.

Ungerechtigkeit siegt

Ganz ähnliche Folgen haben die staatlichen Garantien für Sparer und Banken. Unter dem staatlichen Sicherungs-Schirm drängen Sparer logischerweise zu solchen Instituten, bei denen sie deutlich höhere Zinsen kassieren. Dass die Sparer dort genauso gegen einen Crash gesichert sein sollen, wie bei anderen Geldinstituten, die sicherheitsbewusst nur mickrige Zinsen zahlen, ist absolut nicht einzusehen. Dennoch wird diese allgemeine Einlagensicherung von erstaunlich vielen Menschen für „gerecht“ gehalten.

„Gerechtigkeit!“ ist ja in letzter Zeit wohl der am meisten missbrauchte Slogan. Er wird besonders gerne dann gerufen, wenn es in Wahrheit skandalöse Ungerechtigkeit zu überdecken gilt. Also beispielsweise dann, wenn ein Dritter zur Erhaltung des eigenen Einkommens Schulden machen soll, wie es die Mittelmeerstaaten Griechenland bis Frankreich von den (relativ) sparsameren Nordeuropäern verlangen.

Im Falle der Banken ist eine Einlagensicherung selbst für hochverzinste Einlagen doppelt ungerecht: Wenn es gut geht, tragen die Hochzins-Sparer fette Zinsen nach Hause, wenn es schlecht geht, werden sie „gerettet“. Und zwar in erster Linie ausgerechnet von jenen Geldinstituten (und damit deren Kunden), die immer nur bescheidene Zinsen gezahlt (beziehungsweise kassiert) haben. Und in zweiter Linie werden dann die Steuerzahler beziehungsweise deren Kinder und Kindeskinder zwangsverpflichtet – ebenfalls ohne jemals die Vorteile wie fette Zinsen gehabt zu haben. Sie sind ja der sich durch den Mund der Politik so generös ausgebende „Staat“ und niemand sonst.

Damit ist aber auch die Antwort auf die eingangs gestellte Frage gegeben: Auch der „normale Anleger“ sieht auf den ersten Blick, ohne Ökonom oder Bankexperte zu sein, ob seine Bank normale oder überhöhte Zinsen zahlt. Hohe Zinsen sind immer ein Beweis für hohes Risiko. Das kann gut gehen, aber eben viel leichter als bei anderen auch schlecht.

Der Steuerzahler sichert Spekulanten

Es wäre logisch, ja geradezu zwingend, die staatliche Einlagensicherung deklariertermaßen maximal auf jene Kreditinstitute zu beschränken, die nur mäßige Zinsen zahlen. Alles andere ist genauso Spekulation, wie das, was die österreichische Politik nun sogar allenthalben verbieten will. Es ist eigentlich völlig absurd: Der Staat verbietet sich selbst (zumindest angeblich) jede Spekulation, rettet aber jene, die bewusst spekulieren.

Das ist aber wohlgemerkt kein Plädoyer für die Verbotsmanie, die – von den Grünen ausgehend – derzeit in Politik und Medien wütet. Aber es ist sehr wohl ein Ruf nach Logik und ökonomischer Ordnungspolitik. Wirtschaftliche Konsequenzen sind immer logischer und pädagogisch heilsamer als abstrakte staatliche Gebote und Verbote. Die führen nur zur Entwöhnung von jeder Eigenverantwortung.

Wir alle sollten uns viel stärker bewusst sein: Staatliche Garantien sind nur so lange wirksam, wie der Staat stark und zahlungskräftig genug ist, sie auch einzuhalten. Bei einem staatlichen Crash hingegen ist – ebenso wie etwa nach einem verlorenen Krieg – eine staatliche Garantie nicht einmal das Papier wert, auf dem sie steht.

Irgendwie muss man ja schmunzeln: Zu jenen, die sich nun besonders ob der für sie neuen Erkenntnis empören, dass letztlich auch ein Sparbuch Risiken hat, zählen viele, die davor die Rettung von Banken durch den Steuerzahler kritisiert haben. Sie haben jedoch nicht begriffen, dass das eine mit dem anderen eng zusammenhängt. Denn neben dem (eben meist viel zu kleinen) Eigenkapital und einigen anderen Finanzierungsquellen, auf die sowieso im Falle von Problemen als erste zugegriffen wird, sind die Konto- und Spareinlagen das einzig relevante Vermögen einer Bank.

Das Eigeninteresse der Staaten

An dieser Tatsache ändert auch die Verantwortlichkeit der Staaten am Zustand der Banken nichts. Die Regierungen haben trotz tausender Seiten von Bankenregulierungen und zahlloser staatlicher Bankaufsichts-Gremien zugelassen, ja meist sogar gewünscht, dass die Banken nur ein sehr knappes Eigenkapital haben. Viele Banken wären im internationalen Wettbewerb untergegangen, hätten sie (oder ihr Land) einseitig die Haftungsreserve durch das Eigenkapital hinaufgesetzt.

Vor allem aber hätten die Banken mit höherer Eigenkapitalpflicht nicht die Staaten finanzieren können. Die Staaten haben sich dabei insbesondere dadurch schuldig gemacht, dass eine Bank Staatsanleihen überhaupt nicht mit Eigenkapital absichern („unterlegen“) muss; wachstumsrelevante Kredite an Unternehmen lösen hingegen sehr wohl eine solche Eigenkapital-Pflicht aus.

Diese ökonomisch nicht begründbare Differenzierung hilft den Staaten bei ihrer Verschuldung enorm. Sie argumentieren mit der Fiktion, dass Staaten ja absolut sichere Schuldner seien. Was man freilich spätestens seit Griechenland oder Zypern und auch Kärnten(!) nur noch für einen schlechteren Scherz halten kann.

Abschreckendes Beispiel Hypo

Die katastrophalen Folgen des staatlichen „Wir retten alles und jeden“ – auf des Steuerzahlers Kosten – sieht man besonders deutlich im Fall der Kärntner Hypo Alpe-Adria. Hätte man 2008/09 (was nicht nur der Autor schon damals dringend empfohlen hatte) die Bank sofort abgewickelt, dann hätte man sich viele seither angelaufene Kosten erspart. Man hätte auch die spendierfreudigen Länder Kärnten und Bayern stärker heranziehen sollen, statt deren Haftung und Verantwortung durch die der Republik Österreich zu ersetzen. In Kärnten und Bayern hat man durch diese Hilfe der Republik elegant die Folgen der eigenen Unfähigkeit entsorgen und weiterhin munter populistische Politik machen können. So kann in Kärnten die neue Regierung – im Gegensatz zu den sparsam gewordenen Steirern – nun sogar „großzügig“ auf den Pflegeregress verzichten.

Natürlich hätte es unangenehme Folgen gehabt, hätte man damals den Crash der Hypo zugelassen: Die Sparer hätten – abgesehen von der Grundsicherung – zumindest kurzfristig keinen Zugriff auf ihre Guthaben mehr gehabt. Und sie hätten mit ihren Ansprüchen warten müssen, bis und ob die von der Hypo (oft auf Wunsch der damaligen Kärntner Landesregierung) vergebenen Kredite zurückfließen. Bei den amerikanischen Krisenbanken, wo zum Teil so vorgegangen wurde, fließt jetzt erstaunlich viel Geld zurück. Aber eben erst jetzt, fünf Jahre nach dem Krisenschock.

Statt diesen konsequenten und mutigen Schritt zu gehen, hat die Republik Österreich in großzügigem Gestus jedoch alles gerettet. Sie hat damit aber einen Schrecken ohne Ende ausgelöst. Die hauptverantwortlichen Herren Josef Pröll und Werner Faymann standen damals freilich auch unter dem massiven Druck der EU-Kommission. Diese hatte mögliche Schockwellen eines Bankencrashs vor allem Richtung Balkan gefürchtet. Daher hat sie verlangt, dass alle gerettet werden. Damit haften jetzt die Steuerzahler für viele, die es in keiner Weise verdient haben.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Noch ignoriert Hollande die Fakten drucken

Kleine Euro-Länder wie Zypern oder Griechenland sind relativ leicht zu retten. Dies kann Europa fast aus der Portokassa. Ebenso beim bankrotten Neo-Krisenstaat Slowenien. Das Problem: Jedes EU- und Euro-Land sollte gleich behandelt werden, sonst verlieren Union und Währungsraum den letzten Rest an Glaubwürdigkeit. Jedoch war das Vorgehen der EU jedes Mal unterschiedlich. Und kein einziges Modell ist anwendbar, wenn nun auch nur ein einziges der großen Länder aufgefangen werden muss. Und das droht bei Italien und Spanien, aber in immer schnelleren Schritten auch bei Frankreich, der zweitgrößten Euro-Ökonomie.

Das französische Szenario ist so dramatisch, dass es Experten nur noch hinter vorgehaltener Hand diskutieren. In diesem Licht sind auch die jüngsten Placebo-Maßnahmen zu sehen: die alle Sparer treffende Senkung der Zinsen durch die EZB und die Ankündigung der (in Wahrheit ohnmächtigen) EU, den Schuldenstaaten Frankreich und Spanien, aber auch den Niederlanden mehr Zeit zu geben, ihr Defizit auf die ohnedies hohe Grenze von drei Prozent zu drücken. Alle Krisenländer haben noch dazu heuer ein Minuswachstum, werden also am Jahresende schlechter dastehen als am Beginn. Obwohl man eigentlich zwei Prozent Wachstum bräuchte, um die Beschäftigung auch nur zu halten.

Besonders besorgt macht Frankreich. Die EU bezeichnet offen die Defizitprognosen der dortigen Regierung als „viel zu optimistisch“ und verlangt dringend nach Konsolidierungsbemühungen des Landes. Jedoch ist in Paris niemand willens dazu. Hat man doch den Wählern im Vorjahr versprochen, dass nach einem Machtwechsel Milch und Honig durch Frankreich fließen würden. In Spanien, Italien und den Niederlanden begreift wenigstens ein Teil der Regierung die Notwendigkeiten.

Frankreichs Haltung löst hingegen europaweit Untergangsstimmung aus. Der Präsident ist der schwächste der Nachkriegsgeschichte. Jeder Minister tut, was er will. Die Regierungspartei formuliert massive Deutschland-Beschimpfungen (und zieht diese nur halb zurück). Fast keine Firma stellt angesichts der Verbote, jemanden zu kündigen, neue Mitarbeiter an. Die Jugendarbeitslosigkeit ist nicht nur in den Banlieues der Zuwanderer furchterregend, sondern auch schon bei Uni-Absolventen. Dabei sind die französischen Studenten die heißblütigsten Europas. Zugleich machte die Regierung zusätzlich unpopuläre Fronten mit dem Thema Schwulenenehe auf.

Und was tut Monsieur Hollande? Franzosen tippen darauf, dass der untätige Präsident demnächst seinen Premier feuern wird. Das wird ihm aber nicht helfen. Irgendwann sollte er sich auch an den letzten sozialistischen Präsidenten erinnern: François Mitterrand hatte nach zwei Jahren einen scharfen Kurswechsel von freigiebigem Schuldenmachen hin zur nötigen Austerität machen müssen. Andere Alternativen hat auch Hollande nicht – soll nicht Frankreich und mit diesem ganz Europa endgültig im Chaos versinken.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wohlfahrtsstaat – leb wohl!: Buchbesprechung drucken

Rund ein Jahr nach „Die Demokratische Krankheit“, legt der deutsche Ökonom Christoph Braunschweig erneut eine Arbeit vor, die sich mit jenen Herausforderungen auseinandersetzt, mit denen sich liberale Demokratien dieser Tage zunehmend konfrontiert sehen. Auslöser der anhaltenden Schulden- Wirtschafts- und Finanzkrise ist nach Meinung des Autors die „kollektive Unvernunft in der Massendemokratie“.

Der fortschreitende Siegeszug des Sozialismus, der nach dem Zerfall der UdSSR keineswegs zum Ende gekommen ist, findet seinen deutlichsten Ausdruck in der planmäßigen Zerstörung der Familien, die ein letztes Bollwerk des Privaten gegen den übermächtigen, alle Lebensbereiche durchdringenden Staat bilden. Ein umlagebasiertes Rentensystem ist gleichermaßen für den Geburtenrückgang und die Verlangsamung der Kapitalbildung in privater Hand verantwortlich: Wozu noch individuell für die Zukunft vorsorgen, wenn einem doch der Sozialstaat von der Wiege bis zur Bahre alle Lasten zuverlässig abnimmt? An die Stelle individueller Verantwortung tritt ein – immer häufiger kritiklos geleisteter – Gehorsam gegenüber dem Staat, der seine Fortsetzung und Erweiterung im supranationalen Imperium der EU findet. Die Vergrößerung von Entscheidungseinheiten führt indes stets zu einer immer weiteren Entfremdung zwischen Herrschern und Beherrschten und zu einer stetigen Entkoppelung von Recht und Verantwortung.

Ein ausführlicher historischer Abschnitt – der sich in mehrere Teile gliedert und an den Ideen großer Denker, von der Antike bis in die Gegenwart, orientiert – nimmt sich der Untersuchung des Gegensatzes zwischen Freiheit und Gleichheit an. Anders als die angloamerikanische Welt, die freiheitsorientierten aristotelischen Grundsätzen folgt – die über John Locke, Edmund Burke und David Hume den liberalen Verfassungsstaat hervorbringen – orientiert sich das kontinentale Europa stark an den Ideen Platons, die über Rousseau zur Französischen Revolution und in den Napoleonischen Totalitarismus und in der Tradition Fichtes und Hegels zum Deutschen Idealismus und Nationalismus führen.

Die „Kathedersozialisten“, wie Gustav Schmoller und Werner Sombart beschädigen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachhaltig das Ansehen des wirtschaftsorientierten Bürgertums in Deutschland. Besonders Sombart wird nicht müde, den angeblich verächtlichen „britischen Krämergeist“ mit dem edlen, aber kriegerischen Wesen der Deutschen zu kontrastieren. Seine Ausführungen fallen auf fruchtbaren Boden und so ist es kein Wunder, dass in deutschen Landen kein freiheitsliebendes, selbstbewusstes Bürgertum entstehen kann, wie es in Großbritannien und in den von diesem emanzipierten USA tonangebend wird. Das unentwegte Streben nach mit Gerechtigkeit assoziierter Gleichheit hat bis heute eindeutig Vorrang vor dem Kampf für die Freiheit. Dass es politische Freiheit allerdings ausschließlich dort geben kann, wo auch wirtschaftliche Freiheit herrscht, wird vielfach nicht erkannt.

Die jedem Freisinnigen haarsträubend anmutende Staatsgläubigkeit konnte dem Deutschen Michel selbst durch zwei Weltkriege und Jahrzehnte langen nationalsozialistischen, bzw. kommunistischen Terror nicht ausgetrieben werden. So oft heute ein Problem auftaucht (das oft genug durch nachteilige, hoheitliche Regulative oder Misswirtschaft bedingt ist), erschallt reflexartig der Ruf nach noch mehr Staat. Folgerichtig soll etwa dem Problem der ausufernden Staatsverschuldung durch noch mehr Schulden begegnet werden. Legionen von mit Steuergeldern bezahlten oder im Dienste des staatsnahen Finanzsektors stehenden „Experten“ und Intellektuellen liefern dazu den geistigen Unterbau, der von den Hauptstrommedien willfährig und dankbar publiziert wird. „Der Aktionismus und Machbarkeitswahn der „Mainstream-Ökonomen“ führt lediglich dazu, dass sich die Lage weiter verschlimmert – zu Lasten der zukünftigen Generation.“

Braunschweig plädiert für ein Ende des staatlichen Geldmonopols, das – als lupenrein planwirtschaftliches Instrument – mit einer freien Marktwirtschaft auf Dauer unvereinbar ist. Nur die Rückkehr zu einem Warengeld, wie es bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs international gebräuchlich war (Gold), und ein Ende des Teilreservesystems der Banken kann das Geldwesen wieder auf eine gesunde Grundlage stellen. Der Wegfall der Möglichkeit des Stimmenkaufs mittels „Fiat Money“, würde dem Leviathan einen beträchtlichen Machtverlust eintragen und die Bürger in einen großen Teil der ihnen entrissenen Rechte wieder einsetzen.

Kleine politische Einheiten sind für den Bürger vorteilhafter als große: „Kleinstaaten müssen eine Niedrig-Steuerstrategie und ein klare Ordnungspolitik praktizieren, ansonsten wandern insbesondere die produktivsten Bürger und Unternehmen ab“. Und schon Montesquieu, geistiger Vorkämpfer der Gewaltenteilung, bemerkte: „In großen Staaten wird das Gemeinwohl tausenderlei Rücksichten geopfert, während es in einem kleinen Land näher bei jedem Bürger ist.“ Es liegt auf der Hand, dass diese Verhältnisse sich im zentral kommandierten Moloch EU, selbst gegenüber großen Nationalstaaten, weiter verschlimmern. Um das Unheil zu komplettieren, ist die katastrophale Fehlentscheidung zur Einführung einer gemeinsamen Zwangswährung soeben im Begriff, längst überwunden geglaubte Ressentiments zwischen den Nationen erneut aufleben zu lassen.

Den einzig gangbaren Ausweg aus dem Dilemma sieht Braunschweig in einer Rückbesinnung auf Verantwortungsethik und liberale Ordnungspolitik. „Es gilt die zeitlose Weisheit des Perikles (500 – 429 v. Chr.): „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut.“ Und Mut bedeutet, dass man standhaft gegen die Mehrheit steht.“ Eleganter kann man es nicht formulieren.

Wohlfahrtsstaat – leb wohl!
Christoph Braunschweig
LIT-Verlag Berlin, 2013
317 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-643-12112-7
€ 29,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 433: Ausverkauf, Ausverkauf! drucken

Geld ist so billig wie nie. Die Sparer sind so lächerlich gemacht wie nie. Und die Demokratie ist so kaputt wie nie.

Die Europäische Zentralbank hat die Zinsen noch einmal gesenkt. Gerade noch ein halbes Prozent verlangt sie. Damit hat sie noch einmal einen massiven Kniefall vor der europäischen Linken und den Schuldenländern des Südens gemacht. Die EZB behauptet, damit die Wirtschaft ankurbeln zu wollen. In Gang kommt aber nur die noch schnellere Entwertung aller Formen von Sparguthaben. Wer spart, ist blöd. Solche Maßnahmen sind der verzweifelte Versuch der Staaten, durch Inflation und Billiggeld ihre (bei der Wählerbestechung entstandene) Schuldenlast wegschmelzen zu lassen. Und die Bürger Deutschlands, Österreichs, Finnlands und der Niederlande sind die Blöden. Dabei ist die Demokratie einst im Kampf der Steuerzahler um Mitbestimmung entstanden . . .

 

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Infamie schmerzt – zumindest die anderen drucken

Von Italien bis zu den Grünen wird in diesen Tagen mehr denn je nach der Devise gehandelt: Frechheit siegt – und damit die Dummheit gleich mit. Nur noch das an ein paar knappen Stimmprozenten hängende Überleben Angela Merkels steht offensichtlich dem endgültigen Ausbruch des gesamteuropäischen Wahnsinns als letztes Hindernis noch im Wege. Einige Beispiele alleine aus den jüngsten Stunden Europas, die den Triumph von Frechheit und Dummheit zeigen:

Da reist der neue italienische Regierungschef Enrico Letta durch den Kontinent, um stolz zu verkünden: „Wir haben unseren Teil gemacht.“ Mit anderen Worten: Nach unendlich langen Wahl-, Krisen- und Chaos-Monaten hat Italien jetzt zwar eine neue Regierung, noch dazu eine mit einer starken Parlamentsmehrheit. Diese denkt aber dennoch nicht daran, noch irgendwelche Reformen zu beschließen. Wie nun auch dieser Satz des neuen Premiers beweist. Nicht einmal unmittelbar nach Amtsantritt bermüht er sich, irgendeinen Handlungsbedarf zu sehen, der über die paar Monate des Mario Monti hinausgeht.

Da kritisiert die niederösterreichische Arbeiterkammer die novellierte Zukunftsvorsorge: „Im Bereich der Altersvorsorge ist kein Platz für Spekulation.“ Die AK meint damit Aktien, in die ein Teil der Zukunftsvorsorge investiert werden muss. Mit anderen Worten: Für die AK ist jede Investition üble Spekulation. Nur der immer tiefere Genossen-Griff in die Börse der Steuerzahler ist das nicht.

Da tut es den Niederösterreichern die Wiener AK an Intelligenz gleich: Sie verlangt, dass die Grundsteuer – die AK und SPÖ bekanntlich kräftig erhöhen wollen – künftig kein Teil der Betriebskosten mehr ist. Die Grundeigentümer sollen die Steuer gefälligst selber tragen. Wie sind doch die Genossen schlau und weise! Dieser Vorschlag wird nämlich mit Garantie eine Wirkung haben: Es werden noch ein paar Zehntausend Wohnungen weniger auf den Markt kommen. Denn warum sollte sich noch irgendjemand die Mühe antun, eine Wohnung zu vermieten oder gar zu bauen? Begreift das die AK nicht – oder ist es gar das, was sie eigentlich erreichen will? Weil dann alle um eine Gemeindewohnung betteln müssen.

Da zeigt die italienische Komikerpartei von Beppe Grillo, welch faschistischen Geistes sie ist. Da wurde ein Senator ausgeschlossen, weil er – ein Fernsehinterview gegeben hat. Nicht der Inhalt, sondern das Interview an sich war das Delikt. Bei der italienischen Neinsagerpartei darf nämlich nur noch der Chefkomiker mit seinen wirren Sprüchen öffentlich auftreten, alle anderen dürfen dazu nur noch nicken. Und ein erschreckend großer Teil der Italiener mag das so.

Da ist es im Parlament Venezuelas zu Handgreiflichkeiten gekommen. Wer auch immer angefangen hat, der Anlass ist unbestritten: Der Parlamentspräsident hat den Oppositionsabgeordneten einfach das Rederecht entzogen, weil sie die Regierung nicht als rechtmäßig ansehen. Das ist also die Vorstellung der lateinamerikanischen Linken von Demokratie: Wer anders denkt, soll nicht einmal reden dürfen. Und unsere Salondummköpfe, die sich bisweilen auch als Intellektuelle bezeichnen, applaudieren solchen Ländern.

Da ist in Griechenland schon wieder gestreikt worden. Vielleicht wäre es für die Medien einfacher, es nur noch zu melden, wenn dort einmal alle arbeiten sollten. Hauptsache, Resteuropa zahlt dafür.

Da kümmert sich in Österreich die grüne Hauptfrau Glawischnig keine Sekunde um finanzielle Banalitäten. Dazu zählt etwa die Antwort auf die Frage, wer für ihre Vorschläge eigentlich zahlen soll: Denn sie verlangt 1450 Euro Mindestlohn für jeden, sowie eine gleichzeitige Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Auf die goldene Uhr hat sie irgendwie vergessen. Aber das wird schon noch.

Da hat in der Sowjetunion der alte Geheimdienstler Putin nun den nächsten Schritt zurück in den Stalinismus vollzogen. Nach der Stalin-Hymne, dem Sowjetstern, den Plänen für schulischen Wehrunterricht hat er nun auch den Titel „Held der Arbeit“ wieder eingeführt. Als einer der ersten bekam diesen ausgerechnet Dirigent Waleri Gergijew. Was Gergijew sicher im Ausland bei allen Freunden der alten Sowjetunion beliebt machen wird.

Da hat in Tirol eine neue Liste unter der VP-Dissidentin Anna Hosp auf Anhieb über 9,5 Prozent geschafft und sogar die Freiheitlichen überholt. Durchaus ein stolzes Ergebnis. Jedoch sprengt sich die Liste noch vor der ersten Landtagssitzung selber in die Luft. Hosp bekommt nämlich kein Mandat. Sie hat zwar die weitaus meisten Vorzugsstimmen erhalten, aber auf Grund der Wahlarithmetik müsste jetzt irgendeiner ihrer neuen Parteifreunde zugunsten von Hosp verzichten. Jedoch denkt keiner der Nobodys daran zu verzichten. Sie brabbeln vielmehr alle etwas von „Wählerwillen“. Mit dieser Groteske steht „Vorwärts Tirol“ schon wieder ganz hinten.

Da werden die Hinweise auf frühere Untaten des grünen Promis Daniel Cohn-Bendit immer dichter. Die haben offensichtlich in erstaunlich vielen sexuellen Kontakten mit Kindern bestanden. Aber grüne Seilschaften wissen sich immer zu helfen: Wo es nur geht, ist ganz zufällig jetzt alles einschlägige Archivmaterial über Cohn-Bendit mit einer Sperre belegt worden. Das einzig Blöde: Dieses Material müsste herausgegeben werden, wenn Cohn-Bendit jemanden klagt, der ihn Kinderschänder nennt. Daher braucht man keine Sorge zu haben: Der Mann klagt mit absoluter Sicherheit nicht. Und die Grünen erregen sich weiter mit großer Lust und Empörung über zum Teil viel harmlosere Vorfälle in katholischen Heimen.

Da kommt einem auch gleich der französische Präsident Hollande in den Sinn. Der Vorkämpfer der Schwulenehe meidet jetzt öffentliche Auftritte, wo es geht. Denn viele Franzosen wagen es, dem unbeliebtesten Präsidenten aller Zeiten bei seinen Auftritten deutlich ihre Meinung zu sagen. Die keine gute ist. Dabei bereiten seine Regisseure alles so gut vor: In einem Museum haben sie sogar ein Bild verhängen lassen, das möglicherweise hinter Hollande auf den Fernsehbildern zu sehen gewesen wäre. Der Grund: Das Bild zeigt das Martyrium einer christlichen Heiligen. Jeder aufrechte Linke kann da nur sagen: Pfui! Und er versteht aus ganzem Herzen, dass Hollande nun lieber gleich seine Auftritte absagt, bevor er in die Nähe solcher Zumutungen kommt, und kritischer Bürger zusätzlich.

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Der nackte Bürger drucken

„Keine Geheimnisse vor dem Fiskus“. So hat der Mailänder „Corriere della Sera“ die jüngsten Beschlüsse der italienischen Regierung bezeichnet. Der Staat kann dort nun sogar drei Jahre rückwirkend Banken, Fonds und Versicherungen zwingen, jede einzelne Kontobewegung offenzulegen.

Dieser Beschluss liegt genau auf der Wellenlänge des jüngsten Richtungswechsels der österreichischen Koalition, die nun den anderen EU-Ländern kompletten Datenzugriff auf die Sparbücher einräumen will. Obwohl sie das lange noch unter striktem Verweis auf das sogar verfassungsrechtlich geschützte Bankgeheimnis klar abgelehnt hat. Daran konnte man auch die Halbwertszeit politischer Aussagen ablesen.

Nicht anders ging es in Zypern zu. Da waren über Nacht alle Sparguthaben über 100.000 Euro entgegen allen vorherigen Zusagen radikal entwertet, nachdem populistische zypriotische Politiker die viel harmlosere erste Vereinbarung vom Tisch gewischt haben. Dieser zufolge wären zwar alle Sparbuchbesitzer geschoren worden; aber jeder einzelne hätte maximal das verloren, was er in den letzten zwei oder drei Jahren an – im Vergleich zu Deutschland – überhöhten Zinsen kassiert hat.

Natürlich „garantiert“ uns auch jetzt die europäische Politik wieder, dass Zypern ein absoluter Einzelfall bleiben werde. Ebenso wie sie im Vorjahr die Besitzer europäischer Staatsanleihen entgegen allen Zusagen plötzlich – im Falle Griechenlands – radikalst enteignet hat. Und wie sich in Österreich ein Teil der Regierung noch gegen Vermögens- und Erbschaftssteuern ausspricht.

All diese Raubzüge treffen wohlgemerkt nicht nur Steuerhinterzieher, sondern jeden, der Geld gespart hat, statt es in Luxuskonsum, in Casinos, in Nachtlokalen, auf Kreuzfahrten auszugeben. Die Folgen dieser Politik werden dramatisch sein. Man wird sie etwa an den Bilanzen der Banken ablesen können, wo man erstaunt einen massiven Abfluss der Einlagen konstatieren wird.

Noch viel schlimmer ist der Vertrauensverlust in die politischen Entscheidungsträger, in die Demokratie. Wer soll denn noch einer Politikeraussage glauben oder irgendwelchen gesetzlichen Garantien? Siehe etwa das eiskalt übergangene No-Bailout-Verbot in den europäischen Verträgen.

Mindestens genauso schlimm wird aber auch die ökonomische Reaktion der Bürger sein. Denn immer mehr Menschen werden nun versuchen, ihr Geld (sei es das bei den Raubzügen übriggebliebene oder das künftig erworbene) fernab des Zugriffs der Staaten zu sichern. Das wird halbseidenen „Beratern“ einen Boom verschaffen, das wird Gold- und Immobilienpreise in die Höhe treiben, das wird Menschen mit schweren Koffern in Flugzeuge Richtung Ostasien einsteigen lassen. Es werden sich absolut neue Finanzstrukturen entwickeln. Und sie werden das in bedrohlich großem Ausmaß außerhalb der etablierten und seriösen Strukturen der Banken- und Börsenwelt tun.

Das alles wird extrem gefährlich und niemand kann mehr sagen, was dadurch ausgelöst wird.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Fehler einer Krise drucken

Gewiss: Einige Jahre nach Beginn einer großen Krise ist es leichter, gescheiter zu sein als bei deren plötzlichem und scheinbar überraschendem Ausbruch. Dennoch ist es recht erstaunlich, dass Europas Staaten selbst heute viele Fehler noch immer nicht klar sehen oder eingestehen wollen, die sie in den letzten Jahren begangen haben. Und die hellsichtige Ökonomen schon von Anfang an kritisiert haben. Heute zeigen sich die europäischen Fehler insbesondere im Vergleich zu den USA aber noch viel deutlicher (auch wenn deren Währungspolitik bis heute keineswegs vorbildlich ist und noch viel mehr falsch macht als Europa).

Einer der offenkundigen, aber von keiner Regierung zugegebenen Fehler war es, dass in Europa zum Unterschied von den USA Hunderte konkursreife Banken gerettet wurden, statt sie den Bach hinuntergehen zu lassen. Die USA haben hingegen zahlreiche Banken „abgewickelt“, wie man das Zusperren elegant nennt, und dabei lediglich die Mindestsicherung ausbezahlt. Das ist erstaunlich problemlos gegangen.

Ein guter Teil des verlorenen Bank-Geldes fließt nun zurück

Das heißt nun gar nicht, dass das restliche Geld der Einleger weg ist. Der Geldrückfluss ist nur abhängig davon, wie viel und wie schnell es aus den Forderungen der Bank zurückfließt. Wenn ein Geldinstitut primär langfristige Darlehen vergeben hat, dann dauert der Rückfluss an die Einleger natürlich Jahre. Aber am Ende bekommen sie dann meist doch ihr Geld.

So steht auch die spektakulärste Pleite, nämlich die von Lehman & Brothers, heute in ganz anderem Licht da. Denn inzwischen ist schon sehr viel Geld an die Gläubiger der Bank zurückgeflossen. Womit sich bestätigt, dass Lehman eigentlich nur eine Liquiditätskrise, aber keineswegs eine Solvenzkrise hatte. Aber das will nun keiner zugeben, der damals moralistisch, nicht ökonomisch geurteilt hat. Dieser Vorwurf trifft übrigens auf Regierungen wie Oppositionsparteien zu.

Noch spektakulärer waren die Bankencrashs in Island. Dort überstiegen die Bilanzsummen der Geldinstitute das BIP des kleinen Landes um ein Vielfaches. Dort wurde zum Unterschied von der EU jedoch keine Bank gerettet. Und heute ist das Land schon wieder in der Aufwärtsspur, während auch ein Teil der scheinbar verlorenen Sparguthaben langsam zurückfließt.

Zusperren wäre richtig gewesen

Auf dem europäischen Kontinent wäre das sofortige Zusperren der Problembanken noch aus weiteren Gründen der einzig richtige Weg gewesen. Erstens weil die Rettung durch die anderen Staaten gegen die No-Bailout-Klausel der Verträge verstoßen hat. Und zweitens weil Europa ohnedies viel zu viele Banken hat. Damit gibt es auch zu viele Arbeitsplätze, zu viele Zweigstellen und zu hohe Kosten für die gesamte Infrastruktur.

In jeder Branche passiert es bisweilen, dass ein langanhaltendes Wachstum plötzlich ins Gegenteil umschlägt. Das ist in Wahrheit unvermeidlich, auch wenn das im Einzelfall für die Betroffenen immer überaus schmerzhaft ist. Deshalb kämpft populistische Politik immer gegen solche Strukturveränderungen. Weil die Wähler es so wollen.

Aber eine künstliche Lebensverlängerung ist im Wirtschaftsleben immer unsinnig. Historisch gesehen tritt die Notwendigkeit von Strukturveränderungen einmal in der Landwirtschaft ein (im 19. Jahrhundert hat die Mehrheit der Europäer noch als Bauern gearbeitet!), ein andermal in Form des Greislersterbens oder des Verschwindens von Dienstmännern und ein weiteres Mal beim Tod der europäischen Textilindustrie. Dafür sind viele neue Berufe – etwa rund ums Internet – entstanden, von denen man vor wenigen Jahren noch gar nicht träumen konnte.

Als Folge der zahllosen falschen Bankenrettungen werden hingegen nun weiterhin unnötige Kosten für Personal und Infrastruktur gezahlt. Oder genauer gesagt, die vergewaltigten Steuerzahler müssen diese über eine gewaltige Schuldenakkumulation finanzieren.

Die Hypo als Fass ohne Boden

Auch bei den österreichischen Problembanken Hypo Alpe-Adria und Kommunalkredit wäre das Abwickeln richtig gewesen. Beide sind nämlich seit ihrer „Rettung“ zu einem schlimmen Fass ohne Boden für den Steuerzahler geworden. Besonders teuer kommt das damals beschlossene Weiterführen der HAA.

Die HAA ist trotz Konkursreife nicht zuletzt auf Verlangen der EU gerettet worden. Dass diese EU jetzt massiven Druck auf Österreich ausübt, die HAA zu verkaufen oder zuzusperren, ist daher besonders absurd. Hätte man sie gleich zugesperrt, dann wäre der Schaden nämlich viel geringer gewesen, weil man sich die seither angefallenen Infrastrukturkosten erspart hätte. Aber die EU fürchtete damals, dass ein Kollaps der HAA vor allem auf dem Balkan gefährliche Folgen haben werde, wo die Bank sehr stark engagiert ist. In Österreich hingegen hat die Bank ja nie als systemrelevant gegolten. Jedenfalls gelang es der EU damals, den damaligen österreichischen Finanzminister Pröll so heftig unter Druck zu setzen, dass er – auch auf Verlangen der übrigen Parteien – den Steuerzahler in die Pflicht nahm.

All diese falschen Reaktionen in der Finanzkrise sind aber nicht nur aus ökonomischer Ahnungslosigkeit, sondern primär aus politischen Gründen gesetzt worden. Denn so teuer die Bankenrettungen auch waren: Sie verblassen gegen die gigantischen Schulden der Staaten, die mehr als das Zehnfache der für die Banken aufgewendeten Mittel ausmachen.

Die Staaten brauchen die Banken zur Finanzierung ihrer Schulden

Daher fürchteten die Staaten, dass sie niemand mehr finanzieren würde, wenn sie die Banken pleite gehen lassen. Das und nicht Liebe zu den Banken war das entscheidende Hauptmotiv der Rettungsaktionen.

Bei den Staaten steht aber zum Unterschied von den Banken den Schulden keine Aktivseite gegenüber. Bei ihnen gibt es höchstens die Hoffnung der Politik, noch mehr Steuern aus den Bürgern herauspressen zu können. Daher tut sie ja auch alles, um diese Absicht zu verwirklichen.

Für dieses Ziel ist übrigens die gegenwärtige Schlacht gegen das Bankgeheimnis ein wichtiges Vorspiel. Sobald diese Schlacht gewonnen ist, werden die EU-Staaten nämlich glauben, dass die Steuerzahler ohnedies keine Alternative haben und sie werden daher reihum die Steuern noch mehr erhöhen. Sie werden aber nicht begreifen, dass das ihre Wettbewerbsfähigkeit noch mehr schmälert.

Die Euro-Rettung war nie das Motiv

Auch die weiteren politischen Motive der Bankenrettung sind verlogen. Es wurde nämlich am Beginn der Rettungsaktionen immer von vielen Politikern und Zeitungskommentatoren behauptet, es ginge dabei darum, den Euro zu retten. Daher sei die Rettung alternativlos. Das war immer ein völliger Unsinn. Sowohl der äußere wie der innere Wert einer Währung sind nicht von Rettungsaktionen abhängig, sondern von der Wettbewerbsfähigkeit eines Währungsraumes.

Noch dümmer war all das Gerede, das vor allem ab 2010 lautstark „Solidarität!“ geschrien hat, ebenso wie die Rufe, dass man doch nicht gerade bei Griechenland, dem Mutterland Europas, als erstes konsequent werden könne. Als ob nicht Griechenland heute viel eher auf dem Weg der Besserung wäre, hätte man bei ihm – und natürlich dann auch anderswo – von Anfang an klar das Prinzip „Eigenverantwortung“ angewendet (wobei die Frage „Verbleib im Euro oder Ausstieg?“ dann rein eine griechische Entscheidung gewesen wäre, die am Ende wohl zum Ausstieg geführt hätte).

Am allerdümmsten waren und sind die infamen Behauptungen, dass es bei der Eurorettung ja auch um den Frieden in Europa gehe. Was sie so alternativlos mache. Heute müssten die Regierungen, wären sie ehrlich, zugeben: Das Gegenteil ist wahr. Denn die mit schweren Auflagen durch das EU-Ausland verbundenen Rettungsaktionen haben den Hass zwischen den Europäern erst so richtig geschürt! Die einen sehen seither nur noch die bösen Deutschen und kehren uralte Weltkriegsemotionen hervor, die anderen ärgern sich, weil die Auflagen meist nicht eingehalten werden.

Die USA profitieren: Aktien statt Kredite

Österreich und die anderen europäischen Länder haben sich noch in einer anderen Hinsicht dümmer verhalten als die USA. Diese haben zwar (neben der Lizenz zum Pleitegehen) sehr wohl auch einige große Unternehmen in der Versicherungs-, Immobilienfinanzierungs- und Automobilindustrie vor dem Kollaps gerettet. Aber die US-Regierung ist in diesen Fällen immer direkt ins Eigentum eingestiegen. Sie hat damit am Tiefpunkt der Kurse, als allen Investoren das Vertrauen in die Hose gefallen war, sehr billig große Eigentumswerte erworben. Diese sind bei einem Teil der Unternehmen inzwischen sehr viel wert. Sind doch die Börsenkurse wieder schön gestiegen. Wobei weniger der nunmehrige Anstieg irrational ist als der damalige Absturz. So konnte die US-Regierung viele Aktien wieder mit großem Gewinn verkaufen. Amerika hat also dadurch gut an der Krise verdient. Und sein Defizit stammt aus den nie finanzierten Kriegen und aus den Kosten des von Barack Obama nach Amerika importierten Wohlfahrtsstaates.

Europas Regierungen haben hingegen ihre Rettungsaktionen großteils nicht über den Kauf von Aktien, sondern primär über Kredite und Haftungen fließen lassen. In Österreich wurden dafür vor allem Partizipationsscheine gewählt. Diese sind zwar an sich mit acht Prozent gut verzinst. Sie haben nur einen großen Nachteil: Die schlechten Banken können überhaupt keine Zinsen zahlen, da hilft also der gute Zinssatz nicht. Bei den heute wieder florierenden Instituten verdient die Republik hingegen mit den Partizipationsscheinen viel weniger, als sie mit Aktien verdient hätte. Die haben sich nämlich im Wert vervielfacht, bei der Erste Bank etwa vervierfacht!

In der Summe waren die letzten Jahre im Grund ein exzellenter Lehrgang in Sachen Marktwirtschaft. Sie waren freilich für die EU-Länder ein letztlich unfinanzierbar teurer Lehrgang.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Haben Europas Bürger zu viel oder zu wenig Macht? drucken

Immer öfter stößt in Europa das wirklich oder vermeintlich Notwendige mit einem anderen ehernen Grundprinzip zusammen: mit dem demokratischen. Immer öfter stößt man als Folge auf die Forderung, die Demokratie substanziell einzuschränken. Die Machthaber wollen nicht durch die Bürger gestört werden, weil diese nicht so viel Einsicht hätten wie die Politiker. Liberale sehnen die Zeiten zurück, da nur wählen durfte, wer auch Steuern zahlt. Und Linke haben seit 1968 die extrem undemokratische Praxis, Andersdenkende erst gar nicht zu Wort kommen zu lassen oder gar physisch zu verfolgen. So wie es die protonazistische Rechte in den 20er und 30er Jahren getan hatte.

Der deutsche Verteidigungsminister De Maiziere musste dieser Tage deswegen sogar nach einem halbstündigen Versuch einen Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität abbrechen, weil Linksradikale den Gast „erfolgreich“ sabotiert haben. Und weil der dortige Rektor wie viele Professoren nicht gerade standfest reagierte.

Dass solche Extremisten nicht die Antwort auf die Krise der Demokratie sind, braucht wohl nicht weiter bewiesen zu werden. Wer Andersdenkende nicht reden lässt, ist Exponent eines neuen Faschismus. Wer sich vor Argumenten so fürchtet, dass er ihre Formulierung verhindern will, hat in Wahrheit selber sehr schlechte Argumente. Oder gar keine.

Das Demokratieproblem der Euro-Retter

Damit ist aber die Frage nach der Zukunft der europäischen Demokratie noch keineswegs beantwortet. Denn die Krisensymptome sind ja trotzdem vorhanden. Man schaue nur auf die diversen Wahlergebnisse in Europa. Je verantwortungsloser eine Gruppe agiert, umso eher hatte sie zuletzt in den Krisenstaaten Chancen, gewählt zu werden. Damit wird es aber auch immer schwieriger, das umzusetzen, wozu sich Europa, oder konkreter: Deutschland, seit 2010 entschlossen hat, als mit Griechenland der erste EU-Staat zahlungsunfähig geworden ist: Zahlungsunfähige Staaten werden entgegen der ökonomischen Vernunft gerettet, aber zugleich werden sie mit sehr strengen Sanierungs- und Sparsamkeitsauflagen zugedeckt.

Nur: Was tut man, wenn diese Staaten zwar die Rettungsgelder begierig aufgreifen, aber nach der Reihe die hoch und heilig beschworenen Sanierungsauflagen unterlaufen?

  • Zahlreiche Schuldenländer sagen sogar jetzt schon, dass ihre Defizite auch 2013 deutlich größer werden als noch im Vorjahr garantiert.
  • Griechenland hat seine Beamten trotz eindeutiger Verpflichtungen noch immer nicht abgebaut.
  • Zyperns Parlament hat die einzig sinnvolle und von der Regierung schon ausverhandelt gewesene Formel zur Bankensanierung abgelehnt.
  • Frankreichs Regierung treibt in sensationellem Masochismus riesige Vermögen aus dem Land.
  • Und immer öfter dekretieren schlitzohrige Richter wie etwa zuletzt in Portugal: Sparen, nein danke.

Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Die Drohungen sind als leer entlarvt

Was tun? Europas Drohungen und Forderungen werden gegenüber solch passiver Resistenz immer unglaubwürdiger. Allzu oft hat man schon gesagt: Wenn ihr dies und jenes nicht umsetzt, gibt es kein Geld von uns mehr. Es hat am Ende aber doch immer Geld gegeben, obwohl nicht umgesetzt worden ist.

Wer immer nur droht, aber seine Drohungen nie verwirklicht, wird halt am Ende nicht mehr ernst genommen. Aus dieser Falle kommt Europa nicht mehr heraus. Die ganze Union weiß jetzt: Die Euro-Länder haben lieber Billionen an Krediten und Haftungen hergegeben, statt einmal Konsequenz zu zeigen. Sie meinen, kein Land dürfe zahlungsunfähig werden.

Die Eigenverantwortung wurde ignoriert

Die Finanzakrobaten haben dabei aber eines vergessen: Europa besteht aus Demokratien und Rechtsstaaten. In einem solchen System müsste man endlich das entscheidende Schlüsselwort (wieder) entdecken. Und das heißt: Eigenverantwortung.

Wer weiß, dass er selbst ganz alleine die Folgen seines Handelns tragen muss, der handelt ganz anders. Der wirtschaftet sparsamer und verantwortungsbewusster. Nationen, die wissen, im Eventualfall die eigene Zahlungsunfähigkeit auslöffeln zu müssen, akkumulieren nicht solche gigantische Staatsverschuldungen, wie es bei uns seit 1970 passiert. Sie tolerieren kein Pensionssystem, das zum Kollaps führen muss. Sie verteilen das Geld nicht sinnlos an lauter gutmenschliche oder interessenpolitische Lobby-Organisationen. Sie geben keine leichtfertigen Einlagegarantien an alle Sparer.

Was die Bürger wieder lernen müssen

Ein Staatsbankrott in Europa wäre auch sehr heilsam für die Zukunft der Demokratie. Denn erst wenn (wieder) klar ist, wie katastrophal sich ein Staatsbankrott zwangsläufig auf alle Bürger auswirkt, werden auch diese anders handeln. Sie werden dann kaum mehr ihre Stimme jenen geben, die lauten Populismus verbreiten und ohne Rücksicht auf Finanzierungsmöglichkeit versprechen: Wenn Ihr uns wählt, dann ist die Rente sicher, dann gibt es ständig und jedes Jahr von allem mehr. Und jedenfalls nie weniger.

Die Eigenverantwortung des Wählers ist jedoch völlig in Vergessenheit geraten. Fast alle Parteien haben immer nur versprochen und gefordert, aber nie auf die unvermeidlichen ökonomischen Konsequenzen hingewiesen. Da ist es besonders erschreckend, wenn die (meist noch total unreifen) Erstwähler jetzt überall als Teil ihrer politischen Erziehung in den Schulen zu hören bekommen: „Was hast du davon, wenn du die oder jene Partei wählst?“ Das „Was hast du davon“ bedeutet schlicht den Ratschlag: Wählt den, der euch die meisten Zuckerln verspricht, auch wenn sie auf Schulden angeschafft sind.

Die Eigenverantwortung des Wählers wird aber auch auf vielen anderen Gebieten völlig ignoriert. Wechseln wir etwa ins Fach Vergangenheitsbewältigung.und zu den vielen Gedenktagen rund um die nationalsozialistische Schreckensherrschaft. Da tut die extreme Rechte so, als ob nur Hitler oder höchsten ein paar Dutzend andere an der Katastrophe schuld gewesen seien. Da tut man links so, als ob alle schuld gewesen wären.

Beide Male ist jedoch die Sicht auf diese Geschichtsepoche absolut falsch. Denn beide Male wird die individuelle Verantwortung ignoriert. Da wurden jahrelang von den Geschichtsaufarbeitern absurde Debatten geführt, ob die Menschen denn um die Konzentrationslager gewusst haben. Das haben natürlich alle gewusst, sind die KZ doch auch ständiger Teil der NS-Selbstdarstellung gewesen. Ganz anders müsste die Antwort aber ausfallen, wenn das Wissen um den Bau von Gaskammern in Konzentrationslagern erforscht würde. Diesen Aspekt bemühte sich das NS-System nämlich sehr geheim zu halten.

Die Frage nach der Verantwortung für den Nationalsozialismus würde bei seriöser Vorgangsweise weder zu pauschalen Rechtfertigungen noch zu Verurteilungen führen, sondern zu der Frage, wie sich jemand damals bei demokratischen Wahlen verhalten hat. Diese hat es nämlich in Deutschland und Österreich durchaus bis 1933 gegeben. Und da wäre nun das Entscheidende, dass man heute daraus lernt, wie sehr auch problematische Wahlentscheidungen die Eigenverantwortung belasten. Wer etwa damals nationalsozialistisch oder kommunistisch gewählt hatte, wurde mitschuld daran, dass sich in Mitteleuropa kein demokratischer Rechtsstaat entwickeln hat können.

Auch Wut und Zorn rechtfertigen keine Fehlentscheidungen

Wobei auch Zorn über Fehler der demokratischen Parteien der Mitte keine Reduktion der Schuld darstellt. Das müsste auch – um wieder in die Gegenwart zu wechseln – den vielen Italienern endlich klar werden, die sich aus dumpfer Wut einfach für einen Kabarettisten ohne jedes ernsthafte Programm entschieden haben.

Das beste Beispiel, wie positiv sich eine Kultur der bürgerlichen Verantwortung auswirkt, ist hingegen die Schweiz: Dort produziert die direkte Demokratie viel bessere inhaltliche Ergebnisse als die paternalistische Repräsentativdemokratie. Bürger handeln viel verantwortungsbewusster, wenn sie überzeugt sind, dass sie selber die Folgen tragen  müssen.

Indirekt, repräsentativ gewählte Gesetzgeber agieren hingegen viel stärker opportunistisch und populistisch, weil sie die Bürger als weitgehend unfähig behandeln. Erwachsene Bürger fühlen sich als Folge auch oft wie Kinder und führen sich so auf; auch beim Wählen haben sie es dann verlernt, an die eigene Mitverantwortung zu denken.

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Faymann und das Triangel drucken

Die Affäre um den Brief über das Bankgeheimnis ist eine einzige Groteske. Ein Briefentwurf, der gar nicht abgeschickt wurde, wächst sich zur Regierungskrise aus. Der Bundeskanzler schimpft im Rohrspatzen-Falsett auf die Finanzministerin, die sich von den EU-Partnern nicht einschüchtern lassen will. Ja, so kann Österreich gegenüber der EU wirklich zur Lachnummer werden. Wenn vor lauter Wahlkampf die Interessen Österreichs von der Regierung nicht vertreten werden.

Nach einem Tag wurde der Sturm im Wasserglaserl beigelegt – der Brief wird geschrieben, verbindlicher im Ton als Fekters Entwurf. Und aus den von ihr gestellten „Bedingungen“ werden harmlose „Punkte“, die inhaltlich aber gleich bleiben. Nur hat man einen Fekter-Punkt gleich unter den Tisch fallen lassen – also die Verhandlungsmasse verringert. Man gibt’s eben billiger.
Fragt sich eigentlich nur, was den Bundeskanzler-Darsteller getrieben hat, seinen medial viel beklatschten Wutanfall vor laufenden Kameras abzuliefern.
Wahrscheinlich war er wirklich wütend, weil es sich plötzlich in einer so genannten Doppelmühle fand.
Maria Fekter als einzige Schutzmantel-Donna des Bankgeheimnisses: Da ist wenig Platz daneben, den Gerechtigkeitskämpfer für Omas Sparbuch zu mimen. Das ist vor Wahlen nicht gerade angenehm. Besonders, wenn man es ohnehin nicht ernst meint.
Aber sein Foul an der Finanzministerin war in anderer Hinsicht sehr erfolgreich: Faymann hat damit die Diskussion auf völlig müßige innenpolitische Spekulationen gelenkt (Bleibt Fekter Finanzministerin? Wird sie es auch in der nächsten Regierung?). Niemand fragt nach Faymanns Performance in der EU – dem einzig wirklich relevanten Thema in diesem Zusammenhang.
Gerade beim Thema Bankgeheimnis stellen sich da nämlich einige Fragen.
Es beginnt vor mehreren Monaten mit der Information durch die Luxemburger, dass sie das Bankgeheimnis aufgeben. Faymann behielt das bei sich. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen, die gleich niederschmetternd sind: Entweder hat er nicht verstanden, was ihm da signalisiert wurde, oder er dachte wahltaktisch voraus und sah darin Konflikt-Spielgeld – das ihm Fekter nun abzunehmen bereit ist. Kein Wunder, dass er sich ärgert.
Dass diese Schweigsamkeit Österreich geschadet hat, sagt niemand gern. Es ist aber so.
Das zweite Problem, das offenbar wird, ist Faymanns Verhalten im Kreis der europäischen Regierungschefs. Bis vor einem knappen Jahr hat er sich in seinen Meinungen an Angela Merkel festgehalten. Seit Francois Hollande im Elysée-Palast eingezogen ist, jappelt er jedoch hinter ihm her.
Und die Franzosen danken es ihm nun, indem sie sein (Leicht-)Gewicht offenlegen - mit verteilten Rollen.
Pierre Moscovici, der Mann, mit dem Alfred Gusenbauer im Jahr 2000 das Champagnerglas hob, um sich für die Sanktionen gegen Österreich zu bedanken, war der „böse Cop“ und richtete Österreich aus, dass es nicht zu blockieren habe.
Premierminister Jean-Marc Ayrault hingegen gab den „guten Cop“. Österreichs Bundeskanzler sei doch ein (Partei-)Freund. Er werde schon machen, was man von ihm verlange, da sei er ganz sicher.
David Cameron, zu Recht Maria Fekters Zielscheibe in der Steueroasen-Frage, muss sich solche Zurufe aus Paris nicht anhören.
Im Europäischen Rat sitzen die Regierungschefs ganz allein. Da müssen sie aus sich heraus Positionen vertreten, Stärke der Ideen und Überzeugungen zeigen. Die muss man freilich erst haben. Dann kann sogar ein kleines Land wie Österreich den Kurs der EU mitbestimmen – Wolfgang Schüssel hat das gezeigt.
Fehlt die politisch-intellektuelle Stärke, dann kann man im Rat nur in Bedeutungslosigkeit schwächeln. Und das bestimmt dann den Stellenwert des Landes im Konzert der Partnerstaaten.
Danke, Werner Faymann: In diesem Konzert spielen wir jetzt das Triangel.

 

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Wen soll eine Pleite treffen? drucken

Es ist endlich eine richtige Erkenntnis. Nur kommt sie viel zu spät und greift zu kurz. Wolfgang Schäuble, Deutschlands und Europas Kapitän in der Schuldenkrise, hat sie formuliert: Der Steuerzahler und die Staatengemeinschaft dürfen erst als letzte im Falle einer drohenden Bankenpleite einspringen: „Es muss im Falle der Schieflagen von Banken eine Haftungsreihenfolge geben“.

Das ist – abgesehen von der Frage, ob bei Pleiten überhaupt irgendein völlig Unbeteiligter einspringen soll, – ein goldrichtiger Satz. Man hat ihn nur in den letzten Jahren total missachtet. Da wurden Staaten und Banken ununterbrochen mit einem Eifer gerettet, der mehrere Lebensretter-Medaillen verdient hätte.

Dabei sagt das bürgerliche wie das europäische Recht etwas ganz anderes. Es spricht sich gegen jede Rettung aus, verbietet sie geradezu. Vielmehr findet sich in jedem Insolvenzrecht längst eine klare Haftungsreihenfolge. Im Falle einer Insolvenz ist das erste Opfer immer der Eigentümer, der Aktionär; er hätte ja auch den Gewinn, falls die Dinge gut gehen. Als zweites müssen die Mitarbeiter dran glauben, die in einem Konkurs automatisch ihren Arbeitsplatz verlieren; auch das ist voll berechtigt, hatten sie und ihre Gehaltssumme ja meist einen erklecklichen Beitrag zum Untergang eines Unternehmens beigetragen. Und erst an dritter Stelle sind die Gläubiger zu scheren – je nachdem, wie gut oder schlecht diese abgesichert sind, etwa durch Pfandrechte. Das ist klar und einfach, auch wenn man natürlich viel stärker detaillieren könnte, etwa in Hinblick auf Mezzaninkapital oder die fragwürdigen Vorrechte der öffentlichen Hand.

Europa hat diese logische Abfolge aber vielfach ignoriert. Banken und Staaten gerieten nicht in Insolvenz; und auch die unmittelbaren Folgen für die Angestellten blieben meist aus. Nur bei Zypern und einem Teil der griechischen Anleihen kehrten jene Regeln - selektiv - zurück. Europas Vormacht Deutschland hat bis zum Nahen von Bundestagswahlen gebraucht, um endlich die Notwendigkeit einer Haftungsreihenfolge zu erkennen. Hatte vorher etwa jemand gar geglaubt, dass die zahllosen Kredite und Haftungen ohnedies nie schlagend würden? Das ist im Falle von Staaten absurd. Das Geld, mit dem die Europäer gezwungen wurden, für Griechenland&Co einzuspringen, werden sie zum allergrößten Teil nie wieder sehen.

Bei den Banken kann man da übrigens deutlich optimistischer sein. So überweisen die Nachlassverwalter von Lehman Brothers ständig stolze Summen an die Gläubiger, sodass jetzt erstmals gute Hoffnung besteht, dass Lehman gar keinen Schaden hinterlässt. Nur wird darüber bezeichnenderweise fast nirgendwo von europäischen Politikern gesprochen.

Kurz: Ein Verzicht auf das geradezu hauptberufliche Retten in Europa und mehr ökonomische Vernunft samt den ganz normalen Insolvenzregeln wären von Anfang an klüger gewesen. Aber statt dessen glaubt man in der EU, mit dem Deckeln von Bonus-Zahlungen irgendetwas Positives zu bewirken.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Was können die Tschechen, was wir nicht können? drucken

Der russische Ministerpräsident hat wieder einmal weise und kluge Menschen aus aller Welt zu einem exklusiven Nachdenkforum eingeladen. Darunter etwa den tschechischen Ex-Präsidenten Vaclav Klaus und den britischen Ex-Premier Tony Blair. Auch Wolfgang Schüssel ist immer wieder gern gesehener Gast bei ihm. Wie erklärt sich das?

Dimitri Medwedew nahm sich alleine für Klaus zwei Stunden Zeit unter vier Augen, um ihn auszuhorchen. Dabei störte es ihn keineswegs, dass Klaus auch öffentlich durchaus kritische Worte für Russland findet, etwa mit der Formulierung, dass dieses keine „vollwertige parlamentarische Demokratie“ sei. Dennoch sind offensichtlich seine Ratschläge wichtiger als der fehlende Propagandawert.

Kann man sich vorstellen, dass sich jemals irgendjemand bei der jetzigen österreichischen Führungsgarantie Rat holen wird, egal ob es um amtierende oder in Kürze abtretende Führungspersonen geht? Also etwa bei einem Werner Faymann, einem Heinz Fischer oder einem Ewald Nowotny? Wobei man übrigens letzterem zugute halten muss, dass er schon lange keinen Unsinn mehr gesagt hat. Aber er ist halt zu feige und vorsichtig, um die von ihm langsam entdeckte ökonomische Wahrheit (also etwa die schlichte Tatsache, dass man nicht mehr ausgeben als einnehmen könne) auch klar und öffentlich auszusprechen. Und hinter den SPÖ-Polstertüren wird er ja bei der leisesten Andeutung der Wahrheit von schuldensüchtigen Großökonomen wie Michael Häupl sofort niedergemacht. Und schweigt daher.

Nun ist gewiss auch Medwedew selber kein besonders Mutiger. Aber er ist wenigstens hochintelligent und hat ein gutes Gespür für interessante und wegweisende Persönlichkeiten.

Auch er wird wohl ahnen, dass Österreich nur deswegen noch halbwegs gut dasteht, weil es eine Zeitlang von den wenigstens auf halbem Weg vorangekommenen Reformen der Schüssel-Zeit zehren kann. Und bei Vaclav Klaus hat er gesehen, dass da bis vor kurzem wenigstens noch ein Politiker in Europa amtiert hat, der auch unpopuläre Wahrheiten auszusprechen wagt. (Wenngleich dessen finale Massenamnestie für tschechische Korruptionstäter überaus merkwürdig ausgesehen hat).

Die Weisheit der heimischen Politiker oder Wirtschaftsforscher von heute wird hingegen zu Recht nirgendwo nachgefragt. Oder jemals nachgefragt werden. Dabei werden die „Österreichische Ökonomen“ der Verganenheit von Hayek bis Mises weltweit geradezu abgöttisch verehrt. Wenn "Austrians" in einem positiven Zusammenhang vorkommen, dann geht es fast immer um sie.

Nicht so in Österreich. Da haben – gleichsam zur Illustration dieses Faktums – dieser Tage drei von ihnen in einem Beitrag für die „Presse“ allen Ernstes gewagt, Europa und Griechenland Ratschläge zu geben. Der Sukkus war: noch mehr Planwirtschaft für Griechenland. Im Konkreten: Die EU solle sich bei Betriebsgründungen einschalten, Griechenland solle auf „Gesundheitstourismus“ umstellen usw. In dem arbeiterkammer- und staatsfinanzierten Wifo gibt es offenbar keinen einzigen, der endlich begriffen hätte, was Griechenland wirklich bräuchte: viel mehr Freiheit für Privatwirtschaft und Unternehmensgründer. Punkt. Und sicher nicht noch mehr bürokratische Intervention und Ideen von oben.

Wenn sie sich nicht ständig unerträglich mit renitenten Gewerkschaften, lähmendem Arbeitnehmerschutz, gesetzlichen Überregulierungen und Verwaltungsbürokratie herumschlagen müssten, würden unternehmerische Menschen ganz von allein draufkommen, wo die Gründung von Unternehmen in Griechenland sinnvoll ist und wo nicht. Sie riskieren ihr Geld, sie kümmern sich daher im Gegensatz zu Politikern oder Schreibtischökonomen wirklich um ihre Investition.

Hingegen sind gesundheitstouristische oder sonstige Unternehmensgründungen ganz sicher nicht von Büros im Wiener Wifo oder in der EU-Bürokratie zu entscheiden. Von lauter Menschen, die viel trockene (neokeynesianische) Theorie verzapft, aber noch nie ein Unternehmen gegründet haben.

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Kosovo: ein großer, aber teurer Schritt drucken

Die in den letzten Stunden verkündete Einigung zwischen Serbien und Kosovo bedeutet zweierlei: Europas Krisenherd Nummer eins dürfte deutlich entschärft worden sein, wenn nicht eine Seite (etwa unter Druck der Kosovo-Albaner) noch einmal ganz aus dem Konsens aussteigt; und die europäische Außenpolitik hat nach vielen Blamagen und leeren Kilometern endlich einen klaren Erfolg erzielt. Den sie sich aber durch ein Beitrittsversprechen an Serbien teuer erkauft hat.

Den doppelten Erfolg muss man dennoch anerkennen – auch wenn im Detail noch sehr viel Fragezeichen und Hindernisse auf den Balkan und die EU zukommen werden. Aber weder die europäische Außenpolitik noch der Balkan haben in den letzten Jahrzehnten ja in irgendeiner Hinsicht positive Kommentare verdient (Europa hat sich freilich viele solche schreiben lassen).

Realismus siegt über Emotionen

Zuerst zum Balkan: Jetzt ist erstmals eindeutig klar, dass Belgrads Regierung die Sezession des Kosovo akzeptiert. Nicht aus freien Stücken, sondern aus Realismus und wegen des umgehend erhaltenen Beitrittsversprechens von Seiten der EU. Belgrad hat gespürt, dass es sonst nie aus der Isolation herauskommen wird. Die Wirtschaft Serbiens (wie des restlichen Ex-Jugoslawiens) ist in einem so katastrophalen Zustand, dass konstruktives Handeln dringend notwendig geworden ist. Dieses Argument hat jetzt die starken Emotionen der Serben überwunden, die naturgemäß noch immer sehr am Kosovo hängen, der ja einst ein rein serbisch-christliches Kernland gewesen ist.

Diese konstruktive Konzession hat nun ausgerechnet eine serbisch-nationalistische Regierung gewagt. Ihre liberalen Vorgänger hatten hingegen immer viel zu viel Angst vor der damaligen Opposition gehabt. Diese hätte niemals eine Preisgabe heiligen serbischen Territoriums hingenommen, wenn sie nicht wie jetzt auch selbst den erhofften politischen Nutzen davonträgt.

Die Zugehörigkeit des Kosovo zu Serbien hat Belgrad zwar insgeheim schon längst aufgegeben. Aber zugleich auch die serbischen Menschen im Kosovo, immerhin zehn Prozent, aufzugeben, ist viel schwieriger. Dazu kommt, dass ein Teil von ihnen in einem geschlossenen Siedlungsgebiet im Norden lebt, der andere hingegen über ganz Kosovo zerstreut. Das macht maßgeschneiderte Regelungen noch viel schwieriger.

Jetzt gibt es aber erstmals einen prinzipiellen Konsens, dass auch all diese Gemeinden zum Kosovo gehören, der damit de facto auch von Serbien anerkannt ist, und wohl bald auch de jure. Auf der anderen Seite bekommen diese Gemeinden ein hohes Ausmaß an Selbstverwaltung, einschließlich der Kontrolle über die Polizei.

Die größte Konzession kam von Belgrad

Der Kompromisskonsens lag zwar schon länger in der Luft. Aber beide Regierungen haben die Zeit gebraucht, um sich als harter Verhandler zu profilieren, um nur ja nicht als Umfaller hingestellt zu werden. Wobei klar ist, die größere Konzession hat Belgrad gemacht. Denn genauso ein tauglicher Kompromiss, bei dem Serbien weniger nachgeben hätte müssen, wäre ja auch eine Sezession des Nordkosovo gewesen mit gleichzeitiger Vollanerkennung des Staates Kosovo durch Belgrad samt spürbarer Personalautonomie für die restlichen verbliebenen Serben. Aber Serbien konnte diese Variante nicht durchsetzen.

Man sollte freilich auch über diesen Kompromiss nicht zu früh jubeln. Denn es ist noch sehr spannend, wie sich der Widerstand der Betroffenen, vor allem der Serben in den vier Nordkosovo-Gemeinden, auswirken wird. Das wird noch lange dauern, um seriös von einem echten Frieden reden zu können.

Haupthindernis: Korruption

Aber auch wenn die Kosovo-Lösung komplett gelingt, ist damit in Wahrheit nur ein einziges Hindernis am Weg Ex-Jugoslawiens nach Europa beseitigt. Das viel größere – aber international interessanterweise kaum beachtete – ist die Korruption, die nirgendwo in Europa so schlimm ist wie dort. Diese wird vorerst auch weiterhin viele  Investoren abhalten, in diesen Raum zu gehen. Davon sind sowohl Serbien wie auch der Kosovo wie auch die anderen Nachfolgestaaten betroffen.

Als EU-Bürger muss man vor dem offenbar unvermeidlichen Beitritt all dieser Länder bangen. Vor allem Belgrad wird jetzt glauben, dass es schon genug Konzessionen geleistet hat und daher belohnt werden müsse. Diese Haltung ist aus vielen Äußerungen herauslesbar. Belgrad wird daher so wie alle anderen Staaten des Raums (einschließlich des Neomitglieds Kroatien) versuchen, die eigenen mafiösen Strukturen in die EU hineinzuretten. Diese sind sowohl in der Justiz wie auch in der Polizei wie auch in der allgemeinen Verwaltung wie auch bei den Zöllnern tief verwurzelt – mit geheimen Querverbindungen bis in die jeweiligen politischen Spitzen hinein. Diese Korruption ist nach Aussage von Balkankennern in allen Ländern Exjugoslawiens das wahre Hauptproblem.

In aller Stille macht sich Islamismus breit

Eine weitere neue Herausforderung in Ex-Jugoslawien ist noch kaum realisiert worden: Im bosniakischen Teil Bosniens wie auch im serbischen Sandschak haben sich – im Wesentlichen erst nach den Kämpfen – zunehmend islamistische Strömungen breit gemacht. Diese wollen das Gegenteil der früheren Bosniaken-Führer: Sie wollen nun einen eigenen Staat für die jugoslawischen Moslems. Das bringt ein neues Problem auf die Landkarte. Dazu kommen die vielen schon länger bekannten:Eines davon die Stellung der Albaner in Mazedonien (angeblich rund ein Drittel) und in Dörfern; ein anderes der Namensstreit Mazedoniens mit Griechenland.

Lobend sei aber erwähnt, dass es in den letzten Jahren immerhin gelungen scheint, eines der früheren Hauptprobleme zu lösen: Das war der serbisch-kroatische Antagonismus. Dieser ist weitgehend verschwunden. Beide Seiten, übrigens auch die jeweiligen religiösen Autoritäten (deren Rolle vor allem in Serbien sonst eher übel ist), haben da sehr konstruktiv mitgearbeitet. Daher wird es in Jugoslawien wohl keinen großen Krieg mehr geben, selbst wenn die Außenwelt sich nicht mehr um den Raum kümmern sollte.

Europa bekennt sich erstmals klar zum Modell Autonomie

Bleiben wir aber bei einem weiteren positiven Aspekt der nunmehrigen Kosovo-Lösung (auch wenn man noch nicht alle Details kennt): Die nun sehr wahrscheinliche Lösung der Kontroverse birgt noch eine weitere – bisher kaum wo beachtete – Sensation: nämlich dass sich die EU für territoriale und personelle Autonomie eingesetzt hat. Das Wort Autonomie ist jedoch in etlichen europäischen Ländern tabu. Man denke nur an die Slowakei, die den Ungarn an ihrer Südgrenze trotz ihres geschlossenen Siedlungsgebiets die Autonomie verweigert.

Solche nationalistisch geprägten Staaten fürchten in der Autonomie eine Schmälerung ihres Machtanspruchs. Sie sehen darin auch eine Vorstufe zu einer Sezession. Andere glauben das Gegenteil: Also dass eine möglichst weitgehende Selbstverwaltung einer autochthonen Minderheit deren Ruf nach Sezession, nach Ausübung des Selbstbestimmungsrecht deutlich leiser macht.

Die Entwicklung Südtirols in den letzten 50 Jahren vom bombenlegenden Freiheitskampf zu einer satt machenden Autonomie scheint den zweitgenannten Überzeugungen Recht zu geben. Wobei freilich Südtirol auch umgekehrt zeigt, wie fragil eine Autonomie ohne wirksame internationale Garantien sein kann: Versucht doch Italien seit Ausbruch seiner Schuldenkrise die wirtschaftlichen und finanziellen Selbstverwaltungsrechte der Südtiroler massiv auszuhöhlen.

Die GASP doch kein bloßer Papiertiger

Bleibt die europäische Bilanz: Zum ersten Mal hat man ein konkretes positives Ergebnis der GASP, der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Außenpolitik, gesehen. Bisher war dieser immer wieder beschworene Apparat mit seinen Tausenden Diplomaten ja ein reiner Papiertiger und eine Geldverschwendungsmaschine gewesen. Nicht einmal in ihrer Nachbarschaft, etwa im Libyen- oder Syrienkrieg, hat die EU eine einheitliche Linie zusammengebracht. Bei ferner liegenden Konflikten, etwa jenem in Korea, kommt niemand auch nur auf die Idee, dass da auch die Möchtegern-Weltmacht Europa eine Stimme haben könnte. Bei Staatsbesuchen nehmen Länder wie China zwar die deutsche Kanzlerin sehr ernst, über die diversen EU-Spitzen spötteln sie jedoch trotz aller Höflichkeit. Auch in der UNO gibt es kein einheitliches europäisches Verhalten, geschweige denn, dass Großbritannien oder Frankreich ihr Vetorecht den EU-Beschlüssen unterwerfen würden.

Das alles bleibt weiter Faktum. Jetzt aber kann man zum ersten Mal sagen, dass das fiktive Gebilde einer EU-Außenpolitik nicht ganz irrelevant ist. Das ist nicht viel, aber deutlich mehr als bisher. Man kann aber mit gutem Grund streiten, ob nicht der Preis eines serbischen Beitritts (und dann zwingend etlicher anderer Länder) zu hoch dafür war. Denn wenn die EU nur mit Beitrittszusagen außenpolitisch etwas bewegt, ist das doch recht ernüchternd.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Man staunt: Die Bezüge von Frau Spindelegger drucken

Auch wenn offenbar formal alles völlig rechtmäßig zugeht; auch wenn die Angelegenheit zeitlich perfekt gezielt für den angelaufenen Wahlkampf lanciert wird, was einen gewissen Hautgout schafft (weshalb die Information daher so wie häufig bei ähnlichen Anlässen über Raiffeisen-Medien verbreitet wird); auch wenn im Thematisieren der Bezüge einer Ehefrau ein ordentliches Stück Sippenhaftung und Frauenfeindlichkeit steckt. Das Staunen bleibt.

Es ist ein doppeltes Staunen. Einerseits weil offensichtlich die Spitze der ÖVP nicht die in den Bezügen von Margit Spindelegger lauernde Zeitbombe gesehen hat: Wie amateurhaft sind die Chefs der großen bürgerlichen Partei denn bitte noch? Andererseits aber auch, weil man solcherart neuerlich ganz konkret auf die absurd hohen Bezüge der Zehntausenden EU-Beamten gestoßen wird.

Frau Spindelegger gehört nämlich interessanterweise dem Europäischen Rechnungshof in Luxemburg an, ist aber seit 2008 an dem – mit diesem überhaupt nicht zusammenhängenden! – österreichischen Rechnungshof tätig. Beides wirft noch viele interessante Fragen auf, welche die ÖVP jetzt wochenlang in die Defensive treiben werden.

Das, was wirklich alle Österreicher ärgert, sind jedoch die Bezüge. Frau Spindelegger bekommt statt des (ja ohnedies durchaus stattlichen) österreichischen Gehalts von 5000 bis 6000 Euro monatlich laut „Profil“ 11.680 Euro brutto. Plus Zulagen. Und ihr Schweigen zu dem Thema kann nur als Bestätigung gedeutet werden. Die Differenz zahlen die EU-Budgets, weil sie eben theoretisch eine europäische Beamtin ist.

Die EU-Budgets haben’s ja offensichtlich. So hoch ist also das Gehaltsniveau für eine mittelhohe Beamtin bei der EU, plus allen sonstigen Benefizien. Und es läuft sogar dann weiter, wenn jemand in die Heimat zurückgekehrt ist (in der Frau Spindelegger immer daheim war). Und dann wundert sich Europa, wie sich die Bürger in Massen von ihm abwenden; und wie immer mehr Hass auf eine Institution entsteht, in der unser Steuergeld solcherart verschwendet wird.

Dabei wissen die meisten Europäer gar nicht, dass dieser EU-Rechnungshof seine eigenen Erkenntnisse abmildert, um „EU-Feinden“ keine Munition zu liefern. Dabei wissen die meisten Europäer noch gar nicht, dass über die EU-Gesetzgebung linksradikale Elemente, insbesondere aus dem Sozialministerium (gegen den offenbar irrelevant bleibenden Widerstand aus Wissenschafts- und Unterrichtsministerium und mit dem Schweigen der Volkspartei), schon wieder mit guten Erfolgsaussichten neue Einschränkungen der privaten Freiheit durchzusetzen versuchen.

Wie will Michael Spindelegger eigentlich künftig auch nur einen Millimeter an Glaubwürdigkeit haben, wenn er einen Satz zugunsten der EU sagt? Oder wenn er zu den EU-Gehältern schweigt? Oder wenn er sich vielen Anzeichen nach jetzt schon neuerlich für eine Koalition mit der total reformverweigernden Linken bereit hält?

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Thatcher und die Würde drucken

Rund um das würdige und berührende Begräbnis für Margaret Thatcher, Europas zweifellos größte Nachkriegspolitikerin, gab es einige widerliche Unwürdigkeiten.

Eine davon waren die Handvoll Demonstranten aus der linksradikalen Szene. Wer sich nicht einmal bei einem Begräbnis benehmen kann, hat sich endgültig als letztklassig entlarvt.

Genauso letztklassig waren aber auch alle Medien, die den Namen Thatchers nicht ohne den miesen Zusatz „umstritten“ abzudrucken oder auszusprechen imstande waren. Umstritten sind für diese Medien offenbar alle erfolgreichen Liberalen und Konservativen, wie Thatcher eine war, nie aber ein linker Politiker.

Zumindest merkwürdig war aber auch, wie einige andere linke Journalisten reagierten, die merkten, dass Thatcher zu populär und erfolgreich war, um noch verdammt zu werden: Sie machten schnurstracks Labour zum Erben der Eisernen Lady.

Gewiss seltsam. Aber das soll mir dennoch recht sein, wenn Europas Sozialdemokraten (aller Parteien) ihre Länder statt durch ständig schlimmer werdendes Schuldenmachen wieder im Sinne Thatchers zu reformieren versuchen: durch Zerstörung von korporatistischen Monopolen, insbesondere jenem der Gewerkschaften (in Österreich müsste man auch Wirtschafts- und Arbeiterkammer hinzufügen), durch Zerstörung von Gemeindemonopolen (man denke nur an die SPÖ-Profite durch die diversen Rathaus-Firmen mit ihren horrenden Tarifen), durch Privatisierungen, durch Zurückdrängen der europäischen Machtallüren, durch Steuersenkungen, durch Verwaltungsabbau, durch Förderung von Klein- und Mittelbetrieben. Wenn sie all das tun, dann kann man den sozialdemokratischen Parteien nur gratulieren.

Einige ihrer Politiker wie Tony Blair haben es ja in der Tat auch versucht. Nur haben sie am Ende spüren müssen, dass die Kraft der um ihre Macht bangenden Gewerkschaften wie auch der ideologisch Bornierten in den Linksparteien immer viel größer ist als die Kraft der Vernunft.

Eines können freilich auch intelligente Sozialdemokraten heute Thatcher nicht mehr nachmachen: einen essenziellen Beitrag zum Kollaps des Kommunismus. Der ist nämlich schon besiegt. Hoffentlich (die Reaktion der Straße und etlicher Medien auf ihren Tod lässt ja ein wenig zweifeln).

 

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Das EU-Parlament kann ja auch vernünftig sein drucken

Da ich im Auftrag der Tagebuch-Leser immer verzweifelt nach den guten Nachrichten suche, greife ich sofort in die Tasten, wenn ich binnen weniger Stunden gleich mehrere lobenswerte Dinge in der Welt entdecken kann. Ob es sich dabei nun um Oberösterreich oder Europa oder einen Vorschlag der Bertelsmann-Stiftung handelt. Dahinter sei heute das tägliche Übermaß an Negativem energisch zurückgedrängt.

Das Wichtigste: Das EU-Parlament – eigentlich meist ein Hort der Unvernunft – hat sich gegen eine Verknappung beziehungsweise Verteuerung von CO2-Zertifikaten ausgesprochen. Es hat damit erstaunlicherweise dem Druck der Grün- und Links-Lobby sowie der Kommission standgehalten, die in ihrem kollektiven Hass auf die Wirtschaft die höchsten Energiekosten der Welt solcherart noch mehr erhöhen wollten. Das hätte wiederum noch mehr Arbeitsplätze Richtung Amerika und Asien vertrieben. Bravo.

Ebenso lobenswert, wenn auch naturgemäß auf viel kleinerem Territorium, handelte der oberösterreichische Landtag: In diesem Bundesland kann man künftig nicht mehr den Bau eines Kindergartens oder einer Schule verhindern, nur weil dort – naturgemäß – Kinderlärm zu hören ist. Angst vor diesem hat ja schon so manches Projekt verhindert oder unerschwinglich teurer gemacht.

Der Linzer Beschluss ist umso wichtiger, als gleichzeitig eine Studie der Bertelsmann-Stiftung Österreich in Sachen „Generationengerechtigkeit“ auf den blamablen Platz 20 unter 29 untersuchten Ländern gesetzt hat. Dabei geht es um nichts anderes als die Frage der Kinderfreundlichkeit. Die leidet in Österreich heftig. Wir geben in Relation zum Rest der Industriewelt viel mehr Geld für die Alten aus als für die Jungen und deren Zukunft.

Daher empfiehlt die Studie – wofür auch ihr großer Applaus gebührt! – die Einführung eines Familienwahlrechts. Nach dessen Einführung könnten Eltern pro Kind eine halbe Wahlstimme zusätzlich abgeben.

Freilich droht auch diesem grundvernünftigen Vorschlag das gleiche Schicksal wie der ebenfalls vor kurzem präsentierten Idee, die Zahl der eigenen Kinder bei der Pensionshöhe zu berücksichtigen. Beides wird wohl am Populismus der Parteien scheitern. Diese wollen ja Wahlen gewinnen und nicht Österreich zukunftstauglich gestalten. Wahlen gewinnt man in sterbenden Kulturen jedoch nur noch mit den Alten, nie mehr mit den Jungen oder Familien. Ganz auf dieser Linie hat die Wiener Koalition – auf Befehl des Zukunftsverweigerers ÖGB – beschlossen, das lachhaft niedrige Frauenpensionsalter nicht anzuheben. Und auch für die ÖVP, die dazu vor kurzem noch einen mutigen Vorstoß gewagt hatte, ist das „derzeit kein Thema“ mehr. Aber an der ÖVP verstehe ich ja Vieles nicht mehr. Wenn sie vielleicht meint, darüber solle man erst nach den Wahlen reden, dann hat sie noch immer nicht begriffen, mit welcher Retro-Partie sie eine Koalition hat und diese fortzusetzen gedenkt.

Womit ich aber schon wieder beim Depressiven gelandet bin, über das ich heute eigentlich gar nicht schreiben wollte.

 

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Die sauteure Liebe zur Willkür drucken

Kärnten hat jetzt eine Kenia-Koalition (SPÖ, ÖVP, Grüne). Schon zuvor hatten diese Parteien den ESM mittels Verfassungsgesetz ermöglicht. Auf EU-Ebene regiert eine derartige Koalition bestehend aus Sozialisten/Sozialdemokraten, Christlich-Sozialen und Grünen faktisch schon seit geraumer Zeit.

Seit 2010 hat uns die Kenia-Koalition immer wieder erklärt, dass das Auffangen sämtlicher heruntergewirtschafteter Staaten und Banken mit Steuergeld alternativlos sei. Das kleine Süd-Zypern hat immerhin dafür gesorgt, dass endlich auch die Kenia-Koalitionäre zwei Erkenntnisse gewonnen haben:

  1. Man muss nicht jede Bank künstlich am Leben halten.
  2. Man kann die Steuerzahler nicht unbeschränkt belasten.

Das war dann aber auch schon das Ende des Erkenntnis-Gewinns. Die Laiki-Bank wird nicht per Konkursrecht abgewickelt, sondern per EU-Willkür-Akt und durch von der EU eingesetztes Personal. Im Gegensatz zu einem ordentlichen Konkurs-Verfahren werden die Gläubiger nicht gleich, sondern extrem unterschiedlich behandelt. Das Zypern-Paket wird circa zu 2/3 vom europäischen Steuerzahler und zu 1/3 durch Enteignung der Unbeliebtesten finanziert.

Diese unbeliebtesten Gläubiger sind Sparer, die bei der Bank of Cyprus oder der Laiki-Bank mehr als € 100.000 anlegt haben, darunter viele Russen. Sie werden nach letztem Stand bis zu 60 Prozent ihres Geldes verlieren, alle anderen Gläubiger der beiden Banken verlieren nichts! Reiche und Russen sind für die Kenia-Sozialisten von heute offenbar das, was die Juden für die National-Sozialisten der 1930er-Jahre waren: Schlechte Menschen, die man ohne schlechtes Gewissen enteignen kann.

Nicht falsch verstehen: Ich unterstelle den Kenia-Sozialisten nicht, auch nur in Ansätzen einen Massenmord zu planen. Aber eines haben nationale und internationale Sozialisten jedenfalls gemeinsam: Den Neid als primäres politisches Prinzip und damit einhergehend die Geringschätzung von Eigentumsrechten. Die politische Abwicklung von Banken bietet diesen Leuten die Gelegenheit, Wohlhabende unmittelbar – ohne den mühsamen Umweg über das Steuerrecht – zu enteignen und das Geld jenen zukommen zu lassen, von denen sie Stimmen, Spenden, gut dotierte Versorgungsposten, freundliche Kommentare und andere nützliche Dinge erwarten.

Seit 2008 wird immer wieder ein Trennbankensystem und ein Bankenkonkursrecht gefordert, aber die Umsetzung wird trotz höchster Not und höchster Aktualität immer wieder verschoben. Ein Trennbankensystem würde zwar die Gewinnmöglichkeiten für Banken reduzieren, aber das Bankensystem so krisenfest machen, wie jenes in den USA zwischen 1933 und 1999. Eine Bankenabwicklung mittels Konkursrecht würde u.a. eine Gleichbehandlung der Gläubiger sicherstellen. Mittels Wandlung von Forderungen in Bankaktien könnte man auch erreichen, dass es eher Bank-Ausgleiche als -Konkurse gäbe. Die Gläubiger würden dann als neue Mehrheitseigentümer die Geschicke der jeweiligen Bank lenken und könnten in weiterer Folge mittels Aktienverkauf wieder zu Ihrem Geld kommen.

All das würde aber die blendenden Beziehungen der Kenia-Sozialisten zu Bank-Lobbyisten beschädigen und es gäbe keinen Raum mehr für politische Willkür-Akte. Es ist die Liebe zur Willkür, die Reformen verhindert, denn dank Willkür kann man Macht leichter erhalten und zum eigenen Vorteil ausüben.

Christian Ebner ist Geschäftsführender Gesellschafter der Elpis Consulting GmbH sowie Obmann der BZÖ Unternehmer.

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Doppelte linke Blödheit drucken

Es ist eigentlich ungeheuerlich: Die SPD und die EU pfeifen, und der österreichische Bundeskanzler springt. Und einen Tag später springt die ganze Regierung. Sie will plötzlich Verhandlungen über das, was noch vor kurzem für die ganze Regierung als unverhandelbar gegolten hat, nämlich das Bankgeheimnis. Dessen nun plötzlich für verhandelbar erklärter Fall wird juristisch zwangsläufig auch den Fall der letzten Reste des Inländer-Bankgeheimnisses auslösen (obwohl das manche vor den Wahlen noch zu leugnen versuchen). Und dann wird de facto eine Kopie jedes Sparbuchs gleich bei jedem Steuerakt liegen, damit Faymann seine oder genauer: die von den Gewerkschaften angeordnete Vermögenssteuer kassieren kann.

Wenn Österreich wenigstens eine Strategie für diese Verhandlungen hätte! Aber keine Spur. Der SPÖ-Chef will einfach aus Solidarität mit seinen linken Schuldenmachern in anderen EU-Ländern der Republik einen Riesenschaden zufügen. Und die ÖVP wagt nur ein paar Stunden Widerstand zu leisten. Denn selbstverständlich bedeutet der Abzug einer satten zweistelligen Milliardensumme einen Riesenschaden für das Land und seine Steuerzahler. Die Zinsen für Staatsanleihen werden steigen, die Kredite für die Wirtschaft werden knapper, die Steuereinnahmen werden geringer, Bank-Arbeitsplätze werden verloren gehen.

Ein intelligenter und strategisch denkender Bundeskanzler hätte zumindest sofort eine Riesenpackung an Gegenforderungen bereit – wenn er schon der Meinung ist, er wäre nicht imstande, bei einem EU-Gipfel dem Sturm von 25 oder 26 anderen Ländern standzuhalten. Ein solches Umfallen des SPÖ-Chefs ist auch angesichts des eher durch Anpassungsfähigkeit als durch Haltung geprägten Charakters Faymanns durchaus realistisch (ich bin ganz stolz, wie höflich ich das formuliert habe). Man vergleiche ihn nur mit dem Mut, den einst Ursula Plassnik und Wolfgang Schüssel gezeigt haben, als sie in Sachen Türkei-Beitritt alleine gegen den Rest Europas gestanden sind.

Aber selbst wenn Faymann sein eigenes Einknicken zu Lasten Österreichs schon programmiert hat: Warum bringt er nicht umgehend all die Dinge zur Sprache, durch die Österreich in Europa diskriminiert worden ist? Wenn er schon zu feige ist, um den Miteuropäern alles auf den Tisch zu knallen, dann müsste er sich zumindest auf ein Thema konzentrieren. Das wäre zweifellos die derzeit rapide zunehmende Masseninvasion europäischer, vor allem deutscher Studenten an unsere Unis. Motto: „Ihr wollt das Geld deutscher Anleger? Dann wollen wir das Geld für die deutschen Studenten!“

Österreichs Universitäten kollabieren nämlich unter dem Ansturm deutscher Numerus-clausus-Flüchtlinge, also aller jener, die zu blöd dafür sind, in Deutschland studieren zu dürfen. In Österreich können sie das fast ungehindert. Und noch dazu zum Nulltarif (wie der Verfassungsgerichtshof in seiner abgrundtiefen Weisheit und angesichts des vom Gesetzgeber angerichteten Chaos nun festzuhalten geruht). Natürlich ist an diesem riesigen Kostenproblem und an dem mit der Zuwanderung wenig qualifizierter Studenten verbundenem Qualitätsabsturz primär die sozialdemokratische Njet-Politik schuld. Die Partei ist ja gleichzeitig gegen wirksame Zugangsbeschränkungen und gegen eine Kostenbeteiligung für alle jene Studenten, die es sich leisten können (beziehungsweise deren Familien).

Aber die Konsequenzen dieser linken Obstruktionspolitik wären lange nicht so schlimm, wenn nicht gleichzeitig auf Grund eines nicht nachvollziehbaren Urteils des EU-Gerichtshofs praktisch jeder Deutsche (und natürlich auch die Bürger aller anderen EU-Länder) ungebremst in Österreich studieren darf. Deren Zahl steigt alljährlich um einen zweistelligen Prozentsatz.

Einige Beispiele der Konsequenzen:

  • Von den deutschen Medizinstudenten in Österreich wollen nur ganze 15 Prozent im Land bleiben – aber Oberösterreich will eine sauteure eigene Medizinuniversität bauen, weil es fürchtet, dass ihm die Ärzte ausgehen.
  • In manchen Studienrichtungen, vor allem in grenznahmen Städten wie Salzburg oder Innsbruck, ist überhaupt schon die große Mehrheit der Studenten Deutsche. Und auch in der Medizin wäre es so, wenn nicht die Republik durch ein vor dem EuGH nicht haltbares Gesetz derzeit wenigstens 75 Prozent der Plätze für Österreicher reserviert hätte.
  • In der besonders teuren Veterinärmedizin wollen gar nur elf Prozent der Ausländer hier bleiben.

Das hängt überhaupt nicht mit Ausländerfeindlichkeit zusammen. Jeder ausländische Student wäre herzlich willkommen, wenn er sein Studium bezahlen würde. Oder notfalls, wenn er bei uns die gleichen Bedingungen für sein Studium vorfinden würde wie daheim. Und wenn Österreich gleichzeitig weiterhin von deutschen Einlegern profitieren kann. Jedoch: Noch nie wurde auch nur eine Silbe bekannt, dass Faymann diesbezüglich bei einem europäischen Rat oder rund um diesen zumindest einen kleinen Sturm zu entfachen versucht hätte. Aber dazu hat er wohl viel zu viel Angst um seine Frisur. Jetzt wäre der Zeitpunkt da, hätte dieser Mann irgendwo Mumm in den Knochen.

Aber zweimal sozialistische Blödheit hält auch die reichste Republik nicht aus. Und die ÖVP will offenbar täglich den Freiheitlichen und Stronach weitere Wählermassen zutreiben. Aber nachher werden sich alle wundern.

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Griechenland – einmal anders betrachtet drucken

Vom Film „Alexis Zorbas“ war ich Mitte der 1960er Jahre als Gymnasiast zum ersten Mal fasziniert. 1975 lernte ich meine spätere Frau kennen, eine Griechin aus dem Norden des Landes. 1977 besuchten wir zum ersten Mal gemeinsam ihre Heimat. In den Folgejahren waren wir mindestens einmal jährlich auf Urlaub in Griechenland. Seit meiner Pensionierung 2011 verbringen wir fast die Hälfte des Jahres in Griechenland. Und trotzdem – ich bin immer noch am Lernen, wenn es darum geht, die griechische Mentalität zu verstehen.

Letztendlich münden alle Beobachtungen in der Frage: Warum verhalten sich die Griechen so anders als wir Mitteleuropäer? Zum einen muss man festhalten, dass es wohl keine Mittel- oder sonstigen Europäer gibt, die so viel Herzlichkeit vermitteln können wie die Griechen. Von dieser Warte her betrachtet kann man schnell auf die Griechen neidisch werden. Zum anderen gibt es wohl nur wenige Mittel- oder sonstige Europäer, die so „anders“ sein können, wie es die Griechen oft sind. Zumindest anders, als wir das erwarten. Wahrscheinlich erwarten wir uns von den Griechen, dass sie sich ähnlich rational verhalten sollten, wie wir es gelernt haben und dann treffen wir auf manchmal irrationale Spontaneität und Impulsivität. Es mag vielleicht keinen Sinn machen, aber es hat allemal Charme.

So fragte ich kürzlich meinen jahrelangen Freund und Griechenland-Mentor, warum sich denn beispielsweise die jungen Griechen, die sich jetzt mit einer Rekordarbeitslosigkeit konfrontiert sehen, nicht um Arbeit in anderen Ländern bemühen, beispielsweise in Deutschland. Mehr hätte ich nicht fragen müssen, um eine umfassende Vorlesung von meinem Freund zu bekommen.

Das liegt, sagte er, an der „griechischen Psyche“. Griechenland sei eine Gesellschaft, so fuhr er fort, die sich von ihrer Geschichte überfordert fühlt. Dazu kommt noch, dass Griechen zumindest bisher eine überfürsorgliche und total verwöhnende Erziehung (vor allem seitens der griechischen Mütter) erfuhren, was nicht unbedingt zur optimalen Entfaltung einer Persönlichkeit beiträgt.

Mein Freund empfahl mir das Büchlein „Über das Unglück, ein Grieche zu sein“ von Nikos Dimou, das 1975 erschienen war. Es besteht aus 193 Aphorismen auf nicht einmal 70 Seiten. Als ich es las, musste ich mich an „Die Österreichische Seele“ von Prof. Erwin Ringel erinnern.

Dimou schreibt (sehr unterhaltsam!), dass die Griechen bis ins 18. Jahrhundert eine Mischung von Türken, Albanern, Slawen, Walachen, etc. etc. waren, die auf relativ primitive Weise in einem kargen Land ums Überleben kämpften. Wenn man sich beispielsweise ein Bild von Athen zur Zeit des Kampfes um die Unabhängigkeit anschaut, dann sieht man ein türkisches Dorf mit circa 4.000 Bewohnern und mit einer Akropolis, die den Türken als Waffendepot diente (angeblich wollte man sogar die Akropolis niederreißen). Und dann – so schreibt Dimou – kamen die Deutschen und Engländer und redeten diesen einfachen Menschen ein, dass sie nicht Türken, Albaner, Slawen, Walachen oder was sonst noch waren, sondern stattdessen die direkten Nachfahren der großen Hellenen!

Dimou leitet daraus das Kernproblem der heutigen Griechen ab – eine Mischung aus einem nationalen Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn.

Griechen „bewerben“ sich nicht; sie „lassen sich umwerben“, erklärte mir mein Freund. Griechen ignorieren die Realität, weil – wie Dimou schreibt – die Griechen mit der Realität nicht fertig werden würden. Mein Freund wies mich darauf hin, dass die Griechen in den Schulbüchern ihre Geschichte seit der Unabhängigkeit teilweise umgeschrieben haben. Da lernen die jungen Griechen, dass ihre Vorfahren direkte Nachkommen der großen Hellenen waren, die sich in einem mutigen Befreiungskrieg erfolgreich gegen die Türken durchgesetzt haben. Dass auf dem heutigen Territorium Griechenlands immer nur Griechen lebten; etc.

Laut meinem Freund ist das eine gewaltige Dehnung der Realität. Im heutigen Nordgriechenland (Makedonien) war beispielsweise vor dem Bevölkerungsaustausch mit den Türken der Anteil der Griechen nur 45 Prozent. Und die Griechen haben, so sagte mein Freund, so Einiges an ethnischen Säuberungen durchgeführt, damit das heutige Griechenland „ganz griechisch“ sein konnte (bis heute weigert sich Griechenland angeblich, eine systematische Erfassung der Minderheiten, die vor allem im Norden ganz gewaltig sind, zu machen).

Unvereinbar mit dem übrigen Europa?

Mein Freund erklärte, dass sich aus all diesen Strömungen eine nationale Psyche ergibt, die mit dem rationalen Westen sehr wenig und mit der protestantischen Ethik aber schon gar nichts zu tun hat. Interessanterweise gilt das für die Griechen in Griechenland. Sobald griechische Auswanderer beispielsweise Fuß auf amerikanischen Boden setzen, saugen sie buchstäblich über Nacht die amerikanische Arbeitsethik auf.

Mein Freund behauptet, dass ein Griechenland-Kenner vor 40 Jahren sagen hätte müssen: „Liebe EU, liebe Griechen – bitte nehmt zur Kenntnis, dass Ihr nicht zusammen passt. Euch trennen Kulturwelten! Ihr werdet Euch gegenseitig zerreiben!“ Und vor 20 Jahren hätte man sagen müssen: „Liebe Griechen, seid vorsichtig mit dem Euro; der könnte Euch umbringen“. Offenbar hat es in der elitären EU keine Griechenland-Kenner gegeben.

Mein Freund weigert sich, die Flinte ins Korn zu werfen und fatalistisch über Griechenlands Zukunft in der Eurozone zu spekulieren. Deswegen kommt er immer wieder mit Ideen, wie es Griechenland vielleicht doch noch schaffen könnte (wohl wissend, dass solche Ideen wohl nie umgesetzt werden könnten). Trotzdem meint er, dass über kurz oder lang Griechenland wieder zur Drachme zurückkehren wird/muss.

Eine deflationäre Anpassung in jenem Ausmaß, das Griechenland benötigt, wäre selbst für das aufgeklärteste Volk eine enorme Herausforderung. In Griechenland wird dadurch – wie man sieht – die Situation immer nur schlimmer. Manchmal gewinnt man den Eindruck, als wollten die Griechen der Troika beweisen, dass ihre Maßnahmen nicht funktionieren können, nur damit sie als Opfer bestätigt werden.

Mein Freund legt Wert darauf, seine obigen Ausführungen über die „griechische Psyche“ etwas zu qualifizieren. Bis zu einem gewissen Grad wächst heute schon eine neue junge Generation heran. Das sind junge Griechen, die weniger von den Mythen der Vergangenheit, sondern vom Studium an Universitäten geprägt sind. Junge Griechen, die Fremdsprachen hervorragend beherrschen. Junge Griechen, mit denen man ganz vernünftig über Griechenland diskutieren kann, ohne dass sie in narzisstische Wutanfälle gegen die Ausländer (vor allem gegen die Deutschen) geraten. Das sind aber – leider für Griechenland – auch jene jungen Griechen, die ihre Heimat verlassen wollen, um sich anderswo besser verwirklichen zu können.

Zum Schluss erwähnt mein Freund die griechischen Eliten. Das seien Eliten, von denen sich die Eliten anderer Länder etwas abschauen könnten: bestens gebildet; international versiert; höchst kultiviert; Eliten eben. Aber leider sind es auch Eliten, die bisher immer meinten, dass das Land für sie da sei und nicht umgekehrt.

Klaus R. Kastner
Vier Jahrzehnte Bankmanagement in sechs Ländern (Österreich, Deutschland, England, USA, Chile, Argentinien), davon 1980-87 in Chile/Argentinien als Country Manager vor Ort einer der größten amerikanischen Gläubigerbanken; Studien an Harvard und INSEAD; derzeit in Griechenland tätig.
 

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Thatchers Tod macht nostalgisch drucken

Mit Margaret Thatcher ist wohl die erfolgreichste und wichtigste europäische Reformerin der Nachkriegszeit gestorben. Dabei war sie bei persönlichen Begegnungen alles andere als eine sympathische Person.

Ihr Kampf für einseitige britische EU-Rabatte hat ihr außerhalb des Vereinigten Königreichs wenige Sympathien eingebracht. Und zumindest Linke ärgern sich bis heute zutiefst, dass Thatcher eigentlich nur als große Siegerin des Falkland-Krieges innenpolitisch so lange bedeutsam sein konnte.

Aber genau dieser Zufall verhalf Thatcher zu der Möglichkeit, ein zutiefst verkommenes Land wieder um Jahrzehnte nach vorne zu bringen. Sie wagte es, sich dem damals auf den Inseln besonders stark bremsenden gewerkschaftlichen Terror entgegenzustellen. Und sie hat diesen Krieg gegen  monatelange Bergarbeiter-Streiks gewonnen.

Sie privatisierte große Bereiche der maroden Wirtschaft. Was fast überall ein großer Erfolg wurde. Endlich mussten auf Dieselloks keine Heizer mehr mitfahren wie in der Zeit vor Thatcher. Lediglich die Schieneninfrastruktur musste angesichts der großen, aus den Vor-Thatcher-Jahrzehnten geerbten  finanziellen Probleme wieder verstaatlicht werden; der Investitionsbedarf war nach Generationen der Vernachlässigung einfach zu groß. Hingegen hat auch keine der späteren Labour-Regierungen im Schlaf daran gedacht, irgendeine der sonstigen Privatisierungen zurückzunehmen, also auch nicht die des gesamten Personen- und Lastzugverkehrs. Dazu waren diese viel zu erfolgreich und stark nachgefragt.

Der konzessionslos durchgestandene Bergarbeiterstreik war der entscheidende Knackpunkt gewesen, der die britische Wirtschaft endlich reformierte. Das Land war bis zu Thatcher durch eine schrumpfende Arbeitsmoral und eine total veraltete Industrie geprägt, die nicht wie die deutsche die totale Modernisierung in Wiederaufbau und Wirtschaftswunder erlebt hatte.

Thatcher hat dadurch einer ganzen Generation von Briten neuen Wohlstand beschert. Dass sie das unter häufiger Zitierung des in London lebenden Wiener Philosophen und Ökonomen Friedrich August Hayek, ihres Lieblingsdenkers, gemacht hat, sollte zumindest erwähnt werden. An internationalen Persönlichkeiten hat sie hingegen außer Ronald Reagan niemanden wirklich anerkannt.

Gewiss ist Thatcher auch in so manchem gescheitert. Beim Nordirlandkonflikt etwa war es erst John Major, der die entscheidenden Weichenstellungen vornahm. Auch hat sie niemals genau den Platz Großbritanniens zwischen den USA und Europa definieren können. Sie hat es auch nicht geschafft, das total verstaatliche britische Gesundheitswesen zu modernisieren. Ebensowenig konnte sie das bis heute von leistungsschwachen öffentlichen Gesamtschulen geprägte Schulwesen reformieren, wo nur die Privatschulen die notwendige Qualität bringen. Und zweifellos waren ihre letzten Jahre im Zeichen einer schweren Altersdemenz alles andere als erfreulich.

Weniger gegen sie als gegen die Feministinnen spricht die Tatsache, dass diese mit einer so starken Persönlichkeit wie Thatcher überhaupt nichts anfangen können, sondern lieber alte kommunistische Ikonen aus der Mottenkiste verehren. Thatcher hingegen war eine klare Konservative mit liberalem Mut. Sie ist durch sensationell starke Sprüche bekannt geworden wie: „Dem Kampf um Frauenrechte verdanke ich nichts." Aber auch: „Wenn Sie in der Politik etwas gesagt haben wollen, fragen Sie einen Mann; wenn Sie etwas erledigt haben wollen, fragen Sie eine Frau." Ebenso legendär war ihr Lob für die Fähigkeiten einer Hausfrau.

Während Linke und Feministinnen sie hassten, ist sie für eine ganze Generation von Briten zum erklärten Idol geworden. Sie hat erledigt. Sie hat Führungsqualitäten gehabt. Sie hat jungen, auch keineswegs sehr politischen Frauen wie den „Spice Girls“ ein unnachahmliches Vorbild gegeben. Sie war aber auch für die tapfer gegen die Verfolgung kämpfenden osteuropäischen Dissidenten ein über den Eisernen Vorhang hinweg strahlender Leuchtturm der Freiheit gewesen, zum Unterschied von vielen anderen knieweichen europäischen Politikern.

Das Tragische ist heute: Weit und breit ist in Europa keine Persönlichkeit mit ähnlichen Fähigkeiten und Stärken mehr zu sehen. Auch Angela Merkel hat in Sachen „Dauerrettung“ und „Energiewende“ wohl zu viele Fehler begangen, um Thatcher an Bedeutung gleichzukommen.

 

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Was mich absolut sprachlos macht drucken

Alleine ein paar Stunden des Streifens durch internationale und österreichische Meldungen haben mich absolut sprachlos gemacht: So viel Chuzpe binnen weniger Stunden ist absolut unglaublich. Und man findet die Chuzpe nicht nur allerorten in Österreich, sondern genauso in Griechenland und Portugal, den USA und Deutschland.

Da stellt sich in Griechenland heraus, dass der Verwaltungsminister noch immer den Abbau von Beamten verhindert, dass er der Troika weder genaue Daten vorlegt noch einen Zeitplan. Dabei hätte man vermeint, dass all das längst geschehen sei. Wann wird man in Europa endlich einsehen, dass das ganze Projekt „Hilfe gegen strenge Kontrolle von Reformen“ nach drei Jahren nur noch als jämmerlich gescheitert angesehen werden kann? Wenigstens gibt es in Berlin zarte Signale der Einsicht. Dass hingegen auch in Wien das jemand einsieht, war ja angesichts der wirtschaftlichen Ahnungslosigkeit der Regierungsspitze sowieso immer außer jeder Möglichkeit.

Da macht FPÖ-Chef Strache mit der neuesten Interpretation des Kärntner Wahlergebnisses sprachlos: „Nicht die FPÖ hat in Kärnten eine Wahl verloren;“ es habe sich um die Vorgänger aus dem BZÖ gehandelt, die zu Recht abgewählt worden seien. Wie bitte? Müssen wir uns wirklich als Vollidioten behandeln lassen? Warum hat Strache das denn nicht vor der Wahl so gesagt, sondern das genaue Gegenteil?

Da zeigen die Amerikaner, dass sie in Sachen Blödheit und Political Correctness wirklich nicht zu übertreffen sind. Da lobt Präsident Obama bei einer Veranstaltung die kalifornische Justizministerin wegen ihrer fachlichen Qualitäten und fügt das harmlose Kompliment hinzu: Sie sei „auch die mit Abstand bestaussehende Justizministerin im Lande". Über diesen Satz erregen sich seither zahllose amerikanische Medien und Feministinnen voller Empörung: Der Präsident habe sich sexistisch geäußert, und prompt reagiert Obama auch total schuldbewusst. Die Lehre: Nur kein Kompliment mehr für irgendeine Frau! Auch wenn es nicht so missglückt ist wie einst jenes des Herrn Brüderle . . .

Da sitzt der ehemalige Vorstand der burgenländischen Monopolfirma Begas, Rudolf Simandl, unter dem Verdacht in U-Haft, der Allgemeinheit einen Schaden in der Höhe von 4,5 Millionen Euro zugefügt zu haben. Ist dem werten Leser die seltsame Ruhe in den meisten Medien aufgefallen? Deren Erklärung ist einfach: Der Herr Simandl ist ja von der SPÖ in seine Machtposition bugsiert worden. Da wird man das natürlich nicht groß auswalzen! Das tut man nur bei rechten Missetätern, wirklichen wie mutmaßlichen. In einem Rechtsstaat freilich müsste Simandl nun ein paar Jahrhunderte sitzen. Man setze nur die saftigen Strafen für die in letzter Zeit verurteilten Exponenten bürgerlicher Parteien und den von diesen angerichteten Schaden in Vergleich zu Simandls – mutmaßlichen – Taten.

Da entblödete sich in Deutschland der SPD-Kandidat Steinbrück nicht, plötzlich getrennten Sportunterricht für Buben und Mädchen zu verlangen. Muslimische Eltern wollten das so. Na dann. Dabei war gerade die Linke einst die treibende Kraft hinter der Zusammenlegung jedes Unterrichts gewesen. Aber wenn muslimische Eltern etwas fordern, dann fällt die SPD natürlich sofort um und fordert das Gegenteil. Nur eine Anregung für stramme Sozialisten: In den meisten muslimischen Ländern ist der ganze Unterricht nach Geschlechtern getrennt. Und in besonderen Schulen dürfen (männliche) Lehrkräfte überhaupt nur hinter einem Vorhang sitzen, wenn sie (natürlich voll verschleierte) Mädchen unterrichten. Da gibt es für die Linke noch viel zu tun, bis es auch bei uns soweit ist.

Da hat – ebenfalls in Deutschland – die ARD vor einigen Tagen sogar den ORF in Sachen Verlogenheit übertroffen: Sie berichtete über Japan und den einstigen Tsunami mit folgendem Wortlaut: „In der Folge kam es zu einem Reaktorunfall im Kernkraftwerk Fukushima. Dabei kamen ungefähr 16.000 Menschen ums Leben.“ Solche Unwahrheiten sind das Ergebnis der Tatsache, dass in Deutschland wie Österreich heute die Redaktionen voller linksradikaler Grüner sind. Diese scheuen ganz offensichtlich vor keiner Lüge zurück. Vor allem dann nicht, wenn sie sich ständig moralistisch geben.

Da hat der sogenannte Presserat die – aus anderen Gründen wenig sympathische – Kronenzeitung wegen folgender Passage verurteilt: „Kurz vor dem Ziel zückte der Südländer (einer von hunderten kriminellen Ausländern, die unsere Heimat unsicher machen) ein Messer.“ In diesem Satz sei ein „xenophober Unterton“ erkennbar. Die große Mehrheit der Österreicher würde freilich meinen, dass einzige, was an diesem Satz unrichtig sei, ist die Zahlenangabe „hunderte“. Richtig ist zweifellos ein Vielfaches davon. Keine Verurteilung gibt es jedoch für die Verlogenheit der politisch-korrekten Medien, die nun nicht mehr nur die Herkunft, sondern sogar die einst branchenüblichen Vornamen der Täter verschweigen. Zumindest dann, wenn eine Bande Jugendlicher andere Personen schwer verletzt. Man will ja nicht vom Presserat verurteilt werden. (ich habe übrigens einst als Chefredakteur nach ähnlichen Schwachsinnigkeiten den Auszug aus dem Presserat beschlossen, worauf dieser ein paar Jahre inexistent war. Die Neugründung schließt aber offensichtlich nahtlos am alten Zustand an.)

Und da hat zu schlechter letzt der portugiesische Verfassungsgerichtshof reihenweise Sparbeschlüsse von Regierung und Parlament aufgehoben. Sie wären ungerecht. Gerecht ist also offenbar, dass auch weiterhin Deutschland & Co die Schuldenwirtschaft der Portugiesen finanzieren.

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Wird Österreich unregierbar? drucken

Zyniker könnten darauf antworten, dass Österreich schon seit längerer Zeit unregierbar ist, beziehungsweise nicht wirklich regiert wird, denn die Blockade in der Koalition verhindert seit Jahren dringend anstehende Reformen in praktisch allen Bereichen. Aber nicht nur die beiden Koalitionsparteien blockieren einander, auch die Bundesländer legen sich immer wieder quer, und die mangelnde Stärke der Regierungsparteien, auch Verfassungsgesetze beschließen zu können, gibt der Opposition immer wieder die Möglichkeit, wichtige Gesetzesvorhaben zu blockieren. Was könnte also noch schlimmer werden?

Manche fürchten, mit derzeit bereits sechs Parteien im Parlament und neuen Anwärtern (von den Piraten bis zu den Neos), könnten wir wenig erfreuliche italienische Verhältnisse bekommen.

Apropos Italien: Es ist eine interessante Frage, warum drei europäische Länder, die sich 1945 politisch neu aufstellen mussten, so unterschiedliche Entwicklungen genommen haben. In Deutschland haben wir bis heute die traditionellen Parteien CDU/CSU, SPD und FDP immer wieder in Regierungsfunktionen. Das Parteienspektrum wurde nur – wie in vielen Ländern – durch die Grünen bereichert, sowie – ein deutsches Spezifikum – durch eine Linkspartei als Nachfolgerin der ehemaligen DDR-Einheitspartei.

Das Gegenstück zu Deutschland ist Italien, wo vor rund zwei Jahrzehnten das traditionelle Parteiengefüge implodierte und sich die langjährigen Regierungsparteien Democrazia Cristiana und die Sozialistische Partei auflösten. Die DC zerfiel in mehrere kleine Parteien – unter anderem auch die von Silvio Berlusconi geführten – während die PSI praktisch verschwand. Seitdem verunsichert ein bunter Mix von mehr oder weniger ernstzunehmenden Gruppierungen das Land.

Österreich liegt hier – nicht nur geographisch – dazwischen. Auch hierzulande gibt es seit 1986 die Grünen im Parlament, die aber schon seit geraumer Zeit stagnieren. Dank ihres kaum verhohlenen Drängens auf eine Zusammenarbeit mit der SPÖ werden sie von vielen nicht als echte Oppositionspartei wahrgenommen. Die diversen Abspaltungen der FPÖ (LIF, BZÖ, FPK) haben allesamt nicht nachhaltig reüssieren können, es fehlt(e) Jörg Haider, der es immer wieder schaffte, mit seinem Charisma Mandate zu erringen. Diese Zeiten sind vorbei, wie Haiders kümmerliches Abziehbild, HC Strache, nunmehr leidvoll zu spüren bekommt.

Denn auch das Oppositions- und Protestmonopol der marktschreierischen FPÖ ist gebrochen: Durch einen achtzigjährigen Austro-Kanadier, der es ohne xenophobe Töne schafft, im freiheitlichen Protestreservoir zu wildern. Auch er hat – wie die FPÖ – kein wirklich vernünftiges Programm für Österreich, aber eine offensichtlich große Attraktivität für Wutbürger verschiedener Couleurs. Was man von den Piraten hierzulande halten soll, weiß niemand, und die sogenannten Neos haben möglicherweise – bevor sie noch richtig gestartet sind – schon ihren ersten Kapitalfehler begangen: Sie haben die traurigen Links-Genderisten des LIF und ein paar bedeutungslose Grüne mit an Bord genommen; wohl mit dem Hintergedanken, möglichst viele Themen abzudecken und damit eine Partei für alle zu werden. Aber Allerweltsparteien für alle sind bekanntlich Parteien für niemanden – etwas, was auch die ÖVP noch immer nicht begriffen hat.

Packelei und Blockade

Die stabilen Verhältnisse in Deutschland gründen sich wohl darauf, dass dort große Koalitionen die Ausnahme sind, während sie in Österreich eine fatale Regel darzustellen scheinen. Nur zwei Mal seit 1945 gab es Deutschland große Koalitionen für insgesamt sieben Jahre, in Österreich blicken wir auf 40 Jahre dieser verhängnisvollen Regierungsform zurück, die wie keine andere zu Packelei einerseits, beziehungsweise zur Blockade andererseits einlädt. Was nach dem Krieg, in der Zeit des Wiederaufbaus, eine segensreiche Einrichtung war, ist zu einem demokratiepolitischen Mühlstein geworden.

In Deutschland ist Innenpolitik durch das wechselnde Spiel der Kräfte spannend geblieben. Sowohl die Unionsparteien als auch die SPD haben mit der FDP koaliert, die SPD hat es einmal mit den Grünen versucht. Deshalb hat wohl auch die Politikverdrossenheit in Deutschland noch nicht das österreichische Niveau erreicht, denn der deutsche Wähler weiß, dass man Regierungen auch abwählen kann. Der österreichische Wähler dagegen hat gelernt: „Egal, was ich wähle, es kommt ja doch immer wieder das mehr oder weniger gleiche heraus.“

Im Wahljahr 2013 scheint es also, als hätte der frustrierte Wutbürger über die FPÖ hinausgehend mehrere Optionen zum Dampfablassen, weshalb sich die Stimmen auf besonders viele Parteien verteilen könnten.

Viele Kaffeesudleser bewegt schon Monate vor der Wahl die Frage, was passiert, wenn es SPÖ und ÖVP diesmal nicht mehr schaffen, gemeinsam die absolute Mehrheit, und damit eine Regierung, darzustellen. Steht uns dann eine Dreierkoalition oder gar eine Minderheitsregierung ins Haus? Und wie könnte eine derartige Dreierkoalition zusammengesetzt sein, unter der Prämisse, dass ja niemand mit der „grauslichen“ FPÖ koalieren möchte?

Alternativlos gegen die Wand?

Interessante, wenn auch derzeit noch etwas hypothetische Fragen, die insbesondere vor dem Hintergrund der Parteienauswahl wenig optimistisch stimmen. Denn nicht nur das Angebot an gründlich ausgelaugten und reformunwilligen Regierungsparteien ist hierzulande deplorabel, auch die Oppositionsparteien machen nicht wirklich viel her. Überzeugende Entwürfe für eine ernsthafte Beschäftigung mit den drängenden Problemen auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene sind nirgendwo zu finden. Das von Politikern überstark strapazierte Wort „alternativlos“, das 2010 in Deutschland zum Unwort des Jahres gekürt wurde, ist zu einem beliebten Totschlag-Argument geworden, Diskussionen über unangenehme Fragen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

So ist das weitere Hineinschütten von Milliarden zwecks einer fragwürdigen Euro-Rettung nach wie vor genauso „alternativlos“ wie etwa die dramatische Erhöhung der Parteienfinanzierung hierzulande. „Alternativlos“ ist offensichtlich auch, dass wir uns eine Bundesstaats- oder Bürokratiereform gar nicht vorstellen können oder wollen. Seit Jahren wird uns ein Schuldenabbau versprochen, tatsächlich wachsen jedes Jahr die Schuldenstände weiter – ist wahrscheinlich auch „alternativlos“. Ein angekündigtes „Demokratiepaket“ ist die Überschrift nicht wert, die es trägt; es eignet sich nicht einmal zu einer treuherzigen Augenauswischerei; es ist also auch die Fortschreibung des demokratiepolitischen Stillstands hierzulande „alternativlos“.

Da ist es nur ein geringer Trost, dass wir immerhin eine Regierung haben, zum Unterschied von Italien, wo das Chaos offensichtlich „alternativlos“ ist, etwa mit der Partei eines Komikers, die zwar rund 25 Prozent der Stimmen erhalten hat, sich aber jeder politischen Betätigung verweigert (mit so einem Stimmenanteil ist man immerhin in Österreich schon Junior-Partner in einer großen Koalition).

Ein Hoffnungsstrahl kommt aus Deutschland: Dort hat sich nun aus der bürgerlichen Mitte des Landes kommend eine „Alternative für Deutschland“ formiert, die bei den heurigen Bundestagswahlen antreten will. Diesmal sind es weder rechtsopportunistische Verbalradikalinskis noch alternde Besserwisser, sondern Wirtschaftsprofessoren und Unternehmer, die sich täglich im Beruf bewähren müssen. Die Bewegung setzt sich vor allem für Recht, Gesetz und Vertragstreue ein; sie zeigt zudem konkrete Wege aus der Euro-Krise auf. Sie legt in der Europa-Politik das Schwergewicht auf ein Europa souveräner Staaten mit einem gemeinsamen Binnenmarkt, wobei das Budgetrecht der nationalen Parlamente erhalten bleiben sollte und auch eine Transferunion beziehungsweise ein zentralisierter europäischer Staat abgelehnt wird. Sie unterstützt die vernünftigen  Positionen des britischen Premierministers David Cameron, die EU durch mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung wieder zu verschlanken. Die Wirtschaftsprofessoren legen auch Wert auf einen echten Abbau der Staatsverschuldung und auf ein vereinfachtes Deutsches Steuerrecht.

Die Partei ist seit Februar unterwegs, am 14. April soll der Gründungsparteitag stattfinden. Man darf gespannt sein, wie sich diese Initiative der Bürgergesellschaft entwickelt – bei einem Erfolg wäre auch ein Ableger in Österreich wünschenswert.

Prof. Dr. Herbert Kaspar ist Herausgeber der ACADEMIA, der Zeitschrift des österreichischen Cartellverbandes. Dieser Kommentar ist der aktuellen April-Ausgabe – die am 3.4. erscheint – entnommen.

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Das Unheil begann mit einem Wertewandel drucken

Viele Europäer wollen derzeit die Politiker ins Gefängnis werfen; Politiker und ihre medialen Verbündeten wollen dasselbe mit den Bankern tun. Die Szene ist die einer verzweifelten Sündenbocksuche nach einer schweren Niederlage. Gelöst ist mit Gefängnisstrafen freilich noch nichts. Kein Weg, kein Randthema kann nämlich an der Tatsache vorbeiführen, dass wir alle - egal ob mitschuld oder nicht (die meisten sind mitschuld, haben sie doch populistische Parteien gewählt) - für die Schuldenpolitik der Jahrzehnte seit 1970 zahlen müssen: für die verlogenen Euro-Rettungsaktionen; für fehlgeleitete Staatsausgaben (die statt in Investitionen zu Wählerbestechungen in Form von Frühpensionen, Gratisstudium, Förderungen und Gratisgesundheit verwendet worden sind); oder für die Aufnahme von (schon allein auf Grund ihrer Schulden) ungeeigneten Ländern in den Euro-Raum. Wir zahlen und müssen noch viel mehr zahlen, als Steuerzahler, als Sparer, als Schüler.

Im Vordergrund sollte derzeit aber vor allem die Frage stehen, wie wir ohne allzuviel weitere Schäden aus all den Irrungen der Krise herauskommen können. Dazu müssen wir freilich auch die Fehler der Vergangenheit analysieren, wie auch die der Gegenwart. Und wir müssen uns eingestehen, dass uns die Fehler der letzten Jahre jedenfalls teuer kommen.

Wenn selbst linke Apologeten wie der Linksaußenökonom Stephan Schulmeister zugeben, dass vor 1971 alles besser gewesen sei, dann ist das schon ein guter gemeinsamer Ansatz der notwendigen Analyse. Denn 1971 waren europaweit die Schulden noch sensationell tief. Etwa in Österreich betrugen sie 18 Prozent des damaligen Bruttoinlandsprodukts, das damals viel tiefer war als das heutige. Damals haben die Menschen, trotz viel niedriger Lebenserwartung, deutlich länger gearbeitet. Sie gingen später in Pension, sie arbeiteten großteils 45 Stunden, also auch noch an Samstagen, und sie hatten viel weniger Urlaube. Modische Wohlfahrts-Kuscheleien wie die verbreitete Frühpension wegen Burnouts kannte noch niemand. Und auch die Staatsquote (Steuern und Abgaben) war weit niedriger. Nostalgie? Nein, eine Wirtschaft, die noch funktioniert hatte.

Die Gewerkschaften haben noch nichts begriffen

Also darauf, dass ein Zurück Richtung 1971 eigentlich ein exzellentes Signal wäre, könnte man sich offenbar auch mit der radikalen Linken gut verständigen. Freilich steht da die seltsame Tatsache im Raum, dass gerade Ökonomen wie Schulmeister in den letzten Jahrzehnten immer für noch mehr Schulden und nie für mehr Arbeiten plädiert haben.

Und die Gewerkschaften sowieso. Diese haben soeben in Österreich eine obligatorische sechste Urlaubswoche für alle gefordert und gleich auch jede Menge Steuererhöhungen. Von ihrer Mitschuld an den Fehlentwicklungen seit 1971 reden sie hingegen nicht. Diese werden ja bei einer Gewerkschaft regelmäßig als große Erfolge gefeiert.

Rund um 1971 wurde Europa von einem kompletten Wertewandel erschüttert. Dessen Hauptursache war, dass die damals an die Macht kommenden Sozialdemokraten nicht mehr die oft asketischen und jedenfalls leistungsorientierten Werte ihrer Bewegung von früher vertreten haben, sondern die Sichtweisen der 68er Generation. In deren Zentrum stand aber der Kampf gegen die Privatwirtschaft und für ständig mehr Staatsleistungen ohne Rücksicht auf die Kosten.

Aber auch die christdemokratischen und liberalen Parteien wurden teilweise von diesem Wertewandel angesteckt. Die einen wurden plötzlich linksliberal (sie nannten es sozialliberal), die anderen glaubten, dass das Wort „sozial“ in „Soziale Marktwirtschaft“ eine Einschränkung der Marktwirtschaft bedeuten würde. In Wahrheit war dieses Adjektiv aber von ihren Schöpfern – von Ludwig Erhard bis zur Freiburger Schule – als nähere Qualifizierung der Marktwirtschaft gemeint, als erklärender Zusatz für das, was eine funktionierende Marktwirtschaft leistet. Und zwar nur sie.

Schröpfpläne und Unsinnigkeiten

Man kann aber auch in der Gegenwart, etwa rund um die zypriotische Krise viel Unsinniges entdecken:

  • Kann beispielsweise jemand erklären, warum die größte zypriotische Bank in Russland viel mehr Filialen hat als im eigenen Land, aber wir Europäer zu zwei Drittel das zypriotische Banksystem retten mussten?
  • Kann jemand erklären, warum nun eine griechische Bank um eine halbe Milliarde alle Filialen zypriotischer Banken auf Griechenland kaufen kann? Haben die Europäer nicht gerade Griechenland selbst mit mehreren Hundert Milliarden kostenden Hilfsaktionen retten müssen?
  • Kann jemand erklären, warum beispielsweise ein durchschnittlicher spanischer Haushalt dreimal so reich ist wie ein deutscher, aber die Deutschen die Spanier retten müssen, und demnächst wohl auch die Italiener und Franzosen, die ebenfalls reicher sind als ein durchschnittlicher deutscher Haushalt?
  • Ebenso schwer erklärlich ist, dass die EU-Kommission laut dem Kommissar Michel Barnier nun offiziell beabsichtigt, dass alle Besitzer von Konten über 100.000 Euro künftig für die Abwicklung von Banken herangezogen werden, die unter 100.000 aber absolut geschützt werden.

Wird dann auch nur ein Idiot so blöd sein, bei einer Bank mehr als 100.000 Euro liegen zu haben? Wird dann nicht jeder seinen Vorteil besser wahren, wenn er das über der „Mindestsicherung“ liegende Geld von der Bank nimmt, im eigenen Haus in Bar versteckt oder in Gold anlegt, das man ihm nicht so leicht abnehmen kann? Oder wenn er es ganz aus Europa hinausträgt? Haben nicht eigentlich gerade fast alle Politiker das Gegenteil erklärt, nämlich dass nach Zypern Einleger nicht mehr bluten werden? Hat man nicht soeben gerade das vor zwei Wochen von den Euro-Lenkern vorgelegte Modell als unsozial verworfen, dass alle Einleger für die Bankenverluste mitzahlen müssen, wenn sie mehr an Zinsen kassiert haben, als in stabilen Niedrigzinsländern des gleichen Währungsraums üblich ist? Dabei wäre gerade dieses Modell das relativ am weitaus schmerzärmste und gerechteste gewesen, hätte doch gemäß diesem ersten Zypernbeschluss kein einziger Sparer mehr als den Zinsengewinn der letzten Jahre verloren.

Gerechtigkeit und Vernunft sind chancenlos geworden

Gegen die jeder Vernunft widersprechende Regel, dass andere Personen als die zuvor profitierenden Gläubiger für eine in Konkurs gehende Bank haften und zahlen müssen, haben Gerechtigkeit und marktwirtschaftliche Vernunft keine Chance mehr. Solange dieses perverse Prinzip nicht aufgegeben wird, gerät Europa immer mehr in einen mörderischen Strudel.

Die Botschaft der wirtschaftlichen Vernunft ist freilich bei dem Menschen Südeuropas nicht angekommen. Sie begreifen nicht, was es heißt, dass ihre Länder derzeit in einer historischen Krise sind. Aus eigenem Verschulden. Sie glauben offenbar noch immer, dass Deutsche, Holländer, Österreicher und Finnen sie auch weiterhin herauspauken werden. Auch wenn diese dafür ständig beschimpft werden.

Anders ließen sich die jüngsten deutschen Zahlen nicht erklären: Aus den 2004 der EU beigetretenen Ländern sind im Vorjahr 100.000 Menschen nach Deutschland gekommen, um dort zu arbeiten. Aus  Griechenland, Portugal, Italien und Spanien waren es in Summe hingegen nur 30.000. Deutlicher kann man gar nicht beweisen, dass im Süden immer noch primär aufs Klagen, Jammern und Schimpfen als Antikrisentherapie gesetzt wird und nicht auf die eigene Arbeit, zu der ja auch Mobilität gehört. Die Euro-Länder haben freilich auch alles getan, um den Süden in dieser schönen Illusion zu lassen.

Hochstapler machen sich mit Lügen populär

Wie weit man in jenen Ländern von der nüchternen Realität entfernt ist, zeigt der Fall eines portugiesischen Hochstaplers: der Ex-Häftling Artur Baptista da Silva hat sich dort als internationaler Spitzenökonom, UNO- und Weltbankberater ausgegeben und als solcher bis vor wenigen Wochen bei zahllosen Diskussionen, Vorträgen und Talk Shows brilliert. Er predigte nämlich genau das, was die Portugiesen gerne hörten: Man dürfe das Land nicht zu Tode sparen! Die Zinsen seien viel zu hoch! Die portugiesische Regierung müsse von den Deutschen noch viel mehr Geld herausverhandeln! Peinlich nur, dass weder sein Lebenslauf noch seine Vorschläge irgendetwas mit der Realität zu tun hatten. Der Mann ist nach langem endlich doch als Hochstapler entlarvt worden.

Manchen wird dieses Schwadronieren aber durchaus bekannt vorkommen. Verlangen doch auch die Arbeiterkammer-„Experten“ unter Beifall so mancher Journalisten noch viel höhere Schulden zur Krisenbekämpfung. Offenbar sind die Menschen nicht sehr lernfähig, sonst würden sie solchen Einsatz von Benzin zur Brandbekämpfung als ziemlich problematisch erkennen.

Die Wahrheit ist viel unpopulärer: Nur Leistung, Sparsamkeit und Arbeit können Europa da wieder herausbringen. Zwar wird jede Partei abgewählt, die die Wahrheit sagt. Aber auch demokratisch gewählte Illusionen bleiben Illusionen, die am Ende gegen die harten Fakten untergehen werden.

Mit den Russen vertreibt Zypern sein Einkommen

Die Zyprioten haben es sich ziemlich schwer gemacht, sich durch Arbeit selbst aus dem Sumpf zu ziehen: Weil man aus populistischen Gründen den kleinen Sparern nicht einmal einen teilweisen Verlust der Zinsen zumuten wollte, während größere Einleger hingegen zu 37 bis 100 Prozent geschröpft werden, hat Zypern jetzt seine eigene Haupteinnahmequelle vertrieben. Die dort in großer Zahl lebenden beziehungsweise regelmäßig einpendelnden Russen verlassen nun rasch die Insel. Trotz ihres einladenden Wetters und ihres hohen touristischen Wertes.

Mit den Russen sind aber auch die beiden Hauptbranchen der Insel tot: die Tourismusindustrie und das groß dimensionierte Bankwesen. Die Russen sind nämlich zu klug, als dass sie nicht erkannt hätten: Sie sind ganz gezielt zu Opfern einer Schröpfaktion geworden. Und das hat kein Volk sonderlich gerne. Zypern schonte die eigenen Wähler und bestrafte – unter nur scheinbarer Gleichbehandlung – die Russen. Diese sind jedoch zugleich die besten Kunden der Zyprioten (für Mitteleuropäer hingegen sind die Tourismus-Preise auf Zypern schon lange viel zu hoch).

Bei der Russen-Schröpfaktion half mit, dass man diese relativ einfach und ungeprüft zu Mafiosi erklären kann. Da ist es aber gleichzeitig kein Wunder, dass da kein Russe gern auf Zypern bleibt. Und dass deshalb die populistisch geschonten „kleinen“ Zyprioten bald keine Jobs mehr haben werden. Dafür können sie weiterhin ungestraft ihr Geld – bis 100.000 Euro pro Bank – dort anlegen, wo es die höchsten Zinsen gibt. Ohne auf die Stabilität der Bank achten zu müssen. Das gilt freilich nur, sofern sie überhaupt noch Geld haben. Denn das muss man ja in der Regel vorher verdienen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für die unabhängige Internet-Zeitung eu-infothek.com.

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Bargeldverbot: Alle Macht dem Leviathan! drucken

Die beiderseits des Atlantiks betriebene Politik der „finanziellen Repression“ zeigt Folgen: Auf der Suche nach Möglichkeiten zum bloßen Erhalt der Vermögenssubstanz werden Sparer in Anlagen gezwungen, die weit jenseits ihrer normalen Risikobereitschaft liegen. Blasenbildungen wie im nur scheinbar sicheren Immobilienbereich oder bei dubiosen „Wert“papieren – und damit das Risiko schmerzhafter Vermögensverluste – sind die Folge.

Die Erwartung, das Geld würde zunehmend an Kaufkraft verlieren, steigert weiters die Zeitpräferenzrate, was zu einer Verringerung der Sparneigung und erhöhten Konsumausgaben führt. Dauerhafter Wohlstand setzt die Existenz eines soliden Kapitalstocks voraus – der nicht zu verwechseln ist mit dem vom Bankensektor in beliebiger Menge herzustellendem Papier-  oder Buchgeld. Dieser Kapitalstock wird aber unter den herrschenden Bedingungen nicht nur nicht aufgestockt, sondern sogar aufgezehrt. Daher sollte man sich hinsichtlich der auf uns zukommenden Entwicklung keiner Illusion hingeben: Es geht bergab. Der „Peak Wohlstand“ liegt hinter uns. Den Jungen wird es, und das nicht nur materiell, schlechter gehen als der zügig auf die Pension zumarschierenden Generation der Babyboomer.

Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, dräut eine weitere Bedrohung, derer sich die meisten Zeitgenossen noch gar nicht bewusst geworden sind: Die schleichende Einführung von Bargeldverboten. Unter allerlei Vorwänden werden von den herrschenden Dressureliten immer weiter reichende Einschränkungen des Bargeldverkehrs verordnet. Möglichst alle Zahlungen sollen über elektronisch überwachte Konten abgewickelt werden. Eine Hitliste der beliebtesten Märchen dazu:

  • Es geht lediglich darum, Steuerhinterziehern das Handwerk zu legen,
  • Bezahlen mit Kredit- oder Bankomatkarte ist wesentlich bequemer,
  • Beim Verlust einer Kreditkarte tritt, anders als bei Bargeld, keinerlei Schaden ein,
  • Anständige Bürger“ haben ohnehin nichts zu befürchten.

Da es zu den weit verbreiteten menschlichen Schwächen gehört, erst durch Schaden klug zu werden, haben die Obertanen in einigen Ländern bereits beachtliche Erfolge bei der schrittweise erfolgenden Abschaffung des Bargeldes erzielt: Italien geht mit leuchtendem Beispiel voran. Bereits jetzt gilt ein Limit von 1.000 Euro, das – falls das Land bis dahin über eine handlungsfähige Regierung verfügt – ab Mitte des Jahres auf 50 (!) Euro heruntergesetzt werden soll. Damit wird der allgegenwärtigen Cosa Nostra unzweifelhaft ein schwerer Schlag versetzt. Sie ist damit wohl so gut wie fertig. Dass indes der Besuch einer braven Familie im Eissalon schon bald im Kriminal enden könnte, falls vergessen wurde, die Kreditkarte einzustecken und sich der Gelataio auf die Annahme von Bargeld einlässt, tut dieser brillanten Maßnahme keinen Abbruch.

In Griechenland endet der Bargeldspaß bei 1.500, in Spanien bei 2.500 Euro, in Frankreich sind die regierenden Neobolschewiken noch nicht ganz mit sich im Reinen und brüten über ein zweckmäßiges Limit, in England ist der Gebrauch von 500,-- Euro-Scheinen verpönt und in Schweden träumt man bereits von der totalen Kontrolle durch den Leviathan und einem „Leben ohne Bargeld“.

Wenn das eben in Zypern über die Bühne gehende Drama nur ein Gutes gebracht hat, dann die brachial erteilte Lehre, was ein „Leben ohne Bargeld“ in einer entwickelten, arbeitsteiligen Gesellschaft bedeutet: blankes Chaos. Hätten die zypriotischen Haushalte nicht noch über gewisse Bestände an Bargeld verfügt, wäre es ihnen nach der hoheitlich verordneten fast zweiwöchigen Schließung der Banken nicht einmal mehr möglich gewesen, selbst einfachste Grundbedürfnisse zu befriedigen, also etwa Lebensmittel einzukaufen. Wer allein auf „virtuelles“ Geld in Gestalt bunter Plastikkarten angewiesen ist, muss im Fall der Fälle eben hungern. Wer an den politischen Schalthebeln sitzt, entscheidet dagegen, ob – und von wem – gegessen wird oder nicht. Entspricht das dem Wunsch mündiger Bürger?

Dass Nomenklatura und Bankenwelt entschlossen auf eine Abschaffung des Bargeldes hinarbeiten, leuchtet indes ein. Den Apparatschiks in den Politbüros geht es um eine weitere Ausdehnung ihrer Macht: Wenn es ihnen gerade nicht passt, kann sich der Bürger auf legale Weise dann nicht einmal mehr ein Stück Brot kaufen. Für die Banken ist es der zusätzlich winkende Umsatz. Schließlich bringt jede einzelne Transaktion den Finanzhäusern Geld.

Ein Leben ohne Konto wäre nicht mehr möglich – selbst einem Einsiedler nicht. Die Kontrolle des Staates über seine Bürger wäre nahezu total, denn schließlich hinterlässt jede Benutzung von Kredit- oder Bankomatkarten Spuren. Dass mit der Abschaffung des Bargeldes auch privates Eigentum ein Stück weiter dem Zugriff des Fiskus ausgesetzt wird, liegt auf der Hand. Konten einzufrieren oder abzuräumen ist für den Staat allemal bequemer, als Haussuchungen vorzunehmen, um unter Matratzen verstecktes Geld zu konfiszieren. Seine treuesten Handlanger und Komplizen – die Geschäftsbanken – stehen jederzeit bereit, dem Großen Bruder zu helfen.

Wer einwendet, er habe tatsächlich nichts zu verbergen, und es sei ihm daher egal, ob die Regierung jeden seiner Schritte überwacht, sollte sich einen Moment lang in die Lage eines regierungskritischen Nonkonformisten versetzen. Hätten die Terrorregimes des 20. Jahrhunderts über Mittel verfügt, in dem Maße jede Geldbewegung zu kontrollieren oder zu unterbinden, wie es in der Alten Welt gerade verwirklicht wird, wären die von ihnen produzierten Leichenberge noch deutlich höher ausgefallen. Und viele weitere Menschen wären dann schlicht verhungert…

Der naive Traum vom real existierenden Rechtsstaat kann – spätestens nach den rezenten Ereignissen auf Zypern – endgültig begraben werden. Jedes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns läuft seither auf grobe Fahrlässigkeit hinaus. Der Staat ist und bleibt – wie es die zypriotische Regierung eben beispielhaft vorgeführt hat – eine kriminelle Organisation. Seine Macht kommt aus den Gewehrläufen – denen seiner eigenen Büttel oder denen der Eurogendfor, also der europäischen Gendarmerie. Rechtssicherheit gibt es nicht (mehr).

Es ist zu spät, den Anfängen zu wehren. Jetzt geht es – bis zum bevorstehenden Kollaps des herrschenden Ponzi-Systems – nur noch um Schadensbegrenzung. „Leben ohne Bargeld“ bedeutet, den in den Regierungsvierteln lauernden Räuberbanden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein. Der Besitz von Bargeld dagegen ist ein Ausdruck von Freiheit. Entschlossener Widerstand gegen seine Abschaffung ist daher Bürgerpflicht.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Was uns so alles Gutes widerfährt drucken

Täglich passiert in der ganzen Welt viel Erfreuliches. Dieses geht nur im Laufe der normalen Hektik oft unter oder gerät in Vergessenheit. Es besteht vor allem in all dem, was an breitflächig prophezeitem Unheil letztlich dauerhaft ausgeblieben ist: beispielsweise ein Bank Run, eine Vogelgrippe mit hunderttausenden Toten, eine globale Erwärmung. Daneben bleiben aber auch viele andere Aussagen und Entwicklungen total unbemerkt - meist deshalb, weil sie dem Mainstream der Medien widersprechen. Das ist schade und sollte zumindest bisweilen, etwa an einem Osterwochenende, vor den Vorhang des Tagebuchs geholt werden: Es ist ja gar nicht so schlecht, wenn das Wetter fast das Schlechteste ist, was einem gleichzeitig mit dem Wunsch „Frohe Ostern!“ einfällt.

Da hat der neue Verteidigungsminister Gerald Klug in einem Interview mit dem „Standard“ verkündet: Er habe beim Eurofighter-Kauf keine Wahrnehmung dazu, dass Korruption im Spiel gewesen wäre“. Na wui! Dieser Satz bringt das zentrale Fundament der rotgrünen Politik und Propaganda eines ganzen Jahrzehnts zum Einsturz. Es gibt also keinerlei Beweise. Damit wird klar, dass die vereinigte Linke offenbar nach dem Motto gehandelt hat: Versuchen wir es halt; schließlich werde bei Waffenkäufen ja immer geschmiert. Woher auch immer die SPÖ das zu wissen glaubt (Wie war das nur schnell mit den Blecha-Reisen einst beim Draken-Kauf? Und wie war das mit den vier EADS-Millionen für einen Edlinger-Fußballverein am Rande der Pleite?). Oder stammte das "Wissen" nur aus der Kronenzeitung? Es ist jedenfalls unglaublich, wie viel Kommentare voller heuchlerischer Erregung über den Eurofighterkauf, aber offenbar ohne jeden Beweis wir in den letzten zehn Jahren dazu hören mussten. Umso lobenswerter und mutiger agiert jetzt der Herr Klug.

In eine ganz ähnliche Kategorie gehört ein Satz des roten Ex-Ministers und jetzigen Behindertenanwalts Erwin Buchinger: Er hält in Hinblick auf die Lage der Behinderten fest, „dass große Fortschritte seit 2006 nicht erreicht wurden“. Ja, richtig gelesen! Seit 2006. Das war bekanntlich noch zur Gänze ein Jahr der schwarz-blauen Regierung. Dabei sollte diese ja im anrollenden Wahlkampf eigentlich von den rotgrünen Strategen wieder einmal als Abgrund des Bösen und des angeblich eiskalten Liberalismus porträtiert werden.

Da hat ein amerikanisches Gericht knapp vor Ostern maßgebliche Teile der Zinsmanipulations-Vorwürfe gegen mehrere internationale Geldhäuser für unhaltbar erklärt; es wies die Kartellvorwürfe der Ankläger zurück und auch zum Teil den Verdacht der Manipulation. Das ist nun tatsächlich eine weltweite Sensation. Haben doch seit Monaten fast alle Zeitungen dieser Welt wegen der angeblichen kartellartigen Manipulation Schmähartikel gegen die Banken geschrieben. Diese wurden sofort von fast allen geglaubt - auch wenn die meisten Vorwürfe nie wirklich nachvollziehbar oder logisch waren. Wetten, dass die meisten Kommentatoren jetzt schreiben werden: Egal, schuldig sind sie doch, auch wenn sie unschuldig sind.

Da hat Dänemark beschlossen, nach Ostern 67.000 Lehrer aus ihren Schulen auszusperren. Die – linke! – Regierung reagiert solcherart auf das Scheitern der Kollektivvertragsverhandlungen. Ohne mich in deren Details einmischen zu wollen, so ist es doch positiv und erfreulich, wenn irgendwo in Europa anscheinend nicht mehr die Gewerkschaft das letzte Wort hat. So sehr ich inhaltlich bei vielen Positionen der Lehrer auf deren Seite stehe, so muss doch auch den Lehrern klar werden, dass Europa überall sparsamer werden muss.

Da hat Großbritanniens konservativer Premier Cameron angekündigt, das Wohlfahrtssystem für Zuwanderer aus anderen EU-Ländern eine Zeitlang verschlossen zu halten. Ihnen soll das Arbeitslosengeld gekürzt werden, wenn sie keine Aussicht auf einen Arbeitsplatz haben. Anspruch auf Sozialwohnungen gibt es künftig jedenfalls erst, wenn man zwei Jahre im Land ist. Zugleich wird für Nicht-EU-Bürger der Zugang zum Gesundheitssystem beschränkt. Und die Strafen für Arbeitgeber illegaler Einwanderer werden deutlich erhöht. Das alles ist nicht inhuman, wie die üblichen Gutmenschen sofort losheulen, sondern legitime Notwehr, nachdem in vier Jahren 2,2 Millionen Menschen ins britische System zugewandert sind.

Da beklagt sich die eigentlich vom linken Rand der deutschen FDP kommende Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger über die mangelnde Rückendeckung für Deutschland durch die EU-Führung. Immerhin zahlt ja Deutschland weitaus am meisten für die diversen „Rettungsaktionen“, und wird dennoch vielerorts als Reinkarnation der Nazis beschimpft. Der Ministerin reicht es nun: „Da würde ich mir schon wünschen, dass die Persönlichkeiten an der Spitze – also Kommissionspräsident und der Ratspräsident – auch Solidarität mit uns üben und die Deutschen gegen ungerechtfertigte Vorwürfe verteidigen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen außer die Beobachtung, dass sich die deutsche Regierung mit solchen Sätzen bisher total zurückgehalten hat.

Da hat sich vor ein paar Tagen der österreichische Nationalrat einem Vorschlag des Innenministeriums angeschlossen, demzufolge alleine eingereiste Jugendliche (ohnedies nur jene, die älter als 14 sind) künftig verpflichtet sind, bei der Suche nach ihren Eltern mitzuwirken. Man ist zwar erstaunt, dass das nicht längst selbstverständlich war – was es aber offenbar nicht war. Freilich sind viele dieser Jugendlichen eigentlich deutlich älter, geben sich jedoch als jünger aus, um die sehr komfortable Betreuung für Jugendliche in Österreich zu genießen. Weniger verwundert ist man natürlich, dass die Grünen selbst diese eigentlich selbstverständliche Mitwirkungspflicht von Asylwerbern vehement ablehnen.

Da hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen einen früheren Tiroler Landesrat eingestellt, dem von Opposition und Medien vorgeworfen worden war, eine Wohnung zu billig angemietet zu haben. Ausdrücklich wurde betont, dass der Landesrat dabei „keinen Vorteil erlangt“ hat. Es ist geradezu erstaunlich, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft das noch vor den Tiroler Wahlen bekannt gibt. Überaus bedenklich bleibt freilich, dass sie für diese Erkenntnis ein volles Jahr gebraucht hat, und dass der – mir sonst unbekannte – Mann primär deswegen sein Amt verloren hat. Solche oft medial (zum Zweck der Auflagensteigerung) oder politisch (um einem Gegner zu schaden) losgetretenen Verfahren sind für den Betroffenen genauso schlimm, wie es eine Verurteilung gewesen wäre. Da fallen mir etwa die geradezu serienweisen Anzeigen eines Peter Pilz gegen politische Mitbewerber ein. Wäre es nicht höchste Zeit, auch Strafen für leichtfertige Denunzianten zu überlegen? Zu denen gehört übrigens auch eine deutsche Grünpolitikerin, die in ihrem blinden Fanatismus die fast 20.000 Todesopfer des Tsunami einfach zu Opfern eines Atomkraftwerks gemacht hat. Die es aber nie gegeben hat (nicht einmal einen Bruchteil, wenn man alle AKW-Havarien zusammenzählt).

Aber lassen wir auch in diesem Fall das Positive überwiegen! Und keine Angst: So erstaunlich viele dieser Meldungen sind: Sie haben mit Garantie nichts mit dem morgigen ersten April zu tun, sondern sind durchwegs seriös.

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Amerika hui, Europa pfui drucken

Die Wirtschaft der USA wird heuer um 1,7 statt wie bisher prophezeit um 2 Prozent wachsen. Wo bleibt da eigentlich die Schreckensbotschaft? Das ist jedenfalls alles andere als ein katastrophaler Wert.

Für Österreich und die Euro-Länder schauen die Prognosen viel schlechter aus. Selbst Deutschland hat nur eine Prognose von einem dürren 0,3 prozentigen Wachstum. Und davon, dass laut dem Internationalen Währungsfonds die USA im kommenden Jahr schon wieder um 3 Prozent wachsen dürften, können wir Europäer überhaupt nur träumen. Wir liegen derzeit ständig meilenweit hinter sämtlichen(!) anderen Weltregionen zurück, während die USA sich durchaus brauchbar schlagen. In Europa liegen alle Länder zurück, und zwar auch hinter Afrika oder Lateinamerika, auf die wir einst herabgeblickt hatten.

Der Grund: Die USA haben zwar auch arge Schulden gemacht, aber keine Absicht, dauern irgendjemanden zu "retten". Und sie nutzen auch ohne die in Europa unter dem Druck der Grünen ausgesprochenen sofortigen Generalverbote ihre neuentdeckten Gas- und Ölfunde.

Aber die wahre Sensation dieser günstigen Wirtschaftsentwicklung liegt gar nicht so sehr in diesen Aspekten, sondern im Kontrast der amerikanischen Realität zu völlig gegenläufigen Prognosen, die vor wenigen Wochen alle linken Schuldenfreaks gestellt haben: Sie prophezeiten nämlich den USA unter lautstarkem Medienecho den totalen Untergang und den Absturz in eine unerträglich schwere Wirtschaftskrise.

Der Anlass war der von den Republikanern und der ach so bösen Tea Party erzwungene Schuldenstopp. Seither darf die amerikanische Regierung keine neuen Schulden aufnehmen und muss quer durch das gesamte Budget kürzen. All das ist trotz der Panik-Warnungen passiert – aber die Welt dreht sich seltsamerweise dennoch.

Frage an den werten Leser: Hat er irgendwo ein reuiges Schuldeingeständnis gelesen, dass sich all die linken Politiker, Publizisten und Schuldenfreaks wieder einmal furchtbar geirrt haben? Keineswegs. Man redet und schreibt halt einfach nicht mehr vom herbeischwadronierten Untergang Amerikas. Und man verdrängt total, wenn auch wahrscheinlich zähneknirschend, dass die USA heute trotz aller Defizite besser dastehen als die gescheiten Europäer, die ihren Euro, ihren Wohlfahrtsstaat und ihre Umwelt ständig gerettet haben. Die sich aber selbst dabei kaputt gemacht haben.

 

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Energiewende – ein Totentanz drucken

Die europäische Energiewende ist zum Albtraum geworden. Nichts von dem, was man sich erhofft hatte, ist eingetreten, teilweise sogar das Gegenteil. Die Kosten laufen zum Teil völlig aus dem Ruder und werden dann noch sozial ungerecht verteilt. „Ein Auto rast auf eine Klippe zu mit durchschnittenen Bremsschläuchen“, meinte jüngst ein Teilnehmer an einer einschlägigen Diskussion. Besonders extreme Auswirkungen zeigt der Energiewende-Flop in Deutschland, wo vor kurzem der Versuch misslang, die überbordenden Kosten wenigstens ein bisschen in den Griff zu bekommen. Vor den im Herbst stattfindenden Wahlen bleibt jede Logik im politischen Hickhack auf der Strecke. Und so werden weiter Milliarden fließen, die nur wenigen zu Gute kommen.

Was heißt das konkret? Windkraft und Photovoltaik überschwemmen den Strommarkt, die Kosten dafür haben die privaten Haushalte zu tragen, denn die Kosten für die übertriebenen Förderungen  müssen nicht aus dem allgemeinen Steuertopf berappt werden – was für Politiker unangenehm wäre – sondern werden einfach auf den Strompreis aufgeschlagen (in Deutschland derzeit fast sechs Cent). Mit dem Resultat, dass allein die Subventionen für Erneuerbare Energien bereits höher sind als jener Preis, zu dem an der Börse Strom gehandelt wird (im Moment etwa fünf Cent).

Und an den Strombörsen wird Strom immer billiger, weil Wind- und Sonnenstrom im Übermaß vorhanden sind und die Preise drücken. Dieser billige Strom kommt allerdings nur den Großverbrauchern, etwa in der Industrie, zu Gute. Auch in Österreich ist das so. Nicht nur, dass es Rabatte für Großabnehmer gibt, so können zusätzlich Firmen, die große Strommengen verbrauchen, die Stromlieferanten zwingen, zu den tiefen Börsepreisen zu liefern. Da die Stromkonzerne aber höhere Selbstkosten haben, machen sie bei diesen Geschäften Verlust, die privaten Haushalte müssen diese Kosten übernehmen. So hat die „Energiewende“ dazu geführt, dass die Strom fressende Industrie heute Strom billiger bezieht als noch vor einigen Jahren, die privaten Haushalte aber weit höhere Preise bezahlen müssen.

Das bedeutet aber nicht, dass sich damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Firmen verbessert hätte. Genau das Gegenteil ist der Fall. Energiekosten sind ein wesentlicher Faktor für die Konkurrenzfähigkeit, und die sind in der EU weit höher als in Amerika. Durch den Schiefergasboom in den USA kostet Gas am US-Markt nur mehr ein Viertel des Preises, der in der EU zu zahlen ist. Durch das Fehlen einer einheitlichen Industriepolitik in Europa verabschieden sich immer mehr europäische Firmen und wandern in die USA aus – wie jüngst die Voest, die um 500 Millionen Euro ein Werk in Texas baut. In Europa hat man die Wahnsinnsidee verfolgt, Gasverträge mit einer Laufzeit von 20 Jahren abzuschließen – und diese Gasverträge sind an den Ölpreis gekoppelt. Norwegen und Russland, die Hauptlieferanten, verteidigen diese Verträge mit Zähnen und Klauen und sind nur scheibchenweise zu Zugeständnissen bereit. Für Europa ein Teufelskreis.

Das Angebot an grünem Strom ist bei weitem zu schnell und unkontrolliert gewachsen. Für diese Mengen fehlen die Stromleitungen. Diese Planlosigkeit schafft zusätzliche Kosten. Wenn die Netze überfordert sind, werden die Windräder einfach abgeschaltet, es muss jedoch auch für den nicht erzeugten Strom der volle Preis bezahlt werden, was wieder zusätzliche Kosten verursacht. Es ist einfach unwirtschaftlich, große Strommengen aus dem Norden, wo der Wind weht, in die weit entfernten Verbraucherzentren im Süden zu liefern. Es wäre weit sinnvoller, mit regionalen Energiegenossenschaften kleine Anlagen für grünen Strom vor Ort zu schaffen (an denen sich auch Bürger beteiligen könnten). Damit könnte man sich große Leitungen mit landraubenden Trassen ersparen.

Billige CO2-Zertifikate: Ein großes Problem

Ein weiterer Albtraum der Energiewende: Mittels CO2-Verschmutzungszertifikaten sollten die Stromerzeuger gezwungen werden, auf eine sauberere Energieerzeugung umzustellen. In der Theorie ein schöner Plan, der in der Praxis völlig versagt hat. Weil man die nationale Industrie schonen wollte, wurden bei weitem zu viele Gratiszertifikate ausgestellt, die den Markt überschwemmen. Fazit: Statt erwarteter 30 Euro kosten CO2-Verschmutzugsrechte nun nur noch vier Euro bei Verkaufsauktionen. Kohlekraftwerke, die eigentlich, als CO2 Dreckschleudern, aus dem Markt gedrängt werden sollten, sind total in Mode, weil sie günstigen Strom erzeugen können. Warum? Verschmutzungszertifikate kosten fast nichts und Kohle ist billig zu haben, weil die USA ihre Kohlekraftwerke auf billiges Gas umrüsten und mit der nun nicht mehr benötigten Kohle die EU überschwemmen. Damit kommt es zur paradoxen Situation, dass die USA, die sich an keinerlei Klimaaktionen beteiligt haben, ihre CO2-Bilanz verbessern konnten, Deutschland aber nun, trotz der riesigen Kosten für die „Erneuerbaren“, seinen CO2-Ausstoß um zwei Prozent gesteigert hat.

Geplant war, dass mit den staatlichen Erlösen aus dem Verkauf von Verschmutzungsrechten Programme für die Energieeffizienz gespeist werden. Das stellt sich nun als Fehlkalkulation heraus – diese Fördertöpfe sind leer.

Ein weiteres Phänomen: Wind- und Solarstrom fallen nur an, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Ist dies nicht der Fall, sollten relativ saubere Gaskraftwerke dafür sorgen, dass uns der Strom nicht ausgeht. Weil der Strompreis an den Börsen durch die Anlieferung von Wind- und Sonnenstrom (in Deutschland können damit zu Spitzenzeiten bereits 40 Kernkraftwerke ersetzt werden) so billig wurde, die Gaspreise aber nach wie vor unverhältnismäßig hoch sind, können selbst neue, hochmoderne Gaskraftwerke nur mehr mit Verlust Strom erzeugen. Das hält kein Stromkonzern auf die Dauer aus, also werden fast alle Gaskraftwerke abgeschaltet. Diese Investitionen rentieren sich einfach nicht.

Wer verdient nun an der Energiewende? Durch die großzügige Förderung von Wind- und Solarstrom, die garantierte Einspeisetarife auf 20 Jahre in Deutschland, 13 Jahre in Österreich, vorsieht, herrscht eine Goldgräberstimmung. Angefangen von Landwirten über Hedgefonds drängen viele Gruppen an die Fördertöpfe. Die großen Stromkonzerne haben sich anfangs zurückgehalten, sind nun aber voll auf den Zug aufgesprungen. Als letztes haben auch die riesigen Versicherungskonzerne dieses goldige Geschäft entdeckt. Versicherungen leiden darunter, dass die Zinsen total im Keller sind. Mit den „Erneuerbaren“ ist eine sichere Verzinsung von bis zu sieben Prozent und mehr zu machen, garantiert auf viele Jahre, für Versicherungen ein Fluchtloch.

Auch wenn mancherorts noch davon gefaselt wird, dass die Energiewende doch ein erfolgreiches Konzept sei (wie etwa die Energieexpertin Claudia Kemfert vom deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut DIW meint): Realisten – wie Walter Boltz von der heimischen Kontrollbehörde E-Control – bringen es auf den Punkt. Das ist ein Wunschdenken, einzig die EU glaube noch an eine Energiewende.

Derzeit findet ein abenteuerlicher Totentanz statt.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.atabonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Die Steuergier der „Retter“ drucken

Jetzt werden also in Zypern die kleinen Sparer verschont. Zu Recht? Nein. Haben doch auch die Kleinen exorbitante Zinsen kassiert; und belasten doch auch im Fall Zyperns zwei Drittel der „Rettungskosten“ jedenfalls die anderen Euro-Länder. Der einzige Unterschied: Bei Griechenland & Co fiel die ganze Last auf die unbedankten anderen.

Manche Politiker versuchen noch immer, das als rein theoretische Haftungen zu relativieren. Zu Recht? Nein. Denn ihre ständige Gier nach ständig noch mehr Steuergeld ist keineswegs theoretisch. Sie greifen immer tiefer in unsere Taschen, während die vor zehn Jahren noch versprochene Senkung des Grenzsteuersatzes längst vergessen ist. Eine komplette Aufzählung würde jeden Rahmen sprengen. Nur einige Beispiele:

  • Nicht einmal mehr die ständig ärger werdende Enteignung durch die stille Progression wird rückgängig gemacht.
  • In Wien wurden die Tarife weit über alle Kosten erhöht. Und die U-Bahnsteuer wurde erhöht, obwohl sie mitgeholfen hat, Wien zum Bundesland mit der höchsten Arbeitslosigkeit zu machen.
  • Die Gemeinde Wien beabsichtigt, alle Wohnungs-, Haus- und Liegenschaftseigentümer mit rund 100 Millionen zu schröpfen. Jährlich. Sie nennt es Infrastrukturabgabe, obwohl die Bürger für Wasserleitungen oder Kanäle längst Gebühren zahlen, die alle Kosten mehr als decken.
  • Österreichweit wurden die Bankensteuern eingeführt.
  • Die Kursgewinnsteuern treffen keineswegs nur risikoverliebte Zocker, sondern alle Lebensversicherten.
  • Als nächstes kommt nun die Finanztransaktionssteuer mit ähnlich verheerenden Wirkungen.
  • In Deutschland wollen SPD, Grüne und einige CDU-Exponenten die Einkommensteuersätze sogar erhöhen.
  • Die deutschen Grünen verlangen eine Plasticksackerl-Abgabe von 22 Cent (also drei Schilling).
  • Besonders intensiv wird von allen Roten und Grünen die Vermögenssteuer verlangt, ohne dass sie sagen, wie diese aussehen soll: Trifft sie auch Betriebs-„Vermögen“, dann vertreibt sie Betriebe aus Österreich. Oder kommen Finanzbeamte zum Zählen von Schmuck und Bildern in jeden Haushalt – dann ist das der letzte Schritt zum Totalitarismus.
  • Ebenso laut wird verlangt: "Die Erbschaftssteuer muss wieder her!" Gegen die spricht nicht nur all das, was gegen die Vermögenssteuer zu sagen ist. Sie ist überdies auch besonders ungerecht. Man denke etwa an die tragischen Situation, wenn ein Familienbesitz durch mehrere Todesfälle in kurzem Abstand mehrmals zur Erbmasse wird. Da führt dann die Steuer unweigerlich zur Zerschlagung des ganzen Besitzes.
  • Noch nicht auf der Tagesordnung bei uns ist der – ernst gemeinte! – Vorschlag eines japanischen Ökonomen: Er verlangt im Zeichen der Gerechtigkeits-Debatte, dass schöne Männer Zusatzsteuern zahlen sollen. Aber auch das zeigt, dass mit Pseudo-Argumenten wirklich alles begründet werden kann. Nur nicht das Sparen.

Die Gier der Retter-Politik wird immer ärger – bis sie uns abgewürgt hat.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“. 

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Europa in der Sackgasse drucken

Besser hätte das Timing nicht klappen können: Der Titel der Veranstaltung im Club Unabhängiger Liberaler mit Botschafter Manfred Scheich – dem einstigen Chefarchitekten des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union – stand nämlich bereits längst fest, als die EU sich anlässlich der aktuellen Ereignisse in Zypern aufmachte, neue Gipfel der Währungs- und Vertrauenskrise zu erklimmen.

Gleich zu Beginn stellte der Diplomat klar, daaa die Behauptung, „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ (so die deutsche Kanzlerin Angela Merkel) schlicht falsch sei. Europa sei eben mehr als eine Währungsunion. Die Beschwörung der Bedeutung der gemeinsamen Währung, respektive deren Krise, verstelle vielmehr den Blick auf die eigentlichen Gründe für die Probleme der Gemeinschaft. Diese bestünden in Divergenzen – oder in mangelnder Kohäsion – in wirtschaftlicher, politischer, kultureller, sozialer Hinsicht und in den Unterschieden der historischen Blickwinkel, unter denen die Union in verschiedenen Mitgliedsländern gesehen werde.

Mit dem 1992 unterzeichneten Vertrag von Maastricht, sei „eine Schwelle überschritten“ worden. Mit den darin niedergelegten Zielen – insbesondere mit der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – wären tiefe Eingriffe in die Autonomie der Nationalstaaten verbunden gewesen. Während man bei der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion vorangekommen sei, stünde die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik daher bis heute nur auf dem Papier – sie finde einfach nicht statt.

Eine der Ursachen der Probleme bei der Verwirklichung der geplanten Ziele bestehe in der laufenden Änderung der Parameter, der nicht Rechnung getragen werde. Die „Gründerväter“ des Europagedankens seien, da sie selbst nicht nur einen, sondern sogar zwei Weltkriege erlebt hätten, vom Gedanken der Errichtung einer dauerhaften Friedenszone beseelt gewesen. Auch die massive „Bedrohung durch die sowjetischen Panzerarmeen“ habe maßgeblichen Einfluss auf deren Denken ausgeübt. Für die heutige Politikergeneration dagegen hätten diese Faktoren keine Bedeutung mehr. Mit dem „Friedensargument“ sei niemand mehr zu mobilisieren, da besonders die jüngere Generation gar keinen anderen Zustand kenne und ihn daher als selbstverständlich gegeben betrachte. Das „emotionale Unterfutter“ sei somit dahin.

Man dürfe auch nicht übersehen, dass die Erweiterung der Union von anfangs sechs auf nunmehr 27 Mitglieder zu einer starken Zunahme der Heterogenität geführt habe. Schließlich sei die politisch-ideologisch, nicht aber ökonomisch motivierte Einführung einer gemeinsamen Währung deshalb ein schwerer Fehler gewesen, weil er den wirtschaftlich schwächeren Mitgliedsländern jeden währungspolitischen Spielraum genommen habe. Der Euro sei für sie – im Außenverhältnis – einfach „zu teuer“. Das ihnen angelegte „währungspolitische Korsett“ behindere ihre gesunde Entwicklung. Nationale Weichwährungspolitik sei eben deutlich leichter verkraftbar als harte Austeritätspolitik, die stets besonders die Ärmeren schwer treffe.

Die im Maastrichtvertrag vereinbarten Verschuldungsgrenzen seien niemals ernst gemeint – deren Durchsetzung und Strafdrohungen politisch völlig unmöglich gewesen. Als ähnlich unwirksam werde sich auch der eben verschärfte „Stabilitätspakt“ erweisen. Schon im Jahr 2000 habe Jacques Delors (ehemals Kommissionsvorsitzender) im kleinen Kreis von einem kommenden „System von Ziehungsrechten“ – im Klartext Transferzahlungen – gesprochen.

Wenn auch unterstellt werden kann, dass alle Beteiligten von den besten und edelsten Absichten geleitet waren, sei doch in deren Umsetzung – bis zum heutigen Tage – vieles schief gelaufen.

Das schlechte Krisenmanagement seit 2008 sei sogar dazu angetan, das kollektive Vertrauen in das im Grunde gute, „alternativlose“ Projekt EU zu unterminieren. Trotz riesiger Transferzahlungen (allein Griechenland habe bereits 240 Mrd. Euro erhalten) sei man keinen Schritt weitergekommen. Die Schuldenberge würden weiter wachsen und die beinharte Austeritätspolitik würge jede wirtschaftliche Erholung in den Krisenstaaten ab. Schlimmer noch: Die Gräben zwischen den einzelnen Mitgliedsländern würden ständig breiter. Wir erlebten gegenwärtig antideutsche Ressentiments, ja gar eine „Germanophobie“, wie man sie längst überwunden geglaubt hatte.

Hauptschuld daran trüge die Währungsunion, die letztlich die wirtschaftliche Entwicklung der schwächeren Mitglieder behindere. Die nun auf den Weg gebrachte „Bankenunion“ werde an den strukturellen Problemen der Eurozone nichts ändern. Auf Dauer werde es so kommen, dass die Wähler in den Nettozahlerländern nicht auf Linie gehalten werden könnten. Und in den Empfängerländern werde man sich nicht dauerhaft ausländischen (deutschen!) Diktaten unterwerfen wollen.

Lösungsansätze

Zur Frage nach Auswegen und Lösungen meinte der Botschafter, dass eine „Transferunion“ aus den genannten Gründen kein nachhaltig tragfähiges Konzept sei.

Es gebe – was besonders Liberale stören müsse – keine „Ordnungspolitik“ mehr. Stattdessen werde nur noch „manipuliert“. Die Lösung der Verbindung von Handlung und Haftung sei fatal. Damit werde die Selbstverantwortung für ökonomisches Handeln ausgeschaltet, was im Gegenzug zu einer Zunahme der bürokratischen Kontrolle führe.

Stereotyp erhobene Forderungen nach „mehr Europa“ seien hohle Phrasen. Schließlich wäre damit eine supranationale Autorität mit direktem Durchgriffsrecht auf sämtliche nationale Politiken verbunden. Diese Vorstellung sei – nicht nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt – absolut unrealistisch.

Was sollte also geschehen? Scheich plädiert für eine „Phase des Konsolidierens und Verharrens“ und für ein „Herunterschrauben der Ambitionen“ [im Hinblick auf eine weitere politische Integration, Anm.]. Es sei mit „mehr Flexibilität“ und einer „variablen Geometrie“ der Maßnahmen auf die weiteren Entwicklungen zu reagieren. Eine „Schrumpfung der Eurozone“ sei vermutlich notwendig – und mit Hilfen und Zahlungen durch die stärkeren, darin verbleibenden Staaten auch zu schaffen.

In der an sein Referat anschließenden Debatte konstatierte Scheich im Hinblick auf Autonomiebestrebungen innerhalb einzelner EU-Staaten (UK/Schottland, Spanien/Katalonien) „gegenläufige Phänomene“: Einerseits wolle niemand raus aus der Europäischen Union, anderseits aber doch weg vom Nationalstaat. Er bewerte das als Ausdruck der „Identitätssuche“.

Zur Frage der Tendenz zur Überregulierung: Diese sei jeder großen Bürokratie inhärent. Zentralbürokratien tendierten nun einmal zur Machtakkumulation und jede Regulierung bedeute mehr Macht für die Zentrale. Der unbändige Wunsch des Europaparlaments nach Ausweitung seines Budgets sei eine typische Folge. An dieser Stelle erfolgte aus dem Publikum der Einwurf, dass zahlreiche EU-weite Regelungen die, nicht zuletzt von Wirtschaftsvertretern geforderte, Folge des Binnenmarktes seien. Scheich kritisierte, dass die nationalen Parlamente die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente zur Beeinspruchung von Aktivitäten der Zentralbürokratie nicht nutzen würden.

Fehlentwicklungen und Alternativen

Dass die Verknüpfung des Schicksals der EU mit jenem der Gemeinschaftswährung falsch sei, wäre schon daran zu erkennen, dass es den Binnenmarkt bereits 15 Jahre gegeben habe, ehe der Euro eingeführt wurde. Der Binnenmarkt – und dabei handle es sich um den Kern der EU – funktioniere aber auch ohne gemeinsame Währung.

Auch im Lichte der heutigen Tatschen bereue er sein Engagement für den Beitritt Österreichs zur EU nicht. gerade als EU-Befürworter müsse man indes Fehlentwicklungen erkennen, benennen und zu korrigieren versuchen. Im Übrigen habe der Beitritt dem „Wesen des Österreichers“ entsprochen. „Wir wollten dabei sein!“ An einer „europaskeptischen Haltung“ könne er nichts Falsches erkennen. „Skeptiker sind meist bessere Menschen als Gläubige (sic!).“ Skepsis sei eine Tugend, kein Makel.

Zypern hätte – bei korrekter Anwendung der Beitrittskriterien – niemals aufgenommen werden dürfen (keine geteilten Staaten!). Griechenland hatte für den Fall der Verweigerung des zypriotischen Beitritts jedoch mit einer Blockade der „Osterweiterung“ gedroht. Für Griechenland selbst habe es – lange zuvor – ein „negatives Avis der Kommission“ gegeben. Die Freundschaft zwischen dem damaligen französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing und dem griechischen Ministerpräsidenten Karamanlis (Vater) sei aber schließlich Grund genug gewesen, dessen Aufnahme dennoch zu akzeptieren.

Das „Dogma Euro“ behindere, wie auch die „Verherrlichung“ des Lissabon-Vertrages, das Denken an Alternativen und sei daher schlecht. Die Größe des Bevölkerungsvolumens sei nicht maßgeblich für die internationale Bedeutung der EU – dabei handle es sich um eine schwerwiegende Fehleinschätzung. Eine funktionierende „Achse Paris-Berlin“ sei nach wie vor das Um und Auf der Union. Beide – sowohl die Deutschen als auch die Franzosen – brauchten außerdem die Briten in der EU. Deutschland, um den Interventionismus der Franzosen zu bremsen und die Franzosen, um mit dem mächtigen Nachbarn nicht allein dazustehen.

Die Kritik, wonach diejenigen schwer enttäuscht wurden, die sich von einem Beitritt Österreichs zu EU mehr Freiheit erwartet hatten, konnte der Botschafter nicht entkräften. Insbesondere die mit der Entwicklung des Binnenmarktes in keiner Beziehung stehenden Aktivitäten, wie etwa  das „Gender-Mainstreaming“, Diskriminierungsverbote und andere umfassende Regulierungen des Privatlebens, würden von vielen Bürgern als ernste Bedrohung ihrer Freiheit erlebt. Von dem von Botschafter Scheich beschworenen „Europa der Aufklärung“ scheinen wir uns jedenfalls recht rasant wegzubewegen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wie produktiv sind die EU-Arbeitnehmer? drucken

Arbeitsproduktivität in der EU 2011 in Relation zum Durchschnitt

 

Luxemburg

169,1

Irland

142,7

Belgien

127,7

Frankreich

116,7

Österreich

116,7

Schweden

115,8

Niederlande

111,7

Dänemark

110,5

Finnland

109,5

Italien

109,0

Spanien

108,6

Deutschland

106,6

Ver. Königreich

103,6

EU gesamt

100,0

Malta

95,0

Zypern

91,0

Griechenland

90,1

Slowenien

80,6

Slowakei

80,2

Portugal

75,6

Tschechien

74,1

Ungarn

71,2

Polen

68,9

Estland

68,0

Litauen

64,9

Lettland

62,4

Rumänien

49,4

Bulgarien

44,0

Quelle: Eurostat

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Der Euro stirbt – Rettet den Binnenmarkt! drucken

So konkret wie noch nie wurde in den vergangenen Tagen über den Austritt eines Euro-Landes diskutiert. Zwar glaubt die Politik, noch einmal eine Lösung gezimmert zu haben, die Zypern in Euro und EU halten wird. Aber ganz offensichtlich erscheint erstmals auch der Politik der Gedanke an den Austritt eines Euro-Staats nicht mehr so absurd, wie er drei Jahre lang dargestellt worden ist. Daher wird mit Sicherheit bei der nächsten Krise noch viel intensiver über die rechtlichen und vor allem ökonomischen Konsequenzen eines Euro-Austritts nachgedacht werden. Denn die nächste Krise kommt gewiss. Und längst gibt es Wichtigeres zu retten als den Euro.

Die rechtliche Formalität, dass man eigentlich nicht aus dem Euro, sondern nur aus der EU als Ganzes austreten kann, wird da die geringsten Probleme bereiten. Wo ein Wille, da auch ein Weg. Schließlich haben sich ja die gleichen Länder auch brutal über das Bailout-Verbot hinweggesetzt und ständig andere Staaten auf Kosten der Steuerzahler „gerettet“.

Allheilmittel gibt es keine mehr

Ganz sicher wären freilich mit einer Reduktion der Euro-Mitglieder nicht alle Probleme gelöst, wie manche jetzt glauben. Um nur eines zu nennen: In welcher Währung müssen dann die bisherigen Euro-Schulden eines austretenden Landes zurückgezahlt werden? Allein an dieser Frage werden sich Legionen von Anwälten krumm und bucklig verdienen.

Es wird auch sonst jeder Euro-Austritt alles andere als leicht und schmerzlos sein. Denn die Schuldner-Länder haben ja in den bisherigen Euro-Jahren die Reallöhne um 20 bis 30 Prozent steiler erhöht als etwa Deutschland. Daher muss diese durch keine Leistung und Produktivität gerechtfertigte Lohnerhöhung in jedem Fall wieder neutralisiert werden. Sonst kann ein Land nicht seine alte Konkurrenzfähigkeit zurückgewinnen.

Das wird jetzt, also bei Beibehaltung des Euro, dadurch versucht, dass man solchen Ländern mit straffer Disziplin Lohnkürzungen diktiert, vor allem, aber nicht nur bei Beamten und Pensionisten. Der gleiche Effekt würde bei Trennung des Währungsraumes dadurch erreicht, dass in den austretenden Ländern alles viel teurer wird; bei einem Austritt erspart man sich aber den harten Kampf mit den uneinsichtigen Gewerkschaften, die gegen Lohnkürzungen immer heftig protestieren. Denn nominal müssen Löhne dann ja nicht gesenkt werden.

Langsam erkennen immer mehr Politiker, dass der zweite Weg politisch leichter umzusetzen ist, auch wenn dabei die technischen Vorteile des Euro wegfallen, wie etwa die niedrigen Transaktionskosten. Daher tritt etwa Italiens Berlusconi heute für einen Austritt seines Landes aus dem Euro ein, für den er einst selber gewesen ist. Das gleiche verlangt der offenbar sehr populäre Kabarettist Grillo.

Der Mai 2010 bleibt der große Fehler

Auch wenn beide Wege zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit möglich sind, entscheidend ist vor allem etwas anderes: Unter den Bürgern der südeuropäischen Länder muss endlich der Irrglaube aufhören, dass es noch einen dritten schmerzfreien Weg gebe. Dieser dritte Weg bestand im ersten Euro-Jahrzehnt in der Möglichkeit, das fröhliche mediterrane Leben, den üppigen Konsum, die Erfüllung aller wohlfahrtsstaatlichen Gewerkschaftsforderungen durch extrem billige Euro-Kredite zu finanzieren. Diese Möglichkeit gibt es seit Steigen der Anleihezinsen für Griechen&Co nicht mehr.

Seit Mai 2010 hat jedoch ein historischer Fehler der deutschen (und österreichischen und niederländischen) Politiker den Schuldenländern eine andere gefährliche Perspektive auf einen schmerzfreien dritten Weg eröffnet. Man hat dort den Glauben wachgerufen, dass die Bürger und Steuerzahler der Nordländer dauerhaft die Rechnung für dieses fröhliche Leben bezahlen.

Nun aber scheint der Druck der bevorstehenden deutschen Wahlen diesen Irrweg zu beenden. Erstes Anzeichen ist eben Zypern: Die Nordländer zahlen der Insel nur noch zwei Drittel des benötigten Betrags. Und eine Rettung des größten Wackelkandidaten, nämlich Frankreichs unter seiner schwachen Führung, ist auch für die größten Illusionäre nicht mehr vorstellbar.

Daher werden die Schuldenländer nun wieder auf jene Frage zurückgestoßen, mit der man sie eigentlich schon 2010 konfrontieren hätte sollen: Ist nicht der Austritt aus dem Euro letztlich das Klügste?

Tatsache ist jedenfalls, dass die nunmehrige „Rettung“ Zyperns die Börsen nur noch ein paar Stunden in Hochstimmung versetzen konnte. Dann sind diese wieder in jene Depression versunken, die noch auf jede Rettung gefolgt ist. So kurz war die Euphorie noch nie. Dabei sind Börsen mit ihren Sachinvestitionen eigentlich noch ein relativ aussichtsreicher Weg, seine Ersparnisse relativ – relativ! – sicher anzulegen.

In ganz Europa gleiten die Fundamente weg

Aber vielleicht sind inzwischen auch solche Investitionen chancenlos. Denn in diesen Stunden kommt in Europa offenbar alles ins Gleiten und Stürzen; der Glaube an die Retter ist weitgehend kollabiert. In Wahrheit weiß niemand mehr, wie man da noch eine neue Stabilität herstellen kann (auch wenn es die Politik nicht zugeben will). Die Beispiele aus den allerletzten Tagen und Stunden:

  • Frankreich hat angekündigt, dass es die der EU rund um die ESM-Gründung rechtsverbindlich versprochene Defizitreduktion nicht schafft. Die EU kann das letztlich nur noch zur Kenntnis nehmen.
  • Dasselbe ist am Dienstag in Italien passiert: Da kündigte das Land ohne Zustimmung durch EU- oder Euro-Gremien einfach an, das Defizitziel um einen weiteren Prozentpunkt zu erhöhen. Dabei ist dort ja jetzt noch die angebliche Sanierungsregierung Monti im Amt.
  • Die deutschen Wirtschaftsweisen haben ihre ohnedies dürre Wachstums-Prognose für die Bundesrepublik von 0,6 auf 0,3 Prozent reduziert.
  • Die zwei großen zypriotischen Banken bleiben mindestens noch weitere zwei Tage geschlossen. Und auch noch Stunden nach der letzten nächtlichen Krisensitzung weiß niemand, wie man dauerhaft einen allgemeinen Bank-Run auf Zypern verhindern kann. Denn wenn man ewige Kapitalverkehrskontrollen macht, dann ist ja auch das nach dem Haarschnitt theoretisch noch vorhandene Spargeld nicht mehr wirklich vorhanden.
  • Ein britischer Oppositionspolitiker fordert die Briten dazu auf, ihr Geld aus Krisenländern abzuziehen, weil ihren Anlagen dort eine Beschlagnahme drohe.
  • In Spanien dürfte nach einem Bericht des Wall Street Journal ein gewaltiger Schlag auf Anleger unmittelbar bevorstehen: Aktionäre dürften fast alles verlieren (bei der großen „Bankia“ etwa 99 Prozent); und Anleihegläubiger werden rund 30 Prozent verlieren.
  • Und der neue niederländische Vorsitzende der Euro-Gruppe machte in einer (später ein wenig abgeschwächten) Erklärung klar, dass die nun für eine zypriotische Bank beschlossene Abwicklung, also das Zusperren auch bei anderen europäischen Banken passieren könnte. Das war zwar eigentlich immer schon logisch, ist aber 2010 zum totalen Tabu erklärt worden.

Banken schließen und Dominoeffekte verhindern

Nur bei einem Zusperren einer Bank wird der Schaden halbwegs minimiert: Die Angestellten verlieren wie bei jeder Pleite-Firma ihre Lohnansprüche, die Aktionäre verlieren sowieso ihre Einlage und die Anleger müssen jeweils in jenem Ausmaß büßen, das die Quote übersteigt. Die Quote ist das, was bei Verwertung aller Immobilien und Forderungen (Kredite) der Bank am Ende des Tages herauskommt. Wobei dieses „Ende des Tages“ jedenfalls viele Jahre entfernt ist. Solange müssen Anleger warten, bis sie irgendetwas herauskriegen.

Damit drohen natürlich Dominoeffekte, also Konkurse weiterer an sich gesunder Banken und Unternehmen, die bei einer abzuwickelnden Bank Einlagen haben.

Einzig zur Vermeidung solcher Dominoeffekte könnte es sogar legitim sein, solche Gläubiger einer kaputten Bank teilweise mit Steuergeldern abzusichern. Das käme aber weit billiger als der Weg der letzten Jahre, wo ständig Staaten und Banken auf Kosten anderer „gerettet“ wurden. Das darf aber jedenfalls nur teilweise geschehen.

Denn sonst wäre der pädagogische Wert dahin. Der besteht vor allem darin, dass sich künftig Einleger viel besser anschauen werden, wem sie ihr Geld anvertrauen, wenn sie mit einem Verlust rechnen müssen. Der pädagogische Wert ist aber im Falle Zypern in den letzten Stunden wieder weitgehend zunichte gemacht worden. Denn die Politik hat in ihrem Populismus durchgesetzt, dass alle Einlagen bis 100.000 Euro voll "gesichert" werden müssen.

Der versäumte pädagogische Nutzen

Das hat zwei üble Konsequenzen: Erstens werden Investoren mit viel höheren Einlagen (wie etwa Fonds, die das Geld vieler auch sehr kleiner Sparer verwalten) dadurch besonders hart getroffen. Aber gerade deren Geld ist für die Ankurbelung einer Wirtschaft (beispielsweise Zyperns) besonders wichtig. Und zweitens werden die Sparer mit Einlagen bis 100.000 Euro weiterhin unvorsichtig vorgehen: Sie werden weiterhin gierig nach den saftigen Zinsen greifen, die türkische, russische, niederländische Institute etwa in Österreich anbieten; und sie werden die mickrigen Zinssätze der großen österreichischen Banken ignorieren.

Lässt man das alles geistig Revue passieren, dann wundert man sich eigentlich, warum alle Welt nur nach Zypern blickt. Der ganze Euro-Raum ist erschüttert. Daher ist es auch mehr als fraglich, ob der Plan Angela Merkels noch aufgehen kann, bis zum September, also bis zu den Bundestagswahlen, die Finanzkrise noch irgendwie mit beruhigenden Worten unter Kontrolle zu halten. Fast scheint die explosive Lunte am Euro-Fass nicht mehr austretbar zu sein.

Da kann man nur mit dem britischen Premier David Cameron hoffen: Vergesst das völlig fehlgelaufene Projekt des Euro, vergesst (endlich) die Überregulierungs-Manie der EU-Kommission, aber rettet den EU-Binnenmarkt! Denn den brauchen wir dringender denn je – gerade in Krisenzeiten!

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Zypern: Die Lösung hat sich verschlechtert drucken

Warum nicht gleich, werden sich nun viele fragen. Die positive Nachricht der verhangenen Nacht lautet jedenfalls: Zypern hat nun zum zweiten Mal zugestimmt, dass die Sparer bei zypriotischen Banken genau den schon beim ersten Mal fixierten Anteil der Pleite zahlen müssen. Das ist gut so. Die Zahlerländer sind diesmal endlich hart geblieben. Die Einigung löst aber auch viele negative Konsequenzen aus. Mehr als die erste Variante.

Zuerst das große Fragezeichen des „Vorerst“: Noch ist nichts fix. Es sind noch jede Menge formaler Beschlüsse zu treffen. Und die sind oft nicht nur eine formale Frage, wie man am ersten Njet des zypriotischen Parlaments sehen konnte, das eine turbulente Woche für Europa ausgelöst hat.

Viel deutet darauf hin, dass die Detailregelungen der ersten Runde viel klüger waren. Damals hätten alle Sparer ihren Beitrag leisten müssen, die kleinen wenig, die großen mehr. Aber keiner hätte so viel abliefern müssen, wie er in den letzten Jahren an überhöhten Zinsen kassiert hat. Die lagen ja jahrelang weit über dem Niveau der nunmehrigen Zahlerländer. Lediglich für jene, die erst im letzten Jahr auf ein zypriotische Konto eingezahlt haben, hätte die Regelung eine Härte bedeutet. Das sind aber nicht sehr viele.

Diese sinnvolle Regelung der Vorwoche ist jedenfalls am Populismus der zypriotischen Abgeordneten gescheitert. Dies passierte wahrscheinlich auch deshalb, weil diese in ihrem Schock und ihrer Realitätsferne irgendwie geglaubt haben, die Realität abwählen zu können.

Nun werden die kleinen Profiteure ganz geschont, die großen aber gewaltig beschnitten. Da spielt natürlich auch wahltaktischer Populismus in den Zahlerländern mit, wo die Politik weiter den – absurden! – Eindruck erwecken will, irgendeine Veranlagung, etwa eine solche bis 100.000 Euro, wäre absolut sicher. Was natürlich ein Unsinn ist. Jede Einlage ist nur so sicher wie jene, die dafür haften.

Wobei aber auch bei der Verteilung der Lasten auf die Besitzer größerer Sparbücher nicht wirklich irgendein Gerechtigkeitsgrundsatz erkennbar ist. Warum sollen diese bei der einen Bank ganz umfallen, bei der zweiten kräftig beschnitten werden, während sie bei anderen gut davonkommen? Bisher ist man jedenfalls jede Erklärung schuldig geblieben, wie man diese Differenzierung begründet. Solange diese Erklärung fehlt, müssen wir davon ausgehen, dass wieder einmal nicht der Markt entschieden hat, sondern dass es die über Nacht am grünen Tisch würfelnde politische Willkür war. Das wäre ja freilich nur eine Fortsetzung der letzten drei Jahre.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich ist es gut und richtig, wenn überschuldete Banken „abgewickelt“ werden, also in Konkurs gehen müssen, und die Gläubiger, also Sparer nur einen Teil ihrer Forderungen bekommen. Das ist wie im normalen Wirtschaftsleben die einzig gerechte Form. Der seit 2010 eingeschlagene Weg, statt der Gläubiger irgendwelche Dritte bluten zu lassen, war hingegen immer ein wahnwitziger Irrweg. Ganz unabhängig davon, dass die Pleitiers von Griechenland bis Spanien diese Dritten – also vor allem die Deutschen – nachher noch auf das Mieseste beschimpft haben.

Aber warum darf plötzlich die Bank of Cyprus überleben, während die Laiki-Bank zusperren muss? Das schafft jede Menge Misstrauen. In einem funktionierenden Rechtsstaat sollte man eben einzig die rechtlichen und ökonomischen Kräfte wirken lassen, die ein Unternehmen in den Konkurs führen. Und nicht politisch darüber entscheiden.

Natürlich ist es gut, dass jetzt auch einmal die europäische Politik den Mut zum Zusperren einer Bank hat. Dies hätte nur schon in Hunderten Fällen geschehen sollen. Nur müsste man jetzt exzellent begründen, weshalb es ausgerechnet die Laiki-Bank ist.

Offensichtlich hat man jetzt wenn auch unausgesprochen versucht, ausländische Investoren besonders zu treffen. Das sind vor allem – mehrheitlich durchaus legal handelnde – Russen und Briten, die Veranlagungen in Zypern aus vielen Gründen (Zinsen, Steuern, Wetter, Euro) als besonders attraktiv angesehen haben.

Nun gibt es zwar keinen Grund, mit Russen oder Briten besonderes Mitleid zu haben. Es wird aber brandgefährlich, wenn jetzt versucht wird, andere Nationen zu diskriminieren. Denn dann wird mit Sicherheit wieder in der Gegenrichtung zurückdiskriminiert, erpresst und behindert. Dann haben wir bald wieder den überwunden geglaubten mörderischen Wettlauf, wer seine Grenzen am vehementesten mit Kapitalverkehrskontrollen und dergleichen verriegelt. Solche Zeiten waren aber logischerweise immer besonders schlechte Zeiten. Die sich nur der Ökonomieclown Schulmeister mit seinem Zurück zum Merkantilismus wünscht.

Man sollte die Akteure der letzten zwei Wochen nicht zu heftig prügeln. Denn die Ursache der zypriotischen Krise ist erstens die katastrophale Politik der bis vor kurzem auf der Insel regierenden Kommunisten gewesen. Und zweitens ist Zypern natürlich ein Dominostein des griechischen Dramas, ist doch in Griechenland sehr viel Geld aus Zypern gelegen. Daher hatten die zypriotischen Banken den kräftigen Schnitt bei den privaten Inhabern griechischer Anleihen besonders stark gespürt. Seither war eigentlich klar, dass das zypriotische System kollabieren muss. Nur die bisherige zypriotische Regierung ist einfach untätig geblieben.

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Zara und die Unwahrheit, die EU und die Unfreiheit drucken

Wieder einmal hat der Privatverein Zara wilde Anschuldigungen über Rassismus in Österreich veröffentlicht. Wieder blieben die wichtigsten Fakten unerwähnt. Und wieder einmal können Meinungsterroristen die EU für ihre Zwecke instrumentalisieren.

In den letzten Tagen fand man in vielen Medien Berichte über einen sogenannten Rassismusreport dieses Vereins. Nirgendwo wurde dabei freilich erwähnt, dass Zara in einem hohen Ausmaß aus den rotgrünen Rathauskassen finanziert wird. Womit natürlich die ganze Aktivität des Vereins – vorsichtig ausgedrückt – in einem total anderen Licht steht, wenn man das weiß. Nur mit diesem Wissen kann man ja die wirkliche Interessenlage dahinter ganz beurteilen. Mit diesem Wissen kann ich aber Zara nicht mehr als angeblich unabhängige Schiedsinstitution sehen, die legitimiert wäre, objektiv „Rassismus“ zu messen.

Genauso ist die Methode bei Zara – wieder vorsichtig ausgedrückt – das Gegenteil von wissenschaftlich. Wenn Zara etwa mit der Zahl abgelehnter Job-Bewerbungen von Kopftuchträgerinnen Rassismus beweisen will, dann hinkt das gleich mehrfach: Erstens wäre das erst dann ein Beweis, wenn man dieser Zahl die der (ebenfalls beängstigend vielen!) abgelehnten Job-Bewerbungen von Nicht-Kopftuchträgerinnen in Krisenzeiten gegenüberstellt.

Zweitens kann gerade das Kopftuch generell keinen „Rassismus“ beweisen. Es kann nämlich maximal eine Diskriminierung von Religions-Angehörigen beweisen. Denn wenn die gleiche Frau ohne Kopftuch plötzlich den Job bekommt, ist das ja sogar der perfekte Beweis, dass sie eben nicht aus rassischen Gründen abgelehnt worden ist.

Und drittens ist der Boykott (beispielsweise) von Kopftuch tragenden Verkäuferinnen durch die Kunden nicht Ablehnung einer Rasse, sondern Ablehnung eines Symbols weiblicher Unterdrückung in bestimmten mittelalterlichen Gesellschaften. Zugleich ist er Ablehnung eines demonstrativen (und bei manchen auch durchaus freiwillig gezeigten) religiösen Bekenntnisses, während man als Kunde eigentlich mit keiner Religion im Supermarkt konfrontiert werden will. Und schon gar nicht mit einer Religion, die – wiederum sehr höflich ausgedrückt – weder für die Förderung der Demokratie und Menschenrechte noch für die Bekämpfung des Terrorismus berühmt geworden ist.

Wir sollten aber achtsam sein: Denn in der EU sind schon mit großem Erfolg ähnlich denkende Meinungsterroristen unterwegs, die nicht nur denunzieren, sondern auch Verurteilungen herbeführen können. Diese kooperieren raffiniert mit etlichen Ländern, in Österreich etwa mit linksradikalen Beamten aus dem Wiener Sozialministerium.

Sie wollen auch Privatmenschen künftig per Gesetz zwingen, primär mit Kopftuchträgerinnen, Arabern oder Afrikanern Geschäfte zu machen, also insbesondere diesen primär Jobs und Wohnungen zu geben. Sie wollen dabei diese Vermieter und Arbeitgeber unter Beweispflicht setzen und nicht etwa den, der „Rassismus!“ behauptet. Künftig soll nämlich jeder Arbeitgeber und Wohnungsvermieter selbst beweisen müssen, dass er aus „objektiven“ Gründen gehandelt hat, wenn er mit einem anderen als einem schwulen, islamischen oder aus der Dritten Welt kommenden Job- oder Wohnungsbewerber einen Vertrag abschließt.

Das ist nicht nur inhaltlich ungeheuerlich, sondern würde nebstbei auch den Wohnungsmarkt weiter austrocknen, weil viele Vermieter ihre Wohnungen dann halt nicht mehr auf den Markt bringen, sondern nur noch gezielt unter der Hand weitervergeben werden. Dabei ist ja gerade dieser ausgetrocknete Markt mit schuld an der Wohnungsknappheit. Ähnliches würde sich auf dem Jobmarkt abspielen.

Zum Glück scheitert das derzeit noch an der CDU (solange diese regiert, was freilich schon heuer zu Ende gehen könnte) und an der tschechischen ODS (solange diese regiert, was aber höchstwahrscheinlich 2014 zu Ende gehen wird). Innerösterreichisch sind ähnliche Vorschläge für Bundesgesetze bisher an der ÖVP gescheitert. Was aber wohl auch nur solange der Fall ist, solange dort noch Michael Spindelegger das Sagen hat, während ja beispielsweise in der Leitl-Kammer bereits die linksliberalen Tugendterroristen an der Macht sind.

Um nur einige Beispiele dafür zu nennen, was die Linke da schon in der Pipeline hat:

  • In der EU sollen Länder schon deshalb auf die Anklagebank gesetzt werden können, wenn sich bei ihnen schwule Angelegenheiten (die de facto immer auf Propaganda oder zumindest Abwertung der klassischen Familie hinauslaufen!) nicht in den Schulbüchern finden.
  • Die EU soll auch religiösen Schulen den Inhalt des Sexual-Unterrichts vorschreiben können.
  • Die EU soll unter dem harmlos klingenden Begriff „Inklusion“ geistig Behinderten gleichberechtigten Zugang zu jeder Schule verschaffen.
  • Die EU soll die Universitäten zwingen können, Vorlesungen nur noch dann anzusetzen, wenn der Zeitpunkt Studenten keine Probleme bei der Betreuung der eigenen Kinder macht. Und so weiter.

Man wundert sich über das Schlafen vieler konservativen Parteien Europas, denen offenbar jede Wertorientierung und jedes Gefühl für die Haltung ihrer Wähler abhanden kommt. Man wundert sich über viele angeblich Liberale, die statt vom Kampf für individuelle Freiheit und Subsidiarität von einer geradezu totalitären Regulierungswut geprägt sind. Und man wundert sich über die EU-Ideologen, die nicht begreifen, dass mit solchen Initiativen die letzte Legitimität der EU verloren geht.

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Nachhaltigkeit & Konsolidierungsbedarf der Euro-12 drucken

Staatsschulden, Nachhaltigkeitslücke & Konsolidierungsbedarf der Euro-12 in Prozent des BIP 2010

 

  Explizite
Staatsschuld
Implizite
Staatsschuld
Nachhaltigkeits-
lücke
Konsolidierungs-
bedarf
Italien

118,4

27,6

146,0

2,4

Deutschland

83,2

109,4

192,6

4,0

Finnland

48,3

146,9

195,2

2,7

Österreich

71,8

225,9

297,7

4,8

Frankreich

82,3

255,2

297,7

4,3

Portugal

93,3

265,5

358,8

6,5

Belgien

96,2

329,8

426,0

5,3

Niederlande

62,9

431,8

494,6

8,1

Spanien

61,0

487,5

548,5

7,0

Griechenland

144,9

872,0

1.016,9

17,6

Luxemburg

19,1

1.096,5

1.115,6

12,0

Irland

92,5

1.404,7

1.497,2

10,4

Implizite Schuld: Im Unterschied zur expliziten Staatsschuld, welche das Ausmaß vergangener Haushaltsdefizite widerspiegelt, entspricht die implizite Schuld der Summe aller zukünftigen Defizite. Wird in einem zukünftigen Jahr ein Überschuss erzielt, so reduziert dies die implizite Schuld, während ein Defizit diese erhöht. Die implizite Schuld spiegelt damit den Umfang wider, in dem sich zukünftige Defizite und Überschüsse die Waage halten.

Nachhaltigkeitslücke: Im Sinne einer Schuldenquote entspricht die Nachhaltigkeitslücke der tatsächlichen Staatsverschuldung im Verhältnis zum heutigen Bruttoinlandsprodukt. Die tatsächliche Staatsverschuldung setzt sich dabei aus der bereits heute sichtbaren (expliziten) sowie der impliziten Staatsschuld zusammen. Im Falle einer positiven Nachhaltigkeitslücke ist eine Fiskalpolitik auf Dauer nicht nachhaltig, so dass Steuer- und Abgabenerhöhungen oder Einsparungen in Zukunft unumgänglich sind.

Konsolidierungsbedarf: Entspricht dem Umfang, um den die Staatsausgaben (in Prozent des BIP) verringert werden müssten, im die Nachhaltigkeitslücke zu schließen. Er könnte alternativ auch über eine Erhöhung der Steuern und Abgaben aufgebracht werden.

Quelle: Stiftung Marktwirtschaft Nr. 115, EU-Kommission, Eurostat

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Zypern, die Vernunft und das große Aufheulen drucken

Zum ersten Mal haben die europäischen Finanzminister in der Euro-Krise etwas halbwegs Vernünftiges beschlossen – und sofort wird ringsum aufgeheult, ausgerechnet in Österreich und Deutschland am lautesten, die vom Minister-Beschluss eigentlich profitiert hätten. Dementsprechend ist das Vorhaben binnen weniger Tage an den Heulern und am zypriotischen Parlament gescheitert. Die Heuler haben, wie die letzten Stunden zeigen, offenbar Erfolg, obwohl sie fast durchwegs dumm und geradezu selbstbeschädigend argumentieren. Vor allem begreifen sie nicht, was die zwei einzigen möglichen Alternativen sind, wenn die zypriotischen Sparer nun sakrosankt bleiben. Oder sie verschweigen es populistisch.

Wenn Zyperns Sparer (zu einem hohen Anteil russische Steuerflüchtlinge!) nicht geschoren werden, kommt es zum ersten Mal zu einem Totalcrash eines europäischen Staates – oder es kommen neuerlich die – derzeitigen und künftigen – europäischen Steuerzahler unters Messer. Aber offenbar wollen die Heuler das ja. Und sie setzen das auch durch, da das zypriotische Parlament eine Beschneidung der Sparguthaben ablehnt. Wäre nicht in Westeuropa das populistische Aufheulen so laut gewesen, dann hätte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch das zypriotische Parlament nicht getraut, Nein zu sagen.

Die Krokodilstränen um die „armen Sparer“ auf Zypern sind insbesondere deshalb absurd, weil diese in den letzten Jahren durch (gegenüber Deutschland und Österreich) weit überhöhte Zinsen ein Vielfaches dessen kassiert haben, was sie jetzt zahlen hätten sollen. Wer in zehn Jahren 20 Prozent mehr kassiert als hierzulande ein Sparer, der sollte eigentlich auch 10 oder 16 Prozent Verlust hinnehmen können.

Es heulen auch jene auf, die schon lange – prinzipiell voll zu Recht – dagegen protestiert haben, dass in den letzten Jahren „die Banken“ gerettet worden sind; sie haben zwar protestiert, nur haben sie offenbar nicht begriffen, was das heißt. Denn werden einmal „die Banken“ nicht gerettet, hat das logischerweise Konsequenzen, nämlich bei den Gläubigern der Banken. Das ist die geradezu zwingende Folge jedes Konkurses (=Nichtrettung eines insolventen Unternehmens).

Die Gläubiger einer Bank sind aber genau die Sparer. Daher hätte es eigentlich von der ersten Stunde an die Sparer treffen müssen, wenn griechische, spanische, zypriotische, französische, italienische Banken in Probleme geraten. Diese Sparer haben in den genannten Ländern ja auch überall deutlich höhere Zinsen kassiert als die österreichischen. Aber Nein, die Sparer im Süden kassierten und bleiben auch weiterhin ungeschoren. Und die Steuerzahler und Sparer in Deutschland und Österreich müssen sie ständig retten. Ungefragt.

Typisch ist etwa der Kommentator einer Zeitung, die behauptet, von Wirtschaft zumindest irgendetwas zu verstehen. Er verlangt nämlich in einem Populismus und in einer Ahnungslosigkeit, die Straches und Faymanns Wirtschaftskompetenz noch weit unterbietet, dass die Aktionäre der Banken bluten sollen. Der Mann begreift offenbar nicht, dass diese Aktionäre längst geblutet haben. Denn ihr – schon lange eingezahltes – Aktienkapital ist fast zur Gänze weg. Was bitte will er denn denen noch wegnehmen können?

Zur Rettung der Banken und der von höheren Zinsen profitierenden Sparer ist in den letzten drei Jahren immer wieder ein Big Spender eingesprungen, nämlich der – empört, aber wirkungslos mit den Zähnen knirschende – deutsche, österreichische, niederländische und finnische Steuerzahler.

Heuer aber muss erstmals der deutsche Steuerzahler gefragt werden. Nämlich bei der Bundestagswahl. Und da zittert die Berliner Regierung zunehmend vor der Antwort. Sie will daher erstmals die Sparer eines Schuldenstaates nicht ungeschoren lassen. So wie man schon einmal die privaten (und auch ganz kleinen) Besitzer griechischer Staatsanleihen geschoren hat, will Berlin mit gutem Grund nun zypriotischen Sparbuchbesitzern ein Teil des Geldes abnehmen. Die (bis vor wenigen Wochen kommunistische!) Regierung Zyperns hat sich ja seit Jahren geweigert, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, welche die Katastrophe noch abwenden hätte können.

Ist es ungerecht, nun als letzte Möglichkeit auf die Sparer zuzugreifen? Subjektiv empfinden das sicher viele Betroffene so. Aber das ist immer noch zehn Mal besser als die Politik jener Parteien – vor allem, aber nicht nur der Linken –, die jede Woche bei uns und in Deutschland eine neue Steuer einführen wollen, um irgendjemanden zu retten.

Wie man nun die notwendigen Schnitte konkret auf die zypriotischen Sparer aufteilt, ist eine politische Frage, die einzig die Zyprioten angeht. Das zypriotische Parlament hat jedoch nun erklärt, dass überhaupt niemand für das überschuldete Finanzsystem zahlen solle. Da das irgendwie mit der Logik nicht zusammenpasst, seien kurz die wichtigsten Denkansätze zur Aufteilung analysiert.

Da erkennt man bald: Wer vorgibt, da gäbe es einen „gerechten“ Aufteilungsschlüssel, ist ein Lügner. Und selbst, wenn es einen solchen Schlüssel gäbe, hieße das: Tausende Finanzbeamte müssten jetzt jedes einzelne Konto anschauen, um zu entscheiden, ob dessen Besitzer ganz, halb oder gar nicht geschoren werden soll. In dieser Zeit ist längst das ganze Finanzsystem kollabiert.

Eine Unterscheidung „Inländer bekommen alles, Ausländer hingegen sollen bluten“ ist aus Hunderten rechtlichen Gründen nicht zulässig. Sie würde auch sofort zu dramatischen Retorsionen etwa aus Russland führen, wo man ohnedies schon heftig empört ist. Man kann nicht einfach pauschal jeden Russen zu einem Mafioso und Geldwäscher erklären. Das muss wirklich in jedem Fall geprüft werden, wenn man zumindest minimale Reste von Rechtsstaatlichkeit bewahren will. Was jetzt angeblich zwar geschieht, was aber die Zyprioten zweifellos lange unterlassen haben.

Auch jede Unterscheidung zwischen großen und kleinen Spareinlagen klingt nur gerechter, ist es aber keineswegs. Sie belohnt erstens einmal jene Großen, die sich die Mühe gemacht haben, ihr Geld auf viele kleine Sparbücher bei vielen Instituten aufzuteilen. Da profitiert halt der, der statt eines Sparbuchs über drei Millionen 30 Sparbücher über 100.000 Euro bei verschiedenen Instituten aufgemacht hat. Wer aber solchen Tricks nachzugehen versucht, der ist ebenfalls viele Monate unterwegs – solange kann auch Zypern die Banken nicht geschlossen halten.

Jedenfalls haben auch jene, die kleinere Sparbücher haben, von den maßlos überhöhten Zinsen auf Zypern profitiert. Diese hohen Zinsen waren ja eben schon in den letzten Jahren genau das Signal, dass Zypern und seine Banken Wackelkandidaten sind.

Die österreichische Einlagensicherung behauptet wie ähnliche Einrichtungen in allen europäischen Ländern, jeden Sparer bei jedem(!) Institut mit bis zu 100.000 Euro absolut abzusichern. Dass diese „Sicherung“ natürlich nur solange etwas wert ist, als entweder der jeweilige Finanzsektor oder die Republik solvent sind, wird gerne verschwiegen. Auch sie ist daher eine Lüge.

Halbwegs Gerechtigkeit könnte man nur dadurch herstellen, dass man bei jedem Konto durchrechnet, wieviel der Besitzer jeweils von den überhöhten Zinsen profitiert hat. Denn einer, der den Großteil seines Geldes schon vor zehn Jahren eingezahlt hat, hat natürlich viel mehr profitiert als einer, der das überwiegend erst im Vorjahr getan hat. Nur: Auch solche Berechnungen brauchen jedenfalls ein kompliziertes Computermodell, das es frühestens in ein paar Wochen geben könnte. Natürlich wären in dieser Zeit längst alle Konten abgeräumt.

Festzuhalten bleibt, was keinen der Heuler zu stören scheint: Auch bei der am vergangenen Wochenende ausgehandelten Zypern-Vereinbarung würden zwei Drittel der Kosten dieser „Rettung“ wieder von den anderen europäischen Steuerzahlern und Sparern getragen. Aber immerhin: Die Angst vor den deutschen Wählern hat dazu geführt, dass sie diesmal nicht mehr alles allein tragen müssen. Zumindest wenn Wolfgang Schäuble und Maria Fekter endlich einmal hart bleiben. Die Illusionen aus den Zeiten eines Finanzministers Pröll, dass all diese Haftungen und Kredite ja eh ein großes Geschäft wären, sind ohnedies längst verflogen.

Jetzt ist guter Rat absolut teuer. Das Allerschlechteste und der endgültige Untergang nicht nur des Euro, sondern wirklich der ganzen europäischen Integration wäre es, wenn nun Resteuropa nachgibt und doch dem europäischen Steuerzahler die ganze Last aufbürdet.

Positive Folge der Zypern-Krise könnte es hingegen sein, dass sich die Sparer endlich europaweit genauer anschauen, wem sie ihr Geld anvertrauen. Wie stabil die Bank, der Sektor, das Land sind. Einlagensicherung hin oder her. Das bloße Interesse an höheren Zinsen als alleiniger Entscheidungsfaktor wird dann endlich vorbei sein.

PS.: Das Geimpfte geht einem auf, wenn neben den Steinewerfern von Attac nun ausgerechnet der pensionierte Betriebsrat des Wirtschaftsforschungsinstitut am lautesten gegen einen zypriotischen Haarschnitt protestiert, also der wegen seiner linksradikalen Haltung berüchtigte Stephan Sch. Denn gerade er ist seit Jahrzehnten nachweislich dafür bekannt, ständig Forderungen der vielfältigsten Art aufgestellt zu haben, die zu noch viel mehr Schulden und Defiziten geführt hätten,als sie Europa ohnedies jetzt schon umbringen. Österreich wäre schon längst in die griechisch-zypriotische Liga getrieben worden, hätte es den Ratschlägen des Herrn Sch. und denen von Betriebsräten, Arbeiterkämmerern und Gewerkschaftern gefolgt. Es ist einfach widerlich und heuchlerisch, wenn sich Täter über die Folgen ihrer Taten empören.

PPS.: Einen Vorwurf kann man Fekter, Schäuble, dem IWF, der EZB & Co freilich nicht ersparen: Wenn man nach Jahren einer falschen Politik einen so gravierenden Wechsel der Finanzpolitik vorzunehmen versucht, muss man das mit einer ungeheuer breiten Informations-Kampagne begleiten. Die es aber nicht gibt. Bis auf Fekter selbst halten sich derzeit auch in Österreich fast alle bedeckt oder äußern sich populistisch – obwohl sie hinter vorgehaltener Hand zugeben, dass die Ministerin recht hat. Obwohl es um österreichische Überlebensinteressen geht.

PPPS.: Um die gegenwärtig ebenfalls fallenden Börsenkurse würde ich mir am wenigsten Angst machen. Denn die Anleger werden nach einer Schrecksekunde erkennen, dass Aktien noch immer etwas Reelleres darstellen als eine bloße Forderung gegen eine Bank. Und mehr ist ein Sparbuch nicht.

PPPPS.: Es mag viele Zufälle im Leben geben. Aber dass sich ausgerechnet in der Nacht des Zypern-Njets die erschreckten EU-Europäer nun plötzlich auf das seit ewig umstrittene Agrarbudget geeinigt haben, ist mit Garantie kein Zufall.

 

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Langfristige Entwicklung der Schulden der Euro-Länder drucken

Defizit & Staatsverschuldung der Euro-12 in Prozent des BIP seit 1970

 

Defizit 1970-74 75-79 80-84 85-89 90-94 95-99 2000-04 05-08 09 10
Euro12 0.4 3,1 4,4 4,1 4,9 3,2 2,4 2,6 6,4 6,3
Belgien 3,3 6,4 12,9 8,8 7,2 2,5 0,1 2,0 5,9 4,2
Deutschland 0,0 3,4 3,0 1,2 2,5 2,6 3,2 1,6 3,2 4,4
Irland 4,6 9,0 10,5 7,4 2,6 - 0,8 - 1,4 3,4 14,2 31,3
Griechenland 0,1 2,2 5,8 10,0 11,0 5,7 5,3 8,8 15,8 10,8
Spanien - 0,2 1,4 5,0 4,8 5,5 4,2 0,5 2,0 11,2 9,3
Frankreich - 0,3 1,4 2,2 2,6 4,4 3,4 2,9 3,8 7,6 7,1
Italien 5,5 8,4 9,9 11,7 10,5 4,4 3,1 3,5 5,4 4,5
Luxemburg - 2,6 - 1,9 - 0,1 - 2,7 - 2,0 - 2,8 - 2,7 - 1,4 0,9 1,1
Niederlande 0,7 2,0 5,1 4,6 3,7 2,6 1,2 0,9 5,6 5,0
Österreich - 1,4 2,6 2,7 3,5 3,4 3,4 1,9 1,9 4,1 4,4
Portugal - 1,2 4,9 6,5 5,8 6,4 3,8 3,4 5,4 10,2 9,8
Finnland - 4,7 - 5,3 - 3,4 - 4,2 3,2 1,5 - 4,2 - 2,7 2,7 2,8

 

Verschuldung 1970 75 80 85 90 95 2000 05 07 10
Euro12 22 30 34 49 55 72 69 71 67 85
Belgien 60 56 76 118 129 130 108 92 84 96
Deutschland 18 24 30 40 41 56 60 69 65 83
Irland 48 58 69 101 93 81 37 27 25 95
Griechenland 18 19 22 48 71 97 103 101 107 145
Spanien 15 12 17 42 44 63 59 43 36 61
Frankreich  –  – 21 31 35 55 57 67 64 82
Italien 37 56 57 81 95 122 109 105 103 118
Luxemburg 20 13 10 12 5 7 6 6 7 19
Niederlande  – 40 45 70 77 76 54 52 45 63
Österreich 18 23 35 48 56 68 66 64 60 72
Portugal  – 19 29 57 53 59 48 63 68 93
Finnland 11 7 11 16 14 57 44 42 35 48

Quelle: AMECO Database, Eurostat

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Ungarn: ein nationaler Sozialismus, aber kein Faschismus drucken

Die europäischen Sorgen um Ungarn sind weitgehend unberechtigt – dennoch sollte sich Europa um Ungarn und die falsche Politik seines Machthabers Viktor Orban große Sorgen machen. Das klingt paradox. Das ist aber zwingendes Ergebnis einer eingehenden Analyse der ungarischen Fakten. Europa macht sich die völlig falschen Sorgen. In Ungarn wird keine Diktatur ausgerufen, wie uns die einen weismachen wollen. Ungarn donnert aber aus eigener Schuld ökonomisch gegen die Wand. Was die anderen ignorieren.

Zuerst zu den Sorgen um die Zukunft der Demokratie in dem mitteleuropäischen Land. Denen ist vieles entgegenzuhalten. Vor allem: Ungarn hat bisher noch immer am Ende jeder Debatte jedem ausjudizierten Einwand des Europäischen Gerichtshofs Rechnung getragen. Man darf nicht vergessen: Auch alle anderen EU-Länder haben in bestimmten Fragen gegen EU-Recht verstoßen, manche sogar noch viel öfter als Ungarn – ohne dass dort gleich vom Untergang des Abendlandes oder der Demokratie geredet wird.

Wenn man objektiv und sachlich bleiben will (was die Ungarn-Kritiker freilich nicht wollen), ist bei jedem Vorwurf immer primär zu prüfen: Wie sieht es bei den konkreten Punkten eigentlich in anderen Staaten, etwa in Österreich oder Deutschland aus? Denn weder Europa noch ein anderer Staat darf sich einfach ungeprüft und unausgewogen zum Instrument der ungarischen Opposition und der Exilungarn machen. Das wäre so, wie wenn man die Behauptungen von Grünen und FPÖ ungeprüft als Bild der österreichischen Realität übernähme. Eine Opposition versucht naturgemäß immer, alles in den übelsten Farben erscheinen zu lassen. Sie kann daher nie ein objektiver Maßstab sein.

Die konkreten Vorwürfe gegen Ungarn

Seit einigen Tagen wird im Ausland vehement eine Bestimmung kritisiert, derzufolge der ungarische Verfassungsgerichtshof bei Auslegung der Verfassung nicht auf seine Judikatur zur alten Konstitution zurückgreifen darf. Mit Verlaub: Das ist auch in allen anderen Ländern so. Das ist seit ein paar Jahrtausenden ehernes Rechtsprinzip. Auch das deutsche Grundgesetz 1949 kann nicht mit irgendeiner Judikatur aus der Zeit davor interpretiert werden. Ebensowenig die österreichische Verfassung aus 1920 und 1929 (und mit Teilen aus 1867).

Ebenso lächerlich sind die Vorwürfe der UN-Menschenrechtskommission. Die sind schon deshalb absurd, weil sie von einem Gremium mit besonders üblen (aber dennoch gewählten!) Mitgliedern stammt: wie beispielsweise Zimbabwe, China, Pakistan, Saudi-Arabien oder der Ukraine. Eigentlich sollte schon diese Mitgliederliste dazu führen, dass man jede Mitteilung dieser Kommission sofort rundentsorgt.

Sie kritisiert, dass die Verfassung ohne angemessene öffentliche Diskussion erfolgt sei. Interessant. Heißt das, dass auch die deutsche und österreichische Verfassung für diese seltsamen Demokratie-Experten bedenklich sind? Denn auch in diesen beiden Ländern hat es einst keine lange öffentliche Diskussion gegeben. Das deutsche Grundgesetz geht sogar auf Anordnungen der Besatzungsmächte zurück. „Ausreichende“ Diskussion ist also in Wahrheit ein völlig willkürliches Kriterium.

Ein anderer Vorwurf ist ebenso skurril: Der ungarische Staatspräsident dürfe Gesetze nur noch wegen Formfehlern zurückweisen. Weiß irgendeiner der kritischen Menschen, dass auch in Deutschland und Österreich – sowie den meisten anderen EU-Ländern – die Kompetenz des Staatsoberhaupts genauso limitiert ist? Niemand hat deren Verfassungen bisher deswegen für bedenklich erklärt. Die europäischen Monarchen dürfen nicht einmal wegen Formfehlern aktiv werden. Nur in Liechtenstein hat der Fürst mehr Macht - die dortige Verfassung ist freilich von einigen Ländern vor einigen Jahren vor allem deshalb heftig kritisiert worden . . .

Genauso absurd: Das Verfassungsgericht dürfe die Verfassung selber nur noch formal (also in Hinblick auf die Prozedur ihres Zustandekommens), aber nicht materiell (also in Hinblick auf einzelne Bestimmungen) prüfen. Genau das ist aber praktisch einhelliges Prinzip aller europäischen Verfassungen. Das ist ja gerade der Kern des Positivismus, der etwa in Österreich seit 1920 herrschende Lehre ist. Seit es in Europa keinen darüber stehenden Rang für Naturrecht oder Religion gibt, ist eben die Verfassung die höchste und inhaltlich nicht mehr hinterfragbare Rechtsgrundlage! Man kann ihr nur mit den gleichen Formalerfordernissen wie bei ihrer Erlassung selbst etwas anhaben; diese bestehen meist in einer Zweidrittelmehrheit.

Ein weiterer Vorwurf: Die Verfassung werde in dieser Periode schon zum vierten Mal geändert. Wui! Hat einer der Kritiker schon nachgezählt, wie oft das anderswo passiert? Als in Österreich zuletzt die verfassungsrechtlichen Sondergesetze gezählt wurden, kam ein Experte auf mehr als 600. Soll sich Österreich deswegen vor europäischen Gerichtshöfen verantworten?

Ein anderer Kritikpunkt ist: Wer in Ungarn gratis studiert, muss nachher einige Zeit im Land arbeiten oder sein Studium rückzahlen. Diese Bestimmung ist für die Betroffenen unerquicklich, sie ist auch eher illiberal. Sie kann aber nur dann als Verstoß getadelt werden, wenn europaweit vorgeschrieben wäre, dass Studieren nichts kosten darf. Das ist aber absolut nicht so. In vielen Ländern muss man halt für ein Studium zahlen. Die ungarische Regelung ist freilich ziemlich dumm, kann sie doch gar nicht ernsthaft durchgesetzt werden. Man kann die Jungen nicht im Land einsperren, ist doch der Eiserne Vorhang der Kommunisten zum Glück seit 1989 weg. Natürlich wäre es viel sauberer, aber weniger sozial, wie anderswo das Studium für alle kostenpflichtig zu machen. Hauptproblem für viele junge Ungarn ist auch gar nicht, dass sie alle auswandern wollen – sie müssen es vielmehr, weil sie daheim keinen Job finden.

Schwer nachvollziehbar ist auch der nächste Vorwurf: Ungarn dehnt den Familienbegriff auf jede Eltern-Kind-Beziehung aus (was in Wahrheit eine wichtige Geste der Liberalisierung des bisher rein ehegebundenen Familienbegriffs ist), aber nicht auf gleichgeschichtliche Partnerschaften. Niemand kann erklären, aus welchem Grund auch Partnerschaften ohne Kinder Anspruch auf eine Förderung haben sollten (außer wegen ihrer Lautstärke).

Ebenso europaüblich sind die ungarischen Regelungen über die Beschränkung der Wahlwerbung im Fernsehen. Solche gibt es in unterschiedlichen Formen fast überall. Die ungarische Version hat jedenfalls den Vorteil, dass es im Wahlkampf wenig hilft, wenn sich ein Politiker a la Berlusconi ganze Sender kauft.

Auch die – zweifellos – regierungsfreundliche Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens findet sich leider in vielen Ländern. Auch wenn die Regierung keine Zweidrittelmehrheit hat.

Anderer Kritikpunkt: In Ungarn machen sich Obdachlose strafbar, die auf der Straße übernachten, statt in ein angebotenes Obdachlosenheim zu ziehen. Na und? Behauptet jemand im Ernst, es wäre neuerdings schon EU-Recht, dass jedermann auf jedem beliebigen öffentlichen Platz übernachten könne, so oft er will? Auch in Frankreich beispielsweise haben sowohl die rechte wie auch die linke Regierung Roma außer Landes gebracht, die öffentliche Flächen okkupiert haben.

Nächster Vorwurf: Die jüngste Verfassungsänderung sei vor allem deshalb erfolgt, weil dem Parlament die Judikatur des Gerichtshofs nicht gepasst hat. Warum wird dann nicht auch der österreichische Gesetzgeber als Diktatur entlarvt, der schon Hunderte Male mit Verfassungsmehrheit die Gerichte ausgehebelt hat? In Österreich sind ja sogar Lächerlichkeiten wie die – konsumentenfeindliche – Taxi-Regelung nur deshalb in der Verfassung geregelt worden, damit sie der Gerichtshof nicht aufheben kann.

Was die Kritiker verschweigen

Warum wird von den vielen Kritikern Ungarns nicht dazugesagt, dass bei der Novelle die einzige materielle Kritik des ungarischen Verfassungsgerichts am bisherigen Verfassungstext Orbans nicht mit der – möglichen – Zweidrittel-Dampfwalze niedergerollt worden ist? Das Veto des Gerichtshofs gegen die durch ein einfaches Gesetz geplant gewesene Wählerregistrierung ist nämlich voll respektiert worden.

Warum wird nicht dazugesagt, dass die nunmehrige Novelle die Sozialisten im Gegensatz zu dem seit zwei Jahren gültigen Text nicht mehr als Nachfolgepartei der Kommunisten bezeichnet? Das müssten doch die vor allem von der Linken kommenden europäischen Kritiker eigentlich loben und nicht tadeln.

Das tun sie aber nicht. Denn in Wahrheit stört sie ja nur eines: dass die ungarischen Sozialdemokraten von den Wählern in die Bedeutungslosigkeit verdammt worden sind. Daher können sie zum Unterschied von den meisten anderen Ländern Verfassungsänderungen nicht mehr blockieren. Jene vernichtende Wahlniederlage ist auch die eigentliche, wenn auch nie zugegebene Ursache des organisierten Zorns der europäischen Sozialdemokratie.

Dieser Zorn ignoriert – fast muss man sagen: natürlich – auch eine beispiellose humanitäre Geste: Ungarn hat einen eigenen Gedenktag für die vertriebenen Ungarndeutschen eingeführt. Diese kostenlose Geste stünde zweifellos auch Tschechien, der Slowakei,  Polen, Slowenien, Kroatien oder Serbien gut an. Sie ist dort aber bisher keineswegs angedacht.

Die Kritiker Ungarns haben weder juristisch noch historisch recht. Sie schießen sich freilich damit politisch ins eigene Bein. Denn sie geben Viktor Orban eine wunderbare Gelegenheit, das Volk mit nationalistischen Tönen hinter sich zu scharen. Motto: Wir gegen den Rest Europas. Das hilft fast immer.

Ungarns ökonomischer Selbstmord

Damit kann der Ministerpräsident aber auch die verheerenden Folgen seiner Wirtschaftspolitik übertünchen. Damit kann er der sonst – zu Recht! – drohenden Wahlniederlage beim nächsten Mal entgehen. Denn das, was Orban wirtschaftlich macht, ist der sicherste Weg in den Untergang: Ungarn marschiert in einen nationalen Sozialismus.

Es droht Ausländern die Enteignung an; obwohl das EU-rechtlich gar nicht möglich ist. Es hat eine Reihe von Steuern und Abgaben so strukturiert, dass diese vor allem Ausländer treffen; was vor dem EuGH wahrscheinlich ebenfalls nicht halten wird. Und er versucht nun gar, ausländische (insbesondere österreichische) Grundeigentümer in der Landwirtschaft hinauszuwerfen; auch damit wird Ungarn rechtlich wohl am Ende des Tages scheitern.

Juristisch ist das alles nicht durchdacht und ohne Erfolgsaussichten. Aber zwei „Erfolge“ hat Orban durch diese Politik dennoch erzielt: Erstens ist die Währung auf Talfahrt. Und zweitens bleiben ausländische Investoren dem Land in breiter Front ferne. Investoren fürchten nämlich nichts mehr als rechtliche Unsicherheiten.

Die ungarische Arbeitslosenquote beträgt jedoch schon mehr als zehn Prozent und wird mangels Arbeitsplätze schaffender Investoren weiter steigen. Dabei ist in Ungarn jetzt schon der Anteil der Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung besonders niedrig. Obwohl sich die Regierung eigentlich um die Integration der Roma durchaus bemüht, hat die Vertreibung der Investoren gerade für diese große, aber nicht für sonderliche Produktivität bekannte Gruppe die Chance auf Arbeitsplätze total zertrümmert.

Die ungarischen Machthaber sind auf ihre Wirtschaftspolitik trotz der verheerenden Auswirkungen sogar noch stolz. Sie rühmen sie als „unorthodox“. Dabei ist sie einfach nur abgrundtief dumm.

Sie ist sogar dümmer als die Wirtschaftspolitik der davor regierenden Sozialisten. Diese haben zwar am Beginn ihrer Amtszeit jeden nur denkbaren populistischen Unsinn begangen (Beamtengehälter schlagartig um 50 Prozent steigern usw.). Sie haben aber in den letzten Jahren ihrer Amtszeit dazugelernt, und begonnen, Ungarn mit einer liberalen Politik zu sanieren sowie mit der Anlockung von Investoren Arbeitsplätze zu schaffen. Sie haben also dazugelernt. Orban, der in seiner ersten Amtszeit (1998-2002) ebenfalls noch einen Kurs der Vernunft versucht hat, hat hingegen diesbezüglich alles verlernt.

Schade.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Unsere Freiheit ist in Gefahr drucken

Mit viel Unmut musste Sozialminister Rudolf Hundstorfer kürzlich den Vorschlag für eine Gleichbehandlungsgesetzesnovelle zurückziehen, die das Verbot von unterschiedlicher Behandlung aufgrund von „Religion oder Weltanschauung, Alter oder sexueller Orientierung“ auf die Zurverfügungstellung von Gütern und Dienstleistungen inklusive Wohnraum ausgedehnt hätte.

Obwohl bereits Anfang 2011 vom Parlament in dieser Form abgelehnt, hatte der SPÖ-Minister die gleichen Inhalte demselben Parlament innerhalb derselben Legislaturperiode im Sommer dieses Jahres ein zweites Mal vorgelegt. Dass Parteigenossen den Gesetzesentwurf bejubelten, erstaunt nicht. Nur die Zustimmung des Präsidenten der österreichischen Wirtschaftskammer, Dr. Christoph Leitl, bleibt unverständlich.

Druck von Seiten betroffener Unternehmer und der Zivilgesellschaft mit Unterstützung liberaler Kräfte innerhalb der ÖVP brachten den Gesetzesvorschlag schlussendlich zu Fall. Damit ist dieses Thema in Österreich vorerst vom Tisch. Aber genau dasselbe Gesetz liegt als Richtlinie in Brüssel seit 2008 auf Eis. Dort wartet es (anscheinend ohne substantiellen Widerspruch Österreichs) auf einen Regierungswechsel in Deutschland, wo man sich derzeit nicht mit einer derartigen Freiheitsbeschneidung abfinden kann.

Die ersten vier bereits verbindlichen EU-Gleichbehandlungsrichtlinien sehen für die Privatwirtschaft „nur“ das Verbot der Diskriminierung im Bereich der Anstellung vor. Dies ist auch in Österreich geltendes Recht. Die 5. Gleichbehandlungsrichtlinie findet aus guten Gründen keine ausreichende Zustimmung: Die Ausdehnung des Diskriminierungsverbotes auf Güter und Dienstleistungen aus der Privatwirtschaft hätte dramatische Auswirkungen. Es ist an der Zeit für Österreich, die Unterstützung der so genannten fünften EU-Gleichbehandlungsrichtlinie zurückzuziehen.

Güter, Dienstleistungen, Wohnraum: Ein paar Beispiele

Diskutiert wird das Verbot der unterschiedlichen Behandlung aufgrund von Religion, Weltanschauung, Alter und sexueller Orientierung in der Zurverfügungstellung von Gütern und Dienstleistung aus der Privatwirtschaft:

  • Unter diesem Gesetz müsste zum Beispiel ein jüdischer Hotelbesitzer seine Versammlungsräume gegen seinen Willen einer muslimischen Vereinigung vermieten.
  • Ein Homosexueller dürfte sein Mietshaus nicht nur an Homosexuelle vermieten und ein privates Schienenverkehrsunternehmen seine Rabatte nicht jüngeren Menschen vorenthalten.
  • Eine katholische Partnervermittlungsagentur, die sich auf das Zusammenführen von Menschen des gleichen Glaubensbekenntnisses spezialisiert hat, müsste Andersgläubige aufnehmen.
  • Eine einst vor den osteuropäischen Kommunisten geflohene Familie müsste ihre Wohnung an einen KPÖ-Funktionär vermieten.
  • Ein Paar, dessen Tochter durch eine radikale Sekte völlig entfremdet worden ist und welches daher nichts mit einem Angehörigen dieser Sekte als Mieter oder Mitarbeiter zu tun haben will, dürfte diese Sekte als Mieter ihres Hauses nicht ablehnen.
  • Ein evangelikaler Graphiker müsste die explizit gehaltene Einladung zu einer schwulen Verpartnerung gestalten, die christliche Photographin dort Fotos schießen, der Tortenbäcker eine dafür gestaltete Torte bringen, usw.

Warum sollten ein Graphiker, eine Photographin, ein Tortenbäcker sich nicht für eine Verpartnerungsfeier anheuern lassen wollen? Nicht weil sie die Beteiligten per se als Menschen ablehnen. Sondern weil sie an dieser Feier nicht aus Religions- und Gewissensgründen mitwirken wollen. Jean-Jacques Rousseau schreibt: „Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.“

Legitim wäre eine unterschiedliche Behandlung eines Mitglieds einer privilegierten Gruppe (z.B. auf Grund von Religion, Weltanschauung oder sexueller Orientierung) nach der fünften Gleichbehandlungsrichtlinie nur dann, wenn ein Richter diese für „angemessen und erforderlich“ hielte: Die Folge davon wäre richterlich regulierte unternehmerische Freiheit, also aufwendige Verfahren und Rechtsunsicherheit für Unternehmen.

Eines ist klar: Hinter dem Wort „Diskriminierungsschutz“ verbergen sich in Wahrheit Privilegien für ein paar wenige. Wieso gerade diese? Weil sie die stärkste Lobby haben? Einige scheinen also doch gleicher zu sein.

Die unternehmerische Freiheit wird von der Regel zur Ausnahme

So wie der Gott sei Dank nun in Österreich begrabene Gesetzesentwurf stellt der Entwurf der 5. EU-Gleichbehandlungsrichtlinie eine inakzeptable Bevormundung dar. Insbesondere für kleine Dienstleistungsbetriebe wird damit die unternehmerische Freiheit von der Regel zur Ausnahme. Für die Unternehmer ist die Einhaltung dieser Regelungen kostspielig und zeitintensiv, Kundenkorrespondenzen und neue Marktstrategien müssten mit Rechtsanwälten abgesprochen werden.

Eine vom Richter abhängige Erlaubnis bedeutet Rechtsunsicherheit und erschwert das langfristige Planen. Die vorgesehene Beweislastumkehr bzw. -verschiebung widerspricht unserem Rechtssystem und bringt zusätzliche Schwierigkeiten. Denn anstatt „im Zweifel für den Angeklagten“ sieht die Gleichbehandlungsgesetzgebung ein „im Zweifel für das Diskriminierungsopfer“ vor.

Die Zeiten für Unternehmer sind schwer genug. Muss man ihnen da solche zusätzlichen Sorgen und Zwänge aufbürden? Auch für den Staat bedeutet die Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften einen bedeutenden Mehraufwand, den die Allgemeinheit bezahlen muss.

Den Preis zahlt der Konsument

Kürzlich war ein nicht-muslimischer Religionsführer auf der Suche nach einer Sekretärin. Sein juristischer Berater fragte wohlweislich vor der Ausschreibung des Jobs bei der Gleichbehandlungskommission an: Dürfte man eine Kopftuch-tragende Muslima ablehnen? Nein, war die Antwort. Die europäische Rechtssprechung erlaubt auf Basis der ersten vier Gleichbehandlungsrichtlinien eine Unterscheidung aufgrund der Religion im Bereich der kirchlichen Anstellung nur für verkündigende Berufe.

Man nehme nun an, ein Gemeindeschäfchen käme ins Büro des Kirchenoberen. Die augenscheinlich muslimische Dame im Empfangsbereich könnte einiges an Verwirrung auslösen. Der betroffene Religionsführer schrieb diesen Job deshalb gar nicht aus, sondern suchte privat. Nicht zum Zug kamen die vielen Geeigneten, die leider von diesem Job nichts erfahren hatten.

Die Ausdehnung des Diskriminierungsverbotes auf die Privatwirtschaft hätte Ähnliches zur Folge. Viele heute öffentlich beworbene Dienstleistungen würden auf weniger öffentlichen Wegen ihre Kunden suchen – und eine ganze Menge von Interessenten von den Angeboten nichts erfahren. Die „geschützten Gruppen“ könnten hier aus Angst vor Klagen besonders gemieden werden. Letztendlich ist es jeder einzelne Bürger, der diese Rechnung bezahlt.

Oft sind es engagierte Christen, die vor Gericht stehen

Gleichbehandlungsgesetze sind scheinbar neutral formuliert. In der Praxis sind es aber immer wieder Christen, die vor Gericht stehen. Wieder einige Beispiele:

  • Ein Spanier bezahlte 12.000 Euro Verwaltungsstrafe, weil er sein Restaurant nicht für eine Hochzeit von Homosexuellen zur Verfügung gestellt hat.
  • Englische Betreiber von Privatpensionen mussten bis zu 4.000 Euro Schadenersatz leisten, weil sie homosexuellen Paaren Doppelzimmer verweigerten.
  • Eine christliche Partnerbörse in den USA musste in der Abfrage der Partnersuche die Option „Ich bin ein Mann und suche einen Mann“ zulassen.

Gleichbehandlungsgesetze treiben Christen in einen unlösbaren Gewissenskonflikt, in dem sie sich zwischen ihrem Glauben oder ihrem Unternehmen entscheiden müssen. In einigen Ländern sehen Gleichbehandlungsgesetze Verwaltungsstrafen, in anderen Schadenersatz vor. Oft heißt es in den erläuternden Materialen zu Gleichbehandlungsgesetzen, dass die Geldbußen „empfindlich“ sein sollen.

Erfahrungsgemäß führen Gleichbehandlungsgesetze zu strategisch motivierten Klagen. In England gehört es zur Tagesordnung, dass radikale Lobbys die Interaktion mit Unternehmen suchen, von denen sie wissen, dass sie von Menschen geführt werden, die anders denken als sie selbst, um die Unternehmen anschließend dann für diese weltanschaulichen Einstellungen juristisch zu belangen. Klagsverbände, welche die juristische Arbeit erledigen und einen Prozentsatz vom Schadenersatz bekommen, mit dem sie dann weitere Klagen anstreben, gehören anderswo bereits zur Tagesordnung. Und je höher der Schadenersatz, desto lukrativer ist die Opferrolle.

Wo ist die Notwendigkeit für solche Gleichbehandlungsgesetze?

Der große Staatstheoretiker und Begründer der Gewaltenteilung Charles de Montesquieu sagte: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Gesetze müssen demnach erforderlich, angemessen und verhältnismäßig sein.

Gleichbehandlungsgesetze privilegieren bestimmte Gruppen. Eine Privilegierung kann notwendig sein – aber es muss sehr gute Gründe dafür geben. In Zuge der Debatten wurde von einem Homosexuellen gesprochen, der am Betreten eines Nachtklubs gehindert worden wäre. Wenn dies so war, dann finde ich den Türsteher und den Lokalbesitzer unmöglich. Ich würde mich solidarisch erklären, nie wieder in dieses Lokal gehen und meinen Freunde nahe legen, es genauso zu machen.

Aber brauchen wir dafür gleich ein Gesetz, das alle Unternehmer in die Mangel nimmt? Und wenn unser Boykott nicht fruchtet, sollten Inzentiven, Disinzentiven und Bewusstseinskampagnen von politischer Seite kommen. Nur dann, wenn die Diskriminierung einer Gruppe von Menschen in einem Land derart weit verbreitet ist, dass diese nur durch ein Gesetz unter Kontrolle gebracht werden kann, könnte man eine vorübergehende Freiheitseinschränkung überlegen.

Aber diese Beweislast tragen die Befürworter von Gleichbehandlungsgesetzen, und bislang konnte die Notwendigkeit solcher Regelungen in Österreich und den meisten europäischen Ländern nicht demonstriert werden.

In Brüssel auf Eis – Österreich im vorauseilenden Gehorsam?

Eine noch nicht verabschiedete EU-Richtlinie national umzusetzen bezeichnet man als Levelling Up. Politische Agitatoren, die derzeit mit ihrem Anliegen in Brüssel nicht weiterkommen, belagern nun die einzelnen Mitgliedsstaaten. Aber ein so umstrittenes Gesetz einzuführen – obwohl es in Brüssel dafür keinen Konsens gibt?

17 EU-Länder hätten bereits ein entsprechendes Gleichbehandlungsgesetz, schreibt die Homosexuellen Initiative Wien. Das Sozialministerium spricht gar von 21 Ländern. Die Genannten wissen aber oft nichts von ihrem Glück.

Wer genauer hinsieht erkennt: Die Statistik des Sozialministeriums spricht nur von der Existenz von Regelungen, die über die Arbeitsbereich hinausgehen. Bezeichnenderweise lautet die Überschrift der relevanten Spalte der Übersicht des Ministeriums neben „Employment“ einfach nur „other“ (andere). Und selbst wenn es in einigen Ländern bereits so ein Gesetz gibt – die Folgen, die wir aus diesen Ländern hören, beweisen die Tragik.

Wird Österreich der 5. Gleichbehandlungsrichtlinie in Brüssel zustimmen? Nun stellt sich eine demokratiepolitische Frage: Die Gleichbehandlungsnovelle ist in Österreich nicht konsensfähig. Ob das gleiche Gesetz nun aber in Brüssel beschlossen wird und deshalb in Österreich umgesetzt werden muss, hängt anscheinend von österreichischer Warte aus allein vom zuständigen Ministerium ab. Und das ist so besetzt, wie es eben nach den Wahlen ausgehandelt wurde. Öffentliche Debatte gibt es keine. Beamte betreiben hier Gesellschaftspolitik und sind mächtiger als unser Parlament. Wir kennen ihre Namen meist nicht. Dennoch plädiere ich an ihr Verantwortungsbewusstsein: Nämlich in Brüssel einer Sache nicht zuzustimmen, für die es in Österreich keinen Konsens gibt.

Deutschlands gute Gründe gegen die 5. Gleichbehandlungsrichtlinie

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag tritt engagiert gegen die 5. EU-Gleichbehandlungsrichtlinie auf, weil sie „einen größeren bürokratischen Aufwand“ und „vermehrte Rechtsunsicherheit“ mit sich bringen würde. Auch die Einschränkung der unternehmerischen Freiheit, die „faktische Benachteiligung von Nicht-Merkmalsträgern“ durch Ausweitung des Diskriminierungsschutzes und schlichtweg das fehlende Diskriminierungsproblem werden als Gründe gegen das Gesetz genannt.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks ist ebenso strikt gegen die Richtlinie: „Massive Eingriffe in die verfassungsmäßig geschützte Vertragsfreiheit und die unternehmerische Freiheit sind dadurch vorprogrammiert. Bei sämtlichen Kontakten zu Kunden und Interessenten, von der Begrüßung über Informationen und Produktangebote, die Konditionen, das Beratungsgespräch oder die Verhandlung bis hin zum Vertragsabschluss, hat der Unternehmer künftig sicherzustellen, dass er und seine Beschäftigten das Benachteilungsverbot beachten. Dies erzeugt nicht nur ein hohes Maß an bürokratischen Belastungen und Rechtsunsicherheit, sondern kann im Ergebnis auch dazu führen, dass Unternehmen Rechtsgeschäfte mit Personen mit möglichen Diskriminierungsmerkmalen vor vornherein meiden, um vermeintlich drohenden Rechtsstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen. Die Integrationsintention des Richtlinienvorschlags kann sich damit in ihr Gegenteil verkehren.“

Das deutsche Centrum für Europäische Politik befürchtet einen „verfügten Kontrahierungszwang“ als Antwort auf „Ausnahmefälle“ und spricht von einer „Drohung mit hoheitlichem Eingreifen“, mit dem eine „Umerziehung der Gesellschaft“ angestrebt werden soll.

Sozial unerwünschtes Verhalten zulassen

Auch wenn es auf den ersten Blick überrascht: Ja, offene Diskriminierung muss möglich sein. Selbst wenn man die eine oder andere unterschiedliche Behandlung menschlich nicht richtig findet. Selbst wenn sie sozial unerwünscht ist. Ja, man mutet einem abgewiesenen Kunden einen zusätzlichen Weg zu. Im Namen der Freiheit, die es auch vorsieht, falsche und unangenehme Entscheidungen treffen zu dürfen. Dies entspricht Voltaires Auffassung von Toleranz: Ganz anderer Meinung zu sein – aber bis zum letzten Atemzug das Recht des anderen zu verteidigen, diese Meinung zu haben. Uns alle lädt diese Überlegung ein, mit nicht perfektem Verhalten anderer Menschen leben zu lernen.

Michael Prüller fragt zu Recht: „Ist es tatsächlich die Aufgabe einer Regierung, genau jene Gesellschaft, deren Auftragnehmer sie ist, per Gesetz und Polizeigewalt zu Fortschritten zu zwingen?“ Für wie erziehungsbedürftig hält der Gesetzgeber seine Bürger?

Sozial-moralische Gesetzgebung führt letzten Endes zu Verlogenheit und Gesetzlosigkeit. Ein Beispiel dafür ist die Prohibition in den USA, durch die die Mafia stark wurde.

Gleichbehandlungsgesetze werfen uns in eine totalitäre, längst überwundene Vergangenheit zurück und erinnern an „cuius regio, cuius religio“, als Untertanen die Religion des Herrschers annehmen mussten. Nein, nicht Bevormundung brauchen wir, sondern Freiheit – selbst wenn man mit dieser Freiheit Dummheiten machen könnte.

Eine wichtige Ausnahme besteht allerdings bereits: Sobald ein Unternehmen als Monopol gilt, dürfen Kunden nicht abgelehnt werden. Egal welcher „Gruppe“ man angehört.

Es gibt kein Menschenrecht auf Nichtdiskriminierung!

Wenn es um Fragen der Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung geht, werden gerne die Menschenrechte strapaziert. Denn diese sind bekanntlich geduldig. Nun muss man nicht die Rechtswissenschaften studiert haben, um in diesem Falle die politische Absicht zu erkennen und verstimmt zu sein. Die Diskriminierungsverbote in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Art. 2) und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 14) betreffen nur die jeweils angeführten Menschenrechte, was mit dem in allen Rechtsordnungen essentiellen Gleichbehandlungsgebot für den Staat vergleichbar ist.

Im Internationalen Menschenrechtspakt (Art. 26) bezieht sich das Gleichbehandlungsgebot auf die Anwendung der Gesetze im Allgemeinen – aber eben nicht auf die Beziehungen Privater untereinander. In der EU-Grundrechtecharta ist dieses Prinzip schwammiger formuliert und die Auslegung des Art. 21 noch nicht vom Europäischen Gerichtshof vorgenommen. Aber selbst wenn Art. 21 substantiell anstatt als reines Prinzip der Anwendung der genannten Rechte verstanden werden müsste, bindet die Grundrechtecharta einerseits die EU-Institutionen aber andererseits die Mitgliedsstaaten nur dann, wenn sie EU-Recht anwenden. Weit und breit gibt es also kein Menschenrecht auf Gleichbehandlung durch andere Menschen!

Ganz im Gegenteil: All rights reversed! Es sind Gleichbehandlungsgesetze, die Menschenrechte einschränken: Die Privatautonomie des Einzelnen ist die Basis aller Menschenrechte, die dazu da sind, jedem Menschen zu ermöglichen, „nach seiner Facon glücklich zu werden“. Die unternehmerische Freiheit ist Ausfluss des Eigentumsrechtes, dessen Beschränkungen angemessen, erforderlich und verhältnismäßig sein müssen, und der Achtung des Privatlebens, das vorsieht, dass der Staat nicht willkürlich in persönliche Entscheidungen eingreifen darf. Des weiteren verletzen Gleichbehandlungsgesetze die Religions- und Gewissensfreiheit: Wenn ein Unternehmer gezwungen wird, durch seine Dienstleistungen Dingen Vorschub zu leisten, die er mit seiner Religion oder seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, dann liegt ein klarer Verstoß gegen seine Menschenrechte vor.

Auch die UNO verlangt kein Gleichbehandlungsgesetz

In der Debatte um die Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes wurden gerne so genannte „UNO-Empfehlungen“ aus dem Jahr 2011 herangezogen. Es handelt sich hier um die periodische Überprüfung der Lage der Menschenrechte in Österreich durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Rahmen der Universellen Staatenprüfung. Um diesen Aspekt der Debatte zu verstehen, bedarf es eines zweiten Blickes:

Nur 47 Staaten sind Mitglieder dieses Menschenrechtsrates. Sie nehmen sich ein Land nach dem anderen vor und schlagen Dutzende von Maßnahmen vor, die die Menschenrechtssituation in diesem Land verbessern könnten. Diese sind aber lediglich Empfehlungen, von denen einige gar nicht, andere nur unter Vorbehalt vom betroffenen Land angenommen werden. Die Empfehlungen selbst stammen nicht von „der UNO“ als solcher, sondern von einzelnen Ländern, die oft aus politischen Gründen agieren oder als besonders fleißig wahrgenommen werden möchten. Interessanterweise haben nur die folgenden Länder eine Ausdehnung des österreichischen Diskriminierungsverbotes gefordert: Honduras, das Vereinigte Königreich, Kanada, Norwegen -– und die Islamische Republik Iran.

Nun ja, Kanada und das Vereinigte Königreich verfolgen in diesen Fragen ihre eigene politische Agenda. In beiden Ländern gibt es massive Probleme mit und großen Widerstand gegen ähnliche Gesetze.

Norwegen und Honduras wollten vielleicht besonders mit Proaktivität punkten, das soll ihnen gegönnt sein … aber der Iran? Der Iran sollte vielleicht zuerst damit aufhören, Homosexuelle ins Gefängnis zu stecken!

Diese angeblichen UNO-Empfehlungen sind also nicht Meinung der internationalen Staatengemeinschaft, sondern lediglich unverbindliche Anregungen für Österreich. Sie substituieren ebenso wenig den nationalen parlamentarischen Prozess.

Gleichbehandlung unter Privaten im Namen der Menschenrechte zu empfehlen lenkt allerdings kein gutes Licht auf die erwähnten Länder: Denn Art 26 des Menschenrechtspaktes (ICCPR) schreibt nämlich nur vor, dass das Recht auf alle gleich angewandt werden soll, also dass der Staat seine Bürger gleich behandeln muss. Er sieht nicht vor, dass der Staat dafür zu sorgen hat, dass alle Bürger sich gegenseitig gleich behandeln. Daraus folgt, dass der Menschenrechtsrat entweder Art 26 ICCPR in vollkommen abwegiger Weise fehlinterpretiert, oder dass er bewusst und absichtlich seine durch die ICCPR definierte Kompetenz überschreitet, indem er Empfehlungen abgibt, die über den Regelungsbereich des Menschenrechtspaktes weit hinausgehen.

Wer entscheidet, wer privilegiert wird?

Herkömmliche Gleichbehandlungsgesetze privilegieren meist die Merkmale Geschlecht, Rasse und ethische Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Orientierung. Andere Gruppen dürfen aber nach Herzenslust diskriminiert werden: So zum Beispiel Snowboarder, Rothaarige, Jäger, Raucher, Hässliche, Bürgerliche, Arme oder Reiche, und so weiter.

Warum werden nur die genannten Gruppen privilegiert? Sollte man nicht alle privilegieren? Oder besser doch niemanden? Für einen Job am Bankschalter werden nicht einfach Frauen abgelehnt, sondern solche Frauen, die einem gewissen Schönheitsideal nicht entsprechen. Warum will man sie nicht schützen? Man wird den Eindruck nicht los, dass Lobbyisten politische Gutmenschen hier zur Willkür anstiften.

Wo endet die Gleichbehandlungspflicht? Was kommt nach der Regulierung der Zurverfügungsstellung von Gütern und Dienstleistungen? Vielleicht deren Inanspruchnahme? Kränkt sich denn nicht ein Chinese, wenn ich immer nur zum Italiener essen gehe? Was denkt sich der heterosexuelle Frisör, wenn ich mich regelmäßig vom homosexuellen Kollegen schneiden und fönen lasse? Wenn Gesetze erziehen wollen, werden sie beim Anbieter nicht halt machen.

Nichtdiskriminierung von Diskriminierungsgründen

Ein Höhepunkt der Unlogik liegt in der Forderung, alle Diskriminierungsgründe gleich zu behandeln. Privatwirtschaftliche Anbieter sind derzeit nur verpflichtet, Geschlecht und Rasse gleich zu behandeln – was gegen die anderen „geschützten“ Gruppen diskriminiere, so heißt es. Aber kann man denn alle privilegierten Gruppen in einen Topf werfen? Keinesfalls, denn die Ursache der Schwierigkeiten und die notwendigen politischen Lösungen sind grundverschieden. Menschen mit Beeinträchtigungen brauchen z.B. besondere Unterstützung in der Behindertengerechtigkeit von Wohnungen und Arbeitsplätzen, während Migranten eventuell am Wohnungsmarkt benachteiligt werden, wenn sie der Sprache nicht mächtig sind. Bei Frauen geht es vielleicht eher um die Doppelbelastung. Bei älteren Arbeitnehmern um höhere Gehaltsvorstellungen. Kinder werden in manchen Dienstleistungsbetrieben ungern gesehen, weil sie laut sind; Moslems stattdessen eher, weil man von einigen Gruppierungen geschürten Vorurteilen erlegen ist.

Gleichmacherei ist selten zielführend: Für jeden in Betracht kommenden Diskriminierungsgrund gilt es separat zu überlegen, wo Probleme und Regelungsbedürftigkeit liegen, und welche Vorgangsweise erforderlich, angemessen und verhältnismäßig ist. Dass für unterschiedliche Problemlagen unterschiedliche Lösungsansätze gewählt werden, ist keine Diskriminierung – sondern eine Sache des Hausverstands.

Warum will man trotz allem ein weiteres Gleichbehandlungsgesetz?

Im Vordergrund stehen Parteiideologie, Erwachsenenumerziehung, Grätzeldenken und Privilegienheischerei. Die sozialdemokratische Front arbeitet bereits an der Anpassung der Beistriche für eine nächste Gleichbehandlungsnovelle und wünscht sich eine Wiederaufnahme der Gespräche im Frühling.

Exzessive Gleichbehandlungspolitik ist eine Therapie, die die Krankheit erst hervorruft: Laut einem Eurobarometer aus 2009 fühlen sich die Schweden am meisten und die Türken am wenigsten diskriminiert. In vielen Punkten stellt die angebliche Lösung ein größeres Problem dar als das Ursprungsproblem selbst.

Wir haben uns in der Geschichte die Freiheit, die wir heute haben, hart erkämpft. Diese Freiheit sollte man nun nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.

Dr. iur. Gudrun Kugler promovierte im internationalen Strafrecht und hält Magisterien in Gender Studies sowie in Theologischen Studien zu Ehe und Familie. Sie arbeitet für die Beratungsagentur Kairos Consulting, unterrichtet am Internationalen Theologischen Institut und leitet die ÖVP-Frauen im 15. Wiener Gemeindebezirk.

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Gesetzlicher Mindestlohn: Ökonomischer Unverstand oder zynisches Kalkül? drucken

Nicht nur die Sozialdemokraten Europas haben erkannt, dass der Zeitgeist ein Genosse ist. Auch viele Konservative hecheln dem vermeintlich unumkehrbaren Trend hinterher und rücken immer weiter nach links. Kommt es zu Neugründungen politischer Parteien, handelt es sich – nahezu ausschließlich – um solche, die das Spektrum auf der Linken erweitern: „Piraten“ in Deutschland und Österreich, Beppe Grillos seltsamer Haufen in Italien oder die „Neos“ in Österreich (der eitle Versuch einer Reanimation des entschlafenen „LIF“ – unter Beteiligung von „Julis“ und einiger abtrünniger Grüner) sind aktuelle Beispiele. Die soeben bei Regionalwahlen erfolgreich aufgetretene Partei Frank Stronachs bildet eine, wenn auch derzeit nur schwer einzuschätzende, Ausnahme.

Vollmundig abgegebene Versprechungen, durch die Anwendung politischer Mittel (also staatlicher Gewalt) die Welt verbessern zu wollen, kennzeichnen die Handschrift der Linken. Die Behauptung, mittels eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns die materielle Lage der Arbeitnehmer verbessern zu können, ist bei den Sozialisten in allen Parteien folglich besonders populär. Selbst die deutschen „Liberalen“ meinen, auf diesen Zug aufspringen zu müssen (der marktorientierte Rebell Frank Schäffler findet sich mit seiner Kritik an diesem Eingriff in die Privatrechtsautonomie parteiintern völlig im Abseits).

Dass mit der Verheißung vermeintlicher Wohltaten Wahlen gewonnen werden können, ist indes erwiesen. Wer in einer wohl etablierten Prolokratie mit dem Schlachtruf „Freibier für alle“! hausieren geht, schneidet – angesichts einer von der Allmacht des Staates überzeugten Wählerschaft – besser ab, als jemand, der zur Nüchternheit rät. Der mittels Stimmzettels erfolgende Griff in fremder Leute Portemonnaie ist schließlich das wesensbestimmende Merkmal einer Demokratie mit allgemeinem, geheimen Wahlrecht.

Der aus allen Poren Edelmut ausdünstende US-Präsident trifft präzise den Nerv der Mehrheit seiner Landsleute, wenn er behauptet, dass ein Vollzeit arbeitender Amerikaner problemlos von seinem Lohn leben können müsse. Prompt leitet er daraus die Forderung nach einem Mindestlohn von neun Dollar je Arbeitsstunde ab. In Deutschland hat die SPD sich zeitgleich auf eine Mindestlohnforderung von achteinhalb Euro pro Arbeitsstunde festgelegt. Weshalb die für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der proletarischen Massen streitenden Linken nicht gleich 18 Dollar oder 17 Euro Stundengage fordern, liegt indes im Dunkeln – schließlich wäre das doch doppelt so „sozial“!

Die kuriose Vorstellung, Marktbedingungen per Dekret aus der Welt schaffen zu können, ist nicht neu. Allerdings ist auch die Erkenntnis nicht neu, dass keine Regierung über jenes Wissen verfügt, das erforderlich wäre, um zentral getroffene Entscheidungen, die Auswirkungen auf eine ganze Volkswirtschaft haben, in einer Weise treffen zu können, die keine ökonomisch nachteiligen Folgen nach sich zieht. Wie in aller Welt kann ein Politbüro sich daher anmaßen, den Preis einer Arbeitsstunde – ohne Ansehen der besonderen Lage des betroffenen Betriebes und der seiner Mitarbeiter – festlegen zu wollen, ohne dabei schweren Schaden für alle Betroffenen in Kauf zu nehmen?

Die empirische Evidenz spricht jedenfalls eine ebenso eindeutige Sprache wie die ökonomische Theorie: Wer einen Preis über seinem auf dem Markt realisierbaren Wert erzwingen will, bleibt auf seinem Angebot sitzen. Das gilt für Arbeitszeit nicht weniger als für Wein, Unterhosen oder Sportwagen. Eine Ideologisierung dieser Frage im Sinne von „Arbeitskraft ist keine Ware!“ führt zu nichts. Wasser fließt eben auch dann nicht bergauf, wenn man sich das noch so sehr wünscht.

Die Preisbildung ist ein hochkomplexer Prozess, hängt von einer Unzahl sich ständig ändernder Parameter (etwa den jederzeit veränderlichen Konsumentenpräferenzen) ab und ist daher, wie das Beispiel der untergegangenen sozialistischen Planwirtschaften eindrucksvoll belegt, selbst unter Einsatz modernster Computer unmöglich zentral planbar. Wenn einer das Gegenteil behauptet, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder um den Dorftrottel oder um einen Politiker.

Was ein über dem Marktniveau gesetzter Arbeitslohn bedeutet, kann am Vergleich der Jugendarbeitslosigkeit verschiedener Länder Europas studiert werden. Um es kurz zu machen: Je höher der Mindestlohn, desto höher die (Jugend-)Arbeitslosigkeit.

Der US-Ökonom Thomas Sowell („Der wahre Mindestlohn ist null – Arbeitslosigkeit“) hat sich der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Mindestlöhnen und Jugendarbeitslosigkeit gewidmet und kommt zum selben Ergebnis: Gesetzliche Mindestlöhne schaden denjenigen am meisten, zu deren vorgeblichem Nutzen sie eingeführt worden sind (http://www.twincities.com/opinion/ci_19922475 & http://harmful.cat-v.org/economics/minimum-wage/ ).

Dass ökonomische Grundsätze nicht durch politischen Willen außer Kraft gesetzt werden können (zum „Triumph des Willens“ kommt es nur in der Vorstellungswelt totalitärer Spinner), sollte daher auch den Dümmsten – ja sogar Gewerkschaftern – einleuchten. Tut es aber nicht, wie ihre unverdrossen gepflegten Mindestlohnphantasien zeigen, die sich in faktischen Arbeitsverboten für Minderqualifizierte manifestieren.

Die wahre Motivation für den Mindestlohn

Da man Mindestlohnbefürwortern wie Obama & Co. aber nicht einfach Ignoranz, Erkenntnisresistenz oder schiere Dummheit unterstellen sollte, muss also nach einem anderen Grund gesucht werden, weshalb sie nicht von dieser Torheit lassen wollen. Dieser besteht wohl in der planmäßigen Schaffung einer Klientel, die dauerhaft von der Wohlstandbürokratie abhängig, und nicht (mehr) imstande ist, sich aus eigener Kraft zu ernähren. Wenn es nämlich illegal wird, seine Arbeitskraft zu einem mit dem Dienstgeber frei vereinbarten Preis zu verkaufen, gibt es für diese Menschen zum Wohlfahrtsscheck keine Alternative mehr.

Die selbst erklärten Wohltäter spekulieren also in einer an Zynismus schwer zu übertreffenden Weise auf jene Vorteile, die sie aus dem von ihnen geschaffenen Elend der zur Dauerarbeitslosigkeit Verurteilten ziehen können. Profiteure dieser frivolen Politik sind eben nicht die werktätigen Massen sondern politische Klasse und Sozialbürokratie. Tausende unproduktive Politbonzen und Bürokraten (vorwiegend Angehörige der Mittelschicht) werden damit zu Parasiten – und glühenden Apologeten – des Wohlfahrtstaates.

Wie die Bilder sich gleichen: Schon Leo Trotzki erkannte, dass in einem Staat, der über alle Produktionsmittel gebietet, der Dissident zum langsamen Hungertod verurteilt ist. In unserer Wohlfahrtsprolokratie verhungert zwar (noch) keiner, seine aus dem Wunsch nach Selbstbestimmung resultierende Selbstachtung und Würde ist der zur Dauerarbeitslosigkeit Genötigte aber immerhin los.

Fazit: Gesetzliche Mindestlöhne führen zu struktureller Arbeitslosigkeit und steigern damit die Kosten des Sozialsystems. Zugleich wird die Zahl der Beitragszahler reduziert, was Steuererhöhungen und damit eine Verringerung der Unternehmensproduktivität nach sich zieht. Dies wieder senkt die Nachfrage nach Arbeit weiter. Eine klassische Interventionsspirale mit ausschließlich negativen Konsequenzen.

Der von nachfrageorientierten Ökonomen immer wieder strapazierte Kalauer, wonach man alles daran setzen müsse, um die Massenkaufkraft zu stärken – wodurch man „die Wirtschaft anzukurbeln“ gedenke, hält einer logischen Analyse nicht einmal auf den ersten Blick stand. Denn um das alles entscheidende Faktum ist nicht herumzukommen: Man kann eben nicht damit beginnen, einen Kuchen aufzuessen, ehe er gebacken ist. So einfach ist das. Aber wenn Sozialisten etwas vom Wirtschaften verstünden, wären sie ja schließlich keine…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wie Österreich arm gerechnet wird drucken

Immer mehr Armuts-Kennzahlen beschreiben ein und dieselbe Situation der etwa vier Prozent an „wirklich Armen“ in Österreich. Weil Journalisten wie Medien von den immer ähnlicher werdenden Kennzahlen überfordert sind, glaubt die Öffentlichkeit, jede einzelne für sich würde eine andere Armut beschreiben und ist schockiert. Die Mittelschicht fühlt sich von Armut und Abstieg bedroht. Das ist auch so gewollt.

Exemplarisch, wie mit Armuts-Kennzahlen Abstiegsangst geschürt wird, ist die der „Armutsgefährdeten“. So bezeichnet die EU seit dem Rat von Laeken (2001) alle, die weniger als 60 Prozent eines (jährlich aktualisierten) „äquivalisierten Haushaltseinkommens“ verdienen. Dieses Haushaltseinkommen besteht aus der Summe aller Erwerbseinkommen und Sozialleistungen eines Haushaltes. Wer bloß 40 Prozent weniger verdient als der Landesdurchschnitt (also 60 Prozent), wird schon als „armutsgefährdet“ angeführt. Auch wenn er in einer Eigentumswohnung lebt oder ein Ferienhaus in Ungarn besitzt.

Trend: Langfristig sinkend

EU-weit lag die Quote 2009 etwa bei 16% Prozent, am geringsten war sie mit 9 Prozent in Tschechien, am höchsten mit 22 Prozent in Rumänien.

In Österreich sank die Quote über die letzten 15 Jahre leicht aber stetig auf etwa 12 Prozent. Allerdings kommt man auf den Österreichwert von 12 Prozent nur, wenn man auch die kurzfristig Betroffenen mit einbezieht. Länger als ein Jahr sind in Österreich nur 6 Prozent der Bürger armutsgefährdet.

Auf Null wird der Wert wohl niemals sinken. Denn armutsgefährdet ist, wer 60 Prozent des Durchschnittes unterschreitet. Steigt der Durchschnitt aller hier Lebenden in einem Jahr um 2 Prozent real, die Einkommen der „Armutsgefährdeten“ aber nur um 1,5 Prozent, dann sind die Armutsgefährdeten zwar neben der Inflation um weitere 1,5 Prozent reicher geworden, ihr (relativer) Anteil an der Gesellschaft ist aber trotzdem gestiegen.

Arm mit 2.238 Euro netto monatlich?

Die meisten Österreicher setzen „armutsgefährdet“ mit arm gleich. Dabei kommt man auf die 12 Prozent nur, wenn man vierköpfige Familien dazuzählt, die knapp 2.238 Euro verdienen. Und die 2.238 Euro sind auch nur die reinen Geldleistungen, über die die Familie dann verfügt. Nicht gewertet – bzw. dazu kommen jetzt noch kostenlose Arzt- und Krankenhausbesuche, Medikamente, gratis Schule mit gratis Büchern oder eine günstige Gemeindewohnung.

Eine Familie, die heute aber in einer schön (en) (subventionierten) Gemeindewohnung lebt und über 2.200 Euro im Monat ausgeben kann, ist mit Sicherheit nicht arm. Natürlich kann es sein, dass die Familie einmal etwas sparen muss, wenn sie etwa gerade den Türkeiurlaub gebucht hat – aber das musste vor 20 Jahren ein Großteil der Bevölkerung.

„Inländer-Armut“ durch Caritas

„Rund eine Million Menschen in Österreich, das sind 12 Prozent der Bevölkerung, sind bereits arm oder gefährdet“, ließ die Caritas auf ihrer Homepage traurig wissen, als sie im Winter ihre „Inlandshilfekampagne“ startete.

Kein Wort davon, dass man auf 12 Prozent nur kommt, wer auch die kurzfristig Gefährdeten mitzählt (länger als ein Jahr sind es nur 6 Prozent). Der Trend steigt auch nicht (wie impliziert), er sinkt seit vielen Jahren. Und Inländer trifft dieses Schicksal überhaupt nur zu 10 Prozent. Für Afrikaner oder Araber liegt der Wert allerdings bei 57 Prozent, für Türken bei 46%, für Ex-Jugoslawen bei 15 Prozent.

Österreich ist ein Einwanderungsland, ohne Zuzug würde es über kurz oder lang aussterben, die Sozialsysteme würden kippen. Es hat mit dem Zuzug aber etwas Armut importiert. Das ist eigentlich auch nicht schlimm, denn in ihren Heimatländern ginge es den meisten Immigranten schlechter.

Außerdem sinkt die Armutsquote schon wenige Jahre (nach der Einbürgerung) auf 26 Prozent. (Indirekt) zu behaupten, die Armut wäre in Österreich ein Massenphänomen, und sie würde vor allem Inländer treffen, ist scheinheilig. Und die Absicht ist nur allzu durchsichtig: Man will die Angst des Bürgertums vor dem sozialen Abstieg schüren, um an mehr Spendengelder und Subventionen heranzukommen. Denn die aufgebaute Sozial-Industrie aus Tausenden Sozialarbeitern verschlingt immer größere Summen – Steuergeldes. Und die immer höheren Steuern für „Caritas und Co“ kürzen die Realeinkommen vor allem der Inländer.

Aus Öster-reich mach Öster-arm

Das Problem liegt in der Grenzziehung. Setzte man den Grenzwert etwa nicht bei 60 Prozent, sondern bei 50 Prozent an, so wären nicht mehr 12 Prozent der Bevölkerung (kurzfristig) armutsgefährdet, sondern nur mehr 6 Prozent. Ein noch geringerer Prozentsatz länger als ein Jahr (4 Prozent).

Die Menschen sind heillos überfordert: Für sie bedeutet „eine Million Armutsgefährdete“ eine „Million auf dem Niveau der Sahelzone vegetierende Österreicher“. Das lässt die Menschen vor Wut schäumen, wählen sie (und spenden sie) doch schon seit Jahrzehnten (an) jeden, der sich als „gerecht“ und „fair“ vermarktet. Und offensichtlich wird es trotzdem immer schlimmer!

Dabei sind die Österreicher keine Raunzer, wie man gern behauptet. Wer in seinen Staats- und Boulevard-Medien aber täglich hört, dass es in diesem System nur einer kleinen Minderheit an Reichen (Kapitalisten) auf Kosten einer immer stärker verarmenden Mehrheit besser ginge, der wird nun einmal immer zorniger und zorniger.

Die Situation ist heute höchst gefährlich. Das lässt Richard N. Coudenhove-Kalergis Buch „Judenhass von heute“ ahnen. Damals in den 1920ern, so der Onkel einer bekannten Journalistin, hätten die Rechten bald erkannt, dass sie den „Volkszorn in Form von allgemeinem Hass und Neid gegen die Reichen in einen besonderen Hass und Neid gegen die reichen Juden umlenken konnten“.

Und von den 1920er Jahren trennen uns nur noch (oberflächliche) Stabilität und Wohlstand.

Michael Hörl. Der Wirtschaftspädagoge und Betriebswirt ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Sein aktuelles Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt sich neben den Thesen Christian Felbers und der „inszenierten Armutsdiskussion“ mit der Wut-Berichterstattung von Arbeiterkammer und Co.

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Alte Krise: Immer neue Fehler – und zaghafte positive Signale drucken

Eigentlich hätte die Politik der Europäischen Zentralbank und der Euro-Staaten in den letzten zweieinhalb Jahren den Kurs des Euro hinuntertreiben müssen. Eigentlich gehen Anleger nicht gerne in eine Währung, wo die Zinsen fast extrem gering sind, und wo die Schulden raketenartig steigen. Eigentlich hätte ein solcherart ausgelöster Währungsverfall Griechen, Spaniern, Franzosen und vielen anderen helfen müssen, endlich wieder annähernd so viel zu exportieren, wie sie importieren.

Nur: Wo sollen Pensionsfonds, Anleger, Versicherungsgesellschaften denn sonst ihr Geld anlegen, wenn auch alle anderen großen Währungen unbegrenzt nachgedruckt und damit entwertet werden? In Japan, Großbritannien oder den USA ist das nämlich ebenso der Fall. Niedrige Zinsen allüberall. Da ist Europa, wo wenigstens noch Deutschland als stark gilt, noch ein akzeptabler Ankerplatz. Dadurch ist der Euro stark geblieben. Damit aber hilft auch die Niedrigzinspolitik der EZB den armen Südeuropäern nichts.

Nur eine Zahl, die zeigt, dass andere Währungsregionen mindestens genauso gemieden werden: Alleine im Vorjahr haben 60 große US-Firmen 127 Milliarden Euro im Ausland deponiert, statt sie ins Land fließen zu lassen. Das hängt mit Steuern ebenso wie mit der Währungspolitik zusammen.

Ein Kursverfall des Euro hätte die darbenden Länder des Südens mit Sicherheit wieder wettbewerbsfähiger gemacht. Ohne Kursverfall kommen sie aber noch viel schwerer aus der Krise heraus. Kein Wunder, dass das Münchner ifo-Institut die europäischen Rettungsversuche als "stümperhaft" abstempelt. Und immer wieder muss man festhalten, dass die Südländer die Krise mit einer eigenen Währung nie in diesem Ausmaß erlitten hätten.

Das Banken-Vertreibungsprogramm

Wechseln wir zum nächsten peinlichen Fehler: Schockierend falsch sind auch die europäischen Initiativen gegen die hohen Manager-Bezüge. Zwar ist deren Höhe für Normalsterbliche provozierend und unverständlich. Aber gerade aus jenen Betrieben, wo es diese hohen Bezüge gibt, hört man interessanterweise keine Proteste.

Denn die Aktionäre und Mitarbeiter wissen – oder sind zumindest davon überzeugt –, dass gute Spitzenmänner ganze Unternehmen retten können. Aktionäre und Mitarbeiter haben auch gesehen, dass in manchen globalen Konzernen in schlechten Jahren wie 2009 die Vorstandsmitglieder sogar ein Minuseinkommen hinzunehmen hatten (weil die Aktien, die sie als Boni erhalten hatten, und die in klugen Unternehmen meist erst viele Jahre später verkauft werden dürfen, dramatisch an Wert verloren haben).

Die meisten Europäer wissen das aber nicht. Denn die Medien schreiben ja nur über sehr hohe Manager-Gagen, nie über negative. Daher ist diese Anti-Managerbezüge-Kampagne auch sehr populär.

Sportler hui, Manager pfui

Die Kampagne und die diesbezüglichen Aktionen populistischer Abgeordneter wie Othmar Karas sind auch deshalb falsch, ja eigentlich skandalös, weil nur gegen die Bezüge der Manager, nicht aber gegen die oft noch höheren von Spitzensportlern und Promikünstlern vorgegangen wird. Denen will interessanterweise niemand an die Gage. Dabei sind ja auch Sportler-Verträge fast immer Bonus-orientiert, also erfolgsabhängig.

Es darf aber eigentlich nicht wahr sein, dass gegen jemanden, der tausende Arbeitsplätze rettet, von Politik und Medien hemmungslos gehetzt wird, dass aber niemand etwas über Fußballer sagt, die Riesenbeträge nur deshalb bekommen, weil sie ein paar Tore mehr schießen.

Hinter dieser Diskrepanz steht auch eine merkwürdige mediale Tatsache: Während Wirtschafts-Journalisten den Objekten ihrer Berichterstattung eher kritisch gegenüberstehen, fühlen sich Sport- und Kultur-Journalisten grundsätzlich als Sympathisanten der jeweiligen Szene. So werden von den Sportjournalisten weder die exorbitanten Gehälter kritisiert, noch werden beispielsweise die bisweiligen Antidoping-Initiativen geschätzt. Statt dessen verlangen sämtliche Sport- und Kulturredaktionen regelmäßig nach mehr Subventionen für ihre Schützlinge. Diese Journalisten glauben offenbar, dass sie durch ihre unkritische Haltung dem Sport beziehungsweise der Kultur helfen (und damit sich selber). Und die Politik tut ja fast immer ohnehin nur das, was die Medien wollen.

Manager sind derzeit jedenfalls Freiwild. Daher nimmt die Politik auch die schädlichen Folgen ihres Versuchs in Kauf, die Gehälter bei privatwirtschaftlichen Unternehmen zu reduzieren. Eine Folge ist mit Sicherheit die derzeit rasch wachsende Schwierigkeit, Spitzenkräfte für die europäische Wirtschaft zu engagieren. Eine weitere Folge sind die Überlegungen großer europäischer Firmen, ihren Firmensitz aus Europa hinaus zu verlegen.

Diese Überlegungen werden noch durch die parallel laufenden Pläne von elf EU-Ländern bestärkt, den Aktienhandel zu besteuern. Denn das wird natürlich Aktien von Unternehmen dieser Länder – weit über die Kosten der Finanztransaktionssteuern hinaus! – massiv entwerten.

Besonders schlimm ist es in Österreich, wo über die europäische Finanztransaktionssteuer und die Gehaltslimitierungsaktionen hinaus der Standort bereits durch nationale Aktionen schwer beschädigt worden ist: Hier wurde schon am Beginn der Regierung Faymann die Kursgewinnsteuer eingeführt; hier wurde gleichzeitig eine Bankensteuer dekretiert. Das heißt im Grund: Die Wiener Regierung arbeitet an einer Vertreibung von Banken aus Österreich. Statt dass alle Alarmglocken läuten, weil etwa die Bank Austria aus den genannten Gründen schon ohne viel Aufsehen wichtige Abteilungen aus Wien abgezogen hat, oder weil die Börsenumsätze in Wien dramatisch zurückgegangen sind, werden diese unangenehmen Konsequenzen der eigenen Handlungen einfach totgeschwiegen. Das ist Politik nach dem Motto „Kopf in den Sand“.

Griechenland: Wenigstens der Tourismus erholt sich

Und wo bleibt das Positive aus Europa? Um nicht ganz in Depressionen zu verfallen, seien erste zaghafte positive Signale aus Griechenland gleich festgehalten (wahrscheinlich über Gebühr): Eines davon ist der Tourismus in dieses sonnige Land. Er meldet für heuer um 20 Prozent bessere Buchungen. Das bedeutet zwar de facto nur, dass 2013 das Absacken der letzten Jahre überwunden werden könnte. Aber immerhin fällt auf, dass vor allem deutsche und österreichische Touristen nach einem dramatischen Ausbleiben wieder stärker bereit sind, nach Griechenland zu fahren (während es etwa bei den Briten gar kein Minus gegeben hatte).

Hauptursache der Besserung dürfte sein, dass seit Monaten keine Bilder von antideutschen Demonstrationen und Leitartikeln in die Wohnzimmer dieser beiden Länder übertragen worden sind. Das hat die Aversion – oder auch Ängste – der Touristen aus deutschsprachigen Ländern gegenüber einem Griechenland-Urlaub deutlich abflauen lassen. Freilich: Streiks der radikalen Gewerkschaften gibt es in dem Land nach wie vor jede Menge. Das könnte auch heuer so manches geplante Urlaubsvergnügen heftig beeinträchtigen. Aber wenigstens muss man nicht Angst um sein Leben haben, wenn man deutsch spricht. Und die Nichtstreikenden sind ja durchaus nette Menschen.

Die zweite positive Entwicklung können besonders intensive Optimisten aus den BIP-Zahlen herauslesen: Das griechische Bruttoinlandsprodukt ist nur um 5,7 Prozent gesunken, und nicht, wie prophezeit um 6 und mehr Prozent.

Der dritte Frühlingsvorbote könnte – könnte! – in der nun doch etwas härteren Regierungspolitik Athens bestehen. Die soeben wiederholten Beteuerungen des griechischen Finanzministers, dass eh alle Schulden zurückgezahlt würden, stoßen zwar auf mehr als natürliche Skepsis. Auch den Meldungen über angeblich härtere Steuerfahndungen durch die griechische Finanz will niemand mehr trauen. Denn ein neuer (interner) Bericht von EU und IWF sieht die Finanzämter des Landes nach wie vor als weder fähig noch willens, wirklich die geschätzten Steuern von rund 55 Milliarden einzutreiben. Es gebe sogar 130 griechische Steuerfahnder, die selbst Geld illegal ins Ausland geschafft haben!

Aber immerhin gibt es zum ersten Mal saftige Strafen für einige Korruptionisten. Sie wurden verhängt, nicht nur angedroht. Und immerhin gibt es in Griechenland in den letzten Monaten zum ersten Mal seit vielen Jahren einen Primärüberschuss. Das bedeutet: Griechenland nimmt derzeit mehr Steuern ein, als der Staat an Geld ausgibt – sofern man alle Ausgaben für Zins- und Rückzahlungen außer Acht lässt. In den letzten Jahren hat es hingegen immer auch ein massives Primärdefizit gegeben.

Bei aller Skepsis soll man daher die Hoffnung nicht ganz fahren lassen, dass sich irgendwann für die Griechen doch die vielen dürren Jahre gelohnt haben werden. Auch wenn die Hoffnung noch immer winzig klein ist.

Und auch in Spanien kann man bei verzweifelter Suche einen positiven Indikator vermelden: Die Lohnkosten pro Arbeitsstunde haben sich in einem Jahr um 3,1 Prozent reduziert. Ebenfalls ein winziger Schritt hin zu wieder mehr Wettbewerbsfähigkeit.

Die privaten Vermögen der armen Länder

Dennoch bleibt Tatsache, dass Griechen, Spanier & Co sich und uns diese dürren Jahre erspart hätten, wenn sie nie in den Euro-Raum gegangen, beziehungsweise gelassen worden wären. Es wäre übrigens auch noch immer besser gewesen, wenn man die Griechen (und in der Folge andere Länder) schon im Mai 2010 zu finanzieller Eigenverantwortung gezwungen hätte, statt sie damals und seither immer wieder zu „retten“. Die Eigenverantwortung ist ja auch Teil der europäischen Verträge.

Dass in Südeuropa Realität und politische Rhetorik noch immer weit auseinanderklaffen, beweist auch eine neue Untersuchung der deutschen Notenbank. Sie zeigt, dass die privaten Vermögen in manchen Krisenstaaten die von Ländern mit stabilen Finanzen übersteigen! Alleine in diesem Umstand steckt so viel Sprengkraft, dass man sich mehr als schwer tut, die wenigen positiven Entwicklungen sehr ernst zu nehmen. Aber nach den schweren Fehlern der europäischen Politik bleibt uns ohnedies keine Alternative mehr, als uns an diese paar Strohhalme zu klammern.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Freihandel geht nicht ohne Wandel drucken

Hunderttausende, ja Millionen neue Arbeitsplätze, tolle Exportchancen: Das bejubeln Ökonomen und Politiker auf drei Kontinenten. Für diese schöne neue Welt müsse man nur Freihandelszonen zwischen Europa und Japan, zwischen Europa und Amerika schaffen. Wer könnte da etwas dagegen haben?

Dass die Prognosen nie auf die Ziffer genau stimmen, ist egal. Aber dennoch besteht kein Zweifel: Für den Wohlstand, für die Arbeitsplätze, für die Konsumenten, für die Investoren sind Freihandelszonen exzellent. Je größer, desto besser.

Nüchterner Realismus lehrt freilich: Diese Projekte, wie sie etwa der US-Präsident unter großem Jubel angekündigt hat,  werden wohl nie Wirklichkeit werden. Sie werden genausowenig zustandekommen, wie die überhaupt größte, nämlich eine globale Freihandelszone zustandegekommen ist. Diese wunderbaren Ideen scheitern immer an der Summe der vielen Einzelinteressen, die in den Globalisierungsgegnern (Attac & Co) ideologisierte Hilfstruppen haben. Und die sich hinter einer chinesischen Mauer an Zöllen, Regulierungen, nichttarifären Hindernissen, Sicherheitsvorschriften und Genehmigungspflichten verschanzen.

So sehr die Allgemeinheit von globalem Freihandel profitieren würde, so sehr würden Einzelinteressen leiden. Der Vorteil von Freihandel liegt eben immer darin, dass die Produktion von Waren oder Dienstleistungen dort erfolgt, wo es billiger, besser, effizienter ist. Das heißt aber auch logisch zwingend, dass es Anbieter gibt, die teurer, schlechter, weniger effizient sind. Die sind daher durch Freihandelszonen bedroht. Sie setzen aber erfahrungsgemäß ihre Interessen bei der Politik am besten durch.

Die Liste der Bremser ist lang. Das sind die regionalen Platzhirschen, die im Wettbewerb chancenlos werden. Das sind auch die Arbeitnehmervertreter, die sich zwar sonntags gerne als Vertreter der Konsumenten geben, die aber montags bis freitags die durch Konkurrenz bedrohten Jobs rabiat verteidigen, auch wenn dies Konsumenten und Steuerzahler teuer kommt. Nichts ist ja leichter, als einem Konkurrenten etwa unfaires „Sozialdumping“ vorzuwerfen, gegen das man (auf Kosten der Allgemeinheit) geschützt werden müsse.

Selbstverständlich werden auch die Landwirte aller Länder jeden Freihandel bis aufs letzte bekämpfen. Denn dort wäre ja ihr undurchdringlicher Filz an Subventionen und Marktabschottungen bedroht, in dem sie jetzt sehr gut leben. Dabei wird auch jede Menge grüner Paniken instrumentalisiert, etwa die vor Hormonen und Genen.

Aber auch viele Industriebranchen werden im Kampf gegen echten Freihandel die einseitigen Belastungen in Europa beklagen. Durch weltweit einmalige ökologische Auflagen; durch die Kosten der weltweit komfortabelsten Wohlfahrts-Hängematten; durch Energiepreise, die dreimal so hoch sind wie in Amerika.

Wären diese Bremser nicht so stark, dann hätten wir ja längst schon einen globalen Freihandel. Und bräuchten nicht bloß von einem nordatlantischen zu träumen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 417: Zwischen Malta und Kärnten drucken

Malta hat seine Regierung abgewählt. Was hatte man sonst erwartet? Und der Inselstaat gleicht nicht nur diesbezüglich Kärnten.

Derzeit wird ja im EU-Raum jede Regierung abgewählt. Ganz besonders sicher ist diese Regel in allen südeuropäischen Schuldenländern. Daher auch in Malta (obwohl dieses so wie Frankreich, Italien und Spanien noch gar nicht um europäische Hilfe angesucht hat). Nichts liegt ja für eine Oppositionspartei näher, als zu versprechen, dass die unpopulären Sparnotwendigkeiten, also die Rechnungen für frühere Vergnügen, mit ihr geringer wären als unter der alten Regierung. Das ist natürlich immer eine Lüge, egal ob es um rechts oder links geht. Aber sie wirkt noch immer. Dies sieht man ja auch in Kärnten: Der neue SPÖ-Landeshauptmann will nun als erste Maßnahme  die Rückforderung von Pflegekosten bei den Angehörigen abschaffen, also die Pflicht der Angehörigen, etwas zu den Betreuungskosten der eigenen Eltern beizutragen (obwohl diese in der Regel fünf Jahre davor Haus und Sparbücher an die Kinder übertragen haben). Kärnten hat‘s ja offenbar, und kann daher locker weitere Wohltaten unters Volk zu streuen. Dabei war dieser Regress eines der ganz wenigen Dinge, welche die dortigen Freiheitlichen bei ihren sonstigen Geldverbrennungsaktionen ausgelassen haben. Lehre: Es geht immer noch verschwenderischer . . .

 

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Neuanstrich für eine kollabierende EU drucken

Den Zustand der EU nicht als Satire zu beschreiben, wird immer schwieriger. Denn Europas Entscheidungsträger streiten wie Bauherren eines Gebäudes über Farbnuancen des Anstrichs, während schon die Konstruktion kollabiert.

So stritt man monatelang um die Höhe von Manager-Boni, als ob es überhaupt Aufgabe der EU wäre, private Entlohnungen zu regeln. Damit vertreibt man nur die besten Experten aus Europa. Das beklagt der Bürgermeister Londons – also aus Europas wichtigstem Finanzplatz – durchaus zu Recht. Damit haben die regulierungswütigen EU-Parlamentarier einen weiteren Schritt gesetzt, der die Briten aus der Union jagt.

Zugleich will die EU von Banken und Versicherungen ständig etwas anderes: Höhere Eigenkapital-Quoten, damit diese konkurssicher werden? Oder Kredite für Wirtschaft und Staatsfinanzierung? Oder mehr Geld für die Staaten durch Banken- und Finanztransaktionssteuern? Was sie halt nicht versteht: Jedes einzelne dieser Ziele kommt den anderen beiden total in die Quere.

Bei der Finanztransaktionssteuer ist das Chaos besonders schlimm. Täglich zeigt sich mehr, dass populistische Forderungen in der Praxis nicht funktionieren. Die EU will ja allen Ernstes, dass – beispielsweise – die Voest jedes Mal Abgaben zahlen muss, wenn etwa eine Singapur-Bank in New York Voest-Aktien kauft. Kein Mensch weiß, woher die Voest das überhaupt erfahren sollte. Kein Mensch weiß, welcher Ausländer so dumm sein soll, dann noch in eine Aktie aus diesen elf Transaktionssteuer-Ländern zu investieren. Kein Mensch weiß, wie man Aktiengesellschaften dann davon abhalten will, ihren Hauptsitz in ein anderes, steuerfreies Land zu verlegen. Das geht nämlich durchaus, ist nur mit etlichen Anwaltskosten verbunden (die darauf spezialisierten Kanzleien freuen sich schon).

Während sich die Eurokraten in solche Projekte versteigen, bricht in den Mitgliedsstaaten die noch immer entscheidende Basis weg: nämlich die Regierungsfähigkeit. Das schockierende italienische Wahlergebnis ist da nur die Spitze des Eisbergs. Aber auch Frankreich muss schon bald nach Beginn des Jahres zugeben, dass es seine der EU gegebenen Sparverpflichtungen auch 2013 nicht halten kann; amerikanische Firmenchefs machen sich nur noch lustig über die Arbeitsmoral in Frankreich, wo Arbeiter höchstens drei Stunden pro Tag arbeiten würden; und Gutverdiener verlassen der Reihe nach das Land. Anderen Schuldenstaaten wie Portugal und Irland wird schon ein Aufschub ihrer Rückzahlungspflichten versprochen. In Slowenien tritt der Premier unter Korruptionsvorwürfen und nach heftigen Demonstrationen zurück. In Rumänien blockieren einander Premier und Präsident. In Bulgarien gibt es überhaupt keine Regierung mehr, sondern nur noch abstruse Forderungen der Straße, die auch die Ideen eines Beppe Grillo weit übertreffen. Usw.

Kann diese Konstruktion noch aufrechterhalten werden? Kann sie ein neuer Außenanstrich zusammenhalten? Die Zweifel wachsen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Und wir dürfen wieder zahlen drucken

Wunderbar: Ein Girokonto für jeden. Die EU-Kommission, Sozialminister Hundstorfer und die Grünen sind sich offenbar einig. Und die anderen Parteien werden bald folgen. Wer will denn schon als unsozial gelten.

In der Tat ist man heute von etlichen Vorgängen ausgeschlossen, wenn man kein Girokonto hat. Die EU will daher nun jedem Europäer sogar ein Grundrecht darauf einräumen.

Dabei ist schon die populistische Inflation von Grundrechten bedenklich: Damit werden nämlich die echten Grundrechte wie Meinungsfreiheit oder unabhängige Justiz zunehmend verwässert. Noch fragwürdiger ist, wer die EU-Kommission überhaupt beauftragt hat, sich nun auch um die Girokonten zu kümmern: Offenbar suchen die zahllosen linken Beamten, die den Brüsseler Apparat zunehmend unterwandert haben, ständig neue Felder für ihre Gesellschaftsveränderung.

Die größte Provokation ist aber der Wunsch der EU, dass die Konten für die neu Beglückten gratis sein sollten. Sie übersieht dabei ganz, dass keineswegs alle aus Armut kein Konto haben, sondern deshalb, weil etwa der Partner eh eines hat und man sich die Mühen und Gebühren sparen will. Auch brauchen weder Jugendliche noch Besachwalterte ein eigenes Konto.

Damit greift aber die EU durch einen scheinbar humanen Akt wieder einmal in unsere persönliche Taschen. Denn durch 30 Millionen neuer Konten (so viele sollen es laut EU sein) entstehen Hunderte Millionen Euro, wenn nicht Milliarden an Kosten. Und die müssen natürlich von uns allen getragen werden (auch wenn die EU über diesen Aspekt nobel schweigt). Als ob sich nicht jetzt schon jeder über die hohen Kontogebühren regelmäßig ärgert.

Damit wird den Hunderten schon vorhandener Umverteilungsmechanismen ein weiterer hinzugefügt. Von der ORF-Gebühr übers Telephon bis zu den Studiengebühren haben Gutmenschen einen längst undurchdringlichen Dschungel geschaffen, in denen ständig gewaltige Summen – weit über die offiziellen Daten hinaus – von den Leistungsträgern zu den Nichtleistenden umverteilt wird. Und die Gutmenschen werden in ihrer Gier niemals aufhören, immer weiterzumachen. Weil wir lassen uns ja alles gefallen. Und am Ende aus Zorn einen Grillo wählen.

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Informationspflicht: Die nächste Augenauswischerei drucken

Es wird wieder einmal ein österreichisches Begräbnis. Die nun plötzlich auch von der SPÖ versprochenen Informationspflichten der Verwaltung und Politik sind schon von ihrer Grundkonzeption her eine Farce. Und sie werden genauso wenig das versprochene Ziel erreichen wie viele Pseudoreformen dieser Regierung: Das Medientransparenzgesetz hat die Inseratenkorruption (insbesondere im Bereich der Gemeinde Wien) nicht beendet; die Schuldenabbau-Versprechungen werden niemals auch nur in die Nähe des angekündigten Nulldefizits führen; die Eurorettungsaktionen können nicht den Euro retten; die verwaschenen Schulschwänz-Gesetze werden das Schulschwänzen nicht reduzieren; die ORF-Reformgruppe des Medienstaatssekretärs bedeutet eine nahtlose Fortsetzung des täglichen ORF-Skandals; das sogenannte Demokratiepaket bringt nicht die dringend notwendige direkte Demokratie.

Das sind nur einige von vielen Beispielen, die zeigen, dass vor allem mit der SPÖ keinerlei sinnvolle Reformen möglich sind, sondern nur noch der gemeinsame Machterhalt von Rot und Schwarz. Die Summe der Regierungspolitik bedeutet eine Fülle von schlechten Kompromissen, wo es meist besser gewesen wäre, gar nichts zu ändern. Aber da haben sich halt alle gefürchtet, dass dann irgendwelche minderbemittelte Journalisten von Stillstand und Blockade reden.

Nur wenn man – im aktuellsten Beispiel – „Informationspflicht“ über ein Gesetz schreibt, bedeutet das noch nicht, dass damit die Bürger die wirklich relevanten Informationen von Verwaltung und Politik bekommen werden.

Dabei zeigen alle Studien und internationalen Vergleiche, dass nur wirklich volle Transparenz imstande wäre, die Korruption wirksam zu bekämpfen. Wir haben es hingegen mit skurrilen Anfütterungsregeln über die Bezahlung von Essensrechnungen versucht. Und sonst fallen uns halt immer nur strengere Strafen als erste und meist einzige Therapie ein, die aber nie etwas bessern.

Es ist jedenfalls absolut kein Zufall, dass jene Länder die weitaus geringste Korruption haben, in denen die weitaus strengsten Informationspflichten gelten. Das sind also jene Länder, in denen jeder – jeder! – staatliche Akt einem anfragenden Bürger gezeigt werden muss (wobei da meist eine Gebühr verlangt wird, um Missbräuche zu vermeiden). Skandinavien und Neuseeland liegen sowohl bei der Transparenz wie bei der Korruptionsvermeidung weltweit an der Spitze.

Aber ist es nicht positiv, dass Werner Faymanns Mann für Denken und Taktik, also der Staatssekretär Josef Ostermayer, nun ein Informationspflichtgesetz vorschlägt? Das wäre es schon, wenn das geplante Gesetz den Namen wert wäre. Denn Herr Ostermayer hat im gleichen Atemzug so viel Ausnahmen von der Informationspflicht verlangt, dass von dieser wirklich nur die Überschrift bleibt.

Anders formuliert: Die Bürger werden von den Regierungen in Bund und Land auch weiterhin nur das erfahren, was deren Propaganda-Apparate immer schon unter die Menschheit bringen wollten. Aber nicht das, was für Politiker oder Beamte unangenehm ist. Die Ausnahmen sind nämlich so weit formuliert, dass selbst juristische Analphabeten in der hintersten Amtsstube jederzeit begründen können, warum sie leider, leider doch nicht informieren können.

An der Spitze der von Ostermayer gewünschten Ausnahmen steht wieder einmal der Datenschutz. Jeder, der einmal bei Behörden zu recherchieren versucht hat, weiß, dass man dabei auch schon bisher fast immer auf den Datenschutz als Begründung für die Verweigerung von Auskünften gestoßen ist. Dabei war die Einführung des Datenschutzes einst nur eine Reaktion auf eine der Tausenden grünen Paniken. Anlass war damals, dass auch im öffentlichen Dienst (mit etlichen Jahren Verspätung) Personenregister nicht mehr händisch, sondern mit dem Computer geführt werden sollten. Die Grünen mit ihren engen Verbindungen zum damaligen Linksterrorismus haben damals natürlich gefürchtet, dass man dann Tätern leichter auf die Spur käme.

Aber auch die Sozialisten und Bürgerlichen waren schnell erregt, wenn sie irgendeinen Werbebrief mit einer computerverarbeiteten Adresse bekamen. Inzwischen erhalten wir alle weiterhin DVR-Briefe, ohne dass es aber noch jemanden stört (notfalls sind da halt slowakische Büros zum Adresshandel zwischengeschaltet).

Seither ist jedenfalls Faktum: Jede Verwaltungsbehörde verweigert mit der Begründung „Datenschutz!“ die Herausgabe irgendwelcher ihr unangenehmer „Daten“. Schließlich ist ja alles irgendwie in einem Computer gespeichert.

Solange der Datenschutz bei uns eine Heilige Kuh bleibt, wird sich daher weder an der Informations-Unfreiheit noch an der Korruption etwas ändern.

Ostermayer begnügt sich aber gar nicht mit der Universal-Keule „Datenschutz“, um jede echte Information zu verhindern. Er lässt gleich noch ein paar weitere wunderbare Ausreden ins Gesetz schreiben: Eine davon sind die „wirtschaftlichen Interessen einer Gebietskörperschaft“. Da jede Gebietskörperschaft nur durch Beamte oder Politiker handeln kann, ist auch da klar, wessen Taten und Schiebereien und Faulheiten geheim gehalten werden sollen. Und als dreifache Absicherung gegen jede Form von Transparenz will Ostermayer auch noch den Schutz von Geschäftsgeheimnissen verankern.

Warum pflanzt uns die Politik eigentlich ständig?

PS.: Ach ja, es soll laut Ostermayer auch noch ein „Informationsregister“ mit zahllosen Daten geben. Klingt gut? Es ist nur völlig unklar, was da anderes drinnen stehen soll, als längst schon auf gv.at zu finden ist. Außerdem hat gerade die jüngste Zeit gezeigt, wie es ein ideologischer Apparatschik an der Spitze der Statistik Austria schafft, dass politisch unkorrekte (oder sonstwie unerwünschte) Daten halt auch von der scheinbar wertneutralen Statistik unterdrückt werden. Andere werden hingegen extrem manipulativ aufbereitet, wie etwa die auch bei der Hundertsten Wiederholung falsche Behauptung, die Statistik Austria könne irgendwie (qualitativ und quantitativ) „gleiche“ Arbeit messen.

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Die Schule entscheidet unser Überleben drucken

Europa kann nur gut überleben, wenn es der Welt hochqualitative und intelligente Produkte oder Dienstleistungen anbietet. Nur dann können wir es uns leisten, weiterhin Autos, Computer, Benzin, Textilien, Lebensmittel und noch Tausend andere Dinge aus aller Welt zu importieren. Deshalb herrscht verbreiteter Konsens, dass Bildung, Forschung und Wissenschaft für die Zukunft der ganzen EU, aber auch jedes einzelnen Staates die entscheidende Herausforderung sind. Ist das aber auch richtig?

Dieser Konsens ist zwar im Prinzip richtig, jedoch absolut falsch, wenn damit auch die Forderung verbunden wird, noch mehr Geld in diesen Bereiche zu lenken. Die gebetsmühlenartig vorgebrachte Forderung nach noch mehr Geld klingt zwar aufs erste Hinhören plausibel, ist aber dennoch unrichtig. Nicht nur, weil Europa kein Geld hat. Darüber hinaus gibt es in den meisten EU-Staaten bei der absoluten oder relativen Höhe der Bildungsausgaben kein Problem. Sie sind längst schon sehr hoch, relativ wie absolut. Das Problem liegt im WIE, nicht im WIEVIEL. Wenn Geld falsch ausgegeben wird, dann hilft es nichts, es noch zu vermehren. Es schadet oft sogar mehr, als es nutzen könnte.

Die Forderungen nach noch mehr Geld kommen ganz zufällig fast immer von Personen, die davon durchaus persönlich profitieren würden, auch wenn sie es als „objektive“ Notwendigkeit formulieren. Von Universitätsprofessoren, von Leitern irgendwelcher „Forschungs“-Institute, von Unternehmen, die Forschungsgelder lukrieren.

Statt über noch mehr Geld, müsste aber sehr intensiv darüber nachgedacht werden, wie man das Geld am besten einsetzt, wo man die Hebel besser umlegt, wo man durch richtige Steuerung falsch verwendete Ausgaben streichen kann. Die Eckpfeiler einer besseren Bildungspolitik:

Autonomie und Vielfalt

Erstens und vor allem anderen brauchen wir viel mehr Autonomie und Vielfalt für Schulen und Universitäten. Bei den Schulen sind Autonomie und Vielfalt jedoch statt dessen in den letzten Jahrzehnten immer mehr eingeschränkt worden. Der Höhepunkt war der parteipolitische Trend zur zwangsweisen Einheitsschule (Gesamtschule); während Autonomie und Vielfalt bei den Universitäten immerhin erweitert worden sind. Freilich liegen die Zeiten noch gar nicht lange zurück, da Politiker bestimmt haben, wer Universitätsprofessor wird! Die verheerenden Spuren dieser langen Epoche sieht man noch heute an vielen Fakultäten. Bei den Schulen ist es noch schlimmer. Da ist ungebrochen und sogar mehr denn je die zentrale Planwirtschaft üblich. Jedoch sollte uns spätestens der Kommunismus gelehrt haben, dass Planwirtschaft immer an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen, also der „Märkte“ vorbeiproduziert. Genauso können heute zentrale Lehrpläne und Schulorganisationsgesetze niemals die Vielfalt von regionalen, intellektuellen, ethnischen und vor allem individuellen Bedürfnissen der Schulen gut und einheitlich regeln.

Dem Staat muss prinzipiell jedes Kind gleich viel Geld wert sein, egal ob es in eine staatliche, in eine religiöse oder sonstwie private Schule geht. Durchaus möglich ist aber, dass der Staat unter genau geregelten Bedingungen in bestimmten Fällen mehr zahlt: etwa wenn ein Kind benachteiligt ist (wenn es etwa aus bildungsfernen Familien kommt, wenn es behindert ist) oder wenn sich eine Schule auf eine teure und anspruchsvolle, aber von der Gesellschaft dringend benötigte Ausbildung konzentriert. Die gilt etwa für technische oder naturwissenschaftliche Schulen oder solche für Hochbegabte. Unter Umständen kann es auch mehr Geld für eine hochwertige künstlerische Spezialisierung oder eine wirklich zweisprachige Schule geben.

Auf Grund der gewwachsenen Traditionen der letzten Jahrhunderte wird sich der Staat in den meisten europäischen Ländern nicht so rasch aus dem Schulwesen zurückziehen können. Aber dennoch gibt es jetzt schon keinen Zweifel, dass Privatschulen bessere Antworten auf die Probleme unseres Bildungssystems sind als ein vom Beamtentum geprägtes Schulwesen.

Transparenz als staatliche Aufgabe

Eine andere Verpflichtung des Staates wird hingegen sogar zunehmen: Das ist die Herstellung von Transparenz und die Organisation externer Leistungsfeststellungen. Denn die globale Erfahrung zeigt, dass private Schulen und Universitäten einerseits die weltbesten sind, dass es bei ihnen aber auch bisweilen betrügerisches Herschenken von Abschlüssen gibt (insbesondere in Osteuropa). Diese Transparenz muss vor allem in der Veröffentlichung von seriösen staatlichen Rankings der verschiedensten Art bestehen. Nur so können sich Schüler und Eltern bei der Schulwahl orientieren. Nur so wird aber auch Druck auf uninteressierte Lehrer hergestellt und auf solche, die Noten und Zeugnisse aus pseudosozialen Motiven herschenken (Typische Antwort: Man wolle den Kindern nicht schaden). Bei dieser Transparenz können und sollen aber sehr wohl – zusätzlich – auch Spezialisierungen oder soziale Benachteiligungen intensiv berücksichtigt und klargemacht werden.

Jede Schulreform kann nur dann bessere Ergebnisse bringen, wenn sie wieder die Erbringung von Leistung forciert – zumindest ohne Hindernisse ermöglicht; wenn sie die Rechte und Pflichten von Eltern, Direktoren und Lehrern erhöht; und wenn sie Politik, Verwaltung und Justiz wieder weitestgehend aus Schulen hinausdrängt.

Schulen müssen auch ohne schlechtes Gewissen die Möglichkeit bekommen, Schüler sitzenbleiben zu lassen. Es gibt immer mehr Indizien, dass eine Klassenwiederholung von den Betroffenen sehr häufig auch als Chance und als Möglichkeit wahrgenommen wird, sich von einer Überforderung zu befreien. Und jedenfalls führt diese Möglichkeit auch dazu, dass Leistung im Klassenzimmer wieder etwas ernster genommen wird.

Inklusion: der große Fehlschlag

Die in den letzten Jahren modisch gewesene Inklusion hat sich in weiten Bereichen als Fehlschlag erwiesen. Während die Integration körperlich behinderter Kinder durchaus weiter vorangetrieben werden soll, soweit es technisch und organisatorisch halbwegs machbar ist, darf es keiner Schule, keiner Klasse mehr aufgezwungen werden, auch geistig behinderte oder das Gemeinschaftsleben aggressiv störende Schüler aufzunehmen.

Die in Österreich neuerdings forcierte Idee einer Änderung der Schupflicht hat viel für sich: Ihr zufolge sollen Kinder bis zur Erreichung des Schulziels in die Schule gehen und nicht, bis sie eine bestimmte Anzahl von Jahren abgesessen haben. Das gibt Zuwanderern viel bessere Chancen, ebenso wie das ein Deutschlernjahr (oder vielleicht auch: Englischlernjahr) VOR dem Besuch des normalen Unterrichts tut.

Sinnvoll ist auch der Vorschlag, dass Maturanten binnen eines Jahres einen Lehrabschluss machen können. Denn die Matura selbst hat ja am Arbeitsmarkt kaum mehr einen Wert. Zugleich überfordern viele ernsthafte (also über Politologie, Publizistik oder Geschichte nach Art der Wiener Uni hinausgehende) Studienrichtungen so manche junge Menschen. Trotzdem könnten diese in Gewerbe oder Industrie eine brillante Karriere machen und mehr verdienen als Akademiker.

Dringend wäre es, aus allen OECD- oder EU-Überlegungen das zuletzt politisch so modische Denken in Akademikerquoten zu eliminieren. Die südeuropäischen Arbeitsmärkte zeigen, dass ein akademischer Abschluss trotz seiner hohen Kosten für Familien und Staat den jungen Menschen überhaupt nichts hilft.

Dafür sieht man derzeit europaweit eine sensationell hohe Anerkennung des österreichisch/deutschen/Schweizer Systems der Lehre und der berufsbildenden Schulen. Dabei ist klar, dass dieses System nur auf einer guten und anspruchsvollen Pflichtschule, wie sie in weiten Gegenden Österreichs lange die Hauptschule gewesen ist, aufbauend funktionieren kann. In einem Einheitsschulmodell wählen nämlich viel weniger Jugendliche dieses „duale System“ (also betriebliche Lehre plus Berufsschule). Denn entweder werden dort die künftigen Maturanten noch viel schlechter ausgebildet oder die anderen statt auf eine lebensnahe Ausbildung auf eine solche in Richtung theoretischer und geisteswissenschaftlicher Fächer hin umorientiert. Dann gilt jeder, der dann in die Lehre wechselt, als Versager.

Schulerhalter und Leiter brauchen die Freiheit, sich mit ihrer Schule nach guten und erfolgreichen ausländischen Beispielen zu orientieren, wie es etwa das bayrische System mit seinen leistungsorientierten und oft strengen Schulen ist. Der Vorsprung solcher Schulen zeigt sich vor allem im Vergleich zu jenen Schulsystemen, wo Bildung mit Sozialpolitik verwechselt wird, und wo daher eine allgemeine Nivellierung nach unten stattfindet. Diese nivellierenden Schulen (Gesamtschulen) sind dabei zumindest in der österreichischen Version noch dazu besonders teuer.

Selektion muss wieder möglich sein

Eine Selektion durch jede Schule, jeden Schultyp ist etwas Gutes. Denn, so der führende Pädagogikprofessor an der Wiener Uni, Stefan Hopmann: „Wenn sich ein Lehrer auf den Durchschnitt konzentriert, würden beide zu kurz kommen: die besonders guten wie die schwachen Schüler.“ Auf Grund von finanziellen Anreizen wird es hingegen in einem differenzierten und selektiven System auch viele Schulen geben, die sich ganz – und erfolgreich – auf schwächere Schüler konzentrieren.

Besonderes Augenmerk brauchen Kindergarten und Volksschule. Denn bei der Erziehung werden die allermeisten Fehler in diesen Lebensjahren gemacht. Schon mit dem vierten Lebensjahr sind für Kinder so viele lebenswichtige Weichen gestellt, dass später kaum mehr ein Umlenken möglich ist. Daher kann und soll man durchaus die Kindergartenpflicht für jene nach vorne verschieben, wo das Elternhaus unfähig oder unwillig ist, die intellektuellen oder sprachlichen Fähigkeiten seiner Sprösslinge gut zu entwickeln.

Umgekehrt muss auch die Wirtschaft begreifen, dass möglichst viel freie Eltern-Kinder-Zeit vor allem bei gut gebildeten Müttern die beste Investition für die Zukunft ist. Jedes Drängen auf Mütter, möglich rasch wieder zu arbeiten, ist extrem kurzsichtig. Auch wenn dadurch kurzfristig wertvolle Arbeitskräfte gewonnen würden.

Die finanziellen Rahmenbedingungen der Schulen müssen so sein, dass sie um dieses Geld auch ausreichend nichtpädagogisches Hilfspersonal beschäftigen können. Denn Lehrer sind weder Sekretärinnen noch Portiere noch Reinigungspersonal noch Kriseninterventionszentren.

Die Schulen müssen auch das Recht bekommen, gegen drogenkonsumierende Schüler vorzugehen, etwa auch durch Haartests und Schulverweise.

Juristen haben in der Schule nichts verloren

Zumindest die nichtstaatlichen Schulen müssen sich künftig der lähmenden Einmischung juristischer Instanzen entziehen können. Wenn jedes Zeugnis durch gefinkelte Juristen als Bescheid beeinsprucht werden kann, zertrümmert das die entscheidende Autorität der Lehrer.

Der derzeit politisch modische Streit um Kompetenz versus Wissen ist absurd. Es kann keine Kompetenz ohne breites Faktenwissen geben. Jedes bloße Faktenwissen ist umgekehrt sinnlos, wenn es nicht in Zusammenhänge eingeordnet werden kann, oder wenn man es nicht in einem verständlichen Aufsatz mit Hand, Fuß und rotem Faden darstellen kann. Es braucht also unbedingt beides.

Kaum intelligenter ist der lautstarke Konflikt Bildung versus Ausbildung. Natürlich muss Schule immer auch das wirkliche Leben und die dort benötigten Kenntnisse ganz stark im Auge haben. Schulabsolventen aus dem Wolkenkuckucksheim vollgestopft mit ethischen Sprüchen braucht niemand, sie werden auch selbst immer unglücklich sein. Umgekehrt braucht jede Ausbildung auch einen möglichst breiten Allgemeinbildungs-Zusammenhang, um wirklich flexibel eingesetzt zu werden. Selbst der beste Ausbildner weiß ja nicht, was in zehn oder zwanzig Jahren an bloßer Ausbildung verlangt wird. Und eine breite Allgemeinbildung ist auch für die Schüler selbst das wichtigste Geschenk ihrer Schuljahre. An dieser Tatsache ändert sich auch dadurch nichts, dass es logischerweise immer Debatten über den Kanon, den Inhalt der unverzichtbaren Allgemeinbildung geben wird und muss.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Unbeliebte Energieeffizienz drucken

Ein heftiges Tauziehen findet derzeit darüber statt, wie künftig in Österreich Energie gespart werden soll. Es geht um das heimische Energieeffizienzgesetz, das langsam und bedächtig auf Schiene gebracht wird. Die Begutachtungsfrist ist zu Ende, mehr als 70 Stellungsnahmen wurden eingebracht, aber es gibt nach wie vor große Unstimmigkeiten, wer denn nun die Sparziele exekutieren soll. Bereits im Juni 2012 einigte sich die EU auf eine neue Eneregieeffizienz-Richtlinie, in der ein jährliches Einsparziel von 1,5 Prozent festgelegt wurde. Danach hat ein wildes Politgezerre stattgefunden, bei dem sich Österreich besonders hervorgetan hat. Österreichs Vertreter versuchten den Richtlinientext so weit zu verbiegen, dass Österreich möglichst wenig hätte machen müssen. Österreich versuchte herauszuschinden, dass alle Maßnahmen seit dem Jahr 2000  zur Zielerfüllung angerechnet werden dürfen, man einigte sich auf 2008.

Das heißt, dass zwar grundsätzlich 1,5 Prozent beim Energieverbrauch eingespart werden sollen – was allerdings eine theoretische Größe ist, da bereits getroffene Einsparungen (25 Prozent als „early actions") abgezogen werden können.Dadurch liegt der Zielwert nur mehr bei 1,1 Prozent. Insgesamt geht es bis 2020 um 200 Petajoule, die durch Effizienzmaßnahmen eingespart werden sollen, durch die erneuerbaren Energiequellen soll der Saldo nur um 70 PJ verbessert werden. Allein daraus ist schon zu erkennen, dass Effizienzmaßnahmen überaus wichtig wären, aber durch zu viele Lobbys nicht durchführbar sind; das Geld fließt meist in Richtung Erneuerbare.

Große Meinungsverschiedenheiten gibt es darüber, wie im Strombereich eingespart werden soll. Der Ministeriumsentwurf sieht vor, dass dafür die Energieversorger zuständig sein sollen, was nicht nur bei den Stromkonzernen auf gehörigen Widerstand stößt: Auch die Kontrollbehörde E-Control kann diesem Plan nichts abgewinnen. Es wäre weit sinnvoller, wenn die Netzbetreiber für die Maßnahmen der Energieeffizienz zuständig wären, wird betont. Im Ministerium ist man der Ansicht, dass die Stromlieferanten die Sparmaßnahmen breitflächiger anlegen könnten.

Ein großer Beschwerdepunkt ist auch immer der Verkehrsbereich, der mehr oder weniger ausgeklammert bleibt, meinen Kritiker. Der zuständige Sektionschef im Wirtschaftsministerium Christian Schönbauer sieht dies gar nicht so. Auch der Verkehrsbereich habe das 1,5 Prozent-Einsparungsziel zu erreichen. Wer dafür zuständig sein soll ist allerdings nebulös. Laut Schönbauer wäre das der Handel. Kleine Tankstellen sollen allerdings nicht betroffen sein.

Wie das in der Praxis funktionieren soll ist aber weitgehend unklar. Als Basis für die Zielerreichung wird der jeweilige Sektor herangezogen. Betrachtet wird dabei die Periode 2011 bis 2013, aus der ein Durchschnitt errechnet wird. Wird das Ziel nicht erreicht, müssen im darauf folgenden Jahr die einzelnen Firmen selbst nachweisen, dass die Vorgabe doch erreicht wurde. Kontrollieren soll das alles eine Monitoringstelle bei der E-Control, wo dann auch eventuelle Strafzahlungen festgelegt werden. Die Gefahr, dass dabei ein administrativer Moloch entsteht ist allerdings groß. Sogar die E-Control selbst ist nicht sehr glücklich, dass sie dafür zuständig sein soll.

Das umstrittene Bundes-Energieeffizienzgesetz könnte in der zweiten März-Hälfte in den Ministerrat kommen und anschließend als Regierungsvorlage ins Parlament. Rasche Beratungen auf parlamentarischer Ebene vorausgesetzt müsste das Paket Anfang Juli in den Nationalrat, um noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden zu können. „Das halten wir für realistisch, aber noch nicht für gegessen", sagt man im Ministerium. Das Gesetz benötigt eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also die Zustimmung zumindest einer Oppositionspartei.

Verbund-Chef Anzengruber plädiert dafür, dass Österreich sein neues Energieeffizienzgesetz politisch und inhaltlich „mit Deutschland synchronisiert", also erst nach der Nationalrats- bzw. der Bundestagswahl verwirklicht. Dass dieses Gesetz, so wie der Entwurf aussehe, noch in dieser Regierungsperiode das Parlament passiert, glaubt er nicht.

Das Ziel, die Energieeffizienz bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu steigern, dürfte die EU sowieso verfehlen. Derzeit liegen die Prognosen für 2020 bei 10 bis 15 Prozent, und selbst bei Umsetzung der Effizienz-Richtlinie sind es nur cirka 17 bis 18 Prozent.

Bereits bis 30. April muss Österreich der EU-Kommission den indikativen heimischen Zielwert für die Entwicklung bis 2020 übermitteln. Bis 5. Dezember ist dann die Festlegung der 1,5-prozentigen Einsparverpflichtung fällig. Zeit für die Umsetzung der (seit Dezember 2012 in Kraft befindlichen) EU-Richtlinie in nationales Recht ist bis 5. Juni 2014.

Aber vielleicht könnte man sich allzu große Anstrengungen überhaupt ersparen, wenn alle bereits existierenden und geplanten Maßnahmen voll ausgeschöpft und angerechnet werden. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat vor wenigen Tagen eine Studie zur Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie veröffentlicht. Die Studie zeigt: Werden alle bestehenden und geplanten politischen Maßnahmen, die in Deutschland zu Energieeinsparungen führen, genutzt und konsequent fortgesetzt, so kann Deutschland das in der Richtlinie festgesetzte Ziel zur Einsparung beim Endenergieabsatz für die Jahre 2014 bis 2020 einhalten und sogar übererfüllen. Also wozu die ganze Aufregung?

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Alea iacta est – Südtiroler SVP mit blauem Auge davongekommen drucken

Für die Südtiroler Volkspartei (SVP), die den von Italien 1918 annektierten Teil des alten Habsburgerkronlands seit 1945 ununterbrochen mit absoluten Mehrheiten regiert, waren Elogen auf den „Duce“ – wie sie Michaela Biancofiore, die Bozener Statthalterin Silvio Berlusconis, und auch er selbst vor den italienischen Parlamentswahlen anstimmten – stets von Vorteil. Das stärkte ebenso wie kalte Winde aus dem römischen Süden den Zusammenhalt zwischen Brenner und Salurner Klause. So auch diesmal, die überraschenden und jedwede demoskopischen Vorwahlfühlungnahmen Lügen strafenden Ergebnisse der italienischen Wahlen in Südtirol waren vor allem für die Politiker der italienischen Rechten ernüchternd.

Die Minniti-, Urzí-, Seppi- und Holzmann-Klüngel-Klientel von „Fratelli d’Italia“, „Alto Adige nel cuore“, „Unitalia“ und anderen aus dem „Movimento Sociale Italiano“ (MSI) sowie der „Alleanza Nazionale“ (AN) hervorgegangenen Splittergruppen der „Kampfzone Alto Adige“ – wo der „schwarze“ Bodensatz des (Neo-)Faschismus nicht auf Wahlkampfzeiten beschränkt bleibt, sondern auch im politischen Alltag stets ausgeprägt in Erscheinung tritt – hatten ebenso das Nachsehen wie die „interethnischen“ Grünen. An ihrer Statt erzielte, wie in ganz Italien, wo ihr jeder vierte Wähler erlag, auch unter den ethnischen Italienern Südtirols die Klamauk-Bewegung der „Grillini“ des Komikers Beppe Grillo (mit gut acht Prozent der Stimmen) auf Anhieb einen achtbaren Erfolg.

Umfragen besagten, dass die SVP bei den Parlamentswahlen bis auf 32 Prozent abstürzen und damit keinen Abgeordneten mehr in die Kammer entsenden könnte, denn dafür waren mindestens 40 Prozent notwendig. Nun hat sie, was einem „Wunder an Eisack und Etsch“ gleichkommt, diese mit 44,2 Stimmenprozenten nicht nur überwunden, sondern auch ihre drei Kammerkandidaten Albrecht Plangger, Daniel Alfreider – er gehört der ladinischen Minderheit an – und Renate Gebhard (allesamt Neulinge) durchgebracht. Und sie kann mit Hans Berger, Karl Zeller und dem gemeinsam mit dem linken Partito Democratico (PD) im Wahlkreis Bozen-Unterland aufgestellten Parteilosen Francesco Palermo, einem ethnischen Italiener, sogar drei Senatoren nach Rom entsenden.

Dieses Ergebnis verdankt die „Sammelpartei“ – die längst nicht mehr die Anhänger der Landeseinheit hinter sich versammelt, sich mit dem Südtirol aufgezwungenen Italianitá-Korsett abgefunden und mit den römischen Umtrieben arrangiert zu haben scheint – ihrem angstmacherisch-flehentlichen Wahlslogan: „Achtung! Autonomie in Gefahr – Autonomie schützen wählen!“ Mit diesem Slogan vermochte sie ihre Anhänger noch einmal zu mobilisieren.

Die SVP ist also diesmal mit dem sprichwörtlichen „blauen Auge“ davongekommen. Denn die Freiheitlichen, die von Ulli Mair und Pius Leitner – einst ein SVP-Mann – geführte stärkste Oppositionspartei rechts von ihr, erzielte 16 Prozent der Stimmen, hat damit ihr voriges Kammerwahl-Ergebnis nahezu verdoppelt und gegenüber der Landtagswahl 2008 noch einmal um 1,2 Prozentpunkte zugelegt, womit sie sich, als zweitstärkste Partei Südtirols, weiter im Aufwind befindet. Das lässt sie für die im Herbst stattfindende Landtagswahl hoffen, die politische Macht der noch über die absolute Mehrheit (der Sitze) im Bozener Landhaus verfügenden SVP zu brechen: Leitner spricht schon von „großer Abrechnung“.

Wenig Vorhersagekraft für Landtagswahl im Herbst

Indes feiert die SVP  ihren (Pyrrhus-?)Sieg auf dünnem Eis. Denn bei  Parlamentswahlen zünden Geschlossenheitsparolen – der „Feind“ im Süden, der kalte Wind aus Rom – noch immer. In der Landtagswahl am 27. Oktober zählt dies weniger. Dann dürften die Defizite der SVP, vor allem die personellen, zum Tragen kommen: Sie ist ausgelaugt, führungsschwach, von Flügelkämpfen durchgeschüttelt und durch Skandale angeschlagen.

Derlei hatte es unter Silvius Magnago, dem „Vater der Autonomie“, nie gegeben. Die Betrugsaffäre rund um die Landesenergiegesellschaft SEL belastet Landeshauptmann Luis Durnwalder, den mächtigsten Mann in der Partei, ohne den in der Südtiroler Politik seit 1989 nichts läuft. Durnwalder ist auch wegen ziemlich freihändiger Griffe in üppige Sonderfonds im Visier der Staatsanwaltschaft. Er will mit Ende der Legislaturperiode abtreten. Die Parteibasis soll demnächst auch mit Blick auf die Neuwahl des Landtags im Herbst einen Nachfolger bestimmen.

All das und anderes mehr hat das Vertrauen in die Sammelpartei der Deutsch(süd)tiroler und Ladiner demoskopisch messbar erschüttert. Schließlich weigert sich die SVP, über politische Alternativen zur angeblich „weltbesten Autonomie“ auch nur nachzudenken. Sie fühlt sich nach dem Wahlergebnis vom vergangenen Wochenende darin geradezu bestärkt. Trotz deren von Rom aus betriebener Aushöhlung propagiert sie deren Ausbau zur „Vollautonomie“. Von Silvio Berlusconi über Mario Monti bis zum Ex-Kommunisten Pierluigi Bersani ist stets die Rede davon, den Provinzen und Regionen mit Sonderstatut  (Autonomie-)„Privilegien“ zu nehmen.

Und ihr Neu-Senator Palermo, den sich Parteichef Richard Theiner aufgrund seines – in der SVP umstrittenen – Wahlabkommens mit Bersanis PD quasi wie eine Laus in den Pelz setzen ließ, bekundete, die Südtirol-Autonomie sei vom „ethnischen Ballast zu befreien“. Solche Aussagen müssten eigentlich alle Warnlampen aufleuchten lassen. So wie es schon davor Montis unsägliche Einlassung getan haben sollte, wonach es sich hinsichtlich der Südtirol-Autonomie „um eine rein inneritalienische Angelegenheit“ handle. Weit gefehlt.

Stattdessen ignoriert die SVP, dass Rom nicht nur seine vertraglich verbrieften Verpflichtungen gegenüber Südtirol nicht einhält, sie nimmt offenbar auch ungerührt zur Kenntnis, dass Italien – wie die gesamte „Südschiene“ – zu den Fußkranken Europas gehört. Und Südtirol ist mit Italien selbst Teil dieses Pilzbefalls.

Schließlich: Wer 1915 die Seite wechselte, 1943 zu den Alliierten überlief – stets aus „sacro egoismo“ – auf den ist kein Verlass. Wie es in Italien politisch weitergeht, steht noch nicht fest, gleichwohl weiß man’s. Für Südtirol gilt indes für diesmal: „Alea iacta est“. Die Würfel sind gefallen. Doch das „Los von Rom“ wird stärker, folglich werden die Befürworter von Selbstbestimmungsrecht, Freistaats- oder Wiedervereinigungsidee wohl weiter Zulauf erhalten.

Herrolt vom Odenwald ist deutsch-österreichischer Historiker und Journalist

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Wozu braucht Linz eine Medizin-Uni? drucken

Oberösterreich will eine eigene Medizinische Universität (oder Fakultät). Da hierzulande ja fast immer das geschieht, was die Bundesländer wollen, kann man fast wetten, dass noch vor den Nationalratswahlen ein diesbezüglicher Beschluss fallen wird. Allen Sparversprechen zum Trotz.

Lediglich Wissenschaftsminister Töchterle stellt sich noch tapfer gegen diese Forderung. Aber da er ja nur ein sympathischer Intellektueller und kein politisches Schwergewicht ist, wird sein Widerstand bald weggeblasen werden.

Inzwischen haben hingegen schon alle aus Oberösterreich stammenden Minister im Interesse ihres politischen Überlebens stramm und öffentlich die Forderung nach einer Linzer Medizin-Uni unterstützt, richtiger: unterstützen müssen. Darunter auch der Gesundheitsminister, der es besser wissen müsste; und – besonders beschämend – die Finanzministerin. Das ist genau jene Frau, die eigentlich unser Geld zusammenhalten sollte. Sie stellt sich so wie ihre ministerialen Landsleute lautstark hinter das Verlangen nach einer neuen Geldausgabe, während der eigentlich zuständige Wissenschaftsminister skeptisch den Kopf wiegt.

Er hebt sich damit positiv von seinem Vorgänger Erhard Busek ab, der einst Krems eine eigene Universität zugestanden hat. Von dieser weiß aber bis heute niemand so richtig, wer sie eigentlich braucht außer den Druckereien, die schöne Hochglanzprospekte drucken. Ja, und natürlich hatte sie auch der niederösterreichische Landeshauptmann gebraucht, der dem - damals - schwarzen Krems etwas zukommen lassen wollte, nachdem das rote St. Pölten die Landeshauptstadt bekommen hatte (die selbst wieder ein eigenes Kapitel an Steuergeldverschwendung ist).

Aber ist nicht in der Tat die oberösterreichische Argumentation zwingend, dass es bald keine Landärzte mehr geben wird, wenn es nicht neue Medizin-Ausbildungsplätze gibt? Dass das besonders in einem so großen Flächenbundesland wie Oberösterreich problematisch werden wird?

Nein, diese Argumentation ist nicht zwingend. Zwar wird es in der Tat zunehmend schwieriger, Ärzte für Ordinationen draußen im Mühlviertel oder in anderen abgelegenen Gegenden zu finden. Zwar ist in der Tat die (aus sachlichen Gründen unumgängliche) Limitierung bei der Zulassung zum Medizinstudium für viele junge Möchtegern-Mediziner eine menschliche Katastrophe, werden sie doch vom ersehnten Arztberuf abgehalten. Worauf sie dann mit dem völlig überlaufenen Biologie-Studium Vorlieb nehmen.

Dennoch liegt das Problem nicht an der Limitierung der Ausbildungsplätze. Das zentrale Problem ist die schlechte Bezahlung vieler Ärzte. Oder umgekehrt: die viel bessere Bezahlung für junge Ärzte in etlichen anderen europäischen Ländern, insbesondere in Deutschland. Dort wird besonders gut bezahlt, denn dort besteht jetzt schon ein wirklicher Ärztemangel. Wenn alleine beim großen Nachbarn schon zweitausend österreichische Ärzte arbeiten – mit jährlichen Zuwachsraten von zehn Prozent! – dann sollte sich niemand wundern, dass es schwer geworden ist, Ärzte für Kassenordinationen im Mühlviertel zu finden. Die wird man aber auch dann nicht finden, wenn man noch ein paar weitere Medizin-Universitäten baut.

Zwischen Österreich und Deutschland besteht ja sogar eine doppelte Schmarotzersituation. Zum einen wandern so viele österreichische Jungmediziner hinaus. Und zum anderen bildet Österreich zugleich um teures Geld zahlreiche junge Deutsche zu Ärzten aus, die dann ebenfalls fast alle in ihr Heimatland zurückgehen. Auf Grund der rätselhaften Judikatur des EU-Gerichtshofs können sie nämlich in Österreich ohne Rücksicht auf den daheim geltenden Numerus clausus studieren. Es ist juristisch nicht einmal sicher, ob wenigstens die österreichische Notbremse letztendlich halten wird, die zumindest 75 Prozent der Studienplätze für einheimische Studenten reserviert. Dabei ist ein Medizinstudium (hinter den pikanterweise vor allem von Ostasiaten konsumierten Kunststudien) eines der teuersten. Aber das kümmert ja den EuGH nicht.

Daher sähe die logische Lösung ganz anders aus, als oberösterreichische Politiker sie sich vorstellen: Österreichs Gesundheitssystem müsste dafür sorgen, dass jeder Medizinabsolvent umgehend einen guten Turnus- oder Ausbildungsplatz in einem Spital bekommt. Österreich müsste um einen Bruchteil des Geldes, das eine Medizin-Uni kostet, die Kassenärzte besser honorieren und die jungen Spitalsärzte besser entlohnen. Solange aber jeder Installateur für einen Hausbesuch um ein Vielfaches besser entlohnt wird als ein Kassenarzt, wird die Malaise die gleiche bleiben. Solange junge Spitalsärzte mit unzähligen Überstunden auch jene unqualifizierten Arbeiten machen müssen, für die sich Krankenschwestern auf Grund der Stärke ihrer Gewerkschaft in öffentlichen Spitälern zu gut sein können, wird selbst bei gleicher Bezahlung der deutsche Spitalsjob oft viel interessanter sein.

Vielleicht müsste ein Teil des nötigen Geldes auch gar nicht von der öffentlichen Hand kommen. Denn wenn einmal die schlechte Bezahlung der jungen und der Kassenärzte gebessert worden ist und alle Posten besetzt sind, dann würden vermutlich die exorbitant guten Verdienste der Herren Professoren und Primarii auf Grund der Marktmechanismen ein wenig abschmelzen. Ohne dass die deswegen gleich am Hungertuch nagen müssten.

Und wenn dann Oberösterreich trotz allem noch eine Medizin-Universität haben will, dann könnte es das machen, was in Salzburg mit Erfolg getan wurde: Es könnte eine Privatuniversität gründen, wo die jungen Menschen durchaus ordentlich für eine Ausbildung zahlen müssten, die ihnen später ein gutes Einkommen und vor allem einen befriedigenden Beruf ermöglicht.

 

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Italien geht nach links. Hinunter drucken

Italien wird also künftig voraussichtlich von der Linken regiert, obwohl Silvio Berlusconi und Beppe Grillo viel stärker abgeschnitten haben als prophezeit. Der Sieg der Linken ist das, was die meisten europäischen Medien und Politiker (auch jene der Rechten) gewünscht haben. Die Prophezeiung ist freilich nicht schwer, was das für Italien und Europa wirklich bedeuten wird. (Mit nachträglicher Ergänzung: Hat die Linke doch nicht gesiegt?)

Positiv ist zweifellos, dass die Versprechung einer Rückzahlung von Steuern und die Drohung mit einem Austritt aus der EU oder zumindest einem EU-Referendum vom Tisch sind. Diese Austrittsdrohung hatte ja der Oberpopulist Beppe Grillo ausgepackt – fast als konkreteste seiner vielen sonst sehr wirren Ankündigungen. Aber auch Silvio Berlusconi, der selbst lange durchaus ein loyaler Europäer war, hat sich ihr in den Wirren des Wahlkampfs teilweise angeschlossen. Zumindest mit seinen untergriffigen antideutschen Attacken und seiner Forderung nach einem Austritt aus dem Euro hat sich Berlusconi sehr antieuropäisch positioniert.

Ein Verbleib Italiens in der EU, jedoch ein Austritt aus dem Euro wäre gar keine schlechte Medizin für das Land gewesen: Denn bei einer Rückkehr zur Lira hätte Italien den ständigen Hang seiner Gewerkschaften und seines Handels zu überproportionalen Lohnerhöhungen durch regelmäßige Abwertungen regelmäßig wirkungslos machen können.

Italien bleibt also überall drinnen. Offenbar im Glauben, das wäre ein harmloserer Weg. Mit Sicherheit wird sich dieser Irrtum noch im Laufe des heurigen Jahres herausstellen. Denn Italien hat auf diesem Weg bei der Bürokratie, bei der Lohnhöhe oder beim Arbeitsmarkt die allermeisten schmerzhaften und unpopulären Maßnahmen noch vor sich. Der vielgepriesene Mario Monti hat ja die meisten wirklichen Reformen nicht gewagt oder gegen den Widerstand des Parlaments durchgebracht.

Und jetzt soll man ernsthaft glauben, dass Monti zusammen mit der demokratischen Linken das in der neuen Regierungsmehrheit zusammenbringen wird? Mit Ex-Kommunisten, Linkskatholiken und Noch-immer-Kommunisten unter Führung des vielleicht gutmeinenden, aber schwachen Pierluigi Bersani? Das kostet ein leises Lächeln. Denn diese bunte Allianz hat einen einzigen gemeinsamen Nenner: "Hinweg mit Berlusconi!" Dafür hat sie offenbar auch ausreichende Unterstützung gefunden. Die ewigen Probleme Berlusconis mit der Justiz und jungen Mädchen sind ja in der Tat nicht mehr sehr attraktiv, sodass seine neuerliche relative Stärke eigentlich sehr überraschend ist.

Anti-Berlusconi als einziger Konsens der Wahlsieger ist alles andere als eine funktionierende Basis für echte Reformen oder auch nur eine dauerhafte Regierungsstabilität. Das werden wir mit Sicherheit noch allzubald erleben, auch wenn in den nächsten Stunden die begeisterten Kommentare europaweit die Tonlage vorgeben werden.

Eine Linksregierung, die ernsthaft eine Konfrontation mit den in Italien wie fast überall reformresistenten Gewerkschaften eingehen würde oder überhaupt könnte, ist noch nicht erfunden. Das gilt noch viel stärker bei einer Regierungsmehrheit, deren Führer Pierluigi Bersani den Bruch mit den radikalen Noch-immer-Kommunisten nicht einmal versucht hatte. Diese Erfahrung wird Mario Monti bald machen, der ja ganz auf die demokratische Linke gesetzt hatte, obwohl sie seinen Wunsch nach einem Bruch mit der radikalen Linken nicht erfüllt hatte.

Und mit ihm wird das Europa lernen. Mildernd an der italienischen Tristezza wirkt sich nur die Tatsache aus, dass Italiens Norden industriell auf einem sehr hohen Niveau steht. Der Rest des Landes, einschließlich des alimentiersüchtigen Südens steht freilich ganz wo anders. Daher wird es spannend sein zu sehen, wann den jetzigen Italien-Jublern der Jubel vergangen sein wird. Alleine die Tatsache, dass Mario Monti weit abgeschlagen nur auf dem vierten Platz gelandet ist, sollte eigentlich jetzt schon für Ernüchterung sorgen.

Nachträgliche Ergänzung: Diese Analyse wurde unmittelbar nach den ersten Exit Polls verfasst, die noch einen klaren Sieg der Linken versprachen. Mit Fortschreiten der Auszählung wurde jedoch immer wahrscheinlicher, dass überraschenderweise doch Berlusconi im Senat die Nase vorne haben könnte. Daher könnte es auch zu einer gegenseitigen Blockade zwischen Senat und Abgeordnetenhaus kommen. Daher könnte der Auszählungsprozess noch relativ lange sehr spannend bleiben. Das einzige, was sich aber jetzt schon definitiv sagen lässt: Wieder einmal haben sich all jene Verfassungen als absurd erwiesen, die zwei praktisch gleichberechtigte Kammern haben, welche sich gegenseitig blockieren können. Die USA sind ja derzeit auch ein solches Modell, das von einer Blockade in die nächste rutscht..

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Eine Steuer für Masochisten drucken

Es ist nicht zu fassen: Österreich ist eines der höchstbesteuerten Länder der Welt. Und trotzdem jubeln fast alle Politiker und Medien über die Einführung einer weiteren Steuer.

Die Gier der Politik nach ständig neuem Geld, das sie dann als Wohltaten – „Panem et Circenses“ – unters Volk streuen kann, scheut vor keiner Unwahrheit zurück. Jetzt wird behauptet, dass die Finanztransaktionssteuer jene bestrafen soll, die schuld an der Krise seien. Die Politik verschweigt dabei, dass sie das selbst ist: durch die höchste Verschuldung der Geschichte; durch falsche Regulierungen; durch die teure Rettung bankrotter Banken und Unternehmen – statt diese ganz normal in Insolvenz gehen zu lassen. Das ist ja die einzig sinnvolle, wenn auch unpopuläre Methode, mit zahlungsunfähigen Schuldnern umzugehen.

Zugleich sind Banken und ihre Kunden unter dem Vorwand der Krise schon mehrfach abkassiert worden: durch die Bankensteuer, durch die neue Kursgewinnsteuer, durch die exorbitanten Zinsen auf die den Banken – auch aufgezwungenen! – Partizipationsscheine und durch die diversen, noch dazu ständig wechselnden Vorgaben für ein höheres Mindesteigenkapital. Besonders widerlich ist, dass dabei Staatsanleihen von EU, EZB und Notenbanken als scheinbar absolut sicher behandelt werden, obwohl etwa die griechischen über Nacht nur noch einen Bruchteil wert waren. Und in Österreich dienen die zusätzlichen Einnahmen keineswegs einer Krisenvorsorge, sondern nur den durch die Wohlfahrtsstaats-Exzesse ausgelösten Defiziten.

Vor allem aber wird die Steuer sehr schädliche Folgen haben. Diese treffen nicht nur die Börsen in den elf betroffenen Ländern, die jede Menge Geschäft an London, New York und Singapur verlieren. Zugleich wird die Finanzierung von Unternehmen deutlich erschwert. Denn wenn es weltweit(!) auf den Kauf und Verkauf österreichischer Aktien eine zusätzliche Steuer gibt, wird natürlich die Nachfrage nach diesen weltweit zurückgehen. Wo sind die Zeiten hin, als Finanzminister, als Nationalbank, als Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer diesen Zusammenhang noch begriffen haben! Als diese noch alles getan haben, um die Finanzierung heimischer Unternehmen durch Aktienkäufer zu beleben und die Firmen damit zukunftssicher zu machen!

Und wer wird diese Steuer zahlen? Das werden praktisch zur Gänze die Sparer sein. Nicht nur jene offenbar bösen, die Aktien, Anleihen, Fonds oder inländische Zertifikate kaufen und verkaufen. Sondern auch die besonders vorsichtigen, die nur in Lebensversicherungen investiert haben. Denn auch damit haben sie natürlich weitestgehend in Anleihen und Aktien investiert. Sie werden damit auf zusätzliche Weise geschröpft, nachdem ihnen schon die niedrigen Anleihezinsen schweren Schaden zugefügt haben. An denen ebenfalls Politik und EZB schuld sind.

Es können wirklich nur Ahnungslose und Masochisten sein, die sich über die neue Steuer freuen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Die Krise lebt besser denn je. Auch wenn wir sie ignorieren drucken

Offenbar sind wir schon so von den Beruhigungsmitteln verblödet, die in Deutschland und Österreich bis zu den Herbstwahlen dargeboten werden, dass wir die wahre Lage verdrängen.

Dagegen sollte man sich einfach die Fakten aus wenigen Stunden bewusst machen: Die einst so stolze Bank Austria muss ein Drittel ihrer Filialen sperren, also mehr als 100, und verkauft nun auch das letzte von drei Hauptquartieren dreier einst verschiedener Großbanken in der Innenstadt. Die Uniqa gibt die Vermögensverwaltung auf. Der Baukonzern Alpine steht knapp vor einem Mega-Konkurs. Die Eurozone wird heuer nach den jetzigen Schätzungen (die sich nachher meist als zu optimistisch erweisen) 0,3 Prozent BIP-Minus ausweisen statt des so dringend vor allem von den jungen Arbeitslosen erhofften Wachstums. Die Jugendarbeitslosigkeit erreicht jetzt in einigen Südländern schon 60 Prozent. Und die weltweit ausgegebenen Beruhigungsmittel bestehen vor allem in Banknoten, die in Japan, den USA und Großbritannien in noch wilderem Tempo gedruckt werden als von der EZB, was nichts anderes ist als ein gigantischer Wettlauf beim Raubzug auf die Sparer bedeutet. Aber unsere Medien sorgen sich seit Wochen primär darüber, ob wir eventuell ein paar Bissen (völlig unschädlichen) Pferdefleischs verschluckt haben. Und die Politik denkt über neue Sozialausgaben nach.

Auf ein bitteres Erwachen im Herbst.

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Fußnote 408: Mein Gott, Faymann! drucken

Wie gut hat sich Österreich beim EU-Budget geschlagen?

Die Antwort ist auch ohne komplizierte Arithmetik klar, ohne dass man beim Europäischen Rat dabei gewesen wäre: Das Ergebnis hätte ganz sicher besser sein können. Denn keiner der anderen Regierungschefs hat nachher von einem besonderen Engagement Werner Faymanns berichtet. Den größten Fehler hat dieser schon vorher begangen: Er hat keine Sekunde lang den Eindruck erweckt, mit Zähnen und Klauen um jeden Euro für Österreich zu kämpfen. Im Gegenteil: Er und seine Genossen haben primär die ÖVP kritisiert, weil die von einem Veto geredet hat. Und dieses Verhalten ist natürlich anderswo genau registriert worden. Und Österreich war damit abgehakt. Ein echter Gewerkschafter weiß hingegen: Bei Kollektivvertragsverhandlungen muss er fast immer einmal mit Streiks drohen, um das Maximale herauszuholen. So wird nun halt einmal verhandelt – auch wenn österreichische Gewerkschaften zum Glück selten streiken und auch wenn von vornherein klar war, dass das EU-Budget am Ende nicht an einer Vetodrohung aus Wien scheitern würde. Aber Faymann will halt dauernd seinen Parteifreunden aus Frankreich und den anderen Schuldnerländern eine Freude machen. Deswegen ist er bei den Schuldenübernahmen immer großzügig gewesen. Deswegen steht der SPÖ-Chef auch sonst nie in der Verteidigungsformation der Nettozahler (obwohl man dort durchaus sozialistische Minister aus den Niederlanden und Finnland findet.) Deswegen will er Eurobonds einführen. Dass auch Österreichs Staatsschulden bedenklich hoch sind, hat der Mann halt noch nicht begriffen. Stand ja auch noch nicht in „Krone“ und „Österreich“.

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Hängt die Banker an den nächsten Baum drucken

Es macht Freude, wenn man einmal einem „Presse“-Kommentar aus vollem Herzen und bis zur letzten Zeile zustimmen kann.

Der Autor Norbert Rief vergleicht mit gutem Recht die gegenwärtige politische und mediale Hatz auf Manager-Boni mit den – zum Teil deutlich größeren – Summen, die Spitzenfußballer erhalten. Und wo sich niemand aufregt. Und wo kein EU-Parlament die Regulierungswut bekommt. Im Gegenteil: Die ja nie durch ihre kritische Haltung zum Spitzensport auffallenden Sportjournalisten jubeln sogar fast alle über die hohen Gagen, während die meist von Neidkomplexen zerfressenen Politik-Journalisten vor Zorn über die Manager zerspringen.

Manche Künstler und „Künstler“ verdienen oft noch viel mehr als Industrie- und Bank-Vorstände, sind aber meist besser imstande, ihre Einkommen vor den Medien – und oft auch der Steuer – zu verstecken. Auch wenn ein wenig Neid in jedem von uns steckt, so wäre es eine Katastrophe, wenn Politiker begännen, Gehälter anderer zu limitieren. Oder wenn sie gar die im Interesse der Sparer wie Steuerzahler notwendige und sinnvolle Erhöhung der Bank-Eigenkapitalvorschriften nur dann zu beschließen bereit sind, wenn auch die Boni limitiert werden. Denn dann werden die besten Sportler, Künstler, Manager halt nur noch in Amerika oder Asien zu finden sein. Denn dann wird in allen Bereichen nach Wegen gesucht werden, wie man ihnen unter dem Tisch Gelder zuschieben kann. Womit dann auch die Steuereinnahmen zurückgehen.

Dennoch sind in drei Punkten klare Schranken notwendig – die nur keinesfalls von den Oberpopulisten im EU-Parlament gezogen werden sollten.

Erstens: Sobald irgendwo öffentliches Geld involviert ist, und sobald Dritte zu Schaden kommen, muss es scharfe Limits und Konsequenzen geben; einschließlich der Möglichkeit, auf Boni für vergangene Jahre zuzugreifen (das darf aber nicht nur Banken und Industrie treffen, sondern auch Fußballvereine und Kulturinstitutionen, wenn in ihnen öffentliches Geld steckt!).

Zweitens sollte auch das rasch umgesetzt werden, was jetzt die – wie fast immer viel klügeren – Schweizer wollen: Gehälter für die Big Boys im Vorstand dürfen nicht mehr von den meist befreundeten und aus dem gleichen Freundeskreis kommenden Big Boys des Aufsichtsrats im Hinterzimmer fixiert werden, sondern sie müssen direkt von den Aktionären  geregelt werden. Die sind ja letztlich die Opfer falscher Gehaltsentscheidungen: wenn überflüssig viel gezahlt wird – oder wenn man umgekehrt aus Knausrigkeit nur schlechte Manager findet.

Und drittens sollten Boni nur für langfristig nachhaltig messbare Leistungen gezahlt werden. Also niemals für so schwachsinnige Stichtagsregelungen, wie sie bei der Telekom Austria zu einem Mega-Betrug geführt haben.

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Italien wählt – und bleibt auf Europas Intensivstation drucken

Neben den für Herbst angesetzten deutschen Wahlen sind die jetzigen in Italien die weitaus wichtigste Entscheidung dieses Jahres. Selten waren sich Europas Medien so einig wie in Italien, wer die Guten und wer die Bösen sind. Sie haben dabei nur ein Problem: Sie müssen die Fakten kräftig verdrehen, um zu ihrem hundertfach verbreiteten Schluss zu kommen: Berlusconi furchtbar, alle anderen gut, Monti besonders gut.

Vor allem die Story „Mario Monti hat Italien vor dem Untergang gerettet“ hat mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun. Wohl haben sich die Zinsen, die Italien für seine Staatsanleihen zahlen muss, deutlich verringert. Das hängt aber weniger mit Monti, sondern mit ganz anderen Entwicklungen zusammen. Denn die Zinsen sind in diesem Winter in allen europäischen Krisenstaaten gesunken.

Dieses Sinken hat zwei klare Ursachen: Erstens die Überschwemmung der Geldmärkte durch billige Euros der Europäischen Zentralbank, sodass das Geld dringend nach jedem freien Ankerplatz sucht. Zweitens vertrauen die Anleger nun deutlich mehr darauf als vor einem Jahr, dass Deutschland auch weiterhin die Südländer durchfüttern wird. Das hat zwar naturgemäß die deutschen Zinsen nach oben getrieben, aber eben den Abstand, den Spread zu den Zinssätzen der anderen reduziert.

Die magere Bilanz Montis

Die eigentlichen und bleibenden Reformen durch Mario Monti blieben hingegen relativ marginal. Er hat die Staatsausgaben von 800 Milliarden Euro gerade einmal um vier Milliarden gekürzt (heuer sollen die Kürzungen allerdings mehr ausmachen). Ein Ansteigen der Produktivität und der Konkurrenzfähigkeit blieb de facto aus; die Lohnstückkosten sind hoch geblieben. Herzstück der Sanierungs-Maßnahmen Montis sind Steuererhöhungen, von der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 22 Prozent bis zu der von Berlusconi so heftig bekämpften Eigenheimabgabe.

Die lähmende Bürokratie ist von Montis Regierung nicht gezähmt worden. In der Weltbank-Liste, wie geschäftsfreundlich einzelne Länder sind, liegt Italien auf Rang 73. Die Wahlrechtsreform kam nicht zustande (weshalb das nun erneut zur Anwendung kommende Wahlrecht weiterhin fast alle verwirrt, statt zur Demokratiefreundlichkeit beizutragen). Das Arbeitsrecht mit seinem viel zu starken Kündigungsschutz blieb im wesentlichen gleich. Prozesse dauern immer noch unerträglich lang. Das Dickicht der Provinzen und Regionen konnte nicht beschnitten werden, wie es notwendig wäre. Die Beamtengewerkschaften verhinderten die meisten der eigentlich seit langem notwendigen Reformen des Staatsapparats. Taxifahrer, Notare und Apotheker bekämpften mit weitgehendem Erfolg eine Öffnung ihres geschützten Marktes. Viele Investoren meiden auch weiterhin Italien trotz dessen an sich gut gebildeter und kreativer Bevölkerung; denn sie fürchten die Rigidität des Arbeitsmarkts (auf deutsch: dass man Angestellte nicht mehr los wird), die Belastungen durch Korruption und die ganz nach Gusto von Beamten und Staatsanwälten anwendbaren hochziselierten Umweltgesetze.

Das heißt nun nicht, das unter Monti nichts passiert wäre. Vor allem zu loben ist er für die Erhöhung des allgemeinen Renteneintrittsalters auf 66 Jahre und die Beschneidung der vielfältigen Möglichkeiten einer Frühpension. Das war seit Jahrzehnten überfällig. Und das könnte auch für Italiens nördlichen Nachbarn Österreich ein exzellentes Vorbild sein. Wenn freilich deutsche Experten schon vorrechnen, dass selbst die Erhöhung des deutschen Pensionsalters angesichts der ständig steigenen Lebenserwartung auf 67 weiter hinauf getrieben werden müsste, relativiert sich auch diese echte Errungenschaft Montis ein wenig.

Zumindest darauf hinweisen muss man der Ehrlichkeit halber, dass auch Berlusconi schon lange Pensionsreformen versucht hat. Er ist aber gescheitert, an den Gewerkschaften, an den Linkskatholiken (mit denen sich Monti jetzt verbündet hat), und an der Demokratischen Linken (mit denen Monti nach der Wahl koalieren will).

Italiens zentrales Problem

Damit sind wir beim zentralen Problem Montis: Seine Bilanz ist zwar trotz der vielen angeführten Minuspunkte tendenziell positiv. Aber sein im Spätherbst erfolgter Bruch mit Berlusconi und seine Ankündigung, nach der Wahl der Linken zur Mehrheit verhelfen zu wollen, lassen viele Italiener zweifeln.

Denn die Linke ist total heterogen und in Sachfragen völlig uneins. Sie wird lediglich durch die gemeinsame Ablehnung Berlusconis zusammengehalten. Die Reformunwilligkeit der radikalen Linken hat ja bereits die Regierung Romano Prodi (2006-2008) scheitern lassen, die letztlich noch viel weniger vorangebracht hat als Berlusconi. Dabei wird von vielen Medien so getan, als hätte Berlusconi ewig über Italien regiert.

Auch ihr jetziger, gegen die drei anderen Spitzenkandidaten Berlusconi, Grillo und sogar Monti farb- und perspektivlos erscheinender Spitzenmann Bersani hat keinen Bruch mit der radikalen Linken gewagt.

Die Schulden sind vor allem das Erbe der Christdemokraten

Das heißt mit anderen Worten: Obwohl Monti trotz aller notwendigen Relativierungen der relativ beste Ministerpräsident für Italien wäre, wissen viele Italiener: Eine Stimme für Montis Liste bedeutet in Wahrheit eine Stimme für Bersani und damit auch für die Einbindung genau jener radikalen Linken, an denen Prodi gescheitert ist. Und die von der Mehrheit der Italiener abgelehnt wird. Das wäre dann eine ganz andere Formel als die letzte Regierungszeit Montis, in der sich dieser ja trotz der gegenwärtigen Stänkereien zwischen Berlusconi und Monti primär auf die Stimmen der Berlusconi-Abgeordneten stützen hat können (nicht allerdings auf die Lega Nord).

Die Mehrheit der Italiener steht tendenziell eher rechts der Mitte. Freilich hatte die einstige Dauerregierungspartei der Democristiani den italienischen Staatshaushalt aus katholischem Sozialutopismus mit vielen teuren Wohltaten fürs Volk dauerhaft belastet. Daher wird es sehr spannend, wie sehr die Italiener einen im Gegensatz zu Prodi wirklich linken Premier wollen.

Montis eigene Liste wird jedoch nach allen Umfragen weit hinter Bersani und Berlusconi liegen. Möglicherweise wird er sogar nur Vierter hinter dem programmlosen Radikalpopulisten Grillo. Dieser dürfte tatsächlich Dritter werden. Die wenigen erkennbaren Höhepunkte der Grillo-Politik sind die absoluten Tiefstpunkte der italienischen Realität: die Forderung nach einem Rückzahlungsstopp für sämtlichen italienische Staatsschulden; nationalistische Attacken auf Angela Merkel; und die Einführung des Leck-mich-Tages. Gegen Grillo ist das politische Personal sämtlicher europäischer Länder hochseriös.

Auffallend ist, dass Gianfranco Fini fast völlig weg vom Fenster ist. Der längjährige Verbündete Berlusconis und einstige Mussolini-Erbe hatte ja erst durch seinen Abfall vor eineinhalb Jahren den Sturz des Berlusconi-Kabinetts ausgelöst.

Berlusconis mehrfach belastetes Konto

Und wie ist nun Silvio Berlusconi, das vermeintliche Zentralgestirn der italienischen Politik, selbst zu bewerten? Die zuvor gemachten Hinweise können zwar den verbreiteten, jedoch total naiven Glauben an Monti beeinträchtigen. Aber zweifellos wäre eine neuerliche Berlusconi-Regierung alles andere als gut für Italien.

  • Erstens genießt der Mann kein internationales Vertrauen mehr; was die italienischen Zinsen wieder belasten dürfte.
  • Zweitens ist das Faible des 76-Jährigen für blutjunge Mädchen und für Schönheitsoperationen schlicht ungustiös.
  • Drittens ist es immer extrem undemokratisch, wenn ein Medienmagnat wie Dichand, Murdoch oder Berlusconi seine publizistische Macht missbraucht, um politisch aktiv zu werden.
  • Viertens sind seine im Wahlkampf gemachten Versprechungen, die von Monti (mit Berlusconis Stimmen!) eingeführte Eigenheim-Steuer zurückzuzahlen, absurd und verantwortungslos.
  • Und fünftens hat seine Amtszeit immer wieder gezeigt, dass ihm der Schutz seiner eigenen Person gegen diverse Strafverfahren wichtiger war als die eigentliche Sachpolitik (auch wenn die ständigen Klagen Berlusconis über extrem links politisierte Staatsanwälte zumindest zum Teil berechtigt sein dürften).

Für Berlusconi spricht, dass er sozialpolitisch nicht ganz so utopistisch und populistisch war wie die meisten anderen Regierungen des Nachkriegsitaliens. In Sachen Pension etwa hat er sogar richtige Ansätze gezeigt. Es hat sich auch in seiner Zeit die von seinen Vorgängern angehäufte Staatsschuld des Landes (in BIP-Prozenten berechnet) kaum mehr weiter verschlechtert. Der Mann liegt trotz seiner privaten Bunga-Bunga-Eskapaden mit seinem zumindest verbal vermittelten Wertebild durchaus im Schnittpunkt der italienischen Mehrheit. Trotzdem hat sich auf seinem Konto vermutlich zu viel Belastendes angesammelt, als dass die Italiener das alles vergessen könnten.

Die Gewerkschaften kehren zur Macht zurück

Am wahrscheinlichsten ist also, dass Italien nach der Wahl von einem Exkommunisten regiert wird, der wohl einen ähnlich illusionären Kurs wie der Franzose Hollande versuchen wird; der jedenfalls eng mit den Gewerkschaften und den anarchistischen Linkssozialisten verbündet ist. Diese beiden wiederum sind die härtesten Gegner jeder weiteren Reform und wollen sogar die meisten Reformen von Montis kurzer Periode wieder zurückdrehen. Der als eher führungsschwach geltende Pier Luigi Bersani hat dabei ohnedies fast nur dort für sinnvolle Reformen gekämpft, wo es gegen Unternehmer wie die Apotheker gegangen ist. Möglich ist aber auch, dass Bersani auch nach einem Wahlsieg Monti den Vortritt lassen will, aber diesem nur noch so viel Spielraum einzuräumen bereit ist, wie Gewerkschaften&Co erlauben. Also keinen.

Für Europa heißt das aber auch mit Sicherheit: Italien, ein Land das praktisch genau so viele Einwohner hat wie Frankreich oder Großbritannien, bleibt auf der Intensivstation. Und auch wenn derzeit keine Lebensgefahr besteht, ist weiterhin höchste Alarmstimmung ohne Aussicht auf Besserung angesagt. Europa kann sich vielleicht ein Durchfüttern Griechenlands leisten. Aber sowohl bei Frankreich wie Italien wären die Kräfte der Union absolut überfordert. Und zumindest das Ende der Währungsunion da.

Mit guter Stimmung kann daher weder Europa noch Italien diesem Wahltag entgegensehen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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European Students For Liberty laden zur größten liberalen Studentenveranstaltung drucken

Wir, die European Students For Liberty, sind mittlerweile zu einer der größten klassisch-liberalen Studentenbewegungen angewachsen. Es freut uns, Sie zu unserer zweiten europäischen Konferenz einladen zu dürfen. Vom 8.-10. März erwarten wir über 300 klassisch-liberale Studenten und Gäste aus ganz Europa in Leuven (15 Minuten von Brüssel entfernt).

Neben Vorträgen und Diskussionen werden die Teilnehmer auch Workshops besuchen können, die darauf abzielen, die notwendigen soft skills zu erlernen, um effektivere Meinungsbildner und Aktivisten für die Freiheit zu werden. Darüber gibt es die Möglichkeit, im Verlauf des Wochenendes bei den European Students For Liberty-Partys Freundschaften zu knüpfen und Netzwerke zu bilden. Zudem werden wir erstmals eine Studentendebatte mit Anhängern verschiedener liberaler Theorien abhalten.

Als Redner haben haben uns unter anderem James Turk (GoldMoney Foundation), Tom Palmer (Atlas Network), Daniel Model (ModelGroup), Michael D. Tanner (Cato Institute) sowie David und Emily Skarbek (Ökonomen King´s College London) zugesagt.

Die behandelten Themen reichen von Unternehmertum, Neuer Politischer Ökonomie (Public Choice), Problemen des Wohlfahrtsstaates, den Chancen bzw. Gefahren durch die aktuelle Krise für die liberale Bewegung bis hin zu privater Sezession. Darüber hinaus wird es  viele Workshops zu ausgewählten Themen geben, wie beispielsweise einen Vortrag über ökonomisches Verhalten von Gefängnisbanden.

Wir freuen uns, Sie und Ihre Freunde in Leuven begrüßen zu dürfen und hoffen, mithilfe dieser Konferenz einen Beitrag zu einer freieren Gesellschaft leisten zu können. Als kleinen Vorgeschmack empfehlen wir Ihnen das Video unserer letzten europäischen Konferenz: http://www.youtube.com/watch?v=uVx3hxsDxVI

Die Anmeldegebühr beträgt für Studenten 40€ und für Nicht-Studenten 55€. Darin enthalten sind alle Speisen während des Wochenendes, viele kostenlose Materialien, Netzwerkmöglichkeiten mit Think Tanks, und natürlich drei Tage voller interessanter Redner und Diskussionen.

Auf Ihr Kommen freut sich das Team der European Students for Liberty.

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig. Er arbeitete für das Austrian Economics Center in Wien und studiert International Affairs and Governance an der Universität St. Gallen. Zudem ist er Mitbegründer des Austrian Libertarian Movements in Wien. Sie können ihn unter der E-Mail-Adresse mlandl@studentsforliberty.org erreichen.

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Die Wechselkurs-Zündeleien drucken

Der Eurokurs steigt seit Wochen deutlich. Das ist ein – trügerisches –  Zeichen der Erholung, löst aber schon wieder Panikrufe aus. Diesmal von der Industrie.

Die Ursachen des Kursanstiegs sind klar: Die beiden anderen großen Währungen haben Vertrauen verloren, während der Euro seit Herbst trotz des langen EU-Budgetstreits weniger Schlagzeilen gemacht hat. In Japan hingegen wollen Notenbank und die neue Parlamentsmehrheit den Yen-Kurs nach unten treiben, um Exporte anzukurbeln und die Schuldenlast zu erleichtern. Ähnlich wird auch in den USA fast unbegrenzt Geld gedruckt. Die Wiederwahl von Barack Obama, die lockere Hand der Fed und das Nachgeben der Republikaner im Kongress-Streit um die Verschuldung haben das Vertrauen in den Dollar schwer unterminiert. Da hilft nicht einmal der Industrie-Boom infolge des billigen Schiefergas-Abbaus.

Daher gehen wieder viele Anleger in den Euro zurück, weil ja die Währungen der boomenden Schwellenländer großteils nicht frei konvertibel sind. Es werden sogar wieder Anleihen aus Griechenland oder Portugal gekauft, was deren Preis drückt. Die Furcht ist gesunken, diese Länder würden bald crashen. Das treibt aber gleichzeitig die deutschen Zinsen empor. Denn niemand anderer als Deutschland ist ja das Sicherheitsnetz, das diese Schuldenländer am Leben hält. Daher bremsen viele Anleger ihren Run auf deutsche Papiere und wollen die noch immer im Vergleich hohen Zinsen der von Deutschland gesicherten Länder kassieren.

So weit so klar. Jetzt aber jammert zunehmend die europäische Industrie: Das Exportieren wird bei steigenden Kursen schwieriger. Das stehen zwar die deutschen Markenartikler noch ganz gut durch. Frankreichs Industrie hingegen leidet schwer, auch die italienische. Ein überzogenes Lohnniveau, ein schwaches Image und der steigende Euro-Kurs sind eine dreifache Gefahr.

Frankreichs Präsident ruft aber so wie Italien nach einer völlig falschen Therapie. Er verlangt eine „aktive Wechselkurspolitik“. Das heißt aber nichts anderes, als künstlich den Eurokurs zu senken und deswegen angebotene Dollar- und Yen-Beträge aufzukaufen. François Hollande zeigt mit dieser Forderung, dass er aus der Geschichte überhaupt nichts gelernt hat. Denn erstens profitieren von einem künstlichen Wechselkurs immer jene, die dagegen spekulieren, weil Zentralbanken am Ende doch immer unter Auslösung von Schockwellen nachgeben müssen. Und zweitens erinnert das endgültig an die Zwischenkriegszeit: Da herrschte weltweit ein künstlicher Kurs-Wettlauf nach unten, um der eigenen Industrie zu helfen. Die dadurch ausgelöste Katastrophe sollte auch in Frankreich noch in Erinnerung sein.

Was aber tun? Es gibt keine Alternative zu dem, was jeder Regierung, ganz besonders einer sozialistischen schwer fällt: Sie müssen die in den letzten 15 Jahren im Verhältnis viel zu hoch gestiegenen Löhne wettbewerbsfähig machen. Nur das hilft – damit verliert man freilich die nächste Wahl mit Sicherheit.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wie viel sind uns unsere Bauern wert? drucken

Wenn alle paar Jahre in der EU der Megakrieg ums Budget tobt, dann geht es in Wahrheit vor allem um sie, um die Bauern. Die Zahlungen für die Landwirtschaft sind zweifellos im EU-Budget einer der fragwürdigsten Brocken. Nirgendwo sonst wird so energisch gekämpft, verteidigt und angegriffen. Nirgendwo sonst wird es so emotional. Nirgendwo sonst geht es aber auch um so viel Geld: Macht doch das Agrarbudget auch nach dem am jüngsten Gipfel erzielten Konsens noch immer deutlich mehr als ein Drittel des gesamten EU-Haushalts aus.

Und auch wenn es in diesem Bereich künftig den heftigsten Einschnitt geben wird, wird sich die Landwirtschaft mehr denn je nicht nur wegen des „Wie viel?“, sondern auch wegen des „Warum überhaupt?“ rechtfertigen müssen. Da geht es um grundsätzliche Fragen, welche die EU im Grund seit ihrer Gründung als EWG oder EG ungelöst vor sich herschiebt. Diese Grundsatzfragen sind wegen der Lautstärke der einschlägigen Lobbys und der regelmäßigen Bauerndemonstrationen nie in Ruhe ausdiskutiert worden. Sie werden aber in Zeiten der Krise immer drängender.

Auch bei Beamten und der Forschung könnte gespart werden – aber das bringt viel weniger

Für das EU-Budget sind im Vergleich dazu die in letzter Zeit ebenfalls viel diskutierten fetten Beamtenbezüge nur Peanuts. Auch wenn außer Zweifel steht: Tausende EU-Beamte mit fünfstelligen Netto-Bezügen pro Monat und vielen sonstigen Privilegien sind extrem ärgerlich. Dies gilt umso mehr, seit sie ihre Existenz mit völlig überflüssigen Regelungen unseres Lebens zu rechtfertigen versuchen. Über die PR-Reportagen von Brüssel-Korrespondenten zugunsten dieser Beamten kann man hingegen nur lachen, versuchen sie damit doch nur recht vordergründig ihren Informanten und Party-Kollegen zu helfen.

Im Vergleich zum Agrarbudget sind auch die EU-Ausgaben für Forschung nur Peanuts. Dennoch sollte man festhalten: Jene Projekte, für die EU-Forschungsgelder fließen, werden oft immer fragwürdiger. So gibt es etwa eine Milliarde(!) Euro für ein Projekt, das vorgibt, das menschliche Gehirn via Computer simulieren zu können. Sowohl die elektronische wie auch die biologische wie auch die medizinische Forschergemeinschaft halten das jedoch für Scharlatanerie. Natürlich kann ich das selbst nicht wirklich beurteilen, aber es wäre zweifellos viel gesünder, wenn bei solchen hochriskanten Projekten privates und nicht Steuergeld verbrannt werden würde.

Wo es aber in Zeiten des europaweiten Sparens wirklich ums Eingemachte geht, ist eben die Landwirtschaft. Lange hatte sie diese Diskussion vermeiden können, weil vor der Krise genug Geld da war und weil die Steuerzahler sich nicht wirklich auskennen, wie die Agrarbürokratie das Geld verwendet.

Zweifellos profitierte die Landwirtschaft auch von einem emotionalen Faktum: Bauern mag man eben. Schließlich weiß noch der Großteil der Europäer, dass ihre Eltern, Groß- oder Urgroßeltern fast alle Bauern gewesen sind. Das schafft viel Empathie. Und ebenso unbestreitbar ist der hohe emotionale Stellenwert, den das Bild vom sauberen Bauernhof mit glücklichen Hühnern, Schweinen und Kühen in den Gemütern von Städtern genießt. Das muss uns doch etwas wert sein, denken viele – auch wenn die Landwirtschaft in Wahrheit heute meist ganz anders aussieht und die Grenze zur Industrie sehr fließend geworden ist.

Der Landwirtschaft geht es heute viel besser

Angesichts von all der Nostalgie und Sympathie für die Bauern wird oft versucht, die Fakten vergessen zu machen. Eine dieser Fakten ist, dass sich die Weltmarktpreise für fast alle Agrarprodukte in den letzten Jahren signifikant erhöht haben. Bauern können also heute mit ihren Produkten viel mehr verdienen. Der Appetit einer wachsenden Weltbevölkerung und insbesondere der immer besser verdienenden Chinesen, Inder und Vietnamesen hat die Preise und Produktionsmengen in die Höhe getrieben. Zugleich sorgt der wachsende globale Wohlstand dafür, dass der Anteil der Menschen immer größer wird, die sich diese höheren Preise auch leisten können.

Ein weiteres Faktum ist, dass der Großteil der Ökonomen der Dritten Welt in der europäischen (und amerikanischen) Agrarpolitik die wahre Katastrophe für die Entwicklungsländer sieht. Die relativ geringen Entwicklungshilfezahlungen wären überhaupt kein Problem, wenn Europa und Nordamerika ihre gesamte Landwirtschaftshilfe einstellen würden. Dann hätte nämlich die Dritte Welt erstmals eine faire Chance im Wettbewerb, die sie mit den hochsubventionierten Lebensmitteln aus dem Norden bisher nie hatte.

Ebenso Faktum ist, dass die europäischen Bauern in den letzten Jahren noch aus ganz anderen Budgettöpfen profitiert haben: nämlich aus jenen der Energiepolitik. Jeder Bauer, der auf seinen Feldern eine der derzeit wie Schwammerl sprießenden Windmühlen aufstellen lässt, hat für die nächsten Jahre ein absolut sicheres und arbeitsfreies Einkommen. Ähnliches gilt für den neuen Erwerbszweig der Bioenergie-Saaten.

Aber, so werden manche jetzt einwerfen, die Bauern sind doch so enorm wichtig für die Umwelt. Ach ja wirklich? Sind riesige Monokulturen, Versteppungen, Vergiftung des Grundwassers und vieles andere mehr wirklich in irgendeiner Hinsicht gut für die Umwelt? Man darf zweifeln, auch wenn diese kritischen Hinweise keineswegs auf alle Bauern zutreffen.

Wo die Förderungen wirklich berechtigt wären

Dennoch könne man doch nicht wirklich wollen, dass Bergbauern aufgeben und immer mehr Bauernhöfe dem Verfall preisgegeben werden, lautet der nächste Einwand. Das ist nun in der Tat eine wenig erfreuliche Perspektive. Tatsache ist aber, dass dieser Prozess auch trotz der gewaltigen Agrarbudgets der letzten Jahre weitergegangen ist.

Aus all dem gibt es eine klare Konklusion: Unsere Gesellschaft soll die Bauern durchaus entlohnen – aber eben nur für das, woraus die Gesellschaft oder die Umwelt irgendeinen Nutzen zieht. Selbst wenn das nur ein optischer Nutzen einer gepflegten Landschaft ist, von dem etwa der Tourismus sowie die vielen neuen Magazine und Fernsehserien profitieren, welche mit großem Erfolg eine heile bäuerliche Welt in Schönbildern vermarkten.

Förderungen sind also durchaus berechtigt für die Bebauung von Feldern anstelle von Aufforstung oder Versteppung, für Landwirtschaft ohne Monokultur, für die Erhaltung von Bergbauernhöfen (die nicht zu bloßen Ferienwohnungen umgewandelt werden), für Düngungsmethoden ohne Schädigung des Grundwassers, für Verzicht auf unerwünschte Methoden der Tierhaltung, für Verzicht auf sonstige Belastungen von Gesundheit und Umwelt (womit aber nicht die von ein paar Grünen und der Kronenzeitung geschürte Panik gegenüber genveränderten, aber völlig harmlosen Pflanzen gemeint ist).

Abwanderung ist ein ganz natürlicher Prozess

Alle anderen Förderungen – derzeit der Großteil! – sollten hingegen abgeschafft werden. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für Direktzahlungen und für Abnahme-Garantien der landwirtschaftlichen Produkte. Das wäre nichts anderes als eine Angleichung an das normale Leben: Auch die Erzeuger von Schwedenbomben, edlen Vorhängen oder billigen Autos gehen in Konkurs, wenn ihre Produkte nicht genug nachgefragt werden. Auch für sie gibt es bekanntlich keinerlei Abnahmegarantien oder dauerhafte Direktzahlungen.

Von den gegenwärtigen Methoden zur Ausschüttung des EU-Agrarbudgets profitieren die industriellen Großbetriebe am meisten. Auch diese sollten zwar vollen Anspruch auf gesellschaftlichen Schutz gegen die Attacken der wirren Tierschützer oder militanten grünen Gen-Kämpfer haben. Es gibt aber absolut keinen legitimierbaren Anspruch auf Direktzahlungen oder Abnahmegarantien.

Nur eine Einstellung dieser spezifischen Förderschienen wird die Bauern zu Umstellungen zwingen. Diese würden entweder darin bestehen, ihre Betriebe ganz nach den echten Anforderungen von Sauberkeit, Gesundheit und Umwelt zu orientieren, oder aber Dinge zu produzieren, die von den Konsumenten wirklich zu guten Preisen nachgefragt werden.

Gleich folgt der nächste Einwand: Davon werden aber nicht alle leben können; dann gibt es ein Bauernsterben. Ja das kann man nicht ausschließen. Aber das Bauernsterben, also die Abwanderung in andere Berufe, findet trotz vielfältiger Förderungen schon seit rund 200 Jahren statt. Sonst würde heute noch der Großteil der Europäer mit der Beschaffung des täglichen Brotes befasst sein. Aber zum Glück können dank der ständigen naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritte immer weniger Bauern immer mehr (und meist bessere!) Lebensmittel erzeugen.

Auch die Gewerkschaften mussten einsehen, dass es nicht geht, die Beschäftigung von Heizern in E-Loks durchzusetzen. Oder von Bleisetzern in Zeiten des Computerdrucks.

Alle Regierungen fürchten die Bauern

Es gibt also absolut keinen Grund, dass sich die europäischen Staaten zur „Rettung“ von nicht gesunden bäuerlichen Betrieben immer weiter verschulden. Vor allem kann die immer wieder vorgeschobene bäuerliche Armut kein Grund dafür sein. Diese gibt es zwar sicher in einzelnen Bereichen. Aber Armutsbekämpfung ist in allen Branchen und Bereichen eine Aufgabe der Sozialbudgets oder der Familienpolitik. Es gibt ja auch für Schuster oder Greißler oder konkursgefährdete Rechtsanwälte keine Direktzahlungen oder Garantien, dass man ihnen ihre Schuhe oder Lebensmittel abkauft oder ihnen Klientenmandate gibt.

Warum aber gibt es dann immer einen solchen Wirbel gerade um das Agrarbudget? Nun, das hängt zweifellos neben der angesprochenen emotionalen Dimension mit der sehr erfolgreichen Politik der Bauernvertreter zusammen. Auch sozialistische Regierungen wie etwa die jetzige in Frankreich wagen es nicht, die Bauern wie jede andere Berufsgruppe zu behandeln. Und das tun erst recht nicht jene Regierungen, die von bäuerlichen Mandataren mitgetragen werden. Diese gibt es in fast jedem Parlament deutlich überproportional. Auch in Österreichs Nationalrat und den Landtagen sind die Bauern – so wie Beamte und Kammerangestellte – weit stärker vertreten, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung oder der Gesamtproduktion entsprechen würde.

PS.: Genauso fragwürdig und fast ähnlich groß wie die Ausgaben für die Agrarpolitik sind übrigens jene für die sogenannte Kohäsionspolitik. Das sind die Unterstützungen für die ärmeren Regionen, die im Wettbewerb mit den erfolgreichen Teilen Europas unterzugehen befürchten. Die Eurokrise zeigt aber, dass diese Kohäsionspolitik absolut nichts bewirkt hat. Denn trotz der Kohäsions-Billionen im Laufe der Jahrzehnte sind gerade die davon profitierenden Länder heute jene, die am schwersten verschuldet sind und die sich am wenigsten wettbewerbsfähig gemacht haben. Sie haben es sich mit den Kohäsionsgeldern gut gehen lassen und müssen nun in ihrer Schuldennot mit neuerlichen Billionen aufgefangen werden. Aber dennoch wird eine kritische Diskussion über die Kohäsionspolitik nicht einmal versucht. Was natürlich den Bauern gegenüber ein wenig ungerecht ist, die immer kritischer beäugt werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Neue Stolpersteine für Politiker drucken

Es muss schon bitter sein, wenn man als Politiker in einem hohen Amt plötzlich über Unachtsamkeiten, Schlampereien und Faulheit aus seiner Studentenzeit stolpert. Jüngst geschehen ist das der diese Woche zurückgetretenen deutschen Bildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan.

Ihr Rücktritt war die direkte Reaktion auf den Entzug ihrer Doktorwürde durch die Universität Düsseldorf. Dieser Schritt war im Speziellen sehr wichtig für deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Schließlich stehen in Deutschland 2013 Bundestagswahlen an. Eine derartige Affäre ist für ihre Wiederwahl natürlich alles andere als hilfreich und so musste die „treueste Verbündete” Merkels kurzerhand die Konsequenzen ziehen.

Derartige Affären sind in der jüngsten Vergangenheit nicht unbekannt. Viele erinnern sich noch an die Plagiatsaffäre des ehemaligen deutschen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, dem im Jahre 2011 von der Universität Bayreuth die Doktorwürde aberkannt wurde. Und auch in Österreich versuchte man dem schwarzen EU-Kommissar Johannes Hahn einen Strick zu drehen, indem man ihm schwerwiegende Patzer in seiner Dissertation vorwarf – was aber als unbegründet abgewehrt werden konnte.

Interessant ist, dass alle oben Genannten aus dem konservativen Lager kamen. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich um eine konservative Eigenart handelt, dass ihre akademischen Vertreter zu Plagiaten neigen – oder stellen sich die Linken einfach nur klüger an (bzw. sind die Konservativen zu unfähig, solche Skandale genauso geschickt zu vertuschen wie ihre linken Kollegen)? Denn Verdachtsmomente gab es ja auch hier: Diverse Grünpolitiker, deren Doktorarbeiten möglicherweise nicht ganz astrein seien (es gilt natürlich die Unschuldsvermutung). Aber derartige Dinge werden in der Regel von am linken Auge blinden Medien und „Qualitätszeitungen” recht schnell fallen gelassen bzw. stur ignoriert.

Interessant ist auch, dass eine derartige Aberkennung der akademischen Würde immer just dann passiert, wenn es dem politischen Gegner wahltaktisch einen Vorteil bringen möge. Ein Schelm, der hier Böses denkt. Aber es wirft die Frage auf, ob sich Universitäten für derlei politische Spielchen missbrauchen lassen. Und darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es sich für einen Akademiker in Zukunft überhaupt noch auszahlt, in die Politik zu gehen, wenn er Gefahr läuft, dass ihm der Titel aberkannt wird.

Jeder, der schon akademisch gearbeitet hat, eine Diplomarbeit, eine Dissertation, wissenschaftliche Papers und derlei ausgearbeitet hat, der weiß freilich, dass es ein schmaler Grat ist, auf dem sich der Verfasser einer solchen Schrift bewegt. Schmal deswegen, weil wissenschaftliche Arbeit in der Regel auf der Arbeit anderer aufbaut, die man dann in seiner Arbeit zitiert und entsprechend referenziert. Inwiefern eine solche Referenz allerdings ausreichend ist, dies zu entscheiden obliegt jenen Personen, welche die Arbeit bewerten. Für die Verleihung der akademischen Würde, oder aber um diese – oft Jahrzehnte später – wieder abzuerkennen. Ob ein nachträgliches Aberkennen letztendlich gerechtfertigt ist oder nicht, ist daher sehr schwer zu beurteilen.

So gesehen können sich Politiker wie Bundeskanzler Werner Faymann also mehr als in Sicherheit wiegen. Denn wer keinen akademischen Titel hat, dem kann dieser auch nicht aberkannt werden. Natürlich besteht noch die Gefahr, dass dann das Maturazeugnis näher begutachtet wird, aber das kann man ja auch verschwinden lassen. Und schließlich und endlich reicht auch ein schlechter Haupt- (Verzeihung: „Neue Mittelschul-”) oder Sonderschulabschluss, um in Österreich Politiker zu werden. Denn um im EU-Ministerrat Entscheidungen abzunicken, die man nicht versteht, externe Berater von parteinahen Firmen anzustellen oder im Boulevard zu inserieren braucht´s wirklich keinen Universitätsabschluss.

Natascha Chrobok ist Wienerin, Bloggerin (http://www.nattl.at/) und Twitter-Politik-#stammtisch-Organisatorin.

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Fußnote 402: Chuzpe auf burgenländisch drucken

Es war seit Jahren klar, nur den Burgenländern nicht: Das Burgenland ist künftig kein besonders zu förderndes Zielgebiet der EU mehr.

Die Burgenländer haben jahrelang viel europäisches Geld kassiert, das auch für etliche Dummheiten vom Tourismus bis zur Güssinger Energie-Autarkie ausgegeben worden ist. Die Förderung der Burgenländer war immer schon schwer verständlich, vor allem wenn man Gegenden in Europa mit wirklicher Armut kennt. Überdies sind abgesehen von Infrastrukturprojekten solche Hilfen immer fragwürdig. Aber das bremst die Chuzpe der Burgenländer keineswegs: Sie verlangen nun postwendend nach Fixierung des neuen EU-Budgets „ein eigenes Burgenlandprogramm“. Zahlen sollen das halt jetzt die Österreicher. Das ist die typische Denkweise des Herrn Niessl: Frechheit siegt. So wie er ja jahrlang die Fortsetzung des absurden Assistenzeinsatzes der Wehrpflichtigen an der Grenze durchgesetzt hatte, obwohl diese längst keine EU-Außengrenze mehr war, sondern offen und ohne Kontrolle passierbar. Das alles ist ein einziger Burgenländerwitz. Mein Vorschlag: Den Burgenländern statt Geld ihre Regierungsmitglieder zurück zu schicken. Sind die Herren Darabos, Berlakovich und Ostermayer doch ohnedies mehr als verzichtbar. Und ist doch das kleine Land in der Regierung mehr als übervertreten.

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Danke, David! drucken

Man soll die EU nicht ständig tadeln: Dass um das Budget in den letzten Wochen so heftig gerungen worden ist, ist eigentlich ganz normal. Wird doch auch in Österreich monatelang um den Staatshaushalt gekämpft – dabei gilt der nur für ein Jahr, oder bisweilen für zwei. Europa hat sich aber jetzt für sieben Jahre festgelegt. Und der Gipfel hat etwas erreicht, was sonst kaum wo erreichbar ist: Der gesamte Ausgabenrahmen ist trotz Inflation niedriger als in den letzten sieben Jahren. Das ist überaus anerkennenswert.

Umso selbstverständlicher ist es, dass das noch immer fast ein Billion ausmachende Budget eine Zeitlang heftig umstritten war und im Parlament noch wochenlang für Streit sorgen wird. Muss es doch nicht nur wie bei uns daheim von einer Regierungsmehrheit, sondern einhellig von allen Mitgliedsstaaten und dann eben noch von einer Parlamentsmehrheit angenommen werden. Zur Inszenierung dieses Ringens gehören auch Nachtsitzungen, Verspätungen und vertagte Gipfeltreffen. Wäre es anders, würde sofort jemand schreien, dass man da Geld leichtfertig hergegeben hätte.

Insofern ist der nunmehrige Kompromiss jedenfalls ein Erfolg.

Am wichtigsten und an diesen Budgetkampfwochen positivsten ist aber zweifellos die gewaltige Reduktion des Ausgabenrahmens, für die vor allem der Brite David Cameron gekämpft hat. Er hatte auch Angela Merkel, die Niederlande und Schweden an seiner Seite, wie Cameron berichtete. Damit konnten die Big spender in die Schranken gewiesen werden. Leider hat in dieser erfolgreichen Phalanx der Nettozahler ein Land gefehlt: nämlich Österreich. Was noch für etliche Diskussionen sorgen müsste.

Jetzt wird nun wohl jedes Land versuchen, irgendwo einen Erfolg des Gipfelringens darzustellen. Auch Österreich kann das trotz Kürzung etlicher Budgetposten und das Rabatts. Auf den der Bundeskanzler ursprünglich schon ganz verzichten wollte.

Fast jeder Ausgaben-Bereich hat durch die Kürzungen einen Grund zum Jammern bekommen. Gleichmäßig verteiltes Jammern gilt aber in der Politik und in den meisten Medien ohnedies als ein Zeichen der gerechten Verteilung notwendiger Schmerzen. Ob das Wie dieser Verteilung wirklich gerecht und klug ist, scheint freilich zweifelhaft. Das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten noch zeigen.

Vor allem sollte man sich über den Kompromiss nicht allzu voreilig freuen. Denn diesmal hat auch noch das EU-Parlament ein massives Mitsprache- und Vetorecht. Nachdem sie jahrzehntelang so heftig darum gerungen haben, werden viele Abgeordnete jetzt wohl nicht einfach alles absegnen wollen, was da beim Gipfel ausgehandelt worden ist.

Dabei haben die Abgeordneten in zwei Punkten absolut recht mit ihrem kritischen Blick auf das Budget, in einem jedoch absolut unrecht.

Recht haben sie mit der Sorge, ob das EU-Budget nicht erstmals eine Verschuldung bedeutet. Eine Verschuldung ist aber der EU nicht nur vertraglich komplett verboten. Sie wäre auch ökonomisch eine ganz üble Öffnung für einen neuen Defizitmechanismus. Der Anlass der Sorge vieler Parlamentarier: Der Kompromiss konnte ja nur deshalb gefunden werden, weil man die Differenz zwischen den finanziellen Verpflichtungen der Union und ihren wirklichen Zahlungen so weit gedehnt hat wie noch nie.

Diesen Unterschied kennt beispielsweise das österreichische Budgetrecht gar nicht, ebenso wie das der meisten anderen Länder. Er beruht auf der Erfahrung, dass viele Länder auf Grund unzureichender eigener Anstrengungen oder wegen inkorrekter Anträge bei der EU gar nicht alles Geld effektiv abholen können, das ihnen eigentlich zugedacht gewesen ist. Dabei taten sich in den letzten Jahren vor allem die Reformstaaten mit ihrer noch eher amateurhaften Verwaltung und ihrer Korruption oft schwer. Aber eigentlich müsste man annehmen, dass sich diese Defizite im Lauf der Jahre bessern werden, dass also auch Osteuropa bald mehr Geld abholt. Wenn das wirklich passiert, kann das dann eben nur mehr über Kredite finanziert werden, welche die EU aufnimmt.

Noch in einem zweiten Bereich hat die Kritik aus dem Parlament am Gipfel-Kompromiss Berechtigung: Die Abgeordneten vermissen die nötige Flexibilität. Ein Budget, das auf sieben Jahre gilt und kaum Spielraum für unvorhergesehene Entwicklungen hat, ist eigentlich absurd.

In diesen beiden Punkten kann man dem Parlament also durchaus zustimmen. Umso mehr muss man es in einem dritten Punkt tadeln. Da geht es um die Gesamtdimension der Ausgaben. Die Abgeordneten sind nämlich neuerlich weit ausgabenfreudiger als die Kommission und noch mehr als die im Rat versammelten Regierungschefs. Sie forderten daher stets einen höheren Ausgabenrahmen und rufen auch jetzt noch danach.

Das darf aber eigentlich nicht wahr sein. Die Volksvertreter wollen mehr Geld ausgeben als die Bürokratie! Eine unglaubliche Sauerei der Herren Karas, Swoboda und Co. Denn das Volk, das sie zu vertreten behaupten, will das Gegenteil: mehr Sparsamkeit und weniger Ausgaben. Aber die EU-Parlamentarier vertreten eben nicht mehr ihre Wähler, sondern die EU selber, und bestenfalls noch einige Lobbys, die beispielsweise irgendwo Tunnels bauen wollen.

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Die Medien und ihre Objektivität, die EU und die Pressefreiheit drucken

Die Schnittstelle zwischen Medien und Politik ist zu einer ganz besonderen Krisenzone unserer europäischer Staaten geworden. Zumindest sofern diese noch irgendwie als Demokratie und Rechtsstaat gelten wollen. Aber täglich bekommt man stärker die Gewissheit, dass die Zeiten wirklich unabhängiger Medien und von Staaten, welche die Freiheit der Medien voll respektieren, vorbei sind.

Die EU-Kommission hat beschlossen, sich um die Medien zu kümmern. Eine Beratergruppe der Kommission spricht von Qualität und Vielfalt, die es zu fördern gelte. Das klingt ja aufs erste harmlos. Das sind Ziele, denen auch die durchaus richtigen und keinerlei Einfluss nehmenden Presseförderungsgesetze von Kreisky und Schüssel gedient haben (freilich sind deren Folgen heute kaum mehr wahrnehmbar; die durch sie ausgeschüttete Förderung macht nur noch einen Minibruchteil der Parteienförderung aus, die ursprünglich gleich hoch gewesen ist; im Vergleich zu den parteipolitisch motivierten Regierungs- und Gemeinde-Inseraten ist sie überhaupt nicht mehr wahrnehmbar).

Jedenfalls scheint an sich ein EU-Medienprogramm insbesondere in einer Epoche legitim, da weltweit Hunderte Zeitungen zusperren müssen, da bei uns keine einzige(!!) Boulevardzeitung mehr ohne staatliche und vor allem Gemeinde-Inserate lebensfähig wäre, da bei uns einstige Qualitätszeitungen auf einen fast karikaturhaften Umfang zusammengeschrumpft sind.

Jedoch: Schaut man die EU-Vorschläge genauer an, dann zeichnet sich eine absolute Katastrophe ab, dann wird man an die übelsten Diktaturen erinnert. Dann kann man nur sagen: Lieber sollen noch mehr Medien sterben, als in einem solchen Geist gerettet zu werden. Denn die vor allem aus der Politik kommenden EU-„Experten“ verlangen allen Ernstes, dass man bösen Medien die Zulassung entziehen solle! So wie es etwa der Herr Chavez in Venezuela gerne tut. Oder das türkische Regime.

In einem Bericht der FAZ aus Brüssel liest man wörtlich: „Die EU-Kommission solle überwachen, dass diese Medienräte sich an europäische Werte hielten.“ Um Himmels willen: eine Überwachung durch „Räte“! Das ist ja ein Revival der Oktoberrevolution. Hinter den „europäischen Werten“ verbirgt sich erfahrungsgemäß nichts anderes als die Diktatur der Political correctness.

Bisher habe ich immer vehement zurückgewiesen, wenn jemand der EU vorgeworfen hat, auf dem Weg zu einer Rätediktatur zu sein. Aber man lernt dazu . . .

Dabei missbrauchen die Machthaber die Medien dort, wo sie jetzt schon zugreifen können, ohnedies auf das Schamloseste. Etwa im ORF findet man täglich solche Beispiele. Manche davon wären als Einzelfall zwar harmlos. Beim ORF aber sind sie ganz offensichtlich alltägliche Strategie.

Man nehme etwa den Beitrag in der „Zeit im Bild“ über „Deutlich mehr Geld“ für die Parteien. Das Thema lässt natürlich in fast jedem Bürger den Zorn steigen. Wie aber wird ein solches Thema optisch unterlegt? Mit Filmsequenzen der Herrn Strache, Faymann und Erwin Pröll.

Das löst nun gleich mehrfachen Zorn aus: Denn erstens sind Strache und Pröll ganz groß zu sehen; Faymann hingegen nur so klein, dass ihn kaum jemand erkennt. Zweitens kommt es nur bei so negativen Beiträgen vor, dass die FPÖ als erste Partei gezeigt wird. Drittens können die Sekundenzähler im ORF mit solchen Darstellungsweisen auch noch behaupten, sie würden Schwarz-Blau doppelt so viel Zeit widmen wie Rot-Grün. Und viertens wurden in dieser Darstellung ganz zufällig die Grünen weggelassen, obwohl natürlich auch sie kassieren. Aber die große Mehrheit der ORF-Redakteure denkt ja tiefgrün; daher kommen die Grünen bei einem Negativthema prinzipiell nicht vor.

Ein anderer ORF-Trick ist fast täglich mehrmals zu hören. Es ist der „Experten“-Schmäh. Ständig tauchen irgendwelche – meist völlig unbekannten – „Experten“ auf, die ganz zufällig immer einen linken Standpunkt vertreten. Ein Bürgerlicher, Liberaler, Konservativer oder sonst wie rechts der Mitte stehender Mensch ist für den ORF niemals ein „Experte“.

Ganz im Gegenteil: Ein Konservativer ist dort fast automatisch ein „Erzkonservativer“, ein Liberaler ein „Neoliberaler“ und so weiter. Ein roter oder grüner Mensch wird hingegen niemals mit irgendwelchen negativ klingenden Vorsilben versehen.

Mit einer Unzahl solcher unterschwelliger Methoden machen sie im ORF ständig Stimmung. Nur wer das Funktionieren von Medien nicht versteht, wird das für Kleinigkeiten halten. Das wären sie höchstens dann, wenn sie nicht ständig an der Tagesordnung sind.

Hingegen hat die Neuentwicklung im Amtsmissbrauchsskandal um Claudia Schmied keinerlei Niederschlag im eigentlich zur Objektivität verpflichteten ORF gefunden: Denn entgegen dem Gesetz wird weiterhin in jeder dritten Klasse einer AHS-Unterstufe die Schülerhöchstgrenze von 25 überschritten. In manchen Klassen sitzen sogar mehr als 30 Schüler. Und nur in jeder zwölften AHS wird in allen Klassen die Grenze 25 eingehalten. Das ist die von den Personalvertretern erhobene Bilanz fünf Jahre nach der medial (insbesondere auch im ORF) groß gefeierten Begrenzung der Klassengrößen.

Die Realität interessiert aber offenbar den ORF (und die meisten anderen Medien) in keiner Weise. Sie berichten nur die Propaganda der roten und grünen Spin-Doctoren. Dabei hat Schmied damals viel zusätzliches Steuergeld für diese Klassenreduktion bekommen. Die aber pumpt sie gesetzwidrig praktisch nur in die Gesamtschulen. Gesetze? In Österreich? Die sind doch nur für die anderen da.

Eines der grauslichsten Kapitel in unseren Medien ist auch die Berichterstattung über linke Gewalt. Jeder Leser möge selbst nachprüfen, ob er in seinem Medium sachliche Berichte ohne rechtfertigende Passagen über die linken Hassorgien gegen die Besucher des FPÖ-Balles gelesen hat. Oder im ORF gesehen hat. Hat irgendwer die unfassbare Häme des Wiener Polizeipräsidenten kritisiert, der sich öffentlich lustig darüber macht, dass angesichts der Gewaltdrohungen und des schlechten Polizeischutzes nur 3000 Menschen auf den Ball gekommen sind? Man stelle sich nur die Berichte vor, solcherart würden Demonstranten gegen eine linke Veranstaltung vorgehen oder ein Polizeikommandant sie kommentieren.

Die Leser sind auch gebeten nachzuprüfen, ob sie irgendeine Zeile gefunden haben, dass einige Wochen davor zwei CVer (bandtragende katholische Akademiker) auf der Wiener Lerchenfelderstraße von einer sich grün-alternativ artikulierenden Gruppe niedergeschlagen und verletzt worden sind. Er wird in keiner Zeitung etwas finden. Denn keine hat berichtet.

Es hat aber seltsamerweise zumindest nach Angaben der Opfer auch die Polizei seither nichts unternommen, obwohl sie sofort informiert worden war. Da fällt mir ein: War das nicht gerade die Innenministerin, die in irgendwelchen Seitenblicken in Schladming Wortspenden von sich gegeben hat? Zugegeben, das ist ja auch viel wichtiger als der Schutz gegen politische Gewalt oder die Zurechtweisung eines exzedierenden Polizeioffiziers.

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Im Target-Sumpf: Die Dilemmata von Politik und EZB drucken

Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in München (ifo), ist heute der prominenteste Nationalökonom deutscher Zunge. Seinen Ruhm verdankt er der Fähigkeit, komplizierte Vorgänge im Finanzbereich samt ihren Wirkungen auf die Realwirtschaft einfach, anschaulich und so überzeugend darzustellen, dass er zu den meist gesuchten Gesprächspartnern und Kommentatoren in den Massenmedien gehört.

Hunderte Fachkollegen schließen sich seinen Aufrufen immer wieder an, mit denen er die unbedarfte Politik vor den Nachteilen ihrer Maßnahmen und Entscheidungen warnt, welche Deutschland nach und nach in den Abgrund ziehen und Europa spalten. So traten zuletzt seiner Kritik an den Vorschlägen zur Schaffung einer EU-weiten Bankenunion über 270 Nationalökonomen bei. Die Bankschulden der PIIGSZ (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien, Zypern) von rund 9.300 Milliarden Euro in irgendeiner Weise in eine Bankenunion einzubringen, dieser Vorschlag erscheint so absurd, dass wir ihn hier im Zusammenhang mit den Target-Salden nicht behandeln, sondern  bei anderer Gelegenheit beurteilen wollen.

Größte Beachtung haben Sinns gründliche, seit 2011 öffentlich gemachte Untersuchungen zu den verheerenden Folgen der ausufernden Target-Salden gefunden, in denen sich die Auswirkungen der Europäischen Währungsunion abbilden. Er musste sich einige Zeit um die Anerkennung des Problems durch seine Fachkollegen abmühen, war aber schlussendlich erfolgreich. Nicht erfolgreich war er bei der Mehrheit der Parlamentsabgeordneten, die noch bei ihren Beschlüssen im Juni/Juli 2012 die Target-Falle nicht zur Kenntnis nahmen.

Die Schönredner unter den Verantwortlichen in den Zentralbanken (rühmliche Ausnahme: Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank), in den Finanzministerien, in der Politik und unter den Journalisten  versuchen bis heute die Auswirkungen der unbeherrschbaren Target-Salden klein zu reden. Dabei übertreffen Target-Salden die bislang aufgespannten „Rettungsschirme" um ein Vielfaches, ohne dass die Parlamente und Regierungspolitiker auf sie auch nur den geringsten Einfluss nehmen könnten. Sie alle agieren, wie die Engländer sagen, „penny-wise and pound-foolish“.  Sie liefern sich lieber Scheingefechte um ihre vermeintlichern „Hoheits- und Haushaltsrechte", die ihnen durch die „Finanzmärkte"  längst entwunden wurden; oder sie segnen Spar-, Koordinations- und Wachstumsprogramme auf ihren „Gipfeln" ab, die nicht mehr als heiße Luft für medienwirksame Ballons enthalten.

Sinns im September 2012 erschienenes Buch „Die Target-Falle – Gefahren für unser Geld und unsere Kinder" wurde innerhalb weniger Wochen zum Bestseller, doch ob die Käufer sich die Mühe machen, es durchzuarbeiten, bleibt zweifelhaft. Bitteren Wahrheiten ins Gesicht zu sehen ist nicht jedermanns Sache. Die Erkenntnis, von den eigenen Politkern, Zentralbankern und hohen Beamten von vorne bis hinten belogen, betrogen und um seine Erspartes gebracht zu werden, erschüttert das dem Menschen angeborene Urvertrauen in einer Weise, die es vielen geraten sein lässt, ihre Augen zu verschließen um den Glauben an die Würde und an das Gute im Menschen nicht ganz zu verlieren.

Was sind Target-Salden, wie entstehen sie?

Mit Target (Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) wird ein Clearingsystem zwischen den nationalen Notenbanken der Eurozone und der Europäischen Zentralbank bezeichnet, durch das der Zahlungsverkehr täglich verbucht und abgerechnet wird. Target 2 ist die Weiterentwicklung und der Nachfolger des bis Mai 2008 benutzten ersten Target-Systems.

Target-Salden, um die es in Hans-Werner Sinns Buch geht, entstehen, wenn die Summe der Überweisungen in ein Empfängerland die Rückflüsse in das Entsendeland übersteigt. In den ersten Jahren dieses Verrechnungssystems entstanden längerfristig keine größeren Salden. Guthaben wurden durch normale Kreditvereinbarungen oder durch Kapitalveranlagungen ausgeglichen. Mit der Finanzkrise traten aber spätestens 2009 die Verzerrungen ans Licht, die der Euro in der Finanz- und Realwirtschaft hervorgerufen hat. Die Salden konnten nicht mehr durch die ausgetrockneten Finanzmärkte ausgeglichen werden.

An die Stelle der Finanzmärkte traten die horrenden Verrechnungsforderungen der noch einigermaßen gesunden Länder gegenüber den PIIGSZ. Die Gefahr liegt darin, dass diese Verrechnungsforderungen oder „Target 2-Salden“ nicht mehr ausgeglichen werden können und von der EZB in größerem Ausmaß als uneinbringlich abgebucht werden müssen.

Die Entstehung dieser Salden hat vornehmlich zwei Ursachen: Leistungsbilanzdefizite und Kapitalflucht. Leistungsbilanzdefizite entstehen, wenn ein Land mehr importiert als exportiert und auch auf dem Dienstleistungssektor (bei vielen PIIGSZ zählt der Tourismus) keinen adäquaten Ausgleich schafft. Bleiben dann auch noch Kapitalinvestitionen aus und setzt mangels Vertrauen zusätzlich Kapitalflucht oder Kapitalrepatriierung ein, dann stehen die Defizitländer sehr schnell vor dem Bankrott.

Die von EFSF, ESM und IWF aufgespannten „Rettungsschirme“ sowie die Stützung von Banken und Staatsanleihen jetzt in „unbegrenztem Ausmaß" durch die Europäische Zentralbank sind „Kauf von Zeit“ und dienen nur noch der Konkursverschleppung. Zugleich führen sie dazu, dass die Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit verzögert wird und erforderliche Restrukturierungen, Beamtenabbau und Lohnkürzungen unterbleiben.

Gutachten der „Troika“ (EZB, IWF, EU), die vor Freigabe von weiteren „Hilfstranchen" den PIIGSZ regelmäßig bescheinigen, dass die hilfsbedürftigen Länder „auf gutem Wege" sind und „liefern", sind inzwischen nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden  und dienen  nur noch der Ruhigstellung aufgebrachter Bürger und kritischer Parlamentarier in den Zahler- und Garantieländern.

Doch noch wichtiger als diese „Rettungsmaßnahmen“ sind für die Verzögerung der Konkursanmeldung die Target-Salden. Um ein Gefühl für die Bedeutung der Target-Salden für die Finanzierung der PIIGSZ zu bekommen genügt der Hinweis, dass durch die „Rettungsschirme" nur etwa 18 Prozent, durch die Target-Salden (inkl. der ihrem Charakter entsprechenden Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB) dagegen 82 Prozent der bislang ausgereichten Hilfsgelder aufgebracht wurden. Von 1.471 Milliarden Euro entfielen Ende August nur 255 Milliarden auf die „Rettungsschirme".

Nicht in diesen Summen ausgewiesen sind die beträchtlichen Injektionen der EZB, durch die Not leidende Banken mit Liquidität zum fast-Nulltarif versorgt werden. Durch die laufende Herabsetzung der Bonitätskriterien bis auf Schrottniveau für zu hinterlegende Sicherheiten ("Collaterals") steigt das Risiko für die gesunden Länder nochmals beträchtlich an. Eben deshalb will die EZB das Ausscheiden eines Landes aus dem Euro unbedingt verhindern, wäre sie doch dann selbst pleitegefährdet. Keine gute Voraussetzung für unparteiische Gutachten über die Schuldentragfähigkeit eines hilfsbedürftigen Staates.

Anschreiben als bloße Konkursverschleppung

Die Griechen, so führt H.-W. Sinn seinen Landsleuten die realen Auswirkungen der Target-Salden plastisch vor Augen, lassen „anschreiben": Sie fahren in dem von uns gelieferten Mercedes herum und bezahlen ihn mit einem auf Ewigkeit angelegten „Verrechnungsposten".

Solche Importe durch die Übertragung von fungiblen Vermögenswerten (z.B. durch Pfandbriefe oder durch Gold wie noch unter dem Bretton-woods-Abkommen verlangt) zu „bezahlen“ und damit auszugleichen, dazu bestehen bei den Griechen weder Veranlassung noch Absicht und Möglichkeit. Ganz im Gegenteil: Die EZB ermöglicht sogar den Ausverkauf Deutschlands (Immobilien) durch die Bürger aus PIIGSZ, die  via EZB bei der Deutschen Bundesbank ebenfalls  „anschreiben" lassen: Der Süden „kauft sich im Norden, was einem beliebt, und die Notenbanken des Nordens saugen das Geld im Austausch gegen weitere Target-Forderungen wieder auf".

Lange kann das nicht gut gehen. Die Behauptung, Deutschland habe vom Euro profitiert, erweist sich auch an diesem Beispiel einmal mehr als Schwachsinn. Das BIP-Wachstum Deutschlands von 1995 bis zur Krise 2007 betrug nicht einmal die Hälfte des Wachstums von Griechenlands! Und nur ein Sechstel von jenem Irlands!

Die Target-Forderungen der Überschussländer (Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, Finnland, Estland) beliefen sich Ende September 2012 auf rund 1.100 Milliarden Euro, wobei Deutschland mit 75 Prozent die Hauptlast trug, in der EZB jedoch das gleiche Stimmgewicht wie Malta besitzt. Die PIIGSZ, die rund 1.000 Milliarden schulden, können leicht die Hände heben, die in die deutschen Vermögenstaschen greifen. Die deutsche Regierung und das Parlament werden nicht einmal mehr zum Abnicken gebraucht.

Der langen Rede kurzer Sinn: Deutschland steckt bis über den Hals im Target-Sumpf. Dank Merkel und ihren Helfershelfern sogar aus der Opposition (SPD und Grüne stimmen bei allen Rettungsaktionen mit) ist Deutschland „erpressbar“ geworden. Frau Merkels unbesonnene Bemerkung, „scheitert der Euro, so scheitert Europa", hat ihr jede Handlungsmöglichkeit zur Befreiung aus dem Schuldensumpf verbaut. Deutschland ist jetzt auf Gedeih und Verderb zu den Hilfen gezwungen. Die Spar- und Kontrollprogramme, an die Merkel die Hilfen binden will, werden von keinem Land mehr ernst genommen. Warum denn auch, wenn Merkel das Ausscheiden aus der Eurozone durch Konkurs ausschließt? Die Folge: Merkel und ihr Finanzminister Schäuble knicken bei jedem Gipfel ein.

Die Bilanz der „Rettungsmaßnahmen“ ist trist: Statt Senkung der Staatsschulden steigen sie in den PIIGSZ unentwegt, die Defizitreduktionen bleiben ohne Ausnahme hinter den Auflagen zurück. Spanien, der Empfänger eines „Bankenhilfsprogramms", versprach beim Beschluss im Februar 2012 seine Staatsdefizite von 2012 bis 2014 von 5,3 auf 1,1 Prozent des BIP zu vermindern, doch ein halbes Jahr später musste mit 8 und 6,4 Prozent gerechnet werden. Statt einer Verschuldung von 81,5 Prozent des BIP werden für 2014 nun 97,1 Prozent erwartet, das Bankenpaket im Ausmaß von bis zu 100 Milliarden Euro ist dabei noch gar nicht eingerechnet! Zur Belohnung für die Nichterfüllung der Auflagen und übernommenen Verpflichtungen werden Hilfssummen erhöht, die Zinsen vermindert, Rückzahlungen vertagt oder teilweise gar gestrichen.

Nicht viel anders entwickeln sich die Dinge in den anderen PIIGSZ. Die ganze Eurozone wird neuerdings auch noch durch den Absturz Frankreichs gefährdet. Die Niederländer haben schwere Probleme mit ihrem Bankensektor, sie mussten inzwischen eine der systemrelevanten Banken verstaatlichen. Ähnlich geht es Belgien und Slowenien.

Mit seinen jüngsten Reden in Großbritannien und in Davos hat der britische Premierminister David Cameron nicht nur mit dem Austritt aus der EU gedroht, sondern den Finger in die Wunde der Eurozone gelegt, die neben Stagnation mit hoher Arbeitslosigkeit und dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Jahren zu rechnen hat. Ganz abgesehen davon, dass Großbritannien „niemals“ den Euro einführen wird, sinkt dort wie auch unter den anderen Ländern die Zustimmung zur EU.

Das hat den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, am 1. Februar 2013 veranlasst, von einer „tödlichen Bedrohung der Europäischen Union“ zu sprechen. Die EU, so Schulz, habe auf breiter Front Vertrauen verloren. „Wenn sich Menschen von einem Projekt, von einer Idee abwenden, dann geht das irgendwann seinem Ende entgegen." Die „Malaise der Europäischen Union" sieht Schulz in einem „doppelten Vertrauensverlust, den die EU erleidet". In der Eurokrise verliere die Union zum einen „das Vertrauen bei den Investoren als erfolgreiche Wirtschafts- und Währungszone. Und sie verliert das Vertrauen der Bürger als die sie schützende und ihre soziale Stabilität bewahrende Macht."

Zurück zur Drachme ist die einzige Lösung

Damit die Dinge halbwegs ins Lot kommen, müssten nach der Einschätzung von H.-W. Sinn Spanien, Griechenland und Portugal längerfristig im Vergleich zum Durchschnitt der Eurozone um etwa 30 Prozent billiger werden, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, und selbst Frankreichs Preise müssen um 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der Euro- Länder fallen. Bislang ist von den notwendigen Preissenkungen so gut wie nichts passiert.

Deutschlands Preise müssten umgekehrt um etwa 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt steigen. Wollte man kein Land in die Deflation zwingen, dann müsste Deutschland  ein Jahrzehnt sogar um 5,5 Prozent jährlich inflationieren. Doch weder das Eine noch das Andere wird geschehen. Die Länder würden da wie dort vor eine Zerreißprobe gestellt, die sie nicht aushalten können.

Realistischere Vorschläge, die H.-W. Sinn in seinem Buch behandelt, laufen alle darauf hinaus, dass Griechenland ohne Rückkehr zur Drachme keine Aussicht hat, je wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Je früher das erfolgt, desto weniger schmerzhaft ist das für die Griechen und ihre Gläubiger (vgl. S. 228).

Anders stellen sich die Probleme für Spanien, Portugal, Italien, Irland und neuerdings auch für Frankreich und Belgien dar: Für diese Länder ist die Eindämmung der Kapitalflucht vordringlich. Die aber ist gebunden an die Wiedergewinnung von Vertrauen, doch das scheitert bereits an der zumeist wackligen politischen Führung in den Problemländern, die oft genug auch noch von Korruptionsvorwürfen geplagt wird.

Aus dem Dilemma der Griechen, entweder Rückkehr zur Drachme oder auf ewige Zeiten von Almosen zu leben, zieht H.-W. Sinn den Schluss, dass zumindest ein „temporärer Ausritt aus dem Euroverbund bei Ländern ins Auge zu fassen (ist), die in diesem Verbund nach heutiger Lage keine realistische Chance mehr haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen“ (S. 373). Mit „Strukturänderungen“ (Beamtenentlassungen, Lohn- und Pensionskürzungen, Inkaufnahme hoher Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen) und „Sparprogrammen“ die Länder in die Rezession und Deflation zu stürzen, bringe nichts: „Wer glaubt, das Problem ließe sich mit Sparprogrammen von der Art lösen, wie sie die Euroländer derzeit von Griechenland und Portugal verlangen, hat die Schwere des Problems offenkundig nicht verstanden“ (S. 377).

In Wahrheit gibt es nur eine Alternative: Dauerfinanzierung der Leistungsbilanzdefizite oder Austritt. Zur Dauerfinanzierung wird sich niemand bereit finden. Zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit bleibt daher nur der Austritt, die Rückkehr zur eigenen Währung mit anschließender Abwertung.

Wie das technisch erfolgen könnte, dazu gibt H.-W. Sinn zahlreiche Hinweise, doch das ist hier nicht weiter von Interesse. Historische Beispiele für die Auflösung von Währungsunionen gibt es genug. Die meisten hatten insofern Erfolg, als nach wenigen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangt und der Zugang zu den Finanzmärkten wieder offen war. „Wenn man aufhört, den Austritt als Weltuntergang zu deklarieren, und ihn auf die Ebene der praktischen Politik zurückholt, lässt er sich beherrschen und zum Wohle fast aller Beteiligten gestalten, vielleicht mit Ausnahme des Wohls einiger Finanzinvestoren. Er würde den Zusammenhalt Europas und die Basis für das friedliche Zusammenleben seiner Völker verstärken“ (S. 384).

Die Zahlungsbilanzkrise ist jedenfalls nicht durch „nahezu beliebigen Kredit aus der Notenpresse“ der EZB, durch Zinsen, die gegen Null tendieren und „Sicherheiten“, die diesen Namen nicht verdienen lösbar. Unantastbarkeit der Mitgliedschaft im Euro, unbeschränkte Hilfszusagen zur Verhinderung des „Scheiterns von Europa“,  unbegrenzter Zugang zu den Target-Krediten und zu den Griffen an der Notenpresse der EZB haben „nicht nur die Schuldenexzesse im privaten und im öffentlichen Bereich ausgelöst“, sondern auch zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit eines erheblichen Teils der Euroländer geführt“, die sich nun als „Fass ohne Boden“ für die noch soliden Länder darstellen „Wer die Eurozone zu einer Transfer- und Schuldenunion entwickeln will … spielt ein gefährliches Spiel.“ Sein „Weg führt nicht zu dem erstrebten Ziel der Vereinigten Staaten von Europa, sondern in Chaos und diskreditiert die europäische Idee nachhaltig“ (S. 386f).

Ein vernichtenderes Urteil über Euro und Währungsunion lässt sich kaum fällen.

Hans-Werner Sinn: Die Target-Falle – Gefahren für unsere Kinder und unser Geld. Geb. 417 Seiten. Hanser-Verlag, München, 2. Aufl., Okt. 2012, ISBN 978-3-446-43353-3, Euro 19,90

Der Autor ist Univ.-Dozent für Theoretische Volkswirtschaftlehre und Volkswirtschaftspolitik. Seine letzten Publikationen: Die Rechte der Nation (2002), Der Sinn der Geschichte (2011), ESM  – Verfassungsputsch in Europa (2012).

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Eisenbahn: der mutige Kampf der EU drucken

Der EU wird zu Recht der Vorwurf gemacht, sich viel zu viel in Dinge einzumischen, die lokal – also durchaus unterschiedlich – geregelt werden könnten. Oder die überhaupt von keiner Obrigkeit geregelt werden sollten. Dafür hat sie wichtige Bereiche, die für das Funktionieren eines wirklich gemeinsamen Binnenmarktes notwendig sind, noch immer nicht harmonisiert. Umso erfreulicher ist, wenn sie da nun einen wichtigen wie schwierigen Bereich angreift. Daher sollte das Protestgeheul der bisherigen Profiteure und ihrer Lobbyisten bedenkenlos überhört werden. Selbst wenn zu diesen einst angesehene Ökonomen zählen.

Die Liste der für einen Binnenmarkt noch immer fehlenden Notwendigkeiten ist groß: Sie betrifft vor allem jene Bereiche, wo es grenzüberschreitende Verbindungen und Netzwerke gibt. Das sind etwa:

  • die gemeinsame Flugverkehrskontrolle (wo die nationalen Eifersüchteleien das Fliegen verteuern),
  • der gesamte Energiebereich (man denke an die katastrophalen Auswirkungen der deutschen Alternativenergiepolitik auf die Stromnetze der Nachbarländer),
  • der Straßenverkehr (nicht einmal die Verkehrszeichen sind einheitlich; jede zweite Großstadt hat neuerdings nun auch schon völlig eigenständig und undurchschaubar eigene Einfahrtsverbote entwickelt)
  • und insbesondere auch die Eisenbahn.

Die Bahn als nationales Königreich

Die Eisenbahn ist in Sachen Binnenmarkt noch immer ein absoluter Horror. Ich habe das etwa vor einigen Jahren erlebt, als ich für meine Familie Bahntickets auf einer Reise durch vier europäische Länder zu lösen beschloss. Dieses Vorhaben beschäftigte mich tagelang intensivst, so kompliziert war es, wenn man die Preise halbwegs optimieren wollte. Denn in jedem Land gelten andere Gruppen-, Familien- und Rückfahrkartenregelungen. Das kreuzt sich dann auch noch mit einem undurchschaubaren Aktionismus an befristeten Sonderaktionen.

Am Schluss musste ich mit einer dicken Aktentasche die Reise antreten. Darinnen waren für jedes Land eigene Ticket-Pakete. Ich schwor mir, jenseits von Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt niemals mehr mit der Eisenbahn zu fahren. Wobei ja schon die Südbahn heftigen inneren Widerwillen auslöst. Denn nur auf der Weststrecke ist das Bahnreisen halbwegs komfortabel geworden. Vor allem dank der dort fahrenden privaten Konkurrenz.

Absurd ist aber auch, dass jemand billiger nach Innsbruck fährt, wenn er ein Ticket nach Zürich löst und vorzeitig aussteigt, als wenn er „nur“ bis Innsbruck zahlen würde. Er muss das nur wissen. Denn die ÖBB selber sagen einem das ja nicht.

Und wer nur bisweilen in einem Verkehrsverbund unterwegs ist, also ein Nichtexperte, wird durch die diesbezüglichen Informationen und Regelungen so verwirrt, dass er ohne Hilfe kein Ticket kaufen kann. Worauf er bald wieder a priori zurück zum Auto wechselt.

Nun versucht die EU-Kommission mit einem neuen Regelungspaket, bei den Eisenbahnen ein wenig mehr Vereinheitlichung herzustellen und ein wenig transparentere Regeln durchzusetzen. Dabei muss man ihr viel Glück wünschen, auch wenn sie das ohnedies nur schaumgebremst versucht.

Der Kampf der Schienen-Lobbyisten gegen die Konsumenten und Steuerzahler

Denn schon erheben sich lautstark die Manager und Lobbyisten vor allem der deutschen und österreichischen Bundesbahn mit ihren engen Vernetzungen in ein großes politisches Lager. Klarerweise zittern dort viele um ihre geschützten Werkstätten, in denen die Kundschaft oft nur als leider nicht ganz verbietbare lästige Begleiterscheinung behandelt wird. Das macht aber ein Gelingen des EU-Vorhabens ebenso schwierig wie wichtig.

Der rote Faden der EU-Kommission: Sie will mehr Wettbewerb auf der Bahn. Wie in allen Bereichen nützt der Wettbewerb Kunden und (bei der Bahn ganz besonders!) Steuerzahlern. Wettbewerb steckt ja auch hinter den günstigen Zürich-Fahrkarten: Denn auf dieser Strecke gibt es diesen Wettbewerb – wenn auch mit dem Flugzeug. Nach Innsbruck nicht.

Der einzige Vorwurf, den man der EU machen kann: Sie geht zu langsam und nicht hundertprozentig konsequent vor. Worüber aber klagt der (politisch eingesetzte) Chef der ÖBB? Über das Gegenteil; die Vorschläge seien „aggressiv und viel zu schnell“.

Wie schnell sind sieben Jahre?

Um zu verstehen, was man bei der ÖBB als „zu schnell“ versteht: Das sind fast volle sieben Jahre! Bis Dezember 2019 will die EU nämlich den Ländern ohnedies Zeit lassen, den Personenverkehr für neue Marktteilnehmer und Dienste zu öffnen . . .

Laut jammern die ÖBB und die mit ihr verbundene Partei auch über die von der EU verlangte Trennung zwischen Infrastruktur und Absatz. Das würde die ÖBB „hart treffen“, meint ÖBB-Chef Christian Kern. Gewiss: Herr Kern wäre dann halt nur noch Chef eines der beiden Bereiche. Das ist gewiss ein hartes Schicksal.

Nach außen weiß er aber nur ein einziges Argument zu nennen: Der „Ausgleich“ zwischen Mitarbeitern beim Bau und der Erhaltung der Schienen auf der einen Seite und den Eisenbahnern, die sich um die Züge selber kümmern, wäre nicht mehr möglich.

Es ist offenbar ein bisher unbekanntes Naturgesetz, demzufolge man es bei der Bahn auch in sieben Jahren nicht schafft, die Mitarbeiter-Dimensionen einem angekündigten neuen Umfeld anzupassen. Dass in der selben Zeit Tausende Unternehmen in Konkurs gehen werden, und Hunderttausende sich einen neuen Arbeitgeber suchen und umlernen müssen, sind für Eisenbahner offenbar Vorgänge auf einem anderen Planeten. Statt nachzudenken, ob man dazu eventuell die Änderung innerösterreichischer Gesetze verlangen sollte, jammert Kern: Geht nicht.

Sogar der natürliche Abgang würde reichen

Ja noch mehr: Im gleichen Atemzug, da er jammert, kündigt Kern an, dass sehr wohl die Größenordnung von 40.000 (aktiven) Eisenbahnern gleich bleiben werde. Um bis Ende 2019 die Mitarbeiterzahlen drastisch zu senken, würde es aber in Wahrheit genügen, den natürlichen Abgang wirken zu lassen. Damit müssen sich locker 20 Prozent reduzieren lassen, wahrscheinlich sogar 25. Wenn man nur will und nicht in Wahrheit parteipolitische und gewerkschaftliche Interessen verfolgt.

Wenn Kerns Argumente richtig wären, dann hätte man ja einst auch die Post nicht in Telekom und Briefpost aufspalten und weitgehend privatisieren dürfen. Diese Aufspaltung und Öffnung für einen harten Wettbewerb hat den Österreichern jedoch erstens eine sensationelle Verbilligung ihrer Telefonierkosten gebracht. Und zweitens hat sie sogar die damals von schlechten Zukunftsaussichten begleitete gelbe Post in ein heute auch für Anleger attraktives Unternehmen verwandelt, das neue Märkte erobert, statt sich zu fürchten.

Dabei war die Brief- und Paketpost bei der früheren Einheitspost immer ein großer Defizitbringer. Dabei hat die neue Post noch immer einen lähmenden Rucksack von Beamten auf der Besoldungsliste mitzuschleppen, von denen sich leider ein Großteil als unbrauchbar erwiesen hat. Das merkt man noch immer in so manchen Postämtern. Diese sind noch wirkliche Ämter geblieben, wo es offensichtlich dauert, bis sich auch dort der neue Geist auswirken wird.

Umstellungsprobleme in den Anfangsjahren

Zurück zur Bahn: Europaweit gibt es vorerst nur zwei Länder, welche die Eisenbahn komplett für den Wettbewerb geöffnet und gleichzeitig Infrastruktur von Betrieb getrennt haben: Schweden und Großbritannien. Und beide haben ganz exzellente Erfahrungen damit gemacht.

Auch in Großbritannien haben selbst die Linksregierungen niemals versucht, Privatisierung und Wettbewerb wieder rückgängig zu machen. Die Passagierzahlen sowie die mit Umfragen getestete Fahrgastzufriedenheit haben dramatisch zugenommen; und die Unfallzahlen haben sich reduziert.

Woher kommen dann die bei uns immer wieder verbreiteten kritischen Berichte über die englische Bahn?

  • Die hängen erstens mit der ideologischen Prädisposition der meisten Journalisten zusammen;
  • die hängen zweitens mit den tatsächlichen Umstellungsproblemen in den allerersten Jahren nach der Privatisierung zusammen;
  • die waren drittens Folge von auf dem britischen Boulevard sehr breit berichteten Preiserhöhungen in der Anfangszeit (diesen waren aber wiederum Folge von davor lange aus politischen Gründen eingefrorenen Preisen und sie haben bei weitem nicht das Ausmaß etwa der jüngsten Tariferhöhungen in der Gemeinde Wien erreicht);
  • sie waren viertens Folge der Neuheit und des Tempos einer viel rascheren Privatisierung, als sie von der EU jetzt geplant ist (die Briten haben ja als Pioniere nicht schon auf Erfahrungen anderer Länder und jetzt auch auf offensichtlich gut vorbereitete EU-Studien aufbauen können);
  • sie war fünftens Folge der davorliegenden Jahrzehnte, in denen der britische Staat als Eigentümer auf jede Investition in die Bahn verzichtet hatte;
  • und sie hängen sechstens mit dem Problembereich Infrastruktur zusammen, wo dann – als einziger Bereich – auch die Privatisierung bald zurückgenommen werden musste.

Problemzone Infrastruktur

Denn entgegen den damaligen Erwartungen lässt sich die Infrastruktur naturgemäß schlechter privatisieren als Personen- und Frachtzüge. Bei der Infrastruktur kann es naturgemäß kaum Wettbewerb geben. Und Investitionen haben dort eine viele Jahrzehnte dauernde Amortisationsfrist. Es wird ja auch nirgendwo das Straßennetz privatisiert, wenngleich einzelne mautpflichtige Autobahnen und Brücken ein interessantes Beispiel sind, wie man auch dort sonst nicht mehr finanzierbare Infrastrukturbauten privat bauen kann.

Die österreichische Asfinag ist jedenfalls kein gutes Beispiel für eine staatliche Infrastrukturgesellschaft: Denn sie hat sich auf Jahrzehnte hinaus schwer verschuldet. Die Asfinag müsste eigentlich wegen ihrer Finanzsituation in ein paar Jahren alle Investitionen einstellen. Sie hat in den letzten Jahren viel zu viel gebaut. Sie stand auch unter Druck der parteipolitisch hervorragend vernetzten Baulöwen (man denke nur an die Herrn Pöchhacker oder Haselsteiner), die ohne Rücksicht auf die Zukunft bauen, bauen, bauen und damit Geld verdienen wollten; sie stand unter Druck von Bürgermeistern und Landeshauptleuten, die Österreich mit so viel Lärmschutzwänden auf Kosten der Asfinag zumauern ließen, wie es sie in ganz Europa nicht gibt. Und von den Korruptionsinseraten der Asfinag wollen wir ja gar nicht reden.

Das wäre alles bei einem privatwirtschaftlich verpflichteten Infrastrukturbetreiber jedenfalls nicht passiert.

Die britischen Bahnen sind eine Erfolgsgeschichte

Alles spricht also dafür: Die EU hat recht, wenn sie entgegen den Berichten in linken Medien auch Großbritannien als absolute Erfolgsstory einer Trennung der Bahngesellschaften, einer Privatisierung und eines starken Wettbewerbs nennt. Denn selbst eine staatlich verbleibende oder notfalls wiederverstaatlichte Infrastrukturgesellschaft steht unter Druck der privaten Betreiber, für funktionierende und sichere Schienen zu sorgen. Und diese Betreiber stehen wieder unter Druck der Kunden, die ja auch Auto, Lkw oder Flugzeug benutzen können.

Wir sind daher schon froh, wenn die EU mit ihrem Hauptziel Erfolg hat: Dass in ein paar Jahren quer durch Europa Züge in offenem und transparentem Wettbewerb nach einheitlichen Regeln fahren können. Wer auch immer für die benutzten Schienen sorgt. Dieses Ziel ist nur dann erreicht, wenn nicht wie anfangs zwischen der neuen „Westbahn“ und den ÖBB unzählige Prozesse wegen der diskriminierenden Behandlung der „Westbahn“ anhängig gemacht werden müssen, weil die ÖBB die Konkurrenz so schlecht behandelt hat.

Genügen Feuermauern statt echter Trennung?

Auf Grund dieser Erfahrungen muss man freilich über einen halben Rückzieher der EU traurig sein: Sie akzeptiert, dass auch nach der Neuordnung Betriebs- und Infrastrukturgesellschaft derselben Holding gehören. Sie verlangt nur gute Feuermauern dazwischen. Aber solche  haben noch nie perfekt funktioniert, wenn der Eigentümer gleich ist. Womit wohl der zweite Webfehler in ein sonst sehr gutes Konzept eingebaut ist.

In diesem finden sich jedoch auch noch viele andere sehr gute Details und Vorhaben. Davon sei hier nur eines genannt: Das ist die Schaffung einer einzigen europäischen Anlaufstelle für die Genehmigung aller Fahrzeuge und in dem Bereich aktiven Unternehmen. Alleine mit der einheitlichen Genehmigung sind mindestens 20 Prozent Kostenersparnisse möglich (nicht nur weil dann halt im Verkehrsministerium ein paar Beamte überflüssig werden). Man denke nur daran, wie sehr nationale Bahnen, etwa die italienische, ausländische Züge immer wieder wegen skurriler Sicherheitsregeln behindert haben.

Ein starker Regulator fehlt weiterhin

Zwei weitere Bereiche sind hingegen auch mit dieser Reform noch nicht ganz geglückt: Einerseits fehlt ein wirklich starker Regulator, der die  Gleichberechtigung aller Betreiber durch die Infrastrukturverwalter sowie Tariftransparenz und Konsumentensicherheit europaweit sicherstellen könnte; diese Aufgabe erfordert nämlich einen täglichen Kampf gegen ständig neue Tricks der Firmen und kann nicht von vornherein mit einer einzigen Richtlinie geregelt werden.

Andererseits werden die technischen Anlagen noch immer nicht vereinheitlicht. Daher wird es auch in Zukunft noch immer nicht jeder Lokomotive möglich sein, quer durch Europa zu fahren. Wie es ein Lkw seit langem kann. Die Lkw aber sind bekanntlich die weitaus größte Konkurrenz der Bahn.

Also Ja zur Gleichberechtigung der Bahn mit der Straße. Auch wenn die Bahnen lustigerweise heftig dagegen sind.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Hirnraub statt Wasserraub drucken

In jedem Land gibt es eine Region, deren Einwohner unter den restlichen Mitbürgern als leicht bis schwer zurückgeblieben gelten, und denen dann reihenweise bösartige Witze gewidmet werden. Das sind etwa in Deutschland die Ostfriesen und in Österreich meist die Burgenländer. Nun hat auch Europa eine solche Region. Es sind die Österreicher. Ihre Panik, dass ihnen das Wasser geraubt werde, wird europaweit nur mit einem Satz kommentiert: Dümmer geht's nimmer. Die Sache ist aber nicht nur dumm, sondern auch ziemlich mies. Weil den Bürgern etwas eingeredet wird, was ihnen selbst massiv schadet und der Politik, etwa in Wien den Rathausbonzen, massiv nützt.

Es war eine der vielen Kampagnen des greisen Hans Dichand, mit denen er seine meist nicht sehr hellen Leser zu emotionalisieren versucht hatte. Er redete ihnen ein, irgendjemand würde ihnen das Wasser rauben; oder zumindest nur noch eine braune Brühe durch die Leitungen schicken. Diese finsteren Bösewichte existierten zwar immer nur in der Phantasie. Aber die Kampagne fruchtete. Viele Österreicher fürchteten sich wieder einmal. Diesmal davor zu verdursten. Und fast alle Parteien begannen sofort, die Österreicher in dieser Furcht zu bestärken. Sie haben ja noch nie ihre Aufgabe darin gesehen, Fakten und Wahrheiten unters Volk zu bringen.

Auch bei anderen Fragen machen ja meist alle Parteien im Gleischritt bei der Panikmache mit. Dies zeigen neben der Wasserpanik auch die regelmäßigen Ängste vor Atomkraftwerken, Genen, Hormonen und allen anderen Dinge, die weder ein Mitglied der Familien Dichand und Fellner noch ein Politiker so recht versteht. Damit haben sie natürlich auch bei vielen Österreichern Erfolg. Denn wenn sich schon fast alle Medien und Politiker fürchten, glauben sie natürlich, sich erst recht fürchten zu müssen. Wer soll denn gegen diesen Tsunami gleichgeschalteter Panik noch auf Wissenschafter oder andere Vernunftaposteln hören, die sich noch dazu immer so kompliziert ausdrücken? Für "Wasserraub!" genügen hingegen zehn Buchstaben.

Viele Landsleute merken gar nicht, dass hinter der Panikmache einzig das verzweifelte Ziel von Auflagen- und Wählererfolgen stand. Und sie bekamen solcherart auch nicht mit, dass Österreich mit seinen skurrilen, von grünen NGOs geschürten Ängsten zunehmend alleine war. Bei der Angst ums Wasser steht das Land nun überhaupt total isoliert da. Nicht einmal die sonst ebenfalls panikaffinen Deutschen machen da mit. Kein Wunder, dass ganz Europa über Österreich lacht.

Das letzte Hochkochen des Wassers ist durch eine EU-Richtlinie ausgelöst worden. Zwar steht dort keine Zeile von der Pflicht einer Privatisierung des Wassers, aber wer wird denn irgendeinen Text ordentlich durchlesen, wenn man sich doch ohne Lesen so schön furchten kann. Tatsache ist: Der Verkauf von Wasserquellen, Wasserleitungen und Wasseranschlüssen wird durch diese Richtlinie weder verlangt noch erleichtert.

Daher hat auch das Bundeskanzleramt dieser Richtlinie ursprünglich – richtigerweise – voll zugestimmt. Das hindert einen Menschen mit dem Charakter eines Werner Faymann natürlich nicht, nun sogar mit Verfassungsbestimmungen gegen diese EU-Richtlinie anzureiten. Wenn die Krone pfeift, springt der Faymann noch allemal. Notfalls auch aus dem Fenster.

Die Richtlinie jedenfalls ist keineswegs ein Vorkämpfer einer Privatisierung. Leider. Im Gegenteil: Sie schreibt nur etwas anderes ebenfalls Richtiges vor: Bei einer Beauftragung eines Unternehmens mit der Wasserversorgung muss eine ordentliche Ausschreibung stattfinden. Damit nicht wie bisher der diesbezügliche Auftrag unter der Hand an irgendwelche politischen oder sonstigen Freunde vergeben werden kann. Damit wird also eine eventuelle Privatisierung nicht erleichtert, sondern ganz eindeutig erschwert. Alle Aspekte einer Ausschreibung von öffentlichen Dienstleistungen sollen transparent gemacht und gegen Korruption abgesichert werden. Das sollte eigentlich nach den Ereignissen des letzten Jahres insbesondere in Österreich hoch geschätzt werden. Wird es aber offenbar nicht.

Eben schon deshalb nicht, weil die meisten Journalisten die Richtlinie gar nicht gelesen haben. Was sie nun aber nicht etwa mit Schuldgefühlen erfüllt. Im Gegenteil: Eine Kommentatorin einer Halbboulevardzeitung wirft nun der EU vor, dass die Journalistin nicht ordentlich informiert worden sei, die zuvor gegen die Richtlinie gewettert hat. Medien auf österreichisch: Schuld sind immer die anderen. Der Schiedsrichter, der Schnee.

Selbstverständlich war auch bisher schon Wasser-Privatisierung in Österreich nicht nur möglich, sondern hat auch immer wieder stattgefunden. An die Hundert Gemeinden haben allein in Österreich solcherart die Wasserversorgung privatisiert, meist in halb privaten, halb öffentlichen Mischgesellschaften. Die Wasserversorgung wurde dadurch jedenfalls nicht schlechter, sondern besser. Zumindest zum Teil privatisiert worden sind ja auch Stromversorgung, Gasanschlüsse, Müllabfuhr oder öffentlicher Transport. Keine Gemeinde war gezwungen dazu. Aber sie taten es.

Warum aber tun sie das – in anderen Ländern noch viel mehr als in Österreich? Die Antwort ist klar: Weil Gemeinden oder Länder es sich selber nicht mehr leisten können, weil solche Versorgungsnetzwerke oft gewaltige Investitionssummen brauchen, weil vielerorts ohne Privatisierung die Wasserversorgung nie funktioniert hätte, weil dabei oft unfähige und korrupte Beamte sich nur um die eigenen Taschen, aber nie um eine gute Wasserversorgung der Bürger gekümmert haben, weil private Unternehmen nach allen Erfahrungen deutlich billiger sind - und wenn sie unter Konkurrenzbedingungen arbeiten, noch viel mehr. Die viel öfter herstellbar sind, als man glaubt.

Vom täglichen Brot über die Milch bis zur Stromversorgung zeigt sich ganz klar: Überall funktioniert auch bei rein privaten Strukturen die Versorgung der Bevölkerung mit allen grundlegenden Produkten des täglichen Lebens exzellent und lückenlos. Und die Qualität von Brot oder Milch ist hervorragend. Ohne dass die Dichands und Fellners Brot- oder Milchalarm ausgerufen hätten. Und selbst wenn einmal - etwa wegen einer großflächigen Rinderinfektion - die Milchversorgung bedroht wäre, würde eine Verstaatlichung dagegen absolut nicht helfen.

Wenn das wirklich so vorteilhaft ist, drängt sich umgekehrt die Frage auf: Warum privatisieren denn nicht alle ihre Verssorgungseinrichtungen? Die Antwort liegt auf der Hand: Für die regierenden Parteien sind diese Versorgungsunternehmen wunderbare Instrumente: Sie können dort ihre verdienten und unverdienten Funktionäre mit höchstbezahlten Protektionsposten bedienen. Sie holen sich aus den Marketing-Budgets (siehe die Wiener Stadtwerke, siehe den Flughafen, siehe die Telekom) viele Millionen für parteipolitische Aktionen und Subventionen. Sie holen sich auch auf direktem Weg viel Geld. Man denke nur an die exorbitanten Erhöhungen von Wasser- und anderen Preisen in Wien während des vergangenen Jahres.

Alleine die Wiener Wasserwerke haben trotz der Verwaltung durch Partei, Funktionäre und Beamte dem rotgrünen Rathaus im Vorjahr einen Profit von nicht weniger als 85 Millionen Euro gebracht.Da war es den Genossen völlig wurscht, dass auch die von ihnen verbal so hofierten Armen eine überflüssige Wasserpreiserhöhung zahlen mussten.

Aber ist das nicht doch ein Beweis, dass die ordentlich wirtschaften, wenn das so erfolgreich ist? Nun, die wirklich großen Investitionen in die Wiener Wasserleitung, also die beiden Hochquellenwasserleitungen, deren Ausmaß einst sogar Europarekord bedeutet hatte, haben die Genossen gratis von bösen Vorgängern geerbt: Die eine vom bösen Bürgermeister Lueger (dessen Andenken Rot-Grün gerade auszuradieren versucht), die andere von den bösen bürgerlich-liberalen Stadtverwaltungen in Wien (deren Weisheit bei den Linken immer nur als neoliberal bezeichnet und verachtet wird).

Auf diesen historischen Errungenschaften sitzend, kann man leicht angeben, abcashen und gegen Privatisierung stänkern. Wie es Wien vehement – und nun sogar mittels einer (von niemandem verlangten!) Volksbefragung tut. Infamerweise besticht man sogar Medien durch Steuer-Millionen an Inseraten, damit diese auch diese Aktion im eigenen Macht- und Geldinteresse der Wiener SPÖ unterstützen.

Während bei uns Panik ums Wasser gemacht wird, haben in Frankreich und Italien, also in Ländern mit deutlich schlechterem und weniger Wasser, private Unternehmer Milliardenumsätze (auch für die nationale Steuerkasse) gemacht, indem sie Wasser in Flaschen abgefüllt und weltweit als gesuchte Markenartikel verkauft haben. Bei uns würden hingegen die leider am Weltmarkt viel weniger erfolreichen Firmen wie Vöslauer&Co zusperren müssen, wenn die private Wassernutzung wirklich verboten würde.

In vielen anderen Gemeinden Europas wäre ein Verbot von privaten Wasserversorgungen eine absolute Katastrophe. Bei uns aber unterstützen auch die meisten anderen Parteien das SPÖ-Rathausimperium in seinem Kampf gegen das Verlangen der EU-Richtlinie, dass künftig die Vergabe öffentlicher Dienstleistungen korrekt ausgeschrieben werden muss. Während auf Bundesebene wenigstens bei der ÖVP einige noch gegen die Wasserpanik argumentieren, geht Im Wiener Rathaus auch die ÖVP gemeinsam mit Rot, Grün und Blau auf die Barrikaden. Die wenigen Stadtschwarzen trauen sich offenbar nicht mehr, alleine für etwas einzustehen.

Besonders grotesk ist, dass im Kampf gegen die imaginären Wasserräuber der Parteiobmann des BZÖ am lautesten den Mund aufreißt – also ausgerechnet jener Mann, der gern behauptet, ein Liberaler zu sein. Grotesker gehts nimmer.

Wie ist es wirklich um den privaten Investor bestellt, der laut Boulevard und SPÖ den Österreichern das Wasser abdrehen wird? Der würde sich erstens finanziell tief ins eigene Fleisch schneiden. Und zweitens kann und soll die öffentliche Hand natürlich auch nach einer eventuellen Privatisierung ihre Kontrollpflichten ausüben. So wie bei jedem anderen Lebensmittel kann und soll das Marktamt ständig eine genaue Qualitätskontrolle vornehmen. Und die Politik kann jeden eventuellen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung mit vielen vorhandenen Instrumenten wie auch einer Menge zusätzlich denkbarer bekämpfen.

In jedem Markt jedoch, wo sich die Politik zu viel einmischt, wird die Sache vor allem eines; Teuer für die Bürger. Man denke nur an den Strompreis: Dieser ist heute nur deshalb um 70 bis 150 Euro zu hoch – alljährlich und für jeden Haushalt –, weil die Politik unter Druck von Grünen und Krone beziehungsweise Bild-Zeitung die völlig unwirtschaftlichen Sonnenpaneele und Windmühlen mit dem Geld der Konsumenten fördert. Ohne diese jemals gefragt zu haben.

All diese Zusammenhänge sind eigentlich absolut klar dokumentiert und sollten daher Selbstverständlichkeiten für alle Österreicher sein. Aber offenbar sind sie das nicht. Weil diese Österreicher von Zeitungen und Parteien ständig verblödet werden. Weil den Menschen nicht einmal in der Schule die allereinfachsten wirtschaftlichen Zusammenhänge vermittelt worden sind.

Was am meisten irritiert: Gerade haben die Österreicher beim Bundesheer Phantasien der Dichand- und Fellner-Medien eine schallende Absage erteilt. Und dennoch setzen sich die Parteien auch nachher und sogar geschlossener dennn je hinter die nächste  absurde Hysterie der Kleinformate. Die Lernfähigkeit der Politik ist offenbar Null.

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Ohne Energie keine Zukunft für Europa drucken

Neben der falschen Reaktion auf die Schuldenkrise ist die ebenfalls falsche Energiepolitik die größte Bedrohung der wirtschaftlichen Zukunft Europas. Sie ist zweifellos eine ganz entscheidende Standort-Dimension – auch wenn sie in der politischen und medialen Debatte weitgehend ignoriert wird.

Wenn es einmal zu teuer ist, in Europa zu produzieren, wenn wie jetzt nachweislich hier immer mehr Unternehmen auf Investitionen verzichten, dann droht eine ganze Domino-Kette an katastrophalen Entwicklungen, deren Dynamik kaum mehr umgedreht werden kann. Längst ist klar: Die von der Politik und einschlägigen Profiteuren verkündete Forderung, lediglich in die Forschung Geld zu stecken, geht ins Leere, wenn es rundherum keine „schmutzige“ Industrie mehr gibt. Ganz abgesehen davon, dass China jetzt auch schon bei der Anmeldung von Patenten auf der Überholspur ist.

Europa aber fördert um das Geld der Wirtschaft und Konsumenten nicht nur die in unserem Klima sinnlose Stromerzeugung aus Sonnenschein (beispielsweise in den letzten zwei Monaten eine absolute Rarität!) und Wind (bei Nebellagen wochenlang absent!). Es fördert auch sinnlose Investitionen, die höchstens dem dabei aktiven Gewerbe Freude machen: Dabei geht es etwa um die teuren Gebäudesanierungen, für die es viel Subventionen aus Steuergeld gibt. Viele Isolierungen, sowie Fenster- und Türentausch amortisieren sich aber nur unendlich langsam. Einzig die Isolierung von Kellerdecken und Dachböden ist meistens sinnvoll, weil billig. Bisweilen wird durch geförderte Maßnahmen die Wärmebilanz sogar negativ beeinflusst: Wenn Sonnseiten isoliert werden, kann die Sonne nicht mehr das Gebäudeinnere wärmen.

Jetzt hat nun sogar der EU-Rechnungshof erkannt: Viele von der EU unter dem Druck der Grün-Lobby geförderte Energie-Effizienz-Investitionen sind ein reines Verlustgeschäft. Denn sie würden sich oft erst nach 50 bis 150 Jahren amortisieren. Das heißt aber, viele Gebäude sind bis dahin längst wieder abgerissen.

Nun meinen manche: Hauptsache, es werde die Wirtschaft angekurbelt. Das ist aber Unsinn. Investitionen durch Staat wie Unternehmen haben immer nur dann einen Sinn, wenn sie sich auch rentieren. Dies gilt dann noch viel mehr, wenn sie wie bei der öffentlichen Hand primär durch Schulden finanziert werden.

Der größte Schaden aber sind überhöhte Energiepreise für die Industrie. Wenn diese in Nordamerika und Asien nur noch einen Bruchteil der europäischen Energiepreise zahlt, dann wird eben nur noch dort investiert werden – vor allem angesichts der in Europa ohnedies besonders hohen Lohn- und Sozialkosten. Dabei säßen wir auf vielen neuentdeckten Gasvorräten, die auch Europa und Österreich wieder ins Zukunftsspiel bringen würden. Aber die erforschen wir nicht einmal ordentlich, weil ein paar Angstmacher die über den Erdgasfeldern wohnenden Menschen verschreckt haben. Und weil die Politik daraufhin sofort eingeknickt ist.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Aufsichtsräte: Norwegens verheerende Bilanz drucken

Wäre es nicht das britische Linksorgan „Guardian“, so würden die Feministinnen jedes Geschlechts den Artikel wohl a priori als rechtes Machwerk denunzieren. Motto: Ignoriere so weit wie möglich alles, was dir unangenehme Wahrheiten sagt. Mit dem „Guardian“ aber und mit dessen Bericht über die verpflichtende Frauenquote in norwegischen Aktiengesellschaften tun sie sich ziemlich schwer.

Im Zentrum des Berichts steht die meistbeschäftigte norwegische Aufsichtsrätin, deren Meinung zur Frauenquote sowie über die Auswirkungen der Quote. Der Text kommt zu Ergebnissen, die nicht gerade in die rot-grüne Feminismus-Litanei passen.

In der EU wollen Teile der Kommission und in Österreich wollen Rot wie Grün bekanntlich so wie Norwegen eine zwingende Frauenquote in Aufsichtsräten börsenotierter Aktiengesellschaften dekretieren. Ganz abgesehen davon, dass ich noch nie eine Frau aus dem wirklichen Leben ausgerechnet über die fehlenden Aufsichtsratquoten klagen gehört habe, ist die norwegische Erfahrung verheerend. Norwegen ist jedoch das erste Land, das diese Quote verwirklicht hat.

Die Tatsache, dass Mai-Lill Ibsen derzeit in zehn Aufsichtsräten sitzt, ist nicht sonderlich sensationell. Dass es vor kurzem noch 185 gewesen sind, klingt da schon anders. Sie hat ihre Jobs deshalb reduzieren müssen, weil sie jetzt in einem ganz besonders wichtigen Aufsichtsrat sitzt, nämlich dem des norwegischen Pensionsfonds, der mindestens fünf Prozent an allen börsenotierten Aktiengesellschaften hält, und der die sonstigen Aufsichtsrats-Jobs seiner eigenen Führung limitiert.

Um nicht missverstanden zu werden: Die Qualifikation von Frau Ibsen ist zum Unterschied von etlichen Feminismus-Profiteurinnen durchaus ausreichend für die Arbeit eines Aufsichtsrats. Ob das bei wem immer – Mann oder Frau – auch bei 10 oder 185 gleichzeitigen Aufsichtsfunktionen noch der Fall sein kann, ist hingegen sehr fraglich. Wegen ihrer guten Qualifikation werden Ibsen jetzt jedenfalls schon europaweit Aufsichtsratsjobs angeboten. Inzwischen ist ja überall der Gender-Druck ausgebrochen. Und es gibt eben überall nur sehr wenige halbwegs qualifizierte Kandidatinnen. Das hält freilich die Frauen Reding und Heinisch-Hosek mit ihrer absoluten Ahnungslosigkeit von Wirtschaft nicht auf, weiter für eine 40-prozentige Pflichtquote zu kämpfen.

Mai-Ill Ibsen hält jedoch gar nichts davon: „Ich habe niemals eine gläserne Decke gesehen. Ich bin gegen Quoten. Sie sind in bestimmter Hinsicht diskriminierend. Ich glaube, wir Frauen sind so stark, dass wir das nicht brauchen.“ Wumm. Ob die Frau jetzt strafweise aus ihrem Geschlecht ausgeschlossen wird?

Noch viel explosiver ist aber Ibsens Bericht darüber, was sich bei Einführung der Quote in Norwegen abgespielt hat: Nicht weniger als 40 Prozent der Aktiengesellschaften haben nach Erlass dieses Gesetzes die Börse verlassen. Das ist zufällig der genauso hohe Anteil, wie seither jener von Frauen in den börsenotierten Aufsichtsräten zu sein hat. Die große Mehrheit dieser damals die Börse quittierenden Firmen gibt sogar offen zu, dass die Quote der Anlass war, dies zu tun.

Ibsen saß auch damals schon in Aufsichtsräten. Darunter waren zwei Aktiengesellschaften, die selbst einen solchen Rückzug beschlossen. Die eine tat dies wegen des Überhangs an Männern, die andere wegen eines solchen an Frauen (auch der ist nun verboten, wenngleich viel seltener der Fall). Beide Gesellschaften wollten sich nicht von den Politikern in die Auswahl ihres Personals dreinpfuschen lassen.

Menschen mit Wirtschaftswissen auf dem Niveau der Frau Heinisch werden nun meinen: Es ist ja egal, ob diese Unternehmen an der Börse sind oder nicht. Das stimmt aber nicht. Börsen stellen erstens eine breitere Finanzierung der Unternehmen sicher. Sie zeigen zweitens ständig den Wert eines Unternehmens in den Augen potentieller Eigentümer, über den man sich sonst oft Illusionen hingibt. Und drittens zwingen Börsen die Firmen zu weit größerer Transparenz in allen Gestionen. Daher ist jeder Mechanismus, der Firmen von der Börse vertreibt, schlecht und schädlich. Für diese Unternehmen wie auch die ganze Volkswirtschaft.

Besonders schlecht und schädlich ist es aber auch noch aus einem anderen Grund, wenn sich Bürokraten und Demagogen in die Führung eines Unternehmens einmischen. Es ist in Wahrheit ohnedies schon extrem schwierig, qualifizierte und engagierte Aufsichtsräte oder Vorstände zu finden. Da braucht kein Unternehmen die Einmischung von Parteien auf der Jagd nach vermeintlichen Wählerstimmen und deren weltfremde Regeln.

 

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Durch den Schrecken durch drucken

Es ist die Summe der Nachrichten, die erschrecken müsste. Die aber kaum noch erschreckt, weil wir uns in den letzten Jahren schon an die Fülle solcher Fakten gewöhnt haben, weil uns die Politik bis zu den deutschen Wahlen vorspiegeln wird, es wäre ohnedies alles bestens.

Da sind die Konjunkturprognosen für den Euroraum weit schlechter als für sämtliche andere Regionen der Welt. Da wird Österreich auf viele Jahre das für eine Reduktion der Arbeitslosigkeit notwendige Wachstum von zwei Prozent nie überschreiten und meist weit verfehlen. Da plant die Politik ständig neue Steuern (alle wollen die standortschädliche Finanztransaktionssteuer, die Linksparteien überdies noch jene auf Vermögen und Erbe) statt Einsparungen und Beschneidungen des üppig metastasierenden Wohlfahrtsstaats. Da berichtet jetzt auch China von einem explosiv wachsenden Zulauf an Euro und Dollar, also ganz offensichtlich an Fluchtgeld. Da müssen Europas Lebensversicherungen weitere fünf Milliarden zurücklegen, um wenigstens ihre Mindestgarantien erfüllen zu können. Da wechselt nun auch das heillos verschuldete Japan zum unbeschränkten Druck von Banknoten und opfert die einst heilig beschworene Unabhängigkeit der Notenbank von der Politik. Da vertrauen Österreicher, Deutsche, Spanier und Italiener ihrer Währung nur noch zu 30 bis 40 Prozent – während das in der Schweiz, Schweden und Kanada jeweils über 87 Prozent tun.

Das alles sind Nachrichten aus nur wenigen Tagen. Dennoch wird die Lage politisch und medial verdrängt. Gewiss, es ist Fasching. Da will man zu Recht ausgelassen sein und sich des Augenblicks erfreuen. Aber nur Dummköpfe vergessen, dass auf jeden Fasching auch ein Aschermittwoch folgt.

Es hilft doch nichts zu jammern, werden viele entgegnen; die meisten Dinge nehmen ihren Lauf, egal, wie man sich subjektiv verhält. Gewiss. Aber dennoch bleibt für jeden einzelnen ein Spielraum, auf den kollektiven Wahnsinn zu reagieren, für schlechte Zeiten vorzusorgen. Das machen etliche Unternehmen durch Kosten- und Personaleinsparung, durch Entwicklung – hoffentlich – zukunftssicherer Produkte, durch Diversifikation, durch Produktionsauslagerungen. Gewiss: Keine Strategie bietet absolute Garantien. Aber man kann durch kluges Verhalten jedenfalls die Wahrscheinlichkeiten beeinflussen.

Auch jeder Einzelne kann das. Immerhin besitzt jeder zweite Österreicher heute über eine Million Schilling Vermögen (Die alte Währung macht das Gewäsch von der allgemeinen Verarmung besonders lächerlich). Auch ihnen hilft Diversifikation und die Entscheidung für Anlagen in zukunftsorientierten Unternehmen, Branchen oder Regionen, für Gold und andere Rohstoffe.

Durch solche Überlegungen kann man zweifellos seine eigenen Chancen verbessern. Man sollte nur wissen: Für nichts gibt es Garantien; und schon gar nicht sollte man sich auf politische Versprechungen verlassen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wasserrettung auf Kosten der Bürger drucken

Den Kommunen geht das Geld aus. Nicht nur kleine Gemeinden, sondern auch große Städte sind in bösen Finanznöten. Ja, und verspekuliert haben sich auch ein paar…

Damit Geld hereinkommt, wird alles privatisiert, was nur irgendwie geht. In letzter Zeit sind viele Gemeinden dabei, vor allem die Wasserversorgung in private Gesellschaften „auszulagern“. Dem EU Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, Michel Barnier, ist das jetzt zu bunt geworden. Er will diesem Privatisierungszirkus einen Riegel vorschieben. Strenge Regeln sollen verhindern, dass die Bürger die Zeche bezahlen müssen. Einigen Bürgermeistern gefällt das gar nicht, eh klar. Sie wollen die neuen Regeln verhindern.

Unsere „Qualtiätszeitungen“ wie Krone, Heute und Österreich verkünden inzwischen: „Wir müssen unser Wasser retten“, das die böse EU „verkaufen“ will. Michael Häupl und Werner Faymann rufen mit im Chor, der unser „nasses Gold“ gefährdet sieht. In Wien soll jetzt auch noch das Volk dazu befragt werden, ob eh alle dagegen sind, dass unser Wasser „ausverkauft“ wird. Kein Witz.

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

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Cameron als Retter Europas? drucken

Fast alles in Politik und Wirtschaft ist eine Sache des Vertrauens. Dieses kann nur mühsam durch Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit aufgebaut werden. Umso schwieriger ist es, verlorenes Vertrauen wiederzuerringen. Was sowohl Euro wie EU, wie auch nationalen Regierungen passiert ist. Das Schlimmste ist: Die Verantwortlichen haben offenbar diesen Vertrauensverlust großteils noch gar nicht richtig zur Kenntnis genommen. Sonst würden sie zumindest den jüngsten Verzweiflungs-Vorstoß des britischen Premier Cameron ernster und positiver nehmen.

Der Vertrauensverlust der EU lässt sich immer wieder mit neuen Fakten beweisen. Etwa mit der Ankündigung des russischen Premiers Dmitri Medwedew, dass sein Land keine europäischen Staatsanleihen kaufen wolle. Dabei hat Russland nach China und Japan die drittgrößten Devisenreserven der Welt, könnte also dem Euro durch größere Ankäufe durchaus substanziell helfen.

Medwedew wird sehr deutlich: Er bezeichnet den Euro als ein in der Weltgeschichte noch nie dagewesenes Modell, in dem starke und schwache Volkswirtschaften zusammengespannt werden. Die Südeuropäer müssten, so Medwedew unumwunden, „entweder stärker werden, oder sie müssten auf den Euro verzichten“. Bis dahin gibt es halt kein russisches Geld für den Euro mehr.

Ein Fehler historischen Ausmaßes

Indirekt bestätigt auch der linke Ökonom Joseph Stiglitz, der lange beredsam die Schuldenwirtschaft verteidigt hat, den gleichen Sachverhalt: Er gratuliert der Schweiz, sich nicht am Euro beteiligt zu haben. Der in Großbritannien arbeitende, aber aus Österreich stammende Investmentbanker Michael Treichl nennt den Euro gar einen Fehler historischen Ausmaßes.

Aber auch die EU selbst hat bei der europäischen Bevölkerung enorm viel Vertrauen verloren. Das zeigen die regelmäßigen Untersuchungen des Eurobarometers, einer europaweiten Meinungsumfrage durch die EU-Kommission. Auf einen Satz gebracht: Die Mehrheit der Europäer sieht die Union – nicht nur den Euro – in die falsche Richtung gehen. Dabei fragt Eurobarometer seit mehr als zwei Jahren ohnedies nicht mehr, ob man die EU-Mitgliedschaft des eigenen Landes für eine gute oder schlechte Sache hält.

Aber auch die milder klingende Frage nach der Entwicklungsrichtung der Union bringt verheerende Ergebnisse: Nur 22 Prozent sehen diese als richtig an; 52 Prozent der Europäer sehen die EU hingegen in eine falsche Richtung unterwegs. Dass ausgerechnet das korruptionsgeplagte Bulgarien der EU-Entwicklung noch die relativ besten Noten gibt, spricht zusätzliche Bände. Für Bulgaren und Rumänen ist gegenüber der eigenen Regierung die EU zweifellos noch ein Hoffnungslicht.

Den kleinen Einheiten wird vertraut, nicht den großen

Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich, wenn nach dem Vertrauen in die EU-Institutionen selbst gefragt wird: Nur 33 Prozent der Europäer vertrauen ihnen, 57 Prozent vertrauen ihnen nicht. In Osteuropa genießt die EU – erwartungsgemäß – mehr Vertrauen als die eigene Regierung.

Ein polnischer Politologe, der jetzt an westeuropäischen Universitäten lehrt, hat diesen Sachverhalt insbesondere auf das direkt gewählte EU-Parlament hin herausgearbeitet. Er hat dieser Tage beim Wiener Com.Sult-Kongress aufgezeigt, dass in den letzten Jahrzehnten jede Vertragsänderung dem EU-Parlament noch mehr Rechte und Kompetenzen gebracht hat: Die Legitimität des Parlaments ist jedoch dadurch keineswegs größer geworden, obwohl das die EU-Abgeordneten immer behauptet hatten, um noch mehr Macht zu erringen.

Besonders interessant ist das österreichische Ergebnis der zitierten Eurobarometer-Umfrage: Nur 33 Prozent vertrauen den heimischen Parteien, 37 Prozent (also sogar ein wenig mehr als der EU-Schnitt) den europäischen Institutionen, und immerhin 49 Prozent der eigenen Bundesregierung. Das sensationellste Ergebnis ist aber das Vertrauen, das die Österreicher bei dieser Frage ihren lokalen und regionalen Behörden entgegenbringen: Das beträgt 69 Prozent.

Diese Werte sollten allen jenen endlich bewusst werden – Journalisten wie Politikern – die ständig noch mehr Macht nach oben verschieben wollen. Die also die Zahl der Bürgermeister drastisch reduzieren wollen, die Landesregierungen zugunsten der Bundesregierung entmachten, und Kompetenzen von den einzelnen Nationalstaaten auf die europäischer Ebene transferieren wollen. Dafür kann nur jemand eintreten, dem das Vertrauen der Menschen in die Institutionen egal ist. Was aber fatal enden kann.

Zauberformel Subsidiarität

Das heißt in Wahrheit: Österreich wie die EU sollten dringend darüber nachdenken, wieder den kleinen Einheiten gemäß dem Subsidiaritätsprinzip mehr Rechte zu geben. Alles, was die kleinere Einheit oder auch der einzelne Bürger besser (oder genauso gut) erledigen können als die größere Einheit, soll nicht von der größeren übernommen werden. Die dabei entstehende Vielfalt ist ein Vorteil und eine Stärke, kein Nachteil. Das schließt natürlich auch immer Pflichten ein. Diese Bereitschaft hat dieser Tage etwa Tirol signalisiert. Es wäre bereit, durchaus auch selbst die Verantwortung für Einnahmen und Steuern zu tragen, die man jetzt bequemerweise vom Bund festsetzen lässt.

In Europa heißt Subsidiarität genau das, was David Cameron in seiner großen Europarede vorgeschlagen hat. Er sieht den besonders in Großbritannien großen und wachsenden EU-Frust der Menschen, will aber eigentlich keineswegs aus der Union austreten. Er will durch die britische Austrittsdrohung die EU wieder auf das konzentrieren, was sie exzellent kann und gemacht hat: auf den Binnenmarkt, also auf die Herstellung eines völlig freien und offenen Marktes innerhalb der EU. Dieser Binnenmarkt funktioniert ausgezeichnet, er muss nur noch in ein paar Details perfektioniert werden, etwa beim Bereich der Dienstleistungen.

Es ist ja auch eine wunderbare Sache, wenn jeder Erzeuger einer Ware die Garantie hat, dass er diese ungehindert für 500 Millionen Menschen produzieren und anbieten kann. Selbst starke Unternehmen, wie etwa jene aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Skandinavien, brauchen das als Heimatbasis, um dann die Weltmärkte angreifen zu können. Ohne die dabei verdienten Devisen wäre Europa schon viel länger bankrott.

Um präzise zu sein: Natürlich gibt es auch in Südeuropa erfolgreiche Betriebe. Diese sind aber auffällig in Norditalien, Katalonien und im Baskenland konzentriert – wo es überall signifikante sezessionistische Bewegungen zur Loslösung von den Zentralstaaten gibt. Aber das ist ein anderes Thema.

Nur Merkel hat richtig reagiert

Leider hat unter den Großen Europas lediglich Angela Merkel die Notwendigkeit und Richtigkeit des Cameron-Vorstoßes begriffen. Hingegen haben fast alle anderen EU-Politiker Cameron kritisiert (die zentralisierungswütigen EU-Journalisten taten das natürlich ebenso).

Sie haben nicht begriffen, dass Cameron in hohem Ausmaß auch die Stimmung ihrer eigenen Bürger und Leser reflektiert. Sie haben nicht begriffen, dass nur in der Konzentration auf den Binnenmarkt die Rettung der EU liegt. Hingegen waren all die Regulierungen der letzten Jahre völlig überflüssig und schädlich für das Projekt samt seiner ständig angesprochenen friedenspolitischen Bedeutung.

An diesem Effekt ändert es nichts, ob diese Regulierungen nun ökologistisch, feministisch, politisch korrekt oder einfach von einem fanatischen Gleichmachungsfimmel getrieben waren. Oder ob sie einfach Folge der Tatsache sind, dass den EU-Beamten nach weitgehender Fertigstellung des Binnenmarktes fad war und sie sich einfach neue Betätigungsfelder gesucht haben. Die Menschen würden der EU sogar gelegentlich einen Kurzschluss wie beispielsweise jenem in Sachen Glühbirnen verzeihen – aber Hunderte solcher Kurzschlüsse sind einfach zuviel.

Merkel war die einzige, die weise auf Cameron reagiert hat. Sie will zwar nicht über einen Austritt abstimmen lassen. Sie war aber in der Substanz sofort mit dem Briten über die zentrale Aufgabe der EU einig: Diese müsse wieder ihre globale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Nur so könne der Wohlstand gesichert werden.

Was alles Europa aus dem Wettbewerb fallen lässt

Aber gerade bei der Wettbewerbsfähigkeit fällt Europa immer weiter zurück. Die Innovationskraft hat durch Tierschutz/Genderismus/Anti-Gen/Anti-Hormon- und noch viele andere Ideologien stark an Dynamik verloren; immer mehr Forschungen werden daher außerhalb des alten Kontinents gestartet. Die Anti-CO2-Auflagen und Hunderte andere ökologische Regulierungen vertreiben immer mehr Industrien. Die Bildungssysteme sind immer weniger auf Wissenserwerb und Leistung, sondern auf die qualitätslose Produktion von möglichst vielen Absolventen ausgerichtet. Die Asyl- und Zuwanderungspolitik holt bildungsferne Massen nach Europa statt der benötigten Spezialisten. Der exorbitante Sozialstaat macht es im internationalen Vergleich extrem teuer, Mitarbeiter anzustellen. Die europäischen Lohnhöhen machen das noch viel schwieriger. Das Pensions- und Gesundheitssystem ist alles andere als nachhaltig aufgestellt. Die größte Schuldenlast der Geschichte macht jeden Zukunftsausblick dunkeltrüb. Und vor allem: Die Steuern und Abgaben sind unerträglich umfangreich geworden.

Konklusion: Die Erkenntnis ist zwar absolut richtig, dass für Europa eine Verbesserung der Wettbewerbspolitik das absolut wichtigste Ziel sein muss. Aus all diesen Gründen muss man aber überaus skeptisch sein, ob dieses Ziel auch nur annäherungsweise noch erreichbar ist. Dies gilt vor allem, wenn rundum Cameron und Merkel, also Europas klügste Politiker, nur beschimpft werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Der Euro ist ein Problem!: Václav Klaus zur Gemeinschaftswährung drucken

Beim zehnten, unter Beteiligung internationaler Fachleute abgehaltenen Wirtschaftskongress „Com.Sult“, der – wie in den Jahren zuvor – im prachtvollen Haus der Industriellenvereinigung in Wien stattfand, wurden zum Teil recht konträre Standpunkte hinsichtlich der Ursachen und denkbaren Strategien zur Überwindung der herrschenden Wirtschafts- und Finanzkrise vertreten.

Der glühende Befürworter einer politischen Vereinigung Europas, der österreichische Literat Robert Menasse, durfte seine Gedanken – die er in seinem im Vorjahr veröffentlichten Buch „Der Europäische Landbote“ formuliert hatte – als erster präsentieren. Menasse träumt von einem von Brüsseler Bürokraten zentral geführten, multikulturellen Einheitsstaat auf europäischem Boden. Der abfälligen Kritik an Bürokratien könne er überhaupt nichts abgewinnen. Bürokratie stelle vielmehr eine glanzvolle Zivilisationsleistung dar. Die Bürokraten der EU zeichneten sich zudem dadurch aus, dass sie nicht länger nationalstaatlichen Interessen verpflichtet wären. Nationalstaaten hätten in der Vergangenheit nichts als Unglück über die Menschen gebracht, hätten die schlimmsten aller Menschheitsverbrechen zu verantworten und wären überholt.

Eine unglaublich schlanke Brüsseler Bürokratie („die weniger Beamte beschäftigt als die Gemeinde Wien“), die mit ihrer Arbeit keinerlei Eigeninteressen verfolge, bestehend aus hochkarätigen Fachleuten („von 30.000 Bewerbern werden gerade einmal 100 genommen“), solle ein bisher nie gekanntes, friedliches Sozialparadies lenken. Die Kommission verkörpere diesen europäischen Gedanken in vorbildlicher Weise, während der Rat immer noch nationalen Interessen verpflichtet sei und stets als Bremser einer weiteren Integration auftrete.

Die Mitglieder des Rates würden schließlich auf nationaler Ebene gewählt und verkörperten allein dadurch den Widerspruch zur supranationalen Politik der Gemeinschaft. Keine Nation könne jedoch die anstehenden Probleme im Alleingang lösen [Applaus(!)]. Daher gelte es, die Macht des Rates zu beschneiden. Wir hätten es derzeit weder mit einer Wirtschafts- noch mit einer Finanzkrise zu tun, sondern vielmehr mit einer Krise der politischen Institutionen. Hier gelte es daher, mit Reformen anzusetzen. Das Modell der USA sei indes kein Vorbild für ein modernes Europa, da es altmodisch und auf „gewaltsamer Landnahme“ aufgebaut sei. Das von Menasse angestrebte Euroland dagegen wäre gewaltfrei, musterdemokratisch und auf der Basis völliger Freiwilligkeit aller Partizipanten errichtet.

„Subsidiarität“ hat im Denken Robert Menasses offensichtlich keinen Platz. Die dieser Tage zunehmend sichtbar werdende Realität der Brüsseler Funktionärarroganz könnte gar nicht weiter von der „schönen Alten Welt“ entfernt liegen, die sich der Schriftsteller erträumt. Brüssel maßt sich ja derzeit an, jeden noch so privaten Lebensbereich, von der Vorzimmerbeleuchtung bis zum Konsum von Genussmitteln – ja sogar die Gestaltung von Speisekarten in Wirtshäusern – seinem Diktat zu unterwerfen. Menasse hängt jedoch dem Traum nach, dem noch jeder seinen Elfenbeinturm niemals verlassende, konstruktivistische Weltverbesserer erlegen ist.

Auftritt der EU-Skeptiker

Nach dieser geballten Ladung haarsträubend naiven Wunschdenkens tat es gut, zwei gestandene Praktiker zu hören. Zunächst brach Philipp Blond, konservativer Berater des britischen Premierministers David Cameron, etwas überraschend eine Lanze für den Verbleib des Vereinigten Königrechs in der EU. Der Umstand, dass Europa sowohl im Osten als auch im Süden mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert sei, erfordere die Mitarbeit Großbritanniens – nicht nur in sicherheitspolitischer Hinsicht. In Großbritannien gebe es keinesfalls eine politische Mehrheit für einen Austritt aus der EU. Die Einführung des Euro sei ein schwerer Fehler gewesen, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft schwäche. Dauerhafte Subventionen an die Südländer seien dadurch programmiert und hinderten diese daran, aus eigener Kraft aufzuholen. Man müsse überdenken, was die Idee Europas bedeute. Dessen Stärke liege in seiner Vielfalt.

Danach erläuterte Václav Klaus – seit 2003 Präsident der Tschechischen Republik, gestandener Realist, liberaler Ökonom und Querdenker, der den konsequent umgesetzten Wunsch zur Zwangbeglückung durch eine abgehobene Funktionärselite Jahrzehntelang am eigenen Leibe erlebt hatte – seine Gedanken zum Eurozentralismus. Dabei stand die Kritik an der unseligen Einheitswährung der Gemeinschaft im Zentrum. Der spanische Wirtschaftsminister habe, angesichts der in seinem Lande besonders drastisch spürbaren Konsequenzen der Euroeinführung geäußert, dass „…man uns vor deren Folgen zu wenig gewarnt habe“.

Das entlarvt Klaus als einen schlechten Witz. Nahezu alle seriösen Wirtschaftswissenschaftler hätten nämlich schon lange vor der Einführung des Euro kein gutes Haar daran gelassen. Dieses Elitenprojekt sei als politisches Vehikel erdacht und eingesetzt worden, um die politische Integration Europas voranzutreiben. Von der sei man heute – ironischerweise gerade wegen der Währungsunion – allerdings weiter entfernt als jemals zuvor. Der Euro habe zu Zerwürfnissen zwischen den Nationen geführt, die es ohne ihn niemals gegeben hätte. Der Verlust der Währungshoheit habe die schwachen (südlichen) Ökonomien der EU ihrer Möglichkeit beraubt, währungspolitische Instrumente zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den leistungsstarken „Nordstaaten“ einzusetzen. Jetzt gehe es darum, Illusionen zu zerschlagen, die sich um den Erhalt Eurolands als zentralistisch geführten Wohlfahrtsstaat ranken. Damit sei ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum nämlich unmöglich. Die politische Integration sei ein schwerwiegender Fehler. Der wirtschaftlichen Inhomogenität Europas mit einer Währungsunion begegnen zu wollen, sei es ebenso.

In der anschließenden Podiumsdiskussion konnte Franz Fischler, als ehemaliger Landwirtschaftskommissar die inkarnierte Zentralbürokratie schlechthin, der Kritik an den Tendenzen der EU zur Machtakkumulation naturgemäß wenig abgewinnen. Er räumte zwar ein, dass der Euro für gewisse Schwierigkeiten einiger Länder der Eurozone verantwortlich sein könnte. Er meinte aber, dass das Ziel, „mehr wirtschaftliches Wachstum“ zu generieren, nur gemeinschaftlich zu erreichen wäre und dazu der Einsatz „innovativer Konzepte“ notwendig sei. Darauf konterte Václav Klaus, dass er dieselben Forderungen einst bereits aus dem Munde Leonid Breschnews gehört habe, als dieser erkannte, dass es mit dem zuvor von Chruschtschow angekündigten, wirtschaftlichen Aufholprozess gegenüber den USA nicht klappen würde. Liberale Ökonomen waren damals schon die vom System zu Feinden erklärten Personen. Sie seien es heute wieder [an dieser Stelle brandete spontan Applaus auf].

Trostloses Fazit: Für die EU gilt seit „Lissabon“ dasselbe wie weiland in der UdSSR, als in sagenhafter Verkennung der Tatsachen und in maßloser Selbstüberschätzung der Möglichkeiten der politischen Eliten, das Ziel formuliert wurde, die EU zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Europas Bürger ermahnen die EU: Bürgerbegehren fordert Kohärenz drucken

„Menschliches Leben ist nicht patentierbar." Der Satz dürfte keine besondere Überraschung hervorrufen. Im Falle des Urteils „Brüstle vs. Greenpeace“ durch den EU-Gerichtshof sorgte dieses Prinzip allerdings für einigen Wirbel. Die höchstrichterliche Instanz der Europäischen Union hatte entschieden, dass dem Stammzellenforscher Oliver Brüstle kein Patent auf die von ihm erforschten embryonalen Stammzellen zustehe, da die Würde des Menschen bereits mit der Befruchtung beginne.

Als im April 2012 offiziell die Europäische Bürgerinitiative als neues Instrument der Bürgerbeteiligung in der EU eingeführt wurde, nutzen einige Organisationen und Bürger die einmalige Gelegenheit und reichten „One of Us“ als eine der ersten Petitionen ein. Die Mitwirkenden berufen sich dabei auf das eben erwähnte Urteil des EuGH. Es geht darum, nun auch die entsprechenden Konsequenzen aus diesem Urteil zu ziehen. Das würde insbesondere bedeuten, dass EU-Institutionen jede Finanzierung von Aktivitäten einstellen, mit denen die Vernichtung menschlicher Embryonen einhergeht. Dies würde besonders die Forschung – den massiv geförderten Bereich der embryonalen Stammzellenforschung – aber auch manche Projekte der Entwicklungshilfe betreffen.

Interessanterweise würde das Ende dieser Art von Forschungsförderung aber weder eine Absage an die Wissenschaft noch einen Rückschlag bei der Behandlung bisher unheilbarer Krankheiten bedeuten. Der Arzt und Europa-Parlamentarier Dr. Peter Liese (CDU) meint dazu: „Adulte Stammzellen und Stammzellen aus Nabelschnurblut werden bereits sehr erfolgreich in der Behandlung von über 70 Krankheiten eingesetzt. Menschliche embryonale Stammzellen hingegen haben noch keinen einzigen Patienten auf der Welt geheilt.“

In der von der EU geförderten Entwicklungszusammenarbeit sind die moralisch fragwürdigen Punkte anderer Art. Im Rahmen des Programms „AccessRH“, das der „reproduktiven Gesundheit“  in Entwicklungsländern dienen will, subventioniert die Europäische Kommission zum Beispiel „Mary Stopes International“ (MSI). Diese Organisation wirbt damit, „zu Abtreibungen zu ermutigen“ und diese auch durchzuführen. Über 19 Millionen Euro hat MSI zwischen 2005 und 2009 von der EU für ihre Arbeit erhalten. Diese Art von Subventionen war selbst vor dem eingangs zitierten EuGH-Urteil schon rechtlich umstritten. Denn das die Entwicklungshilfe regelnde EU-Recht untersagt ausdrücklich „Anreize zum Schwangerschaftsabbruch“.

Ein europaweites Bündnis fordert nun das Ende der Finanzierung dieser ethisch bedenklichen Tätigkeiten. Aus zwanzig Mitgliedsstaaten haben sich Organisationen zusammengetan und die Europäische Bürgerinitiative „One of Us“ ins Leben gerufen. Europäische Bürgerinitiativen geben EU-Bürgern die Möglichkeit, ein Anliegen direkt vor die Kommission zu bringen, sofern es von einer Million Unterstützern aus mindestens sieben verschiedenen Mitgliedsstaaten unterzeichnet wird. Konzipiert als Instrument gegen das altbekannte Problem des Demokratiedefizits der EU, dürften gerade die ersten Europäischen Bürgerbegehren auf reges Interesse bei der Kommission stoßen.

Die Unterstützung der Initiative ist online und auf Unterschriftenlisten möglich, in Österreich sogar schon ab dem Wahlalter von 16 Jahren. Weitere Infos zu „One of Us“, online Unterzeichnung und Listen zum Sammeln von Unterschriften unter www.lebenskonferenz.at  oder www.oneofus.eu.

Anne Fleck hat in Berlin Politik studiert und arbeitet für die Initiative One of Us.
Martin Kugler, Historiker, leitet die Agentur Kairos Consulting für Non-Profit Organisationen in Wien.

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Wie zufrieden sind die Europäer mit EU & Regierung? drucken

Anteil der Bürger, die Vertrauen in EU bzw. nationale Regierung haben, in Prozent

 

Staat EU Regierung
Bulgarien

60

25

Litauen

49

21

Dänemark

48

42

Polen

48

23

Finnland

47

62

Belgien

46

38

Estland

46

35

Malta

46

34

Rumänien

45

20

Slowakei

44

32

Ungarn

43

27

Luxemburg

42

57

Niederlande

39

47

Slowenien

38

15

Lettland

37

17

Österreich

34

49

Tschechien

34

11

Portugal

34

22

Frankreich

33

30

Schweden

33

59

EU-Durchschnitt

33

27

Zypern

31

16

Italien

31

17

Deutschland

30

41

Irland

29

18

Ver. Königreich

20

25

Spanien

20

11

Griechenland

18

7

Quelle: Eurobarometer

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Endlich: Griechenlands Chefstatistiker werden angeklagt drucken

Man sollte sich nie zu früh freuen: Die lange erwartete Anklage gegen die griechischen Chefstatistiker ist kein Hoffnungsschimmer, sondern absolut deprimierend – wenn man sie genauer anschaut.

Der Mann namens Andreas Georgiou als Chef und zwei weitere Mitarbeiter der staatlichen Statistikbehörde werden nicht etwa angeklagt, weil Griechenlands Statistiker jahre- und jahrzehntelang die Miteuropäer belogen und die Lage des Landes brutal geschönt haben; weil sie in Kollaboration mit diversen Politikern Griechenland in den Euro hineingeschwindelt haben; weil sie letztendlich entscheidend dafür waren, dass Griechenland den Miteuropäern Hunderte Milliarden gekostet hat.

Aber nein, wegen all dem wird nicht angeklagt. Der Vorwurf bedeutet vielmehr das Gegenteil! Die Angeklagten sollen das Defizit 2009 zu groß dargestellt haben. Sie sollen Teil einer von Deutschland angeführten Verschwörung gewesen sein, um strenge Sparmaßnahmen durchzusetzen.

Man fasst es nicht, welcher Geist noch immer in Griechenland dominiert. Man fasst es nicht, dass überhaupt jemand auf die Idee kommen kann, solch abstruse Gedanken zu einer Anklage zu formen.

Die paranoiden Fanatiker hinter diesem Strafverfahren begreifen gar nicht, welche Argumentation sie damit ermöglichen: Wenn nämlich die Finanzlage Griechenlands ohnedies nicht so schlimm ist, sondern nur von „Verschwörern“ dramatisiert worden ist, dann hat das klare Konsequenzen. Dann soll das Land uns Miteuropäern einfach unser Geld und unsere Haftungen zurückgeben! Wenn Griechenland das tut, dann hat es auch die volle Berechtigung, die Statistiker anzuklagen. Wenn aber nicht, dann ist es für die wohl absurdeste Verschwörungstheorie der europäischen Nachkriegsgeschichte verantwortlich.

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Hoch Cameron: Eine wichtige Debatte beginnt drucken

Der britische Premierminister David Cameron hat mit seiner großen EU-Rede eine lobenswerte Debatte begonnen. Und er hat dabei Wichtiges gesagt, dem viele Millionen Europäer zustimmen werden. Auch wenn der Machtapparat im restlichen EU-Europa jetzt über ihn herfallen wird. Aber wenn man nicht auf die Briten hört und eingeht, werden ihnen bald weitere Völker folgen.

Dass Cameron  ein Referendum für einen EU-Austritt angekündigt hatte, war ja erwartet worden. Er hat dafür aber ein auffallend fernes Datum gesetzt. Er tut dies natürlich zum Teil deshalb, weil er in seiner Partei auch scharfe EU-Gegner hat. Er tut dies aber auch – und das beweist insbesondere die lange Frist –, weil er in dieser Zeit auf qualitative Reformen in der EU hofft. Die zusammengefasst in unseren Terminologie vor allem eine Rückkehr zur Subsidiarität bedeuten würden.

Es ist relativ dümmlich, wenn Frankreich binnen Minuten nach der Cameron-Rede sagt, man werde den Briten beim Weg aus der EU den Roten Teppich ausrollen. Denn in Wahrheit, so könnte man mit Fug und Recht sagen, wäre der Rote Teppich für einen Ausstieg Frankreichs noch viel wichtiger: Frankreich ist das Haupthindernis für eine Reform der EU-Agrarpolitik; Frankreich gefährdet mit der absurden Erhöhung seiner Sozialausgaben wie etwa der Senkung des Pensionsantrittsalters und der Erhöhung der Beamtenzahlen die Stabilität des gesamten Euro-Raums; Frankreich hält mit seinem Protektionismus für wichtige Industriefelder (von der Energie bis zur Eisenbahn) die Binnenmarkt-Regeln viel weniger ein als die Briten.

Viel wichtiger als die bloße Referendums-Ankündigung ist aber der zentrale Satz Camerons: Hauptgrund für die britische Mitgliedschaft in der EU sei der Binnenmarkt. Und den will er nicht verlassen.

Genau darum geht es: Sehr viele Länder und Bürger haben sich deshalb für die EU entschieden, weil der gemeinsame Binnenmarkt mit seinen vollen und noch immer nicht ganz hergestellten Freiheiten für Güter, Kapital, Bürgern und Dienstleistungen in einer modernen Industriewelt überlebenswichtig ist. Er ist unverzichtbar für die Hoffnung auf Jobs, auf Wachstum, auf zumindest Wohlstandswahrung.

Vieles andere, wohin sich die EU in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten entwickelt hat, ist hingegen überflüssig. Vieles hat sich auch geradezu als schädlich und menschenfeindlich entwickelt. Dabei geht es um viele sich als Verschwendung erweisende Förderprojekte. Dabei geht es vor allem um sozialtechnologische und politisch korrekte Eingriffe in unser aller Leben.

In so manchen Bereichen hat die EU statt der erwarteten vierfachen Freiheit des Binnenmarktes immer mehr Unfreiheit und Regulierung bedeutet. Das hängt wohl auch zunehmend damit zusammen, dass rund um die Jahrtausendwende die Linke und vor allem viele Grüngesinnte begonnen haben, die einst von ihnen bekämpfte EU zu instrumentalisieren. Sie haben in der EU plötzlich das perfekte Instrument entdeckt, freiheitsbeschränkende Projekte voranzutreiben, mit denen sie national nie durchgekommen wären.

Warum etwa müssen Österreich und im Konkreten vor allem Niederösterreich auf EU-Anordnung Gebiete unter Naturschutz stellen, die sie gar nicht wollen? Warum etwa muss Österreich wie auch jedes andere EU-Land neuerdings eigene(!) Bürger an die Justiz anderer EU-Länder ausliefern? Warum muss Europa als einzige Industrieregion der Welt die These von der menschenverursachten Erderwärmung mit selbstbeschädigender Schärfe umsetzen? Um nur drei von Hunderten Fehlentwicklungen anzusprechen.

Daher ist der britische Grundgedanke absolut richtig: Es muss zumindest die Wahlfreiheit hergestellt werden, nur beim Binnenmarkt mitzumachen – dort aber voll und wirklich! – und sich vom Rest zu dispensieren. Zu dem natürlich auch die immer übler werdenden direkten und indirekten Folgen des Euro gehören (Schuldenmechanismus, Bankenunion, Finanztransaktionssteuer usw.). Zu dem die zunehmenden „intellektuellen“ Attacken gegen das Recht auf nationale Identität gehören.

Cameron: "Es gibt eine wachsende Frustration, dass die EU den Menschen angetan wird, anstatt in ihrem Interesse zu handeln."

Wie wahr. Auch wenn in den nächsten Tagen Hunderte von Leitartiklern, Politikern und Diplomaten so tun werden, als wäre Cameron das Problem – und nicht die Fehlentwicklungen Europas.

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Geiseln, Terror und das einzige Gegenmittel drucken

Viele europäische Regierungen haben Algerien kritisiert – aber keine hat eine echte Alternative zu dessen Vorgehen nach der großen Geiselnahme anzubieten. Im Grunde sind alle froh, nicht selber vor Entscheidungen gestanden zu sein. Das in Algerien entstandene Blutbad zeigt nämlich, wie sehr die ganze zivilisierte Welt vor kaum lösbaren Aufgaben steht. Der Umgang mit Terrorismus und Geiselnahmen wird immer mehr zur zentralen Sicherheits-Herausforderung. Der Jubel über die rasch befreiten Geiseln hält sich mit der Trauer über die von den Entführern getöteten die Waage.

Natürlich kann man sich wie Österreich auf den bequemen Standpunkt stellen: Von „uns“ war nur ein einziger dabei und der hat sich irgendwie herausschlagen können; jetzt sind den Österreichern die Vorgänge an der nordafrikanischen Erdgasanlage wieder völlig egal. Die Medien kämpfen nur um das erste – mutmaßlich teure – Exklusivinterview mit dem Mann. Der Rest war irgendwas irgendwo in der Wüste.

Doch begeht man dabei einen gefährlichen Irrtum, wenn man die Sache schon wieder abhakt: Denn gerade österreichische Techniker, Facharbeiter und sonstige Experten sind in einer wachsenden Vielzahl bei solchen und anderen Projekten in der Dritten Welt beschäftigt. Daher geht auch die Österreicher der Terrorüberfall viel an und insbesondere die Frage des „Was tun?“.

Europa kann Afrika nicht abschalten

Wenig sinnvoll wäre jedenfalls die Stammtisch-Antwort: Na, dann sollen die Leute halt besser daheim bleiben und sich dort redlich nähren. Die Umsetzung solcher Gedanken würde zu einem dreifachen Schaden führen.

Erstens bringen diese Projekte den Entwicklungsländern einen wesentlichen Beitrag zu ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Und nur die Wirtschaft ist für die Stabilisierung und den Fortschritt dieser Länder relevant, während die gesamte, von Gutmenschen ständig verlangte Entwicklungshilfe auch bei einer Verdreifachung nur einen Tropfen auf heiße Steine bedeuten kann.

Zweitens sind Öl- und Erdgasimporte für die europäische Energieversorgung absolut unverzichtbar. Dies gilt umso mehr, als Länder wie Österreich auf die Nutzung neuentdeckter Gasvorräte im eigenen Land komplett verzichten, weil Umweltschützer der Politik Panik eingejagt haben (dabei könnte Österreich solcherart autark werden). Wer freilich im eigenen Land nicht das geringste Risiko eingehen will, muss erst recht in fremde Länder gehen, wo es viel größere Risken und Probleme zu bewältigen gibt.

Drittens wäre es auch ohne die Energieproblematik absolut selbstbeschädigend (und zugleich menschenrechtswidrig), arbeitswilligen jungen Männern und Frauen den Weg in die weite Welt zu verbauen. Denn selbstverständlich trägt es einen Gutteil zum europäischen Wohlstand bei, wenn diese Menschen dort ihr Wissen anwenden und auch gut verdienen können. Man sollte im eigenen Interesse nur alles tun, damit sie die Bindung an die Heimat behalten. Man schaue nur auf die Schweiz: Das Land, das den Beitritt zur EU immer verweigert hat, ist international wirtschaftlich enorm vernetzt. Sie ist nur durch ihre Handelsströme und die vielen Auslandsschweizer zu ihrem Reichtum gekommen. Und nicht durch Käse- und Schokolade-Erzeugung.

Warum Mali und Algerien auch uns angehen

Das heißt: Die Vorgänge in Mali oder Algerien gehen die Europäer genauso an wie jene in Libyen oder Somalia. Man denke nur, welch gewaltigen menschlichen und wirtschaftlichen Schaden Europa durch die Piraterie vor den Küsten Somalias erlitten hat. Diese ist erst durch massiven Einsatz westlicher – auch chinesischer – Marine-Kräfte weitgehend beendet worden. Obwohl Pazifisten, Juristen, Grüne und Fundamentalchristen vehement dagegen agitiert hatten.

Durch die notwendige wirtschaftliche (und durch die nicht notwendige, aber interessante touristische) Präsenz ist man aber auch allen lokalen Risken ausgesetzt: Diese bestehen neuerdings insbesondere auch im Risiko von Geiselnahmen und finanziellen (wie in Somalia) oder politischen (wie jetzt in Algerien) Erpressungen. Die europäischen Gesellschaften sind aber in ihrer sicheren und wohlgeordneten Umwelt nicht mehr vorbereitet auf solche Herausforderungen. Wie sollen sie richtigerweise reagieren?

Aus etlichen Stellungnahmen von Regierungen geht indirekt die Haltung hervor, die in den letzten Jahrzehnten insgeheim schon oft praktiziert worden ist: Verhandeln, nachgeben, keinesfalls das Risiko von Menschenleben riskieren und insgeheim über dunkle Kanäle Lösegeld zahlen. Aber natürlich ohne dass es die Öffentlichkeit erfährt.

Lösegeld über geheime Kanäle

Natürlich können sich Politiker ein wenig in der Publicity sonnen, wenn jahrelang gefangen gehaltene Risikotouristen plötzlich wieder lebendig aus der Sahara zurückkommen. Und wenn niemand genau fragt, wie das plötzlich möglich war. Oder wenn höchstens vage auf die Vermittlung befreundeter arabischer Politiker verwiesen wird. Es wird jedoch nie dazugesagt, dass auch diese charmanten Vermittler die Regeln ihrer Region genau kennen: Jede Ware hat ihren Preis – und auch Geiseln sind eine Ware.

Das war und ist aber mit Sicherheit der falsche Weg. Denn durch jedes Nachgeben hat man die Entführer, aber auch Nachahmetäter zu immer neuen Geiselnahmen und zu immer neuen Piratenüberfällen ermutigt. Mit dem gezahlten Geld konnten die Banden auch ihre Ausrüstung, Logistik und Schlagkraft ständig weiter verbessern. Ob sie nun zur See, im Großstadtdschungel oder in der Wüste operieren.

Im Dienste der internationalen Rechtsordnung und Sicherheit wäre also ein konsequentes Vorgehen gegen jeden, der Lösegeld zahlt, (auch Versicherungen tun das oft) notwendig. Es wäre jedenfalls wichtiger als der seit ein paar Jahren eskalierende Aktionismus gegen Schmiergeldzahler. Aber die Rechtsverfolgungsbehörden schauen bei Lösegeld gerne weg und bei Schmiergeld umso schärfer hin. Dabei war in früheren Jahren – im Ausland! – bezahltes Schmiergeld nicht nur toleriert, sondern sogar steuerlich absetzbar gewesen.

Man muss jedenfalls bei eingehender Analyse der vielen Entführungen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu dem für sensible europäische Ohren unangenehmen Schluss kommen: Die Aktion der algerischen Armee und Polizei gegen den großangelegten Terrorüberfall auf die Besatzung eines Erdgasfelds war notwendig und richtig. Trotz der schmerzhaften Anzahl von Todesopfern. Aber jedes andere Vorgehen hätte Prozesse ausgelöst, an deren Ende noch viel mehr Todesopfer und Leid gestanden wären.

Die Medien als Bühne der Entführer

Die Algerier haben auch insofern richtig gehandelt, als sie ohne lange internationale Koordinationsgespräche und sehr rasch zugeschlagen haben. Dadurch haben sie verhindert, dass die Geiselnehmer psychologischen Druck aufbauen konnten. Man stelle sich nur vor, wenn jetzt monate- oder auch jahrelang emotional belastende Videos und Fotos in Medien auftauchen würden, in denen die Entführten um Lösegeldzahlung und Verzicht auf jede Intervention flehen. Gleichzeitig hätten die Geiseln in ihren Botschaften die Tortur eines jahrelangen Daseins in ständig fliehenden Wüstenkarawanen vermittelt.

Nach Erhalt solcher Botschaften hätten die emotionsgierigen Medien unweigerlich ihre Regierungen massiv unter Druck gesetzt. Darauf hätten wiederum diese keinen anderen Ausweg gesehen, als ihrerseits Algerien politisch, diplomatisch und wirtschaftlich massiv unter Druck zu setzen. Bis Algerien schließlich nachgegeben hätte. Was zu der skizzierten Spirale an immer schlimmeren Geiselnahmen geführt, aber den Regierungen ein paar Wochen Erleichterung gebracht hätte. Was ja oft als entscheidend gilt, agieren doch Europas Regierungen ohnedies fast nie mehr in längerfristigen Perspektiven.

Gewiss wird noch lange über die Details der Befreiung diskutiert werden. Haben die algerischen Soldaten nicht taktische Fehler begangen? Hätten sie nicht dieses oder jenes anders machen können? Nachher sind bekanntlich immer alle klüger. Es ist dennoch jedenfalls gut, aus jeder solchen Aktion Lehren für das nächste Mal zu ziehen. Dabei können nun westliche Sicherheits- und Militärexperten zusammen mit Algerien durchaus konstruktiv die Vorgänge analysieren. Auf die Befreiungsaktion ganz zu verzichten oder sie unendlich zu verschieben, wäre aber sicher nicht die richtige Alternative gewesen.

Der Sturz harmloser Diktatoren

Wenn der Westen und seine Medien ehrlich wären, müssten sie auch viel ehrlicher ihre eigenen Fehler analysieren. Es erweist sich immer mehr als ein solcher Fehler, beim Sturz der Herrscher über Tunesien, Libyen und Algerien mit- und nachgeholfen zu haben. Denn es gibt massive Hinweise, dass die algerischen Geiselnehmer von den in Libyen plötzlich herrenlos gewordenen Waffen profitiert haben, dass also Gadhafis Sturz geradezu kausal für die große Aktion gewesen ist.

Zugleich muss man sich eingestehen, dass in keinem der Länder des arabischen Frühlings Demokratie und Rechtsstaat ausgebrochen sind. Die Wirtschaft ist sogar vielfach kollabiert. Es wird weiter gefoltert. Es gibt weiter Korruption. Die Christen werden sogar viel mehr verfolgt als früher. Die Lage der Frauen hat sich ebenfalls verschlechtert. Und die neuen Machthaber haben zum Teil eine große Nähe zu islamistischen Terror-Gruppierungen.

Um es noch direkter zu sagen: Die jetzige ägyptische Regierung wird mit Sicherheit bei Ausbruch eines neuen Nahostkrieges nicht so friedlich bleiben wie der gestürzte Mubarak, sondern mit den von Amerika gelieferten Waffen gegen Israel kämpfen. Die politische Intervention zu Mubaraks Sturz wird in einer objektiven Geschichtsschreibung zweifellos als einer der ganz großen Fehler des Barack Obama eingehen. Und die militärische Intervention in Libyen bleibt auf dem Schuldkonto der Herrn Cameron und Sarkozy. Von der Verantwortung der Medien gar nicht zu reden, die ihre jeweiligen Regierungen überhaupt erst zum Fallenlassen einstiger Verbündeter getrieben haben.

Es geht um Bedrohungen der Außenwelt

Wie berechtigt ist in diesem Licht die Intervention des nunmehrigen französischen Präsidenten Hollande in Mali? Diese ist wohl positiver zu beurteilen als einst bei Sarkozy, obwohl auch sie mit starkem Blick auf das innenpolitische Image des amtierenden Präsidenten erfolgt ist.  Positiv ist jedenfalls, dass Hollandes Intervention nicht primär populistisch unter dem Druck der Medien erfolgt ist. Das macht aber noch gar nicht den großen Unterschied zu den Interventionen in Libyen oder Ägypten aus.

Bei der Beurteilung einer Intervention kann es in Wahrheit nämlich nur um ein einziges Kriterium gehen: Stellt die Regierung, gegen die interveniert wird, auch eine Bedrohung nach außen dar? Das ist bei den im Nord-Mali derzeit herrschenden Total-Fundamentalisten zumindest nach den vorliegenden Informationen stark anzunehmen. Die engen Verbindungen zu Al-Kaida deuten darauf hin, dass in Mali nun ein neues Aktionsgebiet für diese Terrorgruppe nach derem mühevollen Zurückdrängen in Afghanistan und Somalia entstehen würde. Und das sollte um fast jeden Preis vermieden werden, hat Al-Kaida doch schon viele Tausend Todesopfer gefordert – im Westen wie in der islamischen Welt.

So sehr der Steinzeit-Islam mit abgehackten Händen und entrechteten Frauen auch abzulehnen ist: Gegen diese Exzesse müssen die betroffenen Menschen eines Landes selbst zum Kampf antreten – auch wenn dies, wie etwa Iran und Saudi-Arabien zeigen, extrem mühsam ist. Aber von außen aufgestülpte Modernisierung und Liberalität funktionieren in aller Regel nicht. Das müssen die Völker selber durchsetzen und lernen.

Das Irrlicht „Humanitäre Intervention“

Daher ist auch der von Politikern und Diplomaten gepriesene Slogan von den „Humanitären Interventionen“ ein Irrlicht. Auch schon aus Gründen der Größenordnung: Weder Europa noch die USA sind imstande und willens, all die Regime zu stürzen, die Menschenrechte in grober Weise verletzen. Denn dazu müsste eigentlich weit man mehr als der halben Welt den Krieg erklären: von China bis zum Großteil der islamischen Länder. Diese Vorstellung ist völlig absurd. Interventionen können nur dann legitim sein, wenn die üblen Regime dieser Welt nicht nur ihre eigenen Bürger, sondern auch andere Länder bedrohen. Demokratisierung von außen klingt zwar edel, aber diese Vision des George W. Bush war ein vollkommener Fehler.

Daher sollte man auch das Gerede von der „Humanitären Intervention“ rasch wieder beerdigen. Die Legitimität eines solchen militärischen Angriffs führt nur dazu, dass Regierungen medial regelmäßig dann unter Druck kommen einzugreifen, wenn Zeitungen und Fernsehen intensiver über einen Konflikt berichten. Sonst aber nicht. Damit werden die Medien zu den künftigen Machern der Welt- und Kriegspolitik ernannt. Und sie können einen Krieg herbeischreiben, wenn es sonst zuwenig zu berichten gibt. Die Medien nehmen sich dann irgendeines der üblen Regime dieser Welt vor und setzen es auf die Abschussliste. Das geschieht zufälligerweise vor allem dann, wenn eine PR-Agentur von irgendjemandem mit einigen Millionen beauftragt worden ist, ein Land zu kritisieren . . .

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Strasser, viele Reaktionen und einige Lehren daraus drucken

Noch interessanter als das Urteil gegen Ernst Strasser waren die – intensiven und heftigen – Reaktionen darauf. Worüber gesprochen wurde und worüber nicht.

In keinem einzigen Kommentar, den ich gefunden habe, ist auf die gravierende politische Mitverantwortung eines Josef Pröll eingegangen worden. Dieser hat jedoch einst Strasser nicht nur zum Spitzenkandidaten gemacht (aus dem an sich nachvollziehbaren Gefühl heraus, dass Othmar Karas ein Unguided missile ist). Er hat ihm auch ausdrücklich zugestanden, weiterhin als Lobbyist tätig sein zu dürfen. Was, nicht nur im Wissen von heute, absolut irrsinnig ist.

Ganz egal, wie die Rechtslage ist: Ein Abgeordneter, noch dazu ein Spitzenkandidat, sollte niemals als politischer Interessenvertreter mietbar sein. Es ist ja schon schlimm genug, wenn lohnabhängige Gewerkschafter, Kämmerer und Sparkassen-Funktionäre gleichzeitig unabhängige Volksvertreter sein wollen. Aber bei denen weiß wenigstens von vornherein jedermann, für wen sie stehen, reden und agieren. Dennoch ist auch ihr Agieren ziemlich unerquicklich: Auch für diese Volks(?)vertreter ist mit den vertretenen Gruppeninteressen ein großes persönliches finanzielles Interesse verbunden. So wie für den Lobbyisten Strasser.

Man stelle sich nur einen Gewerkschafter vor, der zugibt, dass das gesetzliche Pensionsantrittsalter erhöht werden müsse: Der Mann hat seinen Gewerkschaftsjob samt Gage und meist auch das Parlamentsmandat die längste Zeit gehabt. Dabei empfiehlt jeder Pensionsexperte, der die Grundrechnungsarten beherrscht, dringend eine solche Erhöhung.

Was auch immer Pröll damals dazu bewogen hat, die weitere Lobbyisten-Tätigkeit Strassers zu akzeptieren: Es war ein schwerer politischer Fehler. Strasser war ja nach seiner im Krach mit Wolfgang Schüssel beendeten Innenminister-Zeit und vor seinem EU-Mandat ohne politische Funktion und hatte begonnen, seinen Lebensunterhalt als Lobbyist zu verdienen.

Freilich wäre auch bei ehemaligen Ministern eine mindestens zweijährige Abkühlphase erfreulich, in der sie nicht als bezahlte Lobbyisten ihre politisch erworbenen Netzwerke nutzen dürfen. Man denke nur an die seltsamen Klienten, die Alfred Gusenbauer vertritt. Im Interesse der Sauberkeit wäre es daher sogar besser, Ex-Ministern in dieser Zeit notfalls auch ein Gehalt zu zahlen (auch wenn ich weiß, ob dieses Vorschlags werden viele erzürnt aufheulen, aber sauberes Steuergeld ist immer besser als schmutziges Geld, das Politik beeinflusst).

Jedenfalls wird Josef Pröll für seine Strasser-Entscheidungen  kaum gescholten. Interessanterweise wird auch sein Onkel kaum kritisiert, der ja einst Strasser überhaupt erst als Spitzenpolitiker erfunden und in die Bundesregierung gepresst hatte. Obwohl Erwin Pröll gerade wahlkämpft.

Die Terminisierung des Urteils knapp vor der niederösterreichischen Wahl wirft dennoch ein etwas fragwürdiges Licht auf den Richter. Sollte man Urteile nicht besser von politischen Terminen fernhalten?

Der Richter ist jedoch statt dessen in fast allen Medien für seinen „politischen Kommentar“(!) in der Urteilsbegründung und für die saftige Strafe heftig belobigt geworden. Zwar sind so gut wie alle Strafrechtler der Meinung, dass politische Kommentare in Urteilen eigentlich nichts verloren haben. Und dass das Ausmaß der Strafe angesichts der Unbescholtenheit des Angeklagten und angesichts der Tatsache, dass kein Geld geflossen ist und dass Strassers Lobbying-Bemühungen eher stümperhaft waren, viel zu hoch ist. Und: Wenn die nie realisierte Bereitschaft, 100.000 Euro anzunehmen, vier Jahre Haft bringt, in welcher Relation wird dann die vollzogene Annahme von Millionen zu bestrafen sein (um die es ja im Fall Buwog möglicherweise bald gehen könnte)? Werden wir dann Gelddelikte strenger bestrafen als einen Mord?

Es scheint derzeit bei vielen Richtern – siehe auch die Sprüche der ersten Instanzen in den Fällen Scheuch oder Martinz – die Tendenz vorzuherrschen, nicht nach allgemeinen Rechtsprinzipien, sondern primär für die Galerie (=Medien+Stammtische) zu judizieren.

Dort wird halt umso lauter gejubelt, je häufiger und strenger die Strafen für Politiker sind. Während Politiker in früheren Epochen einen – unberechtigten – Schutz gegen Verfolgung genossen haben, ist dies jetzt ins Gegenteil gekippt. Im Gegenzug zum Verfall ihres Images ist die Lust am Politiker-Bashing gestiegen.

Das ist keine gute Entwicklung. Politiker dürfen nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt sein als Durchschnittsbürger. Nur so können Rechtsstaat und vor allem Demokratie funktionieren. Es wird ja ohnedies immer schwieriger, geeignete Kandidaten für politische Aufgaben zu finden. Und die brauchen wir, wenn wir nicht wieder einmal in die Falle eines „Starken Mannes“ gehen wollen, der mit der Politik aufzuräumen verspricht. Der aber in Wahrheit tausendmal krimineller ist als die gesamte derzeitige politische Klasse.

Wie schwierig politische Kandidatensuchen schon längst sind, sieht man derzeit in Salzburg, wo sich offenbar keine neuer Landesfinanzreferent findet. Daher könnte dort David Brenner möglicherweise noch einige Zeit im Amt bleiben. Das wäre freilich selbst dann schwer verständlich, wenn sich jetzt groteskerweise herausstellen sollte, dass es in Salzburg gar keinen Veranlagungsschaden gegeben hat. Dass man nur die Warnungen einer sich bedroht fühlenden Beamtin missverständlich aufgefasst hat.

Denn auch in diesem Fall wird die Blamage nicht kleiner: Die Salzburger Landesregierung ist jedenfalls wochenlang ahnungslos durch die eigenen Finanzzahlen getorkelt. Sie ist wochenlang nicht imstande gewesen festzustellen, wie es mit den eigenen Finanzen überhaupt aussieht. Das aber ist das Mindeste, was eine ordentliche Verwaltung können sollte.

Aber zurück zu Strasser. Der Vergleich der vier Jahre, zu denen er verdonnert worden ist, mit einem fast gleichzeitig ergangenen anderen Urteil macht das Ausmaß der Strafe besonders unverständlich: Ein Mann, der seine siebenjährige Stieftochter schwer sexuell missbraucht hat und gegenüber seiner Frau gewalttätig gewesen ist, hat nur dreieinhalb Jahre bekommen. Die Wertungsrelationen einer solchen Rechtsordnung sind für keinen Bürger mehr nachvollziehbar.

Auch das Wort von der „Generalprävention“, mit welcher der Richter sein Urteil zu begründen versucht hat, ist absurd. Generalprävention bedeutet ja die Abschreckung aller anderen, nicht das Gleiche zu tun. Die wird aber nicht durch einen vom Richter praktizierten Politikermalus hergestellt, sondern dadurch, dass allen solchen Fällen immer konsequent nachgegangen wird. Egal ob es amtierende oder frühere Regierungsmitglieder, EU-Abgeordnete oder auch „nur“ Bürgermeister sind.

Apropos amtierende Regierungsmitglieder: Die Faymann-Inserate in der Krone und anderen Blättern, für die später zur eigenen Verwunderung ÖBB und Asfinag zu zahlen hatten, sind schon lange vor den heimlich mitgefilmten Gesprächen des Ernst Strasser bekannt gewesen. Dort aber drückt sich die Justiz immer noch um eine Anklage herum. Gibt es etwa gar nur für die einen den Politikermalus?

Und mit Verlaub: Gegen Vergewaltigung braucht es etwa für die österreichische Justiz keine Generalprävention? Passiert die nicht viel häufiger? Ist die nicht für die Opfer viel dramatischer? Muss es bei uns erst so weit kommen wie derzeit in Indien, bis die Justiz aufwacht?

Noch ein letztes Mal zurück zum Strasser-Urteil: Die schwierige und spannende juristische Frage, ob seine Telefonate überhaupt den Charakter eines „Amtsgeschäfts“ hatten, wurde von den meisten Kommentatoren links liegen gelassen. Auch Juristen sind sich da absolut nicht einig, weil es um ziemliches Neuland geht.

So sehr man ja aus seinem natürlichen Rechtsgefühl heraus dagegen sein muss, dass Strassers Interventionen straffrei bleiben, so muss es doch klar sein: In einem ordentlichen Rechtsstaat dürfen insbesondere strafrechtliche Paragraphen nicht extensiv interpretiert werden. Das heißt, wenn es keine ganz konkrete Norm gegeben hat, gegen die Strasser verstoßen hat, kann er auch nicht verurteilt werden. So ärgerlich das auch wäre. Das muss auch bei jedem anderen Bürger so sein. Zumindest nach allgemeinem Sprachverständnis war aber all das, was Strasser – bekannterweise – getan hat, keineswegs ein „Amtsgeschäft“.

Nur weil es einen unsympathischen Politiker trifft, und weil Volkes Stimme ganz gegen Strasser und jeden anderen Politiker ist, sollte es kein Abgehen von ordentlichen Rechtsgrundsätzen geben. Freilich: Wenn der Oberste Gerichtshof das auch so sieht, und er Strasser letztlich freispricht (wozu aber angesichts des Mediendrucks schon etlicher Mut gehören würde), erwüchse daraus jedenfalls ein klarer Auftrag an den Gesetzgeber, an das Justizministerium und auch die professoralen Strafrechtler. Diese müssten dann sofort und genau überprüfen, ob durch die jüngsten Änderungen des Strafrechts schon jede diesbezügliche Lücke geschlossen worden ist. Damit jeder künftige Strasser auch wirklich verurteilt wird.

PS.: Mit Strassers schwachsinniger Verteidigungslinie (Geheimdienste und so) braucht man sich hingegen keine Sekunde zu befassen. Mit dieser Linie hat er sich selbst am meisten geschadet und von der entscheidenden Amtsgeschäft-Frage abgelenkt.

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Fußnote 386: Mister Eurobond muss noch wachsen drucken

Werner Faymann spricht im EU-Parlament und (fast) keiner hört zu. (Mit nachträglicher Ergänzung)

Man fasst es nicht: Da kommt ein so großer und weiser europäischer Staatsmann zu den europäischen Abgeordneten. Und diese interessieren sich nicht für ihn. Dabei hat der SPÖ-Bundeskanzler ja neuerdings sogar einen substanziellen europäischen Inhalt in seinen salbungsvollen Wortmeldungen, freilich einen überaus üblen: Er kämpft vehement für Eurobonds. Mit anderen Worten: Faymann will, dass alle Österreicher, Deutschen usw. für die Schulden von Griechen, Spaniern und allen anderen munteren Geldausgebern haften – und zwar weit über das ohnedies schon dramatische Ausmaß der Schuldenübernahmen seit 2010 hinaus. Das ist dank Angela Merkel bisher noch abgewendet worden. Das wäre aber schon eine ernsthafte Debatte wert gewesen – zumindest dann, wenn irgendjemand Faymann ernst nimmt.

Nachträgliche Ergänzung: Sensationell  - wenn auch im Grunde fast schon erwartbar - war, wie der ORF den Fernsehern in einem ausführlichen Bericht über Faymanns Auftritt die Leere des Sitzungssaals vorenthalten hat. Das war wieder einmal Manipulation der feinsten Sorte.

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Das Jahr hat ja gut angefangen: Jubel statt Krise drucken

Jetzt braucht auch Zypern 17 Milliarden Hilfe von den restlichen Europäern. Das ist den meisten Medien nur noch Kurzmeldungen wert. Man hat sich ja schon daran gewöhnt. Statt dessen sind wir zum Jahreswechsel wieder einmal mit optimistischen Erklärungen eingedeckt worden. Das Schlimmste wäre nun vorbei. Besonders optimistisch war man in den Zahlerländern Deutschland und Österreich – ganz zufällig jenen Ländern, in denen im Herbst Wahlen stattfinden.

Nur zwei Dinge sind daran wahr: Erstens kann sich Irland als einziges Krisenland dank seiner Sanierungserfolge wieder zum Teil über die Märkte finanzieren (was noch lange keine Rückzahlung bedeutet). Und zweitens haben der Rettungsfonds ESM und die EZB so disponiert, dass bis zu den im Herbst fälligen Wahlen wahrscheinlich keine weitere große Krisenaufregung ausbrechen sollte. Das heißt aber natürlich nicht, dass diese Haftungen und Schulden in Billionen-Dimensionen irgendwie sicherer geworden wären. Oder dass gar eine Rückzahlung begonnen hätte.

Besonders köstlich ist die Begründung des Optimismus durch die österreichische Finanzministerin: Die Schulden steigen zwar weiter, aber der Großteil der Staaten mache jetzt kein drei Prozent übersteigendes Defizit mehr, jubelte sie. Daher sei die Schuldenkrise „weitgehend bewältigt“. Europa sei „in Hinblick auf die Schuldensituation der einzelnen Staaten über den Berg“.

Die Haftungen werden verschwiegen

Ist ja toll. Die Schuldenkrise ist bewältigt, weil es mehr Schulden gibt. Überdies sagt Frau Fekter nicht, wie diese – in Maastricht ja willkürlich und nach Ansicht vieler Ökonomen viel zu hoch angesetzte – Dreiprozentgrenze eigentlich zu finanzieren wäre. Auch drei Prozent des BIP sind ordentlich viel Schulden. Von der Rückzahlung der schon aufgenommenen Haftungen und Schulden ist erst recht keine Rede. Aber selbst der von den Schuldenmachern gerne zitierte Ökonom Keynes hat gesagt, dass Defizite immer auch durch Überschüsse in anderen Jahren finanziert werden müssen. Nur haben die Keynes-Jünger diese „anderen Jahre“ stets nur in der fernen Zukunft gesehen.

Diese Überschüsse gibt es in Wahrheit nirgends und nie, auch nicht in Deutschland und Österreich. Und was alle Finanzminister verschweigen: Der Großteil der Krisen-Finanzierungen durch Zentralbank und Rettungsfonds ist noch gar nicht in den Budgets und bei den Steuerzahlern angekommen. Eine Haftung ist ja noch keine Ausgabe, daher nicht zu budgetieren, meint die Politik; und man hat ja seine Forderungen gegen ESM, Griechenland&Co als "Sicherheiten".

EZB-Boss Mario Draghi, einer der Haupttäter der Megaverschuldung – pardon: Megarettung – ist jedenfalls viel vorsichtiger als Fekter: „Es ist zu früh, einen Erfolg auszurufen.“ Die Krise sorge weiterhin für große Gefahren. Auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker, der sich einst sogar offen zum Belügen der Menschen bekannt hatte, ist nun halbwegs ehrlich: „Ich denke, die Zeiten werden schwierig. Wir sollten der Öffentlichkeit und den nationalen Parlamenten nicht den Eindruck vermitteln, dass alle Schwierigkeiten hinter uns liegen.“ Ähnlich der EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn: "Unser Patient mag von der Intensivstation herunter sein, aber es wird noch einige Zeit dauern, bis er wieder gesund geschrieben werden kann."

In Südeuropa ist die Depression handgreiflich geworden

Noch pessimistischer wird man, wenn man in diesem Winter durch einige südeuropäische Städte kommt. Die Geschäfte sind deprimierend leer, obwohl die Preise auf die Hälfte reduziert worden sind; Restaurants selbst in guten Lagen sind geschlossen; die Bettler sind keine importierten Roma aus dem Osten, sondern einheimische Jugendliche; auf zahllosen Häusern und Wohnungen kleben große Schilder, dass diese zu verkaufen oder vermieten wären.

Der aktuelle Fall Zypern ist noch aus einem weiteren Grund besonders interessant: Der Inselstaat lebte seit Jahren davon, dass er ein offenes, wenn auch vertraulich agierendes Einfallstor für Geldwäscher war. Sowohl in Russland, wie auch in dem (dort besonders) Nahen Osten hat man gewusst, dass viele Überweisungen am leichtesten über Zypern zu tarnen sind. Auch bei österreichischen Korruptionsaffären ist erstaunlich oft der Name Zypern als Zwischenstation bei dubiosen Geldflüssen gefallen. Mit anderen Worten: Ohne all diese Sauereien stünde Zypern heute noch viel schlimmer da.

Von der deutschen Regierung kommen aber in demselben Winter ebenso wie von der österreichischen sehr optimistische Töne. Trotz des beginnenden Wahlkampfs und der in solchen Zeiten erwartbaren geringen Wahrheitsliebe ist man verblüfft. Hat doch Deutschland im soeben beendeten vierten Quartal 2012 eindeutig ein „Minuswachstum“, also eine Schrumpfen seines BIP erzielt. Aber jetzt ginge es wieder aufwärts, sagen uns die Konjunkturexperten und die Politiker.

Wie steil es mit der Konjunktur in Europa wirklich bergauf gehen dürfte, zeigt ein Blick auf die Prognose der EU-Kommission: Sie erwartet für 2013 in der EU nur ein Mini-Wachstum von 0,4 Prozent und in den Euro-Ländern eine De-facto-Stagnation von plus 0,1 Prozent (Apropos "Erfolgsstory Euro" . . .). Aber auch die 0,4 Prozent sind viel zu wenig: Alles, was unter zwei Prozent liegt, erhöht die Arbeitslosigkeit weiter.

Dabei zeichnet sich auch in Deutschland jetzt schon eine überaus bittere Nachwahlzeit ab. Wenn ein im „Spiegel“ veröffentliches internes Dokument des Berliner Finanzministeriums nicht reinste Erfindung ist, dann wird dort schon ein sehr dickes Ende der jetzigen Euphorie vorbereitet. Gewiss, Wolfgang Schäuble dementiert heftig. Und das wird er auch gewiss bis zum Wahltag tun.

Arbeiten über 67 hinaus

Aber jedenfalls liest man in diesem Papier jetzt schon von der Notwendigkeit einer drastischen Erhöhung der Steuern und einer ebenso heftigen Senkung der Sozialleistungen als Folge der Schuldenkrise.

Die konkret vorgeschlagenen Möglichkeiten: Abschaffung der ermäßigten Mehrwertsteuer (das heißt 19 statt 7 Prozent auf Bücher oder Lebensmittel); ein Aufschlag zur Einkommensteuer für das teurer werdende Gesundheitswesen; das in Deutschland schon vor etlichen Jahren auf 67 hinaufgesetzte künftige Rentenantrittsalter solle „an die Lebenserwartung gekoppelt“ werden, also noch weiter steigen; wer früher in Pension geht, soll pro Jahr einen Abschlag von 6,7 Prozent hinnehmen müssen; die Witwen/Witwer-Pensionen sollen prozentuell gesenkt werden.

Das alles ist ein wahrscheinlich durchaus notwendiges Paket, wenn die verfassungsmäßig festgesetzte Schuldenbremse Wirklichkeit werden soll. Die Konjunkturdelle seit 2008 sowie die europäischen und nationalen Haftungen werden keinen anderen Weg lassen. Aber bis zum Wahltag wird von den Regierungen zweifellos der gegenteilige Eindruck erweckt werden. Sie reden so wie die jeweiligen Oppositionsparteien derzeit viel lieber von neuen Sozialleistungen. Und die Berliner Regierung träumt gar von einem in Kürze ausgeglichenen Haushalt.

Bleibt nur noch eine Frage offen: Wie lange kann man eigentlich in einem Zustand reiner Schizophrenie leben?

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Landesverteidigung im EU-Vergleich drucken

NATO-Mitgliedschaft, Wehrpflicht, Zahl der Soldaten & Verteidigungsausgaben in Prozent des BIP EU-weit

 

Staat NATO Wehrpflicht Soldaten Ausgaben
Deutschland

+

240.000*

1,3

Frankreich

+

233.600

2,0

Ver. Königreich

+

192.300

2,6

Italien

+

191.200

1,4

Spanien

+

130.000

1,0

Griechenland

+

+

124.300

2,1

Polen

+

97.200

1,8

Rumänien

+

68.300

1,3

Niederlande

+

47.700

1,4

Portugal

+

38.900

1,6

Finnland

+

36.500

1,5

Belgien

+

34.200

1,1

Österreich

+

30.000

0,6

Bulgarien

+

29.800

1,7

Tschechien

+

23.200

1,4

Dänemark

+

+

21.600

k.A.

Ungarn

+

21.200

1,0

Schweden

14.400

1,2

Slowakei

+

14.200

1,3

Zypern

+

12.200

2,1

Irland

9.500

0,6

Litauen

+

7.900

0,9

Slowenien

+

7.000

1,6

Lettland

+

4.800

1,1

Estland

+

+

3.200

1,7

Malta

2.200

0,7

Luxemburg

+

900

0,5

* In Deutschland ist nach Abschaffung der Wehrpflicht eine Reduktion auf 180.000 Mann geplant.

Quelle: European Defence Agency

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Und noch eine neue Aufsicht für Banken drucken

Die großen Banken der Eurozone werden also unter eine neue Aufsicht gestellt. Dabei gibt es für sie auch bisher schon Tausende Seiten an Vorschriften und zahllose Aufseher. In Österreich etwa beobachten, kontrollieren und üben Druck aus: Nationalbank, Finanzmarktaufsicht, Finanzministerium, die eigenen Aufsichtsräte und Eigentümer, Wirtschaftsprüfer, sektorinterne Revisionsverbände, die weiterbestehende(!) Europäische Bankenaufsicht, die Basler BIZ (Bank für internationalen Zahlungsausgleich), die EU, die OECD, die Analysten, die Börseaufseher. Dazu kommen noch Politik und Medien sowie die Aufseher in allen anderen Ländern, wo ein heimisches Institut tätig ist.

Man musste sich ja schon bisher wundern, ob in den Banken neben lauter Berichte-Schreiben und Kontrolleure-Informieren noch irgendjemand dazu kommt, auch noch Geld zu verdienen, um die (sehr bescheidenen) Zinsen und die (überaus unbescheiden gewordenen) Bankensteuern zu zahlen.

Dennoch hat insbesondere Deutschland darauf bestanden, dass es noch eine neue Bankenaufsicht gibt. Das war eine Voraussetzung für die Öffnung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zur Hilfe an vom Untergang bedrohte, aber für systemrelevant gehaltene Banken.

Lassen wir einmal die – wichtige! – Debatte beiseite, ob man solche Banken wirklich retten soll, und nicht nur deren schuldlose Gläubiger (zumindest zu einem Prozentsatz). Extrem problematisch ist aber auch die Entscheidung, die neue Aufsicht bei der EZB anzusiedeln, ohne dass in dieser eine rechtlich feuerfeste Trennmauer Geldpolitik und Bankenaufsicht trennen würde.

Die Europäische Zentralbank hat laut Statut nur eine einzige Aufgabe: Für Geldstabilität zu sorgen. Das gelingt nur, wenn man bei Inflationsgefahr das Geld knapp hält. Wer sich hingegen für die Banken verantwortlich fühlt, ist primär dafür zuständig, dass keine Bank crasht. Das geht dann am besten, wenn Geld nicht knapp gehalten wird, sondern so viel davon gedruckt wird, wie die Banken wollen.

Nun werden manche einwenden: Die Zentralbank hat ohnedies viel zu viel und hemmungslos Geld gedruckt. Zugleich hat die EZB das Inflationsziel schon still und leise von zwei auf drei Prozent erhöht. Beides stimmt. Aber immerhin hat sie dabei immer behauptet, dass sie bei Inflationsgefahr jederzeit das Geld wieder aus dem Markt nehmen werde. Das war zwar auch schon bisher nicht sehr glaubwürdig. Denn bei jedem solchen Versuch würden sofort viele EU-Staaten aufheulen, weil er ihre Schuldenlast noch drückender macht.

Mit der direkten Verantwortung der EZB für die Banken kommt aber jedenfalls noch ein weiteres Motiv hinzu, den Markt dauerhaft mit Geld zu überschwemmen. Mit dieser Konstruktion wird auch noch klarer, als es ohnedies schon war: Die Staaten tun alles, um ihren Schuldenberg auf inflationärem Weg zu entsorgen – mit Hilfe der EZB. Genau deswegen haben sie ja die EZB mit der Bankenaufsicht betraut.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Andrássy-Universität in Budapest drucken

Wenn es in Geschichts- und Politikwissenschaft spannend werden soll, muss man nach Ungarn kommen. Dieser Eindruck verfestigt sich angesichts von Aussagen in Referaten und Forschungsergebnissen, welche unlängst auf einer internationalen Konferenz „Südtirol in Vergangenheit und Gegenwart“ an der Andrássy-Universität (AUB) in Budapest vorgetragen worden sind. (mit nachträglicher Ergänzung)

Da tat der in Hildesheim lehrende Historiker Michael Gehler – er steht der Kommission für Geschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vor – kund, die Südtirol-Frage sei „Ergebnis eines entfesselten italienischen Nationalismus, der durch Expansionsbestrebungen gekennzeichnet war“. Im Lichte von Aussagen des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti, wonach es sich „um eine inneritalienische Angelegenheit“ handle, reklamierte Gehler zu Recht die in internationalen Verträgen verankerte Schutz(macht)funktion Österreichs und fügte mutig hinzu: „Die Südtirol-Frage ist nach wie vor offen; es ist nichts entschieden.“

Ebenso starkes Erstaunen riefen Ergebnisse jahrelanger Forschungen Hubert Speckners von der Wiener Landesverteidigungsakademie hervor. Der promovierte Oberst unterzog bei erstmaliger Auswertung bisher unveröffentlichter Sicherheitsdokumente und unter Verschluss gehaltener Gerichtsakten den „Vorfall auf der Porzescharte“ – wie er das bisher als „Terror-Anschlag“ eingestufte Ereignis nennt – einer gänzlichen Neubewertung. Der Vorgang, bei dem am 25. Juni 1967 vier italienische Soldaten respektive Carabinieri zu Tode kamen, hatte seinerzeit zu enormen Spannungen zwischen Österreich und Italien und zum absoluten Tiefpunkt des bilateralen Verhältnisses geführt.

In Italien waren drei Österreicher – Peter Kienesberger, Erhard Hartung und Egon Kufner – in Abwesenheit zu langen Haftstrafen verurteilt, in Prozessen hierzulande dagegen „im Zweifel für den Angeklagten“ freigesprochen worden. Speckner deckt nun sensationelle Ungereimtheiten auf, bringt italienische Dienste und Angehörige der ominösen „Gladio“-Einheiten sowie die damalige „Strategie der Spannungen“ ins Spiel, sodass er, feststellen kann: „Die drei, die dafür verantwortlich gemacht worden sind, waren es mit absoluter Sicherheit nicht“. Damit wird eine gewichtige Phase Gesamttiroler Geschichte umgeschrieben werden müssen.

Provokant sind die Thesen Reinhard Olts, des ehedem langjährigen Wiener F.A.Z-Korrespondenten, der seit Beginn des Wintersemesters 2012/13 als Gastprofessor an der AUB lehrt und neulich von der benachbarten Eötvös-Loránd-Universität zum „Doctor honoris causa“ promoviert sowie zum Professor ehrenhalber ernannt worden ist. Olt hinterfragte und korrigierte das gängige Südtirol-Bild: Das „System Durnwalder“ sei am Ende; dessen Partei, die seit 1945 regierende SVP, stecke in einer Führungskrise; die als modellhaft gepriesene Autonomie habe ersichtliche Kratzer abbekommen und sei diskreditiert; die Südtiroler Oppositionsparteien (Freiheitliche, Süd-Tiroler Freiheit und Bürgerunion) seien mit ihrem Verlangen nach Selbstbestimmung und „Los von Rom“ allen demoskopischen Befunden zufolge auf der Siegerstraße.

All das und einiges mehr hat nicht nur Madeleine Kohl, eine Südtiroler Studentin an der AUB, mit natürlichem Interesse an ihrer Heimat in den Bann gezogen, sondern nicht wenige ihrer Kommilitonen dazu bewogen, sich mit der Südtirol-Problematik näher zu befassen. Und Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern der AUB war der Stolz anzusehen, dass ihnen die Platzierung und Ausrichtung einer so publizitätsträchtigen und echoreichen Konferenz gelang, womit wieder einmal die internationale Beachtung ihrer vergleichsweise jungen Hochschule unterstrichen werden konnte.

Die Grundidee der Andrássy-Universität

An deren Wiege standen anno 2001 Ministerpräsident Viktor Orbán – der im Frühjahr 2010 seine jetzt zweite Regierung gebildet hat – der damalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und der baden-württembergische Regierungschef Erwin Teufel. Die Gründerväter der AUB wollten eine Hochschule mit deutscher Unterrichtssprache, mit breitem Sprachangebot und mit der zwingenden Vorgabe, Forschung und Lehre besonders auf Mitteleuropa abzustellen.

Schon der Namensgeber verriet das: Gyula Graf Andrássy (1823-1890) war einer der Architekten des österreichisch-ungarischen Ausgleichs von 1867 und von 1871 bis 1879 Außenminister der mittels des Ausgleichs geschaffenen Doppelmonarchie. Die kleine, aber feine Universität mit mitteleuropäischem Programmschwerpunkt und internationaler Ausrichtung knüpft unter dieser traditionellen Vorgabe an eine bewegte Geschichte der deutschsprachigen Hochschulausbildung an, die bis zur Schließung (aufgrund der Benesch-Dekrete) im Jahre 1945 mit der deutschsprachigen Karl-Ferdinands-Universität in Prag bestanden hatte.

Indes sollte durch die Budapester Gründung nicht etwa eine Art restaurativer Prozess eingeläutet werden – wie einst 1882 in Prag, als auf Betreiben Wiens die „Alma Mater Carolina", die älteste Hohe Schule Mitteleuropas, in eine tschechische und in eine deutsche Lehranstalt aufgeteilt worden war. Die Gründung im einstigen Budapester Stadtpalais der Grafen Festetics, ganz in der Nähe des Nationalmuseums gelegen, möchte sich bewusst durch einen übernationalen Charakter auszeichnen – ganz der Idee eines friedlich geeinten aber vielseitigen und vielgestaltigen Europas über Staatengrenzen hinweg verpflichtet.

Weshalb sich die Initiatoren, welchen sich auch die Schweiz anschloss und denen zudem das  Auswärtige Amt in Berlin Unterstützung zuteil werden lässt, die „Multinationalität als Konstruktionsprinzip" auf die Fahnen hefteten. Die offene Geisteshaltung, welche dieses Gemeinschaftsprojekt auszeichnet, zieht eine bunte Mischung junger Absolventen aus ganz Europa an und lässt sie dort auf bestens ausgewiesene und höchst interessante Forscher und Lehrende treffen.

An den Fakultäten werden in postgradualen Studiengängen 200 Absolventen von Hochschulen aus 20 Ländern – mit Schwerpunkt Ungarn, Deutschland, Österreich, Schweiz, Rumänien, Slowakei und Polen – interdisziplinär für ihre künftigen Führungs- und Fachaufgaben vorbereitet. Nicht wenige sollen und wollen später im diplomatischen Dienst ihrer Herkunftsländer tätig werden und erwerben an der AUB sozusagen ihr Entrée-Billet.

Die Studiengänge und der Donauraum

So führt die Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften graduierte Juristen in der Pflege kontinentaleuropäischen und internationalen Rechtsdenkens sowie in der Vertiefung des europäischen Gemeinschaftsrechts zusammen. Absolventen kommen nach Erwerb des Abschlusstitels – eines Magister Legum (LL.M.) – ihrem Berufswunsch in einer europäischen oder internationalen Behörde, Organisation oder einem international tätigen Unternehmen einen Schritt näher. Ähnliches geschieht an der Fakultät  für internationale Beziehungen: Sie verfolgt das Ziel einer allumfassenden Ausbildung. Zum einen vermittelt sie im Studiengang „Internationale Angelegenheiten“ breite (Spezial-)Kenntnisse auf den Feldern (mittel)europäischer Politik, Wirtschaft und Gesellschaft; zum anderen im Parallelstudiengang „Internationale Beziehungen/Ökonomie“ neben dem klaren Schwerpunkt in der Volkswirtschaftslehre ein fundiertes Verständnis für europäische Wirtschaftspolitik und -integration.

Dem Profil der Gesamtuniversität folgend sind die Studiengänge auf das Ziel der „Einheit der Gesellschaftswissenschaften" ausgerichtet. Das eigens installierte Donau-Institut fungiert dabei quasi als Dachorganisation für die auf die „Donauraum-Strategie“ der EU bezogenen Aktivitäten der Fakultäten sowie der Doktoratsschule. Rektor András Masát und die Studiendekane der AUB sowie die Leiterin der Doktoratsschule – die deutsche Politikwissenschaftlerin Ellen Bos, die zugleich den Vorsitz innehat – sind im Vorstand des Instituts.

Für die Donauraum-Strategie ist die AUB als Modellprojekt für die internationale Kooperation im Donauraum geradezu prädestiniert. Weshalb sie von der ungarischen Regierung auch in deren Aktionsplan „Entwicklung der Wissensgesellschaft durch Forschung, Bildung und Informationstechnologien“ aufgenommen worden ist. Dessen Ziel deckt sich mit dem Ehrgeiz der Hochschule, nämlich in Kooperation mit weiteren Universitäten einen internationalen Studiengang zu entwickeln, der eigens, aber allumfassend, dem Donauraum gilt. Damit hat die AUB, an der ausschließlich weiterführende Masterstudiengänge und Promotionsprogramme angeboten werden, die Möglichkeit, sich noch stärker als Forschungsinstitution zu etablieren.

Organisation und Finanzierung der Universität

Die geringe Zahl der pro Studienjahr aufgenommenen Studierenden, die alle eine Aufnahmeprüfung  bestehen müssen – zugelassen werden nur Postgraduierte, die über gute Deutschkenntnisse verfügen – ist Garant gegen Phänomene der „Massenuniversität" die von unpersönlichen Begegnungen und schlechter oder fehlender Betreuung durch Professoren und Dozenten gekennzeichnet ist. An der „Andrássy Gyula Deutschsprachige Universität“, wie die Hochschule in der Pollack-Mihály-tér 3 im VIII. Budapester Stadtbezirk offiziell heißt, beträgt das Verhältnis Lehrende zu Lernenden 1:7, was zweifellos auch die Lehrveranstaltungen fachlich und didaktisch begünstigt sowie die Teilnehmer persönlich herausfordert. Das gilt im Besonderen für das Klima an der eigens eingerichteten Doktorats-Schule, in deren Rahmen sich jeder Promotionswillige vor Abgabe seiner fertig gestellten Dissertation einer Reihe von Seminaren unterziehen muss.

Und die Finanzierung? Die AUB-Stiftungsmitglieder stellen das Lehrpersonal zur Verfügung und sichern die Stipendien. Bis zum Studienabschluss fallen für jeden Absolventen monatlich 500 Euro an Studiengebühren an. Für Studierende, die das nicht aufbringen können, stehen Stipendien aus einem durch Unternehmen und Stiftungen gespeisten Fonds bereit. Ungarn brachte das für 16 Millionen Euro renovierte Festetics-Palais ein und sorgt für den reibungslosen Lehrbetrieb; auch Unterkünfte in Wohnheimen werden vermittelt. Die anderen Beteiligten tragen die Personalkosten für die von ihnen an die AUB entsandten Professoren.

Unlängst ist als neuer „Mitförderer“ die Autonome Region Trentino-Südtirol hinzugekommen, die für zunächst fünf Jahre einen namhaften Beitrag zum Budget der AUB beisteuert. Was gewiss auch Anreiz für die Ausrichtung der gerade abgeschlossenen Südtirol-Konferenz gewesen sein dürfte. Die spannend war und Aufsehen erregende neue Erkenntnisse zeitigte.

(Nachträgliche Ergänzung:
Wegen einer bedauerlichen Verwechslung ist es leider zu einer Fehlangabe gekommen. So beträgt die Studiengebühr nicht, wie irrtümlich angegeben, monatlich 500 Euro, sondern 200.000 Forint pro Semester, was nach gegenwärtigem Umrechnungskurs  690 Euro entspricht. Der Autor entschuldigt sich für die fehlerhafte Angabe.)

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Journalist

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Die Flucht der klugen Köpfe aus Europa drucken

Millionen Menschen sind in der Nachkriegszeit nach Europa gezogen, und noch mehr wollen das tun. Ist es da nicht Unsinn, von einer Flucht aus Europa oder aus einzelnen europäischen Ländern zu reden? Nun, es stimmt dennoch. Die einen kommen, die anderen gehen: Aber auch wenn die Abgehenden numerisch in der deutlichen Minderzahl sind, so kann das von ihnen in ihrer bisherigen Heimat hinterlassene Loch in keiner Weise durch die Zuwanderer gefüllt werden.

Natürlich ist jeder Mensch gleich viel wert, egal, welche Hautfarbe, Religion oder Muttersprache er hat. Wir wollen an dieser Stelle auch nicht darüber befinden, ob eine eingeborene Bevölkerung das Recht hat, in alle Zukunft das von ihr bewohnte Gebiet kulturell zu prägen, es also voll und ganz als ihre Heimat empfinden zu können, selbst wenn sie nichts dafür tut. Hier geht es um etwas anderes: um den wirtschaftlichen, kulturellen, zivilisatorischen, wissenschaftlichen Netto-Verlust, den viele EU-Länder derzeit durch die Abwanderung von Eliten an Können, an Ausbildung und damit an Dynamik erleiden.

Fast alle europäischen Länder müssen seit einiger Zeit einen solchen Verlust bilanzieren. Das gilt vor allem für jene, die ihren Bürgern hohe Steuersätze abnehmen. Sie gestehen den Verlust zwar nur ungern ein, aber der Brain drain ist unübersehbar. Die Abwanderung der klugen Köpfe geht aus der EU hinaus Richtung Schweiz, Richtung Nord- und Südamerika, Richtung Australien, auch in manche asiatische Länder.

Von Depardieu bis Arnault

Die Abwanderung steuer- und leistungswichtiger Bürger findet aber auch innerhalb Europas durch einen Abzug aus den Höchststeuerländern statt. Ein Beispiel war vor wenigen Wochen die Auswanderung des Schauspielers Depardieu aus Frankreich. Der in jeder Hinsicht gewichtige Mann weicht dadurch der konfiskatorischen Einkommensteuer von 75 Prozent aus, welche die neue französische Regierung über höhere Einkommen verhängt. Depardieu lebt künftig in Belgien, er hat aber auch schon ein Offert für einen russischen Pass bekommen.

Auch der reichste Mann Europas, Bernard Arnault vom Luxuskonzern LVMH, hat Frankreich, seine bisherige Heimat, Richtung Belgien verlassen. 

Die beiden sind nur die Spitze eines Eisbergs. Hunderte Franzosen haben in den letzten Wochen das Land für immer verlassen. Ist ja eh nur eine winzige Minderheit? Gewiss. Es bleibt auch dann eine solche, wenn ihre Zahl demnächst schon einige Tausende ausmachen wird. Jedoch geht es dabei durchwegs um jene Menschen, die bisher schon die höchsten Steuern gezahlt haben und die für die kulturelle Identität der stolzen Nation zentral gewesen sind. Sie zahlen nun gar keine Steuern mehr in Frankreich. Und sie werden niemanden mehr in dem Land beschäftigen. Das macht Frankreich, das sich von der Steuererhöhung einen Sanierungsbeitrag erhofft hatte, deutlich ärmer, als es nur die Zahl der Emigranten signalisieren würde. Ökonomisch und kulturell.

Die Mehrheit der französischen Medien und die Regierung reagieren heftig auf diese Abwanderung. Das heißt aber nicht, dass sie nachdenken würden, ob die Steuererhöhungen ein Fehler sind. Sie beschimpfen vielmehr die Abwanderer. Das führt freilich nur dazu, dass viele es vorziehen, ohne öffentliches Aufsehen heimlich, still und leise wegzugehen, und nicht so laut wie Depardieu zu protestieren. Am Verlust für Frankreich ändert das aber nichts. Außer, dass man noch gar nicht genau weiß, wie viele Franzosen am Ende fehlen werden.

Nun ruft Frankreich verstärkt nach einer europäischen Steuerharmonisierung; damit soll der Anreiz fallen, von einem EU-Land ins andere zu siedeln. Die Franzosen begreifen aber nicht, dass das die völlig falsche Reaktion wäre. Man stelle sich nur vor, was passiert, wenn die ganze EU zwingend eine 75prozentige Einkommensteuer auf all ihre Depardieus einheben würde: Dann würden diese in noch größerer Zahl als jetzt gleich die ganze EU verlassen. Dann würden fast wie in Kriegszeiten lange Schlangen vor Schweizer, kanadischen, chilenischen oder amerikanischen Konsulaten stehen. Und wieder wären es die Besten, die ihre Heimat verlassen. Heute schon berichten Schweizer Medien über eine ebenso intensive wie diskrete Zuwanderung aus Frankreich, aber auch aus Deutschland.

Irgendwann wird dann vielleicht sogar jemand nach einem Verbot rufen, aus der EU ausreisen zu dürfen. Und ein solches Verbot wäre, so wird man wohl eine weitere Etappe später erkennen, ja nur dann effektiv, wenn es auch von einem Eisernen Vorhang implementiert wird, der die Menschen an der Flucht hindert.

Steuerhöhe und Karrierechancen entscheiden

Die jüngste französische Aufregung betrifft nur die unmittelbar aktuelle Reaktion auf die jüngsten Steuererhöhungen. Hunderttausende Leistungsträger sind schon in den letzten Jahren aus Europa – auch aus Deutschland und Österreich – abgewandert. Weil anderswo die Steuern niedriger sind. Weil andere Länder bessere Karrieren versprechen, in denen nur das Leistungsprinzip entscheidet. Weil amerikanische Universitäten oder die ETH Zürich durch ihre enge Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft viel bessere wissenschaftliche Möglichkeiten bieten. Weil in Europa viele zukunftsträchtige und spannende Forschungsdisziplinen unter dem Druck ängstlicher und politisch korrekter Gruppen abgewürgt werden, wie etwa alle jene, die irgendwie mit Hormonen, Genen, Tierversuchen oder Nukleartechnologie zusammenhängen (wenn sich die Forschung nicht als rein medizinisch zu tarnen versteht).

Aus diesen Gründen wandern zunehmend auch ganze Firmen ab. Oder verlegen Teile der Produktion ins Ausland. Oder werden von chinesischen Investoren übernommen. Diese bedienen sich meist noch ein paar Jahre am europäischen Knowhow, bevor sie dann den alten Kontinent ganz verlassen und höchstens noch eine traditionsreiche Marke weiter auf dem Weltmarkt verwenden.

Motiv der Abwanderung von Unternehmen aus Europa sind neben den hohen Steuern auch die vielen Regulierungen und Verbote. Diese sind in den EU-Ländern höher als in jedem anderen entwickelten Erdteil. Hatte die EU anfangs für viele Unternehmen tendenziell noch eine Reduktion dieser Regulierungen bedeutet, ist sie in den letzten Jahren selbst zu einem bürokratieerzeugenden Faktor geworden. Sowohl die nationalen wie auch die europäischen Regulierungen wie auch zahllose ökologische Auflagen wie auch die Lohn- und Sozialkosten vertreiben Unternehmen aus Europa.

Von der Voest bis Tacchini

Dabei geht es um große wie kleine Firmen. Zu den Großen zählt etwa die Voest, die angekündigt hat, angesichts der hohen Energiekosten künftig nur noch im Ausland zu investieren. Schlimm trifft die Abwanderung erstaunlicherweise auch Deutschland: „Der Prozess, dass energieintensive Industrien Deutschland verlassen, hat längst begonnen.“ Es ist der (deutsche) EU-Kommissar Oettinger, der das offen ausspricht. Er empfiehlt dem Land dringend eine deutliche Senkung der hohen Abgaben, die auf dem deutschen Strompreis lasten. Diese sind aber erst in den letzten Jahren als Folge der Energiewende – also vor allem des Ausstiegs aus der Atomkraft – so stark gestiegen.

Es geht genauso um kleine Qualitätsfirmen, wie beispielsweise das italienische Tennis-Label Tacchini. Dessen Schicksal ist typisch für viele andere: Zuerst wurde Tacchini angesichts wirtschaftlicher Probleme an einen chinesischen Konzern verkauft. Und jetzt sperrt dieser die Produktion in Italien. Die zugkräftige Marke soll aber weiterleben, auch wenn sie mit Europa nichts mehr zu tun hat.

Ringsum wird abgezogen und gespart. Vor allem die alten nationalen Platzhirschen siechen dahin. Etwa im Luftverkehr: Da ist Ryan Air heute Italiens größte Fluglinie, während die Alitalia vor dem nächsten Crash steht. Da muss sich die einst aufstrebende Luftlinie Niki immer mehr auf den Status eines bloßen Urlaubsfliegers zurückziehen: Sofia, Belgrad und Bukarest werden ab Sommer 2013 nicht mehr von Wien aus angeflogen (womit auch ein weiteres Stück der einstigen Osteuropakompetenz Österreichs verloren geht). Da steckt die skandinavische SAS seit zehn Jahren in den roten Zahlen und kann jetzt nur noch mit Hilfe eines spontanen Gehaltsverzichts der Mitarbeiter weiterfliegen.

Erfreuliche Gegendynamik in Irland oder Spanien

Das heißt nun alles nicht unbedingt, dass Europa nur noch tatenlos darauf warten kann, bis der letzte Leistungsträger geht und hoffentlich das Licht abdreht. Wenn die europäischen Länder die Gefahr erkennen, könnten sie die Dynamik durchaus noch umdrehen. Es gibt ja auch heute schon einige erfreuliche Gegeninitiativen.

Eine ist etwa Irland. Es hat – obwohl eines der ersten Krisenopfer – der Versuchung (und dem Verlangen aus der Rest-EU!) widerstanden, die Sanierung auf Kosten der Unternehmen durchzuführen. Daher sind die Steuern niedrig und die Investoren im Land geblieben. Daher ist das Land der erste Schuldenstaat, der 2013 wieder aus der Schuldknechtschaft entlassen werden dürfte.

Auch das Krisenland Spanien entwickelt nun erstaunlich kreative Ideen: Es schenkt ab sofort jedem Ausländer, der sich mit mindestens 160.000 Euro in eine spanische Immobilie einkauft, eine Aufenthaltsgenehmigung (davon können natürlich nur Nicht-EU-Bürger profitieren, denn die anderen dürfen sowieso schon frei nach Spanien ziehen). Da heute schon eine Million Häuser und Wohnungen in Spanien als Endprodukt des Platzens der Immobilienblase leerstehen, scheint das jedenfalls keine ganz dumme Idee – auch wenn es natürlich vor allem reiche Russen und Ukrainer, Kasachen und Chinesen sein werden, die davon Gebrauch machen und ihr Geld aus ihrer rauen (post-)kommunistischen Heimat in Sicherheit bringen wollen. Aber immerhin bringen diese Geld in die EU.

Ähnlich macht es seit Jahrzehnten ja schon Kanada, das von allen Seiten als Vorbild gelobt wird: Dorthin kann man immer dann leicht einwandern, wenn man viel Geld oder eine gute – und gesuchte(!) – Ausbildung mit sich bringt. Das heißt, ein technischer Facharbeiter hat exzellente Chancen, ein Philologe oder Politologe hingegen nicht. Und ein ungelernter Afrikaner oder Araber schon gar nicht. Die wandern aber ohnedies lieber in die EU und an deren reiche Sozialtöpfe.

Ist das kanadische Modell nicht inhuman und egoistisch, werden gute Menschen einwenden? Mag schon sein. Aber die Staaten Europas müssen rasch begreifen, dass auch sie egoistischer werden sollten, wenn sie nicht steil abstürzen wollen.

Niemand gibt den Europäern nämlich etwas dafür, dass sie ökologische Vorzugsschüler, die besten Empfangsländer für Asylanten, die größten Förderer von Kultur und der Inbegriff eines Wohlfahrtsstaates sind. Denn von diesen Qualitäten leben kann Europa nicht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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SN-Kontroverse: Ungarn drucken

In jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten gibt es eine Doppelkolumne mit dem Titel „Kontroverse“, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll die EU ihre Gangart gegenüber Ungarn verschärfen?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

 

Europas Scham

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Es ist beschämend. Nur wenige Kilometer von Wien entfernt, spielen sich Szenen in einem Land ab, das zwar zur EU gehört, in dem die Grundwerte der Union jedoch mit Füßen getreten werden.
Seit in Ungarn der Rechtskonservative Viktor Orban im Mai 2010 zum zweiten Mal die Macht ergriffen hat, ist Ungarn auf dem Weg zum autoritären Staat. Im Land herrscht stumpfer Chauvinismus und primitiver Populismus. Offen wird der Hass gegen Minderheiten, Sinti, Roma und Juden artikuliert. Sie werden wie in den dunkelsten Stunden Europas zu Sündenböcken für all das gemacht, was nicht funktioniert.
In Ungarn werden Oppositionelle mundtot gemacht und kritische Medien geknebelt. Alle Instanzen der demokratischen Kontrolle wurden seit Orbans Wiederwahl geschwächt, abgeschafft oder unter die Kontrolle der Regierung gebracht. Ungarn hat sich eine abenteuerliche Verfassung gegeben. Sie unterminiert das Rechtsstaatsprinzip und nimmt dem Verfassungsgericht dauerhaft das Recht, Steuer- und Haushaltsgesetze zu überprüfen.
Damit schafft sie Spielräume, verfassungswidriges Recht in Kraft zu setzen, ohne dass jemand etwas dagegen tun kann. Das Rechtsstaatsprinzip wird zusätzlich ausgehöhlt, weil der neuen Verfassung eine wirre und ideologisch einseitige Präambel vorsteht, die sich "Nationales Glaubensbekenntnis" nennt. Dieses ist keine bedeutungslose "Verfassungslyrik", sondern wurde explizit zum verbindlichen Interpretationsmaßstab der Verfassung erklärt.
Nun sollen auch das Wahlrecht und die Freiheit der Wahlwerbung eingeschränkt werden. Wahlwillige Bürger sollen sich künftig registrieren müssen; die Parteien sollen keine Wahlwerbung in privaten Sendern sowie im Internet platzieren dürfen.
Brüssel sieht hilflos dieser Entwicklung zu. Noch beschämender ist aber das Schweigen der Europäischen Volkspartei und der Christlich Demokratischen Internationale. In beiden Organisationen ist Viktor Orban Vizepräsident.


 

 

Linke Heuchelei wie schon 2000

 

Andreas Unterberger

An Ungarn gibt es viel zu kritisieren. Vor allem eines: Die Regierung vertreibt mit ihrem nationalen Sozialismus ausländische Investoren. Sie will die eigene Bevölkerung schonen und jene Branchen abcashen, in denen primär ausländische Firmen aktiv sind. Als Folge investiert kaum noch jemand in Ungarn, was wiederum die ohnedies hohe Arbeitslosigkeit weiter nach oben treibt.
Absolut lächerlich ist es jedoch, Ungarn eine Verletzung europäischer Grundrechte vorzuwerfen. Die Fakten sagen etwas ganz anders:
Ungarns Regierung verurteilt und bekämpft scharf den Antisemitismus einer rabiaten Oppositionspartei. Ungarns Regierung hat nicht - so wie die sozialistische in Rumänien! - rechtswidrig einen demokratisch gewählten Staatspräsidenten abgesetzt. Gegen Ungarn sind weniger Verfahren wegen Nichtumsetzung europäischer Richtlinien in Gang als gegen etliche andere EU-Staaten.
In Ungarn attackieren völlig ungehindert viele Zeitungen die Regierung. Ungarns Höchstgericht hebt so, wie es in anderen Ländern passiert, ohne Zögern verfassungswidrige Gesetze auf.
Ja, der Medienrat wurde rein von der Regierung nominiert - aber wenn das ein Skandal ist, dann ist es das beim viel mächtigeren österreichischen Verfassungsgerichtshof noch weit mehr; der wird nur Rot-Schwarz besetzt (obwohl die Wiener Koalition eine kleinere Mehrheit hat als Viktor Orban).
Ja, das Staatsfernsehen macht Regierungspropaganda - aber wie nennt man dann die linke Gehirnwäsche durch die total SPÖ-hörige ORF-Information? Oder die Bestechung österreichischer Zeitungen durch Minister mit Steuergeldern?
Niemand braucht Ungarn zu schonen, nur weil es ein Nachbarland ist. Aber viele Attacken auf Ungarn sind heuchlerisch und dumm. Sie sind ein neuer Versuch der europäischen Linken, eine ihnen nicht genehme Mehrheit zu bekämpfen. So wie sie es schon im Jahr 2000 im Fall Österreich getan haben.

 

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Krumme Gurken, schrumpelige Äpfel und selektive Aufregungen drucken

Sie war jahrelang einer der häufigsten Kritikpunkte, der gegen die Europäische Union vorgebracht worden ist: die Gurkenkrümmung. Jeder Provinzpolitiker erregte sich darüber, dass die EU auch solche, ja wirklich überflüssige Dinge regle. Diese Gurken-Aufregung hat sich jahrelang wohl am festesten von allen EU-Themen in den Köpfen an den Stammtischen eingegraben. Dennoch war sie unberechtigt. Hingegen haben die EU-Bürger über viele andere echte Fehler der europäischen Bürokratie desinteressiert hinweggesehen.

Die Regelung der Gurkenkrümmung war keine unziemliche Einmischung der EU in unser Essen, sondern eine Hilfe für den Lebensmittelhandel. Die dieser auch unbedingt wollte.

Die Regelung hat in Wahrheit niemanden gestört. Denn: Es hat praktisch kein EU-Durchschnittsbürger mitbekommen, dass die Regelung – wie viele andere europäische Vermarktungsnormen im Agrarsektor – schon seit 2009 außer Kraft ist. An der Praxis im Handel hat sich aber seither absolut nichts geändert.

Die Gurkenkrümmungsnormen und viele ähnliche Regeln waren nämlich in Wahrheit äußerst sinnvoll: Sie haben den europaweiten Lebensmittelhandel vereinfacht. Die Käufer wussten, was jede einzelne Handelsklasse bedeutet, die sie irgendwo in Europas kaufen.

Der Griff des Konsumenten entscheidet

Solche Normen gehen letztlich auf Wünsche der Konsumenten zurück, oder genauer auf ihr Handeln. Diese mokieren sich zwar bei Umfragen gerne über die Gurkenkrümmung, greifen aber im Gemüsegeschäft und Supermarkt immer nur nach den schön geraden Gurken. Daher haben Bauern, die krumme Gurken liefern wollen, auch nach Abschaffung der EU-Normen genauso geringe Chancen auf Abnehmer wie vorher.

Der Handel hat das Aus für die EU-Regelung jedenfalls blitzschnell durch andere Markt-Usancen ersetzt. Insbesondere war dabei die ECE, die UNO-Wirtschaftskommission für Europa, hilfreich. Deren Richtlinien sind zwar unverbindlich, aber in der Kette Bauern-Großhändler-Gemüseregale-Konsumenten eben überaus hilfreich.

Daher gibt es weiterhin Zucchini der Klasse 1; diese dürfen nur einen Stiel von maximal drei Zentimetern Länge haben. Daher wird Spargel auch künftig nur rechtwinkelig abgeschnitten. Daher haben unförmige Karotten keine Chance gegen das orange Gardemaß.

Daraus kann man zweierlei lernen: Erstens hat die EU erfahren, dass sich schlechte Nachrichten (eben die von den angeblich schikanösen Gurken-Richtlinien) immer viel stärker verbreiten als gute Nachrichten. Der Union hat daher die erhoffte Imageverbesserung durch die Abschaffung der meisten Lebensmittel-Regelungen überhaupt nicht geholfen. Sie hat das freilich auch nicht mit einer Kommunikations-Strategie zu nutzen versucht.

Wann wird „biologisch“ gekauft?

Die zweite Lehre handelt vom Stichwort „Bio“: Gemüsehändler können auf die Kiste mit den schrumpeligen Äpfeln noch so groß „Bio“ draufschreiben. Genommen werden jedoch nur die schönen, fehlerfreien Exemplare. Daran ändert auch der Umstand nicht, dass an sich die Konsumenten bei Umfragen immer große Begeisterung über angeblich oder wirklich biologisch erzeugte Lebensmittel äußern (was „biologisch“ auch immer konkret bedeuten mag).

Als Käufer greifen sie jedoch höchstens dann zu Bio-Lebensmitteln, wenn diese optisch genauso schön wirken wie normale Produkte. Das geht natürlich am leichtesten, wenn sich das Produkt dem Konsumenten schön verpackt präsentiert, wie beispielsweise Yoghurt oder Milch. Dieses Verhalten wird wiederum vom psychologisch einfallsreichen Handel ganz gezielt genützt, um dem Konsumenten solche verpackten Bio-Produkte nun viel teurer zu verkaufen. Hingegen sind bei unmittelbar sichtbaren Angeboten wie Obst und Gemüse die meisten Bio-Bemühungen wieder weitgehend eingestellt worden. Hier verkauft sich nur strahlende Schönheit.

Das führt nun zu problematischen Folgen am Beginn der Lebensmittelproduktion, aber auch im Handel: Alles, was nicht so schön aussieht, wird erbarmungslos weggeschmissen, auch wenn es problemlos genießbar wäre. Dadurch wandert weit mehr als ein Drittel der einschlägigen Gewächse direkt auf den Komposthaufen.

Das kann man nun in Sonntagspredigten kritisieren und tadeln. Aber man sollte weder den Bauern noch dem Handel die Schuld daran geben, und auch nicht der EU. Entscheidend sind wie immer in einer freien Wirtschaft die Konsumenten. Also wir.

EHEC als Bio-Killer

Mitschuld an der geringen Popularität von biologischem Obst und Gemüse trägt aber auch die einstige EHEC-Infektion. Diese war direkte Folge einer biologischen Erzeugungsweise. An EHEC sind vor allem in Deutschland immerhin Hunderte Menschen schwer erkrankt. Was nur deshalb wenig ins Bewusstsein eingedrungen ist, weil die Medien die Berichterstattung drastisch hinuntergefahren haben, als der „Bio“-Zusammenhang klar wurde.

Unbestreitbar hat EHEC jedenfalls viel mehr Menschen unmittelbar geschädigt als die Zerstörung eines japanischen Atomkraftwerks durch einen Tsunami. Über diesen AKW-Unfall ist aber Tausendmal mehr berichtet worden als über EHEC. Und die Folgen sowie Kosten der dadurch ausgelösten deutschen Energiewende sind in ihren Dimensionen für ganz Europa noch gar nicht absehbar.

Noch einmal zurück zur Gurkenkrümmung: Die etwa rund um den österreichischen EU-Beitritt, aber auch in den Jahren nachher überdimensionale Beachtung des Themas zeigt, wie wenig die Intensität der öffentlichen Debatte mit der wirklichen Bedeutung korreliert.

Die einstige Gurken-Aufregung steht etwa in totalem Missverhältnis zum heutigen europäischen Desinteresse an den EU-Finanzen. Dabei müsste beispielsweise in diesen Tagen ein lauter Aufschrei über eine kräftige Erhöhung der europäischen Beamtenbezüge durch den Kontinent gehen. Diese Bezüge springen nämlich kräftig nach oben, weil sich die Mitgliedsländer nicht über die Verlängerung einer Solidaritätsabgabe für die Beamten einigen konnten. Das ist in Zeiten einer europaweiten Schuldenkrise und angesichts der auch nach Abzug der Solidaritätsabgabe enorm privilegierten Beamtengehälter eine unglaubliche Provokation.

Diese ist zumindest bisher völlig untergegangen.

Zigaretten-Schockbilder und Flughafen-Tarife

Viel interessanter wäre derzeit auch die Frage, ob es nicht viel schlauer wäre, den – unbestreitbar – schwer ungesunden Zigarettenkonsum durch Preiserhöhungen an Stelle der geplanten medizinischen Schockbilder zu bekämpfen. Das würde vor allem Jugendliche viel mehr abschrecken, die ja die entscheidende Zielgruppe bei Gesundheits-Initiativen sein müssten. Noch dazu, wenn man weiß, dass vor allem geldknappe Unterschichts-Jugendliche überdurchschnittlich anfällig fürs Rauchen sind. Postpubertäre Jugendliche kommen sich hingegen toll vor, wenn sie ihren „Mut“ zeigen können, indem sie trotz der von Brüssel künftig verordneten grauslichen Bilder rauchen.

Ebensowenig für Debatten sorgt der Widerstand von – auch österreichischen – Abgeordneten gegen mehr Wettbewerb bei der Bodenabfertigung von Flugzeugen. Die Kommission wollte durchsetzen, dass mindestens drei Bewerber im Rennen sein müssen, und hätte dafür unsere laute Unterstützung verdient. Den Abgeordneten genügen jedoch zwei. Das ist keineswegs eine bloß akademisch-bürokratische Frage. Denn den Unterschied zahlen die Konsumenten, also die Flugpassagiere. Und dass zwischen nur zwei Marktteilnehmern der Wettbewerb nicht gerade stark ist, sollte man auch im EU-Parlament bedenken.

Wir aber können über die merkwürdigen Mechanismen nachdenken, wann in Europa ein Thema zum Thema wird, und wann nicht. Die Gurkenkrümmung war jedenfalls das falsche Thema.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Die europäische Euphorie drucken

Vor dem endgültigen Ende kommt es bei vielen Krankheitsbildern zu einer kurzen Phase einer bescheidenen Euphorie. Diese scheint Europa jetzt erfasst zu haben, weil ein paar Monate lang kein neuer Krisengipfel droht, weil die neuesten Konjunkturprognosen nicht ganz so schlimm sind wie zuletzt, weil sich die Ratings Griechenlands verbessert haben, weil das Weihnachtsgeschäft halbwegs erträglich abgelaufen ist. Alle fundamentalen Daten für den Kontinent bleiben aber dauerhaft depressiv. Daran können kurzfristige Zacken nichts ändern.

Dass kurz vor Weihnachten mit Zypern ein weiteres EU-Land an der Intensivstation der von Schulden erdrückten Länder anläuten musste, kann man ja angesichts der Größe Zyperns vielleicht noch ignorieren. Bei vielen anderen Daten geht das nicht. Etwa bei den Konjunkturdaten, die beim näheren Hinsehen für sämtliche Weltregionen weit besser aussehen als für Europa. Damit relativieren sich die erhofften kleinen Zuwächse der Europäer total. Auch die griechischen Ratings sind zwar besser, aber noch keineswegs gut.

Die erdrückende Wohlfahrt

Am anschaulichsten aber zeigen drei Ziffern, die auch Angela Merkel neuerdings gerne kommuniziert, den Zustand des Kontinents: 7 Prozent der Weltbevölkerung schaffen 25 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung – was an sich wunderbar ist. Aber sie konsumieren zugleich 50 Prozent der weltweiten Wohlfahrtsleistung – was sich nicht nachhaltig fortsetzen lässt und mit Sicherheit einen steilen Rückgang der europäischen Wirtschaftsleistung auslösen wird.

Dennoch gibt es keine relevante Kraft in Europa, die sich für einen signifikanten Rückbau des unhaltbar gewordenen Wohlfahrtssystems einsetzt. Und jene, die das tun, empfehlen nur Griechenland & Co einen solchen Rückbau, nicht aber ihren eigenen Ländern. Auch Merkel schlägt keine Einschnitte ins deutsche Wohlfahrtssystem, sondern sogar dessen Ausbau vor (etwa bei Kinder- und Pensionsleistungen). In Süd- und Mitteleuropa fürchtet jede Partei, mit einer ehrlichen Anti-Wohlfahrtsansage die nächsten Wahlen schwer zu verlieren.

Möglicherweise haben sie damit auch recht, wenngleich sich in konkreten Einzelfragen die Durchschnittsbürger oft deutlich weniger verschwendungsfreudig zeigen als die Politiker. Das zeigen viele Schweizer Referenden. Das zeigt in Österreich der Umstand, dass die allerjüngste Geldverschwendung durch die Erhöhung des Pendlerpauschales ein reines Produkt der politischen Klasse und keineswegs einer starken Basisbewegung von unten ist. Das zeigt in Deutschland die Diskussion aller Parteien über einen Ausbau der Pensionsleistungen. Das zeigen viele Umfrage-Ergebnisse in Deutschland und Österreich.

Tatsache ist jedenfalls, dass in den letzten Jahren die Sozialquote und die mit dem Gini-Faktor gemessene Umverteilung weiter gestiegen sind. Europas Staaten verstärken immer mehr den Anreiz für die Menschen, auf Kosten der Allgemeinheit zu leben, und geben immer weniger Anstöße Richtung Leistung und Eigenverantwortung.

Dementsprechend ist in vielen Ländern in den letzten Jahrzehnten das Pensionsantrittsalter gesunken. Dabei hätte es angesichts der steigenden Lebenserwartung und der besseren Gesundheit der Menschen stark steigen müssen, wenn das Pensionssystem nachhaltig sicher bleiben sollte.

Doppelalarm: Geburtenrückgang und Zuwanderung

Noch katastrophaler ist der europaweite Geburtenrückgang. Dieser ist nicht nur ein Produkt des Pillenknicks, sondern auch eines gesellschaftlichen Klimawandels: Kinder werden fast nur noch als Last und Doppelbelastung dargestellt; für Betreuung, Pflege und Sicherheit im eigenen Alter sieht man ihre Notwendigkeit jedoch nicht mehr. Denn der Staat und die Parteien haben fahrlässigerweise versprochen, dass sie das alles ohnedies für die Menschen erledigen werden. Was natürlich völlig denkunmöglich ist.

Hand in Hand mit Geburtenrückgang und Wohlfahrt muss auch die massenweise Zuwanderung große Sorge machen. In Wiens Volksschulen etwa – wie auch in etlichen deutschen Städten – hat schon weit mehr als die Hälfte der Kinder eine andere Muttersprache als Deutsch. Der Anteil solcher Kinder ist dreimal so hoch wie im Rest des Landes; längst haben sich in der Stadt ganze türkische Ghettos gebildet. Zugleich aber ist Wien das österreichische Bundesland mit der höchsten Arbeitslosigkeit – und den weitaus großzügigsten Wohlfahrtsleistungen. Das heißt: Viele der Zuwanderer sind gezielt in den Wohlfahrtsstaat, in die Wohlfahrtsstadt gekommen, und nicht in den Arbeitsmarkt.

Genauso belastend wie die soziale Musterschüler-Rolle der Europäer ist auch ihre ökologische. Die EU war praktisch die einzige Region, welche die sogenannten Kyoto-Ziele ernst genommen hat. Dabei ist das europäische Handeln für die angeblich durch CO2 ausgelöste Klimaerwärmung völlig irrelevant, solange der Rest der Welt nicht mittut. Dabei hat sich rund um den Emissionshandel das wohl größte Betrugssystem der Geschichte etabliert, wie sich jetzt zeigt.

Die Voest als Zeichen an der Wand

Bezeichnend – und keineswegs ein Einzelfall – ist das Verhalten des größten österreichischen Industriekonzerns, der Voest: Sie verlegt sämtliche neuen Investitionen ins Ausland. Sie kann sich die teuren sozialen und ökologischen Auflagen in Europa einfach nicht mehr leisten. Sie muss ja ihre Produkte auf den Weltmärkten verkaufen.

Weil der Energiepreis der USA nur noch ein Drittel des europäischen ausmacht, ist jetzt sogar Amerika ein lohnendes Ziel für einen energieintensiven Betrieb wie die Voest geworden. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass in Europa die Energiekonsumenten mit immer höheren Summen die gigantischen Kosten der sogenannten Alternativenergien subventionieren müssen; das sind also (chinesische) Solarpaneele auch im sonnenarmen Norden, Windmühlen in windarmen Gegenden und Tausende Kilometer neuer Mega-Stromleitungen quer durch den Kontinent.

Die niedrigeren US-Energiepreise sind insbesondere aber auch Folge der neuentwickelten Technologien zur Gewinnung von Erdgas aus bisher nicht nutzbaren Lagerstätten. Das hat in den USA die Preise steil purzeln lassen. Das löst auch den gegenwärtigen amerikanischen Wiederaufschwung trotz der Überschuldung aus.

Die europäische Lust an der Angst

In Europa hingegen haben auch in dieser Frage wieder einmal die Angstmacher gewonnen. Das sind die geistig Grünen in allen Parteien, die sich sofort vor allem und jedem fürchten, was sie irgendwann einmal in einem Medium lesen. Sie behindern in Österreich sogar die Erforschung von anscheinend riesigen Gas-Lagern, weil vielleicht einmal bei den neuen Methoden zum Abbau des Schiefergases etwas passieren kann. Sie erzwingen in Deutschland die Schließung sämtlicher Atomkraftwerke, weil in Japan eines bei einem Tsunami zerstört worden ist. Was zwar eine böse und unheimlich aussehende Sache war, was aber im Gegensatz zu den 17.000 Todesopfern durch die Flutwelle selber bisher kein einziges Menschenleben gefordert hat. Der Atomunfall ist also trotz der Totalzerstörung und panischer Stunden kontrollierbar geblieben.

Aber wir fürchten uns halt alle so gerne. Daher ignorieren wir auch völlig, dass die neue japanische Regierung schon wieder vom Anti-Atomkurs ihrer Vorgänger abkehrt.

Die österreichische Regierung ignoriert auch noch etwas anderes: nämlich die Abwanderungs-Ankündigungen der Voest. Eine Regierung mit Weitblick müsste hingegen sofort eine Sonderklausur einberufen, um diese Entscheidung zu analysieren und alle Maßnahmen zu setzen, die den großen Arbeitgeber im Land halten, die also den Energiepreis und die Lohnkosten nach unten drücken. Aber offenbar bemerkt die Regierung nicht einmal den neuen Kurs der Voest, weil sie in ihren kleinlichen Streitereien verfangen ist.

Wofür man sich in Griechenland schon lobt

Aber auch die griechischen Meldungen sollten uns weiterhin alarmiert halten. Die Besserung der Ratings für Griechenland ist ja nur eine Folge der neuerlichen Schuldenübernahme durch die Miteuropäer.

Viel gravierender ist die Tatsache, dass die griechischen Steuerprüfer neuerlich nur einen Bruchteil jener Zahl an Steuerpflichtigen überprüft haben, die sie eigentlich gemäß ihren internationalen Verpflichtungen prüfen hätten müssen. Viel gravierender ist, dass die Daten-CD mit mutmaßlichen Steuerhinterziehern rasch wieder aus der Diskussion verschwunden ist, obwohl (oder weil?) dort die Familie des ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Papandreou mit einer halben Milliarde Euro vermerkt ist. Viel gravierender ist, dass die griechischen Beamten weiterhin regelmäßig streiken, statt endlich ernsthaft zu arbeiten.

Nicht gravierend, aber überaus signifikant ist auch eine der jüngsten Aussagen des amtierenden griechischen Ministerpräsidenten Samaras: Der hat sich öffentlich dafür berühmt, dass er für seine Minister neuerdings sogar am Wochenende erreichbar ist.

Jetzt sind wir aber beeindruckt! Zumindest vom griechischen Verständnis für Lebensqualität.

Noch viele andere Details aus Europa zeigen: Kein Mensch würde heute noch die Sichtweise des Jeremy Rifkin teilen, der im vorigen Jahrzehnt Furore gemacht hat, indem er den Nordamerikanern  das europäische Modell und den Wohlfahrtsstaat als Vorbild hinzustellen gewagt hat.

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Europäische Bankenaufsicht: Enteignung von Sparern drucken

Die Finanzminister der Euro-Zone haben sich auf einen rechtlichen Rahmen für die Grundzüge eines gemeinsamen Aufsichtsmechanismus für die europäischen Banken geeinigt. Die dazu hinsichtlich der Details getroffenen Aussagen sind zum Teil recht widersprüchlich. Fest zu stehen scheint lediglich der Zeitpunkt, ab dem die neue Kontrollbehörde loslegen soll. Nach Aussage der Deutschen Kanzlerin soll das am ersten März 2014 der Fall sein. Vorerst gilt es also, das vor uns liegende – aufsichtsfreie Jahr – zu überstehen.

Vorgebliches Ziel der Übung sei die Rekapitalisierung Not leidender Kreditinstitute durch den ESM, wobei die Größe der zu rettenden Institute auf Betreiben Deutschlands eine wesentliche Rolle spielen soll. Nur große, „systemrelevante Banken“ mit maßgeblicher Bedeutung für eine Volkswirtschaft (das sind die mit einem Anteil von mehr als 20 Prozent am BIP des Heimatlandes oder einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro), werden von der neu zu schaffenden Kontrollbehörde, die – wie das für alle bürokratischen Institutionen typisch ist – über Hundertschaften ebenso hoch dotierter wie unproduktiver Mitarbeiter verfügen wird, überwacht werden.

Dieser neuerliche Akt der Zentralisierung und Machtverdichtung innerhalb des Euro-Imperiums ist ein weiterer Beleg für die von den Protagonisten der Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre vertretene These, wonach staatliche Interventionen in die Wirtschaft immer weitergehende Interventionen nach sich ziehen. Hätten die Staaten es unterlassen, durch Eingriffe in die Kreditwirtschaft (etwa die Bereitstellung „billigen Geldes“ durch Zinsmanipulation und exzessive Schöpfung von Geld und Kredit) einen künstlichen Boom auszulösen, wäre es niemals zu jenen Fehlallokationen gekommen, die den Ausgangspunkt jener folgenschweren Entwicklung gebildet haben, die nun damit endet, dass nicht nur die Stabilität von Banken gefährdet ist, sondern auch die Finanzen der Staaten und vieler privater Haushalte schwer zerrüttet sind.

Die von Linken so leidenschaftlich kritisierte Aufblähung des Finanzsektors ist eine unmittelbare Folge verfehlter staatlicher Geld- und Finanzpolitik, ohne die es die viel geschmähten „Casinokapitalisten“ gar nicht gäbe. Die Lösung von Problemen, die es nie gegeben hätte, hätten nicht die nun selbsternannten Problemlöser davor für deren Schaffung gesorgt, ist ein typisches Phänomen des staatlichen Interventionismus.

Wie man aus dem Munde aller ernst zu nehmenden Experten hören kann (zu denen die Befürworter einer weiteren, exzessiven Ausdehnung der Geldmenge naturgemäß nicht zählen!), ist mittlerweile ein Punkt erreicht, an dem ein „unblutiger“ Ausweg aus dem kollektiven Finanzdebakel nicht mehr zu finden ist. Dennoch gaukeln uns die am weiteren Verbleib in ihren Ämtern interessierten Regierenden unverdrossen vor, es bestünde immer noch die Möglichkeit zu einer „sanften Landung“. Dies allerdings nur dann, wenn man ihnen nicht in den Arm falle und sich überdies jeden kritischen Kommentars zu ihren genialen Maßnahmen enthalte.

Kritik an ihrer „Rettungspolitik“ zu üben würde nämlich das „Vertrauen der Märkte in die EU gefährden“ – und damit das Risiko in sich bergen, zur „selbst erfüllenden Prophezeiung“ zu werden. Man braucht kein Prophet zu sein, um jetzt bereits sagen zu können, dass nach dem bevorstehenden Kollaps von Euro und EU nicht deren größenwahnsinnige Initiatoren, sondern wieder „irrationale Märkte“ schuld gewesen sein werden…

Griechenland ist ohne zeitlich unbegrenzte Hilfen nicht (mehr) lebensfähig. Alle anders lautenden, in den vergangenen beiden Jahren aufgestellten, Behauptungen sind falsch. Das Dümmste, was man in einer derartigen Lage tun kann ist es, dem schlechten Geld noch gutes hinterher zu werfen (was sowohl Geist als auch konkreten Bestimmungen der europäischen Verträge zuwiderläuft). Genau das aber ist nun im Wege der planwirtschaftlichen Rettung jener (vorwiegend französischen) Banken geplant, die sich (unter anderem) in Griechenland exponiert haben.

Wie der FDP-Dissident Frank Schäffler, der wohl einzige Abgeordnete des Deutschen Bundestages, der sich zu Recht liberal nennen darf, feststellt, geht es bei der Rekapitalisierung maroder Banken nun primär darum, die Türe für die lateineuropäischen Institute aufzustoßen, damit diese an die gut gefüllten Töpfe der deutschen Einlagensicherung herankommen – und damit an die Vermögen der deutschen Sparer. Die Belohnung korrupter Regierungen, unverantwortlicher Banker und die rigorose Enteignung kreuzbraver Sparer – das ist das wahre Ziel der eben getroffenen Beschlüsse zur „Bankenaufsicht“.

Der von der politischen Klasse gewählte Weg des „Schreckens ohne Ende“, wird schlimmere Folgen zeitigen, als die „konservative“ Alternative, also ein „Ende mit Schrecken“. Letzteres würde bedeuten, marode Banken und Staaten – wie im Rahmen der europäischen Verträge vorgesehen – Pleite gehen zu lassen und damit Schaden von den Bürgern ordentlich gebarender Länder abzuwenden. Stichworte: „Verträge sind einzuhalten“ und „Brandmauer“!

Der Kollateralnutzen diese Strategie bestünde in der damit aller Welt übermittelten Botschaft, dass in der Alten Welt fehlerhafte Entscheidungen auch verantwortet und finanziert werden müssen. Und zwar nicht von unbeteiligten Steuerzahlern in Drittländern, sondern von auf nationaler Ebene involvierten Akteuren. Selbstverständlich auch von jenen Politikern, die die Basis für die Krise und daraus resultierende Unruhen geschaffen haben und die für ihre Handlungen zivil- und strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sind.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Spekulation mit der Spekulation drucken

Eines der vielen Konstruktionsprobleme der Europäischen Union zeigt sich derzeit dramatisch an Hand eines österreichischen Beispiels: Die Mitgliedsstaaten sind zunehmend durch Sanktionen bedroht, wenn sie ihre gesamtstaatlichen Defizite nicht in den Griff bekommen, also einschließlich jener der Regionen, Provinzen und Gemeinden. In föderalistisch strukturierten EU-Staaten haben die Zentralregierungen aber meist gar keine Möglichkeit, die Defizite dieser anderen Körperschaften verbindlich zu limitieren, obwohl sie gegenüber der EU für diese haften. Das zeigt sich derzeit ganz stark an Hand des österreichischen Bundeslandes Salzburg. Die Republik Österreich hat bei ihren Bundesländern nicht nur keinen Durchgriff. Sie haben aber auch keinen Durchblick; noch weniger haben das die Steuerzahler. Das ist der zweite Skandal. Die Tatsache von „Spekulationen“ an sich ist es hingegen nicht. Die sind in Wahrheit in hohem Ausmaß unvermeidlich. Mit einer nachträglichen Ergänzung.

Die Ahnungs- und Hilflosigkeit von Bund und Bürgern gegenüber dem Treiben der Bundesländer hat sich vor drei Jahren auch schon in Kärnten dramatisch gezeigt. Damals war die Republik über Nacht mit der Tatsache konfrontiert, dass die dortige Landesverwaltung heimlich gewaltige Milliardenhaftungen für eine Bank eingegangen war. Deren Umfang wurde erst nach der Pleite der Bank und dann erst etappenweise bekannt.

Zuerst glaubte der damalige Finanzminister der Republik noch, es ginge „nur" um sechs Milliarden. Und er war schon über diese Dimension schockiert, hat doch Kärnten alljährlich ein Gesamtbudget von nur zwei Milliarden. Erst einige Wochen später wurde klar, dass die Haftungen über 18 Milliarden ausmachen. Was die Republik zwang, selbst die Bank zu übernehmen. Zumindest glaubte sie das.

Ist der Konkurs eines Bundeslandes des Teufels?

Andernfalls hätte sie – erstmals in der Geschichte – den Konkurs eines Bundeslandes und der Bank hinnehmen müssen. Mit allen Konsequenzen: Der Bankencrash hätte vor allem auf dem Balkan für eine Erdbeben gesorgt. Und in Kärnten hätten weder Lehrer noch Krankenschwester noch Straßendienst-Arbeiter ihr Gehalt bekommen; die Gläubiger hätten das sämtliche aufgreifbare Landesvermögen pfänden können. Dennoch wäre es vermutlich schlauer und für viele andere jedenfalls abschreckend gewesen, wenn der Bund die Bank und das Land nicht gerettet hätte, sondern direkt die Zahlungen für Krankenschwestern & Co übernommen hätte.

Noch viel schlimmer aber ist, dass daraus bis heute keine Lehren gezogen worden sind – höchstens unzureichende: Politik und Medien machten nämlich nur die Rettung oder Nicht-Rettung von Finanzinstituten zum Thema. Aber nicht die politische Verantwortung der Bundesländer.

Zwar hat schon vor dem Kärntner Crash die EU lobenswerterweise eine Notbremse gezogen: Politische Körperschaften dürfen seit einigen Jahren keine Haftungen mehr für Banken eingehen. Das Motiv der EU war freilich weniger die Stabilität dieser Körperschaften, sondern die Wettbewerbsverzerrung zwischen den Banken durch solche Haftungen.

Die restliche Misswirtschaft der Bundesländer ging jedenfalls ungehindert weiter. Das hat sich jetzt in Salzburg gezeigt: Da hat es Hunderte Derivatgeschäfte mit einer vorerst unbekannten Risiko-Dimension gegeben. Da sind über Nacht 340 Millionen Euro Verluste eingestanden worden. Da weiß niemand genau, wo 1,8 Milliarden geblieben sind, die man sich über den Bund ausgeborgt hat.

Was ist eigentlich unanständig?

Und es fehlt auch jetzt noch die notwendige Bereitschaft, ja Fähigkeit, den dringenden Handlungsbedarf zu erkennen. Lieber denkt man weiter parteipolitisch. Das zeigte sich etwa, als der österreichische Bundeskanzler der Finanzministerin der von ihm geführten Regierung „unanständiges Verhalten“ vorwarf, weil sie eine Troika nach Salzburg zur Untersuchung der dortigen Missstände entsendet. Offenbar sind in der österreichischen Realverfassung die Bundesländer sakrosankt – oder zumindest jeweils die von eigenen Parteifreunden geführten. Diese giftige Reaktion des Bundeskanzlers zeigt jedenfalls, wie schwer die Erschütterung der bisher zu den europäischen Vorzeigeländern zählenden Alpenrepublik durch die ständigen Bundesländer-Skandale ist.

Zugleich macht sich Österreich auch noch mit der Forderung nach einem „Spekulationsverbot“ lächerlich. Diese Forderung wurde aber nicht nur von Werner Faymann, sondern auch von vielen anderen Politikern und praktisch allen Zeitungskommentatoren erhoben. Ja, es gibt sogar Wirtschaftsprofessoren, die ein solches Spekulationsverbot verlangen.

Nur ist es dennoch populistischer Unsinn. Denn keine Regierung – ob Bund oder Land, ob EU oder Gemeinde – kommt bei ihrem Agieren mit Geld ohne Spekulationen aus. Notwendigerweise. Das trifft auch ganz konkret die Geschäfte der Bundesfinanzierungsagentur ÖBFA.

Die Spekulationen – auch – des Bundes

Diese ÖBFA muss etwa ständig entscheiden, zu welchem Zeitpunkt welche Anleihe auf den Markt gebracht wird. Nimmt man das Geld nur kurzfristig – beispielsweise über drei Monate – auf oder langfristig, beispielsweise über 30 Jahre? Geht man jetzt auf den Markt? Wäre ein anderer Zeitpunkt günstiger? Werden sich bis dahin die Marktbedingungen verbessern oder verschlechtern?

All diese Entscheidungen sind in hohem Ausmaß spekulativ, zumindest solange Politiker und ihre Beamten nicht die Gabe des Hellsehens haben. Und dennoch ist es unvermeidlich, ständig solche Entscheidungen zu treffen. Sie sind nichts anderes als eine ebenso gewaltige wie notwendige Spekulation, was am Ende für den Steuerzahler teurer respektive billiger kommt.

Noch teurer kann die Spekulation der öffentlichen Hand kommen, in welcher Währung sie denn den Kredit aufnimmt. Während die Normalbürger heftig kritisiert werden, wenn sie Frankenkredite aufnehmen, macht das die öffentliche Hand regelmäßig. So hat sie zuletzt sogar eine Anleihe in chinesischem Geld aufgenommen – und war auch noch mächtig stolz darauf. Vorteile wie Nachteile sind vielen Kreditnehmern bekannt: Ein Frankenkredit ist niedriger verzinst, man geht aber das Risiko ein, dass die Schweiz ihr Geld aufwerten muss (weil zu viele aus dem Euro in ihr Land flüchten) und dass man dann einen viel höheren Betrag in Euro zahlen muss.

Genauso muss der Staat spekulieren, wo er das Geld der Steuerzahler am besten zwischenverwahrt, bis etwa eine größere Zahlung (beispielsweise für die Rückzahlung einer alten Anleihe oder auch nur für das Weihnachtsgeld der Beamten) fällig ist. Denn eines ist derzeit gewiss: Wenn der Staat das Geld auf ein Sparbuch legt, ist es angesichts der gegenwärtigen Nullzinssätze jedenfalls am Schluss deutlich weniger wert. Womit die Politik selbst für die gegenwärtige politisch auf europäischer Ebene erwünschte Niedrigzinspolitik einen Teil der Strafe zahlt.

Dabei geht es angesichts der Beträge, die durch die Politikerhände laufen, immer um viele Millionen, die es zu gewinnen oder verlieren gibt. Selbst die Entscheidung, ob das Geld auf ein variables oder auf ein über einen Zeitraum fix verzinstes Sparbuch gelegt wird, ist spekulativ. Denn die Marktzinsen können sich ändern. Oder auch nicht.

Geradezu naiv ist der häufig gehörte Einwand, die öffentliche Hand brauche Gelder überhaupt nicht anzulegen, zu „horten“, da sie ohnedies verschuldet sei. Kein Mensch kann jedoch die Entwicklung der Steuerzahlungen vorhersehen. Diese differieren binnen weniger Monate je nach Konjunkturentwicklung oft um Milliarden gegenüber den Schätzungen. Und wenn der Staat immer erst am Monatsende schauen sollte, ob er genug Geld zur Bezahlung von Beamten und Pensionisten hat, dann muss er oft kurzfristige und besonders teure Zwischenfinanzierungen vornehmen.

Heißt das nun etwa, in Salzburg wäre alles ohnedies ordentlich gelaufen und die Verluste einfach nur Pech, die sich im großen Zeitrahmen meist mit Gewinnen ausgleichen würden?

Die Intransparenz ist der wahre Skandal

Ganz und gar nicht. Der wahre Skandal in Salzburg ist aber nicht die Spekulation an sich, sondern die völlig fehlende Transparenz.

  • Was hat ein Landesfinanzreferent den ganzen Tag getan, wenn er erst wochen- oder monatelang nachprüfen muss (diese Absicht hat er jedenfalls erklärt), ob und wo Hunderte Millionen verloren gegangen sind?
  • Was ist das für eine Verwaltung, die sich 1,8 Milliarden bei der Bundesfinanzierungsagentur ausleiht, und die nicht auf Knopfdruck feststellen kann, wo das Geld eigentlich geblieben ist?
  • Was ist das für ein Bundesland, das erst von den Banken erfährt, wenn Hunderte Derivat-Verträge abgeschlossen worden sind?
  • Kann wirklich eine einzige Person über ein so gewaltiges Pouvoir verfügen?
  • Was sitzen im Bundes- und Landesrechnungshof für Wappler, dass sie einen so gewaltigen Missbrauch nicht merken, während sich die gleichen Prüfer jahrelang mit Vorliebe in oft völlig unbedeutende Details vertiefen?

Das alles ist unerträgliche Unfähigkeit und Intransparenz zur Potenz.

Viele Derivate sind sehr sinnvoll

Dahinter steckt aber noch etwas Schlimmeres.

Vorerst eine Zwischenbemerkung zur Erläuterung: Natürlich gibt es Spekulationen mit sehr unterschiedlichem Risiko. Bei einem Sparbuch ist dieses nach oben und unten halbwegs begrenzt (außer die betreffende Bank macht Pleite!). Viel riskanter können hingegen so mache Derivate sein. Nur habe ich bisher keine wirklich brauchbare Definition gelesen, wann ein solches Derivatgeschäft „gut“ und wann es eindeutig „böse“ ist.

Jedenfalls wäre ein absolutes Verbot absolut unsinnig. Oder will man einer Fluglinie verbieten, sich gegen das Steigen der Treibstoffpreise etwa in der Urlaubssaison durch Derivate abzusichern, obwohl sie schon Monate vorher viele Tickets verkauft hat, wobei die Kalkulation von einem bestimmten Preis ausgegangen ist? Wenn jedoch, wie jüngst, die Treibstoffpreise sinken, dann erweist sich dieses Absicherungsgeschäft im Nachhinein als verlorener Aufwand.

Zugleich gibt es aber auch Derivatverträge ohne jeden Absicherungscharakter. Solche Verträge bringen oft sehr gute Erträge, können aber auch furchtbar schief gehen. Beispiel: Wenn man darauf wettet, dass eine Schiffsladung gut und heil ankommt, dann kann man damit gut verdienen (nämlich an den von der Gegenseite, dem Reeder, gezahlten Absicherungsprämien). Man kann aber am Ende auch furchtbar draufzahlen, wenn etwa das Schiff in die Hände somalischer Piraten gerät.

Die Geschäfte werden immer risikoreicher

Das Schlimme ist nun: Die öffentliche Hand hat in ihrer Geldnot – zum Teil auch von Rechnungshof & Co dazu angeleitet! – in den letzten Jahren immer stärker zu solchen riskanten Geschäften gegriffen. Diese sind zugleich in der finanziellen Konstruktion immer komplizierter und schwerer durchschaubar geworden (die Schiffsversicherung via Derivat war nur ein relativ simples Beispiel).

Diese Konstruktionen haben meist den Vorteil, dass vorerst Erträge fließen, während das Risiko erst am Ende schlagend wird oder auch nicht. Das ist nun für Politiker ebenso verlockend, wie es für den Steuerzahler riskant ist. Ein Politiker kann solcherart kurzfristig seine Performance optisch verbessern. Und er kann bis zum letzten Tag hoffen, dass alles gut geht. Oder er kann zumindest das Risiko verdrängen.

Der Entscheidungshorizont eines Politikers ist aber meist viel kurzfristiger. Der reicht meist nur bis zum nächsten Budget oder den nächsten Wahlen. In dieser Perspektive kann er die Bürger mit neuen attraktiven Wohltaten versorgen wie etwa mit billigen Wohnbaukrediten oder sozialen Diensten, für die er am Wahltag eine Bonus erhofft. Solche Risikogeschäfte erhöhen zum Unterschied von normalen Kreditaufnahmen nicht einmal die offiziell ausgewiesene Staatsverschuldung.

Vorerst. Denn die Sintflut droht erst später. Sie kann aber auch ausbleiben, und die Wähler haben gar nichts von der drohenden Gefahr gewusst.

Genau aus diesem Grund wäre ja Transparenz bei allen Finanztransaktionen so wichtig. Und genau aus diesem Grund tun Politiker alles, um jede Transparenz zu vermeiden – wobei sie so weit gehen, dass sie sogar ihre Herstellung als „unanständig“ bezeichnen.

Nachträgliche Ergänzung: Drastischer hätte man die Ahnungslosigkeit der Politik über das Risiko einer Spekulation gar nicht beweisen können, als Sozialminister Hundstorfer in einem nach dem Tagebucheintrag erschienenen Interview: "Ob ich einen Kredit in Dollar, in Euro oder in Franken nehme, ist nicht Spekulation." Und das Wochen nach der Salzburger Katastrophe! Dieser Mann soll in der Regierung die Veranlagungsrichtlinien ausarbeiten! Oder werden jetzt alle, die bei Fremdwährungskrediten viel Geld verloren haben, vom Sozialminister finanziell entschädigt? Aber vielleicht ist es ja schon "unanständig", einen Minister auf seine totale Ahnungslosigkeit hinzuweisen…

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Griechenland – Irland: Zwei Länder, zwei Welten drucken

Hätte in den letzten zwei Jahren kein einziger Grieche einen Handgriff getan, ein Produkt verkauft, eine Dienstleistung verrichtet, einen Akt umgeblättert: Um wie viel wäre es uns teurer gekommen, wenn wir sie dennoch alle entlohnt hätten? Um keinen Cent. Denn der aufsummierte Wert der diversen Hilfen für Griechenland seit Mai 2010 beträgt zweimal das griechische BIP. Also die Summe aller Einkommen, aller Löhne, Honorare und Rechnungen derselben zwei Jahre – zumindest soweit diese nicht schwarz, also an Steuer, Sozialversicherung und Statistik vorbei gezahlt worden sind.

Mit anderen Worten: Europa und der Währungsfonds haben sämtliche griechischen Einkommen bezahlt, ohne dass sich in diesem Land etwas geändert hätte.

Dennoch hat der hohe EU-Politiker recht, mit dem ich dieser Tage ein Hintergrundgespräch hatte: Europa kann es sich auch dauerhaft leisten, das kleine Land durchzufüttern. Auf meine zweite Frage aber musste er zugeben, was sich Europa sicher nicht mehr leisten kann: nämlich auch noch Frankreich, Spanien oder Italien in gleicher Weise zu finanzieren. Europa ist nicht einmal bei einem einzigen der genannten großen Länder imstande, dieses auch nur annähernd so wie die Griechen zu unterstützen.

Dennoch begann Europa nun ohne viel Debatten in die „Rettung“ Spaniens einzusteigen: Dessen Banken bekommen mehr als 39 Milliarden Euro. Dieser Betrag wird – erstmals – über den Schuldenmechanismus ESM abgewickelt. Besonders bestürzend ist dabei: Ebenfalls erstmals fließt Rettungsgeld, ohne dass sich das betreffende Land strikten Auflagen eines Programms der Troika unterwerfen muss (also von IWF, EZB und EU-Kommission). Die spanische Regierung lehnt das ab.

Warum? Erstens würde der Status eines „Programmlandes“ ihren nicht gerade unterentwickelten Stolz kränken; zweitens müsste sich dann die Regierung strikten und kontrollierten politischen Auflagen unterwerfen; und drittens würden dann die 39 Milliarden die spanische Staatsverschuldung verschlechtern. So wird nun so getan, als ob die 39 Milliarden nur mit den Banken zu tun hätten und nichts mit Spanien.

Nicht weniger deprimierend stehen Italien – insbesondere nach dem halben Rücktritt von Premier Monti – und Frankreich mit seinem Antisanierungsprogramm da. Zum Glück gibt es einen Lichtblick: Irland. Das kleine Land hat nach einer harten Sanierungsphase gute Chancen, schon 2013 den Rettungsschirm wieder verlassen und sich wieder normal finanzieren zu können.

Ein kleiner Trost in schlechten Zeiten. Es zeigt sich: Einem Land zu helfen, dessen Menschen um die eigene Verantwortung wissen, hat sich als durchaus sinnvoll erwiesen. In Irland hat es weder Streiks noch Unruhen noch antideutsche Demonstrationen gegeben, sondern ein kollektives Zähne-Zusammenbeißen. In solche Länder werden auch private Geldgeber – die derzeit ihr Geld mit Vorliebe in die Aktienmärkte tragen – bald wieder Vertrauen fassen. Aber eben nur in solche.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Europa endlich neu denken drucken

Erst in wirklichen Krisen können sich Staaten und Institutionen bewähren. Bei Schönwetter haben hingegen auch brüchige und windschiefe Konstruktionen Bestand. Was ist da nun die Europäische Union: ein windschiefer Schönwetter-Bau oder eine Struktur, die zu Recht den Nobelpreis bekommt? Immer mehr Menschen fragen sich: Wie wird die EU die gegenwärtige Krise überleben? Kann sie, wird sie überleben? Was sich noch nicht alle eingestehen: Es ist absolut notwendig, Europa komplett neu zu denken. Denn es hat sich auf einen Irrweg begeben. Es gilt zu bewahren und auszubauen, was sich bewährt, aber auch rasch wieder abzustoßen, was sich nicht bewährt hat.

Dazu tut es einmal gut, in die Außensicht zu wechseln. Tatsache ist, dass in den entwickelten Ländern Europas, die nicht EU-Mitglieder sind, die Diskussion über einen Beitritt fast völlig verstummt ist. Von der Schweiz bis Norwegen hat man weitgehend das Interesse an einer Mitgliedschaft verloren. Die Schweizer feiern gerade im großen Konsens als Erfolg, dass sie vor 20 Jahren beschlossen haben, sogar dem Vorhof der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum, fernzubleiben. Damals war die Nein-Mehrheit noch relativ knapp. Heute wäre sie haushoch.

Aber auch in jenen Ländern, die viele EU-Bürger ohnedies nicht gerne in ihrem Verein gesehen hätten, ist das Interesse geschwunden: Von Russland bis zur Türkei orientiert man sich viel weniger an der EU als vor einem Jahrzehnt. Man geht lieber eigene – nationale, nationalistische – Wege. Russland lebt (noch?) sehr gut von den hohen Energiepreisen, und die Türkei weist ein eindrucksvolles Wirtschaftswachstum auf.

Nur die Chaos-Länder wollen noch beitreten

Lediglich die kleineren und notleidenden Staaten in der Zone dazwischen zeigen anhaltendes Interesse an einer Mitgliedschaft: von Albanien bis zur Ukraine, von Moldawien bis Bosnien. Diese und alle anderen Nicht-EU-Länder in diesem Raum bekommen ökonomisch die Füße nicht auf den Boden. Sie strampeln irgendwo im Niemandsland zwischen den alten KP-Diktaturen, neuen nationalistischen Autokratien und dem Status von Möchtegern-Demokratien herum. Sie erwarten sich von der EU-Mitgliedschaft Wunderdinge und die Heilung aller Probleme von Korruption bis Unterentwicklung, vom Versagen der Justiz bis zu ungelösten ethnischen Konflikten.

Für die diplomatischen Eliten Europas wird es freilich immer schwerer, den bisherigen Mitgliedern solche Länder als Bereicherung der Union zu verkaufen. Hängen doch schon etliche der jüngst beigetretenen Mitgliedsstaaten wie ein Bleigewicht an den Beinen der Union. Insbesondere gilt das für Rumänien, wo soeben eine schwer korrupte und anti-rechtsstaatliche Gruppierung einen triumphalen Wahlsieg errungen hat.

Diese Länder wollen das Geld des Westens, aber nicht dessen Spielregeln. Dennoch zeigt sich die EU-Diplomatie auch an deren Mitgliedschaft interessiert: Sie glaubt nämlich, dadurch eine Stabilisierung der Region und der diversen brodelnden Konflikte zu erreichen. Dass die Bürger der alten EU-Staaten das anders sehen, ist den europäischen Eliten ziemlich egal. Ebenso, dass die erhoffte Stabilisierung durch die Mitgliedschaft auch schon bei den zuletzt aufgenommenen Mitgliedern nicht funktioniert.

Aber jedenfalls sind die Beitritts-Ambitionen solcher Staaten noch keineswegs ein Erfolgssignal für die EU. Viel signifikanter ist, dass alle Nicht-Euro-Mitgliedsstaaten sämtliche Initiativen abgeblasen haben, die gemeinsame Währung zu übernehmen.

Die klugen Vorstellungen der Briten

Am ernstesten sollte Europa aber das beobachten, was sich in Großbritannien abspielt. Im Inselreich ist ein Referendum über die eigene europäische Zukunft fast nicht mehr abzuwenden. Den Briten geht es dabei keineswegs nur um den Streit über die künftigen EU-Budgets und ihren eigenen Rabatt. Immer mehr Menschen, aber auch Abgeordnete fragen sich dort, ob man noch eine gute Zukunft in dieser Union hat. Würde Großbritannien aber die Union ganz verlassen, wäre das nicht nur für die Wirtschaft des Landes ein schwerer Schlag, sondern vor allem auch für die Union selber.

Wäre die Union gut beraten – also auch die anderen Mitgliedsstaaten und deren Abgeordnete – dann müssten sie sich viel ernsthafter mit den britischen Zukunftsvorstellungen befassen. Diese bestehen keineswegs nur in einem Entweder-oder. Vielen Briten schwebt ein Status vor, der sich ganz auf den europäischen Binnenmarkt konzentriert, auf den Rest aber verzichtet. Immerhin muss man London ja konzedieren, dass es den Binnenmarkt, also die Freiheit für Güter, Dienstleistungen, Kapital und Menschen sehr korrekt umsetzt, während etwa Frankreich vielfach hinterherhinkt, obwohl es gerne so tut, als ob es der Erfinder Europas wäre.

Rettet den Binnenmarkt!

Dieser Binnenmarkt ist eine historische Errungenschaft, die es in der Tat unbedingt zu retten gilt. Dabei ist auch ständig gegen vielfältige Versuche anzukämpfen, wieder kleine nationale Trennzäune zu errichten. Diese tarnen sich abwechselnd als ökologisch oder sozial, als kulturell oder sonst wie. Dahinter steckt aber fast immer der alte Protektionismus zu Lasten der Konsumenten und im Interesse einer kleinen Clique. Nur sehr rückständige Dummköpfe können ignorieren, wie sehr dieser Binnenmarkt den Wohlstand aller Europäer in den letzten Jahrzehnten gehoben hat, wie viele Millionen Arbeitsplätze verloren wären, wenn man die Unternehmen wieder in nationale Fesseln legen wollte.

Daher sollte man den Binnenmarkt auch in jenen Bereichen endlich abrunden, wo er noch immer nicht funktioniert: Etwa bei der Luftraumsicherung, im gesamten Eisenbahnbereich oder auch in den Regelungen des Straßenverkehrs. Das sind für einen Binnenmarkt wirklich essenzielle Bereiche.

Daher sollte man auch viel ernster das Projekt der Bush-Ära wiederzubeleben, den Binnenmarkt auch auf Nordamerika auszudehnen.

Ein verbesserter Binnenmarkt wäre noch viel problemloser, hätten nicht fundamentalistische europäische Behörden und Richter die Personen-Freizügigkeit extrem weit in Bereiche hinein ausgedehnt, wo sie keineswegs notwendig und sinnvoll ist. Viele diesbezügliche Regeln sind nicht nachhaltig anwendbar: Etwa der Anspruch von EU-Rentnern, in jedes EU-Land ihrer Wahl ziehen zu können, und dort automatisch die jeweiligen Mindestsicherungen zu bekommen (allein die österreichische Ausgleichszulage bringt vielen EU-Rentnern eine Versiebenfachung ihrer Rente); oder die extensive Praxis der Familienzusammenführung. Aber von dieser Problemzone abgesehen ist der Binnenmarkt wirklich eine sensationelle Errungenschaft, um die Europa zu Recht beneidet wird.

Zurück an den Start

Als umso fragwürdiger erweist sich vieles andere, was in den letzten 20 Jahren dazugekommen ist. Als erstes Beispiel kommt einem dabei natürlich die Währungsunion eines Teils der EU-Staaten in den Sinn. Heute erkennt man, was kluge Menschen schon in den 90er Jahren gesehen haben: Ohne durchgreifende politische Union ist eine Währungsunion absurd. Solange jedes Land selber seine Budgetdefizite entscheidet, seine Steuersätze, sein Rentenalter, seine Mindestsicherung usw. kann eine Währungsunion nicht funktionieren. Die Ergebnisse dieses Realexperiments sollte langsam in alle Köpfe eingedrungen sein. Und zugleich sollten auch die naivsten deutschen und österreichischen Politiker erkennen, dass eine solche politische Union auf friedlichem Weg nicht durchsetzbar ist.

Aber nicht nur bei der Währungsunion drängt sich ein „Zurück an den Start, um Schlimmeres zu verhindern“ auf. Genauso fragwürdig ist die Zusammenarbeit im Bereich des Strafrechts. So wichtig eine Angleichung des Zivilrechts in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum ist, so absurd ist es, wenn man beispielsweise Mitgliedsstaaten verpflichtet, eigene Staatsbürger ans Ausland auszuliefern.

Genauso widersinnig ist es, von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu reden, wenn man neutrale Länder als Mitglieder hat, oder wenn man es stillschweigend hinnimmt, dass ein Nicht-EU-Staat einen bedeutenden Teil der Union völkerrechtswidrig besetzt hält. Die Situation in Nordzypern ist für eine Möchtegern-Weltmacht mit 500 Millionen Menschen nur noch peinlich. Entweder man hätte Zypern nie aufnehmen dürfen, oder man kann die volle Souveränität der EU durchsetzen.

Und was soll man von der Glaubwürdigkeit der EU halten, wenn sie sich als demokratisch ausgibt, aber ein völlig undemokratisch zusammengesetztes Parlament hat? Jeder deutsche Abgeordnete muss ja zwölf Mal so viele Wähler vertreten wie etwa einer aus Malta.

Am schlimmsten ist der manische Hang der Union, in ihrem Machtrausch ständig immer noch mehr Dinge zu regeln, für die sie niemals geschaffen worden ist. Die Beispiele reichen von der ständigen Verschärfung des angeblichen „Verhetzungs“-Tatbestands übers Nichtrauchen über Studienberechtigungen bis zum gerade wieder aktualisierten Versuch, allen Europäern wassersparende Armaturen vorzuschreiben. Diese sind nicht nur teurer, sondern nördlich der Alpen auch schädlich, wo es genug Wasser gibt, aber viele Rohrsysteme wegen zu geringen Wasserdurchlaufs verschlicken.

Vielleicht sollte man die Europäer an Joseph II. erinnern, der auch alles mögliche von oben neu reglementieren wollte und solcherart zum unbeliebtesten Herrscher geworden ist.

Ein Weniger wäre mehr

Die Konklusion: Für Europa wäre heute ein Weniger ein klares Mehr, das vielleicht sogar das Überleben der Union retten könnte. Manche klugen Europäer erkennen das auch langsam: So empfahl dieser Tage der österreichische Nationalbank-Chef Ewald Nowotny Europa mehr Pragmatismus. Er warnte davor, die Idee einer politischen Union zur Schicksalsfrage zu machen. Das klingt zumindest in Ansätzen sehr vernünftig.

Die Mehrheit der europäischen Politiker will aber weiterhin in eine falsche Richtung gehen. Sie versprechen zwar immer dann mehr Subsidiarität, wenn die Bürger zu sehr aufbegehren, praktizieren aber jahraus, jahrein das Gegenteil. Es wird Zeit, dass sich besonnene Europäer für das zu engagieren beginnen, was in Europa rettenswert ist.

PS.: Ach ja, und der Friedensnobelpreis? Der ist wohl nichts anderes eine gewaltige Verführung, den wirklichen Zustand Europas zu verdrängen. Er ist ungefähr so ernst zu nehmen, wie die Verleihung des selben Preises an Barack Obama in dessen erstem(!) Amtsjahr, bevor er weitere vier Jahre Krieg führte. Wenn die EU so weitermacht, wird sie selbst zur großen Friedensbedrohung.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com. 

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Die tägliche Europa-Lüge drucken

Die EU erhält also den Friedensnobelpreis. Es gibt ja auch keine Sonntagsrede, in der die EU nicht als größte Friedensstifterin Europas gefeiert wird. Und alle, die sich diesem uneingeschränkten Jubel nicht anschließen wollen, werden sofort als Spielverderber oder Schlimmeres denunziert. Dennoch kann diese Verlogenheit und Verfälschung geschichtlicher Wahrheiten nicht widerspruchslos hingenommen werden.

Glaubt denn wirklich jemand, dass es nach den traumatisierenden Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs samt seinen Begleiterscheinungen ohne die EWG, EG oder EU wieder zu einem Krieg in Westeuropa gekommen wäre?

Die USA und die Nato haben den Frieden gesichert

Kriegerisches Bedrohungspotential auf europäischem Boden gab es allerdings im beträchtlichen Ausmaß in den ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten. Womit wir bei der geschichtlichen Wahrheit angekommen sind: Den Frieden in Europa hat jahrzehntelang die militärische Präsenz der NATO, insbesondere der US-Amerikaner, gewährleistet. Dagegen haben die 68er und in deren Folge die oftmals vom DDR-Geheimdienst finanzierten diversen Linksbewegungen vehement protestiert; heute versucht eine interessensgeleitete Geschichtsschreibung, diese historische Leistung umzudichten. Es handelt sich wohl − wie es Golo Mann einmal formulierte − „um pädagogisch nicht erwünschte Wahrheiten“.

Es bleibt die Tatsache, dass vor allem die USA mit einem enormen finanziellen Aufwand für Frieden und Freiheit in Westeuropa gesorgt haben. Und es war auch maßgeblich dieses Land, das dann das kommunistische Zwangsregime zum Einsturz brachte. Der von vielen selbsternannten Intellektuellen belächelte „Cowboy-Präsident“ Ronald Reagan war es, der durch sein Rüstungsprogramm die Sowjetunion an den Verhandlungstisch zwang und in Michail Gorbatschow einen Staatsmann erkannte, mit dem man eine Wende versuchen könnte.

Womit wir beim nächsten beliebten Märchen sind, das ebenfalls in keiner Festrede fehlen darf: Österreich muss so wahnsinnig dankbar für die Mitgliedschaft in der EU sein, weil wir doch dadurch wirtschaftlich so enorm profitiert hätten.

Fall des Eisernen Vorhangs ermöglicht wirtschaftliche Expansion

Tatsächlich hat die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs in den letzten zwei Jahrzehnten eine höchst erfreuliche Entwicklung genommen, dies ist aber nur zum Teil der EU-Mitgliedschaft zu verdanken; Deutschland und Italien etwa waren auch schon vor dem Beitritt unsere Haupthandelspartner, daran hat sich nichts geändert.

Den Wachstumsschub verdanken wir primär der „Ostöffnung“ nach dem Fall des Eisernen Vorhanges und den großartigen (Pionier-) Leistungen österreichischer Unternehmen, die sehr rasch die Bedeutung dieser neuen Märkte erkannt und sich eine hervorragende Position geschaffen haben. Gerade der starke Nachholbedarf in diesen Ländern hat für überdurchschnittliche Wachstumsimpulse gesorgt.

Gleichsetzung von Europa, EU und Euro

„Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ meinte etwa Angela Merkel im September 2011; das ist dumm und falsch zugleich, dennoch darf die Staatschefin der größten Volkswirtschaft Europas, die mit ihrer Finanzkraft die Eurozone am Leben erhält, diesen Unsinn immer wieder unwidersprochen behaupten. Damit reduziert Merkel Europa auf 17 Staaten, was auch die Nomenklatur in Brüssel gern tut, die die EU einfach mit Europa gleichsetzt; ein übler Trick, um Kritiker an Fehlentwicklungen der EU als europafeindliche Sumper zu denunzieren.

Im Europarat sitzen 47 Staaten (geografisch spricht man sogar von 51 Staaten!), 27 davon sind in der EU, und 17 in der Eurozone – das ist ein Drittel. Und von den 504 Millionen Einwohnern der EU zahlen immerhin gut 40 Prozent nicht mit dem Euro, darunter so erfolgreiche Volkswirtschaften wie etwa Polen, Schweden, Dänemark oder Tschechien.

Reihenweise Rechtsverletzungen

Mit solchen Aussagen wird verlogen die Fehlkonstruktion des Euro verschwiegen, und man weigert sich nicht nur, diese Fehler einzugestehen, sie werden auch nicht repariert. Wer sich erfrecht, diese Konstruktionsfehler aufzuzeigen, wird als Häretiker gebrandmarkt.

Dem „Fetisch“ Euro werden bedenkenlos die Grundregeln der EU geopfert, von der No-Bail-Out Klausel (dass also kein Euroland für Verbindlichkeiten und Schulden anderer Euroländer haften oder aufkommen muss), bis zur Umwandlung der EZB zu einem Instrument der Staatsschuldenfinanzierung. Der Bürger wird von hilflosen und aktionsgetriebenen Politikern über das Ausmaß und die Tragweite der Entwicklung belogen.

Abgabe von Souveränität

Ohne das Volk zu informieren geschweige denn zu fragen, werden scheibchenweise Souveränitätsrechte (vor allem im Bereich der Budgethoheit) abgetreten in Richtung eines EU-Bundesstaates; auch an einer zentralen Bankenunion wird bereits gebastelt, was bedeuten würde, dass österreichische Sparer und Banken für verantwortungslose Finanzabenteuer in jedem beliebigen Euroland haften müssten.

Auch das Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip ist brandgefährlich, denn es führt immer mehr dazu, dass diejenigen den Ton angeben, die schon bisher mit ihrer verantwortungslosen Schuldenpolitik das Fundament des Euro erodiert haben. Wir würden dann nicht nur für die griechische Malaise zahlen, sondern auch für die kaputte französische Autoindustrie, für verantwortungslose spanische Pleitebanken, für die Megakorruption im Mezzogiorno und vieles andere mehr.

„Wenn es ernst wird, muss man lügen“ meinte der Chef der Eurozone, Jean-Claude Juncker, anlässlich einer der zahlreichen Euro-Rettungs-Sitzungen. Wo sind die Politiker, die Regierungen aus der Eurozone, die bei diesem Wahnsinn nicht mehr mitmachen, die einen Kurswechsel der Euro-Titanic einleiten? Das könnte auch Österreich sein. Es müsste nur einer den Anfang machen, der die Frage stellt, welche EU die Bürger wirklich wollen.

Prof. Dr. Herbert Kaspar ist Herausgeber der ACADEMIA, der Zeitschrift des österreichischen Cartellverbandes. Dieser Kommentar ist der aktuellen Dezember-Ausgabe der Academia entnommen.

PS.: Die Genesis unseres Griechenland-Engagements

Die „Presse“ meldete am 11. April 2010: „Beantragt Griechenland von den Europartnern tatsächlich den vollen Kreditrahmen in der Höhe von 30 Mrd. Euro, entfallen auf Österreich 858 Mio. Euro. Laut Finanzminister Pröll handelt es sich dabei um „kein Geldgeschenk“. Denn Griechenland zahle dafür Zinsen.“ Ein Jahr später, am 15. Juni 2011, ebenfalls in der „Presse“: „Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) hat am Mittwoch im Nationalrat betont, dass Griechenland bisher an Österreich 19 Millionen Euro Zinsen gezahlt und das Engagement bisher „keinen Cent gekostet“ habe.“

Im Rahmen des ersten Griechenland-Rettungs-Paketes hat Österreich 1,5 Milliarden Euro Kredite gegeben. Heute haftet Österreich weiters im Rahmen des ESM mit 19,5 Milliarden Euro (davon 2,2 Milliarden einbezahlt und 17,3 Milliarden Rufkapital) sowie im Rahmen der EFSF mit 21,6 Milliarden Euro.

Über einen Schuldenerlass wird „nachgedacht“.

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Europa – Gibt’s das noch? drucken

Nun hat das in der Krisen-, Schulden- und Finanzpolitik ohnedies schon schwer zerrissene Europa auch ein gravierendes außenpolitisches Problem. Die Unfähigkeit, sich auf ein gemeinsames Abstimmungsverhalten zur Frage des palästinensischen Status bei den UN einigen zu können, zeigt ein für die Zukunft verheerendes Signal: Europa ist trotz der vielbejubelten und mit Tausenden neuangestellten Diplomaten auch teuer unterfütterten „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ nicht einmal bei einer UNO-Abstimmung zu Gemeinsamkeit imstande.

Dabei hatte man einige Zeit glauben können, die dramatischen Turbulenzen aus der Zeit des Irak-Krieges wären Vergangenheit, wo sich die einzelnen EU-Länder oft völlig konträr verhalten haben. Rundum wurde nachher beteuert, so etwas würde der europäischen Politik und Diplomatie nicht wieder passieren. Dann aber kam die Libyen-Intervention, in der vor allem Frankreich und Großbritannien wieder im gemeinsamen Alleingang Großmacht- und Kanonenpolitik zu spielen versuchten, während Deutschland und etliche andere demonstrativ die Arme verschränkten.

Und jetzt das Palästina-Chaos. Dabei ging es wohlgemerkt nicht nur um eine formale UNO-Abstimmung über eine bloße Protokollfrage. Vielmehr ging es um den ganzen Nahostkonflikt. Europa hat durch seine Unfähigkeit, hier als Einheit eine gemeinsame Haltung zu finden, wieder auf viele Jahre jede außenpolitische Relevanz, jede Glaubwürdigkeit verspielt. Dies gilt insbesondere in der Nahostpolitik, aber keineswegs nur in dieser.

Das besonders Bedrückende ist, dass es hier nicht um jene Dissens-Felder gegangen ist, wo man die Widersprüche geradezu schon gewohnt ist. Weder spielte die zuletzt so dominierende Finanzkrise eine Rolle noch war eine militärische Intervention das Thema, sondern nur das scheinbar einfachere Feld der politischen Diplomatie.

Dass in der Finanz- und Wirtschaftspolitik beispielsweise die neue Weltmacht China am liebsten mit Deutschland verhandelt, während sie die Emissäre der EU sehr geringschätzig behandelt, konnte zuletzt angesichts der fundamentalen Differenzen in der EU und ihrer Schwäche niemanden mehr überraschen. Ebenso bekannt und Teil der gesamten europäischen Nachkriegsgeschichte ist, dass die einstigen Groß-, Kolonial- und Siegermächte Frankreich und Großbritannien den Finger noch immer viel schneller am militärischen Drücker haben als die nach wie vor vom Weltkriegs-Trauma belasteten Deutschen.

Die große Bedeutung des Nahen Ostens für Europa

Aber dass die 27 nicht einmal über den Nutzen oder Schaden einer Palästina-Abstimmung einen Konsens finden, ist jedenfalls eine neue und sehr negative Qualität des europäischen Dissenses.

Dabei sollten alle nahöstlichen Themen für die Europäer eigentlich einen viel höheren Stellenwert haben als für die weltpolitischen Platzhirschen USA oder Russland. Dabei liegt Europa geographisch am nächsten zum Konfliktherd. Dabei hat Europa eine historisch viel größere Kausalbeziehung zur Entstehung des Staates Israel und damit Verantwortung als jede andere Macht. Dabei ist Europa vom Öl und Gas dieser Region abhängig, Russland und die USA hingegen nicht; Russland hat ja seit jeher ausreichend Energie-Rohstoffe, und die USA befinden sich durch innovative Abbaumethoden gerade in einem historischen Rollenwechsel vom Öl- und Gas-Importeur zum Exporteur.

Alleine diese Aspekte hätten zwingend dazu führen müssen, dass die EU gemeinsam agiert. Sowohl ein gemeinsames Ja wie ein gemeinsames Nein wie eine gemeinsame Enthaltung wären besser gewesen als die chaotische Widersprüchlichkeit. Europa ist damit außenpolitisch auf lange Zeit weg vom Fenster.

Die außenpolitische Gemeinsamkeit war nie ernst gemeint

Aber im Grunde ist es kein Wunder. Die Gemeinsamkeiten in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik waren strukturell immer schon endenwollend. Das hatte sich während der letzten Jahre und Jahrzehnte in vielen Aspekten gezeigt. Die wichtigsten davon:

  • Frankreich und Großbritannien waren nie bereit, ihre Privilegien im UNO-System (Vetorecht im Sicherheitsrat!) in die EU-Gemeinsamkeit einzubringen.
  • Die außenpolitisch relevanten Führungsfunktionen in der EU sind durchwegs und bewusst mit schwachen Persönlichkeiten besetzt worden. So haben die Mitgliedsstaaten von Anfang an dafür gesorgt, dass es keine starke EU-Außenpolitik geben kann.
  • Jetzt hat man zwar einen teuren weltweiten Apparat der EU-Diplomatie aufgebaut – aber keines der Mitgliedsländer sagt: Gut, dann brauchen wir wenigstens viel weniger eigene Botschaften und Konsulate. Was eigentlich logisch wäre, nicht nur angesichts der Kosten.
  • Angesichts der Untrennbarkeit von Außen- und Sicherheitspolitik war es ein historischer Fehler, einen ursprünglich reinen Nato-Klub durch Aufnahme neutraler Staaten zu erweitern und verwässern. Wenn man die eigenen politischen Ambitionen ernst genommen hätte, hätte man die Neutralen unbedingt VOR dem Beitritt auffordern müssen, sich auch sicherheitspolitisch in die Gemeinschaft einzufügen. Oder eben auf den Beitritt zu verzichten.

Da man das aber unterlassen hat, konnte die EU in Wahrheit nur noch als Binnenmarkt für Handel, Finanzen und Dienstleistungen reüssieren (was ja ohnedies ein tolles Projekt ist). Es ist einfach absurd, währungspolitische Solidarität selbst für Schwindlerstaaten in der EU zu erzwingen, wenn man zugleich in der fundamentalen Hauptaufgabe jedes Staatswesens, eben bei der Sicherheit nach außen, völlig widersprüchliche Ideen hat.

Was wäre richtig gewesen?

Hinter dieser Divergenz verblasst in Wahrheit die Frage, welches Abstimmungsverhalten eigentlich das richtige gewesen wäre.

Am meisten hätte wohl dafür gesprochen, sich an die Seite der USA und Israels zu stellen, solange die Palästinenser nicht das volle Existenzrecht Israels anerkennen.

Die etwa von Österreich ausgestreute Argumentation, die Palästinenser hätten sich im Gegenzug für die Anerkennung als Staat mündlich zu bedingungslosen Verhandlungen bereit erklärt, findet in der wirklichen Welt keine Bestätigung. Die palästinensische Verhandlungsbereitschaft war schon in der Vergangenheit immer nur eine dubiose. Bereits zu Arafats Zeiten sind die Palästinenser letztlich stets davor zurückgeschreckt, fertig ausgehandelte Abkommen auch zu unterzeichnen, die ihnen die Anerkennung gebracht hätten.

Die Palästinenser haben ihre Lage verschlechtert

Jetzt haben die Palästinenser vor der UNO zwar einen Propagandaerfolg erzielt. Vor Ort haben sie sich damit aber viele Verschlechterungen eingehandelt: vom finanziellen Boykott durch Israel bis zum Bau Tausender neuer israelischer Wohnungen auf palästinensischem Gebiet. Diese schaden ihnen dauerhaft weit mehr, als eine UNO-Resolution nützen kann.

Freilich sind auch in Israel die Kompromisswilligen in den letzten Jahren immer unbedeutender geworden. Israel setzt auf die eigene (und die amerikanische) Stärke. Die regelmäßigen Anschläge und Raketenangriffe durch Palästinenser haben die Israelis nicht kompromisswillig, sondern noch viel härter gemacht.

Erfolgreichen Druck auf Israel, sich im Gegenzug für einen echten Frieden wirklich auf die Grenzen von 1967 zurückzuziehen und für die Stadt Jerusalem eine internationale Lösung zu finden, können daher nur die USA ausüben. Die EU in ihrem heutigen Zustand bekommt hingegen nicht einmal mehr echte Gesprächstermine. Aber zweifellos hat jeder einzelne Siedlungsbau auch für die USA die Kompromisssuche erschwert.

Genauso notwendig wäre auch massiver Druck auf die Palästinenser. Mit dem UNO-Votum hat die Welt jedoch ohne Gegenleistung ein wichtiges Instrument aus der Hand gegeben, diesen Druck auszuüben.

Denn jetzt glauben die Palästinenser, dass ihnen der damit möglicherweise geöffnete Weg zu internationalen Straf- und Völkerrechts-Gerichtshöfen etwas bringen wird. Es wird Jahre dauern, in denen die Palästinenser noch weniger friedenswillig sind als bisher, bis zumindest die klügeren Araber erkennen, dass das ein Fehler war. Denn die Israelis werden ein eventuelles Urteil von IGH oder IStGH in Den Haag nur mit einem Schulterzucken beantworten. Es gibt keine Exekutive, die solche Urteile durchsetzen könnte.

Abbas gegen die Hamas aufgewertet

Gewiss spricht auf der anderen Seite auch zumindest ein starkes Argument für die nun erfolgte Aufwertung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas als Chef eines staatsähnlichen Gebildes: Nach dem blutigen Scharmützel rund um den Gaza-Streifen haben in den vergangenen Wochen seine radikalen Widersacher von der Hamas, die in jenem Teil Palästinas herrschen, deutlich Auftrieb verspürt. Daher glaubte man in manchen EU-Ländern wie auch in Österreich hinter vorgehaltener Hand, dass eine Unterstützung für Abbas diesen wieder ins Spiel bringen könnte. Das ist aber wohl eine Fehlglaube.

Aber was immer man glaubt: Wenn eine „Union“ nur aus lauter Widersprüchen besteht, bastelt sie selbst am eigenen Untergang. Und sie hat jedenfalls im Nahen Osten keinen Stellenwert mehr.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Zwischen Deutschland und Österreich liegt eine große Kluft drucken

Österreichs Politiker und Medien tun gerne so, als wäre das Land genauso wie Deutschland ein europäischer Vorzugsschüler in Sachen Stabilität. Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache, die Österreich viel schlechter bewertet.

Zwar liegt Österreich bei der offiziellen Staatsverschuldung gemäß den Maastricht-Kriterien besser als Deutschland. Zwar glänzt Österreich regelmäßig bei der Arbeitslosenstatistik. Mit diesen zwei Aspekten wird die Koalition wohl auch den Wahlkampf bestreiten.

Wer aber einen schärferen Blick wagt, bekommt ein ganz anderes Bild, das auch diese beiden Aspekte stark relativiert.

Denn erstens ist die statistische Arbeitslosigkeit in Österreich vor allem deshalb so niedrig, weil das Land Arbeitslosigkeit in (teuren) Langzeitstudien und (noch teureren) Frühpensionen versteckt. Beim Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung liegt es daher keineswegs so toll.

Zweitens sind gerade einige Gesetzesbeschlüsse in der Pipeline, die künftig noch mehr Österreicher von einer Erwerbstätigkeit abhalten werden. So sollen insbesondere die Ausbildungszeiten für Pflichtschullehrer deutlich verlängert werden. Das reduziert naturgemäß die Erwerbstätigenquote weiter. Dabei wäre es viel sinnvoller, nur solche Kandidaten an Pädagogische Hochschulen zu lassen, die einen strengen Rechtschreibtest bestehen. Das würde die Qualität der auf die Kinder losgelassenen Lehrer viel mehr verbessern als eine Verlängerung des Studiums, in der die künftigen Lehrer mit noch mehr realitätsfremden pädagogischen Theorien vollgestopft werden.

Drittens ruht sich die Republik auf vergangenen Lorbeeren aus, was in einer dynamischen Welt sehr gefährlich ist. Denn Österreich liegt bei aktuellen internationalen Vergleichen der Reformfreudigkeit seit Ausbruch der Krise ganz schlecht. Das heißt: Sobald sich in absehbarer Zeit in anderen Ländern die – kurzfristig natürlich meist unangenehmen – Reformen der Krisenjahre positiv auswirken, werden etliche von diesen Ländern auf der Überholspur an Österreich vorbeiziehen. So wie das in der Mitte des vorigen Jahrzehnt weit hinter Österreich zurückliegende Deutschland inzwischen durch die einschneidenden Reformen der Agenda 2010 getan hat. Ein signifikantes aktuelles Beispiel: Die deutsche Bundeskanzlerin lehnt gerade trotz vehementer Kritik der linkskorrekten Medien eine steuerliche Gleichstellung für homosexuelle Partnerschaften ab – in Österreich gibt es für diese hingegen sogar eine Gratis-Witwer-Pension ohne einen Cent Einzahlung. Für Angela Merkels Position spricht neben der notwendigen Sparsamkeit auch die Tatsache, dass steuerliche und pensionsrechtliche Privilegien ja nur in Hinblick auf die Aufzucht von Kindern legitim sein können. In allen anderen Fällen sind sie eine üble Diskriminierung von Singles und zusammenlebenden Geschwistern oder anderen Verwandten, die keine Familie bilden.

Viertens ist Österreich absolute Spitze beim Verstecken von Schulden. Ausgegliederte Gesellschaften und verheimlichte Haftungen durch Bundesländer und Gemeinden werden in breiter Front zum Manipulieren von Schulden-Statistiken verwendet. Besonders viele versteckte Belastungen der Zukunft finden sich im extrem großzügigen Pensionssystem Österreichs. Schätzungen, die all diese Lasten zu erfassen versuchen, stellen sogar Italien eine weit bessere Prognose als Österreich.

Fünftens erzielt Deutschland, wie nun bekannt geworden ist, im Jahr 2012 voraussichtlich sogar einen Überschuss der Staatsfinanzen. Österreich, das sich so gern mit Deutschland vergleicht, ist von diesem Idealzustand weit entfernt.

Und sechstens wird Österreich auch von den internationalen Geldgebern (ebenso wie von den Ratingagenturen) deutlich schlechter eingestuft als Deutschland. Zwar stimmt die ständig verbreitete Jubelbotschaft der Regierung, dass am sogenannten Sekundärmarkt die Zinsen der Alpenrepublik niedriger sind als vor einigen Monaten. Das ist aber derzeit ein allgemeiner Trend, der durch die Überflutung der Märkte mit Billigstgeld der Zentralbank ausgelöst worden ist. Der also nichts über Österreich sagt. Viel aussagekräftiger ist jedoch, dass die Höhe der Zinsen für österreichische Papiere deutlich näher bei Frankreich liegt als bei Deutschland. Auch Länder wie Finnland oder die Niederlande sind deutlich besser bewertet, haben also ebenfalls niedrigere Zinsen als Österreich.

Das ist keineswegs ungerecht. Denn diese bösen Märkte versuchen eben immer die zukünftige Entwicklung einzuschätzen und weniger die Verdienste der Vergangenheit.

Gewiss ist Österreich nicht Griechenland oder Portugal. Aber entscheidend ist immer die Richtung einer Entwicklung und ihre Dynamik. Daher sollte man jedenfalls sehr misstrauisch werden, sobald ein politischer oder medialer Regierungspropagandist Österreich und Deutschland in einem Atemzug als gleichwertig nennt.

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Fußnote 379: Der abgewertete ESM drucken

Gäbe es noch so etwas Altertümliches wie wissenschaftliche Ehre, dann müsste jetzt eine Reihe von Ökonomen zurücktreten.

Das gilt für alle jene – etwa aus dem Kreis des famosen Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo – die vor wenigen Monaten noch laut nach Schaffung des ESM als tolle Superwaffe gegen die Schuldenkrise gerufen haben. Jetzt aber ist das passiert, was passieren musste: Dieser europäische Schuldenmechanismus wurde durch Ratingagenturen abgewertet, was ihm die Schuldenaufnahme deutlich verteuern wird. Trotz aller Skandal- und Verwunderungsrufe der europäischen Machtträger war diese Herunterstufung logisch und richtig: Alleine die Tatsache, dass ein Land wie Frankreich für mehr als ein Fünftel der ESM-Kredite haftet, muss jeden Geldverleiher stutzig machen – zumindest seit in Paris sozialistische Schuldenpolitik in Reinkultur praktiziert wird (Heruntersetzung des Rentenantrittsalters, Verstaatlichung von Stahlwerken, Erhöhung der  Beamtenzahlen). Wer glaubt ernsthaft, von einem solchen Land sein Geld zurückbekommen zu können?

 

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Das Verwirrspiel um den Euro geht weiter drucken

Nur nach mühsamen Recherchen lässt sich erkennen, was sich in den zwei mageren Seiten des Protokolls verbirgt, welche die nach durchwachter Nacht in Brüssel getroffenen Beschlüsse der Finanzminister vom 28. November 2012 enthalten. Man habe einen „Sprung nach vorn“ gemacht, die Währungsunion auf Dauer gesichert, und das ohne Schuldenschnitt und nicht auf Kosten der Steuerzahler. Doch wie sieht es wirklich aus, was wurde beschlossen?

Hier eine Zusammenfassung:

  1. Erlass von Griechenland-Schulden in Höhe von 40 Milliarden Euro! Allein das Schuldenrückkaufprogramm soll 20 Milliarden bringen. Woher die Mittel kommen sollen, ist unklar (EZB?, "Emergency Liquidity Assistance" ELA?). Der Erfolg des Schuldenrückkaufprogramms ist Bedingung für die formelle Zustimmung zur Auszahlung der am 13. Dezember vorgesehenen nächsten Rate des Hilfsprogramms von 43.7 Milliarden Euro. Es ist jedoch heute schon damit zu rechnen, dass das Schuldenrückkaufprogramm ohne großen Erfolg bleibt, weil die fixen Rückkaufskurse vom 23. November von den Schuldnern nicht akzeptiert werden (36ct/geschuldetem Euro!).
    Unser Nationalbanks-Präsidenten-Narkotikum, Ewald Nowotny, meint zwar, ein Schuldenschnitt sei „nun vom Tisch“, doch Herr Schäuble schließt einen solchen nicht mehr aus und der Ex-Chef der Deutsche Bank Ackermann meint, dass man um einen „Schuldenschnitt für Griechenland nicht herumkomme“. Wem also glauben? Über die 20 Milliarden hinaus sollen 11 Milliarden von EZB und Notenbanken aus Anleiheerträgen beigesteuert werden. Der Rest geht auf Nachlässe bei vereinbarten Zinsen zurück.
  2. Der Schuldenstand soll von 175 Prozent im Jahr 2016 auf 122 Prozent im Jahr 2020 und auf „deutlich unter“ 110 Prozent 2022 gedrückt werden. Das kann nur durch einen Schuldenschnitt zu Lasten der öffentlichen Hand erfolgen, der unter dem Titel „weitere notwendige Maßnahmen“ kaschiert wird. Die von der Troika angenommene Wachstumsrate von 3,5 Prozent jährlich, auf der die Berechnungen für die Schuldentragfähigkeit und Schulden/BIP-Verhältnis basieren, ist absolut nicht zu erreichen (2012 minus 6,7 Prozent!). Die Schätzungen der Troika waren seit 2010 immer falsch und viel zu optimistisch.
    Deshalb wurden weitere Schuldenschnitte zu Lasten der Euro-Gläubiger (Staaten, Stabilitätsmechanismus, Steuerzahler) verbindlich zugesagt („committed“), sollten sie notwendig werden, um das angestrebte Ziel (110 Prozent des BIP) zu erreichen. Behandelt werden die Schuldenschnitte wohl erst nach den Wahlen in Deutschland (spätestens September 2013). Die Target 2 Schulden der griechischen Notenbank gegenüber der EZB blieben bei der Schuldenstandsberechnung unberücksichtigt! Die für Griechenland insgesamt zum Verbrennen bereitgestellten Hilfen dürften sich, nach Schätzung des ehemaligen Slowakischen Parlamentspräsidenten Richard Sulik, auf etwa 800 Milliarden Euro belaufen!
  3. Die Laufzeit der Kredite wird von 15 auf 30 Jahre verlängert (ohne Wertsicherung!). Die Tilgung setzt zehn Jahre später ein. Real sind bei der Rückzahlung die heute aushaftenden Kredite je nach Inflationsrate nur noch einen Bruchteil wert. Das kommt einem riesigen Verlust an Volksvermögen gleich.
  4. Die Zinsen werden um ein Prozent pro Jahr weiter ermäßigt. Sie liegen nur noch 0,5 Prozent über dem Basiszinssatz Libor. Ursprünglich waren das 4-5 Prozent. Das „gute Geschäft“ (Fekter noch im Sommer 2011) ist verdunstet, jetzt entstehen Verluste. Nicht an der Zinsreduktion beteiligen sich Staaten, die selbst Hilfen aus EFSF oder ESM beanspruchen. Spanien, Griechenland, Irland, Portugal und Zypern fallen also aus.
  5. Freigegeben werden noch im Dezember 23.8 Milliarden Euro für griechische Banken, 10.6 Milliarden für das griechische Staatsbudget. Für die Verluste der Banken aus dem Schuldenrückkaufprogramm (siehe Punkt 1) müssen weitere Hilfen (EFSF, ESM, EZB) erfolgen, die derzeit noch nicht eingeplant sind.
  6. Für Spaniens Banken werden jetzt 37 Milliarden aus dem EFSF freigegeben. Der spanische Staat scheint hierfür – entgegen den früheren Aussagen von Schäuble – keine Haftung zu übernehmen! Das Haften wird Sache der Euro-Zonenmitglieder. Die Hilfen scheinen Spaniens Staatsschulden nicht zu erhöhen. 47 Milliarden EURO an faulen Krediten, auf die bis zu 63 Prozent abgeschrieben werden müssen, werden die spanischen Banken an eine „Bad Bank“, die im Besitz des Staates steht, übertragen, Um die Liquidität der spanischen Banken und des Staates zu erhalten, steuert die EZB, wie sie im Juni versichert hat, jetzt „unbegrenzt“ Knopfdruckgeld bei.

Deutschland rechnet bereits für das Jahr 2013 mit einer zusätzlichen Haushaltsbelastung von 730 Millionen Euro. Frau Fekter sprach nach der Rückkehr von Brüssel von einer Mehrbelastung für Österreich von 15 Millionen, „der Standard" vom 29. November schätzt die Mehrbelastung allein für das Jahr 2013 auf 75 Millionen, also auf das Fünffache.

Der Euro ist nicht zu retten

Das Verwirrspiel geht also weiter. Die Währungsunion lässt sich nur noch durch Lug und Trug sowie „permanenten Rechtsbruch“ (Jürgen Stark, Paul Kirchhof) über Wasser halten. Höchstgerichte, wie Karlsruhe und EUGH, wetteifern darum, ihrem Ruf gerecht zu werden, „die Hure der Politik zu sein“. In der Politik „tun die Illusionskünstler weiter so, als könne Griechenland die Kredite irgendwann zurück zahlen“, schreibt Holger Steltzer in FAZ-online vom 28.11. Moody´s hat inzwischen die Wiedererlangung der Schuldentragfähigkeit von Griechenland bezweifelt und hält die Beschlüsse von Brüssel nicht für ausreichend. Der IWF beendet sein Hilfsprogramm für Griechenland 2016, dann werden wohl auch für den IWF die Euro-Länder einspringen müssen.

Die Schulden und Haftungen türmen sich auf. Man will einfach nicht begreifen, dass die Europäische Währungsunion auf der ganzen Linie gescheitert ist und nur durch Rückkehr zu eigenen Währungen wieder Ordnung in Europa einkehren kann. Professor Wilhelm Hankel spricht aus, was die meisten kompetenten Nationalökonomen denken: „Zum Eigenleben der Völker gehört die eigene Währung“.

„Mit einem System eigener, nationaler Währungen, verbunden durch eine Wechselkursunion, wie sie Europa hatte, ließen sich Europas kulturelle und durch das Produktivitätsgefälle bedingte Unterschiede weit wirksamer überbrücken. Das beweist die Zeit vor dem Euro. Keine Währung musste „gerettet“ werden. Sie konnte (und musste) im nationalen Interesse abgewertet werden. Kein Staat musste für die Sünden anderer haften.“ Thilo Sarrazin hat es auf den Punkt gebracht: „Europa braucht den Euro nicht“.

Doch die Glasperlenspieler in Brüssel, allen voran Kommissionspräsident Barroso und Währungskommissar Rehn, legen am gleichen Tag, dem 28. November, da nach der Sitzung der Finanzminister das Scheitern des Euro selbst für Blinde erkennbar wurde, einen „Blueprint“ vor, mit dem sie eine Debatte über eine „vertiefte, echte Wirtschafts- und Währungsunion anstoßen wollen“. Ihr Ziel ist, die Haushalte der Mitgliedsstaaten zu vergemeinschaften, aus einer einzigen Kasse die Staatsausgaben zu bestreiten, alle neuen und alten Schulden gemeinsam zu tilgen, nur noch Eurobonds, für die alle gemeinsam haften, zuzulassen und Bankpleiten gemeinsam zu schultern (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-12-1272_de.htm). Die Kommission soll zur Regierung werden: Die Brüsseler Realitätsverweigerung ist kaum noch zu überbieten.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

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Warten auf den Zwölfer –oder den Wahltag drucken

Niemand kann mehr überrascht sein, denn längst haben alle mit dem Mitzählen aufgehört, wie oft solches oder ähnliches schon passiert ist: Wieder mehr Geld für Griechenland; wieder mehr Zeit für Griechenland; wieder bessere Konditionen für Griechenland (diesmal etwa einen Zinsenverzicht) wieder wird plötzlich den Griechen ein positives Zeugnis ausgestellt, obwohl sie rund die Hälfte der Hausaufgaben nicht erfüllt haben; wieder gibt es eine Prognose für Griechenland, die so wenig halten wird wie all die Prognosen bei früheren Rettungspaketen, nach denen das Land heute schon total super dastehen müsste; und auch der Europäische Gerichtshof wagt es nicht, Einwände gegen den Europäischen Schuldenmechanismus – pardon: Stabilitätsmechanismus zu erheben. Déjà-vu? Nur scheinbar. Denn in Wahrheit geht es bei der gegenwärtigen Einigung – die in Dutzenden kleinen Etappen zustandekommt und jedes Mal triumphal verkündet wird – um etwas ganz anderes.

Es geht nur noch und einzig und allein darum, das Thema Griechenland bis zu den deutschen Bundestagswahlen vom Tisch zu bekommen (was zufälligerweise auch die österreichische Wahl gleich mit absichert). Ein Jahr lang soll es keine Griechenland-Hektik geben, um den Wahlkampf nicht zu stören.

Mag sein, dass wenigstens diese Prognose hält. Aber was dann?

Dann wird die große Entscheidung fallen: Entweder wird den Griechen doch – einige Hundert Milliarden zu spät – klar gemacht: Es gibt kein neues Geld. Oder es wird nun auch den Schuldenschnitt für Forderungen von Staaten und EZB gegen Griechenland geben. Den haben ja bisher nur die privaten Geldverleiher erlitten.

Beides aber läuft darauf hinaus, dass all das Geld, das seit Mai 2010 schon in das südosteuropäische Fass ohne Boden geflossen ist, verloren ist. Bisher ist der Großteil dieses Geldes ja als Forderung oder Haftung buchhalterisch noch nicht in einen Verlust umgewandelt worden. Womit Merkel und Schäuble noch mit einer relativ guten, wenn auch falschen Optik zur Wahl antreten können. Und alle Parteien können in Deutschland und Österreich noch einmal Wählerbestechungsaktionen starten. Niemand muss eingestehen, dass in diesen letzten Jahren eine völlig falsche Politik betrieben worden ist.

Alle hoffen vielleicht, dass bis dahin in Griechenland doch noch das Wunder passiert. Dass sich nicht wieder alles schlechter entwickelt als prognostiziert, sondern vielleicht sogar besser. Gewiss: Es hat schon Menschen und Firmen gegeben, die durch den Gang ins Casino noch gerettet worden sind. Auch Totozwölfer sind möglich. Nur ist es halt nicht sehr seriös und wahrscheinlich, darauf zu setzen.

Denn das Signifikanteste ist, was nicht passiert, wovon auch überhaupt nicht geredet wird: Weder treten Hunderttausende angeblich so verzweifelte und gut qualifizierte Griechen zum Kampf um die vielen noch immer freien Jobs in Deutschland und Österreich an. Noch hört man irgendetwas von großen Werbeaktionen, mit denen ausländischen Investoren der rote Teppich Richtung Griechenland ausgerollt wird. Vielmehr werden solche – sich hie und da zu den Hellenenen verirrende – Investoren nach wie vor durch die Bürokratie und sozialstaatliche Regulierungen schikaniert. Sie werden als böse Invasoren angesehen und stoßen auf unlustige Mitarbeiter.

So lange es nicht an diesen entscheidenden Fronten ein echtes Umdenken gibt, sollte niemand auf den Zwölfer hoffen.

Realisten sollten sich eher damit abfinden, dass sich von Zypern bis Spanien (und Italien? Und Frankreich? Und Slowenien?) schon die nächsten Länder um fremdes Geld anstellen. Und dass man ihnen schlecht Nein sagen kann, wenn man zu Griechenland Ja gesagt hat.

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Zweifel an den Armutszahlen drucken

Was tun Parteien, deren Geschäftsmodell auf dem Schüren von Armutssangst zu basieren scheint, wenn die Armut immer weiter schrumpft? Richtig – man erfindet neue Kennzahlen und berechnet die „alte“ Armut auf die „neue“ Weise. Der Sozialbericht von Minister Rudolf Hundstorfer erweckte kürzlich den Eindruck, die manifeste Armut wäre gestiegen – dabei hatte man sie nur neu berechnet.

Nach EU-weit verwendeten Kriterien sind in Österreich schon seit Jahrzehnten zwischen drei und vier Prozent „manifest arm“ (2011: 3,9 Prozent). Dabei sind „manifest Arme“ heute weniger arm als noch vor etwa 20 Jahren, denn sie verfügen heute fast ausnahmslos über Fernseher, Waschmaschine oder Telefon.

96 Prozent der in Österreich Lebenden betrifft „manifeste Armut“ also nicht.

Damit kann man Österreichs Mittelschicht aber nicht mehr suggerieren, sie stünde vor dem sozialen Abstieg und solle deshalb vermeintlich „soziale und gerechte“ Parteien wählen.

2008 erfand die Statistik Austria eine neue Armuts-Kennzahl (siehe S. 74 „EU-Definition“ im Armutsbericht). Nach EU-Definition galt als „manifest arm“, wer „vier von neun Kriterien“ erfüllte (Grafik-Übersicht unten), nach österreichischer Definition gilt nun als manifest arm, wer auch nur „ein (oder zwei) von sieben Kriterien“ erfüllt. Und die Kriterien selber verschärfte man auch noch. So strich man den „Besitz von TV, Telefon und Waschmaschine“ aus der Kriterien-Liste (Weil das fast niemanden mehr betraf) und ersetzte sie durch neue Kriterien wie „Können Sie unerwartete Ausgaben von 950 Euro spontan tätigen?“

So waren Österreicher, die nach EU-Definition nicht arm waren, nach „österreichischer“ Definition ab 2008 plötzlich schon arm, wenn sie nicht mindestens einmal im Monat Freunde zum Essen einladen konnten oder nicht jeden zweiten Tag Fleisch/Fisch/vegetarisch aßen („Machen Germknödel arm?“).

Wie willkürlich die Verschärfung erfolgte, demonstriert die Tatsache, dass nicht nur 323.000 Armutsgefährdete es sich nicht leisten konnten, Freunde regelmäßig zum Essen einzuladen, sondern auch 591.000 Nicht-Armutsgefährdete.

Ebenfalls 2008 erschuf die Statistik Austria (mit Armutskonferenz, …) einen Katalog von 17 nationalen Eingliederungsindikatoren, um die Armuts- bzw. Ausgrenzungsquote zu ermitteln. Demnach sind 18 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer gefährdet (siehe S. 110 ff im Armutsbericht), weil sie…

  • „…mehr als 25 Prozent des Einkommens für Miete ausgaben“, was 18 Prozent der Bevölkerung betraf (und was - schwuppdiwupp - 100.000-e Studenten oder Junge über Nacht in die „manifeste Armut“ rutschen ließ. Ohne dass diese freilich davon etwas ahnten).
  • „…Bad oder WC am Gang hatten oder ein Raum dunkel oder schimmlig war“, drei Prozent kreuzten dies an (Wem fällt bei so einer Befragung da nicht ein dunkles Zimmer ein? Oder der Badezimmerschimmel vom letzten Jahr?)
  • „…sich durch Kriminalität oder Lärm oder Umweltverschmutzung belästigt fühlten“, das betraf 10 Prozent (!) aller Bürger (immerhin fühlten sich plötzlich 100.000-e Haushalte an Durchzugsstraßen wie dem Gürtel oder der Ringstraße betroffen).

Durch Studenten war Dauerarmut plötzlich gestiegen

Die Experten von Armutskonferenz und Co hatten ganze Arbeit geleistet. Mit der neuen Kennzahl ist es fast schon eine Kunst, nicht arm bzw. durch Armut ausgegrenzt zu sein. Zusätzlich hatten die „neu designten“ Kennzahlen viele Studenten nicht nur in die manifeste, sondern sogar in die dauerhaft manifeste Armut/Ausgrenzung geschickt. Dies wird marketingmäßig nun intensiv verwendet.

Wer mit übertriebenen Armutszahlen Ängste schürt, stellt sich auf die gleiche Ebene wie jene, die dies mit übertriebenen Fremdenzahlen tun. Es ergibt sich dringender Handlungsbedarf: 

  • Rücknahme der willkürlich erschaffenen Kennzahlen
  • Künftig Berechnung wieder nach EU-weit anerkannten Definitionen
  • Demokratisierung der Armutsdiskussion. Der ORF hat auch solchen Organisationen eine Plattform zu bieten, die der bisherigen Darstellung kritisch gegenüber stehen. Es dürfen nicht nur negative Detailergebnisse aus Sozial- und Armutsbericht herausgepickt werden.
  • Die Bevölkerung ist über die wahren Inhalte des EU-Armutsberichtes zu informieren
  • Die Statistik Austria wird mit Konrad Pesendorfer vom Kanzlerberater Faymanns (SPÖ) geleitet. Ideologisch motivierte Besetzungen schaden dem Ansehen solcher Organisationen und sind nicht angetan, das Vertrauen in die demokratischen Strukturen unseres Landes zu festigen.
  • Die öffentlichen Subventionen für Organisationen, deren einzige Aufgabe das Schüren von gesellschaftlicher Abstiegsangst zu sein scheint, sollten einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen werden.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. In seinem aktuellen Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt er sich mit Zahlen und Thesen Christian Felbers, Jean Zieglers, der Arbeiterkammer und der Caritas. Zentrales Thema ist bei Hörl „die geschürte Abstiegsangst“.

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Fußnote 378: Europäische Konstruktionsfehler drucken

Sie haben ihre Reservewäsche nicht gebraucht. Die europäischen Regierungschefs fahren schon nach einer Nacht wieder heim; der EU-Gipfel zum künftigen Unionsbudget ist ergebnislos gescheitert.

Das hat sich freilich in Wahrheit schon vor dem Gipfel gezeigt. Das beweist aber auch, dass die Regierungschefs normalerweise ohnedies nur das unter lautem Trommelwirbel absegnen, was insgeheim auf Beamtenebene schon lange vorbereitet war. Nun werden zweifellos viele den europamüde gewordenen Briten die ganze Schuld zuschieben. Aber der nichtüberbrückbare Streit um die nächsten Budgetjahre hängt nicht nur mit deren Härte zusammen. In Wahrheit zeigen sich in Stunden der unbewältigten Schuldenkrise kumuliert die vielen Konstruktionsfehler der EU. Die angesammelte Fülle an europäischen Privilegien, Ungerechtigkeiten, Verschwendungen und Überflüssigkeiten lässt sich in dieser Situation nicht mehr unter einen Hut bringen. Auch die Deutschen können nicht mehr wie in früheren Jahrzehnten das ganze europäische Schmarotzertum finanzieren, von der Agrarpolitik über die verfehlten Hilfszahlungen an Südeuropa, die teure Regulierungswut und absurde Political-Correctness-Richtlinien bis zur provozierenden Sinnlosigkeit des Wanderparlaments. Jetzt will man halt irgendwie weiterwursteln. Aber niemand hat mehr die Kraft zu einem kräftigen Neuansatz. Dieser müsste in einer Konzentration auf das wirklich für einen Binnenmarkt Notwendige bestehen, das aber dann auch wieder funktioniert. Auch in den Entscheidungsmechanismen.

 

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Radikalen- und Schwulen-Privilegien: Lob der ÖVP drucken

Man muss auch loben, wo es etwas zu loben gibt. Die ÖVP hat es trotz des derzeit in anderen Fragen herrschenden (und von der Obsorge bis zur Lehrerausbildung zu schlechten Ergebnissen führenden) Konsens-Drucks gewagt: Sie sagt glatt Nein zur von der SPÖ geplanten Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes, das politisch Radikalen und schwulen Aktivisten provozierende Privilegien verschafft hätte. Das ist erfreulich und durchwegs positiv. Das ist auch deshalb zu vermerken , weil sich hier das Tagebuch als erstes an vorderster Front engagiert hat. Jetzt muss man freilich weiterhin Obacht geben, ob dieses Nein auch nachhaltig ist – und endlich auch auf EU-Ebene praktiziert wird.

Besonders übel ist, dass die Frauenministerin Heinisch-Hosek ihr Engagement für dieses Privilegiengesetz mit wilden Attacken auf die Kirche verbindet, obwohl es um diese nur am Rande geht. Diese Attacken sind freilich nicht ganz überraschend: Stimmen doch die europäischen Sozialisten im EU-Parlament derzeit gerade mehrheitlich gegen einen maltesischen EU-Kommissar, nur weil sich dieser als gläubiger Katholik bekennt.

Die Sozialdemokratie braucht offenbar einen neuen Kulturkampf, nachdem ihr bisheriges Wohlfahrtsstaats-Dogma in der Schuldenkrise gerade krachend eingestürzt ist. Da versucht man sich halt zur Anti-Kirchen-, Pro-Radikalen- und Pro-Schwulen-Organisation zu wandeln.

Was dieser Gesetzesvorschlag des sich nach außen gerne als umgänglich und zivilisiert präsentierenden Sozialministers bedeutet hätte, ist in einem Tagebuch-Eintrag ausführlich dargelegt worden, ebenso in diesem und in diesem Gastkommentar. Die Novelle hätte eine üble Einschränkung der persönlichen und unternehmerischen Freiheit gebracht. Vermieter, Dienstleister, Rechtsanwälte und Arbeitgeber hätten durch eine absurde Umkehr der Beweislast belegen müssen, dass sie einen Stellensuchenden oder Mietwerber oder Möchtegern-Klienten oder Kunden nicht wegen seiner Homosexualität oder seiner radikalen Weltanschauung unberücksichtigt gelassen haben.

Festzuhalten bleibt, dass die Wirtschaftskammer des unsäglichen Christoph Leitl schon wieder vor einem unternehmerfeindlichen Gesetzesentwurf in die Knie gegangen war. Nur der schwarze (sowie der derzeit weniger relevante blaue) Parlamentsklub hat sich im letzten Augenblick zum notwendigen Stoppsignal aufgerafft. Die Anerkennung gilt insbesondere der schwarzen Frauensprecherin Dorothea Schittenhelm.

Doch ist damit alles gut? Gewiss nicht. Denn die Linke ist mit ihren Versuchen zäh, die Freiheit einzuschränken. So versucht sie beispielsweise schon seit 90 Jahren die zwangsweise Gesamtschule durchzudrücken. Und irgendwann könnten Rot und Grün zusammen wenigstens einmal doch die so ersehnte Mehrheit schaffen.

Auch muss man auf den peinlich herumeiernden Wirtschaftsminister aufpassen, der lange nicht so mutig und klar wie Schittenhelm Nein zur Hundstorfer-Novelle sagt.

Vor allem aber ist es jetzt dringend notwendig, dass die ÖVP auch auf europäischer Ebene ein Nein Österreichs durchsetzt. Denn dort agiert bisher der Sozialminister ungehindert im Alleingang. Selbst der Widerstand des Wissenschaftsministeriums und des – erstaunlich, erstaunlich! – Unterrichtsministeriums gegen die Einbeziehung des Bildungsbereichs wird vom Tisch gewischt. In den europäischen Arbeitssitzungen zu dem Versuch, eine inhaltlich deckungsgleiche Richtlinie durchzusetzen, ist einzig und allein vom Deutschland der Angela Merkel ein Veto vermerkt. Aus Österreich (=Sozialministerium) ist dort hingegen eine Zustimmung festgehalten. Deutschland ist natürlich wichtiger. Aber auch Merkel und vor allem die FDP an ihrer Seite sind nicht unsterblich.

Die Vorgangsweise in Österreich zu Beschlüssen eines EU-Ministerrats ist jedenfalls dringend überholungsbedürftig. Denn während sich bei österreichischen Gesetzen jeder Minister in Regierung und Koalition erst einen allgemeinen Konsens suchen muss, kann der gleiche Minister den gleichen Inhalt auf europäischer Ebene im innerösterreichischen Alleingang durchdrücken. Einzige Bedingung: Auch die Spezialminister aus den anderen EU-Ländern müssen der gleichen Ansicht sein. Man hat sich nämlich in der Koalition ausgemacht, dass man einander beim Abstimmungsverhalten in den EU-Räten gegenseitig nicht dreinredet. Dabei sieht die Bundesverfassung etwas ganz anderes vor.

Das ist eine völlig absurde Konstruktion. Denn während jedes österreichische Gesetz von einer späteren anderen Mehrheit wieder aufgehoben werden kann, sind europäische Richtlinien de facto irreversibel. Und sie sind jedenfalls einem österreichischen Zugriff entzogen. Wir dürfen nach Inkrafttreten einer EU-Richtlinie nur noch das befolgen, was ein einzelner Minister einmal in der EU abgesegnet hat. Denn auf das EU-Parlament als Verhinderer sollte man ja angesichts der dort vorherrschenden prinzipiellen Regulierungswut nicht einmal eine Sekunde lang hoffen.

 

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Warum nur, warum? drucken

Es gibt viele Fragen, bei denen man sich mit gutem Grund vor den wahren Antworten fürchtet. Daher fragen wir heute nur. Dem werten Leser bleibt die Wahl zwischen erträglicher Verdrängung und schmerzhafter Antwort frei. Etwa auf Fragen nach politischen Rachefeldzügen via Strafrichter, nach einem sein Maturazeugnis versteckenden Kanzler, nach der Familienfeindlichkeit der Industriellenvereinigung, nach sparunwilligen Abgeordneten, nach linker Medienpolemik, nach der Feigheit der Stadt Brüssel.

Warum etwa kann in diesem Land ein Buch mit schwerwiegenden Indizien gegen den Regierungschef erscheinen (Ernst Hofbauer: „Faymann, der Kanzler im Zwielicht“), ohne dass über die Vorwürfe eine intensive öffentliche Debatte ausbricht? Sind die Medien schon so sehr mit immunisierenden Inseraten zugepflastert, dass sie fast alle nur noch den wortgleichen Text zu dem Buch veröffentlichen, der klingt, als ob er direkt aus der SPÖ-Zentrale käme? Warum stellt der SPÖ-Chef, dem vorgehalten wird, gar keine Matura zu haben, nicht einfach eine Kopie seines Maturazeugnisses ins Internet (die konkreten Noten könnte er ja schwärzen, falls er sich dafür genieren sollte)? Warum fällt Werner Faymann nur noch betretenes Schweigen zu den Indizien des Autors ein, die übrigens zum Gutteil schon in diesem Tagebuch erschienen sind? Warum veröffentlicht, um ein positives Gegenbeispiel zu nennen, der amerikanische Präsident sofort alle Dokumente, wenn Vorwürfe gegen ihn (etwa bezüglich seines Geburtsortes) auftauchen? Warum tut das nicht auch der österreichische Bundeskanzler?

Warum bekommt man bei den sich häufenden Verurteilungen von Politikern zu saftigen Strafen – beginnend mit dem Kroaten Sanader über die Ukrainerin Timoschenko bis zu einigen sich politisch unkorrekt ausdrückenden FPÖ-Politikern – ein ganz übles Gefühl im Magen? Hängt das üble Gefühl vielleicht damit zusammen, dass es die Verurteilungen immer dann regnet und nur dann, wenn andere Parteien an die Macht kommen? Riechen diese Verurteilungen nicht allzu sehr nach politischer Rache? Besteht das Wesen der Demokratie neuerdings nicht mehr in geordnetem Machtwechsel, sondern in Vernichtungs-Feldzügen gegen den Gegner? Könnte nicht bei solchen – im Kampf gegen Korruption prinzipiell notwendigen! – Prozessen die obligatorische Beiziehung internationaler Richter für Objektivität sorgen?

Warum ruft die österreichische Industriellenvereinigung im Gegensatz zu ihrer sonstigen Sparsamkeits-Rhetorik ständig nach immer noch mehr Ausgaben für ein ohnedies extrem teures Bildungs-System? Warum verlangen die Spezialisten für Investitionen ausgerechnet bei der allerwichtigsten Zukunfts-Investition, also bei den Kindern, ständig Kürzungen? Warum sind den Industriellen insbesondere Familien mit mehreren Kindern so sehr ein Dorn im Auge? Warum wollen sie mit aller Gewalt die Mütter möglichst rasch von den Kindern weglocken/wegtreiben, obwohl alle bekannten Studien zeigen, dass der Verbleib von bildungsbewussten Müttern bei den Kindern in deren ersten Lebensjahren die weitaus beste Chance für die Entwicklung der künftigen Leistungsträger darstellt? Ist die Industrie so kurzsichtig geworden, dass sie nur noch nach den tüchtigen jungen Frauen als sofort verfügbare Arbeitskräfte giert und dass sie zugleich in Hinblick auf die Zukunft den drohenden Mangel an gut erzogenen und gebildeten Mitarbeitern völlig ignoriert? Denkt man in der Industrie wirklich nur noch in Quartalsergebnissen, hinter denen die Sintflut kommen mag?

Warum ist es nicht einmal Bundes- und Vizekanzler vereint möglich, den Nationalrat samt der dortigen Opposition zu einer Verkleinerung der Abgeordnetenzahl zu bewegen? Sind die beiden schon so schwach? Glauben die 183 Parlamentarier wirklich, dass jeder einzelne von ihnen unersetzlich ist? Kann dort wirklich jeder Hinterbänkler, der um sein Mandat zittert, eine zumindest symbolisch wichtige Reform verhindern? Verstehen die alle nicht, dass sie mit ihrem Njet die Demokratiemüdigkeit der Bürger weiter vergrößern? Würde es nicht auch fürs Budget mehr bringen, bei der Zahl der Mandatare zu sparen, als wegen der jährlichen Inflationsanpassung ihrer Bezüge kleinlich herumzuknausern?

Warum arbeiten so viele Medien immer mehr mit miesen und falschen Klischees aus der linken Propaganda-Werkstatt? Warum wird dem neuen Parteichef der französischen Konservativen Jean-François Cope sofort in übler Polemik vieler österreichischer Medien „knallhartes“, ja sogar „rechtsextremistisches“ Denken nachgesagt, weil er von „Rassismus gegen Weiße“ in etlichen französischen Stadtregionen spricht und davon, dass Schulkinder attackiert werden, nur weil sie während des Ramadan Schokolade essen? Können sich all diese dumpfen linken Journalisten nicht vorstellen, dass Cope vielleicht einfach nur Wahrheiten und Fakten ausgesprochen hat? Oder sind für sie immer und prinzipiell nur Europäer „Rassisten“, während das beispielsweise moslemische Zuwanderer nie sein können?

Warum verbannt in Brüssel die Stadtverwaltung Christbaum und Krippe und ersetzt sie durch einen elektronischen „Winterbaum“ ohne Krippe? Ist es nicht eine skandalöse Schande, dass sich die Hauptstadt Belgiens erklärtermaßen davor fürchtet, dass die Gefühle von Moslems durch einen Bezug auf Weihnachten verletzt werden könnten? Warum soll auch nur ein einziger Tourist noch Geld in eine solche widerliche Metropole tragen? Begreifen die Brüsseler nicht, welchen emotionalen Schaden sie damit der ganzen Idee Europas versetzen, das ja dort seinen Hauptsitz hat?

 

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Die Regierungen, nicht die Banken haben uns hineingelegt drucken

Es war eine mehr als verräterische Aussage: Die Euro-Länder würden Griechenland zumindest bis 2014 das finanzielle Überleben sichern wollen: „Darum geht es im Augenblick“. So lässt es uns nun der mächtigste Finanzminister Europas, Wolfgang Schäuble, wissen. Verräterisch daran ist erstens, dass anstelle der einstigen „Rettung“ neuerdings plötzlich nur noch von einem befristeten Überleben der Griechen die Rede ist. Verräterisch ist zweitens der genannte Zeitpunkt, bis zu dem Schäuble den Griechen das Überleben sichern will.

Denn während ringsum eigentlich schon seit Monaten eine weitere Verlängerung des griechischen Aufenthalts in der Intensivstation mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts als unvermeidlich dargestellt wird, gibt der Schäuble-Ausspruch plötzlich indirekt eine Änderung der Strategie zu: Es geht nicht mehr um eine Rettung Griechenlands (und anderer Länder), sondern nur noch darum, die gesamte Schulden-Überbrückungs-Konstruktion samt ihren ständig wachsenden Kosten noch etwas mehr als ein Jahr in Funktion zu halten.

Diese Zeitspanne schließt aber ganz, ganz zufällig auch die nächsten deutschen Wahlen ein. Diese werden nämlich (spätestens) im September 2013 stattfinden. Der von Schäuble angesprochene Zeitpunkt bedeutet also in Wahrheit das Eingeständnis eines recht zynischen Politik: Bis zu den Bundestagswahlen darf nichts passieren, danach aber kann die immer höher aufgestaute Sintflut losbrechen.

Ähnlich ist es ja auch im vergangenen Winter darum gegangen, Nicolas Sarkozy über den französischen Wahltag zu helfen. Das war freilich eine vergebliche Liebesmüh, wie wir heute wissen. Wird im Falle der deutschen Koalition die selbe Taktik am Ende auch vergeblich gewesen sein? Wird es auch für Schwarz-Gelb heißen: Außer Spesen nichts gewesen? Durchaus möglich, auch wenn Spekulationen viel zu früh sind, und auch wenn Rot-Grün natürlich noch viel mehr Spesen bedeuten würde.

Niemand glaubt mehr an eine Rettung

Unabhängig von dieser Frage ist jedenfalls klar: Auch Schäuble glaubt insgeheim nicht mehr, dass Griechenland noch zu retten ist. Gleichgültig, welche der Hunderten derzeit durch die Luft schwirrenden „Hilfs“- und „Rettungs“-Varianten auch immer realisiert werden sollte. Eine Bankrottvermeidung wird schon bei den anderen schwer verschuldeten Ländern und Banken schwierig genug.

Was wird nun passieren, wenn Resteuropa im nächsten Winter das Hunderte Male angedrohte Nein zu weiteren Zahlungen für Griechenland endlich auch realisieren sollte? Legitim wäre das ja jedenfalls, nachdem dieses Land in den letzten drei Jahren noch nach jeder Vereinbarung die Durchführung eines Gutteils der hoch und heilig versprochenen Reformen unterlassen hat.

Ein solches Nein bedeutet nicht automatisch einen Hinauswurf aus dem Euro-Raum. Ein solcher Hinauswurf ist ja rein vertragsrechtlich gar nicht möglich. Diesen kann nur das betroffene Land selbst beschließen. Ein Ausscheiden aus der gemeinsamen Währung wäre jedoch ab dem Stopp weiterer Euro-Hilfen wohl die beste Entscheidung der Griechen selber. Voraussetzung ist freilich, dass bis dahin zwischen Athen, Berlin, Frankfurt und Brüssel alle technischen Details einer notwendigerweise schlagartigen Währungsumstellung gut vorbereitet sind – was freilich noch immer nicht sicher ist.

Bei einer Rückkehr zu einer eigenen Währung könnten die Griechen durch deren Abwertung jedenfalls die eigenen Exporte wieder wettbewerbsfähig machen und die Importe fast unerschwinglich teuer machen.

Ausgegeben kann nur noch werden, was eingenommen wird

Aber selbst ohne Rückkehr zur Drachme tritt bei einem Stopp der Hilfen automatisch und in noch viel schärferem Ausmaß das ein, was die griechischen Regierungen immer als unmöglich dargestellt haben: Das Land könnte dann nur noch das ausgeben, was es einnimmt. Das Land müsste dann Beamten- und Pensionsbezüge weiter senken – notfalls sogar auf jenes Niveau, wie es in etlichen anderen EU-Ländern (etwa auf dem benachbarten Balkan) ohne lautes Murren hingenommen wird. Es müsste endlich die Beamtenzahlen reduzieren, Investoren mit Freude statt mit Bürokratie begrüßen, Pseudo-Behinderte und Bezieher der Renten Verstorbener bestrafen, Steuerhinterziehungen unterbinden, Staatsunternehmen (und eventuell auch Inseln) privatisieren und jedenfalls kräftig deregulieren.

Jedenfalls kann Griechenland nach einer Einstellung der ständigen Hilfen kein Primärdefizit mehr bauen. Was Athen in den letzten Jahren nie gelungen ist. Lediglich im letzten Monat soll jetzt dieses Ziel plötzlich erreicht worden sein – was aber wahrscheinlich wieder nur ein statistischer Trick ist, stehen doch die Verhandlungen mit der Troika gerade wieder auf des Messers Schneide. Dabei bedeutet ein ausgeglichener Primärhaushalt nur: Ein Land gibt nicht mehr aus, als es einnimmt, selbst wenn es keinen einzigen Euro mehr für Kreditrückzahlungen und Zinsendienst zahlen würde.

Die Schocktherapie

Die Nicht-mehr-Bedienung aller Kredite dürfte im Fall eines Versiegens der europäischen Hilfsgelder jedenfalls sofort passieren. Kein Cent flösse dann mehr an die Gläubiger Griechenlands. Bankrott ist ja nur ein anderes Wort dafür, dass man Schulden nicht mehr bedient. Das hätte zwar für Athen die Konsequenz, auf Jahre keinen Kredit mehr zu bekommen. Selbst Treibstoff-, Medikamenten- oder Lebensmittelimporte wären nur noch mit Vorauskasse möglich. Das wäre aber zweifellos auch die einzig wirksame Therapie für jenes Land.

Zu dieser Schocktherapie wird es aber erst kommen, wenn Griechenland endgültig den Glauben aufgeben muss, dass das ewig gleiche Gejammere „Mehr Sparen geht nun wirklich nicht mehr“ noch irgendeine Wirkung erzielt. Solange hingegen diese Behauptung auch von vielen westlichen Korrespondenten voller Empathie verbreitet wird, und solange immer wieder über weitere Hilfsprogramme verhandelt wird, werden die Griechen weiterhin glauben, dass sie mit der Mitleidsmasche um eine echte Sanierung herumkämen.

Dabei würde eine echte Sanierung mit Sicherheit nach etwa zwei – freilich sehr harten – Jahren einen steilen Aufschwung einleiten, wie wir es schon in vielen anderen Ländern nach dem Bankrott gesehen haben.

Eine Bankrotterklärung Griechenlands wäre natürlich auch für das Ausland ein schwerer Schlag. Dort müsste man ja alle Forderungen gegen Griechenland sofort abschreiben. Die Vermeidung dieses Schlages wird von den anderen Euro-Regierungen daher immer als Grund angegeben, weshalb man Griechenland ständig weiter helfen müsse.

Die europäische Angstpropaganda

Nüchterne Menschen sollten sich aber davor längst nicht mehr fürchten. Da steckt viel Angstpropaganda drinnen. Denn:

Erstens hat die angebliche Griechenland-Rettung in den letzten drei Jahren viele andere undisziplinierte Staaten von einem wirksamen Sparkurs abgehalten. Das hat die europäische Schuldenkatastrophe natürlich weiter verschlimmert. Schlechte Beispiele verderben die Sitten. Wenn man Betrug nicht mehr bestraft, wird es viel mehr Betrugs-Versuche geben. Wenn das EU-rechtliche Verbot der Rettung eines verschuldeten Landes durch die Zentralbank und andere Staaten zugunsten der Griechen aufgehoben worden ist, dann muss es ja wohl auch bei uns (Spaniern, Portugiesen usw.) aufgehoben werden.

Zweitens hat die Griechenland-Hilfe jetzt schon weit mehr gekostet, als es gekostet hätte, wenn die anderen EU-Länder 2010, vor den ersten Hilfsmaßnahmen und an deren Stelle, ihren eigenen Banken sämtliche Forderungen gegen Griechenland abgegolten hätten. Nach seriösen Schätzungen hielten Auslandsbanken damals höchstens 160 Milliarden Euro an griechischen Papieren.

So viel Geld in die Hand zu nehmen wäre im übrigen gar nicht nötig gewesen. Denn die meisten Banken – bis auf etliche französische – hätten einen Ausfall Griechenlands vermutlich schon damals tragen können. Und auch die wirklich gefährdeten Banken hätte man nur soweit absichern müssen, dass Einleger und Sparer nicht zu Schaden kommen. Das heißt: Bilanzen herunter bis aufs regulatorische Mindestkapital; zuerst werden die Aktionäre geschoren; dann sind auch Kündigungen beim Bankpersonal sinnvoll; erst dann darf der Steuerzahler drankommen.

Drittens ist inzwischen ohnedies schon der Großteil der Forderungen gegen Griechenland in Händen der Europäischen Zentralbank beziehungsweise einzelner Staaten. Die Kommerzbanken und andere privaten Gläubiger Griechenlands hingegen sind ja schon beim „Hair-Cut“ um einen Großteil ihrer Forderungen umgefallen; etliche griechische Anleihen sind inzwischen überdies schon abgereift; und viele weitere sind an die EZB weitergegeben worden.

Eine bloße Bankenrettung wäre billiger gewesen

Die unter „Zweitens“ und „Drittens“ genannten Punkte widerlegen auch ein in den letzten beiden Jahren von vielen verbreitetes Märchen: Die Hilfsaktionen würden ja nur den Interessen der Banken dienen. Wenn das wahr wäre, wäre uns die Schuldenkrise viel billiger gekommen.

Die Wahrheit sieht anders aus:

Die Hilfsgelder für Griechenland und andere Schuldenländer flossen zwar zum Teil zweifellos sofort an Gläubiger-Banken weiter. Das war aber voll beabsichtigt, denn ein Krachen von Banken löst immer einen gefährlichen Dominoeffekt aus. Dadurch würde unweigerlich ein Banken-Run ausgelöst, also der kollektive und gleichzeitige Versuch, alle Einlagen bei Geldinstituten abzuheben. Das würde das gesamte Wirtschaftsleben zum Einsturz bringen. Dadurch würden nicht nur Serienkonkurse von Finanzinstituten, sondern auch von all jenen Unternehmen der Realwirtschaft mit all ihren Arbeitsplätzen ausgelöst, die nicht schnell genug auf die Bank gelaufen sind.

Es geht nie primär darum, Banken zu retten. Und es ist wohl auch primär nie darum gegangen. Jedoch hätte etwa Österreich die Hypo Alpen-Adria unter Schonung der Einleger viel schneller abwickeln sollen, statt sie vorerst formal voll weiterzuführen, um die Bank-Arbeitsplätze zu retten. Dennoch ist auch in diesem Fall klar: Hauptzweck von Bankenrettungen ist immer nur die Vermeidung eines Dominoeffekts. Eine Überschuldung wird nicht kleiner, wenn man einen maroden Laden weiterführt.

Die Rettung der Bankkunden würde jedenfalls viel billiger kommen als Rettung ganzer Länder. Das war schon 2010 der Fall und gilt für heute erst recht, da fast alle Banken – unter Druck, aber auch aus eigenem Antrieb – ihren Sicherheitspolster deutlich vergrößert haben.

Auch Euro-Staaten können untergehen

Die Rettungsaktionen hatten jedoch einen ganz anderen Hauptzweck, auch wenn Politiker und deren Ideologen gerne davon ablenken. Der wahre Zweck lautete: Die Regierungen wollten um jeden Preis den Eindruck vermeiden, dass auch ein Staat des Euro-Raumes bankrott gehen könnte. Dabei hat dieses Schicksal davor schon Hunderte Male Staaten ereilt, ist also an sich so logisch wie gewöhnlich.

Eine solche Bankrotterklärung Griechenlands wäre jedoch erstens das Ende des großen Selbstbetrugs gewesen, dass der Euro eine Zauberwährung wäre, bei der vieles Logische wie durch ein Wunder nicht mehr passieren kann. Zweitens haben viele EU-Länder gefürchtet, dass nach einem griechischen Bankrott die Geldverleiher auch die Kreditwürdigkeit der anderen Schuldenländer genau überprüfen würden.

Solche Prüfungen von Euro-Staaten hatten die Geldverleiher ja im Jahrzehnt davor grob fahrlässig unterlassen. Auch sie haben an den Euro-Zauber geglaubt und es dadurch den Regierungen ermöglicht, sich durch eine ständige Schuldenpolitik wohlfahrtsstaatlicher Wählerbestechung die Macht zu erkaufen.

Umso genauer prüfen Geldverleiher aber seit 2010 die Kreditwürdigkeit. Trotz der Rettungsaktionen stoßen jetzt viele Euro-Staaten und Euro-Banken bei Geldgebern auf verbreitetes Misstrauen. Damit aber ist klar: Der Hauptzweck der Griechenland-Rettung ist völlig verfehlt worden.

Viele Staaten können sich heute nur noch deshalb finanzieren, weil die Europäische Zentralbank Geld praktisch unlimitiert druckt und zu Billigstkonditionen verleiht. Dieses Geld hält die Krisenstaaten weiter am Überleben.

Die Sparer als Zahler

Wer aber glaubt, dass das Gelddrucken jetzt ohnedies eine brauchbare Lösungsstrategie wäre, der irrt neuerlich kräftig. Denn die Zeche zahlen neben den Steuerzahlern alle Sparer, alle Inhaber einer Lebensversicherung. Noch nie lagen als Folge der EZB-Politik die für Einlagen jeder Art gezahlten Zinsen so weit unter der Inflationsrate (wobei wir gar nicht die Debatte beginnen wollen, ob die nicht in Wahrheit noch viel höher ist, als offiziell angegeben wird). Damit werden Sparer und Steuerzahler kräftig enteignet. Eine solche Politik kann so wie in der Zwischenkriegszeit sowohl zu sozialen wie politischen Explosionen führen.

So weit so schlecht. Das absolut Faszinierende aber ist: Die Regierungen verstehen es noch immer, diese ganze Fehlkonstruktion als alternativlos, als ein Werk im Interesse ihrer Bürger darzustellen. Und viele Medien plappern das nach. Das bestätigt wieder einmal: Mundus decipi vult, ergo decipiatur. Die Menschen wollen offenbar hineingelegt werden, daher werden sie auch hineingelegt.

Zumindest bis 2014 dürfte das nun so weitergehen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Rechnung für Europa drucken

Zehn Männer – ein Grieche, ein Italiener, ein Franzose, ein Portugiese, ein Spanier, ein Zypriot, ein Finne, ein Österreicher, ein Holländer und ein Deutscher – treffen sich regelmäßig zum Essen. So war es auch wieder in der letzten Woche.

Die Rechnung für alle zusammen betrug genau 500 €, denn man speiste schon sehr gern auf hohem Niveau.

Die Gäste bezahlten ihre Rechnung so wie wir unsere Steuern und das sah ungefähr so aus:

  • Vier Gäste (der  Grieche, der Portugiese, der Spanier und der Italiener) zahlten nichts.
  • Der Zypriot zahlte 1 €.
  • Der Franzose 5 €.
  • Der Österreicher 50 €.
  • Der Finne 80 €.
  • Der Holländer 100 €.
  • Der Zehnte (der  Deutsche) zahlte 264 €.

Das ging schon eine ganze Weile so. Immer wieder trafen sie sich zum Essen.

Alle waren zufrieden, bis der Wirt Unruhe in das Arrangement brachte, als er vorschlug, den Preis für das Essen um 50 € zu reduzieren. „Weil Sie alle so gute Gäste sind!” Wie nett von ihm! Jetzt kostete das Essen für die zehn nur noch 450 €.

Die Gruppe wollte unbedingt weiter so bezahlen, wie das bisher üblich war. Dabei änderte sich für die ersten vier nichts, sie aßen weiterhin kostenlos. Wie sah es aber mit den restlichen sechs aus? Wie konnten sie die 50 € Ersparnis so aufteilen, dass jeder etwas davon hatte?

Die sechs stellten schnell fest, dass 50 € geteilt durch sechs Zahler 8,33 € ergibt. Aber wenn sie das von den einzelnen Teilen abziehen würden, bekämen der fünfte und der sechste Gast noch Geld dafür, dass sie überhaupt zum Essen gehen.

Also schlug der Wirt den Gästen vor, dass jeder prozentuell ungefähr so viel weniger zahlen sollte wie er insgesamt beisteuere. Er setzte sich also hin und begann das für seine Gäste auszurechnen.

Heraus kam folgendes:

  • Der Zypriot, ebenso wie  die ersten vier, zahlte ab sofort nichts mehr (100% Ersparnis).
  • Der Franzose zahlte 3 €  statt 5 € (40% Ersparnis).
  • Der Österreicher zahlte 45 € statt 50 € (10% Ersparnis).
  • Der Finne zahlte 72 €  statt 80 € (10% Ersparnis).
  • Der Holländer zahlte 90  € statt 100 € (10% Ersparnis).
  • Der Deutsche zahlte 239  € statt 264 € (11% Ersparnis).

Jeder der sechs kam bei dieser Lösung günstiger weg als vorher und die ersten vier aßen immer noch kostenlos.

Aber als sie vor der Wirtschaft noch mal nachrechneten, war das alles doch nicht so ideal, wie sie dachten.

„Ich habe nur 2 € von den 50 € bekommen!” sagte der Franzose und zeigte auf den Deutschen, „Aber er kriegt 25 €!”.
„Stimmt!”, rief der Zypriote, „Ich habe nur 1 Euro gespart und er spart mehr als zwanzigmal so viel wie ich”.
„Wie wahr!”, rief der Österreicher, „Warum kriegt er 25 € zurück und ich nur 5 €? Alles kriegen mal wieder die reichen Deutschen!”
„Moment mal” riefen da der Grieche, der Portugiese, der Spanier und der Italiener wie aus einem Munde, „Wir haben überhaupt nichts bekommen. Das System beutet die Ärmsten aus!”

Wie aus heiterem Himmel gingen die neun gemeinsam auf den Deutschen los und verprügelten ihn.

Am nächsten Abend tauchte der Deutsche nicht mehr zum Essen auf. Also setzten sich die übrigen neun zusammen und aßen ohne ihn. Aber als es an der Zeit war, die Rechnung zu bezahlen, stellten sie etwas Außerordentliches fest:

Alle zusammen hatten nicht genügend Geld, um auch nur die Hälfte der Rechnung bezahlen zu können… 

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Europa, unsere Märchen und der Gender-Wahn drucken

Der Gender-Wahnsinn im Europa-Parlament reißt nicht ab. Nach den Aufsichtsratsquoten kommen jetzt die Kinderbücher dran. Weg mit ihnen, weil sie die falschen Rollenklischees transportieren. Und wieder opfern wir einen Teil unserer Tradition, einen Teil unserer Kultur dem PC-Wahn.

Verbietet Schneewittchen, weil die böse Königin morden lässt, um die Schönste im Land zu sein – und nicht die Mächtigste, da wäre der Auftragsmord sicher politisch korrekt. Und damit ist der Schönheitswahn junger Mädchen weg? Wir schaffen Grimm ab, aber im Fernsehen laufen Top-Model-Küren und Schönheits-OP-Soaps? Sehr konsequent und lebensnah.

Übrigens: Zeit für die Herren Europa-Abgeordneten, sich gendermäßig zu ermannen. Es ist dem sich formenden Rollenverständnis von Buben auch nicht zuzumuten, dass Männer als Zwerge („vertically challenged“) dargestellt werden, die im Bergwerk schuften und sich in ihrer Freizeit um eine schöne Riesin balgen, die ihnen noch dazu ihr Essen stiehlt! Und dass sie sich als hölzerne Puppen begreifen lernen, denen dauernd die Nase wächst, weil sie so viel lügen! Oder als Frösche, die sich von zarter Frauenhand an die Wand werfen lassen müssen, um den aufrechten Gang zu erlernen.

Aber das darf erst der Anfang sein. Wenn wir die Kinderbücher endlich abgeschafft haben, dann wenden wir uns am besten gleich Shakespeare, Moliere, Goethe und Schnitzler zu. Und erst die Maler und Bildhauer! Und wenn die große europäische Kultur dann mühsam gender-gereinigt ist, dann ist sie endlich weg.

PS.: Noch über etwas anderes ist man absolut fassungslos: Warum will sich die EU um Himmels willen schon wieder in etwas einmischen, das sie überhaupt nichts angeht? Werden ins EU-Parlament, wo man in Zeiten wie diesen solche lächerlichen Sorgen hat, immer nur die allerdümmsten Menschen entsendet? Warum machen dort sogar – angeblich – Liberale bei solchem totalitären Unsinn mit? Oder sind im EU-Parlament gar U-Boote aktiv, die insgeheim die EU durch solche Aktionen möglichst unbeliebt machen wollen?

 

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Wie man Immobilienblasen schafft drucken

Fast immer, wenn die Politik scheinbar Gutes tun will, kommt etwas Falsches und Teures heraus. Das zeigt sich etwa bei den Themen Energieeinsparung und Behindertengerechtigkeit. Beides ist ja sehr populär. Aber in beiden Fällen hat die Politik Wirkungen ausgelöst, die an ganz anderer Stelle Schäden verursachen: nämlich beim Wohnbau. Dieser wird dadurch massiv verteuert.

Das führt zu einer österreichweiten Reduktion der Wohnbauleistung. Das erhöht wiederum den Druck auf die ohnedies durch Inflationsflüchtlinge nach oben getriebenen Preise  von Eigentumswohnungen. Und die katastrophalen Spätfolgen einer Immobilienblase hat man ja in Amerika und Spanien genau beobachten können.

Wie kommt es zu diesen schädlichen Nebenwirkungen? Mehrere Bundesländer – Bauen ist ja Landessache – haben es zur unabdingbaren Pflicht gemacht, dass jede Wohnung in jedem neuen Bau behindertengerecht sein muss. Das hat von den Türen über die Aufzüge bis zu den Gangbreiten eine Reihe kostentreibender Folgen. Das ist auch in der Sache wenig sinnvoll. Wenn man Rollstuhlfahrer im siebenten Stock unterbringt und wenn dort ein Brand ausbricht, sind sie absolut hilflos. Dürfen doch dann keinesfalls die Lifte benutzt werden. Es wäre klüger und sparsamer, für den zum Glück sehr kleinen Prozentsatz an Rollstuhlfahrern Wohnungen mit sicheren Ausgängen anzubieten, statt 99 Prozent aller Wohnungswerber mit höheren Kosten zu belasten (Ein ähnliches Thema sind übrigens die gewaltigen Kosten für die Behindertengerechtheit öffentlicher Bauten, wo es oft viel billiger gewesen wäre, für die nächsten Hundert Jahre eine Hilfskraft anzustellen, die jeden Behinderten durchs ganze Gebäude bringt).

Den gleichen kostentreibenden Effekt hat der Zwang zur Gebäudedämmung. Denn mittlerweile stellt sich heraus, dass die versprochene Verbesserung der Energiebilanz niemals eintritt. Das wagen nun sowohl rote Wohnbau-Genossenschafter in Wien wie auch blaue Landesräte in Oberösterreich kritisch zu beklagen. Thermische Sanierungen bringen zwar dem Baugewerbe hohe Umsätze, dem Nutzer aber nicht die gewünschten und kalkulierten Verbesserungen. Viele – teure – Einsparungs-Versprechungen erweisen sich als falsch. Etwa weil übersehen wurde, dass die Mauerdämmung die Aufnahme der auch im Winter des öfteren scheinenden Sonne verhindert (die in der kalten Jahreszeit auch in viel flacherem Winkel und daher wirksamer einstrahlt).

Sind diese Energieeinsparungs-Ankündigungen deshalb falsch gewesen, weil sich die Techniker geirrt haben? Oder sind solche Studien von der interessierten Bau- und Dämmstoffindustrie forciert worden? Das wird sich wohl nur schwer klären lassen.

Tatsache ist, dass die Politik – von der EU bis zu den Bundesländern – durch gut gemeinte Regelungen Schaden anrichtet und zugleich die angestrebten Ziele verfehlt. Das Schlimme: Gesetzgeber sind unglaublich träge, wenn sie Fehler eingestehen und Vorschriften wieder abschaffen müssten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Handelsbilanz Frankreichs seit 2001 drucken

Handelsbilanzsaldo Frankreichs seit 2001 in Milliarden Dollar

 

Anmerkung: Französische Produkte haben im letzten Jahrzehnt stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren.

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SN-Kontroverse: Vetodrohung Österreichs drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

EU-Budget: Soll Österreich die Vetokeule schwingen?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Schizophrene Politik

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Wenn jemand - noch dazu ein Land mit einem ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex - die Vetokeule schwingt, kommt das gut bei den Massen an. Da setzt die Ratio aus und der Applaus ist denen sicher, die kräftig ausholen wollen. Wenn das Ganze dann noch mit den üblichen Ressentiments gegen "die da oben" in Brüssel argumentiert wird, ist der populistische Reflex gründlich bedient. Was kommt schon besser an und lenkt perfekter vom Schlamassel an der Heimatfront ab, als der Verweis auf die anderen?

Daher ist es nicht sonderlich verwunderlich, dass auch hierzulande die Drohung überaus beliebt ist, Österreich werde gegen das EU-Budget sein Veto einlegen. Allen voran kommt sie von Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger. Als Vorbild wird da offenbar der Schlachtruf der britischen Lady Margaret Thatcher genommen, die vor vielen Jahren lautstark "Geld zurück" rief. So haben die Briten 1984 von der EU einen Rabatt bekommen, weil sie damals noch verhältnismäßig wenig von den Agrarsubventionen profitierten. In der Folge wurde Österreich, Deutschland, den Niederlanden und Schweden ebenfalls ein Nachlass gewährt. Sie müssen seit 1999 nur noch ein Viertel der Ausgleichszahlungen leisten. Dieser droht nun wegzufallen. Das ist der wahre Hintergrund für den derzeitigen Aufschrei.

Natürlich wissen alle, die jetzt so laut schreien, dass die Übersubvention der Landwirtschaft ein Unfug ist, und in Brüssel haben sie das bei den Vorverhandlungen zum neuen Finanzrahmen eingesehen. In Wien aber schaut die Welt jedoch anders als in Brüssel aus und Politiker aller Richtungen üben sich gern in der Kunst der Rede mit gespaltener Zunge. Sie kritisieren oft unmittelbar nach der Rückkehr in ihre Hauptstädte jene Dinge, denen sie auf EU-Ebene zugestimmt haben. Diese schizophrene Politik kann auf Dauer nicht funktionieren - weder in Brüssel noch in Wien.

 


 

Jeder gegen jeden

Andreas Unterberger

In Europa ist der Kampf jeder gegen jeden ausgebrochen. Wenn alle fünf Jahre die großen Budgetweichen gestellt werden, geht es um viel Geld. Daher drohen auch etliche EU-Länder mit dem Veto. Wer von vornherein knieweich in die Arena geht, hat schon verloren. So ist es nicht nur verständlich, sondern auch richtig und notwendig, dass auch Österreich mit dem Veto droht. Freilich tut es das ohnedies nach der deutlich erkennbaren Methode: "Wollen tät ich ja gern, aber trauen tu ich mich nicht wirklich." Daher wird im Gegensatz zur britischen Vetodrohung die österreichische nicht sehr ernst genommen.

Noch dazu ist sie mit einem inneren Widerspruch versehen: Einerseits will die Wiener Regierung möglichst wenig - zusätzlich - zahlen, andererseits kämpft man um ein weiterhin saftiges Agrarbudget und um EU-Gelder für die großen Verkehrsprojekte. Insbesondere das überaus zweifelhafte Megaprojekt des Brenner-Basistunnels ist gegenüber den Steuerzahlern immer mit dem Argument verharmlost worden, das würde ohnedies zum Gutteil die EU zahlen.

Unabhängig von der österreichischen Schizophrenie sollte jedenfalls klar sein: In der EU müsste endlich viel mehr auf Sparsamkeit geschaut werden, auch wenn das weder die ausgabenwütigen EU-Abgeordneten noch die hochbezahlte Brüsseler Bürokratie gern hören.

Schließlich stöhnen fast alle Mitgliedsländer selbst unter schweren Sparlasten. Schließlich häufen sich die Beweise für betrügerischen und verschwenderischen Umgang mit EU-Geldern. Schließlich produziert Brüssel in seiner Regulierungswut immer mehr Richtlinien, die für das gute Funktionieren eines Binnenmarktes völlig überflüssig, ja sogar schädlich sind.

Schließlich wird im EU-System sinnlos Geld für Prestigeprojekte einzelner Länder hinausgeworfen, wie etwa den obligatorischen Wanderzirkus des Parlaments.

 

 

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Die Frauenquote: eine europäische Selbstbeschädigung drucken

Hurra. Europa kann aufatmen. Die EU-Kommission hat es geschafft. Die Quotenrichtlinie kommt. Und wenn das nicht reichen sollte, um alle Europäer in Jubelstimmung zu versetzen, dann sollten diese hören, was ihnen ausgerechnet der kolumbianische Staatspräsident zu sagen hat.

Juan Manuel Santos hat nämlich feierlich versprochen, Europa bei der Überwindung seiner Wirtschaftsprobleme zu helfen. Kein Scherz. Das einstige Krisenland Kolumbien ist dazu sogar – in Maßen – imstande: Es steht nämlich heute durch einen betont marktwirtschaftlichen Kurs viel besser da als noch vor einem Jahrzehnt.

Während Kolumbien weitgehend auf die Knebelung der Wirtschaft durch sozial- und wohlfahrtsstaatliche Abenteuer verzichtet, stürzt die EU-Kommission Europa in ein weiteres Abenteuer dieser Art: Künftig soll es bei börsennotierten Aktiengesellschaft sowohl bei Aufsichtsräten wie auch bei nicht geschäftsführenden Direktoren einen gesetzlichen Zwang zu einer 40prozentigen Frauenquote geben.

Da kann man ja noch froh sein, dass der Quotenzwang nicht auch auf die geschäftsführenden Direktoren ausgedehnt wird. Freilich zeigt diese erstaunliche Einschränkung besonders deutlich, worum es der Viviane Reding geht. Die ehemalige Journalistin hat sich gezielt jene Jobs für die Frauen ausgesucht, wo nur die Bezahlung, aber nicht die Verantwortung wirklich groß ist. Offenbar hält sie – ebenso wie die Mehrheit der anderen Kommissare – die Frauen für andere Spitzenjobs noch nicht so geeignet. (Reding hat übrigens früher für jene Luxemburger Zeitung gearbeitet, für die ich Anfang der 90er Jahre aus Österreich berichtete. Aber das nur am Rande.)

Jedenfalls wird diese Richtlinie – sofern sie angenommen wird – Investitionen von den europäischen Börsen abziehen. So ist es ja auch in Norwegen passiert, wo es die Frauenquote für bestimmte Aktiengesellschaften schon länger gibt. Und wo es den betroffenen Firmen nach einer amerikanischen Studie signifikant schlechter geht als den nicht betroffenen. Das gilt sowohl in Hinblick auf die Bilanzen wie auch die Börsenkurse.

Warum ist eine Quotenregelung so übel?

  • Erstens, weil sich die EU ständig ohne jeden Auftrag in Dinge einmischt, die man auch national regeln könnte. Wenn man sie überhaupt regeln will.
  • Zweitens, weil es ein verheerendes Signal ist, am Höhepunkt der Schuldenkrise, die jetzt auch noch von einem mörderischen Budgetstreit potenziert wird, solche peinlichen Ablenkungsstrategien zu versuchen, die in Wahrheit nur die Überforderung der EU zeigen.
  • Drittens, weil die Erfahrung hundertfach zeigt, dass es im Zweifel immer besser ist, etwas nicht durch Staat und Politik zu regeln, als sich in das Privat- und Wirtschaftsleben einzumischen.
  • Viertens, weil nicht nur das norwegische Beispiels zeigt: Es gibt im Vergleich zu den Männern viel zu wenig Frauen, die sich für wirtschaftliche Spitzenpositionen – beziehungsweise den mühsamen Aufstieg dorthin – interessieren, sodass keine qualitative Auswahl getroffen werden kann. Zugleich demotiviert das viele der sonst durch ihren Ehrgeiz für die Unternehmen sehr nützlichen Männer, wenn sie sehen, dass ganz an der Spitze dann ohnedies nicht die Leistung, sondern das Geschlecht entscheidet.
  • Fünftens, weil jede auch noch so tolle Frau ab dem Zeitpunkt einer Quotenregelung nicht mehr ernst genommen, sondern als Quotenfrau abgetan wird.
  • Sechstens, weil mit der gleichen Logik wie eine Frauenquote auch eine Zuwanderer-, Moslem-, Behinderten- oder Schwulen-Quote eingeführt werden kann: Selbst für die Begründung einer Linkshänder-Quote bräuchte es nur irgendeinen weltverblasenen Theoretiker, der deren Diskriminierung „beweist“.
  • Siebentens, weil die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft ohnedies so angeschlagen ist, dass jede weitere Einschränkung strikt abzulehnen ist, und wäre sie noch so klein. Wenn wir vor allem für die Krisenländer wieder mehr Jobs haben wollen, dann müssten wir Unternehmen den roten Teppich ausbreiten, statt ihnen ständig neue Vorschriften zu machen.
  • Achtens weil damit das klare politische Signal ausgesendet wird, die Arbeitslosigkeit jedes zweiten jungen Spaniers oder Griechen ist egal, aber zugunsten einer winzigen Handvoll Elitefrauen wird ein großer politischer Aufwand aufgenommen.
  • Neuntens sollte sowohl die Brüsseler Kommission wie auch beispielsweise die österreichische Koalition eigentlich daran interessiert sein, ihren Gegnern nicht ständig neue Wählermassen zuzutreiben. Hätte man angenommen.
  • Und zehntens müsste es in schwierigen Zeiten noch viel mehr als früher bei jedem Spitzenjob zu Hundert Prozent darum gehen, den Besten, die Beste, das Beste zu finden. Ohne Rücksicht auf Geschlecht, Alter, Religion, sexuelle Orientierung oder Herkunft: So, wie es unsere demokratischen Verfassungen und Grundrechtsordnungen immer vorgesehen haben, bevor den Politikern fad geworden ist und sie den Genderismus erfunden haben. Der Einwand, dass auch bisher nicht immer der Beste an die Spitze gekommen ist, ist richtig – nur wird jetzt eine unvollkommene Situation noch deutlich verschlechtert. Statt dass man die Rechenschaftspflicht an den Unternehmens-Spitzen noch deutlich erhöht!

Zum Glück stehen die Chancen für eine Annahme der Reding-Visionen nicht allzu gut. Vor allem Angela Merkel hat sofort kritisch reagiert. Schließlich will  sie demnächst Wahlen gewinnen. Ob das auch die ÖVP will, muss man noch abwarten. Denn dort hat es in den ersten Stunden wieder einmal sowohl positive (=negative) wie auch negative (=positive) Reaktionen gegeben. Und einen schweigenden Parteiobmann.

PS.: Auch die europäische Statistik von Frauen als Vorstandsvorsitzende spricht die gleiche Sprache (wenngleich es bei der Reding-Richtlinie nicht um diese Funktionen geht). Da gibt es in Österreich und Deutschland, also in zwei nicht ganz erfolglosen EU-Ländern, derzeit keine einzige weibliche Vorsitzende. Zu den Ländern mit dem höchsten Anteil von weiblichen Vorstandschefs gehören Rumänien, die Slowakei, Litauen und Bulgarien. Wenn das kein zwingender Beweis ist . . .

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Tabu Männerdiskriminierung drucken

Es war noch nie leicht, ein Mann zu sein. Männer sind das „extreme Geschlecht": Sie überwiegen an der Spitze der Gesellschaft ebenso wie am unteren Ende. Ihre geringere Lebenserwartung zeugt von härteren Lebensumständen, ebenso wie z.B. die Selbstmordzahlen.

Die Statistik Austria hat für das Jahr 2011 eine durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt von 78,1 Jahren (Buben) und 83,4 Jahren (Mädchen) errechnet. Ab heuer werden Männer nicht nur in der staatlichen Altersvorsorge, sondern auch in der privaten Versicherung durch die „Unisex"-Tarife objektiv nachrechenbar benachteiligt.

Da aber der unselige Spruch „Ein Indianer kennt keinen Schmerz" noch immer in den Köpfen verankert scheint, werden Männer nicht entlastet, sondern im Gegenteil als permanente Mängelwesen hingestellt, die immer mehr Aufgaben übernehmen sollen. Männerforscher Walter Hollstein befindet, dass eine Vielzahl widersprüchlicher Erwartungen der Gesellschaft die bereits im Schulwesen oft benachteiligten Buben höchst verwirrt, was zu steigenden Zukunftsängsten führt.

Die EU-Kommission hat anscheinend nur Frauen im Blickfeld, zum Beispiel mit der auf drei Jahre angelegten EU-Kampagne „Wissenschaft ist Mädchensache". Infrastrukturministerin Doris Bures beeilte sich, die Unterstützung der Bundesregierung zu erklären und verwies auf diverse „Genderkriterien", z.B. für Projektförderungen.

Während Politikerinnen Frauenpolitik machen – ein Musterbeispiel ist EU-Kommissarin Viviane Reding, die gerade dabei ist, eine 40-prozentige Frauenquote in den Aufsichtsräten europäischer börsennotierter Unternehmen verpflichtend bis 2020 durchzudrücken – ist die Solidarität etablierter Politiker mit benachteiligten Männern selten anzutreffen. Österreichische Männer sind beispielsweise in den Bereichen ungleiches Pensionsantrittsalter, Wehrpflicht und Obsorge stärker benachteiligt als in Deutschland.

Viktor Pölzl ist Obmann des Vereins Freimann, der sich für Gleichberechtigung auch für Männer einsetzt.
www.freimann.at

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Von Europa bis Wien: Fensterputz auf der Titanic drucken

Die Tanzenden auf der Titanic waren im Vergleich exemplarisch zukunfts- und verantwortungsbewusste Menschen. Die Reaktion der meisten Europäer auf die unvermeidliche Implosion der Schuldenkrise wird mit Sicherheit von künftigen Psychologengenerationen als Musterbeispiel einer kollektiven Verdrängung angeführt werden.

Was man praktisch täglich neu beweisen kann: In der gleichen Woche, da die Euro-Länder nun auch formell beschließen, weitere 33 Milliarden zum Zweck eines zweijährigen Sanierungsaufschubs für Griechenland zu verbrennen, da Athen Anleihen mit der lächerlichen Laufzeit von nur noch vier Wochen auflegt, da sich auch sonst die finanziellen Perspektiven der Krisenstaaten weiter verschlechtern, stößt man binnen weniger Stunden auf folgende aktuelle Fakten:

  • Zahllose griechische Bürgermeister weigern sich, die vom Parlament erst vor wenigen Tagen beschlossenen Entlassungen durchzuführen. Sie wollen nicht einmal die Namen der derzeit angestellten Gemeindebeamten bekanntgeben.
  • Laut dem nun auch im Detail durchsickernden Troika-Bericht über Griechenland hat das Land nur 32 von 67 eigentlich schon längst fälligen Zusagen erfüllt. Der Rest der Verpflichtungen ist wider alle heiligen Schwüre noch ganz oder teilweise offen. Aber trotzdem wird der Bericht als positiv für Griechenland dargestellt und als grünes Licht für die nächste Kreditrate.
  • In Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und Belgien finden Generalstreiks statt. Diese haben zwangsläufig eine weitere Vergrößerung der Staatsschulden zur Folge, da sie naturgemäß die Wirtschaft weiter schrumpfen lassen. Aber die Gewerkschaften denken nicht daran zuzugeben, dass ihre überhöhten Lohnforderungen in den letzten 15 Jahren und die von ihnen durchgesetzten üppigen Sozialleistungen die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Länder schwer beeinträchtigt und damit die Schuldenkrise mit ausgelöst haben. Sie streiken lieber.
  • In Frankreich kann keine einzige der großen Tageszeitungen mehr ohne Verluste bilanzieren – obwohl die Regierung ihnen über eine Milliarde Euro zubuttert.
  • Die Fusionsgespräche zwischen Opel und dem französischen Konzern Peugeot-PSA-Citroen werden abgebrochen, weil die französische Regierung beschlossen hat, mit sieben Milliarden für PSA zu haften, und einen Jobabbau verboten hat. Das hat naturgemäß den – fast ebenso maroden – Opel-Lenkern jede Lust auf eine Kooperation geraubt. Denn dann wären nur in Deutschland Arbeitsplätze abgebaut worden. So fahren halt beide Konzerne getrennt in den Abgrund.
  • Die EU-Kommission beschließt, die CO2-Zertifikate wieder dramatisch zu verteuern, was der europäischen Industrie zusätzliche Milliardenkosten verursacht. Aber die angebliche Klimarettung (die weder Chinesen noch Amerikaner noch sonst einen Nichteuropäer kümmert) ist ja wichtiger, als es die Arbeitsplätze auf dem Kontinent sind.

Das alles binnen weniger Stunden. Als kollektiver Beweis, dass sie alle überhaupt nichts verstanden haben.

Und in Österreich? Da spielt das Titanic-Orchester  besonders laut.

  • Da hat die Regierung – weil man ja auf einer „Klausur“ Arbeit simulieren will – gerade wieder ein Bündel von neuen Wohltaten für das Volk beschlossen. Sparmaßnahmen sind bei diesem Treffen nicht besprochen worden.
  • Da wird bekannt, dass sich die Zahl der Frühpensionierungen „wegen psychischer Erkrankungen“ binnen weniger Jahre mehr als verdoppelt hat. Ursache ist natürlich nicht kollektive Verblödung, sondern die moderne Medizin, die heute viel besser die früher gern vorgeschützten Gründe für Invaliditätspensionsanträge überprüfen kann.
  • Da verkündet der Wirtschaftsminister eine Erhöhung der Familienbeihilfen.
  • Da wird eine Verdopplung der Ausgaben für Ganztagsschulen beschlossen (die an sich ja sinnvoll sind, die man sich aber nicht mehr leisten kann, weil man das Geld für die absolut sinnlose Gesamtschule hinauswirft).
  • Und da – das wirklich peinlichste Beispiel von Geldverschwendung – verschickt die Gemeinde Wien um Steuergeld ein Blättchen an alle Haushalte mit einer ganzseitigen Liste, in der Männer und Frauen für jeden Wochentag von Montag bis Sonntag eintragen sollen, wer zuständig ist für „Fensterputzen“, für „Handwerk“ oder fürs „Haustier“. Aber noch bevor ich mir meine Fensterputztage aussuchen, ein Handwerk lernen und ein Haustier anschaffen kann, stoße ich auf den danebenstehenden Satz einer Frau Frauenstadträtin Frauenberger (der Name ist echt): „In mehr als 50 Prozent der Haushalte mit Kindern übernimmt die Frau die gesamte Arbeit.“ Noch frecher lügen kann man wohl nicht. Aber wenn ein Mann arbeiten geht, ist das ja offensichtlich für die Rathauspartie keine Arbeit, sondern Vergnügen.

Aber was soll’s. Warum sollte man ausgerechnet in Österreich auf den letzten Meilen der Fahrt bis zum Eisberg noch vernünftig werden?

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Unisex: der neueste europäische Unsinn drucken

Ab 21. Dezember ist es soweit: Versicherungen dürfen europaweit nur noch geschlechtsunabhängige Preise und Tarife anbieten. Das klingt harmlos und konsumentenfreundlich. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Diese Unisex-Tarife werden Versicherungen für den Konsumenten teurer machen. Und sie sind ein weiteres drastisches Beispiel für überflüssige Regulierungen durch die EU und ihre schädlichen Einmischungen in das Wirtschaftsleben.

Denn Männer und Frauen stellen in den einzelnen Lebensphasen sehr unterschiedliche Risken dar: Junge Frauen werden – wenn auch immer seltener – schwanger, junge Männer nicht. Junge Männer neigen im Gegensatz zu jungen Frauen zu riskanterem und damit unfallträchtigem Autofahren. Frauen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als Männer.

All das war zu Recht bisher in unterschiedlichen Versicherungstarifen abgebildet. Junge Frauen zahlen mehr für Krankenversicherungen. Junge Männer zahlen mehr für Unfallversicherungen. Ältere Frauen zahlen weniger für Ablebensversicherungen, aber mehr für lebenslange Rentenversicherungen als Männer des gleichen Alters.

Nur ganz naive EU-Bürokraten und zynische Politiker können davon ausgehen, dass Unisex-Tarife nun einen Mischtarif bringen würden, der in der Mitte zwischen den bisher unterschiedlichen Tarifen der einzelnen Geschlechter liegen wird. Die Tarife werden in Wahrheit nahe bei den bisher höheren liegen. Was dem einen Geschlecht massiv schaden, dem anderen nur marginal nutzen wird.

Das sollte man nicht der Bösartigkeit der Versicherungskonzerne in die Schuhe schieben. Sondern ihrer Verpflichtung zur vorsichtigen Kalkulation und zur Logik. Denn wenn Kfz-Versicherungen für junge männliche Autofahrer signifikant billiger werden, wird nach allen Erfahrungen und Marktgesetzen die Nachfrage männlicher junger Autofahrer nach solchen Versicherungen signifikant anwachsen. Während die jungen Frauen, die (noch?) vorsichtiger fahren, durch die Tariferhöhung eher abgeschreckt werden.

Um diese Zusammenhänge zu begreifen, muss man weder Versicherungsmathematik noch Statistik oder Wahrscheinlichkeitsrechnung studiert haben. Sondern man müsste nur logisch denken können.

Was manche prinzipiell nicht tun. Daher werden dank der EU und einiger Gleichheitsfanatiker etliche Versicherungstarife bis zu 40 Prozent teurer – vor allem für Frauen; eine Studie spricht sogar von 55 Prozent. Ablebensversicherungen für Frauen könnten sogar um bis zu 80 Prozent teurer werden.  Die bisher größten bekannten Verbilligungen machen 22 Prozent aus. Offizielle Zahlen kommen freilich erst im Dezember heraus. Gut kommt nur davon, wer sich noch schnell vor dem 21. Dezember zu den alten Konditionen versichert.

Nachher wird bei den Versicherungen die große Ebbe eintreten. Was nicht nur deren Aktionäre treffen wird, sondern auch die Staaten. Den denen können dann die Versicherungen weniger Anleihen abkaufen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Memorandum zur geplanten Ausweitung des österreichischen Gleichbehandlungsgesetzes drucken

Die Ausdehnung der Diskriminierungstatbestände auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen ist höchst umstritten. Aufgrund der mit der Ausdehnung des Anwendungsbereiches zusammenhängenden Widersprüchlichkeiten wird der hierzu ergangene Richtlinienvorschlag der EU alle vier Jahre regelmäßig abgelehnt. Weiters werden in jenen Staaten, welche ein dem Richtlinienvorschlag vergleichbares Gesetz erlassen haben, zahlreiche negative Folgen festgestellt, die vor allem im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit zu finden sind.

Dieses Memorandum wird folgende Themen behandeln: (1) die Gründe für die Ablehnung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie; (2) die Folgen vergleichbarer Gesetze in anderen EU-Mitgliedstaaten, und (3) mögliche Ausnahmeregelungen zur besseren Gewährleistung des Schutzes der Religions- und Gewissensfreiheit.

1. Die Ablehnung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinie

Der Vorschlag für eine Richtlinie des Rates 2008/0140 „zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung", hat das Ziel, die europäischen Antidiskriminierungsmaßnahmen über den Bereich des Arbeitsmarktes hinaus auch auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen auszudehnen.[i]

Aufgrund des möglichen weitreichenden Geltungsbereiches und einer Anzahl von im Gesetz enthaltenen Widersprüchlichkeiten wurde der Vorschlag jedoch von EU-Mitgliedstaaten innerhalb eines Zeitraumes von vier Jahren regelmäßig abgelehnt.

Abgesehen von der generellen Besorgnis gegenüber der drastischen Ausweitung der Antidiskriminierungsmaßnahmen auch auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sei aber auch auf eine Anzahl von im Richtlinienvorschlag enthaltenen höchst widersprüchlichen Bestimmungen hingewiesen, welche wie folgt beispielsweise angeführt werden:

  • Art. 2 Abs. 3 besagt: „Unerwünschte Verhaltensweisen, die … bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird, sind Belästigungen, die als Diskriminierung … gelten.“ Diese Definition der Belästigung basiert auf derjenigen, welche von der EU in der Richtlinie 2000/78/EG herangezogen  wurde. Die Tatsache, dass diese außergewöhnlich weite und unklare Definition im Bereich des Arbeitsmarktes verwendet wird, bedeutet jedoch nicht, dass sie auch auf Umstände außerhalb des Arbeitsplatzes geeignet ist.
  • Art. 5 ermutigt Mitgliedstaaten zu „positiven Maßnahmen … mit denen Benachteiligungen wegen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verhindert oder ausgeglichen werden." Obwohl  solche „positiven Maßnahmen" von Institutionen der EU seit vielen Jahren gefördert werden[ii], wird die Angelegenheit viel komplizierter und widersprüchlicher, sobald die einander oft widerstreitenden Gründe der Religion oder Weltanschauung und der sexuellen Ausrichtung betroffen sind.
  • Art. 7 Abs. 2 unterstützt „Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die ein legitimes Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie zu sorgen“, sich zur Unterstützung möglicher Diskriminierungsopfer an Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren zu beteiligen. In Anbetracht der Reichweite des Richtlinienvorschlages und der Unbestimmtheit mancher ihrer Bestimmungen, ist zu erwarten, dass die gegenüber den „Organisationen oder anderen juristischen Personen" ergangene Einladung, sich an den jeweiligen Verfahren zu beteiligen, zu einem Anstieg von kostspieligen, grundlosen und oft politisch begründeten Prozessstreitigkeiten führen wird.
  • Art. 12 Abs. 1 fordert Mitgliedstaaten auf, Stellen einzurichten, deren Aufgabe darin besteht, „die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu fördern." In den Erläuterungen zu Art. 12 steht: „Für einzelne ist es schwierig und teuer, eine Klage wegen einer angenommenen Diskriminierung anzustrengen. Eine zentrale Aufgabe der Gleichstellungstellen besteht darin, Diskriminierungsopfer auf unabhängige Weise zu unterstützen."[iii]
    Während die Mitgliedstaaten seit 2000 dazu verpflichtet werden[iv], solche „Gleichstellungsstellen" im Zusammenhang mit der „Rasse oder ethnischen Herkunft" einzurichten, würde durch den Richtlinienvorschlag der Aufgabenbereich dieser Stellen drastisch erweitert werden, indem sie dazu verpflichtet werden, die Verwirklichung sämtlicher zusätzlicher und oft einander widerstreitender Merkmale zu fördern.

Wegen ihrer zahlreichen widersprüchlichen Aspekte hat die Vorschrift die europäische Ebene folglich jahrelang nicht verlassen. Derzeit haben sich die Delegationen aller 27 Mitgliedstaaten einen generellen Untersuchungsvorbehalt hinsichtlich dieses Vorschlages vorbehalten.[v] Außerdem sind auf nationaler Ebene Beschlüsse ergangen, die diesen Vorschlag denunzieren, wie etwa im französischen Senat (17. November 2008), im tschechischen Senat (18. September 2008) sowie im Deutschen Bundesrat (19. September 2008).

Seitdem der Vorschlag erstmals ergangen ist, hat die deutsche Regierung regelmäßig Bedenken hinsichtlich der Folgen auf den Handel geäußert; die tschechische Regierung hat die Unklarheit bzw. Mehrdeutigkeit der Vorschrift sowie deren Reichweite schwerstens kritisiert; die Franzosen haben nachdrücklich die gewählten Formulierungen des Entwurfes abgelehnt und auf die darin enthaltenen rechtlichen Unsicherheiten hingewiesen.

In Anbetracht der eindeutigen Ablehnung dieses Richtlinienvorschlages ist es daher ziemlich zweifelhaft, dass die Richtlinie jemals Einstimmigkeit im Ministerrat[vi] erreichen wird und ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sie niemals erlassen wird.[vii] Ohne eine übergreifende EU-Richtlinie besteht keine Verpflichtung Österreichs, Gesetze zu erlassen, welche die Antidiskriminierungsmaßnahmen auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen ausdehnen.

Darüber hinaus ergibt sich solch eine Verpflichtung Österreichs auch aus keiner anderen internationalen Vorschrift. Es besteht Einvernehmen darüber, dass ein Staat in zweierlei Hinsicht an internationale Vorschriften gebunden ist: Entweder wird der Staat durch einen von ihm unterfertigten und ratifizierten Vertrag gebunden, oder der Staat hat gewisse Bestimmungen übernommen, welche mit der Zeit zu „Völkergewohnheitsrecht" geworden sind. Weder Vertragsrecht noch „Völkergewohnheitsrecht" haben eine Verpflichtung für Österreich geschaffen, seine Antidiskriminierungsmaßnahmen auszudehnen.

Daher müssen Empfehlungen, welche von einem „Kontrollorgan" wie etwa dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen an Österreich herangetragen werden, im richtigen Kontext betrachtet werden. Erstens sind die Empfehlungen im Rahmen der Universal Periodic Reviews nicht bindend, wenn sie nicht von einer internationalrechtlichen Verpflichtung gedeckt sind. Zweitens kommen solche Empfehlungen aus anderen Staaten und es muss diesbezüglich auch berücksichtigt werden, welche Staaten die Ausdehnung empfohlen haben.[viii]

Tatsächlich finden sich unter jenen Staaten solche mit den weitreichendsten Antidiskriminierungsmaßnahmen auf der Welt wie etwa das Vereinigte Königreich[ix] und Kanada[x]. Manche Empfehlungen kamen auch von Staaten wie etwa der Islamischen Republik Iran, welche gegenüber Österreich die Empfehlung der Novellierung und Harmonisierung der Antidiskriminierungsgesetze zur Sicherstellung des gleichen Schutzes gegen jegliche Form von Diskriminierung aussprach.[xi]

Solche Empfehlungen müssen mit höchster Vorsicht behandelt werden. Weiters muss wiederholt darauf hingewiesen werden, dass während manche Staaten solche Empfehlungen aussprechen, sich wiederum jeder einzelne Mitgliedsstaat zur vorgeschlagenen Gleichbehandlungsrichtlinie, welche eine Ausdehnung enthalten würde, eine generelle Überprüfung vorbehält.

2. Gesetzliche Bestimmungen zur Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen in anderen EU-Mitgliedstaaten

Die Auswirkungen in anderen EU Mitgliedstaaten, die dem Richtlinienvorschlag ähnliche Gesetze erlassen haben, sollte jeder andere Staat bedenken, der eine Ausdehnung seiner Antidiskriminierungsmaßnahmen in Erwägung zieht.

Beispiele aus dem Vereinigten Königreich

Das Vereinigte Königreich hat dem Richtlinienvorschlag ähnliche Gleichstellungsgesetze erlassenen, nämlich Equality Act 2006 und Equality Act (“Sexual Orientation”) Regulations 2007, welche nun im Equality Act 2010 eingegliedert sind. Das Gesetz des Vereinigten Königreichs enthält keine Ausnahmebestimmungen für Organisationen, die nicht als „religiös" gelten oder für Organisationen, welche ausschließlich bzw. hauptsächlich als „gewerblich" angesehen werden. Folglich wurden religiöse Menschen, welche Güter und Dienstleistungen, angeboten haben, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, angeklagt, weil sie in Entsprechung ihres tief verwurzelten Glaubens gehandelt haben.

  • Beispiel: Im Jahre 2009 wurden Gasthausbesitzer von einem gleichgeschlechtlichen Paar geklagt, weil sie sich geweigert haben, dem Paar ein Doppelbettzimmer anzubieten.[xii] Die Gasthausbesitzer Herr und Frau Bull hatten seit 1986 eine Polizze in Anwendung, welche besagt: „… als Christen haben wir hohen Respekt vor der Ehe (ein lebenslänglicher Bund zwischen einem Mann und einer Frau unter Ausschluss anderer). Daher, obwohl wir alle herzlich in unserem Zuhause willkommen heißen, stehen unsere Doppelbettzimmer nicht verheirateten Paaren nicht zur Verfügung – vielen Dank."[xiii]
    Im Jahre 2009 wurde einem gleichgeschlechtlichen Paar ein Doppelbettzimmer verweigert, woraufhin die Familie Bull verpflichtet wurde, einen Schadenersatzbetrag in Höhe von 3.600,- Pfund[xiv] zu bezahlen und, da sie im Berufungsverfahren[xv] verloren haben, steht ihr Gasthaus kurz vor einer Schließung.[xvi] Andere christlichen Gasthäuser wurden ebenfalls erfolgreich geklagt.[xvii]
  • Beispiel: Im Jahre 2008 verweigerte der Earl of Devon, ein gläubiger Christ, es einem homosexuellen Paar, die Zeremonie ihrer zivilen Eheschließung im Powderham Castle, seinem Familienbesitz, abzuhalten.[xviii] Als Folge davon wurde ihm von der Gemeindevertretung die Genehmigung zur Abhaltung ziviler Eheschließungen entzogen, wodurch auch heterosexuelle Eheschließungen im Schloss nicht mehr abgehalten werden konnten.[xix] Der entgangene Gewinn betrug ca. 200.000,- Pfund pro Jahr. Der Earl musste in der Folge Gegenstände aus dem Familienbesitz verkaufen, um den Verlust ausgleichen zu können.

Die Reichweite des Gesetzes geht sohin viel weiter als erwünscht. Durch das Fehlen einer Ausnahmeregelung für Organisationen, die ausschließlich bzw. hauptsächlich gewerblich tätig sind, beseitigt die Gesetzgebung mit Erfolg die Möglichkeit, seine Gewissens- und Religionsfreiheit auf dem Markt auszuüben. Weiters ist es Organisationen gemäß der Gesetzeslage des Vereinigten Königreiches nicht gestattet, im Bereich der Dienstleistungserbringung aus Gründen der sexuellen Orientierung zu diskriminieren, sofern die Dienstleistung im öffentlich-rechtlichen Auftrag angeboten wird.

  • Beispiel: Seit 2008 sind katholische Adoptionsagenturen, welche die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare verweigern, gezwungen, entweder zu schließen oder ihre Glaubensethik aufzugeben.[xx] Dies geschah, obwohl Einigkeit darüber bestand, dass katholische Adoptionsagenturen zu den besten des Landes gehörten.[xxi] Im Jahre 2007 gab es auf dem gesamten Gebiet des Vereinigten Königreiches insgesamt 14 auf dem Glauben basierende Adoptionsagenturen. Diese machten ein Drittel der Adoptionen im freiwilligen Sektor aus.[xxii] Die meisten dieser Agenturen mussten nun ihre Glaubensethik aufgeben und zu säkularen Institutionen werden oder mussten ihre Dienste vollkommen zurückziehen.
  • Beispiel: Im Jahre 2008 wurde einem christlichen Pflegeheim ein Zuschuss in Höhe von 13.000,- Pfund pro Jahr entzogen, weil sich das Pflegeheim geweigert hat, homosexuelle Verhaltensweisen gegenüber den älteren Menschen im Pflegeheim zu fördern. Nach über einem Jahr interner Berufungsverfahren, welche Prozesskosten in Höhe von 21.000,- Pfund zur Folge hatten, und nachdem der Fall publik gemacht worden war, hat der Rat endlich nachgegeben.[xxiii]

Obwohl die Erlassung von dem Richtlinienvorschlag ähnlichen Gesetzen nicht automatisch andere Mitgliedstaaten zwingen wird, auf Glauben basierende und der Öffentlichkeit zugängliche Dienstleistungen abzuschaffen, ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Einführung solcher Gesetze die Mitgliedstaaten unter Druck setzen wird, ebenso zu handeln.[xxiv]

Beispiele aus anderen EU Mitgliedstaaten

Die Niederlande haben in ihrem Gleichstellungsgesetz 1994 in der novellierten Fassung von 2004 (Algemene wet gelijke behandeling), Vorschriften erlassen, die dem Richtlinienvorschlag ähnlich sind. Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes umfasst auch den Bereich der Arbeit, der Bildung und den Bereich des Zugangs zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen.

  • Beispiel: Im Jahre 2009 wurde ein Unternehmen geklagt, weil es sich weigerte, Badetücher zu produzieren, auf denen eine Organisation abgebildet sein soll, die für homosexuelle Verhaltensweisen wirbt. Das Unternehmen hatte auf seiner Website klargestellt, dass es keine Arbeit verrichten wird, welche blasphemisch oder gegen die Moral des Unternehmens verstoße. Die Gleichbehandlungskommission kam zu dem Entschluss, dass dies keine Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung darstelle.[xxv]
  • Beispiel: Im Jahre 2008 entschied die Gleichstellungskommission (Commissie Gelijke Behandeling) – entgegen ihrer vorhergehenden Entscheidungen – dass Standesbeamte dazu verpflichtet sind, gleichgeschlechtliche Eheschließungszeremonien durchzuführen, und dass öffentliche Bedienstete dazu aufgefordert werden, „Vorbilder“ in der Bekämpfung von Diskriminierungen zu sein. Es wurde sohin beschlossen, dass das Gewissen eines einzelnen öffentlichen Angestellten nicht mehr länger berücksichtigt werden kann, auch wenn es auf der praktischen Ebene ein Leichtes wäre, dem entgegenzukommen.[xxvi]

Am 15. November 2011 wurde von der Links-Grünen Partei ein Antrag gestellt, der die Regierung auffordert, ein neues Gesetz zu erlassen, welches es kommunalen Verwaltungen unmöglich macht, Standesbeamte einzustellen, die nicht bereit sind, gleichgeschlechtliche Paare zu verehelichen.[xxvii] Der Antrag wurde genehmigt und so wurde die Gewissensfreiheit zu Gunsten der Rechte auf „sexuelle Orientierung" zurückgestuft.

Somit wird die Religions- und Gewissensfreiheit, welche einst durch Ausnahmebestimmungen in den Antidiskriminierungsgesetzen gewährleistet wurde, nach und nach beseitigt und es ist ein Ansteigen von Prozessführungen zu beobachten.

  • Beispiel: Die Theologische Fakultät der Reformierten Gáspár-Károli-Universität in Ungarn verweigerte die Aufnahme von Studenten, die eine „homosexuelle Lebensweise führten oder unterstützten“. Der Verein Háttér, welcher sich für Schwule und Lesben einsetzte, brachte gegen die Universität eine Klage mit dem Begehren ein, dass das Gericht inter alia feststelle, dass die Universität gegen die Prinzipien der Gleichbehandlung von Homosexuellen als Gruppe verstoßen habe.

Am 8. Juni 2005 erging die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Ungarn, wonach die christliche Universität keiner gesetzwidrigen Diskriminierung schuldig sei. Jedoch hat es zwischenzeitig Novellierungen des ungarischen Gesetzes gegeben. Von einer Organisation wurde darauf hingewiesen, dass es „nach dem neuen Gesetzeswortlaut nicht mehr sicher ist, ob der Oberste Gerichtshof mühelos zu demselben Ergebnis kommen wird können.“[xxviii]

Nachdem die Antidiskriminierungsmaßnahmen in anderen EU-Mitgliedstaaten immer mehr in Kraft treten, ist mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass in naher Zukunft immer mehr solche und ähnliche Beispiele zum Vorschein kommen werden wie etwa:

  • Beispiel: Eine Druckfirma, die den Druck von Materialien verweigert, welche gegen den Kern der Glaubensansichten seiner Besitzer verstoßen, könnte in Zukunft deswegen geklagt werden;[xxix]
  • Beispiel: Organisationen, die bestimmten Personen wie etwa christlichen Missionaren begünstigte Tarife anbieten, könnten ebenso geklagt werden;[xxx]
  • Beispiel: Hochzeitsfotografen, die sich weigern, Fotos von gleichgeschlechtlichen Zeremonien zu machen, könnten geklagt werden;[xxxi]
  • Beispiel: Religiöse Räumlichkeiten, in denen die Abhaltung von Hochzeiten gleichgeschlechtlicher Partner verboten wird, könnten verklagt werden.[xxxii]

3. Mögliche Ausnahmen

In Anbetracht der zahlreichen Probleme – insbesondere in Bezug auf die widersprüchlichen und einander widerstreitenden Merkmale wie etwa Religion oder Weltanschauung und sexuelle Ausrichtung –, die mit der Ausdehnung der Antidiskriminierungsmaßnahmen auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen verbunden sind, sollte jeder Versuch einer solchen Ausdehnung auf nationaler Ebene, wo es an einer Verpflichtung seitens der EU mangelt, unbedingt abgelehnt werden. Sollten jedoch die Antidiskriminierungsmaßnahmen auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen dennoch ausgedehnt werden, bedarf es strenger Ausnahmebestimmungen, um den Schutz von Religions- und Gewissensfreiheit weiterhin gewährleisten zu können.

Die derzeitige Ausnahmebestimmung im § 33 des vorliegenden Entwurfes stellt insofern ein Problem dar, als es auf religiöse Organisationen abzuzielen scheint, die Dienstleistungen an Personen anbieten, die einer solchen Religion oder Weltanschauung angehören. Dies bedeutet, dass religiöse Organisationen, die ihrer eigenen Gemeinschaft Dienste anbieten, durch diese Ausnahmebestimmung geschützt werden. Religiöse Organisationen, die karitative Dienste anbieten, welche der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, sind von der Ausnahmebestimmung jedoch nicht erfasst und daher auch nicht geschützt, obwohl es von denen doch einige gibt.

Darüber hinaus scheint die Ausnahmebestimmung weder privaten Personen, bei denen die Bereitstellung gewisser Güter und Dienstleistungen gegen das Gewissen verstoßen würde, noch Organisationen, die auch gewerblich tätig sind – wie etwa Gasthäuser, Druckereien und fotografische Unternehmen – Schutz zu bieten. § 33 bedarf somit einer dringenden Abänderung, wenn er die fundamentalen Rechte auf Religions- und Gewissensfreiheit gemäß Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention schützen soll.

Das Gesetz muss weitergehendere Ausnahmebestimmungen für religiöse Organisationen sowie Ausnahmebestimmungen sowohl für Personen als auch gewerblichen Organisationen enthalten.

Ein Beispiel für eine Ausnahme für religiöse Organisationen

„(1) Diese Ausnahme ist auf Organisationen anzuwenden, die folgende Zwecke verfolgen –
(a) die Ausübung einer Religion oder einer Weltanschauung,
(b) die Förderung einer Religion oder einer Weltanschauung,
(c) die Lehre der Ausübung oder der Prinzipien einer Religion oder einer Weltanschauung,
(d) Personen, die einer bestimmten Religion oder Weltanschauung angehören, den Empfang von Begünstigungen oder die Teilnahme an Aktivitäten im Rahmen dieser Religion oder Weltanschauung zu ermöglichen, oder
(e) die Unterstützung oder Erhaltung guter Beziehungen zwischen Personen verschiedener Religionen oder Weltanschauungen.

(2) Die Organisation oder Person, in deren Namen oder unter deren Leitung Einschränkungen vorgenommen werden, verstößt nicht gegen dieses Gesetz, soferne die Einschränkungen in den nachfolgend genannten Bereichen in Bezug auf die Religion, die Weltanschauung oder die sexuelle Ausrichtung vorgenommen werden –

(a) die Mitgliedschaft in der Organisation;
(b) die Teilnahme an Aktivitäten, welche von den oder im Namen der Organisationen bzw. unter ihrer Leitung abgehalten werden;
(c) die Bereitstellung von Gütern, Räumlichkeiten oder Dienstleistungen im Rahmen der Aktivitäten, welche von den oder im Namen der Organisationen bzw. unter ihrer Leitung abgehalten werden;
(d) die Nutzung von oder die Verfügung über Räumlichkeiten, welche der Organisation gehören oder von der Organisation verwaltet werden."

Ein Beispiel für eine Ausnahme für Personen und Organisationen, die auch gewerblich tätig sind

„Keine der in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen soll eine Person (A) dazu zwingen, ein Gut oder eine Dienstleistung einer Person (B) bereitzustellen, wenn A hierdurch eine Handlung tätigen würde, welche A aus Gewissensgründen ernsthaft ablehnt."

Conclusio

Die vorgeschlagene EU-Richtlinie hinsichtlich des Zugangs zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen wurde bis dato nicht genehmigt und wird in Anbetracht ihrer widersprüchlichen Natur mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu keinem Zeitpunkt genehmigt werden. Es gibt daher keine Verpflichtung für EU-Mitgliedstaaten, ihre Antidiskriminierungsmaßnahmen auf eine solche Weise auszudehnen, die über das von den bisherigen Richtlinien geforderte hinausgeht.

Eine Ausdehnung des Gesetzes hätte eine ernsthafte Bedrohung der Religionsfreiheit zufolge, wie es in anderen EU-Mitgliedstaaten zu beobachten ist, die ein ähnliches Gesetz erlassen haben, wie etwa im Vereinigten Königreich. Sollten jedoch die Vorschriften derartig ausgedehnt werden, dass auch der Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen erfasst sind, ist es dringend notwendig, dass strenge und weitergehendere Ausnahmebestimmungen hineingenommen werden, um die Religions- und Gewissensfreiheit aufrechterhalten zu können.

Paul Coleman ist Rechtsberater der “Alliance Defending Freedom”. Gegründet im Jahr 1994, setzt sich Alliance Defending Freedom als internationale und christliche Organisation mit juristischem Schwerpunkt vor allem für Religionsfreiheit ein. Alliance Defending Freedom war bisher in mehr als 20 Fällen vor dem Europäischen Gerichtshof involviert und hat einen speziellen Beratungsstatus im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. Ebenso ist die Organisation akkreditiertes Mitglied der Fundamental Rights Agency (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte) und vom Europäischen Parlament sowie von der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) anerkannt.
Als Organisation mit juristischer Expertise in Fragen der Religionsfreiheit arbeitete sie in der Vergangenheit mit dem europäischen Parlament, dem Europarat sowie dem amerikanischen Kongress und vielen nationalen Parlamenten zusammen.

Endnoten

[i] Dies basiert somit auf der Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 und der Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000. Richtlinien schreiben den 27 Mitgliedstaaten der EU die Erreichung eines bestimmten Ergebnisses vor, ohne die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ergebnisse vorzugeben.

[ii] Siehe Art. 2 Abs. 4 der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG und Rs C-312/86 - Kommission/Frankreich, Slg 1988, 6315.

[iii] Hinsichtlich Art. 7 der Richtlinie wird darauf hingewiesen, dass die Schuldvermutung darin besteht, dass der Begriff "Opfer" anstatt eines neutraleren Begriffes wie etwa Kläger oder Anspruchsberechtigter verwendet wird.

[iv] Siehe Art. 13 der Anti-Rassismusrichtlinie (Richtlinie 2000/43/EG).

[v] Siehe 12447/11 SOC 623 JAI 477 MI 349. Verfügbar unter

 http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/11/st12/st12447.en11.pdf.

[vi] Der Vorschlag fällt in den Anwendungsbereich des Art. 19 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Es ist daher nach Zustimmung des Europäischen Parlaments Einstimmigkeit im Rat erforderlich.

[vii] Siehe Craig and De Burca, EU Law: Text, Cases and Materials5, Oxford University Press, 2011, Seite 873.

[viii] Siehe Teil II des Berichtes der UPR-Arbeitsgruppe A/HRC/17/8. Verfügbar unter

http://www.upr-info.org/IMG/pdf/recommendations_to_austria_2011.pdf.

[ix] A-93.35. Harmonisierung aller Antidiskriminierungsgesetze zur Sicherstellung des gleichen Schutzes gegen jegliche Form von Diskriminierung

[x] A93.44. Gewährung gleichen Schutzes gegen alle Formen der Diskriminierung, einschließlich auf Grund von Alter, Religion, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität.

[xi] A-93.36

[xii] Hall and Preddy v. Bull and Bull, Case No 9BS02095, 18 January 2011.

[xiii] Id., § 11.

[xiv] Id., § 60.

[xv] Bull and Bull v. Hall and Preddy and Hall [2012] EWCA Civ 83. Derzeit im Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof.

[xvi] Siehe The Daily Mail, 21. Jänner 2011.

[xvii] Siehe Black and Morgan v Wilkinson, Claim, no. 0UD02282, 18. Oktober 2012. Verfügbar unter

 http://www.judiciary.gov.uk/Resources/JCO/Documents/Judgments/black-wilkinson-judgment-18102012.pdf.

[xviii] Siehe BBC News, 30. May 2008; The Daily Telegraph, 29. May 2008.

[xix] Siehe The Daily Telegraph, 2. Juli 2008.

[xx] Eine Zusammenfassung der Situation der Adoptionsagenturen siehe in “Adoption agencies shut under ‘equality’ laws”, The Christian Institute, April 2009.

[xxi] Viele der Kinder, denen geholfen wurde, galten als "schwer unterzubringen" (Siehe BBC News, 25. Jänner 2007). Die Rückgangsrate betrug außerdem lediglich 3,6%. Dies gilt als eine der geringsten unter allen Agenturen (Siehe House of Commons, Hansard, 21. Februar 2007, col. 110WH).

[xxii] Siehe House of Commons, Hansard, 21. Februar 2007, col. 110WH.

[xxiii] “Care home suffers under ‘equality’ laws: How traditional Christian beliefs cost an elderly care home a £13,000 grant,” The Christian Institute, Mai 2009.

[xxiv] Beispielsweise wird, sobald ein Mitgliedstaat eine weitergehende Interpretation der Religionsfreiheit in den Bereichen anwendet, in denen die Religionsfreiheit mit der sexuellen Orientierung im Widerspruch steht, von der Europäischen Kommission ein Prozess gegen diesen Mitgliedstaat initiiert, wobei die Europäische Kommission darauf beharrt, dass der Mitgliedstaat einen engeren Begriff der Religionsfreiheit anwendet. Siehe die Prozessführung der Europäischen Kommission gegen die Niederlande vom 31. Jänner 2008 und die "begründete Stellungnahme" der Europäischen Kommission gegen das Vereinigte Königreich vom 20. November 2009.

[xxvi] Siehe Entscheidungsnummer 2008-40, in der niederländischen Sprache verfügbar auf der Website der CGB. Verfügbar unter http://www.cgb.nl.

[xxvii] Motie van Gent c.s., Tweede Kamer 2010-2011, 27017, nr 77.

[xxviii] Siehe ‘Country Report: Hungary’, European Network of legal experts in the non-discrimination field, 1. Jänner 2012. Verfügbar unter <http://www.non-discrimination.net/content/media/2011-HU-Country%20Report%20LN_final.pdf.

[xxix] Siehe zum Beispiel den Rechtsfall von Ontario Human Rights Commission v. Brockie [2002] 22 DLR (4th) 174 wegen einem bedruckten Werbematerial oder den Rechtsfall Baker v. Hands on Originals, Inc. HRC #03-12-3135, welcher derzeit vor dem Lexington-Fayette Urban County Human Rights Commission in den USA abgehandelt wird wegen der Weigerung, T-Shirts zu bedrucken, die einer örtlichen „gay pride“-Parade angehören.

[xxx] Siehe Baroness O’Cathain, House of Lords, Hansard, Col. 1163, 13. Juli 2005.

[xxxi] Siehe die Rechtssache in den USA von Wilcock v. Elane Photography (2008) HRD No. 06-12-20-0685, verfügbar unter http://www.adfmedia.org/News/PRDetail/5537.

[xxxii] In Kanada zum Beispiel wurde eine katholische Organisation geklagt, weil sie die Abhaltung einer festlichen Zeremonie für ein lesbisches Paar in ihren Räumlichkeiten verweigerte, siehe Smith and Chymyshyn v. Knights of Columbus and others, 2005 BCHRT 544. In Israel wurde ein christliches Zentrum geklagt, weil es die Abhaltung einer festlichen Zeremonie für ein lesbisches Paar verweigerte, siehe Tal Ya'akovovich and Yael Biran v. Yad Hashmonah, September 2012.

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Europa der Vaterländer – Vaterland Europa: Zehn Thesen drucken

Der konservativ-katholische Publizist und Denker trug die folgenden zehn Thesen bei einer Veranstaltung der Johannes-Messner-Gesellschaft in Wien vor. Diese Thesen haben mit ihrem anti-aufklärerischen, antiliberalen und anti-EU-Impetus viel Aufsehen und Widerspruch erregt. Das Tagebuch stellt sie daher hier zur Diskussion.

1. Die EU leugnet von ihrem ganzen Konzept her das Naturrecht der europäischen Völker auf nationale Existenz

Sie bezeichnet sich selbst als Schritt auf dem Weg zur Neuen Weltordnung, dem Ordo novus saeculorum. Ohne Respekt vor dem Naturrecht auf nationale Existenz verliert der Mensch seine kulturelle Identität, er wird zum vaterlandslosen Gesellen.

In seiner großen Rede vor der Generalversammlung der UNO vom 5. Oktober 1995 monierte Johannes Paul II. die Vernachlässigung der Rechte der Nation: „Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 angenommen wurde, hat ausführlich die Rechte der Persönlichkeit behandelt. Aber es gibt noch keine ähnliche internationale Vereinbarung, die angemessen die Rechte der Nationen aufgegriffen hätte“. Das Recht auf Existenz „schließt für jede Nation auch das Recht auf die eigene Sprache und Kultur ein, durch die ein Volk sich ausdrückt und die das fördern, was ich als die ihm eigene geistige Souveränität nennen möchte“. Dazu gehöre „das Recht (der Nation) ihr Leben nach den eigenen Überlieferungen zu gestalten, ihre Zukunft aufzubauen und für eine angemessene Ausbildung ihrer jüngeren Generation zu sorgen“. Gerade durch die Anerkennung der Rechte der Nation könne dem „explodieren Bedürfnis nach Identifikation und Überdauern“ Rechnung getragen werden.

In seiner Enzyklika Laborem exercens (über die menschliche Arbeit) lässt der Papst durchblicken, dass „die Volksgemeinschaft – auch wenn sie noch nicht die ausgereifte Form einer Nation erreicht hat – nicht nur die große, wenn auch mittelbare `Erzieherin´ jedes Menschen ist (da ja jeder sich in der Familie die Gehalte und Werte zu eigen macht, die in ihrer Gesamtheit die Kultur einer bestimmten Nation ausmachen), sondern sie auch die große und historische Inkarnation der Arbeit aller bisherigen Generationen verkörpert. All das bewirkt, dass der Mensch seine tiefste menschliche Identität mit der Zugehörigkeit zu einer Nation verbindet“.

Johannes Messner merkt an, dass die Nation „nicht treffender als mit Hegels Ausdruck `objektiver Geist´ gekennzeichnet werden (kann), weil sie unabhängig von jedem Einzelnen besteht, während doch jeder Einzelne darin geistig wurzelt". Im Volkstum, den Lebensformen, Sitten, Gebräuchen und Traditionen „erlebt sich das Volk als Gemeinschaft, lebt es die Gemeinschaft kraft institutioneller Bindungen und gibt es der geistigen Welt seiner Gemeinschaft die Dauer über die Generationen hinweg". Hier wird es sich „seiner Verbundenheit im gemeinsamen Schicksal" bewusst, nährt es die „Erinnerung … an seine gemeinsame Geschichte, an gemeinsame Bedrängnisse, Kriege und Siege, an seine Heldengestalten in näherer und ferner Vergangenheit, an die Krieger, Heiligen und Staatsmänner, durch die sich das Volk zu gemeinsamen Idealen aufgerufen sieht", so Johannes Messner in seinem berühmten „Naturrecht“.

Demgegenüber möchten die Ideologen eines Vereinten Europa den Nationalstaat in die Ecke des historisch Überholten rücken. Doch zu glauben, dass Briten, Dänen, Schweden, Polen oder Tschechen ihre Souveränität an einen europäischen Bundesstaat abtreten würden, ist Illusion. Selbst für Bundesstaaten wie Deutschland, Österreich, Belgien oder Spanien ist es einfach absurd zu glauben, sie würden praktisch alle wesentlichen Zuständigkeiten nach Brüssel übertragen und ihren Staat als leere Hüllen zurücklassen. Es wäre ja das auch gar nicht wünschenswert, denn Europa lebt und schöpft seine Stärke aus der Vielfalt – „l´Europe, c´est la diversité“, so der spanische Philosoph Salvador de Madariaga. Die durch die EU verfolgte Politik der Auflösung der Nationalstaaten ist eine „idée fausse“. Ihre Verbreitung gilt es zu verhindern.

2.  Wenn die Völker abgeschafft werden, schafft Europa sich ab

„Nicht nur Deutschland schafft sich ab, ganz Europa schafft sich ab“, bemerkte der Altabt von Heiligenkreuz, Gregor Graf Henkel von Donnersmarck, in einem Interview in einer Berliner Zeitung im Juni 2011. Er nahm dabei Bezug auf das Buch Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“.

Beide führten demographische Gründe ins Treffen. Die durch Zuwanderung gefüllten Leerräume führen zum Phänomen der „Ethnomorphose“, stellte der Wiener Zoologe und Verhaltensforscher, Antal Festetics de Tolna, schon vor Jahren fest. Wir erleben sie heute hautnah, denn „Neukölln ist überall“ (Bürgermeister von Neukölln Heinz Buschkowski).

3. Europa hat Christus verlassen, deshalb stirbt Europa. Ganz allein deshalb.

Dies notierte Dostojewski bereits 1871 in sein Tagebuch und machte dabei tiefere als bloß demographische Gründe geltend. 2007 gab Papst Benedikt XVI. in der Hofburg vor dem diplomatischen Corps und maßgeblichen Politikern seiner Befürchtung Ausdruck, dass in Europa wohl bald „nur noch die Steine vom Christentum reden“.

4. Der Untergang Europas ist besiegelt, weil es sich mit seiner heutigen modernen Weltanschauung, die sich aus einer pervertierten Aufklärung enrwickelt hat, verrannte

… bemerkte der schon erwähnte Altabt Gregor Henkel von Donnersmarck in drastischer Form. In der Tat ist die „Aufklärung“ (Enlightenment, Illumination) jene Geistesströmung der Neuzeit und Moderne, welche das Christentum abgelöst hat. Die drei Hügel, auf denen Europa einst erbaut war – Akropolis, Golgatha, Capitol – hat die „Aufklärung“ abgetragen. Jetzt ist die Rede von den „Drei Hügeln“ ist nur noch Nostalgie.

Die philosophischen Zierden der „Akropolis“ und der ganzen Antike, Platon und Aristoteles, gelten jetzt als „Feinde der offenen Gesellschaft“ und wurden von Sir Karl R. Popper, dem heute maßgeblichen Ideologen der „Aufklärung“, mit dem Bannfluch belegt. „The Spell of Plato“ ist der Titel des ersten Bandes seines berühmten Buches über „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“.

Auf Golgatha, so die Ansicht vieler „aufgeklärter“ Geister, fand ein Gotteslästerer seine verdiente Strafe: Die Behauptung, Jesus sei „wahrer Gott vom wahren Gott“, wie es im Credo heißt, ist für die „Aufklärung“ und ihren „kritischen Rationalismus“ unannehmbar, die Menschwerdung Gottes für Baruch Spinoza, der die moderne Aufklärung begründete, „eine Absurdität.“ Deshalb darf es nicht verwundern, dass im Kontext der EU die Kirche nur noch ein Kümmerdasein führt, sie gilt als „humanistischer Tendenzbetrieb“, etwa so wie Greenpeace oder die Liga für Menschenrechte. Doch im Gegensatz zu anderen „zivilgesellschaftlichen“ Vereinen muss sie sich mit dem Vorwurf von Daniel Goldhagen und Jules Isaac herumschlagen, sie sei für Antisemitismus und Holocaust verantwortlich.

Und auch der dritte Hügel, das Capitol, der für das römische Recht und die ganze europäische Rechtskultur von einst stand, ist abgetragen. Der Gedanke des „Naturrechts“, auf dem diese Rechtskultur gründete, „gilt heute als katholische Sonderlehre, über die außerhalb des katholischen Raums zu diskutieren sich nicht lohnen würde, so dass man sich schon beinahe schämt, das Wort überhaupt zu erwähnen“, war von Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag (22. Sept. 2011) zu hören.  Selbst Naturwidriges gilt heute als „Naturrecht“. Die Folge: Wir haben keinen Rechtsstaat mehr, der das grundlegende Naturrecht auf Leben schützt. Mehr noch: Auf bald jedem Gipfel brechen die Staatschefs das Recht. Heute lässt sich die EU nur durch permanenten Rechtsbruch halten, so vor kurzem der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof und der zurückgetretene Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark. Wo aber das Recht nicht herrscht, herrschen Räuberbanden und Korruption.

5. Der Rückzug des Christentums macht den Raum frei für das Wirken des Antichtist

Nach Paulus und Johannes also für den Menschen der Gottlosigkeit, den Verwirrer, den Lügner und Menschenmörder von Anfang an. Heute zeigt sich der Antichrist, so Kardinal Biffi bei den Fastenexerzitien im Vatikan 2007, als Pazifist, Ökumeniker und Ökologe.

6. Aus der pervertierten Aufklärung sind die Ideologien – die diversen „-ismen“ – hervor gegangen, die Heilslehren des Antichrist:

Kommunismus, Sozialismus, Nationalsozialismus, Globalismus, Kapitalismus, Ökonomismus,  Multikulturalismus, Genderismus, Demokratismus, Liberalismus, Pazifismus, Ökologismus, Ökumenismus. Alle diese „-ismen“ beruhen auf dem falschen Menschen- und Gesellschaftsbild der „Aufklärung“, das durch drei Marksteine gekennzeichnet ist:  Leugnung der Wahrheit, Diktatur des Relativismus und Evolutionismus als Weltanschauung.

Jetzt macht sich der Individualismus in der Gesellschaftsauffassung breit, der Hedonismus in der Individualethik, der Utilitarismus in der Gesellschaftsethik. Die organische Gesellschaftsauffassung ist verpönt, Gemeinwohl geht nicht mehr vor Eigenwohl, soziale Gerechtigkeit gilt für Liberale vom Schlage eines Friedrich A. von Hayek oder eines Hans Kelsen als „Unwort“.

7. Marktwirtschaft steht im Gegensatz zur organischen oder korporativen Gesellschafts- und Wirtschaftsauffassung

Marktwirtschaft ist Wettbewerbswirtschaft, das heißt Kampf um Marktanteile durch Ausschaltung der Konkurrenz. Mit der Verdrängung vom Markt verliert der Konkurrent seine Existenzgrundlage. Das bringt in das ganze Wirtschafts- und Gesellschaftsleben „eine grausenerregende Härte“ (Pius XI.). Heute sind Motor der Wirtschaftsentwicklung die Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht. Beides bringt „Strukturen der Sünde“ hervor, worauf Johannes Paul II. hinwies (Enzyklika Sollicitudo rei socialis).

Wir begegnen diesen Strukturen in der Verschmelzung von Staat und Hochfinanz, von Staat und Großkonzernen, von Staat und Großforschung, in dem „militärisch-industriellen Komplex der Rüstung“, vor dem einst US-Präsident Eisenhower warnte, in der  Massenproduktion, dem Massenkonsum, der Massenunterhaltung, dem „Tittitainment“. Adorno und Horkheimer konstatierten als „Dialektik der Aufklärung“ das Umschlagen von Rationalität in Irrationalität. Geradezu fanatisch wird gearbeitet an der Zerstörung der Welt durch ABC-Waffen.

Spitzentechnik erlebt ihre Aufgipfelung in der Destruktion von Atomkern und Zellkern. Unsere „Überflussgesellschaft“ (Galbraith) lebt nicht mehr vom Anbau, sondern vom Abbau, sie verschwendet immense Ressourcen und gefährdet die Umwelt (Global 2000). Für viele Menschen wurde Verdinglichung und Entfremdung zum Schicksal. Selbst ihre Organe wurden inzwischen zum Gegenstand des Handels. Zur geistigen Korruption gesellt sich die wirtschaftliche.

8. Der gemeinsame Markt hat in Europa keinen Frieden gebracht, sondern Chaos

Heute wankt das ganze politische System. Nach der Reihe zerbrechen Regierungen, die Bevölkerung protestiert gegen die auferlegten „Sparprogramme“, Parlamente werden gestürmt, Gewerkschaften legen das Land lahm, Banken werden belagert, Autos werden abgefackelt, Geschäfte geplündert, ganze Stadtviertel beginnen zu „brennen“. Kaum noch gelingt es Polizei und Schutztruppen mit Knüppeln, Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen das Versinken in die Anarchie zu verhindern. Das soll Frieden sein? Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU „kurz vor ihrer Implosion“, bemerkte Andreas Unterberger ganz zurecht, war nur noch lächerlich und absurd.

Die bürgerlichen Vertreter, welche dem Markt friedensstiftende Wirkungen zuschrieben, merkten gar nicht, dass sie der Ideologie des „historischen Materialismus“ aus Marxismus oder Kommunismus aufgesessen waren: Der ökonomische Unterbau, so diese Ideologie, sollte den kulturellen Überbau, die Rechts- und Friedensordnung bestimmen. Jetzt entwickelt sich die Europäische Union schrittweise zu einem „sanften Monster" (Hans Magnus Enzensberger), zu einer Art EUdSSR (Bukowski, Vaclav Klaus). Hermann Kardinal Groer nannte bereits 1991 in einem Interview für die September-Nummer der katholischen Monatszeitschrift „30 Tage“ die EU ein „infernalisches Reich“.

9. Was Not tut ist die Rückkehr zu den Ursprüngen der Politischen Philosophie (Aristoteles, Platon, Augustinus, Messner)

Wir sollten endlich richtig denken lernen, uns nicht mit Sonntagsreden über die hehren „Werte“ der EU: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat, abspeisen lassen. Wie soll der Bürger in einem Staat frei sein, wenn der Staat, wie der Deutsche Finanzminister Schäuble jüngst anmerkte, selbst nicht frei und unabhängig ist? Was bedeutet „Demokratie“, wenn sie nur noch „Ramsch“ ist, wie der Kulturredakteur der FAZ, Frank Schirrmacher, im Hinblick auf verweigerte Volksabstimmungen in Griechenland anmerkte.

Was ist der Rechtsstaat wert, wenn das Recht von EU- und Staatswegen ständig gebrochen wird? „Nicht mit der Lüge leben“, forderte A. Solschenizyn einst die sowjetische Führung auf. Es sollte auch unser Motto werden, mit dem wir Lüge und Arroganz der abgehobenen EU-Elite bekämpfen.

10. Organische, korporative Volkswirtschaft verlangt Abkehr vom gemeinsamen Markt

… von der Globalisierung, und fordert Zurückfinden zum aristotelischen Begriff der relativen Autarkie, zu einem richtig verstandenen „geschlossen Handelsstaat" eines Fichte, weil nur er das Recht auf Arbeit zu familiengerechtem Lohn gewährleisten kann. Wir können nicht mit chinesischen Löhnen konkurrieren. Unsere Produktionen nach China zu verlagern, kann nur in einem Desaster enden.

Und wir dürfen unsere Jugend nicht auf dem Altar des Euro opfern (H.-W. Sinn). Die Währungsunion ist gescheitert (Präsident Vaclav Klaus), ihre Gründung geschah in einem Anflug von „kollektivem Wahnsinn“ (UK-Außenminister Hague). Ihre Mitglieder befinden sich nun in einem „brennenden Haus mit geschlossenen Türen“. Jetzt wird versucht den Brand mit Benzin zu löschen, d.h. mit noch mehr Schuldenmacherei.

Der Euro ist eine „Fehlkonstruktion“ (Merkel, Schäuble), weil sie völlig inhomogenen Volkswirtschaften eine Zwangsjacke verpasste, ohne sie vorher in eine politische Union zu zwingen. Die Konstruktion des Euro beruhte auf zwei Prämissen:

  1. Jedes Land entscheidet weiter selbst über seine Haushalts- und Fiskalpolitik (Prinzip der Haushaltssouveränität).
  2. Es muss die Verantwortung für die Resultate seiner Politik tragen, es gibt kein Bailout.

Die Prinzipien wurden alle gebrochen. Deshalb müssen wir jetzt zu einem Europa zurück, in dem das Wohlergehen einer Nation nicht davon abhängt, wie gut oder schlecht sich eine andere europäische Nation organisiert. Wir müssen wieder das Prinzip der „Nichteinmischung“ beachten. Nur so werden wir den europäischen Frieden sichern können. Denn der beruht auch darauf, zu respektieren, dass jede Nation in Europa nach ihrer eigenen Facon glücklich werden kann. „Germanic rules“ passen nicht für alle. Wirtschaftliche Ordnung wird in Europa erst wieder nach der Rückkehr zu eigenen Währungen herrschen. Wird das in Österreich nur von Strache, Stronach und Bucher begriffen? Es wäre traurig.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).
Er trug die zehn Thesen in Kurzform bei einer Veranstaltung der Johannes Messner-Gesellschaft am 17. Oktober 2012 im Curhaus am Stephansplatz in Wien vor. Thema der Veranstaltung war „Europa der Vaterländer – Vaterland Europa“.

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Euroland abgebrannt drucken

Keinem Europäer ist es zu verübeln, wenn er in der Vielfalt von Gerüchten, Fakten und Meldungen rund um Griechenland und die Finanzkrise den Überblick verliert. Denn erstens haben diesen Überblick mittlerweile auch sämtliche Akteure verloren. Und zweitens wird von vielen Seiten sogar bewusst auf Widersprüchlichkeit und Verwirrung gesetzt: So glaubt man, den Widerstand der Menschen gegen Chaos und Schuldenmacherei schwächen zu können.

Einen Tag verkünden die griechische Regierung ebenso wie die Süddeutsche Zeitung definitiv, dass Griechenland eine zweijährige Fristverlängerung bekommen hat. Am nächsten Tag will wieder niemand etwas davon wissen.

Dann wird wieder verbreitet, dass nach den privaten Gläubigern Griechenlands nun auch die staatlichen zum freiwillig-unfreiwilligen Haarschnitt antreten werden. Am nächsten Tag wollen viele Länder auch davon nichts wissen.

Dann erklärt wieder die Europäische Zentralbank: Wenn schon Haarschnitt, dann aber bitte ohne die EZB. Denn diese dürfe aus rechtlichen Gründen da leider nicht mitmachen. Nur liegen halt die meisten griechischen Papiere schon bei der EZB.

Dann wird wieder das Projekt eines Sperrkontos als Lösung verkündet, auf dem die Griechenland-Hilfe landen und nur Schritt für Schritt losgeeist werden soll (dabei hatten wir geglaubt, dieses Modell wäre schon seit zweieinhalb Jahren in Kraft).

Dann heißt es wieder: Nix ist fix, man müsse ja erst auf den Bericht der Troika warten. Dabei weiß alle Welt, dass die Troika-Experten letztlich nur auf die Weisungen der politischen Instanzen Europas warten, was sie denn am Schluss „berichten“ und empfehlen sollen. An die Unabhängigkeit der in Athen abgestiegenen Experten von IWF, EZB und EU glaubt niemand mehr. Aber auch sonst will niemand mehr Verantwortung für Entscheidungen tragen.

Nichts ist sicher, alles ist möglich

Nichts von dem, was in den letzten Wochen als definitiv gemeldet worden ist, ist also sicher. Genauso möglich ist aber, dass alles realisiert wird. Denn niemand glaubt so recht, dass Deutschland diesmal – endlich – Nein zu weiteren Belastungen sagen wird.

Allerdings hat der Widerstand vor allem Wolfgang Schäubles gegen weitere Konzessionen an Athen erstaunlich stark zugenommen. Dabei war Schäuble einst der erste deutsche Spitzenpolitiker, der sich 2010 für Hilfen an Griechenland ausgesprochen hat.

Den deutschen Finanzminister treiben bei seinen derzeit harten Worten gegen Griechenland wohl drei Motive: Erstens scheint inzwischen auch er wirklich empört und enttäuscht, weil keine der griechischen Zusagen voll umgesetzt worden ist. Zweitens hat das deutsche Parlament in Zusammenwirken mit dem Bundesgerichtshof den Spielraum der Regierung für die Vergabe weiterer Kredite und Haftungen deutlich verengt. Und drittens muss Deutschland spätestens im September wählen: Da hat die CDU/CSU nur eine einzige Chance: sich als Hort der Stabilität und Verteidigerin der Sparguthaben gegen die deutlich stärker schuldenwilligen Rot-Grünen zu profilieren.

Deutschland fürchtet Isolation und Schockwellen

Aber dennoch wird Deutschland wohl am Ende gegen die Interessen seiner Bürger handeln und mit irgendwelchen neuen Hilfen noch einmal einen griechischen Crash verhindern. Denn es steht in Europa sehr isoliert da, was gerade Deutschland vor dem Hintergrund seiner Vergangenheit gar nicht gern hat. Inzwischen ist ja sogar Österreichs größere Regierungspartei mit wehenden Fahnen ins Noch-mehr-Schulden-für-Griechenland-Lager gewechselt, obwohl die Alpenrepublik eigentlich die gleichen Interessenlage wie Deutschland hätte.

Etwas anderes wird die deutsche Entscheidung noch stärker beeinflussen: Ein griechischer Zusammenbruch und die daraus folgenden unvermeidlichen Schockwellen würden natürlich auch Deutschland unmittelbar beben lassen. Und das will man in einem Wahljahr unbedingt vermeiden.Vor allem würde es wieder die kritische Frage aufwerfen: Warum haben Schäuble und Angela Merkel nicht schon im Mai 2010 Nein zu den auch damals schon wirkungslosen, ökonomisch unsinnigen und EU-vertragswidrigen Krediten und Haftungen gesagt? Damals wären die Auswirkungen noch viel leichter zu bewältigen gewesen, bevor Billionen bei sinnlosen Hilfsaktionen verbrannt worden sind.

Man versteht die Situation in Griechenland wohl am deutlichsten, wenn man sich den jüngsten Vorfall bewusst macht: Ein Journalist wurde festgenommen, weil er die Namen von mehr als zweitausend Griechen veröffentlicht hat, die offensichtlich unversteuerte Gelder in die Schweiz überwiesen haben. Wohlgemerkt: Ihm wird nicht in der Schweiz der Prozess gemacht, wie jenen Datendieben, die das dortige Bankgeheimnis verletzt haben, sondern in Griechenland, also in jenem Land, das durch die Steuerhinterziehungen schweren Schaden erlitten hat, und nicht durch deren Veröffentlichung. In Deutschland hingegen erhalten solche Datendiebe eine saftige Belohnung, wenn sie deutsche Steuerflüchtlinge verraten. Der griechische Journalist hingegen hat keineswegs von irgendwem Geld verlangt oder selbst Daten aus einem Computer entwendet, sondern er hat die ihm zugespielten Namen angesichts der Untätigkeit der Behörden einfach veröffentlicht.

Was den griechischen Fall noch schlimmer macht: Diese Namensliste ist der griechischen Regierung schon vor zwei Jahren von der damaligen französischen Finanzministerin übergeben worden. Jedoch hat jede der in Athen rasch wechselnden Regierungen diese Liste wie heiße Erdäpfel an die nächste weitergereicht, ohne einzugreifen. Ebenso haben Justiz und Finanzbehörden bis heute geschlafen. Schnell waren die Behörden nur bei der – vorübergehenden – Festnahme und bei der nun folgenden Anklage gegen den Journalisten. Vorwand: Er habe den Datenschutz verletzt.

Das bestätigt nicht nur neuerlich, dass der Datenschutz weltweit primär zur Tarnung von Gaunereien dient. Das zeigt vor allem, dass Griechenland auch in den letzten Jahren und Monaten nie ehrlich gespielt hat. Nicht die Täter, sondern ein Aufdecker werden verfolgt. Offenbar stehen auf dieser Liste Persönlichkeiten und Freunde aus allen politischen Lagern. Anders lässt sich dieses skandalöse Verhalten nicht erklären.

Versprochen – gebrochen

Tatsache ist auch, dass Griechenland viele der sonstigen Reformzusagen nie erfüllt hat, die es der Troika und den europäischen Partnern gegeben hat. Experten aus dem Kreis der Troika sprechen davon, dass lediglich 60 Prozent der längst zugesagten Gesetze auch beschlossen worden seien. Von der trägen Umsetzung durch widerwillige Beamte und Richter gar nicht zu reden. Die gesamte Konstruktion „Wir helfen im Gegenzug für Reformen“ ist kollabiert. Die griechischen Reformen haben in Wahrheit gutteils aus levantinischen Schmähs und leeren Fassaden bestanden.

Es wurden nicht wie versprochen zum versprochenen Zeitpunkt (Ende 2011) 30.000 Beamte abgebaut. Es werden bis heute 90.000 Pensionen für mutmaßlich tote Griechen bezahlt. Die Gesetzgeber leisten weiter hinhaltenden Widerstand gegen die geforderte Aufweichung des Mindestlohns, gegen die Erleichterung von Kündigungen, gegen die Aufhebung von ständischem Berufsschutz. Es ist bisher nicht einmal gelungen, die Verpflichtung der Arbeitgeber zu einer zehnprozentigen Lohnerhöhung bei Heirat abzuschaffen. Auch dürfen Arbeitgeber weiterhin die Tariflöhne nicht einmal auf Grund einer Vereinbarung mit ihren Angestellten unterschreiten. Überdies besteht Athen darauf, dass die – schon mehrfach zugesagten – Privatisierungen dennoch vom Parlament gebilligt werden müssen.

Das ist alles andere als eine Reformpolitik,die die griechische Wettbewerbsfähigkeit und Glaubwürdigkeit wiederherstellen könnte. Da wird auch weiterhin niemand investieren.

Gewiss könnte es sich Europa leisten, trotz allem die Griechen auf Dauer durchzufüttern. Auf diese Konsequenz laufen beispielsweise die Forderungen des mit Hunderttausenden Steuer-Euros und Geldern aus dem Spielcasino-Milieu gefütterten Salon-Schriftstellers Robert Menasse hinaus (Dass der von jeder ökonomischen Ahnung freie Autor jetzt auch noch von den ÖVP-Landtagsabgeordneten zu einem Vortrag zu diesem Thema eingeladen worden ist, macht einigermaßen fassungslos).

Fatales Signal an die anderen Schuldenstaaten

Griechenland alleine ist in der Tat freilich die ganze Aufregung nicht wert: Aber jede Entscheidung zu diesem Land hat automatisch Auswirkungen auch auf Spanien, Portugal, Italien und wohl auch Frankreich sowie etliche andere Länder. Diese Auswirkungen sind freilich sehr widersprüchlich: Denn einerseits würde ein Fallenlassen Griechenlands auch dazu führen, dass alle Geldgeber sehr kritisch schauen, ob man nicht bei den anderen Schuldenstaaten noch viel vorsichtiger werden müsste. Das würde deren Zinsniveau wohl signifikant erhöhen.

Aber andererseits wären neuerliche Konzessionen an Griechenland auch ein fatales Signal an die Schuldnerländer selber: Keine der dortigen Regierung würde dann noch die versprochenen Reformen im eigenen Land durchbringen. Die Welle der Generalstreiks spricht ja schon eine deutliche Sprache des großen Widerstandes. Auch die jeweiligen Parlamentsabgeordneten – die ja wiedergewählt werden wollen – werden sich mit Händen und Füßen gegen weitere unpopuläre Beschlüsse wehren, wenn ihnen nicht das Messer des drohenden Staatsbankrotts am Hals sitzt. Und offenbar ist die Mehrheit der Wähler ja überall der Meinung, dass man ruhig weiter über seine Verhältnisse leben könne. Hat sich doch noch immer jemand gefunden, der die Zeche zahlt.

Wenn nach Griechenland auch in all diesen romanischen Ländern nichts reformiert wird, dann ist Euroland mit absoluter Sicherheit an seinem katastrophalen Ende angelangt. Denn was bei Griechenland noch irgendwie zu stemmen wäre, ist in der Summe dieser Länder absolut unmöglich.

So erklären sich die verzweifelten Versuche vor allem der Deutschen, die Griechen doch noch zu wirksamen Reformen zu zwingen. Die Deutschen spüren erstmals nun auch für sich die Gefahr eines schlimmen Endes und werden immer zögerlicher. Die Griechen auf der anderen Seite hingegen fühlen sich sicher, dass sie letztlich „gerettet“ werden. Darauf bauen sie – ohne Rücksicht darauf, was das für das ganze Euroland bedeutet.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Das Internet und die böse Klassengesellschaft drucken

Der Arbeiterkammer ist in ihrem ideologischen Fanatismus nichts zu blöd: Jetzt erregt sich der üppig von Zwangsgebühren lebende Verein sogar schon über eine Zweiklassengesellschaft im Internet. Da hätte ich viele gute Tipps, wo sich diese Kammer sonst überall noch über eine Klassengesellschaft erregen könnte.

Der Anlass der Erregung: Internet-Provider wollen im Internet teurere Tarife anbieten, wofür im Gegenzug die Daten dieser Kunden schneller übertragen werden als bei den heute marktbeherrschenden Billigst-Angeboten. In diese Frage hat sich schon völlig überflüssigerweise die regulierungswütige EU-Kommission eingeschaltet; jetzt beklagt nun auch die Arbeiterkammer einen „Trend zu einem Zweiklasseninternet“. So als ob es irgendjemandem verboten werden sollte, den besseren und schnelleren Zugang zum Netz zu mieten. Er muss halt nur, wenn er das will, sein Geld dafür ausgeben und nicht für etwas anderes.

Was daran eigentlich böse sein soll, erkenne ich nicht. Mehr Leistung, mehr Kosten: Das ist das logischste und gerechteste Prinzip der Welt. Denn warum soll umgekehrt eine Telekom-Firma schnellere Zugangsmöglichkeiten entwickeln und anbieten, wenn sie eh nicht mehr Geld dafür verlangen darf?

Aber wenn Arbeiterkammer und EU-Kommission solche Unterschiede ernsthaft für böse erklären und verbieten wollen, dann mögen sie doch bitte auch die Klassengesellschaft auf allen anderen Gebieten beenden:

  • Es ist ein Skandal, dass man für einen Porsche Cayenne ein Vielfaches des Preises von einem VW-up zahlen muss.
  • Es ist ein Skandal, dass man in Wiener Gemeindespitälern Einbettzimmer normalerweise nur dann bekommt, wenn man aufzahlt (womit die Gemeinde einen Teil des Spitalsdefizits abdecken kann).
  • Es ist ein Skandal, dass man im Steirereck mehr für eine Mahlzeit zahlen muss als beim Würstelstand.
  • Es ist ein Skandal, dass man für eine größere Wohnung mehr Miete zahlen muss.
  • Es ist ein Skandal, dass man bei der ÖBB in der ersten Klasse mehr zahlen muss als in der zweiten.
  • Es ist ein Skandal, dass ein Opernsänger eine Gage bekommt, wenn er singt; ich aber nicht.

Der Phantasie für dümmliche Arbeiterkammer-Stellungnahmen sind keine Grenzen gesetzt. Dann weiß man endlich, wozu jener Verein gut ist, der jedem Arbeitnehmer monatlich in aller Heimlichkeit ein halbes Prozent seines Gehalts stiehlt, ohne dass das auch nur auf dem Lohnzettel vermerkt wird.

Und dass die EU-Kommission, die sich ebenfalls um die Regulierung solcher Fragen annimmt, immer mehr zur Fünfjahresplan-Behörde nach Muster der einstigen Ostblockstaaten verkommt, ist leider auch nichts ganz Neues mehr.

Vielleicht sollten sich beide wirklich über den einstigen Ostblock informieren und darüber, was dort die klassenlose Gesellschaft anrichtete: Es gab im Kommunismus in der Tat oft keine Preisunterschiede – aber die erhältlichen Waren und Dienstleistungen waren dafür halt alle nur aus  der untersten Qualitätsklasse. Wenn überhaupt noch welche erhältlich waren. Warum hätte sich auch irgendjemand noch anstrengen sollen, etwas Besseres zu produzieren, wenn man fürs Geld eh nichts mehr bekommt? Und die wenigen noch vorhandenen Spitals-Einbettzimmer und Großwohnungen gab es im Osten halt nicht für Geld, sondern für die Funktionäre.

Aber vielleicht ist es ohnedies das, was die Funktionäre in Arbeiterkammer und EU-Kommission wollen. Oder sind sie einfach gar schon wieder dem alten linken Denkfehler verfallen, dass es besser wäre, alle hätten gleich wenig, als wenn ein Teil mehr hätte? Hunderte Millionen Menschen mussten schon wegen dieses Denkfehlers darben. Dennoch taucht er jetzt wieder unter der verlogenen neuen Tarnbezeichnung „Gerechtigkeit!“ auf.

 

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Fußnote 368: Griechenlands zweijähriger Wahlkampf drucken

Die Griechen bekommen nun definitiv einen weiteren zweijährigen Aufschub für die Erreichung der ersten(!) Sanierungsziele. War alles für die Katz?

Griechenland darf sich nun noch zwei Jahre mit der Erreichung jenes Ziels Zeit lassen, auf das es eigentlich schon seit dem Maastricht-Vertrag 1992, also seit zwanzig Jahren verpflichtet ist: nämlich das staatliche Defizit unter drei Prozent zu drücken (was ohnedies eine sehr großzügige Vorgabe ist). Seit zweieinhalb Jahren nimmt Griechenland zur Erreichung dieses Ziels überdies satte europäische Hilfen in der Höhe seines gesamten Budgets in Anspruch. Als einzige Begründung wird den europäischen Steuerzahlern erklärt, dass die Griechen halt durch Wahlkämpfe Zeit verloren hätten. Zwei Jahre Wahlkampf? Nicht zeigt klarer als diese Zeitvergleiche, dass die Griechenland-Hilfe absolut für die Katz gewesen ist. Und dass sich viele Länder zugunsten Griechenlands schwerst verschuldet haben – ohne dass dieses Land auch nur mit der Sanierung begonnen hätte: Griechenland gibt nämlich noch immer mehr Geld aus, als es einnimmt, selbst wenn man die Zahlungen für Zinsen und Kapitalrückzahlungen beiseite lässt. Es konnte nun sogar das Verlangen der Troika abschmettern, durch Reformen der wohlfahrtsstaatlichen Arbeitsmarkt-Gesetze, die nichts gekostet hätten, die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder ein wenig zu erhöhen. Statt dessen müssen halt neuerlich sogar solche Länder für Griechenland zahlen, die einen weit weniger freizügigen Sozialstaat haben . . .

Nachträgliches PS.: Die Meldung über den zweijährigen Aufschub kommt aus mehreren deutschen wie griechischen Quellen. Offiziell wird freilich beteuert, dass die Entscheidung noch nicht definitiv sei. Man wird es ja anfang November sehen.

 

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Europäische Fata Morgana: das deutsche Rettungskonzept drucken

Im europäischen Schulden- und Finanzdschungel nimmt sich die deutsche Regierung als einsame Lichtung der Vernunft aus. Dieser Eindruck entpuppt sich aber zunehmend als Fata Morgana. Auch die Politik der Angela Merkel bietet nämlich in Wahrheit längst keinen Ausweg mehr als dem Krisendickicht. Und das macht bange. War doch Deutschland die letzte Hoffnung im Euroraum.

Die deutsche Strategie scheint auf den ersten Blick klar und logisch. Komprimiert lautet sie: Da ein Auseinanderbrechen des Euro-Raumes schlimme Folgen hätte, und ein Bankrott von Euro-Staaten noch viel mehr, wird Ländern wie Griechenland oder Portugal weiterhin mit viel Geld geholfen, wofür diese im Gegenzug zu einem straffen Sanierungs- und Reformprogramm gezwungen werden.

An dieser Strategie klingt vieles richtig. Sie kann aber dennoch nicht funktionieren, weil sie absolut weltfremd ist. Natürlich stimmt es, dass ein Zerbrechen des Euro-Raums oder Staatsbankrotte sehr unangenehm und schmerzhaft wären. Nur kann es nicht funktionieren, Länder auf diesem Weg zu einer Reform- und Sanierungspolitik zu zwingen. Und nach einem Scheitern der diversen Rettungsversuche wird der Schaden noch viel größer sein und dann ganz Europa erschüttern.

Europas neue Kolonialpolitik

Der deutsche Versuch ähnelt den einstigen Bemühungen der französischen Kolonialpolitik, aus den Untertanen in Übersee Franzosen wie alle anderen zu machen, die sich höchstens durch die Hautfarbe unterscheiden. Das ist zwar in vereinzelten Fällen geglückt, an der großen Masse der kolonialen Bevölkerung jedoch ohne Hinterlassung von Spuren vorbeigerauscht. Dabei hat sich Frankreich durchaus bemüht (mehr als andere Kolonialmächte). Es wurden Schulen, Universitäten und Verwaltungsbehörden eingerichtet. Viele Franzosen übernahmen Verantwortung in den Kolonien. Aber eine kulturelle Verhaltensänderung in der breiten Masse konnte dennoch nie erzielt werden.

Ähnliches spielt sich derzeit – von der Außenwelt kaum noch beachtet – in Bosnien ab. In einer komplizierten Verfassungskonstruktion versuchen nun schon seit fast zwei Jahrzehnten internationale Truppen, viele Hilfsorganisationen und ein vom Ausland eingesetzter Diktator (der österreichische Diplomat Valentin Inzko), aus drei Landesteilen, die am Beginn der 90er Jahre  gegeneinander Krieg geführt haben, eine Einheit zu schmieden. Und dennoch weiß heute jeder, der es wissen will: Der Versuch ist missglückt. Kaum sind eines Tages die ausländischen Truppen abgezogen, wird es den fiktiven bosnischen Staat wieder zerreißen.

Vor allem die bosnischen Serben werden sich wieder aus der verordneten Einheit lösen und sich direkt oder indirekt an Serbien anschließen. Auch bei den bosnischen Kroaten wird vermutlich ein ähnlicher Anschluss Richtung Zagreb stattfinden. Und die moslemischen Bosnier werden das hinnehmen – oder wieder Krieg führen müssen. Der würde aber ebenso blutig wie vergeblich sein, wie einst der Krieg der jugoslawischen Volksarmee zur „Rettung“ der jugoslawischen Einheit.

Ebensowenig wird und kann der Versuch gelingen, aus Griechen nette Mittelmeer-Germanen zu machen, die so effizient, fleißig, korrekt und technisch begabt sind wie Bayern oder Oberösterreicher, wie Schweizer oder Schwaben. Solche Zivilisations-Mutationen gelingen bestenfalls nach Jahrhunderten, nicht aber binnen der knappen Zeit, die noch zur Verfügung steht, damit der deutsche Rettungsweg zum Ziel führt.

Dies sieht man schon daran, dass von Griechenland bis Portugal die Sanierungsetappen regelmäßig verfehlt werden, dass immer wieder eine Lockerung der Vorgaben hingenommen werden muss, weil diese nicht erreicht worden sind. Zwar erwecken die regelmäßigen Kontrollen der sogenannten Troika einen strengen Eindruck, zwar sind die Folgen der Schuldenpolitik für die betroffenen Bürger überaus hart – aber dennoch kann dieser Weg nicht zum Ziel führen.

1. Ein fremdes Diktat wird ignoriert

Denn zum ersten werden die Sanierungsbemühungen von der betroffenen Bevölkerung als ausländisches Diktat und nicht als zwangsläufige Folge der eigenen Schuldenpolitik und des Zurückgehens der eigenen Wettbewerbsfähigkeit verstanden. Das zeigt sich am deutlichsten an den regelmäßigen Generalstreiks und aggressiven Demonstrationen. Dadurch wird nämlich in Wahrheit nur das eigene Bruttoinlandsprodukt weiter reduziert, dessen Schrumpfen freilich gleichzeitig als Schuld der anderen lauthals beklagt wird. Das, was man den Deutschen oder der Troika in die Schuhe schiebt, verursacht man dadurch neuerlich höchstselbst.

2. Die Deutschen bluffen

Zweitens haben Griechen&Co längst die Überzeugung gewonnen: Die Deutschen, die EZB und der Währungsfonds drohen zwar, aber sie werden ihre Drohungen letztlich nie wahrmachen. Auch wenn sich die Schuldnernationen mit dieser Überzeugung langfristig täuschen könnten, so haben sie kurz- und mittelfristig zweifellos recht: die Deutschen bluffen. Zumindest bis zu den Bundestagswahlen werden sie die Griechen und deren Schuldengenossen nicht fallenlassen.

Denn damit würden ja Angela Merkel und Wolfgang Schäuble eingestehen, dass ihre Politik der letzten drei Jahre abgrundtief falsch war, die inzwischen den Deutschen an Krediten und Haftungen in der Summe eine runde Billion Euro gekostet hat, also tausend Milliarden. Da schieben sie diesem verlorenen Geld lieber noch weitere Summen nach, bevor sie ihren Fehler eingestehen.

Und die Linksparteien könnten in diesem Fall triumphieren – obwohl sie in diesen drei Jahren eigentlich noch viel mehr Geld noch viel schneller verbrennen wollten als die schwarz-gelbe Koalition.

3. Die nationale Souveränität gewinnt am Ende immer

Zum dritten kann das Merkel-Schäuble-Rezept auch deshalb nicht funktionieren, weil Griechenland ein souveräner Staat ist und bleiben wird. Solange er nicht von fremden Truppen besetzt ist, würde ein EU-Staat niemals zustimmen, dass die EU bei ihm so durchgreifen könnte wie etwa in Bosnien. Dort kann der Hohe EU-Repräsentant Inzko Gesetze suspendieren und Minister feuern – und selbst das hat nicht funktioniert. Denn nach Hinauswurf eines Ministers übernehmen halt andere den Job – und verhalten sich genauso wie ihre Vorgänger (nachdem sie ein paar Monate lang einen anderen Eindruck zu erwecken versucht haben).

4. Eigenverantwortung als europäisches Fremdwort

Denn zum vierten – und am wichtigsten: Das Merkel-Rezept verkennt die zentrale Bedeutung des Begriffs Eigenverantwortung. Damit zeigt auch die CDU, dass sie in Wahrheit an sozialistische Rezepte der kollektivierten Verantwortungslosigkeit glaubt.

Dazu sei noch ein historischer Vergleich gestattet: nämlich mit Österreich nach 1945. Das Land war damals das ärmste Europas. Es hat aber gewusst, dass es auf sich selbst gestellt ist. Die Stabilisierung hat viele Jahre gedauert, ziemlich genau ein Jahrzehnt. In dieser Zeit haben sich alle Österreicher angestrengt, ohne eine Sekunde an Streiks zu denken oder Dritten die Schuld an der eigenen Not in die Schuhe zu schieben. Als kommunistische Gruppen (zum Zwecke eines politischen Putsches) zu streiken begannen, bereiteten dem die anderen Gewerkschafter selbst handgreiflich ein rasches Ende.

Zwar hat Österreich mit dem Marshall-Plan damals auch etliches an Hilfe von außen bekommen. Aber diese war in Relation verschwindend klein gegen die Summe der Hilfsprogramme, die jetzt schon im Süden der EU wirkungslos versickert sind. Das österreichische wie deutsche Wirtschaftswunder der 50er Jahre ist ganz eindeutig primär durch eigene Disziplin, durch Fleiß und Anstrengung erzielt worden; es ist den Arbeitern und Unternehmern genauso zu danken wie der liberalen Politik der Minister Kamitz und Erhard.

Die Griechen sind von diesem Geist meilenweit entfernt. Es ist müßig nachzudenken, ob Klima, Gene, Kultur oder Geschichte die Schuld daran tragen. Es ist jedenfalls Tatsache, dass sich ein solcher Geist nicht erzwingen oder verordnen lässt.

Daher werden auch alle deutschen Lösungsmodelle scheitern, etwa die Idee, dass ein Brüsseler Kommissar ein Eingriffsrecht in nationale Budgets bekommen sollte. Das wird mit Sicherheit keinen Konsens finden. Keine Regierung, keine Nation stimmt der Selbstkastration freiwillig zu. Und selbst wenn es diesen Kommissar eines fernen Tages doch gäbe, könnte er die griechischen, portugiesischen, süditalienischen, spanischen oder gar französischen Realitäten niemals ändern. Ein solcher Kommissar würde zwar wie ein knapp vor der Niederlage stehender Kriegsherr Befehle ausschicken – mit dem Verhalten an den fernen Fronten werden diese Befehle aber keinen Bezug mehr haben.

Der Gedanke, die Europäer auf diese Weise ändern zu können, ist so abstrus, dass man ihn besser gleich bleiben lassen sollte, um nicht noch mehr Schaden anzurichten.

Aufsicht über 6000 Banken

Er ist ebenso realitätsfremd wie ein anderer aktueller Schwerpunkt der europäischen Politik, der ebenfalls von Berlin forciert wird: Es ist der Versuch, eine zentrale Bankenaufsicht über – mindestens – 6000 Geldinstitute zu schaffen. Das, woran nationale Notenbanken und Aufseher scheinbar gescheitert sind, soll nun eine ferne Zentrale erreichen, welche die näheren Verhältnisse nicht kennt: ein seltsamer Gedanke. Man glaubt aber ernstlich, auf diese Weise den Crash von Banken verhindern zu können. Das wird aber nur als müder Scherz in die Bücher der Wirtschaftsgeschichte eingehen.

Denn erstens wird es immer Crashs geben. Das ist in der Welt der Banken so natürlich wie in jener der Baufirmen oder Computerhändler. Solange es kein Mittel gibt (und es gibt keines), beispielsweise den Verfall von Immobilienpreisen auf ein Viertel des einstigen Wertes oder noch weniger zu verhindern, werden Banken gegen die Wand donnern.

Denn zweitens gibt es nach wie vor keinen Konsens, wer im Fall eines Bankencrashs zumindest zum Teil gerettet werden soll. Konsens herrscht nur, dass die Eigentümer der Bank nicht gerettet werden. Aber das ist nur der kleinste Teil der Antwort.

Gegen einen sofortigen Jobverlust für alle Angestellten empören sich hingegen die Gewerkschaften und Parteien; daher sind auch in Österreich alle Dienstverträge bei der Hypo Alpen-Adria oder der Volksbank weitergelaufen. Genauso fragwürdig ist aber auch die sogenannte Einlagensicherung. Warum soll jemand, der Zinsen für sein Geld kassiert, im Gegenzug nicht auch ein Risiko tragen? Und warum soll er auf Kosten der anderen Sparer und Steuerzahler voll gesichert werden?

Der Hauptgrund, warum Banken „gerettet“ werden, sind aber die Großeinleger. Das sind nämlich meistens Unternehmen, die bei einem Platzen ihrer Einlagen selber konkursreif wären. Was wiederum Tausende Arbeitsplätze kosten würde. Und das wollen wiederum die Parteien ganz und gar nicht.

Von der Regulierung zur Verwirrung

Seit 2008 liegen diese Fragen auf dem Tisch. Und bis heute gibt es keine Antwort. Statt dessen werden ständig neue und widersprüchliche Regulierungs-, also vor allem Eigenkapitalanforderungen an die Banken formuliert. Einmal von der EZB, einmal von der Basler BIZ, einmal von den nationalen Aufsehern, einmal von Zentralbanken, einmal von Gesetzgebern.

Damit erreicht man nur eines: Verwirrung und eine enorme Bürokratie zur Administration all dieser Regulierungen. Denn in Wahrheit sind erhöhte Eigenkapitalanforderungen sehr zweischneidig: Sie erhöhen zwar die Sicherheit einer Bank (ohne jemals einen Crash ganz verhindern zu können). Sie schaden aber andererseits der Wirtschaft.

Denn logischerweise müssen die Banken bei strengeren Eigenkapitalregeln auf die Finanzierung von so manchen spannenden Investitionen verzichten. Denn jede Investition hat ein Risiko, ist also spekulativ. Jede Investition aber, die ausbleibt, reduziert die Zahl der Jobs. Daher will die Politik einen weiteren Rückgang der Investitionen in Zeiten wie diesen um jeden Preis vermeiden. Regulierung kostet Arbeitsplätze. Mit anderen Worten: Wer ist stärker? Ich oder ich?

Außerdem müsste eine Risikoreduktion bei den Banken noch ein weiteres Element beinhalten: eine Reduktion der Gelder, die an Staaten verliehen werden. Das Schicksal der griechischen Anleihen hat ja bewiesen, dass auch Staatsanleihen alles andere als sicher sind. Diesen logischen Aspekt einer Regulierung will aber europaweit überhaupt niemand ernstlich angreifen.

Sicherheit ist teuer und letztlich unerreichbar

Konklusion: Wir sollten endlich begreifen, dass absolute Sicherheit gegen Krisen und Banken-Zusammenbrüche nicht möglich ist. Je mehr man diese Sicherheit erhöhen will, umso teurer wird es für uns alle. Daher führt das ganze Gerede um die Herstellung von Sicherheit durch Regulierung und Aufsicht entweder zu neuen Schäden, oder es ist ohnedies nur leeres Gerede für die Galerie.

Auf dieser Galerie sitzen wir Bürger Europas. Freilich nur solange bis sie einstürzt.

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Basken, Katalanen, Schotten: Die Imperien und die Freiheit drucken

Im Baskenland haben separatistische Parteien klar die Regionalwahl gewonnen. Darauf ist in Spanien – das ohnedies viele andere Sorgen hat – Katastrophenstimmung ausgebrochen. In Wahrheit grundlos.

Basken wie Katalanen wollen nicht mehr mit Spanien verbunden sein. Für die in Madrid regierende Rechtspartei droht damit die Welt unterzugehen. Sie will die Sezession mit allen Mitteln verhindern. Wobei völlig unklar bleibt, ob darunter am Ende sogar auch militärische Mittel zu verstehen sind. Der spanische Nationalismus ist jedenfalls so groß, dass selbst ein neuer Bürgerkrieg nicht auszuschließen ist, um Sezessionen zu verhindern.

Gewiss spielen beim Sezessionswunsch und bei dessen Gegnern auch ökonomische Argumente eine Rolle. Die beiden trennungswilligen Regionen zahlen mehr in die gesamtspanischen Kassen ein, als sie herauszubekommen glauben. Aber primär geht es um spanischen wie regionalen Stolz, um Emotionen, um Ehre, um Geschichte. Dabei hätte die derzeit regierende Rechtspartei durch eine Sezession sogar Vorteile: Sie würde viel sicherer bei Wahlen reüssieren, wenn die primär mit den Sozialisten koalitionswilligen Sezessionisten aus dem spanischen Parlament ausscheiden sollten.

Aber in Wahrheit sind all diese Argumente läppisch. Es gibt überhaupt keinen zwingenden Grund, weshalb ganze geschlossene Regionen nicht das Recht auf einen eigenen Staat haben sollten. Noch dazu, wenn sie sich sprachlich mehr (Basken) oder weniger (Katalanen) vom restlichen Staat unterscheiden.

Nach einer solchen Trennung stehen die einzelnen Teile nämlich oft viel stabiler da. Die angestrebte Größe eines Staates ist in Wahrheit meist nur eine Last. Das haben die Österreicher am Beginn des letzten Jahrhunderts mit vielen Schmerzen gelernt. Das haben die Tschechen und Slowaken am Ende desselben Jahrhunderts überraschend schnell und leicht gelernt. Etwas mühsamer, aber letztlich ebenso unvermeidlich, positiv und notwendig war die Neugestaltung des ehemaligen Jugoslawiens und der ehemaligen Sowjetunion.

Wenn Völker auf keinen Fall mehr miteinander leben wollen, dann soll man sie nicht dazu zwingen. Und es ist absolut unverständlich, dass weder EU noch Menschenrechtskonvention noch UNO das Recht auf Unabhängigkeit einzelner Völker vorsehen. Geschweige denn, dass sie einen geordneten rechtlichen Weg zur Ausübung der Selbstbestimmung eröffnen würden. Sie sehen jede noch so zufällig oder gewaltsam gezogene Grenze als heilig an.

Klar sollte aber auch sein: Für eine Sezession muss es gewiss mehr als eine momentane Stimmung brauchen. Nötig ist neben detaillierten Trennungsverhandlungen und -verträgen vor allem eine Volksabstimmung. Wobei durchaus qualifizierte Anforderungen sinnvoll wären – etwa ein doppeltes Referendum, wobei es mindestens ein oder zwei Jahre Abstand zwischen zwei Wahlgängen geben muss, - oder ein Mindestquorum.

Aber es ist jedenfalls Tatsache, dass niemand ernsthaft von einer Herrschaft des Rechts in Europa reden kann, solange nationalistische Zentralregierungen ganze Regionen wie ein Kolonialvolk unterjochen können und niemand etwas dagegen unternehmen kann. Außer er riskiert als Revolutionär und Verfassungsbrecher Kopf und Freiheit.

Interessant ist, dass ausgerechnet die größte ehemalige Kolonialmacht, nämlich Großbritannien, da geistig schon weiter ist. Sie ermöglicht ihren einzelnen Teilen ganz offiziell die Sezession, ob das nun Nordirland oder Schottland ist. Interessant ist aber, dass insbesondere die schottischen Nationalisten an Zuspruch verlieren, seit der Weg zur Unabhängigkeit offen erscheint. Es ist also auch durchaus möglich, dass es etwa die Katalanen letztlich dann doch nicht so ernst meinen. Denn natürlich kostet Sezession etwas: Vom Aufbau eigener Regierungs- und Gesetzesstrukturen bis hin zur Entlohnung eigener Diplomaten.

Das größte Problem stellt eine Sezession aber für die EU dar: Denn dort weiß niemand, wie man eigentlich damit umgehen soll. Insbesondere auch deshalb, weil die EU-Verfassung eine massive Bevorzugung der kleinen Staaten vorsieht. Vor allem das EU-Parlament ist absolut undemokratisch zusammengesetzt. Dort muss beispielsweise jeder deutsche Parlamentarier mehr als zwölf Mal so viele Wähler vertreten wie einer aus Malta.

In dieser Frage herrscht längst aus vielen Gründen dringender Handlungsbedarf – aber eben auch deswegen, damit klar wird, dass ein etwa in drei Teile zerfallenes Spanien nicht plötzlich weit mehr Abgeordnete ins EU-Parlament entsenden kann als heute. Bekämen die künftigen Teile aber keine zusätzlichen Vertreter, wären sie wiederum gegen andere gleichgroße Mitgliedsstaaten benachteiligt. Aber daran darf der Freiheitsdrang von Basken&Co nicht wirklich scheitern – sondern nur daran, dass er möglicherweise nicht ernsthaft genug ist, auch alle Nachteile der Unabhängigkeit zu tragen.

 

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Biosprit vorerst mit Ablaufdatum drucken

Die Frage der Biokraftstoffe wird zu einem immer heikleren Thema in Europa. Grundsätzlich ist man davon ausgegangen, dass eine zehn-prozentige Quote an Biobeimischung erreicht werden soll. Das ist derzeit nur mit der Beimischung von Biotreibstoffen der ersten Generation (rund 99 Prozent des Marktes) möglich. Diese Treibstoffe werfen allerdings ein Problem auf: Sind sie wirklich nachhaltig und wie weit stehen sie in Konkurrenz mit der Nahrungsmittelversorgung?

Inzwischen ist weitgehend unumstritten, dass Biosprit der ersten Generation nicht die Lösung sein kann, in der EU wird deshalb bereits an den Beimischungszielen gefeilt. Treibstoffe der zweiten Generation (Abfälle, Reststoffe) werden aber erst in etwa zehn Jahren in größeren Mengen zur Verfügung stehen. Also was nun?

Die EU versucht nun einmal mit einer Zertifizierung der Nachhaltigkeit etwas Ordnung in den Markt zu bringen. Damit sollten auch die Dumpingimporte – eine Klage bei der EU ist im Laufen – vor allem bei Biodiesel aus Argentinien und den USA – in den Griff zu bekommen sein. In 20 EU-Ländern gibt es diese Zertifizierung bereits, sieben – auch Österreich – sind noch säumig. In Österreich blockierte die unselige Diskussion um die E 10-Einführung dieses Thema, ab 2013 sollte es allerdings vom Tisch sein.

Es gibt drei große Zertifizierer in Europa, die bei allen Produzenten vor Ort genau kontrollieren: Wie nachhaltig ist die Produktion und woher kommen die Rohstoffe (bei europäischem Biodiesel vorrangig Raps)? Außerdem muss eine CO2-Einsparung von 35 Prozent gegeben sein, für neue Anlagen gelten seit Mitte 2012 sogar 60 Prozent. Das bereitet überseeischen Anbietern derzeit noch Schwierigkeiten. Österreichs Biodieselerzeuger haben mit der Zertifizierung kein Problem, obwohl diese bisher in Österreich gar nicht notwendig war, weshalb auch überseeische Billigimporteure auf unseren Markt drängen konnten, was in Deutschland nicht mehr möglich war. Aber das sollte in Kürze vorbei sein.

Neben der Kontrolle der Nachhaltigkeit soll aber künftig noch ein zweites Kriterium zählen, nämlich: Welcher Rohstoff wird verwendet? Raps hat keine Zukunft, es geht um die Erzeugung aus Altölen und -speisefetten, wie auch Tierfetten. Bis spätestens 2017 werden Biodieselerzeuger einen nicht unerheblichen Anteil ihres Biodiesels aus diesen Stoffen erzeugen müssen, eine entsprechende Regelung ist noch in Ausarbeitung.

Wer derzeit schon mit diesen Reststoffen arbeitet, hat bereits einen großen Vorteil, jeder so erzeugte Liter Biodiesel wird mit der zweifachen Menge für die Quotenerfüllung angerechnet. Das hat für den Biodieselerzeuger den Vorteil, dass er einen besseren Preis erzielen kann (vor allem in Deutschland), für die Mineralöllfirmen heißt das, dass sie weniger Bio real beimischen müssen und daher mehr fossilen Treibstoff verkaufen können.

Der Markt für Altöl hat dementsprechend angezogen, einen Kubikmeter Altspeisefett können Gasthäuser bereits um 300 Euro verkaufen. Es  gibt noch einige nicht gehobene Reserven am Markt.

Österreichs Biodieselerzeuger sind zum Teil schon auf diesen Zug aufgesprungen, wenn sie ihre Produktionstechnik entsprechend anpassen können, was aber nicht allen möglich ist. Der größte heimische Produzent, die BioDieselVienna, kann bei einer Kapazität von 140.000 t derzeit rund 45 Prozent auf Basis von Altrohstoffen erzeugen (und mit doppelter Anrechnung verkaufen), hat damit aber schon fast den Plafond erreicht. Ein Werk in Arnoldstein (50.000 t) kann sogar mit 100 Prozent Altstoffen arbeiten und setzt seinen Sprit vorrangig in Italien ab. Diese beiden Erzeuger haben keine Absatzprobleme, das Wiener Werk kann mehr als die Hälfte an die OMV verkaufen. Würde man allein auf Rapsbasis arbeiten, würde man Verluste einfahren. Dies scheint bei einigen Erzeugern der Fall zu sein, ihre Werke stehen still.

Generell gibt es in Europa große Überkapazitäten, vor allem bei Biodiesel, aber auch bei Bioethanol, das dem Benzin beigemischt wird. Für Bioethanol gibt es nur ein Werk in Österreich, in Pischelsdorf, dass auf Weizen- und Maisbasis produziert, und im Moment voll ausgelastet ist. Eine Nachhaltigkeit von 60 Prozent sollte für die Raiffeisentochter kein Problem darstellen. Viele Erzeuger sind vom Markt verschwunden, langsam ist aber Besserung in Sicht, einige Konzerne haben verbesserte Gewinnzahlen gemeldet.

Die Zukunft der Biokraftstoffe

Das ändert nichts daran, dass derzeit mit Technologien produziert wird, die keine Zukunft haben. Wie der Markt der Zukunft ausschauen könnte hat der Shell-Konzern vor kurzem im Rahmen einer Studie vorgestellt. Man geht von einer stark steigenden Bedeutung der Biokraftstoffe aus.

Allein in Deutschland könnten Biokraftstoffe bis 2030 rund 20 Prozent, bis 2050 sogar 70 Prozent des – bis dahin stark gesenkten – Kraftstoffbedarfes abdecken. Voraussetzung dabei ist jedoch, dass die Nachhaltigkeit der Rohstoffbereitstellung gewährleistet ist, die Produktionskosten fortschrittlicher Biokraftstoffe gesenkt werden und die Biokraftstoffe mit den jeweiligen Verkehrsträgern kompatibel sind. Biokraftstoffe werden bis 2020 den überwiegenden Beitrag leisten, um das bestehende EU-Ziel von zehn Prozent erneuerbarer Energien im Straßenverkehr zu erfüllen. Dies gilt auch, sollte die EU den Einsatz von Biokraftstoffen der ersten Generation auf fünf Prozent beschränken.

In sehr ambitionierten Klimaschutzszenarien könnten bis 2030 gut 20 Prozent und bis 2050 sogar 70 Prozent eines bis dahin deutlich reduzierten Kraftstoffbedarfs aller Verkehrsträger in Deutschland nachhaltig und ohne Nutzungskonkurrenzen oder zusätzliche Importe gedeckt werden. Das bedeutet, dass Biokraftstoffe entweder aus Reststoffen oder aus der Produktion auf langfristig frei gewordenen Flächen stammen, sich nicht negativ auf die Artenvielfalt auswirken, nicht den  Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln verringern und kein Wiesen- oder Weideland umgewandelt wird. Weltweit könnte sich  der Biokraftstoffbedarf von heute (2010) bis 2050 gar verzehnfachen.

Biokraftstoffe werden derzeit noch überwiegend aus Pflanzen hergestellt, die auch zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion beitragen. Von der weltweiten Agrarproduktion werden jedoch 74 Prozent für Futtermittel, 18 Prozent für Nahrungsmittel und nur jeweils rund 4 Prozent für Bioenergie beziehungsweise stoffliche Zwecke eingesetzt.

Biokraftstoffe der zweiten Generation sind grundsätzlich bereits entwickelt. Sie werden allerdings noch fast ausschließlich in kleinem Maßstab produziert und sind deutlich teurer als herkömmliche  Kraftstoffe. Ohne zusätzliche Förderung sind sie nicht marktfähig.

Bislang müssen Biokraftstoffe nur in der EU strenge Nachhaltigkeitskriterien (gemäß EU-Erneuerbare Energien-Richtlinie) erfüllen. Dazu gehören vor allem Treibhausgaseinsparungen und der Schutz von Artenvielfalt.

Neben ihrer Nachhaltigkeit ist die technische Kompatibilität von Biokraftstoffen mit der vorhandenen Motor- und Fahrzeugtechnik Voraussetzung für ihren Einsatz. Die meisten Pkw und Lkw vertragen heute bis zu zehn Prozent Bioethanol im Ottokraftstoff beziehungsweise bis zu sieben Prozent Biodiesel im Kraftstoff.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Finanztransaktionssteuer – blöd gelaufen drucken

Kaum glaubte die österreichische Finanzministerin, endlich wieder einmal jubeln zu können, ist ihr bunter Luftballon schon wieder geplatzt. Einige Tage lang hatten sich Rot und Schwarz ja über ein Vorankommen ihres Plans gefreut, mit Hilfe der Finanztransaktionssteuer Budgetlöcher stopfen zu können.

Doch die deutsche Bundeskanzlerin hat nun eine Verwendung des dabei erhofften Geldes für ganz andere Zwecke angekündigt: Sie will damit einen Wachstumsfonds für Projekte in den Euro-Krisenländern finanzieren. Blöd gelaufen. Also wird es wieder nichts mit dem österreichischen Löcherstopfen.

Dabei haben sich die österreichischen Löcherzwerge gerade noch so gefreut, dass sich endlich eine ausreichende Anzahl von Ländern hinter das Projekt der FTS gestellt hat. Wobei diese Anzahl wohlgemerkt nur (europa-)rechtlich ausreichend ist, keineswegs in wirtschaftlicher Hinsicht.  Ökonomisch wäre das Projekt nämlich nur dann seriös vertretbar, wenn auch Länder wie die USA, Großbritannien und die Schweiz mittäten. Was sie nicht tun.

Es dauerte aber nur Stunden nach dem Merkel-Vorstoß, da übertraf sie im Rahmen einer europäischen Sozialistenkonferenz der österreichische Oberzwerg Faymann gleich eilfertig im Verschenken von Steuergeld: Die – im heimischem Budgetpfad von der Koalition längst als Einnahme für das österreichische Budget eingeplanten! – FTS-Gelder sollten „nicht nur in der Eurozone“ ausgegeben werden. Eh alles schon wurscht. Sozialisten sind immer noch imstande, bürgerliche Politiker beim möglichst weiten Hinauswerfen von Geld zu übertreffen.

Zu diesen Absurditäten kommt noch die unbedeutende Kleinigkeit, dass es noch gar keinen Konsens gibt, was denn überhaupt unter der Überschrift „Finanztransaktionssteuer“ genau stehen soll, also was eigentlich besteuert werden soll: Jede Banküberweisung? Auch die Geschäfte von Inländern im Ausland? Aktienkäufe? Anleihenkäufe? Börsegeschäfte? Nichtbörsegeschäfte? Handel mit Optionen? Pensionsverträge?

Klar sollte eines sein: Je umfassender die FTS greift, umso größer wird die Empörung der Konsumenten sein, wenn sie aus dem von den Medien verursachten Schlummer erwachen, in dem sie naiverweise noch meinen, diese Steuer würde nicht sie, sondern nur irgendwelche unbekannten „Spekulanten“ treffen (die wir ja am Ende immer alle sind). Wenn die FTS hingegen nur einzelne Geschäfte trifft, wird Tür und Tor für Umgehungskonstruktionen geöffnet. Vom jedenfalls notwendigen Überwachungsapparat und dessen Kosten ganz zu schweigen.

Mit anderen Worten: Die wirklich haarigen Details werden wohl wieder einmal erst in einem nächtlichen Husch-Pfusch geregelt werden. Dafür streitet man jetzt schon, was mit den Erträgen passieren soll.

In jeder Variante wird diese FTS aber durch Vertreibung von Investoren mehr Schaden als Nutzen anrichten. Bei der Merkel- wie der Faymann-Variante wäre das dann besonders skurril: Den Schaden erleiden die nationalen Budgets durch einen Rückgang des Wachstums; der Nutzen jedoch wird irgendwo in – wohl meist fiktiven – griechischen Projekten versickern.

PS.: Aber dennoch haben wir auch bei der FTS wenigstens etwas zu lachen: Die SPÖ-Spin-Doktoren versuchen nun allen Ernstes, Werner Faymann von in- und ausländischen Jubelgenossen als Erfinder der FTS-Idee preisen zu lassen. Hoffentlich googelt jetzt niemand und findet heraus, dass der Schwachsinn schon vor ein paar Jahrzehnten von dem Ökonomen Tobin und dann von den steinewerfenden Attac-Menschen verlangt worden war.

Also schon zu Zeiten, wo Herr Faymann als bekannt fleißiger Student offenbar noch eine Uni-Prüfung nach der anderen absolviert hat. Was seine Partei wohl dazu veranlasst, ihn bald auch noch als Kandidaten für den Wirtschaftsnobelpreis zu präsentieren.

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Die Abcasher drucken

Vor ein paar Jahren hat Österreich ihnen noch den roten Teppich ausgebreitet. Denn man wusste, dass Aktienkäufer den Wirtschafts-Standort stärken, dass sie Unternehmen finanzieren. Sie riskieren in der Hoffnung auf Gewinn den Verlust ihres Geldes. Was mutig wie notwendig ist. Wie rasch sich freilich die Dinge gewandelt haben: Heute werden solche Menschen in den Nachrichtensendungen des ORF ohne Umschweife als Spekulanten bezeichnet. Und fast alle Parteien und Politiker des Landes jubeln (einschließlich der Wirtschaftskammer!), wenn Aktienkäufer nun mit einer Transaktionssteuer bestraft werden.

Diese richtet aber in Summe viel mehr Schaden an, als an vermehrtem Steueraufkommen hereinkommen kann.

Gewiss, mit Aktienbesitzern lässt sich in Österreich keine Wahl gewinnen. Aber es ist erschütternd, dass niemand mehr begreift, wie notwendig eine funktionierende Wirtschaft sie braucht. Und wie schädlich es sein wird, wenn man sie demotiviert, ihr Geld über die Wiener Börse zu investieren. Dabei hat man ja schon sehen können, wie schwer bereits die Einführung der Kapitalertragssteuer auf Kursgewinne langfristig gehaltener Aktien diese Börse geschädigt hat.

Aktienbesitzer werden als Ursache der seit 2007 tobenden Finanzkrise dargestellt. Das ist aber eine absolute Lüge. Schuldig an der Finanzkrise waren und sind vielmehr: die exzessiven Schulden vieler Staaten; die verfehlten und immens teuren Rettungsaktionen zugunsten bankrotter Staaten und Unternehmen; die Notenbankpolitik des viel zu billigen Geldes (einst in den USA, heute auch in Europa), wodurch Immobilienpreise in absurde Höhen getrieben werden; die von Regulatoren erzwungene Bilanzierungs-Lüge, dass staatliche Anleihen zu hundert Prozent sicher wären; sowie der populistische Zwang, der auf die US-Banken ausgeübt wurde, auch mittellosen Menschen Hypotheken zu verkaufen.

Natürlich gab es auch üble Betrüger wie Bernard Madoff, für welche die Politik keine Schuld trägt – aber auch die normalen Aktienbesitzer nicht. Natürlich gab und gibt es immer Menschen und Institutionen, die ein zu hohes Risiko eingehen: Aber die sollen doch bitte dieses Risiko selber tragen, wenn es schlagend wird. Eine Finanztransaktionssteuer kassiert aber primär jene ab, die eigenes Geld investieren. Die Risiko-Spekulanten lassen sich hingegen mit Sicherheit nicht durch eine Transaktionssteuer einbremsen.

Was da vom Kampf gegen Spekulationen geredet wird, ist nur vordergründiges Gewäsch. Der Politik geht es um etwas ganz anderes: Sie will einfach abcashen, weil sie zu echten Sparmaßnahmen und Reformen unfähig und unwillig ist. Dabei könnte man in Zeiten wie diesen selbst das Abcashen verstehen – würden dadurch nicht viele internationale Investoren aus jenen elf Ländern vertrieben, die nun die Steuer einführen wollen. Dabei sind sich die Elf noch gar nicht einig, was und wen die Steuer wie treffen soll. Und wer das (erhoffte) Geld kriegt.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Sie drehen uns den Strom ab drucken

Ihre jüngsten Beschlüsse werden bald ebenso in die Liste peinlicher Fehlleistungen der EU eingehen wie etwa das Glühbirnenverbot. Denn eine nun fixierte EU-Richtlinie verpflichtet die Energieversorger, dafür zu sorgen, dass ihre Kunden künftig jedes(!) Jahr 1,5 Prozent weniger Strom verbrauchen.

Skurriler geht’s nimmer. Das ist ungefähr so, wie wenn man Bier- oder Schnaps- oder Zigaretten-Produzenten alljährlich zu einem Rückgang ihres Absatzes verpflichten würde. Sind doch deren Produkte zweifellos schädlicher als Strom.

Nun kann man ja zynisch sein und davon ausgehen, dass die Schuldenpolitik von EU, EZB und Mitgliedsländern ohnedies auf viele Jahre ein nennenswertes Wachstum verhindern wird. Da aber der Stromverbrauch wie durch ein Naturgesetz eng mit dem BIP-Wachstum verbunden ist, wird er daher auch auf ganz natürlichem Weg stagnieren.

Aber seien wir nicht zynisch, sondern halten nüchtern fest: Es ist schlicht widersinnig, irgendein Unternehmen zum kontinuierlichen Rückgang des Absatzes zu verpflichten. Das was man durch Propaganda, Glühbirnenverordnung, Emissions-Handel und vieles andere bei den privaten und industriellen Konsumenten nicht geschafft hat, soll nun durch Vergewaltigung der Stromversorger geschehen.

Diese neue Richtlinie ist in den Medien bisher kaum beachtet worden. Sie muss ja auch noch durch nationale Gesetze umgesetzt werden. Dieser Umsetzungsakt wird dann sicher wieder für lauten Aufschrei sorgen. Das wird aber zu spät sein, haben doch die nationalen Parlamente kaum noch Spielraum. In Österreich kümmert man sich dennoch nur um Schlammschlachten in Untersuchungsausschüssen und nicht um neue EU-Richtlinien, die die gesamte Marktwirtschaft auf den Kopf stellen.

Die Richtlinie bringt uns zurück in die Nachkriegsjahre. Auch damals war nicht der Konsument König, sondern jeder, der Ware zu verkaufen hatte. So herrschte beispielsweise lange Papiermangel. Daher konnte die Regierung jahrelang das Erscheinen unliebsamer Zeitungen verhindern oder behindern.

Wie wird das beim Strom enden? Wird man so wie einst bei Telefonanschlüssen wieder Beziehungen brauchen, um Kunde eines Stromanbieters werden zu dürfen? Oder wird den Konsumenten einfach der Strom abgedreht, wenn sie beispielsweise am 23. Dezember ihr Plansoll – eigentlich: Planminus – erreicht haben? Oder kommen die E-Werke künftig regelmäßig in den Haushalt und plombieren alle Geräte mit einer Sperre, die als überflüssig eingestuft werden?

Die Politik scheitert derzeit daran, erstens die nötigen Stromleitungen zu bauen, zweitens genügend Speicherkapazität für den am falschen Ort zur falschen Zeit produzierten Wind- und Sonnenstrom zu schaffen, sowie drittens den (vorhandenen, aber stillstehenden) Gaskraftwerken den Kauf des reichlich vorhandenen Erdgases zu Weltmarktpreisen zu ermöglichen. Aber dafür will sie nun Wirtschaft und Konsumenten solcherart vergewaltigen. Vom Aktienkäufer, der das alles in hohem Ausmaß finanziert hat, gar nicht zu reden.

PS.: Und falls es wirklich einmal zu wenig Strom geben sollte, gibt es ein altes Geheimmittel, die Nachfrage zu bremsen, das noch dazu automatisch wirksam wird: der Preis.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Schnell noch vor der Implosion ein Nobelpreis drucken

Da sage noch einer, es gäbe in Zeiten wie diesen nichts zu lachen: Die Europäische Union bekommt – 2012! –  den Friedensnobelpreis.

Diese Ehrung reiht sich würdig an so manche der bisherigen schweren Fehlentscheidungen des (parteipolitisch zusammengesetzten) Komitees.

  • Da gab es etwa für Barack Obama schon sofort(!) nach seiner Wahl den Friedensnobelpreis, also für einen Präsidenten, der danach vier Jahre lang Krieg geführt hat.
  • Da gab es knapp davor den Preis für einen weiteren amerikanischen Linkspolitiker, nämlich für Al Gore und seinen Klima-Hetzfilm: Dieser Film enthält so viele nachgewiesene Fehler und Manipulationen, dass er zum Beispiel in Großbritannien gerichtlich für den Einsatz in Schulen verboten worden ist.
  • Da gab es den Preis noch für einen weiteren US-Demokraten, für Jimmy Carter, also den zweifellos glücklosesten Nachkriegspräsidenten der Amerikaner.
  • Da gab es den Preis für den damaligen IAEA-Chef El Baradei, der in dieser Funktion lange beigetragen hat, die iranische Atombombenentwicklung zu verharmlosen.
  • Da gab es den Preis für Jassir Arafat, jenen Palästinenser-Führer, der im letzten Augenblick die Unterschrift unter einen praktisch bis ins Detail ausverhandelten Friedensvertrag verweigert hat.
  • Da gab es den Preis für die kommunistische Pugwash-Bewegung.
  • Da gab es den Preis für den nordvietnamesischen Politiker Le Duc Tho, der für den nordvietnamesischen Angriff auf Südvietnam mitverantwortlich ist, welcher zum Tod, zur Verstümmelung, zur Lagerhaft, zur Flucht von Millionen Menschen geführt hat.

Und jetzt bekommt ihn die EU. Diese Ehrung wäre zwar in früheren Jahrzehnten absolut gerechtfertigt gewesen, heute aber ist sie nur noch absurd. Denn heute ist die EU eine Organisation, die massiv die eigenen Verträge bricht; die das größte Schuldendebakel der Geschichte ausgelöst hat; deren verfehlte Finanz- und Energiepolitik zur größten Arbeitslosigkeit des letzten halben Jahrhunderts geführt hat, was bekanntlich alles andere als friedensfördernd ist; deren Fehler dazu geführt haben, dass unter den europäischen Völkern wie nie mehr seit den 50er Jahren Hass entsteht und geschürt werden kann: Man denke nur an die antideutsche Hetze in Griechenland und anderen Südländern, man denke an die explodierenden Aversionen nördlich der Alpen gegen den Süden.

Was hat diese heutige EU noch mit einem Friedensprojekt zu tun? Nur eines: Sie lobt sich ständig selbst verzweifelt als Friedensprojekt, umso lauter, ja mehr ihre konkrete Politik das Gegenteil bewirkt.

Ja, in den 50er Jahren war die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich eine große historische Leistung, ebenso die Rückführung Deutschlands in die Gemeinschaften gleichberechtigter Demokratien. Marktwirtschaft und der durch die Europäischen Gemeinschaften geschaffene Binnenmarkt ermöglichten Wohlstand als wichtigste Basis des Friedens. Die Nato verschaffte diesem Europa Schutz – also Frieden – gegen einen lange bedrohlichen Gegner.

Das alles hätte den Friedensnobelpreis mehr als alle anderen Preisträger der Nachkriegszeit verdient. Aber in den Nobelpreis-Listen findet sich kein Adenauer, kein de Gaulle, kein Schuman, kein Delors. Das große europäische Friedenswerk kommt erst ins Visier der Nobel-Preiser, als es durch leichtfertige und populistische Politik zu einem Werk des Unfriedens wird.

Die Absicht ist freilich klar: Die EU-Euphorie, die dadurch noch einmal ausgelöst werden soll, soll die Deutschen und einige andere dazu bringen, noch weitere Mega-Haftungen und Schulden einzugehen.

Diese Entscheidung kommt freilich am gleichen Tag, da sämtliche Wirtschaftsprognosen auch für Deutschland einen Zusammenbruch des Wachstums melden, da also auch Deutschland klar werden muss, dass es sich in den letzten drei Jahren maßlos übernommen und keine Kraft mehr hat.

In der Nobelpreis-Euphorie geht wohl auch die aktuellste Meldung aus der griechischen Realität unter: Mehr als 90.000 Pensionisten sind für die Behörden nicht auffindbar und melden sich trotz eines Aufrufes nicht. Sie bekommen aber weiter Pensionen auf ihr Konto – ganz offensichtlich zugunsten der Nachkommen. Denn die meisten dieser Pensionsbezieher sind längst nur noch auf dem Friedhof zu finden. Aber wir alle zahlen tagtäglich dafür.

Über Tausende solcher konfliktschürenden Betrügereien, Rechtsbrüche, Verantwortungslosigkeiten soll nun schnell noch ein Friedenspreis als Tünche drüberkommen. Aber auch diese Tünche wird die politisch verschuldete Implosion nicht mehr verhindern können.

Uns bleibt nur noch ein zynisches Lachen der Verzweiflung.

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Europa braucht Eliten – sie sind seine letzte Chance drucken

Europa steht in einem gewaltigen Wettbewerb. Von Indien bis China haben Milliarden Menschen in großen und kleineren Ländern die jahrzehntelange Selbstbeschädigung durch sozialistische Experimente aufgegeben und machen Europa nun durch beinharten Kapitalismus Konkurrenz. Die europäische Schuldenkrise ist nur ein Symptom, wie sehr der alte Kontinent in diesem Wettkampf zurückfällt und nun schon sehr alt aussieht.

Die Nationen auf der Überholspur machen das Gegenteil von dem, was in Europa die Debatte dominiert: Sie schimpfen nicht auf die Globalisierung wie viele europäische „Intellektuelle“, sondern sie nutzen diese. Sie zentralisieren politische Entscheidungen nicht, wie es auch von der deutschen Bundeskanzlerin verlangt wird, sondern geben diese Schritt für Schritt frei. Sie vergemeinschaften nicht Haftungen, Schulden, Kontrollen, wie es die EU tut, sondern lassen regionalen Entscheidungen viel Platz. Sie führen keine Kampagnen gegen die Reichen. Sie halten den Wohlfahrtsstaat nicht mehr wie in ihren sozialistischen Jahren für ein erstrebenswertes Ziel, sondern für ein Entwicklungs-Hindernis, das möglichst klein gehalten werden muss.

Sie ermöglichen solcherart seit rund zwanzig Jahren einem ständig wachsenden Anteil ihrer Bürger Wohlstand und Lebensqualität.

Muss man da die Zukunft Europas angesichts des Zurückfallens hinter diese Konkurrenz nicht schon als rettungslos verloren ansehen? Überalterung, Überschuldung, Islamisierung, die höchsten Steuern, die dichtesten Regulierungen, die schwersten Soziallasten, die teuersten Löhne: All das lässt rasch einen großen Defätismus unter den Bürgern Europas wachsen.

Hohe Steuern führen zum Brain drain

Auch wenn man sich diesem Defätismus (noch) nicht anschließen will, so muss man doch alle relevanten Signale beachten und richtig deuten. Einer der bedrückendsten Aspekte ist der Brain drain. Während nach Europa und zu seinen üppigen Sozialleistungen weiterhin in großen Zahlen Menschen ohne Bildung zuwandern – etwa unter dem Vorwand einer Familienzusammenführung –, ziehen immer mehr Universitätsabsolventen und unternehmerische Menschen aus den EU-Ländern weg. Das ist besonders bitter, weil die jungen Menschen in den meisten Staaten Europas fast gratis studiert haben, in manchen überhaupt gratis. Das bedeutet: Talentierte Menschen werden hier teuer ausgebildet und stellen durch ihre Auswanderung eine lebende Entwicklungshilfe etwa an die USA oder Kanada, an die Schweiz oder Australien dar.

Besonders pervers: Ein Hauptgrund für die Emigration ist das hohe Niveau der Steuern und Abgaben in den EU-Ländern. Diese sind aber gerade deshalb so hoch, damit Schule und Studien gratis sein können. Das ist ein Regelkreis, der unweigerlich zum Kurzschluss führen muss.

Die wissenschaftlichen und technischen Eliten – zu denen zunehmend auch bestimmte Facharbeiter zählen – sowie unternehmerisch und kreativ denkende Menschen sind aber die entscheidenden Faktoren für die Erhaltung des europäischen Lebensstandards. Mit den immer zahlreicher werdenden Sozialhilfeempfängern, mit schöngeistigen Räsonierern über die Überflüssigkeit von Wachstum und Technik und mit einer Jagd auf jeden Erfolgreichen (=Reichen) wird das hingegen nicht gelingen. Ganz im Gegenteil.

Ohne Patentschutz keine funktionierende Forschung

Der Brain drain hängt noch mit einem weiteren, ebenfalls kaum öffentlich beachteten Faktor zusammen: dem katastrophalen Zustand des europäischen Patentwesens. Denn ein funktionierender Schutz solcher Urheberrechte wäre die Voraussetzung für eine blühende Forschungslandschaft. Ohne ständige Innovationen hätte Europa aber überhaupt keine Chance gegenüber der asiatischen Herausforderung.

Bei der Krise des Patentwesens geht es nicht nur um Dinge wie die erstaunliche Folgenlosigkeit von verheerenden Rechnungshofberichten über das österreichische Patentamt, das zu einer Versorgungsstation für Protektionskinder zu verkommen droht. Noch viel schlimmer ist, dass es nach wie vor kein gemeinsames EU-Patent gibt. Wer daher in allen EU-Ländern einzeln eine Erfindung patentieren will, zahlt nach Angaben des EU-Kommissars Barnier ungefähr tausend Mal so viel dafür wie für ein US-Patent. Das ist natürlich sehr oft absolut unerschwinglich und unrentabel. Und das treibt neben den hohen Steuern weitere kreative Köpfe aus Europa hinaus.

Das gemeinsame EU-Patent scheitert wieder einmal an den EU-typischen Konflikten: Wo soll es angesiedelt sein? Und in welchen Sprachen sollen/müssen Patente abgefasst sein? Da treten die üblichen Eifersüchteleien und Nationalismen zutage. Zwar hat man langsam eingesehen, dass die Übersetzung in 20 oder mehr Sprachen bei komplizierten technischen Texten viel zu teuer wäre. Aber wenn neben Englisch als meist verstandener und in der Technik total dominierender Sprache und eventuell Deutsch als verbreitetster Muttersprache auch für Französisch, Spanisch und Italienisch Gleichberechtigung gefordert wird, bleibt das Projekt zwangsläufig sofort wieder stecken.

Das ist umso skurriler, als die EU in den letzten Jahrzehnten in zahllosen anderen Fragen strenge Uniformität durchgesetzt hat. Sie tat das aber fast immer nur dort, wo eine Vereinheitlichung absolut überflüssig war, von den Raucher-Regeln bis zu den Sozialleistungen für Zuwanderer, bis zur Aufnahme von Frauen oder Schwulen in einen Job oder eine Wohnung. Neueste „Sorge“ der EU: Die Zahl der Notausgänge in Österreichs Schulen.

Beim Patentwesen und in weiten Bereichen des für einen funktionierenden Binnenmarkt ebenfalls entscheidenden Straßen- und Eisenbahnverkehrs scheitert sie hingegen mit einer sinnvollen Vereinheitlichung.

ETH Zürich als Gegenmodell zum EU-Bildungsdenken

Der schrittweise intellektuelle Abstieg Europas zeigt sich auch bei den diversen Universitäts-Rankings. Diese sind von einem ständigen Rückfall der europäischen Universitäten geprägt. Nur die britischen können noch mit den amerikanischen Elite-Unis mithalten. In Hinblick auf Kontinentaleuropa ist es mehr als bezeichnend, dass ausgerechnet eine Hohe Schule aus einem Nicht-EU-Land regelmäßig die besten Platzierungen erreicht: die ETH Zürich.

Schaut man sich diese Universität ein wenig näher an, dann meint  der EU-Europäer, dass die Schweiz auf einem anderen Kontinent leben muss. So klar ist die Elitenorientierung der ETH. Dort hat der neue Rektor Lino Guzzella auch keine Probleme, eine Verdoppelung der Studiengebühren von 1300 auf 2600 Franken anzukündigen. Er wagt es sogar, mit deutlichen Worten Anforderungen an die Schulen des Landes zu formulieren, die ganz anders klingen. Die österreichischen Rektoren haben hingegen nur zwei Anliegen: ständig mehr Geld und ständig weiterer Ausbau teurer Gender-Projekte.

In Österreich gibt es sogar Rektoren, die sich für die allgemeine Niveausenkung durch die Gesamtschule aussprechen. Guzzella hingegen verlangt: Gymnasien und Volksschulen müssen mehr fordern und leistungsorientierter werden. Man komme derzeit zu leicht zur Matura. Diese müsse härter werden. Guzzella hält daher überhaupt nichts von höheren Maturantenquoten, denn dadurch werde das Niveau der Matura nur gesenkt. In Österreich sind hingegen die höheren Maturantenquoten eine Stehsatz-Forderung fast aller Politiker.

Der ETH-Chef spricht auch in Hinblick auf die Volksschulen Klartext: Wenn diese immer mehr mit Erziehungsaufgaben belastet werden, würden die talentierten Schüler zu wenig gefördert. Noch klarer sein Auftrag an die Gymnasien: „Die Gymnasien müssen sich als Elite-Schulen verstehen.“

Und all diese goldenen Worte kann der Mann ohne Widerspruch auch in dem nach Schweizer Verhältnissen als links geltenden „Tagesanzeiger“ sagen.

Noch ist Europa nicht verloren

Konklusion: Europa hat zweifellos schlechte Zukunftsaussichten. Es kann dennoch bestehen – aber nur dann! –, wenn es ganz auf seine Eliten setzt. Das heißt insbesondere: wenn es jeden einzelnen von Anfang an, also vom Schulbeginn an, intensiv fordert.

Klar muss dabei natürlich auch sein: Niemand gehört automatisch zu einer Elite. Ganz im Gegenteil. Das muss immer wieder neu überprüft werden. Aber es darf auch niemals als Problem bezeichnet werden, dass Kinder von bildungsorientierten Eltern mit viel höherer Wahrscheinlichkeit zum Kreis der Talentierten gehören als andere Kinder. Unabhängig davon, ob hinter diesen Unterschieden nur kulturelle und Erziehungsfaktoren stehen oder auch – sehr wahrscheinlich – genetische (spricht ja viel dafür, dass es oft schon die Gene waren, die für die überdurchschnittliche Bildungsorientierung der Eltern gesorgt haben).

Wenn die Eliten-Karte stechen soll, braucht es aber auch modernste Schulen und Universitäten mit strengen Zugangsregeln und nicht die Lustlosigkeit von überlaufenen und schlecht ausgestatteten Gratis-Wärmestuben. Und es braucht danach die Möglichkeit, ohne große Bürokratien eigene Unternehmen zu gründen, und die motivierende Aussicht, einmal ohne konfiskatorische Steuern gut verdienen zu können.

Nichts davon hat das heutige EU-Europa. Aber das ist allemal leichter erreichbar als eine Umdrehung der demographischen Katastrophe. Die Elitenkarte ist wahrscheinlich die letzte, die Europa noch hat.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Alles wird liberaler! drucken

Der austro-kanadische Selfmademan Frank Stronach präsentierte am 4. 10. einem interessierten Publikum im Club Unabhängiger Liberaler seine ungefähren Vorstellungen davon, welche Art von Politik er im Falle eines Erfolges seiner neu gegründeten Partei zu machen gedenkt.

Seine wirtschaftlichen Leistungen sind beeindruckend: Er hat es – aus eigener Kraft – vom mittellosen steirischen Arbeiterkind zum Milliardär gebracht. Gegenwärtig beschäftigt der von ihm in Kanada gegründete, auf die Zulieferung von Fahrzeugkomponenten spezialisierte, Magna-Konzern weltweit rund 108.000 Mitarbeiter, 13.000 davon in Österreich. Der Jahresumsatz der Firmengruppe beläuft sich auf über 30 Mrd. €. Auf eine vergleichbare Erfolgsbilanz können nicht allzu viele Zeitgenossen verweisen.

Was treibt einen solchen Mann, der es mit international bekannten Persönlichkeiten, mit Staatspräsidenten, gekrönten Häuptern („die Englische Königin ist eine wirklich nette Frau, sie versteht viel von Pferden“) und anderen Wirtschaftskapitänen zu tun hat, im Herbst seines Lebens in die dumpfen Niederungen der kakanischen Politik?

Diese Frage stellt er selbst seinem Vortrag voran, um sie so zu beantworten: Er sehe, dass „…in der Regierung vieles schief läuft … und diese seit Jahrzehnten „Verluste“ macht.“ Er kritisiert den Umstand, dass die Regierenden zwar viel vom Geldausgeben, aber nichts vom Geldverdienen verstehen, was er darauf zurückführt, dass kaum einer von ihnen je in der Wirtschaft gearbeitet hat. Er sehe schlimme Zeiten auf uns zukommen und, da er selbst Kinder und Enkel habe, meine er, seine Fähigkeiten und Erfahrungen in die Politik einbringen zu müssen, „um zu helfen“. Das Leben sei gut zu ihm gewesen und er wolle sich auf diese Weise revanchieren.

In Österreich hätten wir es mit einer „Scheindemokratie“ zu tun. Keiner der politischen Verantwortungsträger (Kanzler, Minister) wäre vom Volk gewählt, sondern von Parteigremien und Kammern ins Amt gehievt worden. Wenn dann noch Häupl und Pröll zustimmten, wäre die Sache gelaufen – und das dürfe so nicht sein. In der Wirtschaft garantiere Konkurrenz – die es in der Politik in vergleichbarer Weise nicht gäbe – für Fortschritt und Effizienz.

Wirtschaftsprogramm

Bis März 2013 wolle er sein Programm vorlegen. Im Zentrum dieses Programms werde ein solides Budget stehen. Er wolle damit beginnen, die in der Vergangenheit aufgenommen Schulden abzutragen. Durch eine „zivilisierte Verwaltungsreform“ und die „Stimulierung der Wirtschaft“ sollte es möglich sein, die Steuerlasten binnen fünf Jahren um „20 bis 25 Prozent“ zu senken. Das Steuersystem müsse vereinfacht und für jedermann „transparent“ werden, „Grauzonen“ seien zu beseitigen.

Nach diesen vage gehaltenen Positionen wird es beim Thema Unternehmenssteuern konkreter: Nicht entnommene Gewinne sollen steuerfrei bleiben, da diese „Innovation und Arbeitsplätze schaffen“ würden. Zu versteuern seien nur Auszahlungen – sei es in Form von Löhnen oder Gewinnausschüttungen.

Seine vehemente Kritik an der geringen Steuerleistung von Großbetrieben (die er im Zusammenhang mit dem Engagement österreichischer Banken in den vormaligen Ostblockstaaten äußert) läuft – falls diese Aussage nicht missverständlich angekommen ist – faktisch auf ein Ende der derzeit gültigen Gruppenbesteuerung hinaus. Das wäre – angesichts der mutmaßlichen Auswirkungen auf die Magna-Gruppe – doch recht erstaunlich.

Die Wirtschaft müsse funktionieren, da sonst gar nichts gehe. Eine prosperierende Wirtschaft bedürfe dreierlei: „Tüchtiger Manager, fleißiger Arbeiter und Investoren.“ Die Arbeiter hätten ein „moralisches Recht“ auf einen Anteil am Unternehmensprofit. Allerdings dürfe sich die Regierung in die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen nicht einmischen, da damit lediglich „Bürokratie und Kosten“ verbunden sind. In einer konzernweiten „Firmenverfassung“ habe er Magna dazu verpflichtet, seinen Mitarbeitern Anspruch auf zehn Prozent des erwirtschafteten Gewinns einzuräumen. Bildung wäre ein zweites Anliegen, das ihm wichtig sei.

Als „zentrale Werte“ seiner Partei sehe er „Wahrheit, Transparenz und Fairness“. Wichtig sei es ihm, den untadeligen Ruf, den er sich als Geschäftsmann erworben habe („Ich bin nie jemandem etwas schuldig geblieben und habe immer mein Wort gehalten!“), auch als Politiker zu bewahren. Er sehe viel zu viele Leute, die nur ans Verteilen denken und zu wenige, die erkennen würden, dass zunächst etwas produziert werden müsse. Das gelte es zu verändern.

Europapolitik

Die Euro-Einführung sei ein Fehler gewesen, weil dadurch die Gegensätze zwischen Nord- und Südeuropa verschärft worden seien. Der bevorstehenden Etablierung des ESM stehe er kritisch gegenüber, da damit „Billionenverpflichtungen“ verbunden seien, an denen noch die Enkelkinder zu tragen hätten. Keine Regierung dürfe das Recht haben, Verbindlichkeiten einzugehen, die einen Zeitrahmen von fünf Jahren überschreiten.

Angela Merkel habe dem Ruf der Deutschen in der Welt massiv geschadet, indem sie anderen vorgeschrieben habe, wie diese zu leben hätten. „So etwas tut man nicht“. An dieser Stelle kommt es zu einem kleinen Widerspruch, als Stronach einerseits meint, man solle „…die einzelnen Völker allein ihre Probleme bewältigen lassen“, andererseits aber von „Hilfen für die Griechen“ spricht. Die Politik Merkels jedenfalls habe „Hass auf die Deutschen“ geschürt – entweder weil sie dumm sei, oder weil sie im Auftrag der Banken agiere.

Etwas unausgegoren scheinen Stronachs Vorstellungen von der künftigen Währungspolitik der EU zu sein, als er einmal von „Nord- und Südeuro“ spricht, dann aber die Variante „nationaler Eurowährungen“ aufs Tapet bringt. Flexible Wechselkurse zwischen den Ländern seien erforderlich, da die Währungskurse einen Spiegel der Wirtschaftsleistung der Länder darstellten, was nicht von einer Zentrale unterbunden werden solle. Geldpolitik, soviel scheint sicher, zählt nicht zu den größten Stärken des Tycoons.

Mit einem Bekenntnis zur „sozioökonomischen“ Ausrichtung des „politischen Managements“ schließt er seinen Vortrag.

Die Antworten bleiben vage

In der anschließenden Diskussion fällt auf, dass Stronach nicht gerne konkret auf eine der ihm gestellten Fragen antwortet, sondern dazu neigt, sich in wolkigen Allerweltsformulierungen und etwas eingelernt wirkenden Floskeln zu ergehen. So bleibt die Frage, wie er denn die angepeilte Steuerreduktion von 20-25 Prozent zu bewerkstelligen gedenke, offen. Allein mit einer „zivilisierten Verwaltungsreform“, die wohl darauf hinausläuft, keinem Beamten weh zu tun, und mit der „Zusammenlegung der 22 (sic!) Sozialversicherungsanstalten“ würde es damit wohl nichts werden.

Auf die Frage, welche eingängige Botschaft er für den Wahlkampf wählen wird, antwortete er, dass er mit „Herz, Hirn und Hand“ zur Sache gehen wolle.

Als einer der Anwesenden feststellt, leider keinen essentiellen Unterschied Stronachs zu seinen politischen Mitbewerbern feststellen zu können, da am Ende ja alle für Fairness, mehr Bildung und weniger Armut seien und auch er diese Trommel rühre – noch dazu ohne konkret sagen zu wollen, wo und wie der den Hebel (etwa zur Verwaltungsreform) ansetzen wolle, reagiert er gekränkt. Dass jemand seine ehrlichen Absichten und die Tatsache, dass er „viel Geld da hineingebe“ nicht angemessen würdigt, quittiert er mit spürbarer Entrüstung.

Als der Fragesteller dann nachsetzt und meint, Stronach habe schließlich nur mit dem (Personal-)Aufbau im Zuge der Expansion seiner Betriebe Erfahrung, jetzt aber werde es darum gehen, massiv Personal (Staatsdiener) abzubauen – und da sei es interessant zu wissen, wie er das angehen wolle, greift – und das ist der vielleicht bemerkenswerteste Aspekt des Abends – das Publikum ein und nimmt Partei gegen den Fragesteller. Es bleibt Stronach daher erspart, die Nachfrage zu beantworten. Auch keine der übrigen Fragen wird von ihm klar beantwortet. In einem Punkt allerdings ist er erfreulich direkt: Auf die Frage, was denn im Falle seiner Regierungsbeteilung nun liberaler werde, antwortet er kurz und bündig: „Alles!“

Fazit

Frank Stronach ist ein interessanter Mann, dem eines nicht unterstellt werden kann: mangelndes Selbstbewusstsein. Die mehrfach wiederkehrende Betonung seiner – unstrittig vorliegenden – wirtschaftlichen Erfolge lässt sogar die Einschätzung zu, es mit einer recht selbstverliebten Persönlichkeit zu tun zu haben.

Bezeichnend allerdings ist die bereits geschilderte Reaktion des Publikums, die nur eine Interpretation zulässt: Die von den „Altparteien“ derzeit gelegten Offerten werden als derart miserabel empfunden, dass offenbar jedes neue Angebot, wohl nach der Überlegung: „schlechter als die anderen kann er es gar nicht machen“, dankbar angenommen wird. Der messianisch anmutende Charakter von Stronachs Präsentation, der weitgehende Mangel an Preisgabe konkreter Programmpunkte – vor allem aber das Schweigen über die voraussichtlich an seiner Seite handelnden Personen (die bloße One-man-show eines älteren Herrn sollte es ja doch nicht sein!) – scheinen kaum jemanden zu stören.

Man kann daher mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, Frank Stronachs Partei im kommenden Jahr im Parlament zu sehen. Dies u. a. auch deshalb, weil mit einer wohlwollenden Berichterstattung durch den linken Medienhauptstrom zu rechnen ist, der darauf setzen wird, dass den größten Schaden durch ihn die „rechten Parteien“, ÖVP, FPÖ und BZÖ, erleiden würden. Die „Piraten“ werden auf eine derartige Wahlhilfe aus exakt umgekehrten Gründen wohl verzichten müssen. Für das BZÖ könnte ein Erfolg Stronachs durchaus zum letzten Nagel im Sarg werden.

Sollte der Fall eintreten, dass der Austro-Kanadier für seine Equipe wirklich gute Leute findet (was gegenwärtig einigermaßen zweifelhaft erscheint), wäre das hocherfreulich. Schließlich belebt Konkurrenz das Geschäft und rechts der politischen Mitte ist der Wähler in Österreich ja wahrhaft nicht mit einem Überangebot attraktiver Angebote konfrontiert.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Der Stiefel steckt im Schlamm drucken

Es begann im Jahr 1950: Die damalige italienische Regierung gründete eine sogenannte Cassa del Mezzogiorno. Das Schicksal dieses Süditalien-Fonds ist eine gute, freilich ernüchternde Lehre für die jetzigen Versuche, die südeuropäische Schuldenkrise zu beenden. Denn diese erinnern intensiv an das, was im Süden des italienischen Stiefels schon seit 62 Jahren ohne Erfolg läuft.

Die Propagandisten der nun auch schon drei Jahre laufenden europäischen Rettungsaktionen verteidigen diese mit ganz ähnlichen Argumenten: Der Süden Europas brauche eine kurzfristige Hilfe, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, um an den Norden anschließen zu können, um das nötige Wachstum zu erzielen, um mit dessen Hilfe dann die Schulden rückzahlen zu können – oder zumindest um die noch immer anhaltende Schuldenvermehrung einzubremsen. Und außerdem sei man das den Südländern auch aus paneuropäischer Solidarität schuldig.

Diese Argumente werden seit dem Vorfeld des Mai 2010 regelmäßig wiederholt, als die deutsche Regierung erstmals unter französischem Druck nachgegeben und der ersten „Rettungsaktion“ für Griechenland zugestimmt hat. Dieses Land pocht auch in diesen Wochen so wie damals wieder heftig mit dem Bettelhut in der Hand an die Türen Europas. Es will so wie schon oft in diesen drei Jahren weiteres Geld holen. Man brauche eben noch ein wenig mehr Zeit, bis die Sanierung geschafft sei.

Inzwischen haben auch viele andere Staaten direkt oder indirekt die europäische Solidarität eingefordert und genutzt. Mehrere Schuldenfonds von der EFSF bis zum ESM wurden gegründet; Griechenland wurde bilateral, von der EU und vom Währungsfonds geholfen; und vor allem die EZB hat zugunsten der Schuldenländer die Gelddruckmaschinen angekurbelt: der Geldmarkt wurde mit Krediten zu Billigstkonditionen weit unter der Inflationsrate geflutet; die EZB kaufte mehrmals schon Anleihen von nicht mehr kreditwürdigen Ländern auf; und sie will das nun sogar unlimitiert tun.

Die große Frage ist: Gibt es wenigstens irgendein Anzeichen, dass diese Gelder eines Tages das Versprochene bewirken? Oder werden sie nur in einem Fass ohne Boden versenkt, während Europas Politik mit wenigen Ausnahmen diese längst in die Billionendimension angewachsenen Hilfsaktionen noch immer als alternativlos verteidigt?

Sechs Jahrzehnte kontraproduktiver Rettungs- und Hilfsaktionen

Die Cassa del Mezzogiorno ist ein dramatischer Beweis dafür, dass solche Aktionen schiefgehen müssen. Weil sie psychologisch wie ökonomisch einfach nicht durchdacht, sondern nur politisch motiviert sind.

Tatsache ist: Italiens Süden hat auch 62 Jahre nach der Gründung dieser Kassa nicht den Anschluss geschafft. Ganz im Gegenteil: Die inneritalienische Kluft zwischen Nord und Süd ist sogar noch größer geworden. Obwohl inzwischen nicht mehr Rom, sondern die EU einen Gutteil der Milliardentransfers Richtung Süditalien finanziert, insbesondere über Struktur- und Kohäsionsfonds; obwohl inneritalienisch die Cassa inzwischen durch eine Reihe neuer Hilfsmaßnahmen ersetzt worden ist.

Im italienischen Süden sind mit diesem Geld viele Infrastruktur-Projekte finanziert worden. Es wurden Straßen, große Bewässerungsanlagen und Kraftwerke gebaut. Es gibt Steuerermäßigungen für Investoren und Kredithilfen. Industriekonzerne – etwa die Autofirmen Fiat und Alfa – wurden zum Bau von Fabriken motiviert und dabei kräftig unterstützt. Mit anderen Worten: Das ganze Lexikon möglicher Entwicklungsprojekte und -strategien wurde durchgespielt.

Aber nichts hat geholfen. Viele subventionierten Projekte wurden niemals fertig. Viel Geld verschwand in mafiösen Strukturen. Viele Investoren haben nur die Subvention kassiert, ohne im Süden dauerhafte Perspektiven zu finden. Zugleich sind seither weitere Millionen Menschen aus Süditalien abgewandert. Amerika von den USA bis Argentinien war ein besonders beliebtes Ziel. Auch Südtirol wurde in den Jahren vor Einführung der Autonomie durch den gezielten Import von Süditalienern überschwemmt.

Vier Ursachen eines Zustandes

Wie konnte das alles passieren? Und welche Lektionen kann man daraus für unglaublich ähnliche Problemfälle wie etwa Griechenland lernen?

Ein Hauptgrund ist das Grundübel jeder Förderung (auch der in bestimmten Bereichen durchaus exzessiven in Österreich): Öffentliche wie private Projekte werden oft nicht mehr deshalb ausgeführt, weil sie nach Fertigstellung einen betriebs- oder volkswirtschaftlichen Gewinn und Nutzen versprechen, sondern nur, um die üppigen Förderungen abzuholen und nicht verfallen zu lassen.

Eine weitere wichtige Ursache liegt im Bereich der kollektiven Psychologie. Den geförderten Regionen wurde durch die – von Politik und Medien immer sehr lautstark bejubelten – Hilfsprojekte die klare Botschaft vermittelt: „Nicht wir, sondern jemand anderer (in Rom, in Brüssel, in Berlin) ist verantwortlich dafür, dass es aufwärts geht. Nicht wir, sondern die sind schuld daran, dass es uns schlecht geht.“

Das ist nicht nur falsch, sondern auch in katastrophaler Weise lähmend für die eigentlich notwendig Aktivierung eigener Energien und Verantwortlichkeit. Diese Eigenschaften werden in Süditalien durch den Umstand verstärkt, dass sich die Süditaliener seit eineinhalb Jahrtausenden fast ununterbrochen von ungeliebten fremden Herrschern regiert sehen. Ein grässlicher Höhepunkt war etwa rund um die erste Jahrtausendwende die schutzlose Preisgabe Süditaliens an arabische Sklavenhändler, die sich unter den dortigen Menschen nach Willkür ihre Opfer suchen konnten.

Das fehlende Gefühl von politischer Identität und Eigenverantwortung hängt wiederum eng mit einem dritten Ursachenbereich zusammen: Das ist die schlechte Qualität von Verwaltung und Justiz. Auch hier sitzen viele Menschen nur deshalb in ihren Ämtern, weil sie von irgendjemandem – aus Familie, Dorf oder Partei – mit diesem Job versorgt worden sind. Bis auf wenige Ausnahmen sind diese Amtsträger vor allem bedacht, selber wieder weitere Neffen zu versorgen, oder gar selbst abzukassieren. Und nur bei wenigen Beamten findet sich die in nördlicheren Regionen (in Relation noch immer) viel stärker verbreitete Selbstverständlichkeit von Pflichterfüllung, von Korrektheit, von Effizienz, von Unbestechlichkeit.

Lassen wir die ideologisch belastete Frage beiseite, ob diese Tugenden mehr kulturell oder mehr genetisch fundiert sind. Konstatieren wir einfach offen die diesbezüglichen Defizite.

Diese sind jedenfalls auch die Ursache des vierten Stichwortes. Das ist die nur zeitweise gebremste Machtfülle krimineller Organisationen wie der Mafia bis weit hinein in den Behördenapparat und die Politik. An der Macht dieser Banden ist letztlich jeder Versuch einer Besserung gescheitert.

Alle vier Punkte zusammen scheinen jedenfalls Garantie dafür, dass sich der italienische Süden noch auf Generationen hinaus nicht erholen wird. Und dass alle Hilfsmilliarden mehr schaden als nutzen.

Monti: Ein Stern verblasst

Aber ist nicht im letzten Jahr durch die Reformen der Regierung Monti alles besser geworden? Darauf deutet wenig hin, so laut die Ankündigung dieser Reformen auch bejubelt worden ist.

Typisches Beispiel, wie viel da nach hinten losgeht: Soeben hat Monti ein Dekret erlassen, mit dem illegale Ausländer legalisiert werden können. Von dieser Maßnahme dürften rund 150.000 Menschen profitieren. Diese gutmenschlich gemeinte Maßnahme stößt vor allem im Süden mit seiner großen Arbeitslosigkeit auf die Empörung der Italiener. Denn angesichts der laxen Behörden haben viele Arbeitgeber mit Begeisterung die Illegalen zu Billiglöhnen beschäftigt. Das hat naturgemäß die Arbeitslosigkeit in diesem Teil Italiens noch weiter erhöht.

Das ist nur eine der vielen Maßnahmen, die dafür verantwortlich sind, dass das Image Montis in Italien viel schlechter ist als im Ausland, wo er noch als Reformer gefeiert wird. Monti zieht es wohlweislich vor, bei den bevorstehenden Parlamentswahlen – wieder – nicht anzutreten. Er beobachtet die Dinge lieber als lebenslanges Senatsmitglied erste Reihe fußfrei. Und er wartet darauf, dass sich die verfeindeten Lager wieder einmal nicht einigen können und deshalb er als Neutraler dann noch einmal an die Macht kommt. Dieses Ziel gibt er bisweilen offen zu, bisweilen versucht er es aber auch im Dunklen zu lassen.

Wahlen inmitten einer chaotischen Parteienlandschaft

Die Wahlen dürften noch vor oder nach der Jahreswende stattfinden. Sie stehen unter einem klaren Stern: Alles bewegt sich, alles dreht sich in der Parteienlandschaft. Und nichts ist klar.

Für die bisherige Mehrheitspartei rund um den Langzeitpremier Silvio Berlusconi ist derzeit vor allem interessant, ob sie das Inkrafttreten einer Wahlrechtsreform verhindern kann. Denn das bisherige Wahlrecht bevorzugt die Liste des Mailänder Frauenfreundes und Gerichtsfeindes.

Sicher scheint aber jedenfalls, dass Berlusconi verlieren wird. Ihm wird ein Gutteil der Schuld an der italienischen Krise zugeschoben – obwohl deren Hauptursachen viel früher liegen. Ihm schaden überdies, ebenso wie seinen früheren Verbündeten von der sezessionistischen Lega Nord nicht nur Berlusconis eigene Affären, sondern auch Korruptionsskandale, die erst jetzt unter Monti recht gezielt aufgedeckt worden sind. Mit der Krise der Lega Nord sind auch die Versuche des Nordens – von der Lombardei bis Venetien –, sich vom maroden Süden loszureißen, wohl auf lange zu vergessen. Dennoch ist im Norden dieses Ziel angesichts der süditalienischen Krise nicht aufgegeben.

Aber auch der Gegenseite geht’s nicht wirklich gut. Die Demokratische Partei wird trotz etlicher Umbenennungen seit vielen Jahren nicht fertig damit, dass sie ein wildes Sammelsurium von Kommunisten, Sozialisten, Antiklerikalen,  Linkskatholiken, alten Selbstdarstellern und einigen neuen liberalen Elementen ist. Deren gemeinsamer Nenner war lediglich die Gegnerschaft zu Berlusconi, nicht ein gemeinsames Programm. Berlusconi aber ist jetzt weg. Damit verspricht auch diese Partei selbst im unwahrscheinlichen Falle eines Wahltriumphs nicht gerade eine kraftvolle Führung Italiens, geschweige denn die dringend notwendigen, aber unpopulären Reformen.

Neben diesen zuletzt dominierenden Blöcken sind die einstigen Traditionsparteien verschwunden. Dafür treten ständig neue Bewegungen auf. Dazu gehört etwa die Fünf-Sterne-Partei eines Kabarettisten. Dieser lässt sich politisch gar nicht wirklich einordnen, weil er hinter ein paar gut über die Bühne gebrachten populistischen Sagern und vielen Worten ganz bewusst nie konkret wird (das muss neuerdings ja auch manchem Österreicher vertraut vorkommen). Das hat diesem Beppe Grillo aber im letzten Jahr einige regionale Erfolge gebracht.

Und da gibt es schließlich auch noch eine neue bürgerliche Gruppierung rund um gemäßigte Überreste der Christdemokraten und den einstigen Berlusconi-Partner Fini, dessen Abgang der Beginn von Berlusconis Abstieg gewesen ist. Sie kann sich ebenso wie Grillo etliche Hoffnungen machen. Eine klare regierungsfähige Mehrheit zeichnet sich aber nirgends ab.

Halbe Mittel zu halben Zielen

Damit scheinen Chaos und Durcheinander auch für die Zukunft programmiert. Zwischen hoher Staatsverschuldung und der im Norden noch immer ganz gut funktionierenden Wirtschaft findet das Land keinen trockenen Boden in schlammiger Landschaft. Montis Reformen erweisen sich immer mehr als halbe Mittel zu halben Zielen. Und jeder kurzfristige Lichtblick – etwa zeitweise sinkende Zinssätze – führt sofort zu einem verbreiteten Aufatmen und Nachlassen der Reformanstrengungen.

Dabei ist Italien alles andere als über den Berg. Die von einstigen katholisch-sozialistischen Koalitionen verschuldeten Exzesse des Sozialstaats (üppiges Pensionssystem, hoher Staatsanteil in der Wirtschaft, Unkündbarkeit von Mitarbeitern, erdrückende Bürokratie, breite Sozialleistungen) sind nicht substanziell beseitigt worden. Daher bleibt die Stimmung im Land depressiv. Und erst recht tut sie das bei allen potentiellen Geldgebern.

Drei anschauliche Indizien sollen das düstere Bild des herbstlichen Italiens abrunden: Erstmals wurden jetzt im Autoland Italien mehr Fahrräder als Autos verkauft. Die Arbeitslosigkeit ist – trotz oder „dank“ Monti? – von 8,4 auf 10,7 Prozent gestiegen. Und drittens haben die Italiener einen neuen Sündenbock gefunden. Der ist zufällig der gleiche wie für die Griechen: nämlich Deutschland. 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Unsere tapferen Krisenregulierer drucken

Die Europäische Union glaubt, nun endlich die Ursache der Finanzkrise erkannt zu haben: Nach dem heldenhaften Kampf gegen die sogenannten Leerverkäufe verbietet nun eine Richtlinie den schnellen Online-Handel mit Finanzprodukten. Diese müssen künftig wenigstens 500 Millisekunden lang gehalten werden.

Die Politik klopft sich gegenseitig auf die Schultern. Und ignoriert die Anmerkungen von Ökonomen. Markus Fichtinger, einer der brillantesten jungen Österreicher aus dieser Branche, hat die EU-Aktion im Internet treffend wie zynisch so kommentiert: „Das Hauptproblem der Finanzlage Griechenlands, Portugals, Spaniens oder Irlands war sicher bisher, dass deren Anleihen in 499 Millisekunden weiterverkauft wurden. Die Idiotie in der Bürokratie kennt offenbar wirklich keine Grenzen (frei nach Einstein).“

Wie Don Quijote reiten diese Politbürokraten aber gleich gegen weitere imaginäre Windmühlen an: Besonders populäres Angriffsziel ist das Universalbanken-Modell. Die Regulierwütigen träumen davon, dass man das Bankgeschäft in gute, risikolose Aktionen und in böses, spekulatives Investmentgeschäft trennen kann. Schön wäre es, wenn man solcherart Krisen verhindern könnte. Aber der Vorschlag zeigt nur totale Ahnungslosigkeit.

Denn erstens ist die Krise zu 90 Prozent politisch verursacht (zu hohe Staatsdefizite, zu viel Geldproduktion, zu starke Eingriffe ins Wirtschaftsleben wie etwa durch die Anordnung der amerikanischen Regierung, auch Nichtkreditwürdigen satte Hypothekenkredite zu geben). Denn zweitens sind etwa in Deutschland und Österreich überwiegend staatlich oder politisch geleitete Banken ins Schleudern gekommen (insbesondere die von Provinzkaisern kontrollierten Landesbanken), kaum die bösen Kommerzbanken. Denn drittens ist die Krise fast jedesmal aus dem ganz simplen Retailbank- und nicht dem Investment-Geschäft entstanden.

Dabei scheint es für Laien keine solidere Sache als die Entgegennahme von Spareinlagen zu geben und im Gegenzug die Verleihung von Geld, mit dem sich jemand ein Haus kaufen oder bauen kann.

Jedoch sind genau bei diesen simplen Retail-Geschäften die Katastrophen passiert: Wenn die Immobilienpreise plötzlich nicht mehr ständig hinauf, sondern steil hinuntergehen, dann passiert es eben. Dann platzen reihenweise die Kredite, dann werden die immobilen Pfänder in den Händen der Bank plötzlich wertlos. Das war bei der amerikanischen Subprime-Krise so, wo niemand mehr eine Hütte in Unterschicht-Bezirken kaufen wollte. Und das ist derzeit in Spanien so, wo zu Zehntausenden Appartments an den spanischen Küsten ohne jede Chance auf Abnehmer dastehen. Ähnliches passiert in einer Rezession mit allen Gewerbe- und Industrie-Krediten gleichzeitig.

Nichts davon kann durch irgendeine politbürokratische Regulierung künftig verhindert werden. Es sei denn: Es bekommt nur noch der einen Bankkredit, der ihn gar nicht braucht, weil er eh genug Geld hat.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Von Grimm und vom Grimm drucken

Tischlein deck’ dich zu verheißen,
um die Wähler mitzureißen,
scheint bewährt seit langer Zeit,
und bedrängt von ihren Paten
sind selbst gute Demokraten
jedes mal dazu bereit.

Dumm ist bloß, dass diese Knaben
keine Goldkack-Esel haben,
und versprochen wird auf Pump,
laufend wächst die Last der Zinsen,
mehr und mehr geht in die Binsen,
Hand in Hand werkt Lump mit Lump.

Denn statt viel herumzureden,
ziehn im Hintergrund die Fäden
wahre Meister ihres Fachs –
und verdutzt, statt was zu ahnen,
merken jäh die Untertanen
Goldmans Knüppel aus dem Sachs!

Die Hellenen, die Iberer
und auch andre Schuldenmehrer
trifft’s bereits mit aller Macht,
allerdings nur kleine Leute –
Lumpen haben ihre Beute
längst ins Trockene gebracht.

Doch nicht wie im Märchen, leider,
siegen heut’ die Beutelschneider,
denn in ihrem Solde stehn
weltweit viele Lügenziegen,
die selbst Krümmstes grade biegen
und das Wahre kalt verdrehn.

Volkes Wut kann drum mitnichten
sich auf Drähtezieher richten,
die ja keiner offen nennt,
und dass Lügner für ihr Treiben
völlig ungeschoren bleiben,
ist in dem Fall konsequent!

Manches – ganz im Sinn der Planer –
wird auf Geber und auch Mahner
weiter nördlich umgepolt,
auf ein Feindbild, das man bieder
je nach Laune immer wieder
aus der Mottenkiste holt.

Und man weiß, dass umerzogen,
selbst wenn tausendmal betrogen,
dort sie keine Meuterei
gegen Zwangsverträge wagen,
sondern lieber Lasten tragen –
murrend, aber schrecklich frei…

Pannonicus 

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Wegbereiter drucken

Die Euro-Endsieg-Zuversicht
ist manchen nicht zu rauben,
und standhaft wollen drum sie nicht
an Katastrophen glauben.

Sie denken, erstens wär’s gemein,
zum zweiten kann’s mit Krisen
bei uns hier nicht so schrecklich sein –
und sehn es nun erwiesen:

Denn Mehmet will zurück ins Land,
aus dem er einst entflohen,
als brüsk man schuldig ihn befand
für Prügeln und Bedrohen.

Zwar klappt sein Plan nicht einfach so
nach all den Vorgeschichten,
doch Grüne, Caritas und Co.,
die werden’s ihm schon richten.

Zu Hilfe gar kommt indirekt
ein türkischer Minister –
mit seiner These nämlich schreckt
er mächtig die Philister:

Die Visum-Pflicht für Türken sei
ja Menschenrechtsverletzung!
Da nicht halal, taugt Schweinerei
hier nicht zur Übersetzung.

Doch wenigst ist damit der Gang
nach Straßburg vorgegeben,
und Mehmet könnte frei nach Drang
recht bald am Wunschort leben:

Denn will das Menschenrechtsgericht
sich wieder mal bewähren,
wird wohl es Visa-Freiheit schlicht
für jedermann erklären!

Pannonicus

(Der Serienstraftäter Mehmet will zurück nach München, von wo er sich 2005 vor Strafantritt in die Türkei abgesetzt hatte. – Der türkische Wirtschaftsminister Zafer Caglayan bezeichnete in Wien die Visum-Pflicht für Türken als Menschrechtsverletzung.)

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Maastrichtkriterien & Staatsquote 2010 & 2011 drucken

Defizit, Staatsverschuldung & Abgabenquote 2010 & 2011 in Prozent

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Die Angst da oben vor dem Volk da unten drucken

Es ist erschreckend. Immer öfter hört man aus den verschiedensten Ecken den Ruf nach einer eigentlich längst für tot gehaltenen Figur: Der Ruf gilt dem „wohlmeinenden Diktator“. Besonders in der Klimadebatte, aber auch rund um die europäische Schuldenkrise wird laut nach ihm verlangt. Die Demokratie versage, ein Diktator sei die bessere Lösung. Wobei jeder Rufer freilich davon ausgeht, dass dieser Diktator die Meinung des Rufers teilt und durchsetzt. Jeder andere Diktator wäre zweifellos sofort ein böser und kein „wohlmeinender“ mehr.

Besonders deprimierend ist, dass sich kaum noch jemand diesen Frontalattacken auf die Demokratie entgegenstellt. Die Befürchtung wächst, dass das nicht deshalb geschieht, weil Demokratie ohnedies tief verankert und selbstverständlich ist, dass solche Vorschläge an ihr abperlen müssen. Vielmehr ist eine wachsende Demokratie-Müdigkeit zu konstatieren.

Ganz unverblümt hat dieser Tage etwa der norwegische Professor Jorgen Randers den Ruf nach einem Diktator ausgestoßen. Er ist einer der Chefberater des Club of Rome, eines überaus einflussreichen grünen Thinktanks. Seine Forderung: Es brauche eine Diktatur auf Zeit, um den Anstieg von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre zu beenden; die Parlamente könnten solche Probleme nicht lösen.

Erstaunlich ähnlich sind viele zum Teil schon realisierte Therapieanssätze in der Schuldenkrise. Der italienische Ministerpräsident Mario Monti etwa ist ja nichts anderes als ein solcher wohlmeinender Diktator; er regiert, obwohl er von niemandem gewählt worden ist. Auch in Griechenland herrschte nach Ausbruch der Krise eine Zeitlang eine nie gewählte Regierung. Ebenso wird die regelmäßig in die diversen Krisenstaaten anreisende Troika aus EZB, Währungsfonds und EU-Kommission von vielen als Diktatur verstanden. Umgekehrt fühlt sich auch die große Mehrheit der Deutschen und Österreicher angesichts der von ihnen abgelehnten Politik einer de facto unbegrenzten Übernahme fremder Schulden zunehmend von einer Diktatur regiert.

Gewiss sind all diese Fälle in vielen Details unterschiedlich. Aber überall sind es nicht die Bürger, sondern nur eine Elite, nur einige Profiteure, die diese Formen einer Diktatur als wohlmeinend empfinden.

Sind aber nicht viele dieser Fragen in der Tat zu kompliziert, um sie demokratisch, also durch die Bürger selbst entscheiden zu lassen? Dass die richtige Antwort auf die Schulden-Krise oder auf Klima-Fragen schwierig ist, sei unbestritten. Tatsache ist aber auch, dass in beiden Bereichen auch alle Abgeordneten und Minister ahnungslos sind. Sie antworten nur mit leeren Phrasen, wenn sie von Bürgern kritisch angesprochen werden. Dabei sind ja sie es, die die Entscheidungen treffen, weil die Fragen zu komplex für die Bürger wären. Der Kern dieser Phrasen ist dann immer die Berufung auf meist ungenannt bleibende Experten.

Tut Erwärmung der Erde gut?

Nun ist aber Tatsache, dass es auch unter den jeweiligen Experten die unterschiedlichsten Einschätzungen gibt.

Zehntausende Naturwissenschaftler haben sich etwa öffentlich gegen die offizielle These der globalen Erwärmung gestellt. Ein Teil von ihnen weist die Behauptung zurück, dass die tatsächlich stattfindende Erderwärmung (die es in der Erdgeschichte schon oft und auch in stärkerem Ausmaß gegeben hat) Schuld der Menschen sei. Der andere Teil wiederum arbeitet unabhängig von der Schuldfrage heraus, dass Erwärmungsphasen der Erdgeschichte alles in allem exzellente Perioden für die Menschheit, deren Ernährung und die Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt gewesen sind.

Beim Finanzthema wiederum gibt es Hunderte Spitzenökonomen, welche die europäische Politik einer sich ständig steigernden Übernahme fremder Schulden vehement kritisieren. Unter den deutschsprachigen Wirtschaftsexperten, die nicht von Regierungen, Parteien oder Lobbies (etwa durch „Forschungsaufträge“) abhängig sind, bilden diese Kritiker zweifellos die Mehrheit.

Das ist nun in beiden Fällen sicher noch kein Beweis, dass diese Experten und nicht die von der Regierung bestellten Recht haben. Das ist aber sehr wohl ein Beweis übler Manipulation, wenn die Regierungen so tun, als ob die Meinungen der Experten kongruent wären.

In beiden Themen gilt aber: Weder die eine Seite noch die andere kann ihren Standpunkt mit der in exakten Wissenschaften notwendigen Schärfe und Klarheit beweisen. Aber am Schluss sind es immer die Menschen, welche die Konsequenzen zu tragen haben.

Die Dominanz des Herrschaftsinteresses

Daher kann es überhaupt keinen Grund geben, die Gefahren, Chancen und Wahrscheinlichkeiten unterschiedlicher Strategien nicht in aller Offenheit mit den Bürgern zu diskutieren. Dazu braucht es ganz gewiss eine intensive Debatte, in der alle Experten – nicht nur die gekauften und abhängigen – vor den Bürgern ihre Meinung deponieren können. Wozu gibt es schließlich öffentlich-rechtliche Medien, die viel an Zwangsgebühren kassieren? Um solche Diskussionen – etwa vor einem Referendum – zu ermöglichen, wären aber auch die vielen Steuergelder besser eingesetzt, die weiterhin auf diversen dunklen Inseraten- und Kooperations-Kanälen in bestimmte Printmedien fließen.

Aber statt dass solche offene Diskussionen ermöglicht werden, wird mit der angeblichen Überlegenheit von Experten-Wissen von oben über die Menschen drübergefahren. Aus gutem Grund. Denn gerade in diesen Fragen dominieren die Herrschaftsinteressen der politischen Klasse und die Experten sind nur deren Wasserträger.

Politiker wollen beim nächsten Wahltag wiedergewählt werden. Da ist es ihnen völlig gleich, ob sie irgendwann einmal – wenn sie vielleicht schon tot sind – in der Sache recht bekommen. Daher entscheiden sie sich immer für die kurzfristig nützliche Variante und nie für das, was langfristig am besten wäre. Daher lassen sie immer nur jene Experten zu Wort kommen, die ihren kurzfristigen Interessen dienen.

Konkursverschlepper

Daher schieben sie wie ein zusammenkrachender Unternehmer jeden Gedanken an den Bankrott immer wieder beiseite. Obwohl der zumindest in Hinblick auf Griechenland längst hätte eingestanden werden müssen. Die Politik kann mit dieser Konkursverschleppung (bei einem Unternehmer oder Bürger ein kriminelles Delikt!) die unvermeidlichen Folgen des Bankrotts hinausschieben, die vom Dominoeffekt des Ausfalls griechischer Kreditrückzahlungen bis hin zur großen Blamage für die Staatenlenker reichen. Sie kaufen freilich Zeit nur durch eine gigantische Vermehrung des Risikos. Am Schluss sind dann die Folgen des lange verheimlichten Bankrotts viel dramatischer und gehen weit über Dominoeffekte und Blamage hinaus.

Aber vorerst gelingt es ihnen eben noch, das hinauszuschieben. Dazu nehmen sie Schulden über Schulden auf, pressen immer mehr Steuergeld aus den Menschen heraus, und lassen hemmungslos neue Banknoten drucken. Dass damit die Folgen des unvermeidlichen Konkurses noch viel katastrophaler sein werden, dass dieser hinausgeschobene Konkurs dann nicht mehr nur Griechenland, sondern zwangsläufig immer mehr Länder erfassen wird, ist ihnen egal. Hauptsache, sie können noch einmal schnell die nächsten Wahlen gewinnen. Oder zumindest den Mandatsverlust in Grenzen halten.

Ganz ähnlich ist das Selbstverständnis der Spitzenmanager großer Banken und Unternehmen. Sie wissen alle, dass die Schuldenpolitik mit Sicherheit in einen Mega-Crash führen muss. Aber so mancher Spitzenmanager denkt sich ähnlich den Politikern: Dass EZB und Regierungen den Konkursantrag hinausschieben – wenn auch nur durch unverantwortliche neue Schulden, Haftungen und Gelddruckaktionen –, ist gut für den eigenen Bonus. Jetzt kann man noch ein paar Monate länger ohne die schockartigen Auswirkungen eines Staatsbankrotts (oder mehrerer) die eigenen Geschäfte fortsetzen. Jetzt gibt es noch einmal ein brauchbares Bilanz- oder Quartals-Ergebnis.

Der wohlmeinende Monti regiert im luftleeren Raum

Regierungen wie so manche Bankchefs (siehe etwa die Aussagen der Bank Austria) handeln daher alles andere als reinen und ehrlichen Herzens. Sie berufen sich aber dennoch auf die angebliche Überlegenheit ihres „Experten“-Wissens.

Die Schuldenkrise ist der beste Beweis, dass echt demokratische Prozesse zu besseren, jedenfalls ehrlicheren Ergebnissen führen würden als die interessengesteuerten „Experten“- und Eliten-Entscheidungen.

Ein hervorragendes Beispiel für das schlechte Funktionieren autoritärer Entscheidungen ist Italien: Auch ich war anfangs von vielen Ankündigungen und Vorhaben Mario Montis begeistert. Aber von Woche zu Woche zeigt sich mehr, dass ein Monti von oben nicht die Realität der italienischen Gesellschaft an der Basis verändern kann. Verwaltung, Gewerkschaften, Wirtschaft und Bürger des Apenninlandes wissen nämlich: Der Mann ist ohnedies bald wieder weg. Daher werden zwar die meisten von Monti verlangten Gesetze beschlossen, aber mangels des entscheidenden bürgergesellschaftlichen Konsenses nicht wirklich angewendet.

Ähnliches hatte man auch in Griechenland beobachten können: ein paar Prozesse, ein paar Razzien, wenn gerade ausländische Journalisten da sind, aber keine wirkliche Änderung des Landes. Solange andere zahlen, wird man sich doch wegen des Geredes von Diktatoren auf Zeit nicht ernsthaft ändern.

Die Interessen der Experten

Auch in der Klima-Debatte dominieren viele auf den ersten Blick nicht sichtbare Interessen im Hintergrund.

Da gibt es etwa das Interesse von Wissenschaftlern an hohen Forschungs-Förderungen, die man durch möglichst dramatisierende, wenn auch unbewiesene Behauptungen über  Erwärmungs-Katastrophen in Fünfzig Jahren lukrieren kann. Da gibt es das Interesse der Alternativenergie-Industrie an Aufträgen. Da gibt es das Interesse der Atomwirtschaft an ihren im Vergleich zum behaupteten CO2-Weltuntergang harmlos erscheinenden Kraftwerken. Da gibt es das Interesse vieler Industriesparten an Absatzförderung durch angeblich klimafreundliche Gesetze, wie etwa denen über ein Verbot der billigen Glühlampen. Und last, not least ist die Klimapanik für Politiker ein ideales, ethisch wertvoll klingendes Argument, um Gebühren und Steuern erhöhen zu können, um weitere Macht zu akkumulieren.

Gewiss ist es auch für den Einzelnen nicht leicht, sich zwischen all diesen Desinformationen zu bewegen und der Wahrheit näherzukommen. Man denke nur an die esoterischen und verschwörungstheoretischen Unsinnigkeiten, die in machen NGOs verbreitet werden. Aber es kann dennoch kein Zweifel sein: Den diversen Lobbies gelingt es in politischen Hinterzimmern leichter als in aller Öffentlichkeit, ihre Interessen durchzubringen. Daher kämpfen sie nicht nur gegen eine Vertiefung der Demokratie etwa durch obligatorische Referenden, sondern sogar für eine Knebelung der gegenwärtigen ohnedies nur repräsentativen Demokratie.

Demokratie: Der Prozess ist wichtiger als das Ergebnis

Das treffendste Zitat zur Verteidigung der Demokratie hat dieser Tage der tschechische Präsident Vaclav Klaus formuliert: „Vor allem nach unserer Erfahrung aus dem Kommunismus wissen wir sehr gut und vielleicht besser als die Menschen in Westeuropa, dass der Demokratieprozess wichtiger als das Ergebnis ist.“

Selbst wenn sich die eine oder andere Entscheidung einer echten Demokratie eines Tages als Fehler erweisen sollte, ist dieser Fehler für die Bürger eher erträglich als Fehler von über sie drüberfahrenden Machthabern. In Demokratien sind Fehler vor allem viel leichter behebbar; niemand muss ja dort als allwissender Herrscher auftreten und daher aus Angst vor einem Gesichtsverlust an falschen Entscheidungen festhalten.

Auch die restliche Geschichte jenseits der besonders üblen, aber sich selbst als wohlmeinend ausgebenden Kommunisten lehrt: So mancher Diktator fängt zwar „wohlmeinend“ an, aber fast jeder wird noch sehr übelmeinend, sobald er merkt, dass die Menschen anders denken als er. Und jedenfalls sind für einen Diktator (und insbesondere seine unmittelbare Umgebung) die Verlockungen der Macht viel zu groß, als dass er sich nicht rasch daran gewöhnen und sie auch mit brutalen Mitteln verteidigen könnte. Die Beispiele eines völlig freiwilligen Verzichts auf Macht sind rar. 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Geldpolitik: Totale Niederlage der Liberalen drucken

Die Geschichte der Kassandra ist bekannt. Sie sah das Unheil kommen und warnte davor – doch keiner wollte ihr glauben. Am Ende teilte sie das traurige Schicksal der verblendeten Trojaner, die nicht auf sie hörten. Sie fand ein tragisches Ende.

In einer davon möglicherweise nicht ganz verschiedenen Lage befinden sich heute jene Liberalen, die seit Jahr und Tag vor den Gefahren einer immer stärkeren Zentralisierung politischer Institutionen, einer damit verbundenen, immer massiveren Machtakkumulation und einer von den politischen Eliten erzwungenen europaweiten Gleichmacherei warnen. Keiner will ihre Botschaften hören – ja man greift sie für ihre Skepsis gegenüber der Hybris der Eurokraten sogar unentwegt an. Sollten sie mit ihren Mahnungen am Ende recht behalten, wird man ihnen wohl vorwerfen, „selbst-erfüllende Prophezeiungen“ in die Welt gesetzt und damit die Schuld am absehbaren Finanzdebakel auf sich geladen zu haben. Ihre „Sehergabe“ wird ihnen daher nicht helfen.

Besonders in Fragen der Geldpolitik stehen die auf dem Boden der „Österreichischen Schule“ stehenden Mahner auf verlorenem Posten. Der illusionäre Glaube weiter Teile der Wählerschaft – insbesondere aber der Regierenden, der Zentralbanker und der Hauptstrommedien – mittels der Notenpresse strukturelle, volkswirtschaftliche Defizite beheben zu können, ist übermächtig. Der deutsche Ökonom Christoph Braunschweig hat dafür den Begriff eines „fatalen Teufelskreises aus Politikerversprechen und Wähleransprüchen“ gefunden. Ein Entzug der Droge „billiges Geld“ scheint inzwischen politisch nicht mehr durchsetzbar, wenn nicht völlig unmöglich geworden zu sein.

An kritischen Stimmen fehlte und fehlt es indessen nicht. Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Milton Friedman sagte bereits vor Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung deren Scheitern voraus. Er meinte außerdem: „Eine Währungsunion, die unter ungünstigen Bedingungen oktroyiert wird, wird sich als Hindernis für das Erreichen von politischer Einheit erweisen." Das Urteil darüber, ob es eher einen Schaden oder einen Segen bedeutet, der politischen Einheit (Europas) Hindernisse in den Weg zu legen, hängt indes stark vom Standpunkt des Betrachters ab. Angesichts des manischen Aktionismus´ der Eurokraten, die immer neue Ge- und Verbote produzieren und die Reste der Freiheit immer mehr ersticken, ist es kein Wunder, dass etwa in Deutschland bereits eine Mehrheit der Bürger für einen Ausstieg aus dem Albtraum Euro plädiert.

Faktum ist, dass die, wie Friedman es formulierte, „oktroyierte Währungsunion“ eine ganze Reihe von Problemen geschaffen hat, derer die Union bis heute nicht Herr werden konnte. Der martialische Sprachgebrauch im Kampf gegen die Krise, in der u. a. der Einsatz einer „Bazooka“ und die „Erhöhung der Feuerkraft“ der zum Einsatz kommenden Instrumente gefordert wird, zeigt auf erschreckende Weise, welcher Geist in den Politbüros herrscht: Man wähnt sich im Krieg! Die Erkenntnis, dass der Wohlstand der Nationen nicht von todesmutigen Bomberpiloten und Panzermännern, sondern von tüchtigen Ingenieuren, Facharbeitern und Kaufleuten geschaffen wird, scheint den militarisierten Machthabern vollständig abhanden gekommen zu sein.

Der Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH, Thorsten Polleit, kommentierte bereits im Juli dieses Jahres: „Die Notenbanken sind auf einem gefährlichen Weg, der in einer Hyperinflation enden muss.“ Das war – wohlgemerkt – noch vor dem Beschluss der EZB, „unbegrenzt“ Staatsanleihen aufkaufen zu wollen und noch ehe das Deutsche Bundesverfassungsgericht sein unheilvolles Urteil zum ESM, mit dem wohl das endgültige Ende seriöser Budgetpolitik in Euroland besiegelt wurde, gefällt hat.

Die Größenordnungen, um die es geht, sind Schwindel erregend. Insgesamt wurden von den wichtigsten Notenbanken der Welt, der FED, der EZB, der Bank of England und der Bank of Japan, seit Ausbruch der Krise im Jahr 2008 rund sechs Billionen Dollar aus dem Nichts geschaffen und zum Großteil in Staatsanleihen „investiert“. Es ist wichtig zu sehen, das diesen gewaltigen, neu geschöpften Geldsummen keinerlei Zuwachs an realen Werten gegenübersteht!

Polleit warnt folgerichtig davor, die Inflationsgefahr zu unterschätzen. Die derzeit relativ niedrigen Teuerungsraten wären allein auf die flaue Weltkonjunktur zurückzuführen, welche die Wirkung der expansiven Geldpolitik derzeit noch begrenzen würde. In der Tat ist mit einer galoppierenden Inflation erst ab dem Zeitpunkt zu rechnen, an dem das ins Finanzsystem gepumpte Geld in großen Mengen die Realwirtschaft erreicht. Gegenwärtig beschränkt sich die Teuerung noch auf Aktien und den Immobiliensektor. Die Börsen nehmen jede Ankündigung weiterer Geldmengenausweitungen freudig auf und reagieren – trotz einer unverändert prekären Lage der Weltwirtschaft – mit Kursfeuerwerken.

Ob der dräuenden Gefahr der Geldentwertung, „flüchten“ verunsicherte Anleger außerdem in scheinbar sichere Immobilienanlagen und in Gold und Rohstoffe. Irgendwo muss ihr Geld ja schließlich platziert werden. Dass allerdings selbst in den Hauptstrommedien zuletzt vermehrt Kommentare erscheinen, die vor der Inflationsgefahr warnen, sollte zu denken geben…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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EU-Kommissar fordert Eurobonds und damit das Ende der EU drucken

Es gibt viele Arten, sich einen Tag so richtig zu vermiesen. Man könnte aus dem Bett fallen und sich den Fuß brechen. Man könnte seine Steuererklärung machen. Oder man liest das Interview mit dem EU-Kommissar für Beschäftigung und Soziales, Laszlo Andor, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Der Text fängt schon mal damit an, dass der Berater der ehemaligen sozialistischen Regierung in Ungarn Deutschland die Schuld an der Krise in die Schuhe schiebt, weil dieses sich erdreistet, zu wettbewerbsfähig zu sein. Der sprichwörtliche Fleiß der Deutschen verstärke die Ungleichheiten in der Eurozone. Darum bräuchten wir unbedingt „Eurobonds“, also EU-weite Staatsanleihen.

Staatsanleihen (Government Bonds) wurden erstmals ausgegeben von der Bank of England Ende des 17. Jahrhunderts. Die Regierung brauchte kurzfristig viel Geld für einen Krieg mit Frankreich, das sie sich von ihren Bürgern über Anleihen ausborgte und Jahrzehnte später, wenn der Krieg vorbei ist, mit Zinsen zurückzuzahlen gedachte. In der Zwischenzeit können die Bürger diese Anleihen an der Börse nach Herzenslust kaufen und verkaufen. Die Zinsen errechnen sich versicherungsmathematisch nach dem Ausfallsrisiko – sprich je höher das Vertrauen, dass diese Schulden nach Ablauf der Anleihe tatsächlich bedient werden, desto niedriger die Zinsen.

Dieser Zusammenhang ist für den Ausgang von Kriegen und als Auslöser von Revolutionen weitaus entscheidender, als Historiker gemeinhin annehmen. Aber bleiben wir bei der Gegenwart. Seit dem zweiten Weltkrieg haben moderne Staaten die völlig neue Angewohnheit, in Friedenszeiten neue Schulden zu machen – besser bekannt als „Wohlfahrtsstaat“ –, statt nur die vom letzten Krieg zu bezahlen. Die Staatsanleihen finanzieren also nicht mehr das kurzfristige Engagement eines Krieges, das im Frieden über Steuern zurückbezahlt wird. Sie füllen die Lücke zwischen Steuereinnahmen und den allseits beliebten Beglückungen des auf Ewigkeit angelegten Sozialstaates.

Für die Zinsen ist es nun entscheidender denn je, wie ein Staat strukturell aufgestellt ist. Unsere Sorgenkinder im Süden zahlen etwa doppelt so viel wie wir, weil ihre Steuereinnahmen niedriger sind, ihre Sozialsysteme defizitärer laufen, ihre Staatsverschuldung höher ist und ihre Wirtschaft weniger wettbewerbsfähig ist. Was tun? Man könnte sich nun die „reicheren“ Länder im Norden zum Vorbild nehmen. Oder man führt erst mal Eurobonds ein, damit alle Staaten von Deutschland bis Griechenland gleich viel Zinsen zahlen und es am Kapitalmarkt wurscht ist, ob ein Staat sich ernsthaft bemüht, seinen Haushalt halbwegs in Ordnung zu halten.

Griechenland und Konsorten sind mit dem ESM fürs erste aus dem Schneider. Jedes Wirtschaftswunder braucht seinen Marshall-Plan. Profitieren wir nicht letztlich alle, wenn stabile Volkswirtschaften ihren Nachbarn kurzfristig unter die Arme greifen, damit sie wieder auf die Füße kommen? Mit den Eurobonds könnten sie auch wieder billiger Kredite aufnehmen.

Aber: Würden sie dieses Kapital nützen, um ihre strukturellen Probleme zu lösen, Reformen durchführen, um langfristig wettbewerbsfähiger zu werden?

Nicht die Spur! Die tun nicht mal als ob! Stattdessen „empfiehlt“ die EU-Kommission Deutschland de facto, seine Wirtschaftsleistung zu drosseln. Damit es die anderen nicht so schwer haben. Und sollte sich Deutschland nicht an wirtschaftspolitisch grandiose Vorschläge der Kommission halten, wünscht sich der ungarische Kommissar wörtlich „die nötigen Mittel, um gegen die Staaten vorzugehen, die nichts gegen die Ungleichheit im Euroraum unternehmen“.

Dieses Mittel will nicht im gesamteuropäischen Interesse Staatshaushalte genauer kontrollieren, damit die Gemeinschaft früher einschreiten kann, wenn Griechenland mit den Budgetzahlen mogelt. Nein, es soll den Deutschen auf die Finger klopfen, dass diese bitte ihre Wirtschaft an die Wand fahren sollen.

Die EU sollte den Frieden sichern, indem sie Wohlstand fördert und nicht vernichtet. Wenn sie diesen Pfad verlässt, verliert sie ihre Existenzberechtigung.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz). 

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Im Namen des Volkes: Karlsruhe hat die ESM-Klagen abgewiesen drucken

Fürst Charles Maurice de Talleyrand, Minister Napoleons und einer der geistreichsten Zyniker, die je Gottes Erdboden betraten, hat recht: „Die Justiz ist die Hure der Politik“. Die Richter des deutschen Bundesverfassungsgerichts machten mit ihrem Urteil vom 12. September 2012 für Deutschland den Weg in den Schuldensumpf frei, aus dem es nie mehr herauskommen wird.

Deutschland bebt vor Wut. Eine Leserin schreibt für das Minutenprotokoll der FAZ unter größter Zustimmung unmittelbar nach dem Urteilsspruch: „Deutschland wurde soeben zu Grabe getragen, mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichtes. Denn die Haftungshöhe kann der deutsche Gouverneur jederzeit erhöhen. Dass der Bundestag mal dagegen stimmt, werden wir nicht erleben.“

Noch einen Tag vor dem Urteil prophezeite der in London lehrende EU-Verfassungsrechtler  Gunnar Beck, dass Karlsruhe den ESM-Vertrag mit ein paar Auflagen, die nicht wehtun, billigen werde, obwohl er völlig rechtswidrig sei.[i]

Eine der ersten spürbaren Wirkungen war, dass sich während der Urteilsverkündung die Zinsen für deutsche Staatsanleihen verdoppelten, die für italienische und spanische aber sanken. Den deutschen Steuerzahler kostet also der Spruch gleich einmal 6 Milliarden Euro pro Jahr. Dem vom Bundesverfassungsgericht angesprochenen Verbot des Aufkaufs von Staatsanleihen durch die EZB widersprach Präsident Draghi schon am nächsten Tag: Das Bundesverfassungsgericht habe unrecht, und er werde sich nicht an das Verbot halten.

Und auch die vom BGH für Deutschland eingezogene Haftungsobergrenze von 190 Milliarden hielt näherer Prüfung nicht stand. Die Gesamthaftung Deutschlands aus der Währungsunion dürfte bereits die Billionen-Grenze überschritten haben. Allein das zehnmal kleinere Österreich haftet bereits mit 81 Milliarden Euro, wie Professor Hans-Werner Sinn vorgerechnet hatte[ii].

In Griechenland wurden inzwischen über 750 Milliarden Euro vernichtet oder zur Entsorgung bereitgestellt.[iii] Die am Tage nach der Urteilsverkündung in Zypern zusammengetretenen Finanzminister haben „angedeutet", Reform- und Sparprogramme zeitlich zu „dehnen". Erleichterungen sind auch für Irland und Portugal in Aussicht gestellt. Spanien gegenüber wird man bei Vereinbarungen über die „Konditionalität" von Hilfskrediten die Schärfe nehmen.

Die traurige Bilanz, dass von 17 Mitgliedern der Eurozone in Bälde jetzt schon fünf (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Zypern) die diversen Rettungsschirme in Anspruch nehmen und weitere vier auf der Kandidatenliste stehen (Slowenien, Italien, Frankreich, Belgien), bietet selbst den Euphorikern wenig Anlass zur Freude. Nüchterne Beobachter der politischen Szene sind mit dem Tschechischen Ministerpräsidenten Vaclav Klaus davon überzeugt: „The Eurozone has failed".[iv]

In geradezu rührender Naivität hat die Göttin Justiz ihre Augen vor diesen Fakten verschlossen und sich geweigert, zur Kenntnis zu nehmen, dass Euro und Währungsunion auf der ganzen Linie gescheitert sind. Hätte sie ihre Augenbinde auch nur für ein paar Minuten abgelegt und wenigstens ein paar Überschriften in den bekanntesten Medien gelesen, sie wäre wohl erschrocken und vielleicht auch nachdenklich geworden: „Europa braucht den Euro nicht", „Der Gemeinsame Markt braucht keinen Euro", „Fehlschlag Euro", „Die Eurofalle", „Wir sind erpressbar geworden", „Euro-Der Blick in den Abgrund", „Der Weg in die Hölle", „Euroshima".

Sich mit der inzwischen auch von Frau Merkel oder Herrn Schäuble geteilten Ansicht auseinanderzusetzen, der Euro sei eine „Fehlkonstruktion“, hielt Iustitia für unter ihrer Würde. Auf den Gedanken, diese „Fehlkonstruktion“ könnte irreparabel sein oder die Behebung der Fehler könne mehr Kosten als Nutzen bringen, verschwendete Iustitia keine Sekunde. Ökonomische Erwägungen wies sie von sich, als seien sie irrelevant. Das Bundesverfassungsgericht lehnte es ab, mögliche negative Folgen des Gesetzespakets zu beurteilen (Tz 200). Fiat iustitia pereat mundus. Hauptsache, dem Recht wird Genüge getan, möge die Welt daran auch zugrunde gehen. Das mag der Bürger bedauern, dem Gericht ist das egal.

Kläger und Klagen

Die Liste der Kläger und ihre Rechtsvertreter, welche durch Eilantrag die Unterzeichnung, Ratifikation und damit das Inkrafttreten des mit dem ESM zusammenhängenden Gesetzeswerks verhindern oder verzögern wollten, las sich wie das Vorlesungsverzeichnis einer Universität, die sich auf Staats- und Verwaltungsrecht, das Recht der Europäischen Union und das Völkerrecht spezialisiert hat und auch einer nationalökonomischen Fakultät gebührenden Platz einräumt. An Professoren seien hier nur aufgezählt Murswiek, Schachtschneider, Degenhardt, Schneider, Nettesheim, Müller, Starbatty, Hankel, Spethmann, Häde, Nölling. Die Klagen wurden unterstützt von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Zehntausenden von Mitgliedern.[v] Die Fraktion der „Linken“ im Bundestag reichte eine Organklage ein. Noch nie in der Geschichte des Bundesverfassungsgericht wurde eine Klage derart umfangreich unterstützt.

Die deutsche Bundesregierung schloss sich dem Verfahren als Antragsgegner an (wie übrigens auch der Parlamentspräsident namens des Bundestags).

Inhaltlich betrafen die Klagen im Wesentlichen die Gesetze, durch die Bundestag und Bundesrat die auf EU-Rats- oder Ecofinebene getroffenen Beschlüsse mehrheitlich durchwinkten, nämlich

  1. Die Ergänzung des Artikels 136 des Lissabonvertrags (AEUV) zur Ermöglichung der Schaffung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus, seine Einrichtung und Finanzierung  (insgesamt 3 Gesetze);
  2. Den Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion („Fiskalpakt“).

Die Kläger begründeten ihr Verlangen nach Verhinderung der Gesetzeswerdung und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden mit dem Hinweis, die Verträge und Gesetze verstießen gegen das Grundgesetz Artikel 20 Absatz 1 (Deklaration der Bundesrepublik Deutschland als demokratischer und sozialer Bundesstaat) und  Absatz 2 (Volkssouveränität), Artikel 23 Absatz 1 und Absatz 2 (Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat bei der Entwicklung der Europäischen Union) sowie Artikel 79 Absatz 3 (unzulässige Änderung des Grundgesetzes) und sie verletzten die Antragsteller in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1, Satz 2 (Unabhängigkeit und Weisungsungebundenheit der Abgeordneten).

Die Hinweise auf die für die Klagebegründung herangezogenen Gesetzesstellen genügen, um zu erkennen, auf welch dünnem Eis die Kläger sich zu bewegen hatten. Sie konnten ernstlich einen Erfolg ihrer Klagen nicht erwarten. Eines allerdings haben sie erreicht: Die Sinnhaftigkeit der Währungsunion, das Schicksal des Euro sowie die Entwicklung der ganzen Europäischen Union wird nun breit und intensiv diskutiert und auf den Prüfstand gestellt.

Der Haupteinwand

Mit den Einwänden gegen den „Fiskalpakt“ wollen wir uns hier nicht näher befassen. Er hat nur die Bedeutung eines Placebos, welches den die Gesetze zum ESM-Konvolut abnickenden Abgeordneten ein einigermaßen gutes Gewissen verschaffen sollte. Immerhin können sie jetzt darauf hinweisen, dass mit den Hilfen klammen, finanziell Not leidenden Staaten auch rigorose Sparprogramme auferlegt würden und deren Vollzug „streng“ kontrolliert werde. Dass dem Fiskalpakt das gleiche blüht wie dem in Maastricht vereinbarten „Stabilitätspakt“ wurde allerdings schon bei der Unterzeichnung im März 2012 deutlich: Spanien kündigte an, die Vorgaben nicht erfüllen zu können und das wurde von den versammelten Regierungshäuptern zur Kenntnis genommen.

Der Haupteinwand der Kläger bezog sich auf die Änderung des Lissabonvertrages. In der Tat wird durch einen kleinen Zusatz zum Art. 136  AEUV, der  die Schaffung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ermöglicht, das bisher geltende „Bailout-Verbot“ (Nichtbeistandsverpflichtung nach Art. 125 AEUV) aufgehoben und das ganze Konstrukt der Währungsunion auf den Kopf gestellt. Aus der Währungsunion wird nun das, was sie nie sein sollte, nämlich eine Schulden-, Haftungs-, Transfer- und jetzt auch noch Bankenunion!

Der Zusatz zu Art. 136 AEUV in der Form eines angehängten 3. Absatzes lautet: „Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“

In der Klage, die Professor Schachtschneider[vi] im Namen der Professoren Hankel, Starbatty, Nölling und Spethmann sowie dem Herausgeber der Deutschlandbriefe, Dr. Bandulet, eingebracht hat, wird treffend ausgeführt:

Durch die Ergänzung des Art. 136 wird „die Europäische Währungsunion von einer Stabilitätsgemeinschaft zu einer Haftungs- und Schuldengemeinschaft. Die Voraussetzungen der Währungsunion waren wirtschaftliche Konvergenz und stabile Haushalte der Mitgliedstaaten (Art. 109 j EGV, jetzt Art. 140 und Art. 126 AEUV) … Der „Stabilitätsmechanismus“ ist ein Risikopuffer, der die Schulden der Euro-Gruppe zu vergemeinschaften erlaubt und das geradezu aufdrängt. Die Gebervölker werden genötigt, ihre Wirtschaftsleistungen zur Finanzierung der Misswirtschaft anderer Staaten und Völker hinzugeben. Der Stabilisierungsmechanismus ist ein getarnter Ausbeutungsmechanismus, geradezu eine „Aufforderung zum ´beggar your neighbour ´ … Die ´Stabilität der Euro-Zone´ wird nicht gesichert werden, weil auch diese Schulden-, Finanz- und Transferunion nicht zu dem optimalen Währungsraum wird, der allein eine Währungsunion zu tragen vermag.“

„Das Einstehen für Schulden anderer Staaten, das bereits praktiziert wird, ist der endgültige Schritt zum europäischen Bundesstaat, selbst wenn das nur für haushaltliche Notfälle der Euro-Länder vereinbart wird. Spezifisch in Notfällen zeigt sich die bundesstaatliche Substanz einer solchen Schuldenunion. Weiterhin muss der Unionsbundesstaat durch ein Verfassungsgesetz der Union insgesamt gegründet werden, der ein die Politik der Union demokratisch legitimierendes Volk der Unionsbürger verfasst. Das bedarf zusätzlich eines verfassungsgebenden Aktes des neu geschaffenen Unionsvolkes.“

Die Klage macht also ganz deutlich, was der ESM bezweckt und worauf er hinausläuft: Auf einen Bundesstaat „Europa“, auf die Vergemeinschaftung von Schulden und auf die Umverteilung durch Geldflüsse von den stärkeren zu den schwächeren Völkern. Doch das zu verhindern und das deutsche Volk vor seiner „Ausbeutung“ zu schützen, sah das Bundesverfassungsgericht nicht als seine Aufgabe an.

Das Urteil[vii]

Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Maßgabe ab, „dass die Ratifikation des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (Bundestagsdrucksache 17/9045, Seite 6 ff.) nur erfolgen darf, wenn zugleich völkerrechtlich sichergestellt wird, dass

  1. Die Regelung des Artikel 8 Absatz 5 Satz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus diesem Vertrag der Höhe nach auf die in Anhang II des Vertrages genannte Summe in dem Sinne begrenzt, dass keine Vorschrift dieses Vertrages so ausgelegt werden kann, dass für die Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung des deutschen Vertreters höhere Zahlungsverpflichtungen begründet werden;
  2. Die Regelungen der Artikel 32 Absatz 5, Artikel 34 und Artikel 35 Absatz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht der umfassenden Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates entgegenstehen.“

Im Eilverfahren erklärten sich die Mitglieder der Eurozone mit den Vorbehalten (Beschränkung der Zahlungsverpflichtungen Deutschlands und Information von Bundestag und Bundesrat) einverstanden. Bundespräsident Gauck unterschrieb postwendend. Deutschland konnte als letztes Land die Ratifikationsurkunde für den ESM-Vertrag hinterlegen.

So sehr man Kritik an diesem Urteil üben kann und sie wohl auch geübt werden wird, es enthält einige überraschende Passagen, die für die künftige Gestaltung der Europäischen Union, Währungsunion und der Europäischen Zentralbank noch von Bedeutung sein werden und Beachtung verdienen.

Da ist vorerst einmal festzuhalten, dass der Vertrag über den ESM eine von den Unionsverträgen losgelöste, gesonderte völkerrechtliche Vereinbarung der Mitglieder der Eurozone darstellt, die weder die Europäische Kommission noch das Europäische Parlament betrifft noch ihnen irgendwelche Souveränitätsrechte überträgt. Kommission und Parlament bleiben, wie es in Deutschland (zum Unterschied von Österreich) so gerne formuliert wird, „außen vor“.

Man kann das als eine Ohrfeige für den Kommissions- und den Parlamentspräsidenten ansehen und begrüßen, oder auch nicht. Beide Präsidenten werden es wohl als geradezu zynisch empfunden haben, wenn das Bundesverfassungsgericht in der Ausschaltung von Kommission und Europäischem Parlament ein integrationsvertiefendes Moment sieht, werde doch durch die Betonung der Eigenstaatlichkeit der Bundesrepublik und der Souveränität ihrer Volksvertretungen der „unionale“ Prozess gefördert und beschleunigt!

Hinzu kommt, dass nach Art. 3, Abs. 1, Buchstabe c EUV die Zuständigkeit der Union „auf dem Gebiet Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist“, ganz eindeutig festgeschrieben ist. Die Begründung des Bundesverfassungsgerichts, „die Stabilitätshilfen der Mitgliedstaaten seien keine währungsrechtlichen (Anm. richtig müsste es heißen: „währungspolitischen“!) Maßnahmen, für die die Europäische Union nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c EUV zuständig wäre“ und „bei der Gewährung von Finanzhilfen handele es sich um wirtschaftspolitische Vorgänge, für die die Mitgliedstaaten zuständig seien“ (Tz 169), ist an Fadenscheinigkeit kaum zu übertreffen.

Die Gewährung der Finanzhilfen geschieht ja ausdrücklich zur Wahrung der „Finanzstabilität“, und diese ist höchstes Ziel der Währungspolitik. Sie fällt daher in die Zuständigkeit der EU.  Das Bundesverfassungsgericht hat hier ganz eindeutig das Recht gebeugt, um den Widerspruch zwischen den durch das Bailout-Verbot untersagten Finanzhilfen und den Zuständigkeiten der EU zu bemänteln. Dass Kommissionspräsident und Europäisches Parlament diesen Eingriff in ihre Zuständigkeit billigen, zeigt ihre Schwäche.

Die zweite Ohrfeige muss die EZB einstecken, wird sie doch mit Nachdruck an das Verbot des Kaufs von Staatsanleihen durch die EZB und die zum Europäischen Währungssystem gehörenden nationalen Notenbanken erinnert.

In der Sprache des Gerichtshofes lautet das wie folgt: Mit der Aufnahme von Art. 136 Abs. 3 AEUV in das Unionsrecht wird die stabilitätsgerichtete Ausrichtung der Währungsunion jedoch nicht aufgegeben. Wesentliche Bestandteile der Stabilitätsarchitektur bleiben auch in Ansehung dieser Öffnungsklausel unangetastet. So werden insbesondere die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, ihre Verpflichtung auf das vorrangige Ziel der Preisstabilität (vgl. Art. 127, 130 AEUV) und das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung (Art. 123 AEUV) nicht berührt; im Gegenteil bekräftigt die Ermächtigung des Art. 136 Abs. 3 AEUV, einen dauerhaften Mechanismus zur Gewährung von Finanzhilfen einzurichten, den Willen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, die Aufgaben der Europäischen Zentralbank strikt auf den ihr unionsrechtlich vorgegebenen Rahmen zu begrenzen“ (Tz 233). Durch das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank (vgl. BVerfGE 89, 155, 204 f.; 129, 124, 181 f.) werde der Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages, die Währungsunion als „Stabilitätsgemeinschaft“ zu sichern, Rechnung getragen. Vor der Tatsache, dass die EZB diese Vorschrift laufend gebrochen hat und auch in Zukunft zu brechen beabsichtigt, verschloss das Bundesverfassungsgericht die Augen.

Die Urteilsschelte

Der Jurist wird den Richtern des Bundesverfassungsgerichts  zubilligen, dass ihre Argumentation über weite Strecken vertretbar und kaum anfechtbar ist. Sie haben tief, aber nicht unfair in die juristische Trickkiste gegriffen, um die Klagen abzuwehren. Die Verfassungsgrundsätze, auf die sich die Kläger beriefen – Eigenstaatlichkeit, Demokratie, Sozialstaat, Volkssouveränität, Unabhängigkeit von Abgeordneten, Budgethoheit des Parlaments, Informationsgebot – sind äußerst dehnbar und zum Teil inhaltsleere Scheinbegriffe. Carl Schmitt hat das in seiner heute noch immer lesenswerten Kritik am Parlamentarismus unwiderlegbar dargestellt.[viii]

In einem auf den ersten Blick ganz unwesentlich scheinenden, jedoch ausschlaggebender Bedeutung zukommenden Punkt hat das Bundesverfassungsgericht seine Ermessensmöglichkeiten überschritten. Sie betreffen das „vereinfachte Verfahren“ nach Art. 48 Abs. 6 EUV. Niemals hätte die Änderung des Lissabonvertrags in einer derart gravierenden Angelegenheit, wie es die Aushebelung des Bailout-Verbots, der eigentlichen Geschäftsgrundlage der Währungsunion darstellt, im Wege des „vereinfachten Verfahrens“ erfolgen dürfen. Durch die Akzeptanz des „vereinfachten Verfahrens“ leistet das Bundesverfassungsgericht dem von Regierung in die Wege geleiteten „Verfassungsputsch“ Vorschub und Tatbeihilfe.

Art. 48, Abs. 6 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), durch den das „vereinfachte Verfahren“ eingeführt wird, lautet:

„Die Regierung jedes Mitgliedstaats, das Europäische Parlament oder die Kommission kann dem Europäischen Rat Entwürfe zur Änderung aller oder eines Teils der Bestimmungen des Dritten Teils des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union über die internen Politikbereiche der Union vorlegen.

Der Europäische Rat kann einen Beschluss zur Änderung aller oder eines Teils der Bestimmungen des Dritten Teils des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erlassen. Der Europäische Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission sowie, bei institutionellen Änderungen im Währungsbereich, der Europäischen Zentralbank. Dieser Beschluss tritt erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft.

Der Beschluss nach Unterabsatz 2 darf nicht zu einer Ausdehnung der der Union im Rahmen der Verträge übertragenen Zuständigkeiten führen.“

Der Dritte Teil, um den es hier geht, bietet dem Europäischen Rat u. a. die Möglichkeit, über Angelegenheiten auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Währungspolitik die Verträge zu ändern, unabhängig davon, wie tief und umfangreich diese Änderung in die geltende Währungsverfassung von Deutschland oder Österreich eingreifen. Mit Recht bemerken Kommentatoren, dass durch diesen Artikel ein neues Ermächtigungsgesetz von praktisch unbeschränkter Tragweite geschaffen wurde.

Das Bundesverfassungsgericht gibt selbst zu, dass „die Einführung von Art. 136 Abs. 3 AEUV … eine grundlegende Umgestaltung der bisherigen Wirtschafts- und Währungsunion“ bedeutet (Tz 232). „Die Einrichtung eines dauerhaften Mechanismus zur gegenseitigen Hilfeleistung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes außerhalb des Rahmens der Europäischen Union löst sich, wenn auch noch nicht vollständig, von dem die Währungsunion bislang charakterisierenden Prinzip der Eigenständigkeit der nationalen Haushalte … (indem jetzt) Hilfeleistungen auch zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes zugelassen werden“ (ebenda). Das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt diesen Bruch mit der Behauptung „wesentliche Bestandteile der Stabilitätsarchitektur“ der Währungsunion blieben „auch in Ansehung dieser Öffnungsklausel unangetastet“.

Es verschließt einfach die Augen vor der Tatsache, dass dieser Bruch mit dem Bailout-Verbot und mit dem „bisherigen Prinzip der Eigenständigkeit nationaler Haushalte“ die Währungsunion ganz gegen ihre ursprüngliche Konstruktion nun in eine Schulden-, Haftungs-, Transfer- und jetzt auch Bankenunion umwandelt. Bei Einführung der Währungsunion würden einer solchen Umwandlung weder Regierungsvertreter, Parlamente oder die Bevölkerung zugestimmt haben, ja sie wollten das unter allen Umständen verhindern. Deshalb bestand ja die deutsche Regierung auf den Stabilitätskriterien, dem Verbot der Haushaltsfinanzierung durch die EZB und auf das Bailout-Verbot. Jetzt muss sich das hintergangene, betrogene und belogene Volk durch das Urteil des Gerichts „im Namen des Volkes“ auch noch verhöhnt vorkommen[ix]. Mit dem Urteil, schrieb Frank Lüberding in der FAZ-Frühkritik am nächsten Tag, gibt sich das Gericht „der klammheimlichen Verachtung“ preis. Wenn die Regierungen bei den laufenden „Rettungsgipfeln“ mit Billigung der Höchstgerichte das Recht nach Belieben brechen können, ist der Rechtsstaat am Ende.[x]

Wie geht es weiter?

Die möglichen Alternativen hat der britische Premierminister David Cameron in eine aus wenigen Worten bestehende Aufforderung an die Euro-Mitglieder zusammengefasst: „Make up or break up“[xi]. Das „Make up“ bedeutet Ausbildung einer Politischen Union, eines eigenen Bundesstaates mit einer eigenen Regierung, einer Vergemeinschaftung von Schulden, einer Gemeinschaftskasse („Fiskus“), gemeinsamen Steuern, einer gemeinsamen Zentralbank zur gemeinsamen Finanzierung von Staatsausgaben, mit anderen Worten: Übertragung aller wesentlichen Souveränitätsrechte und Entmachtung der nationalen Parlamente.

Schäuble[xii] und Merkel wollen diesen Weg gehen, doch er scheint ausgeschlossen. Zu glauben, dass selbstbewusste Völker wie die Briten, Dänen, Schweden, Polen oder Tschechen ihre Souveränität an einen europäischen Bundesstaat abtreten würden, erscheint realitätsfremd. Selbst für Bundesstaaten wie Deutschland, Österreich, Belgien oder Spanien wäre ein europäischer Bundesstaat existenzgefährdend: „Praktisch alle wesentlichen Zuständigkeiten der nationalen Bundesebene würden bei einem europäischen Bundesstaat nach Brüssel wandern und die nationalen Bundesstaaten als leere Hüllen zurücklassen (…) Das wäre nicht wünschenswert und auch nicht mehrheitsfähig“, meint Thilo Sarrazin ganz richtig.[xiii]

Der bisherige Weg des „Muddling through“, des Durchwurschtelns mit immer neuen, in sich widersprüchlichen Spar- und Wachstumsprogrammen[xiv], führt, wie Joschka Fischer anmerkt, früher oder später zum Kollaps des Euro und zur Gefahr des Auseinanderbrechens der Europäischen Union.[xv]

Damit bleibt als Alternative also nur das „Break up“, d.h. die als Menetekel an die Wand gemalte „Renationalisierung“, die Rückübertragung von Kompetenzen an die Nationalstaaten[xvi], die Rückkehr zu eigenen Währungen und eigenen Notenbanken. Die Vorschläge zur Einführung eines  Nord- und eines Süd-Euro erscheinen weder rational noch  durchführbar. Wie im Einzelnen diese Rückkehr erfolgen könnte und warum an ihr kein Weg vorbei führt, hat der Autor in seinem im September 2012 erschienenen Kaplaken-Bändchen „ESM –Verfassungsputsch in Europa“ ausführlich beschrieben. [xvii]

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

Endnoten

[i] http://staseve.wordpress.com/2012/09/12/zdf-esm-vertrag-ist-vollig-rechtswidrig-justitia-mit-offenen-augen/

[ii] http://www.heute.at/news/politik/art23660,775175

[iii]Nach Angaben des ehemaligen Parlamentspräsidenten Richard Sulik. http://www.unzensuriert.at/content/008650-Solidarit-t-mit-Griechenland-konkreten-Zahlen 

[iv]Interview: http://online.wsj.com/article/SB10001424052748704875604575280452365548866.html

[v] Darunter: „Bündnis Bürgerwille“, „Zivile Koalition“, „Bund der Steuerzahler“, „Aktionsbündnis Direkte Demokratie“, „Freie Wähler“ oder „Europolis“

[vii] http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20120912_2bvr139012.html

[viii] Carl Schmitt: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 6. Aufl., Berlin 1985; heute: H.-H. v. Arnim: Vom schönen Schein der Demokratie: Politik ohne Verantwortung – am Volk vorbei, München 2000

[ix] Eine besondere Note erhielt Lug und Trug in Österreich durch einen Brief des abtretenden Bundeskanzlers Gusenbauer und seines designierten Nachfolgers, des späteren Bundeskanzlers Werner Faymann, an den Herausgeber der größten österreichischen Tageszeitung kurz vor dem Koalitionsbruch in der Mitte des Jahres 2008. In diesem Brief wurde dem Wählervolk, angesichts der schon bei der Ratifikation der Lissabonverträge laut gewordenen, massiven Kritik, hoch und heilig versprochen, „dass zukünftige Vertragsänderung, die österreichische Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen“. In seiner Rede vor dem Nationalrat am 4. Juni 2012 rückte Faymann von seinem Versprechen ab und stellte die Abhaltung einer Volksabstimmung  nur noch im Falle  „weitreichender Vertragsänderungen“  in Aussicht (!). In der Ergänzung des Lissabonvertrags durch den Zusatz zu Art. 136, durch welchen Zusatz der ESM ermöglicht wurde, sah er keine „weitreichende Vertragsänderung“. Ähnlich argumentierte sein Staatssekretär Ostermayer. Die Argumentation zieht nach dem BGH-Urteil nicht mehr: Der BGH sieht in der „Einführung von Art. 136 Abs. 3 AEUV … eine grundlegende Umgestaltung der bisherigen Wirtschafts- und Währungsunion“ (Tz 232).

Der Wortlaut des berühmten und lesenswerten Briefes abrufbar unter  http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/394148/print.do

[x] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/europas-zukunft/paul-kirchhof-zur-krise-der-eu-verfassungsnot-11817188.html

[xi] Laut BBC-News vom 16. Mai 2012: http://www.bbc.co.uk/news/uk-politics-18088918

[xii]  http://www.spiegel.de/politik/ausland/euro-krise-schaeuble-prophezeit-baldiges-europa-referendum-a-840549.html

[xiii]Thilo Sarrazin: Europa braucht den Euro nicht. Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat. München 2012, S. 406f

[xiv]Vorgestellt unter ständig neuen Namen, durch welche Aktivität und Entschlußstärke mediengerecht vorgetäuscht wird: „Koordination der Wirtschaftspolitik“, „Wirtschaftsregierung“, „Europäisches Semester“,  „Euro plus-Pakt“,  „Six Pack“, „Two Pack“, Euro plus-Pakt“, „Europäisches Semester“, „Schuldenbremse“, „Fiskalpakt“, „Stabilitäts- und Wachstumspakt“, „SWP-Reform“, „Selbstverpflichtung“, „vorbeugende Haushaltskontrolle“, „Verschärfung der Stabilitätskriterien“, „Sparauflagen“ „Strafzahlungen“, Einsetzung von „Finanzkommissären“ bei Schuldensündern, die Ausstattung der Kommissare mit „Durchgriffsrechten“.  Je zahlreicher die Programme, desto schwächer ihre Durchführung und Wirkung.

[xv] Joschka Fischer im Standard vom 30. Oktober 2011: „Die Eurozone steht vor einer Entweder-oder-Situation. Entweder lässt man die Dinge weiter treiben, und dann wird der Euro unter dem Druck der Krise und mit ihm die gesamte EU zerfallen und sich Europa renationalisieren. Die politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Kosten einer solchen historischen Rückabwicklung wären enorm, und nicht umsonst fürchtet man sich weltweit vor einem solchen Kollaps Europas.“ http://derstandard.at/1319181550775/Nach-dem-Krisengipfel-I-Die-Waehrungsunion-braucht-eine-Regierung

[xvi] http://www.welt.de/debatte/kommentare/article106427212/Lasst-uns-doch-weniger-Europa-wagen.html

[xvii] Friedrich Romig:ESM-Verfasssungsputsch in Europa. Edition Antaois, Reihe Kaplaken, Band 32
96 Seiten, gebunden, Schnellroda 2012, ISBN 978-3-935063-68-5. 8.50 €

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Vom Glühen und Verglühen drucken

Seit etlichen Jahren
vollzieht man devot
Ukase, von Brüssel erlassen,
so nun auch das schmähliche
Glühbirn-Verbot –
bei hellem Verstand nicht zu fassen!

Mit Stromspar-Zinnober
und Öko-Geschwätz
verdammt man die Quecksilberlosen,
und zappelt verlegen
im eigenen Netz
aus künstlichen Klima-Psychosen.

Zinnober, schön rot,
ist als Quecksilbererz
ja Grund, auch vor Scham zu erröten:
In Glühbirn-Prothesen
– welch grimmiger Scherz –
ist Quecksilber nämlich vonnöten!

Gleichwohl gibt es Leute,
die stolz im Verein
nicht bloß Europäer sich nennen,
nein glühende gar,
ohne Leuchten zu sein!
Ein Widersinn, nicht zu verkennen.

Ihr Glühen verbrät
Energie zellulär
in irrlichternd sprühenden Hirnen,
doch was dort entsteht,
kostet tausendmal mehr
denn alle die glühenden Birnen!

Bei solch Diagnose
die einzige Kur
heißt, Glüh-Europäer entsorgen –
zur Schonung von Mensch
und zudem von Natur
und heute wohl besser als morgen…

Pannonicus

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Größe durch Kleinheit: von Kolumbus und Schiller lernen drucken

Wie wünschen wir uns Europa eigentlich? Hinter allen Stürmen der Finanzkrise scheint jede vernünftige Überlegung zum weiteren Zusammenleben auf dem Kontinent verschwunden. Es gibt anscheinend nur noch die radikalen Utopisten auf beiden Seiten, die jedoch keine sinnvollen Perspektiven anzubieten haben.

Auf der einen Seite stehen die Vergangenheits-Nostalgiker, die meinen, vor der EU wäre alles gut und wunderbar gewesen. Sie sind aber genauso realitätsfremd wie die Zukunfts-Nostalgiker, die meinen, zentralistische Vereinigte Staaten von Europa wären eine funktionierende Utopie. Beide Visionen sind realitätsfremd und damit gefährlich.

Die Vergangenheits-Nostalgiker übersehen, dass die gegenwärtigen Probleme Europas nicht mit der Tatsache einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an sich zusammenhängen. Ganz im Gegenteil: Deren Auseinanderbrechen wäre eine absolute Katastrophe. Denn schon ab den 80er Jahren hat sich gezeigt, dass der Standort Österreich alleine zum Untergang verurteilt wäre.

Ohne den Zugang zum großen gemeinsamen Binnenmarkt Europa würde sich für niemanden mehr eine Betriebsansiedlung in der kleinen Alpenrepublik lohnen. Zusammen mit der für Österreich enorm hilfreichen Ost-Wende hat die EU-Mitgliedschaft dem Land im letzten Vierteljahrhundert dann wider alle Wahrscheinlichkeit doch noch eine sensationelle Fortsetzung des Wirtschaftswunders der Nachkriegsjahre erlaubt. Österreich hat fast als einziges Land Europas die zwei Generationen seit dem Kriegsende ohne eine größere Rezession überstanden. Das wird zwar als selbstverständlich empfunden, ist es aber keineswegs.

Der Binnenmarkt als großer Triumph der EU

Die großen, völlig ungelösten Probleme im gegenwärtigen Europa stammen auch keineswegs von Wirtschaftsunion und Binnenmarkt, wenngleich auch dort viele ärgerliche Überregulierungen zu beobachten sind. Die Ursachen der Krise sind viel mehr die schwere Überschuldung fast aller europäischer Staaten, die von deren Politikern zu verantworten ist, ob es nun direkte staatliche Schulden oder die durch eine verantwortungslose Geldpolitik der EZB ermöglichten privaten Schulden sind.

Die EU hingegen hat kein Land zur Schuldenexplosion gezwungen, sie hat vielmehr oft genug davor gewarnt.

Eine solche Schuldenexplosion hat auch in Deutschland und Österreich stattgefunden. Siehe etwa Österreich: Das Land hat Ende der 60er Jahre eine Staatsschuldenquote von deutlich unter 20 Prozent gehabt, heute aber eine solche von offiziell 73 Prozent. Österreich würde mit dieser Quote ohne den Rückhalt in EU und Euro von schwersten Stürmen heimgesucht; es hätte Riesenprobleme, neue Geldgeber zu finden. Dazu kommt, dass nicht nur diese „explizite“ Staatsverschuldung auf historischer Rekordhöhe steht, die implizite ist noch viel höher. Diese inkludiert auch alle versteckten Haftungen und ungedeckten Pensionsversprechungen. Österreich steht so wie Deutschland, Finnland und die Niederlande nur deshalb scheinbar so gut da, weil fast alle anderen Euro-Staaten noch viel schlechter dastehen. Das erinnert an das alte Sprichwort vom Einäugigen unter den Blinden.

Ein Ausscheiden aus dem gemeinsamen Währungsraum oder gar dem Binnenmarkt wäre also ein geradezu selbstmörderisches Abenteuer.

Genauso weltfremd sind aber auch die Zukunfts-Nostalgiker, die sich selbst an ihren Europa-Phrasen begeilen. Sie sehen nicht die schweren Fehlentwicklungen innerhalb der EU, die jenen innerhalb Österreichs gleichkommen. Sie begreifen nicht, dass ein noch engerer Zusammenschluss zu einer Katastrophe führen muss.

Analysieren wir ganz ohne Blick auf die Euro-Krise die Idee der Umwandlung der Union in einen Staat. Die sprachliche, historische, kulturelle, ökonomische Diversität Europas würde diesen auch ohne die Schuldenkrise zerreißen. Man schaue nur auf die vielen Antagonismen zwischen den EU-Staaten.

Man sollte sich aber auch bewusst machen, dass alle früheren Großimperien der Geschichte wieder zerfallen sind. Dass die heute noch existierenden Großmächte Russland, China und die USA durchwegs nur mit kriegerischer Gewalt und brutaler Unterdrückung eines Teils der Bevölkerung zusammengezwungen werden konnten. Auch die USA sind ja letztlich Produkt eines Bürgerkriegs wie auch der Oktroyierung der englischen Sprache auf die deutsch, französisch, niederländisch, italienisch oder sonstwas sprechende Mehrheit. Und China wie Russland werden bis heute überhaupt nur mit der Macht der Gewehre in den jeweiligen Grenzen zusammengehalten.

Das kann wohl niemand ernsthaft als europäische Perspektive wollen.

Zynische Reaktion auf die Schuldenkrise

Noch weniger kann es gelingen, Europa auf dem Schlachtfeld der Schuldenkrise zu einer echten staatlichen Einheit zu zwingen. Dieser zynische Gedanke ist ja in der europäischen Elite durchaus verbreitet:  Zwar geben nun immer mehr zu, dass Europa nach Ausbruch der Schuldenkrise fast alles falsch gemacht hat – aber dennoch sehen sie die Krise trickreich als Chance an, um diesem Europa noch mehr Macht zu geben.

Die Schuldenkrise hat aber die emotionalen Antagonismen zwischen den Völkern in Wahrheit massiv vertieft. Daran kann auch die realitätsfremde Rhetorik der Politik nichts ändern. Die Griechen sehen die Aufforderungen der Troika zu sparen als willkürliches deutsches Spardiktat und graben als Revanche alte Weltkriegsverbrechen aus. Die Deutschen sehen die Griechen als grenzenlos faule Parasiten. Um nur eine konkrete Folge der Schuldenkrise zu nennen.

Gewiss erscheint es fast jedem, der in Brüssel auch nur als kleiner Korrespondent eine Rolle spielt, sehr verführerisch, dieses Europa zentralistisch zu führen. Letztlich ist dort ja jeder ein wenn auch noch so kleiner Teilhaber der Macht – weit mehr als es die anderen 500 Millionen draußen in den Mitgliedsländern sind. Genau dasselbe passiert innerhalb Österreichs mit jedem, der in Wien eine wichtige Rolle spielt. Letztlich geht es immer um Macht, zumindest um das Gefühl, dem Zentrum der Macht nahe zu sein.

Der theoretische Plan, jetzt durch strikte Kontrolle der nationalen Budgets von oben Disziplin zu erzwingen, kann nicht funktionieren. Es gelingt nicht einmal der Republik Österreich, die Bundesländer zu Budgetdisziplin zu zwingen, die sich in den letzten Jahren viel übler verhalten als der Bund. Dieser machiavellistische Plan kann nur funktionieren, wenn man in allen Mitgliedsstaaten, Provinzen und Gemeinden die Demokratie und Eigenständigkeit abschafft. Und wenn man ein zentrales Heer zur Durchsetzung dieser zentralen Disziplin einsetzt.

Die Menschen gehen nicht mit

Die Menschen gehen bei solchen Projekten einfach nicht mit, zumindest nicht im gewünschten Tempo. Mit gutem Grund.

  • Zum ersten lassen sie sich nicht von oben diktieren, ob sie sich primär als Europäer, als Österreicher, als Tiroler oder als Kufsteiner fühlen. Oder etwa gar als Weltbürger, die beispielsweise unter den strengsten Klimazielen leiden müssen, während weltweit der CO2-Verbrauch praktisch ungebremst zunimmt.
  • Zum zweiten stehen diesen Zentralisierungsideen Geschichte und vor allem die Sprachenvielfalt entgegen; diese Kräfte wurden bis 1989 durch die gemeinsame Angst vor dem Kommunismus überwunden – eine Angst, die es heute zum Glück nicht mehr gibt.
  • Zum dritten hat der ewig wiederholte Slogan von der EU als Friedensprojekt für die Durchschnittseuropäer ungefähr so viel emotionale Relevanz wie eine Attacke der Marsmännchen. Kriegsgefahr lauert außerhalb der EU – wofür diese im übrigen in keiner Weise vorbereitet ist –, aber sicher nicht zwischen den EU-Staaten.
  • Zum vierten ist die EU in vielerlei Hinsicht eine ineffiziente Fehlkonstruktion geworden. Was für sechs Nato-Mitglieder konzipiert war, funktioniert in einer fast unveränderten institutionellen Architektur bei 27 und bald 28 Ländern mit bündnispolitischer, ökonomischer, geographischer Vielfalt überhaupt nicht mehr.
  • Und zum fünften übersehen Anhänger eines europäischen, aber auch österreichischen Zentralismus die generelle und prinzipielle Überlegenheit von Föderalismus und dezentralen Entscheidungen, von Vielfalt und Subsidiarität.

Dazu ein Zitat das früheren Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Naturwissenschaftlers Peter Schuster, aus Science-Blog.at: „Die Aussage, dass eine zentrale Kontrolle großer, komplexer Einheiten zum Scheitern verurteilt ist, stellt eine Binsenweisheit dar. Wirtschaft und Gesellschaft untermauern die Gültigkeit dieser Aussage durch zahllose Beispiele in der Vergangenheit und Gegenwart, welche beweisen: Systeme werden ineffizient, sobald sie eine kritische Größe überschreiten.“

Schuster beweist das mit den neuesten Erkenntnissen der Genforschung. Schon länger bekannt sind die Beispiele aus Politik und Gesellschaft, die zum gleichen Schluss führen.

Erfolgsmodelle von Singapur bis zur Slowakei

  • Man schaue etwa auf die großen Erfolge kleiner politischer Gebilde wie Hongkong oder Singapur.
  • Man schaue auf den relativen Vorsprung der Bundesstaaten Deutschland und Österreich gegenüber zentralistischen Staaten wie Frankreich, Italien, Spanien oder Griechenland.
  • Man schaue auf die Schweiz, die – selber nicht gerade eine Großmacht – viele entscheidende Kompetenzen wie die Fixierung der Steuerhöhe und das Ansiedlungsrecht noch weiter nach unten an Kantone und Gemeinden delegiert hat.
  • Man schaue auf den Zerfall des viel zu groß gewordenen Römischen Reiches.
  • Man schaue auf die jahrhundertelange Agonie des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
  • Man schaue auf die finale Lähmung des Habsburgerstaates durch eskalierende Nationalitäten- und Sprachenkonflikte.
  • Man schaue umgekehrt auf das Erblühen Tschechiens und der Slowakei sowie die Freundschaft zwischen beiden Ländern nach langen Jahren des Antagonismus in erzwungener Gemeinsamkeit, in denen sich jeder Landesteil durch den anderen übervorteilt gefühlt hat.

Zwar hat man immer in den Zentralen des jeweiligen Reiches geglaubt, dass ein Zerfall die ultimative Weltkatastrophe bedeuten würde. Aber letztlich waren Strukturen schlussendlich viel lebensfähiger, sobald die Menschen nur jenen Machtgebilden unterworfen sind, zu denen sie auch gehören wollen. Diese Legitimität liegt meist bei den kleineren Einheiten, kann aber in Einzelfällen wie bei der deutschen Einheit bisweilen auch zu größeren führen. Aber das ist dann eben eine demokratisch gewollte Einheit.

Das Ergebnis kann natürlich auf Grund der Migration und unterschiedlicher demographischer Geburtenfreudigkeit bisweilen auch eine Änderung der Identität sein. So ist etwa aus dem serbischen Kosovo durch die Zuwanderung der Albaner ein zu 90 Prozent albanischer Staat geworden, dem sich freilich wiederum verständlicherweise die rund zehn Prozent serbischer Gemeinden nicht unterordnen wollen. Das lässt sich heute nicht mehr ändern, das ist aber eine massive Warnung an jene, die blind der Massenmigration zuschauen.

Kolumbus hätte im Zentralstaat kaum Chancen gehabt

Auf dem Papier scheint es ja so, dass ideale Regelungen am besten funktionieren, wenn sie auch überall gelten. Nur weiß leider niemand so genau, was denn eigentlich jeweils die ideale Regelung ist. Und selbst wenn man die gefunden zu haben glaubt, ist es halt nicht so, dass gleiche Regelungen für alle gleich sinnvoll sind.

Man denke nur an die Stichworte Wassersparen, Tagesarbeitszeit oder Solarenergie: Eine lange Siesta, die in Spanien oder Italien sinnvoll ist, ist es in Deutschland oder Österreich in keiner Weise. Wassersparrichtlinen der EU sind im regenreichen Norden sinnlos oder gar schädlich, weil Leitungssysteme bei reduziertem Durchsatz verschlicken. Solaranlagen sind im Norden sinnlos, weil dort viel zu wenig Sonne scheint. Genausowenig wäre es sinnvoll, im Süden Lawinenhunde zu halten (das ist zum Glück aber noch niemandem eingefallen).

Noch wichtiger ist eine weitere geschichtlich bewiesene Erkenntnis: Die Vielfalt kleiner Einheiten kann nie durch eine einzige Fehlentscheidung eines einzigen Machthabers aus der Balance gekippt werden. Wenn sich in einer kleinen Einheit ein Fehler ereignet, wird man diesen durch den Vergleich zu den Nachbarn bald entdecken und korrigieren. In solchen System kann jeder von jedem lernen. Sie regulieren sich dadurch selbst.

Wenn Christoph Kolumbus nur eine zentrale europäische Entscheidungsebene vorgefunden hätte, hätte er nicht zwischen Genua, Frankreich, Portugal und Spanien hausieren gehen können, bis ein Machthaber sein Abenteuer finanziert. Wenn Friedrich Schiller bei dem einen Fürsten unterdrückt worden ist, konnte er zu einem anderen weiterziehen und sich dann ungehindert dem Schreiben hinzugeben.

Unter den Historikern herrscht verbreitetet Konsens, dass überhaupt der Erfolg Europas im letzten halben Jahrtausend entscheidend auf seine staatliche, religiöse, kulturelle Vielfalt zurückzuführen ist. Dadurch fand der wissenschaftliche und kulturelle Fortschritt immer Plätze, wo er sich ungehindert entwickeln konnte. Und die größten Katastrophen haben Europa heimgesucht, wenn ein Diktator seine Herrschaft kontinental ausweiten wollte. Ob das nun Napoleon, Hitler oder Stalin war.

Von der Familie bis zu den Schulen: Vielfalt funktioniert

Der Vorteil kleiner Einheiten zeigt sich natürlich auch im gerade wegen seiner Kleinheit allergrößten Erfolgsmodell der Geschichte: der Familie. Sie hat sich besser als Tausende andere Modelle bei den Aufgaben bewährt, Kinder heranzuziehen, Alte und Kranke zu betreuen, gesellschaftliche Stabilitätsanker zu entwickeln. Natürlich gibt es auch arg versagende Familien – aber deren Auswirkungen waren relativ wie absolut nie so schlimm wie etwa jene der Heimerziehung mit all ihren Auswüchsen. Von den Anti-Familien-Projekten totalitärer Regime ganz zu schweigen.

Dasselbe kann man an der Schule zeigen. Länder wie Deutschland oder Österreich mit ihren vielfältigen Schulmodellen, mit der dualen Ausbildung direkt in den Betrieben, können den Jugendlichen, der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt viel erfolgreicher helfen als zentralistische Einheitsmodelle, wie wir sie in allen Ländern mit katastrophaler Jugendarbeitslosigkeit finden.

Natürlich heißt das kein Plädoyer für ordnungsfreie Anarchie. Auch jeder funktionierende Markt hat eine Marktordnung. Diese legt fest, wo und wann die Marktfahrer ihre Stände aufstellen können und dürfen. Aber jede einzelne dieser Regeln muss extrem gut überlegt sein. Wenn sie an den Bedürfnissen der Marktteilnehmer zu sehr vorbeigeht, wird sie ignoriert oder der Marktplatz geht kaputt. Und es entsteht ein Schwarzmarkt.

Daher kann auch für die EU nur gelten: Ja zu einer gemeinsamen Markt- und Rahmenordnung für den Binnenmarkt, zur zumindest europaweiten Freiheit für Menschen, Dienstleistungen, Geld und Waren (wofür noch viel zu tun ist). Aber Nein zu jedem Modell, das glaubt, wenn man den Wettbewerb unter den Europäern durch Zentralisierung bremst oder gar verbietet, dass dann dieses Europa gegenüber Asien oder Amerika wettbewerbsfähig bleiben kann.

Eine Schuldenunion kann nicht funktionieren

Dass diese Überlegungen auch die einzige richtige Analyse der Schuldenkrise ermöglichen, braucht wohl keine lange Argumentation mehr. Die scheinbare Stärke der zentralen Währung – verkörpert durch niedrige Zinsen – hat in vielen Ländern des Südens zu Verantwortungslosigkeit geführt. Kein Land sorgte sich ab diesem Zeitpunkt ernsthaft um die Stabilität der eigenen Währung. Das geschah dann noch viel weniger, als die eigentlich gegen solche Verantwortungslosigkeit eingezogenen Schutzwälle mit einem politischen Federstrich beiseitegeschoben worden sind: die Maastricht-Kriterien und das No-Bailout-Verbot vor allem.

Daher mutet es wirklich grotesk an, wenn jemand ernsthaft glaubt, ausgerechnet eine zentralistische Aufsicht für gleich 6000(!) Banken, eine gemeinsame Einlagenhaftung, eine Schuldenunion und so weiter können wieder mehr Verantwortungsbewusstsein schaffen. Und diese Aufsicht soll ausgerechnet durch jene EZB erfolgen, welche ihre einzige vertraglich festgehaltene Aufgabe, die Sicherung der Geldstabilität, durch leichtfertiges Gelddrucken massiv verletzt.

Europa kann nur durch Vielfalt und Offenheit, durch freien inneren Wettbewerb und möglichst nahe bei den Akteuren angesiedelte Verantwortung, durch Subsidiarität und Föderalismus die großen Herausforderungen bestehen. Viele Politiker wollen aber von diesem richtigen Weg Europas auf einen falschen abbiegen. Weil er scheinbar bequemer ist.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 347: E10 – ein vorhersehbares Ende drucken

Nikolaus Berlakovich steht wieder einmal blamiert da: Das passiert aber am Ende jedem, der auf grüne Wahnideen aufspringt.

Der in totale Isolation geratene schwarze Unglücksminister hat die Notbremse ziehen müssen und die für Oktober fixierte Einführung des E10-Benzins abgesagt, also des mit Biosprit vermischten Treibstoffs. Jetzt steht Österreich mit einer Biospritfabrik da, die niemand braucht. Wirklich toll. Das Ergebnis war aber vorhersehbar: Die agrarische Herstellung von Treibstoff ist weltweit eine Ursache für die Verteuerung der Lebensmittelpreise – eine logische Folge, wenn Landwirtschaft nicht mehr nur zur Ernährung, sondern auch für andere Zwecke betrieben wird. Das kann niemand mehr verantworten. Damit steht nun wieder einmal ein bürgerlicher Politiker blamiert da, weil er auf kurzfristige grüne Modehysterien aufgesprungen ist. Von diesen Ideen distanzieren sich die Grünen dann regelmäßig, bevor Projekte wie der Biosprit überhaupt umgesetzt worden sind. Das sah man in Deutschland am deutlichsten, dem Österreich ja nur nachgetapst ist: Dort war der Biosprit-Beschluss von den Grünen in den Zeiten ihrer Regierungsbeteiligung durchgedrückt worden, was die Alt-68er-Partei nicht hinderte, sich später wieder eiskalt von der Idee zu verabschieden. Ähnliches passierte in Österreich beim Wahnsinnsprojekt Brenner-Tunnel, der einst auch nur aus Angst vor grünen Wahlerfolgen beschlossen worden ist. Die Grünen wollten dann davon eben bald nichts wissen. Ebenso teuer kommen uns die ebenfalls unter grünem Druck gefassten CO2-Reduktions-Beschlüsse der großen Koalition aus den 90er Jahren, die dann zu leichtfertigen  Verpflichtungen in Hinblick auf die Kyoto-Ziele geführt haben. Dies kosten Österreich heuer ebenso gewaltige wie sinnlose Strafzahlungen.

 

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Fußnote 344: Piccolo Mario e il grande euro drucken

Aus der Kinderzeit des europäischen Notenbank-Präsidenten Mario Draghi kursieren erstaunliche Filmaufnahmen. In Schwarz-Weiß.

Wie können doch manche Verhaltensweisen aus der frühesten Jugend zu lebenslangen Prägungen führen! Von diesem Film führt nämlich ein kerzenerader Weg zum Versprechen Draghis, unbegrenzt schwindlige Anleihen, die Italien, Spanien Griechenland & Co auf den Markt werfen, mit teuren und frischgedruckten Euros aufzukaufen. Leider erfährt man nicht, wer hinter dem Fenster steht und dort ständig neue Banknotenbündel druckt, die Piccolo Mario hinauswerfen kann.

PS für Humorlose: Natürlich ist das kein Draghi-Video und ein schwarz-weißer Vergleich. Aber das Filmchen bringt halt mit ziemlich verbittertem Humor viele Empfindungen von Millionen Europäern auf den Punkt.

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Der europäische Griff aufs Ersparte drucken

Sparer in Österreich fühlen sich sicher. Ihr Geld ist durch die Einlagensicherung bis zum Betrag von 100.000 Euro pro Institut garantiert. Das heißt: Selbst wenn die eigene Bank krachen sollte, steht ein doppeltes Netz zur Verfügung – erstens jenes des ganzen Sektors (etwa aller Sparkassen oder aller Raiffeisen-Institute) und zweitens jenes der Republik. Jetzt soll ein drittes Netz dazukommen: eine europäische Einlagensicherung. Klingt gut. Ist aber ein katastrophale Idee.

Denn damit müssten alle österreichischen Geldinstitute für die Einlagen auf den griechischen oder spanischen Kartenhäusern garantieren, auf deren Eingängen seltsamerweise noch immer das Wort „Bank“ stehen darf. Angesichts all der in diversen Krisen-Banken lauernden Risken wäre damit auch die österreichische Einlagensicherung automatisch nur noch ein Kartenhaus. Damit sind es ganz direkt die österreichischen Sparer, die durch dieses von der EU-Kommission vorangetriebene Projekt zur Kassa gebeten werden sollen.

Zugleich will Brüssel der Europäischen Zentralbank die Aufsicht über alle 6000 Finanzinstitute der 17 Euro-Länder übergeben, also bis zur letzten Dorfsparkasse. Gleichzeitig bleibt die erst in der Krise neugegründete gesamteuropäische Bankaufsicht EBA aufrecht, die in allen 27 Ländern alle sytemrelevanten Institute beaufsichtigt. Bei dieser Aufgabe hat sich diese Aufsicht sofort heftigst blamiert:  Banken brachen nur wenige Wochen später zusammen, nachdem sie den Stresstest der EBA mit Bravour bestanden hatten. Daher kann kein Mensch glauben, dass die geplante 6000-Banken-Aufsicht durch das ferne Europa jetzt bessere Ergebnisse erzielen wird als etwa die bisherige Aufsicht in Österreich durch FMA und OeNB. Sie brächte statt dessen bloß teure und belastende Bürokratie.

Das alles bedeutet im Endergebnis: Der Zugriff der Schuldenkrise auf unser Geld wird immer enger. Damit ist jeder eines Schlechteren belehrt, der geglaubt hat, dass dieser Zugriff „nur“ auf zwei Wegen erfolgt: also erstens durch die nie mehr zurückbezahlbare Belastung der Staatsbudgets (alleine in Deutschland macht die Summe der zusätzlichen europäischen Haftungen und Kredite eine Billion aus) und zweitens durch die Inflationierung des Geldwertes (also durch die unlimitierten Anleihenankäufe=Gelddruckaktionen eben dieser EZB). Jetzt ist vielmehr auch unser Spargeld direkt im Visier.

Das wird aber von den Spin-Doctoren der Politik zum weiteren Schüren des ohnedies leicht erregbaren Hasses auf die Banken genutzt werden. Sie schüren keineswegs nur durch Karikaturen mit mehr oder weniger offenkundigen antisemitischen Untertönen, sondern durch viele Haltet-den-Dieb-Kampagnen fast aller politischen Lager. Denn bei allen Fehlern, die weltweit in Banken passiert sind, lasten doch 90 Prozent der Schuld an der Finanzkrise auf der Politik selber sowie auf den staatlichen Notenbanken. Davon möchten aber beide gerne ablenken und präsentieren Banken, also Sparer und Anleger, als Sündenböcke.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

 

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Mal austreten? drucken

Man fragt sich, ob man recht versteht,
wenn scheinbar unbelastet
und gänzlich ohne Pietät
wer Deutschland zu erwachen rät –
ja, ist der ausgerastet?

Er sagt den Deutschen lapidar
und sichtlich ungebeten,
was bisher unaussprechlich war:
Den Klub zu führen klipp und klar –
na oder auszutreten!

Nach solch Gefasel, neunmalklug,
von Austritt und von Führung,
sind da nicht prompt mit Recht und Fug
Verfassungsschützertrupps am Zug,
drakonisch, ohne Rührung?

Mitnichten, denn so arg verrennt
sich nicht mal wer von denen –
und dass man den Besagten kennt,
gar höflich Star-Investor nennt,
scheint müßig zu erwähnen.

Gewiss, er hat mal spekuliert,
doch darf man heut’ wen tadeln,
der eine Währung ruiniert
und Milliarden abkassiert?
Man wird ihn eher adeln!

Nur was von dem, das dringend jetzt
er Deutschen anempfohlen,
er selbst wohl für rentabler schätzt
und drauf die eignen Kröten setzt,
um noch mehr rauszuholen?

Wär’ logisch, dass der Börsenschratt
in nüchternem Kalküle
auf beide gleich gewettet hat –
gedeckt mit Derivaten glatt
als schlichte Doppelmühle!

Doch kennt der Philantrop zu gut
die ollen Pappenheimer:
Er weiß, den Deutschen fehlt’s an Mut,
sie machen weiter stur in Wut –
und sind bald ganz im Eimer…

Pannonicus

George Soros fordert Deutschland auf, entweder alle Kosten für den Euro zu übernehmen oder aber aus dem Euro auszutreten.

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Niederlande: eine Lehrstunde drucken

Das niederländische Wahlergebnis ist überaus lehrreich. Es zeigt vor allem eine signifikante Differenz zwischen momentanen Meinungen und Haltungen bei Umfragen einerseits und dem wirklichen Verhalten andererseits, wenn dann in der Wahlzelle der Ernst der Tat kommt. Dies gilt insbesondere in kritischen Zeiten wie diesen. Sowohl für Deutschland wie auch Österreich lassen sich daraus einige wichtige Erkenntnisse ableiten.

Aber zuvor kurz die wichtigsten Ergebnisse:

  • Die rechtsliberale VVD steigt von 31 auf 41 Mandate (von 150).
  • Die sozialdemokratische PvDA steigt von 30 auf 39.
  • Die Wilders-Partei PVV fällt von 24 auf 15.
  • Der christdemokratische CDA fällt von 21 auf 13.
  • Die Links-Sozialisten können entgegen den Umfragen ihre 15 Sitze nicht vermehren.
  • Die Linksliberalen D66 steigen von 10 auf 12.
  • Die Grünen fallen von 10 auf 3.
  • Etliche Kleinparteien (Tierschützer, eine weitere Christenpartei) bleiben unbedeutend.

Die Erkenntnisse daraus:

1. In der Schuldenkrise rücken die Menschen eher in die Mitte. Zumindest solange der große Crash vermieden wird (und darum bemühen sich alle Regierungen heftig, wenn auch mit einem wachsenden Risiko für die Zukunft), drängt man sich eher ängstlich in der Mitte zusammen.

2. Auch der – etwa in Österreich – scheinbar unumkehrbare Abstieg der beiden traditionellen Großparteien ist durchaus reversibel. In den Niederlanden sind sie fast die einzigen Wahlsieger. Dort ist es erstmals seit langem wieder möglich, das für eine Regierungsmehrheit bloß zwei Parteien ausreichen. Was wohl auch passieren wird, auch wenn dem Österreicher ein Zurück zu großen Koalitionen ein wenig anachronistisch erscheinen mag. Dennoch ist das auch in Deutschland das mutmaßliche Ergebnis der nächsten Wahl – außer Skurril-Parteien wie die Linke oder die Piraten kommen nicht ins Parlament. Dann gäbe es dort entweder ein Rot-Grün oder wieder ein Schwarz-Gelb.

3. Die These von den beiden wiederkehrenden Großparteien ist etwas ungenau. Denn im Lager rechts der Mitte hat es im Lauf der Jahre einen signifikanten Wechsel von den Christdemokraten als wichtigster Partei zu den Rechtsliberalen gegeben. Das beweist nicht nur eine rasche Abnahme christlicher Prägungen in Europa, sondern auch eine rasch wachsende Skepsis dagegen, wenn manche Politiker mit oft naiven Ableitungen aus der Bibel politische und wirtschaftliche Rezepte gewinnen wollen.

4. Die triumphierenden Rechtsliberalen sind nicht nur wirtschaftsliberal, sondern haben auch von ihrem bisherigen Mehrheitsbeschaffer Wilders eine ordentliche Skepsis gegen Zuwanderer übernommen.

5. Das Schicksal von Wilders zeigt auch die großen Probleme von rechtspopulistischen Parteien. Sie können zwar in der Opposition reüssieren. Aber sobald sie eine Regierung tragen sollen, brechen sie zusammen. Das ist mit Wilders genauso passiert, wie es beim Knittelfeld der Freiheitlichen war. Bei beiden Wendepunkten war die Ursache dieselbe: Die Wähler haben sich nicht deshalb abgewendet, weil sie plötzlich für die massenweise Immigration wären, sondern weil FPÖ wie Wilders nicht zum Sparen bereit waren. Die Menschen mögen zwar (verständlicherweise) das Sparen nicht, sehen es aber in der großen Mehrheit dann letztlich doch als notwendig an.

6. Auch bei den linken Sozialisten haben sich die Rezepte des ständigen Nein-Sagens als nicht ernsthaft glaubwürdig erwiesen, obwohl sie eine Zeitlang bei den Umfragen gut gelegen sind. Wie bei den Rechten hat sich das hetzerische Kampagnisieren gegen angebliche Spekulanten als nicht glaubwürdig erwiesen.

7. Nichts wäre falscher, als daraus nun einen Freibrief für die europäische Schuldenpolitik abzulesen. Bis auf die PvDA haben alle Parteien ein weiteres Hilfspaket für Griechenland ausgeschlossen. Wenn der liberale Rutte wie allgemein erwartet weiter Premier bleibt, dann gibt es zusammen mit Deutschland und Finnland zumindest drei Euro-Länder, die diese Schuldenpolitik wenigstens prinzipiell ablehnen und zu bremsen versuchen (wenn auch oft mit unzureichenden Mitteln). Österreich zählt da seit dem Hollande-Schwenk der SPÖ leider nicht mehr dazu.

8. Und last not least haben sich auch grüne Parteien als eine vorübergehende Modewelle erwiesen. Sie verlieren dramatisch an Stellenwert, wenn es um die wirklichen Probleme geht.

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Auch Verfassungsrichter sind nur Menschen drucken

Die Profiteure in Politik und Finanzfonds jubeln. Ihre Party kann noch ein paar Tage weitergehen. Für die Bürger und Steuerzahler in Deutschland wie Österreich ist es ein Trauertag. Denn für sie wird die Rechnung für diese Party noch viel größer, als sie schon bisher ist, auch wenn – oder genauer: gerade weil die Vorlage dieser Rechnung damit ebenfalls ein paar Tage hinausgeschoben worden ist. Das bedeutet das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts zu den ESM-Klagen im Kern. Und dessen ein wenig das grüne Licht einschränkende Zusatzklausel wird die Schuldenparty nicht ernsthaft bremsen.

Diese „Ja, aber“-Klausel ist schon deshalb nicht glaubwürdig, weil das Gericht in Karlsruhe schon oft solche „Ja aber“-Beschlüsse gefasst hat. Es hat es aber immer tatenlos hingenommen, wenn die darin jeweils enthaltene rote Linie, also das „Aber“ regelmäßig von der Politik hemmungslos ignoriert worden ist. So ist auch in Deutschland der Rechtsstaat hemmungslos zu Grabe getragen worden.

Im konkreten Fall ist das „Aber“ besonders wirkungslos, weil dieser nach der Unterschrift des Bundespräsidenten unter den ESM-Vertrag Deutschland völkerrechtlich bindet. Ohne Wenn und Aber.

Konkret steht nämlich in den ESM-Verträgen nirgendwo, dass ein Land nur bei Zustimmung seines Parlaments zu einer Erhöhung der Haftungsgrenzen dieses „Rettungsschirms“ gezwungen werden kann. Und diese Haftungsgrenzen sind ja jetzt schon gigantisch: Alleine Deutschland haftet durch den ESM mit 190 Milliarden Euro. Diese Summe würde - wenn sie schlagend wird - den sofortigen Staatsbankrott der Bundesrepunlik bedeuten. Von den rund 1000 Milliarden, die Deutschland schon in den letzten zweieinhalb Jahren ansonsten für europäische Haftungen und Kredite aufgebracht hat, ganz zu schweigen.

Zwar besteht theoretisch ein Vetorecht jedes im ESM sitzenden Finanzministers aus den diversen Euro-Staaten. Aber schon wird bei der Schuldenlobby mit hämischem Grinsen darauf verwiesen, dass es im ESM-Vertrag sehr wohl auch die Möglichkeit eines Eilverfahrens gegen den Willen einzelner Staaten gibt.

Was der deutschen Politik natürlich insgeheim am wichtigsten ist: Angesichts der nun geöffneten großen ESM-Verspielkasse wird ein solches Verfahren zur Erhöhung der Spieleinsätze wohl nicht vor den nächsten deutschen Wahlen notwendig sein. Und wenn  es dann einmal soweit ist – dann wird wieder einmal das gleiche Spiel getrieben werden wie schon so oft: Wieder werden die Deutschen protestieren, aber wieder werden sie aus ihren Protesten nicht wirklich ernst machen.

Dies hat sich etwa schon wenige Tage zuvor ganz genauso beim Beschluss des überhaupt unlimitierten(!) Anleihenankaufprogramms der EZB abgespielt: Die Deutschen wurden überstimmt, aber haben dann dieses Gelddruckprogramm der Europäischen Zentralbank tatenlos hingenommen. Und mit Garantie wird dasselbe passieren, wenn der ESM eines Tages seine Haftungsgrenzen ausdehnt. Ganz abgesehen davon, dass es im deutschen Bundestag nach wie vor eine massive Mehrheit für die Schuldenpolitik gibt. Der ist es offenbar wurscht, dass eine ebenso massive Mehrheit der deutschen Bürger dagegen ist.

Da ist es absolut unbegreiflich, dass sich weder die Dissidenten in der FDP noch die CSU noch etwa Gruppierungen um den Einzelkämpfer Thilo Sarrazin trauen, bei der nächsten deutschen Bundestagswahl mit einer Liste anzutreten, die diese Schuldenpolitik bekämpft. Die deutsche Linkspartei ist zwar als einzige Parlamentspartei gegen den ESM – aber sie ist noch viel mehr dagegen, dass jedes Land die Schuldenpolitik eindämmen muss. Sie ist daher nicht ernstzunehmen.

Warum haben sich die deutschen Richter nicht getraut, gemäß der Verfassung zu entscheiden? Die beste Erklärung liegt wohl im simplen Satz: „Wir sind alle nur Menschen.“ Überall lassen sich Richter vom Zeitgeist und von der Macht beeinflussen. Überall werden gerne Oppositionspolitiker verurteilt und fast nie amtierende Regierungsmitglieder. Und wenn ökonomisch ahnungslosen Richtern von der Politik eingehämmert wird, dass ein Anti-ESM-Urteil einen Schock auslösen würde, dann will niemand gern die Verantwortung dafür übernehmen.

Dies ist natürlich auch deshalb so, weil der unmittelbare Schock bei einem anderen Urteil tatsächlich mit großer Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre. Und weil es nie beweisbar wäre, dass das ein sehr heilsamer Schock wäre, der einen viel größeren, viel katastrophaleren, aber eben späteren Schock noch vermieden hätte.

PS.: Die Verlogenheit des ESM begann ja schon bei der Bezeichnung: Denn die sagt wie bei George Orwell das Gegenteil ihres Wortlauts. Was ein europäischer Schuldenmechanismus ist, hatte man frech Europäischer Stabilitätsmechanismus getauft. So wie man halt einst totalitäre Diktaturen zur Tarnung Volksdemokratien genannt hat.

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Die liberale Studentenbewegung in Europa wächst weiter drucken

Konferenz der „European Students For Liberty" am 17. November in München, Deutschland

In Anbetracht der aktuellen Systemkrise wird heute deutlicher denn je, wie stark die Staatsgläubigkeit an den meisten europäischen Universitäten verwurzelt ist. Wir stehen vor dem Zusammenbruch „unserer“ Wohlfahrtssysteme und trotzdem hören Studenten ausschließlich von Lösungen, welche nur der Staat bereitstellen könne. Er wird als unser aller Heilsbringer dargestellt und gleichzeitig werden „die freien Märkte“ verteufelt. Staatlich verursachte Probleme sollen durch noch mehr Staat gelöst werden.

Besonders deutlich ist dies am Beispiel der „Generationengerechtigkeit“ erkennbar. Die Jugend müsse das System aus Gerechtigkeitsgründen akzeptieren und darauf hoffen, in Zukunft selber von diesem zu profitieren. Doch wie am raschen Wachstum der „European Students For Liberty“ zu erkennen ist, verlieren mehr und mehr Studenten das Vertrauen in den Staat als Löser all unserer Pobleme.

Das Netzwerk der „European Students For Liberty“ wuchs innerhalb des vergangenen Jahres auf über 105 liberale Studentengruppen aus 20 verschiedenen Ländern an. Zudem besuchten mehr als 220 Studenten im vergangenen Jahr unsere erste europäische Konferenz im belgischen Leuven (und dies ohne jegliche Subventionen!). Diese große Nachfrage hat uns dazu angespornt, liberale und libertäre Ideen in Form von Regionalen Konferenzen noch näher an die Studenten zu bringen. Wir veranstalteten im Sommer schon eine Konferenz in Vilnius (Litauen) und werden im Herbst weitere Konferenzen in Stockholm, Turin, Belgrad und auch in München abhalten.

Die Konferenz in München wird am 17. November in deutscher Sprache an der Universität München abgehalten. Bereits jetzt haben uns prominente Redner, wie z.B. Professor Dr. Thorstein Polleit (Chief Economist, Degussa Goldhandel GmbH), Prinz Michael von Liechtenstein, Theobald Müller (Unternehmensgruppe TheoMüller), Jonathan Logan (Vice-President Cryptohippie Inc.) und Karl Peter Schwarz (Korrespondent Frankfurter Allgemeine Zeitung) zugesagt.

Unser Ziel ist es, DIE Ressource für liberale Studenten zu werden, so dass wir mit einem umfangreichen Netzwerk und mit ausgeprägten Fähigkeiten dem etatistischen Zeitgeist entschlossen entgegenstehen können. Daher bieten wir Kontakte, Trainings und Ressourcen, wie z.B. kostenlose Bücher, Konferenzen oder Seminare im Internet an. Es ist großartig, wie viele Möglichkeiten und Gleichgesinnte es innerhalb Europas gibt. Wir wollen diese bündeln und zusammenbringen.

Was uns von bestehenden Strukturen unterscheidet ist unser Fokus. Wir nehmen kein Geld vom Staat an und sind nicht politisch tätig. Als „European Students For Liberty“ konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Ideen der Freiheit, die akademischen Theorien und die Kommunikation derselben. Wir schreiben dabei niemanden vor, was der beste Weg zur Freiheit ist, sondern wollen genau darüber diskutieren.

Deshalb würden wir uns sehr freuen Sie und Euch in München begrüßen zu dürfen.

Informationen:

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig. Er arbeitete für das Austrian Economics Center in Wien und studiert International Affairs and Governance an der Universität St. Gallen. Sie können ihn unter der E-Mail mlandl@studentsforlibery.org erreichen.

Weiterführende Links:

European Students For Liberty
Regionale Konferenzen
Regionale Konferenz München

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Buchempfehlung: Die demokratische Krankheit drucken

Liest man die einschlägigen Kommentare in den Massenmedien oder wirft man einen Blick auf das aktuelle Sachbuchangebot zum Thema Schuldenkrise, so erscheint die Schuldfrage eindeutig geklärt: Spekulanten, kollektive Gier und „der Kapitalismus“ haben unsere Gesellschaften an den Rand des finanziellen Abgrunds geführt.

Angesichts dieser erdrückenden Fülle an Desinformation tut es gut, im vorliegenden Buch eine Analyse zu finden, die nicht an der Oberfläche der Probleme kratzt, vermeintliche Sündeböcke vorführt und sich in Symptomtherapievorschlägen erschöpft, sondern die radikal des Pudels Kern freilegt: Die im demokratischen Wohlfahrtsstaat unserer Tage herrschenden, unheilvollen Dynamiken nämlich.

Der Autor (Christoph Braunschweig), der an der Wirtschaftsuniversität von Jekaterinenburg Wirtschaftswissenschaften lehrt, diagnostiziert eine „demokratische Krankheit“, die durch einen sich laufend selbst verstärkenden Teufelkreis aus Politikerversprechen und Wählerbegehrlichkeiten gekennzeichnet ist.

Der einstige Schüler von F. A. Hayek steht mit seiner Analyse fest auf den Boden der Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre. Und, wie Hayek, steht auch er dem staatlichen Geldmonopol kritisch gegenüber. Der Verlockung zu widerstehen, die Notenpresse zur Finanzierung von Wählerbestechungsaktionen einzusetzen, ist einer Regierung im demokratischen Wohlfahrtsstaat so gut wie unmöglich. Irgendwann ist folglich eine Grenze erreicht, ab der die Gewöhnung an reichlich vorhandenes, „billiges Geld“ derart groß ist, dass die Abkehr von einer inflationistischen Geldpolitik unterbleibt, weil sie nur noch um den Preis schwererer Unruhen möglich wäre. Am Ende dräuen Hyperinflation oder deflationärer Schock. Für die politische Klasse kommt es nur darauf an, nicht (mehr) am Ruder zu sein, wenn dieser Zeitpunkt erreicht ist. Die Wähler wiederum verhalten sich wie Drogensüchtige, die zwar (unterschwellig) um die Gefährlichkeit ihrer Abhängigkeit wissen, sich zu einem Entzug aber nicht entschließen können oder wollen.

Da die Steuerbelastung an Grenzen stößt, ab der Vermeidungs- Umgehungs- oder Fluchtstrategien keine Mehreinnahmen für den Fiskus erwarten lassen [der kürzlich gewählte, sozialistische Staatspräsident Frankreichs, Hollande, ist eben im Begriff diese Lektion auf eine unverhofft harte Tour zu lernen, Anm.] bietet eine eskalierende Staatsverschuldung den einzig verbleibenden Ausweg zur Fortführung der gewohnten, wohlfahrtsstaatlichen Geldverschwendung.

Das mit schmerzfreien Methoden nicht mehr lösbare Verschuldungsproblem, bedingt indes große Gefahren: Der US-Ökonom Milton Friedmann identifizierte einst den Dreisprung „von der öffentlichen Verschuldung über die Finanzkrise in die Unfreiheit“ als fatale Bedrohung für eine liberale Gesellschaft. Der Nobelpreisträger hat damit – schon vor Jahrzehnten – exakt jene Lage beschrieben, in der sich Euroland gegenwärtig befindet. Denn selbstverständlich wirkt der beschriebene Mechanismus nicht nur auf nationalstaatlicher Ebene, sondern, wie wir eben erleben, in sogar vermehrtem Maße auch in einem zentralistisch verfassten, von einer ebenso bürgerfernen wie arroganten Bürokratie geführten Imperium.

Jede Intervention führt zur weiteren Verschärfung der Lage und zieht erneute Interventionen nach sich. Die Freiheit des Bürgers wird auf diese Weise scheibchenweise entsorgt. Wir befinden uns auf dem Weg zur Knechtschaft.

Braunschweig nimmt die Geschichte des amerikanischen Finanzdebakels und die Ursache der Eurokrise ins Visier. Die Einführung des Euro betrachtet er – angesichts der Heterogenität der unter das Joch einer gemeinsamen Währung gezwungenen Volkswirtschaften – als schweren Fehler. Aber. „Währungssysteme sind (…) weder für die Ewigkeit angelegt noch entscheidet sich an ihnen das Schicksal der Menschheit.“ Kurz: sollte der Euro scheitern, dann würde Europa – anders als es uns die Nomenklatura unentwegt in Aussicht stellt – keineswegs daran zugrunde gehen.

Im „anonymen Marktmechanismus“, der eine freie Gesellschaft kennzeichnet, erkennt der Autor „das denkbar größte Machtzerschlagungsmittel überhaupt“ – was wohl den Fanatismus erklärt, mit dem die Politbüros die noch funktionierenden letzten Reste der Marktwirtschaft bekämpfen. Die einmal erlangte Macht wird von ihnen mit allen gebotenen Mitteln – u. a. dem des Vertragsbruchs – verteidigt. Doch leider zeigt sich, „…dass es gerade die Eingriffe in marktwirtschaftliche Ordnung sind, die Schwierigkeiten erzeugen!“ Besonders deutlich wird dies, wenn versucht wird „Das Übel übermäßiger Verschuldung mit noch mehr Verschuldung zu bekämpfen…“ – ein in der Tat geradezu grotesk anmutender Gedanke.

Dass Europa seine größten wirtschaftlichen Erfolge in einer Zeit erlebte, als relativ große wirtschaftliche Freiheit herrschte (man denke an das „Wirtschaftwunder“ unter Federführung des liberalen deutschen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard) und sich sein aktueller Niedergang umso mehr beschleunigt, je brutaler die Märkte von Technokraten und Planwirtschaftlern reguliert werden, sollte den Apologeten der eurokratischen Kommandowirtschaft zu denken geben. Mehr von der falschen Arznei hat schließlich noch keinen Patienten je geheilt.

Der Ausblick ist eher pessimistisch: Die „kollektive Unvernunft von Wählern und Politikern“ wird wohl dafür sorgen, dass wir zügig auf dem Weg zum Crash voranschreiten. Angesichts der nahezu vollständigen Hegemonie marktfeindlicher Kräfte in Politik und Massenmedien ist die plötzliche Einsicht einer Mehrheit der Bürger in die Notwendigkeit zur Umkehr – zu den Prinzipien einer liberalen Gesellschaft – einigermaßen unwahrscheinlich.

Fazit: Ein großartiges Buch, das sich allerdings nicht dazu eignet, als „Betthupferl“ konsumiert zu werden. Albträume wären nicht auszuschließen…

Die demokratische Krankheit
Christoph Braunschweig
Olzog-Verlag, 2012
206 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-7892-8343-7
€ 22,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Es droht Krieg und kein Europäer merkt es drucken

Während Europa unter den Folgen jahrzehntelanger Schuldenwirtschaft stöhnt, zieht am Horizont eine noch schlimmere Gefahr auf als der Zusammenbruch von Wirtschaft und Währung: Die Kriegsgefahr im Nahen Osten wächst von Woche zu Woche. Und nur Illusionisten können zweifeln, dass das nicht nur in Hinblick auf die Energieversorgung eine katastrophale Bedrohung für Europa darstellt. Daran ändert es natürlich auch nichts, dass in Europa diese Kriegsgefahr gerne verdrängt wird. Ursache dieser Verdrängung ist einerseits die Konzentration auf die Finanzkrise, andererseits das generelle Fehlen einer konsistenten europäischen Außenpolitik.

Zwar sind mehrere Vertragsänderungen der EU mit der Notwendigkeit einer starken europäischen Außenpolitik begründet worden. Ans Ziel geführt haben diese Änderungen aber offensichtlich nicht. Das merkt man schon daran, dass die Mitgliedsstaaten sämtliche europäische Führungsfunktionen mit schwachen Persönlichkeiten besetzt haben, ob es nun der Kommissions- oder der Rats-Präsident ist oder die Außenbeauftragte.

Wirkliche Großmächte dieser Welt wie insbesondere China machen sich trotz aller asiatischen Höflichkeit gerne lustig über die außenpolitische Profillosigkeit Europas. Und sie reden daher lieber mit der deutschen Bundeskanzlerin als mit einem dieser Exponenten Brüssels, wenn sie ernsthaft verhandeln wollen.

Die europäischen Großmächte sind sehr klein geworden

Aber auch die europäischen Großmächte selbst schrauben ihre außenpolitischen Ambitionen herunter. Frankreich und England haben bei ihrer letzten Aktion – den Luftangriffen auf Libyen – gelernt, dass das sehr teuer war, und dass man dennoch in Libyen keineswegs eine echte Verbesserung der Verhältnisse erreichen konnte. Sie sind daher außenpolitisch leise geworden – und wirtschaftlich zunehmend angeschlagen. Deutschland wiederum hat als Universalfeuerwehr Europas genug Sorgen, es ist außenpolitisch auch schon vor der Krise außerhalb Europas traditionell vorsichtig und zurückhaltend gewesen; und es hat jetzt überdies einen Außenminister, der nicht wirklich als Schwergewicht oder besonders weise gilt.

Die nächstgroßen Länder Italien und Spanien hängen überhaupt groggy in den Seilen. Daher ist ihnen die frühere Lust auf eine lautstarke Mittelmeer- oder Lateinamerikapolitik komplett vergangen. Und die kleineren Europäer waren weltpolitisch naturgemäß immer schon irrelevant. Österreich zum Beispiel hat seit dem EU-Beitritt und der Balkanpolitik des Alois Mock nicht einmal eine nennenswerte Europapolitik, sondern bloß eine sich selbst verwaltende Außenpolitik (mit einer einzigen Unterbrechung durch das mutige Nein von Schüssel und Plassnik in Sachen Türkei-Beitritt).

Vom Balkan bis Nahost fehlen Europa Konzept und Strategie

Freilich muss man realistisch sein: Europa kann den drohenden Ausbruch eines Krieges zwischen Israel und Iran wie auch die zunehmende Eskalation zwischen Israel und Ägypten wie auch die Zuspitzung des syrischen Bürgerkriegs wie auch die Turbulenzen in weiteren arabischen Ländern nicht verhindern. Das gelingt auch den militärisch wie außenpolitisch viel mächtigeren Vereinigten Staaten nicht. Druck der Außenwelt auf regionale Hitzköpfe hätte ohnedies nur dann eine Erfolgsgarantie, wenn sowohl Amerika wie China wie Russland wie Europa einmal mit einer Stimme sprechen. Was leider nur ein Wunschtraum ist.

Aber auch bei realistischer Sicht ist die außenpolitische Absenz Europas deprimierend. Man hat den Eindruck, alle anderen drei großen Welt-Akteure haben ein klareres Konzept für den nahöstlichen und arabischen Raum als Europa. Dabei zeigt schon der Blick auf die Landkarte, dass die Möchtegern-Weltmacht Europa den Krisenzentren näher liegt als alle anderen globalen Mächte. Zusätzlich wäre Europa auch dadurch ganz besonders gefordert, dass die USA einen schleichenden Rückzug von ihrer Rolle als universeller Weltpolizist eingeleitet haben.

Aber Europa ist nicht einmal auf dem eigenen Territorium imstande, den Zypernkonflikt, also die Besetzung von EU-Territorium durch eine fremde Macht zu lösen. Es kann auch in der unmittelbaren Nachbarschaft keine funktionierenden Staatsmodelle für den Kosovo und Bosnien durchsetzen. Die EU kann sich weder dazu aufraffen, die De-Facto-Segmentierung dieser beiden Staaten anzuerkennen – sie ist aber natürlich auch völlig außerstande, militärisch eine staatliche Einheit durchzusetzen. Denn der gemeinsame Nenner der europäischen Politik ist die Immobilität.

Die nahöstlichen Christen wurden aufgegeben

Was könnte, was müsste Europa in Nahost konkret besser machen? Es müsste sich vor allem einmal auf überschaubare Ziele konzentrieren. Das wäre insbesondere der Schutz der Christen im Irak und Syrien, die derzeit zu Hunderttausenden verfolgt und vertrieben werden. Aber statt dessen hat sich die europäische Politik ohne Rücksicht auf die Konsequenzen in eine fast infantile Begeisterung für die islamistischen Revolten hineintreiben lassen.

Noch schlimmer ist das Versagen Europas in der gefährlichsten Konfliktzone, nämlich jener zwischen Israel und Iran. Mittlerweile sind die Beweise überwältigend, dass Iran knapp vor der Fertigstellung von Atomwaffen steht. Auch die Internationale Atomenergiebehörde – die sich vor dem Irak-Krieg der amerikanischen Propaganda gegen Saddam Hussein entgegengestellt hatte, die daher zweifellos große Glaubwürdigkeit besitzt – hat reihenweise diesbezügliche Alarmmeldungen veröffentlicht.

Die iranische Bombe ist für Israel unerträglich

Eine iranische Atombombe bedeutet aber für Israel eine lebensgefährliche Bedrohung. Denn Atombomben in den Händen eines Regimes, das den Holocaust verherrlicht, sind für das Land unerträglich. Zugleich sind die bevölkerungsreichen islamischen Länder mit ihren wirren Kompensationsversprechungen für das Jenseits leichter als jede andere Kultur  imstande, einen Atomkrieg zu riskieren. An dessen Ende wären das kleine Israel und all seine Einwohner mit Sicherheit ausgelöscht, während ein Teil der moslemischen Menschheit überlebt.

Die Gefahr durch eine iranische Bombe wird noch durch die innerislamischen Rivalitäten verschärft: Wer sich von den drei um die Führung ritternden Ländern Iran, Saudi-Arabien und Ägypten am aggressivsten gegen Israel stellt, dem jubeln die durch den Islam verarmten und radikalisierten Massen am lautesten zu.

Botschaften nach Jerusalem landen in Teheran

Daher hätte es für jeden verantwortungsbewussten Politiker der Außenwelt seit Jahren oberste Pflicht sein müssen, den Druck auf den Iran zu erhöhen und diesen vor allem glaubwürdig auszuüben. Das wäre die beste Chance gewesen, den Iran zum Verzicht auf die Atomwaffenentwicklung zu bewegen und solcherart die Kriegsgefahr zu beenden.

Doch sind aus Europa nie wirklich konsistent glaubwürdige und entschlossene Signale nach Teheran gesandt worden. Der Kontinent erweckt den Eindruck, nur auf amerikanischen Druck und nur halbherzig bei den Sanktionen gegen Iran mitzumachen.

Botschaften an Israel werden vor allem in Teheran gehört, das daraus seine Rückschlüsse zieht. Sie werden als Signal aufgenommen, dass man ohnedies mit dem Bombenbasteln fortfahren könne. Daher sind die ständigen öffentlichen Warnungen an Israel, auf einen Präventivschlag gegen Iran zu verzichten, gefährlich und kriegsfördernd. Denn selbst wenn man der Meinung wäre, Israel solle der Fertigstellung der iranischen Bombe tatenlos zusehen, wäre es klug und die einzige friedenstiftende Politik gewesen, das niemals öffentlich zu sagen. Was aber etwa ein Herr Westerwelle ständig tut.

Wer begreift, wie sehr die Erinnerung an den Holocaust verständlicherweise den harten Kern der Identität Israels bildet, dem muss außerdem klar sein, dass solche Warnungen an Israel völlig sinnlos sind. Der jüdische Staat ist durch und durch von einem „Nie wieder“ geprägt: Man will sich nie wieder wehrlos abschlachten lassen.

An der Dummheit und Gefährlichkeit der europäischen Nahostpolitik ändert auch der Umstand nichts, dass auch die amerikanische Politik zunehmend solche gefährlichen Signale der Unsicherheit aussendet. Diese sind aber derzeit wenigstens durch den Wahlkampf erklärlich, in dem man sich keinesfalls durch einen israelischen Präventivschlag mit all seinen ungewissen und gefährlichen Konsequenzen stören lassen will.

Aber es steht außer Zweifel, dass eine iranische Bombe noch viel gefährlicher ist als ein zweifellos ebenfalls hochriskanter israelischer Präventivschlag.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Italien darf wieder lachen – auf unsere Kosten drucken

Die Zinsen der Schuldenstaaten sind als Folge der leichtfertigen Anleihenaufkauf-Ankündigung der Europäischen Zentralbank ein wenig gesunken. Ein wenig. Aber schon mehren sich die Anzeichen, dass umgehend auch die Reformbereitschaft der Schuldenstaaten sinkt. Als drastisches Beispiel möge diesmal nicht Griechenland, sondern Italien dienen.

Dabei hat die EZB noch gar nichts aufgekauft. Dabei sind die Marktzinsen für zehnjährige italienische Anleihen bloß von 6,1 (am Höhepunkt vor einigen Wochen) auf 5,1 Prozent gesunken, womit sie also noch immer ein Vielfaches der deutschen Zinssätze von 1,6 Prozent ausmachen. Und sie werden wohl bald wieder steigen. Dabei hat die Unicredit, die größte, selbst ums Überleben kämpfende Bank des Landes, verlauten lassen, dass sie weiterhin keine italienischen Anleihen mehr kauft.

Dabei ist zugleich nun auch Deutschland selber in erste Anzeichen der Bedrängnis geraten: Hat es doch zum ersten Mal seine langfristigen Anleihen nicht mehr im gewünschten Umfang an den Mann gebracht. Das heißt: Auch der deutschen Stabilität wird von den Geldgebern nur noch kurzfristig getraut (denn irgendwelche Anleihen müssen ja zum Beispiel die Lebensversicherungen auf Grund rechtlicher Pflichten kaufen), nicht aber langfristig.

Trotz all dem mehren sich rund um den seit Tagen erwarteten EZB-Beschluss die Anzeichen, dass die anfänglich große Reformbereitschaft in Italien wieder nachlässt. Am schlimmsten ist es, dass italienische Zeitungen sofort von „großer Zufriedenheit“ Mario Montis ob des EZB-Beschlusses berichtet haben. Das ist alleine schon psychologisch ein schlimmes Signal. Zwar war dieses Signal für die Märkte gedacht, also potenzielle Geldgeber, aber hören tun es vor allem die Italiener selber. Die ziehen sofort ihre Schlüsse daraus.

Dieses Signal fügt sich nahtlos in etliche Meldungen der vergangenen Tage aus Italien.

Da protestieren die Gewerkschaften nun wild gegen Sparmaßnahmen des maroden Fiat-Konzerns, obwohl Fiat an der Kippe von tot oder lebendig steht. Da bekämpfen Konsumentenschützer wie Medien wie Rechtsparteien heftig die geplante Pflicht für Kaufleute, Zahlungen über 50 Euro auch mit Bankomat- oder Kreditkarten anzunehmen. Dabei ist in Italien der Bargeldumlauf viel intensiver als in den meisten anderen Ländern. Das ist ein starkes Indiz, dass solcherart viele Geschäfte an der Steuer vorbei geleitet werden.

Besonders ärgerlich ist, dass der italienische Ministerrat selber, also das von Monti geleitete Gremium, nun eine verpflichtende Frauenquote für börsenotierte Unternehmen des Landes beschlossen hat. Das heißt, schon wieder werden sozialromantische Ideen durchgepeitscht, die keinesfalls die Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Wirtschaft – also das Zentralproblem des Landes – verbessern. Vielmehr verschlechtern sie diese sogar mit großer Wahrscheinlichkeit. Denn jede Maßnahme, die externen Zielen, wie etwa dem Genderismus dient, steht automatisch im Widerspruch zu Zielen der Unternehmen, ihrer Eigentümer, Mitarbeiter und Kunden.

Aber jetzt kann man es sich ja schon wieder leisten. Italien kann sich wieder ein paar Monate mit Anleihen finanzieren. Und die EZB kauft diese dann auf, wenn sie keine Abnehmer finden. Und Deutschland und Österreich haften dann für die dadurch explosiv wachsenden EZB-Schulden. Was zumindest Angela Merkel äußerst distanziert kommentiert, während „unser“ Werner Faymann skandalöserweise jubelt.

PS.: Italienische Pointe am Rande: Die gleiche Spannung, die sich zwischen den sparsameren Europäern und den Italienern aufbaut, besteht auch zwischen Nord- und Süditalien. Etwa die Region Venetien weigert sich nun offiziell, künftig „auch nur mit einem Euro für die Misswirtschaft des Südens aufzukommen“. Insbesondere Sizilien ist seit Jahrzehnten ein Fass ohne Boden. Die Insel mit ihren fünf Millionen Einwohnern hat allein von der EU in den vergangenen zehn Jahren ganz unabhängig von der Schuldenkrise 20 Milliarden bekommen. Kein Cent davon – oder aus den vielen anderen Hilfen für den Mezzogiorno – hat dort irgendeine strukturelle Verbesserung ausgelöst. Das sizilianische Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist von 75 auf 66 Prozent des italienischen Schnitts gesunken. Warum sollten die Sizilianer auch etwas ändern, wenn das Geld eh weiter fließt? In Palermo gibt es Busfahrer, die keinen Führerschein haben. Im öffentlichen Dienst der Insel kann man schon mit einem Lebensalter von 46 Jahren nach 17 meist nicht sehr arbeitssamen Dienstjahren in Pension gehen. Zum Vergleich: Diese 20 EU-Milliarden an EU-Geldern sind fünfmal so viel wie der ganze, viel größere italienische Norden von Brüssel bekommen hat. Dafür verdient der sizilianische Regionspräsident doppelt so viel wie sein Kollege in der industriell reichen Lombardei. Geringer Trost, dass dieser Präsident soeben zurückgetreten ist – weil er von den Gerichten wegen Mafia-Kontakten verfolgt wird. Jetzt soll ihm ein TV-Showmaster folgen. The Show must go on . . .

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Ewald, der Bankrottgouverneur drucken

Jetzt sind die Würfel gefallen: Die Internationale der fröhlichen Schuldenmacher hat gewonnen. Alle Sparer und Steuerzahler haben schwer verloren. Und die Europäische Zentralbank kann ihren De-Facto-Konkurs nur noch durch heimliches Gelddrucken abwenden. Das wird zwingend zu einer weiteren massiven Entwertung des Euro nach außen wie nach innen führen . Was aber völlig unbegreiflich ist, ist die Zustimmung des österreichischen Notenbank-Gouverneurs Ewald Nowotny zu diesem Wahnsinnsbeschluss. Hingegen hat sich die deutsche Bundesbank bis zuletzt tapfer gewehrt.

Freilich sollte man sich nicht allzu sehr über die EZB und ihren mehrheitlichen Beschluss wundern, in unbegrenztem Umfang Anleihen von Krisenländern aufzukaufen. Denn seit dort ein Italiener als Präsident eingezogen ist, musste völlig klar sein, wohin die Reise geht. Daran ändert es nichts, dass die Rhetorik von Herrn Draghi bisweilen die marktwirtschaftlichen Grundprinzipien vorzuspiegeln versucht. Aber um es metaphorisch zu sagen: Das Blut ist bei den meisten Menschen allemal schwerer als das Hirn. Also war im Grund immer klar, dass Draghi im Interesse Italiens entscheidet.

Bei einem Sozialisten an der Spitze der österreichischen Nationalbank sollte einen wiederum etwas anderes nicht wundern: Bei ihm wiegen die Schuldenlust der Partei und deren internationale Verfilzungen schwerer als das nationale Interesse. Dabei war Ewald Nowotny anfangs durchaus ein auf Stabilität bedachter Notenbanker. Er hatte damals den Schulden-Fanatikern in seiner Partei noch den Satz entgegenzuschleudern gewagt: Ein Land, das zu viele Schulden hat, gibt seine Souveränität auf.

Seit aber im Frühjahr in Frankreich ein Linkspräsident an die Macht gekommen ist, haben sich auch die deutschen und österreichischen Sozialdemokraten dem Zug der Schuldenlemminge angeschlossen. Und Ewald Nowotny ist im Kern offensichtlich halt doch nur ein braver Parteisoldat.

Um den Sachverhalt auf den Punkt zu bringen: Wenn sich Staaten nicht mehr nur durch die Steuerleistung finanzieren, sondern durch Geldausgabe der Notenbank, dann muss das zwangsläufig zur Inflation führen. Und wenn eine Notenbank mehr Geld ausgibt, als sie an Gold oder ausländischem Geld hat und als der Zuwachs der nationalen Wertschöpfung  ausmacht, dann bedeutet das Gelddrucken, also die Täuschung von Menschen durch ungedeckte Papierscheine.

Jede Wette: Wenn die EZB nicht schon heute konkursreif ist, ist sie es spätestens am Jahresende. Sie hat nur einen Vorteil gegenüber normalen Pleitiers: Sie kann das immer verheimlichen. Sie muss nicht veröffentlichen, wie viele – fast wertlose – Staatsanleihen von Schuldnerländern sie in den Tresoren haben.

Nun werden manche beschwichtigend einwenden: Die EZB werde jetzt zwar unbegrenzt Geld drucken, aber sie tue das nur, wenn die dadurch begünstigten Schuldnerländer strenge Sparprogramme durchlaufen.

Das lässt aber nur müde lächeln: Denn diese Sparprogramme werden erstens von politisch beherrschten Gremien, also von lauter Rücksichtlern und Solidaritäts-Rhetorikern erstellt. Zweitens werden nicht einmal deren Empfehlungen in Ländern wie Griechenland wirklich ernsthaft umgesetzt; das merkt die Außenwelt freilich immer erst lange nachher. Drittens und vor allem anderen kommt in den Ländern am schönen Mittelmeer jetzt primär eine Botschaft an: Es gibt wieder frisches Geld, also ist eh alles nicht so dramatisch. Diese fatale Wirkung der EZB-Beschlüsse kann jeder vorhersagen, der eine Ahnung von politischer Massenpsychologie hat.

Wie wenig ernst etwa die Griechen das Sparen nehmen, hat man in den letzten Tagen erneut genau beobachten können: Da hat das ganze Land ob des Verlangens der internationalen Sparkommissare aufgejault, das gesetzliche Verbot der Sechstagewoche aufzuheben. Mit anderen Worten: Auch im dritten Jahr des angeblichen Sparens haben die Griechen den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen.

Aber dennoch finden sie mit ihrem Sparunwillen auf der europäischen Linken sogar wachsende Solidarität. Einer der übelsten sozialistischen Politruks zeigte in der ZiB des ORF – trotz des theoretischen Objektivitätsgebots im Staatsfunk –  volle Sympathie mit diesem griechischen Aufschrei: Die Sparkommissare würden „spinnen“, japste er mit vor Empörung kippender Stimme.

Als ob die Ermöglichung einer Aufteilung der gleichen(!) Arbeitsstundenanzahl wie bisher auf sechs Tage die ultimative Unmenschlichkeit wäre. Offenbar ist bei den Hellenen die Freizeitqualität noch immer viel wichtiger als die Bewahrung des Jobs. Es ist noch nicht so lange her, da war auch in Österreich die Sechstagewoche für Schüler wie Arbeitnehmer der Normalfall. Aber niemand hat das damals als totalitäre Folter gesehen.

Weniger ehrlich ist die österreichische Gegenwart: Hier stimmte nicht nur der Notenbankchef vorsätzlich dem unbegrenzten Anleiheverkauf zu; im Gegensatz zu Deutschland gibt es hier nicht einmal eine öffentliche Debatte. Freilich haben wir in Österreich keine Ökonomen von der Qualität,wie sie in Deutschland zu Hunderten an den Universitäten lehren.  

Besonders rätselhaft: Warum wagt die ÖVP keine Kritik an Nowotny? Warum stärkt Michael Spindelegger nicht seiner Finanzministerin den Rücken, die als einziger Mann in dieser Waschlappen-Regierung wenigstens hinter den Kulissen vehement gegen den europaweiten Schuldenkurs auftritt? Warum verspielt der angeschlagene ÖVP-Chef seine letzte Chance, durch mutige Aussagen, die er auch beim ersten Gegenwind nicht gleich fallen lässt, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen?

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Hoffen und Bangen drucken

Sind dem Auftrag wir gewachsen
wie erteilt von Goldman-Sachsen?
Diese bange Frage nagt
an den Euro-Regisseuren
samt Komparsen und Claqueuren –
den Experten, schlicht gesagt.

Können wir wie heut’ auch morgen
pflichtgemäß für Kurzweil sorgen,
klappt das weiterhin so gut?
Denn dass deprimierte Griechen
hoffnungslos am Euro siechen,
ist ja längst ein alter Hut.

Selbst bei anderen Maladen
an des Mittelmeers Gestaden
ist nicht neu das Wechselbad –
kurz, den Zahlern und Garanten,
den Gewinnern, sogenannten,
wird dabei womöglich fad!

Doch nicht nötig ist der Kummer:
Im Programm als nächste Nummer
springen jetzt Slowenen ein –
jene just, die vor paar Jahren
Euro-Musterknaben waren,
werden auch bald pleite sein.

Oder kommt verfrüht das Hoffen?
Denn das Ländchen, das betroffen,
ist nicht groß und lässt sich leicht
ohne neue Machenschaften
unterm Rettungsschirm verkraften –
also wieder nichts erreicht!

Darum heißt es dranzubleiben
und gezielt voranzutreiben,
was im Sinn der Hochfinanz,
ist das Werk ja erst vollendet,
wenn der Kontinent verpfändet
und verkauft ist gar und ganz…

Pannonicus 

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Faymanns verlogene Wifo-Auftragsarbeit drucken

Werner Faymann hat sich beim Wirtschaftsforschungsinstitut wieder einmal einen Text bestellt. Dieser hat neben Wahlkampfzwecken insgeheim nur eine Aufgabe: seinen Wunsch nach einer weiteren Vervielfachung des europäischen Schuldenbergs zu unterstützen. Nun, beim Wifo kann man sich um das nötige Klein- oder Großgeld (des Steuerzahlers) ja fast alles bestellen. Trotzdem ist dieses Wifo-Papier mehr als erstaunlich. Es ist vor allem dadurch, was es alles nicht sagt, mehr als verlogen.

Natürlich hat Erste-Bank-Chef Treichl recht, der darauf verweist, dass es sicher schon 50.000 Studien zu diesem Thema gibt. Er rät daher überhaupt davon ab, solche Studien zu beauftragen. Denn in Wahrheit könne niemand wissen, wie die Menschen in konkreten Situationen reagieren werden.

Schon daher sind genaue Zahlenangaben darüber nur lächerlich, die voraussagen, wie viele Arbeitslose es mehr geben wird, wenn Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Irland und Zypern gleichzeitig in den nächsten Monaten aus dem Euro austreten. Genau das waren aber die auf Faymanns Wunsch der Studie zugrundegelegten Annahmen. Unrealistischer geht’s wohl nimmer. Der bisweilen verlangte Hinauswurf ist ja schon rein rechtlich gar nicht möglich.

Überdies sind einige dieser Länder schon mit ihren – unpopulären, aber dringend notwendigen – Reformen ermutigend gut unterwegs, wenn auch noch nicht über den Berg. In etlichen Hauptstädten amtieren endlich Regierungen, die das längst Notwendige in Angriff nehmen. Obwohl sie wissen, dass noch ein langer, schmerzhafter und mühevoller Weg vor ihnenl iegt. Obwohl sie wissen, dass sie von den wankelmütigen Wählern dafür bei der nächsten Wahl abgewählt werden.

Aber selbst wenn man diese manipulativen Faymann-Wifo-Annahmen akzeptiert, bleibt der Text verlogen. Denn er stellt sein Horrorszenario der ja durchaus als erträglich empfundenen Gegenwart gegenüber. Er tut damit unausgesprochen so, als ob ohne Austritt dieser Länder weitere Stabilität und hohe Beschäftigung geradezu garantiert wären. Oder zumindest wahrscheinlich. Und das ist eine unglaubliche Lüge.

Denn die Studie ignoriert die gewaltige Schuldenlast, die Österreich schon heute auf sich geladen hat. Sie ignoriert die darüber hinaus in unbekannter Höhe eingegangen Haftungen durch Länder, Gemeinden und deren Unternehmungen. Sie ignoriert die gewaltigen künftigen Belastungen durch die demographische Überalterung. Sie ignoriert, dass Österreich schon in den letzten zweieinhalb Jahren zwischen 80 und 100 Milliarden Euro an zusätzlichen Haftungen beziehungsweise Krediten zugunsten der Euro-Schuldnerländer wie insbesondere Griechenland eingegangen ist. Sie ignoriert, dass deren auch nur teilweises Platzen Österreich in die größte Krise seiner Geschichte stürzen würde. Gegen diese drohende Krise ist das vom Wifo gezeichnete Szenario nach dem fingierten Massen-Exodus aus den Euro ein fast harmloses Vorspiel.

Die Studie ist aber nicht nur verlogen, sondern auch gefährlich, weil sie von Faymann und den schuldengierigen Sozialdemokraten natürlich dazu benutzt wird, ihren Kampf für eine noch weitergehende Mega-Verschuldung und -Haftung zugunsten der Krisenländer als notwendig und richtig darzustellen.

Faymann und das Wifo versuchen damit eine Antwort zu geben auf die Forderungen Hunderter prominenter Ökonomen wie auch einer Bevölkerungsmehrheit, dass Österreich und Deutschland keinen weiteren Cent an zusätzlichen Haftungen für reformunfähige oder -unwillige Länder eingehen. Nicht nur, weil genau das eigentlich schon bei der Einführung des Euro vertraglich ausdrücklich verboten worden ist. Sondern auch deshalb, weil das endgültig die eigene Kreditfähigkeit der angeblich stabilen Nordländer zertrümmern würde. Diese Zertrümmerung wird ja schon vielerorts sehr konkret befürchtet, keineswegs nur von den Ratingagenturen.

Am Rande sei vermerkt: Keines dieser Länder müsste automatisch aus dem Euro austreten, selbst wenn es kein frisches Geld mehr von anderen Ländern oder - derzeit besonders aktuell! - der Zentralbank bekommt. Die Alternative etwa für Griechenland wäre freilich alles andere als attraktiv: Beamte und Pensionisten bekämen bald nur noch das Existenzminimum; die nach wie vor überdimensionierte Armee müsste sofort alle Ankäufe, Flieg- und Schießübungen einstellen: und für den restlichen Geldbedarf müsste das Land zu blutsaugenden Wucherern betteln gehen. Daher ist es durchaus fraglich, was etwa Griechenland dann täte.

Natürlich ist es richtig und wahrscheinlich, dass die Griechen ohne zusätzliche Kredite weniger in Deutschland oder Österreich einkaufen  werden - mit und ohne Euro. Und das wäre auch für Österreich schmerzhaft. Aber was will man mit dieser "Erkenntnis" bitte sagen? Soll Österreich seine Kunden dafür bezahlen, dass diese so tun, als ob sie für österreichische Waren bezahlen? Und dieses Modell soll nachhaltig funktionieren? Glaubt irgendjemand noch ernsthaft, dass die Griechen ihre Schulden zurückzahlen können? Wenn das alles eine funktionierende Wirtschaftspolitik wäre, dann wäre Münchhausen bestätigt, der sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf ziehen wollte.

Eine intelligente Politik dürfte in Wahrheit niemals auch nur das leiseste Signal nach Griechenland und in die anderen Krisenländer schicken, dass wir uns vor den Konsequenzen eines Austritts fürchten. Diesen Ländern darf nicht einmal die kleinste Hoffnung gelassen werden, dass es noch jemals ohne hundertprozentige Einhaltung aller Sanierungsauflagen frisches Geld geben könnte. Denn dann würden die ohnedies mühsamen und vor allem in Griechenland nur halbherzigen Sanierungsversuche überall(!) sofort gestoppt. Die Länder würden sofort wieder so weitermachen wie einst. Ihre Bürger würden die Überzeugung gewinnen, dass am Schluss eh die Deutschen, Österreicher, Holländer und Finnen die Rechnung zahlen. Und auch unbegrenzt zahlen können. Schädlich für die Sanierung des Euro sind daher nicht CSU-Politiker, die nach einem Hinauswurf der Griechen rufen, sondern gerade solche Studien und solche Politiker, die den Griechen signalisieren, sie würden eh niemals gefeuert werden.

Aber solche Zusammenhänge begreift man weder in der SPÖ noch in ihrem Wifo noch in der Wirtschaftskammer, der ja längst jeder ökonomische Sachverstand abhanden gekommen ist.

 

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Fußnote 337: Gauner-Verein SI drucken

Man fasst es nicht, welche Menschen Vizepräsidenten der Sozialistischen Internationale werden.

Der Mann hat seine Dissertation fast komplett abgeschrieben. Der Mann ist ohne Wahlen durch „Abgeordnetenwechsel“ nach Balkanart an die Macht gekommen. Der Mann hat Richter massiv und auch körperlich bedrohen lassen. Der Mann hat Gerichtsurteile ignoriert. Der Mann gilt als Schutzherr der ärgsten Korruptionisten seines Landes. Die EU-Kommission schreibt vernichtende Urteile über den von ihm zu verantwortenden Verfall des Rechtssystems. Weltweit wird ihm ein De-facto-Staatsstreich vorgeworfen. Und was tut die Sozialistische Internationale mit diesem Victor Ponta? Sie hat den rumänischen Regierungschef soeben zum Vizepräsidenten der Sozialistischen Internationale gewählt. Allen anständigen Sozialdemokraten müsste da speiübel werden. Oder haben die seit der Machtübernahme durch einen Werner Faymann zumindest in Österreich ohnedies schon längst die Partei verlassen?

PS.: Präsident des famosen Vereins ist übrigens der griechischen Pleiten-(Ex-)Premier Papandreou. Was keines weiteren Kommentars bedarf

 

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Die Frusterstrecker drucken

Wird es knapp an allen Ecken,
heißt es für den Kleinen Mann,
nach der Decke sich zu strecken,
und da dies kein Honiglecken,
macht er Schulden irgendwann.

Kann er die dann nicht begleichen,
ist nicht bloß sein Ruf befleckt,
sondern aller Welt zum Zeichen
lässt die Bank sich nicht erweichen,
und die Pfändung wird vollstreckt!

Als ganz großer Schuldner aber
kommt man ohne Pfand zu Rand,
pfeift auf ethisches Gelaber
und zudem – es ist makaber –
hat die Bank man in der Hand:

Will doch die nicht ums Verrecken,
dass das Fiasko wer entdeckt,
und um Kunden nicht zu schrecken,
wird daher dem Überkecken
noch mehr Zaster zugesteckt!

Ähnlich läuft es zwischen Staaten,
denn zur Tarnung eigner Schmach
wirft die Politik auf Raten
trotz der desaströsen Daten
gutes Geld dem schlechten nach.

Statt, was faul ist, auszubuchen
– anfangs gleich, da schmerzt es kaum –
will man’s stets, wenngleich mit Fluchen,
halt ein letztes Mal versuchen –
weiter geht der Fiebertraum.

Letztlich mühen sich die Recken,
eh ihr Lügenbau zerbricht,
was ganz simples auszuhecken,
nämlich Fristen zu erstrecken –
Zinseszinsen kümmern nicht.

Und so hoffen Fristerstrecker,
dass das Volk auch Fristen frisst –
Schuldner werden zwar noch kecker,
und vermutlich gibt’s Gemecker,
aber sei es, wie es ist.

Allerdings im Endeffekte
merkt die Bürgerschar verschreckt:
Wir sind wieder bloß Objekte
der bezweckten Zwangs-Kollekte –
wie’s den Volksbetrügern schmeckt.

Und selbst völlig Unbeleckten
dämmert’s nach der Ochsenkur:
All die Pleiten, die verdeckten,
und die Fristen, überstreckten,
waren Frusterstreckung nur…

Pannonicus

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Wie andere gelernt haben, mit dem Asylmissbrauch umzugehen drucken

Skandal: Ganze Dorf- und Stadtteile sind zur Sperrzone für kriminelle Asylwerber erklärt worden. Ja noch schlimmer: Asylsuchende werden auf Inseln im Ausland verlegt, damit sie nicht mehr untertauchen können, und damit der weitere Zustrom von als Flüchtling getarnten illegalen Migranten gestoppt wird. Noch skandalöser ist das Schweigen vieler Gutmenschen und Medien zu diesen Vorgängen.

Was ich bisher verschwiegen habe: In einem Fall geht es um die Schweiz, im anderen um Australien. Beide Länder setzen unter dem Druck der immer stärker zunehmenden Invasion von Illegalen solche scharfen Maßnahmen. Und selbst etliche linke Medien nehmen dies dort wohlwollend zur Kenntnis.

So jubelt der traditionell linke Schweizer „Tagesanzeiger“ ohne jeden Hauch der bei uns jedem journalistischen Anfänger eingebläuten korrekten Erregung: „Diebstähle haben sich halbiert“. Das ist die Bilanz der Stadt Kreuzlingen über die abschreckende Wirkung der sogenannten „Ausgrenzungen“, die kriminellen Asylwerbern das Betreten bestimmter Zonen verbieten, also vor allem von Stadtzentren. Im Asylempfangszentrum in Kreuzlingen habe sich laut einem vom Tagesanzeiger interviewten Polizisten bereits herumgesprochen, dass es gefährlich sei, die Innenstadt zu betreten. Und die Polizei kontrolliert dort auch gezielt die Ausweise von wie Asylwerber ausschauenden Personen.

Die Zeitung weiter: „Selbst die Schweizerische Flüchtlingshilfe begrüsst Sperrzonen gegen kriminelle Asylwerber. ,Grundsätzlich finden wir das eine gute Möglichkeit, um die Bevölkerung zu schützen‘, sagt Generalsekretär Beat Meiner.“

Allein im Kanton Zürich ist die Zahl der kriminellen Asylwerber in den letzten Jahren um 49 Prozent gestiegen. Daher machen in diesem Kanton die Behörden nicht nur solche „Ausgrenzungen“, sondern darüber hinaus auch „Eingrenzungen“, wie das in der Schweizer Amtssprache heißt. Kriminelle Asylwerber werden so gezwungen, in einer bestimmten Gemeinde zu bleiben. Wobei das Blatt freilich nichts dazu sagt, wie sich die Bürger solcher Eingrenzungs-Gemeinden fühlen.

Sind solche Maßnahmen auch in Österreich denkbar? Wohl nur schwer. Gäbe es doch sofort aufgeregte Protest-Sondersendungen des ORF, in denen ein Tarek Leitner vor lauter politischer Korrektheit nur noch empört japsen könnte. Und alle Politiker glauben, dass diese veröffentliche Meinungsmache irgendetwas mit der öffentlichen Meinung zu tun haben könnte.

Aber auch im Innenministerium dominiert seit dem Abgang der mutigen Maria Fekter wieder die Devise: Wir verdrängen am liebsten das gesamte Thema. Kein Mensch denkt dort heute daran, auch nur die Kriminalitätsstatistiken von Asylwerbern zu kommunizieren. Man glaubt, durch Verschweigen ein Problem zu bewältigen, das Oppositionsparteien ein Wahlkampfthema liefern könnte. Und man verzichtet dadurch darauf, sich selbst als Ordnungshüter im Interesse der Bürger zu profilieren.

Noch drastischer geht man in Australien mit dem „Flüchtlings“-Problem um. Dorthin kommen die Asylwerber vor allem aus den Tausende Kilometer entfernten Staaten Afghanistan und Pakistan. Auf Grund der Empfehlungen einer Expertenkommission sollen diese „Flüchtlinge“ künftig wieder in weit vor der Küste liegende Lager gebracht werden. Diese Lager liegen auf Inseln, die zu anderen Staaten (Papua-Neuguinea und Nauru) gehören. Damit kehrt Australien bewusst zu einer einst von Gutmensch-Organisationen kritisierten Strategie zurück.

Ganz offen ausgesprochenes Hauptmotiv dieser neuen Strategie: Australien will damit Menschen von der weiten Schiffs-Anreise zum fünften Kontinent abschrecken. Zunehmend tun sich aber auch die Gutmenschen mit Kritik an dieser Abschreckungs-Strategie schwer. Denn in den letzten Jahren sind Tausende Menschen auf der Überfahrt nach Australien in ungeeigneten Schiffen ums Leben gekommen. Australien versucht nun auch, Indonesien unter Druck zu setzen, damit dieses Land sich nicht mehr für den Flüchtlingstransit zur Verfügung stellt.

In Österreich und der EU hingegen läuft alles darauf hin, die illegale Zuwanderung ständig noch einfacher zu machen. Dabei wäre das australische Modell gerade für exponierte Staaten wie Italien oder Griechenland wahrscheinlich die effizienteste Lösung, um den Ansturm zu reduzieren.

Aber auch „Integrations“-Staatssekretäre könnten endlich lernen, dass gerade das Ignorieren der großen Problemzonen die erfolgreiche Integration der leistungs- und einfügungswilligen legalen Zuwanderer unmöglich macht.

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Normalfall Staatsbankrott drucken

Nichts ist normaler als das Bankrott-Gehen eines Staates. Lediglich in Europa tun heute manche so, als ob das ein Weltuntergang samt Rückkehr der Weimarer Republik und Adolf Hitlers wäre. Die einen tun so aus Eigeninteresse, weil sie weiter schmerzfrei vom Geld anderer leben wollen. Die anderen verwechseln aus historischer Ahnungslosigkeit die rund um den Euro entfachte Propaganda-Versprechungen ewiger Stabilität mit den Fakten. In Wahrheit hat die Welt nämlich in den letzten zwei Jahrhunderten weit mehr als 300 Staatsbankrotte hinnehmen müssen.

Der letzte Bankrott, der wirklich globale Wellen auslöste, passierte vor genau zehn Jahren in Argentinien. Auch Tausende Österreicher verloren damals viel Geld, das sie in die – theoretisch – hoch verzinsten argentinischen Staatspapiere gesteckt hatten. Für die Argentinier selber war der Beginn des Jahrtausends noch viel dramatischer: Nach dem Zusammenbruch der Staatsfinanzen wurden Supermärkte und Geschäfte geplündert; mehr als die Hälfte der Bevölkerung stürzte in fundamentale Armut; jeder vierte Job ging verloren.

Vom reichsten Land der Welt ins Armenhaus

Der Bankrott des Landes war umso erstaunlicher, als Argentinien nach dem letzten Weltkrieg in etlichen Vergleichsstudien als reichstes Land der Welt eingestuft worden war. Andererseits hatte das Land in den noch nicht ganz zwei Jahrhunderten seiner Unabhängigkeit nicht weniger als sieben Mal schon Bankrott anmelden müssen. Und der nationale Hang zu leichtfertigen Versprechungen, also zum Populismus, wurde insbesondere in der Peron-Ära wieder offenkundig.

Was war geschehen? Nun, die Parallelen zu aktuellen Krisen sind keineswegs zufällig. Buenos Aires hatte in den Jahren vor dem letzten Kollaps 2001/02 die nationale Währung, den argentinischen Peso, in einem fixen Verhältnis an den Dollar geknüpft. Das schien Politik und Bürgern eine Zeitlang sehr vorteilhaft, weil das Geld endlich seinen Wert behielt.

Gleichzeitig hatten sich aber alle staatlichen Kassen wie ein Stabsoffizier verschuldet, sodass das Land am Ende mit fast 170 Milliarden Euros belastet war. In den letzten Wochen vor dem Zusammenbruch wechselten einander dann 2001/02 im Staccato gleich vier Staatspräsidenten mit verzweifelten, aber scheiternden Versuchen einer Sanierung im letzten Augenblick ab. Eine besonders üble Rolle spielten dabei Provinzen und Verfassungsgerichte. Beide weigerten sich zu sparen. Bis zuletzt wurden Spardekrete von den Höchstrichtern als Eingriff in wohlerworbene Rechte von Vorteilsnehmern abgeschmettert. Zugleich stürmten die Menschen, solange man für Pesos noch Dollar bekam, die Banken – sowie die Fähren und Busse zum Nachbarn Uruguay, wo sie ihr Geld in Sicherheit zu bringen versuchten. Der nächste Schritt war daraufhin geradezu zwingend: Alle noch verbliebenen Bankguthaben wurden eingefroren; und die Menschen konnten nur noch geringfügige Beträge wöchentlich abheben.

Mindestens ebenso interessant und lehrreich ist aber auch der Weg der überraschend schnellen Erholung: Die Bindung an den Dollar wurde aufgegeben; der Peso wurde dramatisch abgewertet; damit gab es kaum noch Konsum von Importprodukten; und das Land konzentrierte sich wieder auf den Ausbau seiner Wettbewerbsfähigkeit: Die Exporte boomten, vom traditionellen Fleisch bis hin zur neu aufgebauten Autoindustrie. Dadurch konnte Argentinien bis 2005 schon wieder seine gesamten Schulden an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen (die privaten ausländischen Gläubiger blieben hingegen unbefriedigt).

Und heute? Da beginnt sich das Land schon wieder wie in den 80er Jahren übermütig und nationalistisch mit Großbritannien wegen der Falkland-Inseln anzulegen.

Die Vergesslichkeit der Menschen

Die dramatischen Parallelen der argentinischen Entwicklung bis zum Jahr 2002 mit jener des heutigen Griechenland brauchen wohl nicht mehr in jedem einzelnen Punkt gesondert aufgezeigt  zu werden. Das was für die Argentinier die Bindung an den Dollar war, ist für die Griechen die Bindung an die D-Mark, auch Euro genannt. Beides ist für traditionell undisziplinierte Länder nicht zu stemmen gewesen. Übrigens haben auch die Griechen – die so wie die Argentinier am Beginn des 19. Jahrhunderts unabhängig geworden sind – eine sehr innige Langzeit-Liaison mit der Institution Bankrott: Der griechische Staat ist seit 1829 nicht weniger als fünf Mal bankrott gegangen.

Offenbar braucht der Homo sapiens regelmäßige schmerzhafte Lehrstunden, weil er die Lektionen der Wirtschaftsgeschichte allzu rasch vergisst. Denn anders als durch Vergesslichkeit kann man es nicht erklären, dass vernünftige Menschen Argentinien oder Griechenland jemals Geld geborgt haben. Wie es auch bei anderen Staaten schwer verständlich erscheint, dass sie ihre Anleihen meist sehr leicht an die Geldgeber verkaufen können.

Das hat freilich außer der Lernunfähigkeit der Menschen noch einen weiteren Grund: Die Staaten zwingen durch eine Vielzahl von Regulierungen Banken und Versicherungen, einen guten Teil ihrer Gelder bei staatlichen Institutionen anzulegen (Weshalb weise Ökonomen auch heftig vor den Folgen der gegenwärtigen Modewelle warnen, Versicherungen und Banken immer noch mehr zu regulieren).

Zuerst der Krieg, dann der Bankrott

Blickt man in die Geschichte der Staatsbankrotte, dann gibt es neben dem Ursachen-Komplex „Schuldenmacherei populistischer Regierungen sowie Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit“ noch einen zweiten häufig vorkommenden Typus: verlorene Kriege.

Einige Beispiele besonders markanter Staatsbankrotte:

  • Deutschland musste nach beiden Kriegen (1923 und 1948) unter der Last der Kriegskosten, Kriegsschäden sowie Reparationen den Bankrott erklären.
  • England hat 1345 die Bedienung seiner im hundertjährigen Krieg mit Frankreich angelaufenen Schulden bei den – vor allem – Florentiner Banken eingestellt.
  • Österreich musste 1811 unter der Last der an Napoleon zu leistenden Reparationen und seiner schon vorher angelaufenen Schulden die Zahlungsunfähigkeit erklären.
  • Auch Dänemark musste als Folge der napoleonischen Kriege – und Verzehnfachung des Geldumlaufs! – kurz danach den Bankrott erklären.
  • Das Ottomanische Reich (Türkei) musste 1876 als Folge vieler Kriege auf dem Balkan und gegen Russland die finanziellen Segel streichen.
  • Das kommunistisch gewordene Russland lehnte 1918 die Zahlung jeder Schuld des Zarenreichs ab.
  • Der spanische König Philipp II. (der von Schiller zugunsten des in Wahrheit debilen Don Carlos so böse hinuntergeschrieben worden ist) musste wegen seiner vielen Kriege gegen Ottomanen, Franzosen, Engländer, Niederländer sowie seiner kolonialen Expansion gleich dreimal den Bankrott ausrufen (bevor Spanien dann durch die Ausbeutung der Kolonien für eine Zeitlang stabilisiert wurde).

Das waren nur die historisch spektakulärsten Staatsbankrotte. Diese Liste wird mit großer Sicherheit im zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends durch interessante Exempel verlängert werden. Und auch nach diesen noch ausstehenden Beispielen wird sich wohl die Geschichte wiederholen: Dann werden Politik und Bevölkerung wieder einmal Dinge hinnehmen müssen, die ihnen vorher selbst in abgeschwächter Form völlig unzumutbar erschienen waren.

Denn natürlich bedeuten Staatsbankrotte für viele Menschen, Institutionen und „soziale Errungenschaften“ eine Katastrophe. Deswegen wurde ja immer versucht sie hinauszuschieben. Aber das hat in keinem der Exempel funktioniert – und die Folgen der Katastrophe immer nur noch mehr verschlimmert.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Vom Glück im Unglück drucken

Alles Schlechte hat sein Gutes,
heißt’s als Trost in Pein und Not,
also sei man guten Mutes,
letztlich kommt’s ins rechte Lot.

Doch die Fakten zu erfassen
und des ungeachtet stur
sich auf Sprüchlein zu verlassen,
das macht Zores größer nur.

Seht, am Euro beispielsweise
zeigt sich das höchst instruktiv,
denn ob lautstark oder leise
sagt fast jeder: Das geht schief.

Nur die oben sintemalen
reden schön die Lage noch,
trotz der dunkelroten Zahlen
leugnen sie das schwarze Loch.

Und sie halten wie die Kletten
an der Wahnvorstellung fest,
ihre Missgeburt zu retten –
aussichtslos erscheint Protest.

Nun, es wird zwar täglich schlimmer
an Budget- und Währungsfront,
doch es keimt ein Hoffnungsschimmer
in Südost am Horizont:

Türken nämlich sind indessen
nicht mehr so voll Passion
auf die Mitgliedschaft versessen
in der Pleite-Union.

Noch paar Euro-Rettungsrunden,
wohl schon trillionenschwer,
und der Drang ist ganz geschwunden,
weil man Netto-Zahler wär’.

Und trotz Kenntnis der Misere
beizutreten dem Verein
fiele ja – bei Türken-Ehre –
höchstens Idioten ein!

Dennoch wird die Euro-Weisen
nach geplatzter Retterei
man in Balkenlettern preisen:
Euro rettet vor Türkei!

Pannonicus

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Die Sportblase ist geplatzt drucken

Dieser Sommer hat europaweit den Fernsehern wunderbare Stunden bereitet. Zuerst war es die Fußball-Euro, dann Olympia. Beides brachte spannende Wettkämpfe, sympathische Sportler, große Leistungen, sensationell schöne Bilder und die Begegnung mit zum Teil noch nie gesehenen Sportarten. Wir bedanken uns. Wir sollten aber keinesfalls die vielen unangenehmen Fragen ignorieren, die jetzt auftauchen. Und die gleich mehrere sehr grundsätzliche Debatten erfordern.

Damit ist aber keineswegs das Bassena-Streit österreichischer Sportfunktionäre und eines Ministers gemeint, der sich nach seinem Scheitern als Heeresminister zum Sportminister zu profilieren versucht hat. Viel wichtiger sind nämlich die Fragen nach Doping, Schulden, Geschäftemacherei und vor allem die grundsätzliche nach der Rolle eines Staates im Sport in Zeiten der Krise.

Am Ende des Sportsommers wurden wir plötzlich mit der Nachricht konfrontiert, dass die spanischen Fußballklubs auf dem gigantischen Schuldenberg von fünf Milliarden Euro sitzen. Dabei haben die Spanier seit Jahren auf vielen Ebenen die erfolgreichsten Fußballer Europas und auch der Welt. Sie haben fast alles gewonnen, was zu gewinnen war, füllen die Stadien und haben Spitzenklubs, die sogar eigene Fernsehsender betreiben.

Wenn sogar dort der Fußball in einem Schuldenmeer versinkt, dann ist klar: Die Frage nach dem Geld wird zur dominierenden im ganzen Sport.

Sportpokale sind bloßes Blech

Auch in diesem Kontext müssen wir gleich wieder in die europäische Schuldenkrise eintauchen. Denn eine zentrale Ursache der Schuldenblase des iberischen Fußballs war und ist ganz eindeutig die von Regierungen, Banken und EZB zu verantwortende Politik des billigen Geldes. Während uns keynesianische Ökonomen immer wieder einreden, wie wichtig billiges Geld für Wirtschaftswachstum und Stabilität ist, zeigt die wirkliche Welt ein ganz anders Bild. Billiges Geld fließt selten dorthin, wo es sinnvoll wäre, wo es Zinsen brächte.

Das Fußball-Geld wurde nur für Glitter und Talmi ausgegeben, ohne dass es Hoffnung auf einen Rückfluss geben könnte. Die teuer erkauften Pokale in den spanischen Fußballvitrinen sind Blech, aber keine Investition in eine Zukunft. Ein Großteil des Geldes landete auf den Konten begabter Ballkünstler – und wurde dann meist rasch für Ferraris und ähnliche Männerspielzeuge ausgegeben.

Der europäischen Politik sei Dank, dass auch die Rechnung für die gigantischen Gagen des spanischen Fußballs demnächst auf unserer Steuervorschreibung landen wird. Dies ist umso unvermeidlicher, als sich während des Sommers nach den französischen auch die deutschen und österreichischen Sozialdemokraten entschlossen haben, für eine endgültige europäische Schuldenunion einzutreten. Sie übertreffen einander deshalb derzeit an kreativen Ideen, wie man die Steuern noch konfiskatorischer gestalten kann.

Besonders ärgerlich ist, dass die meisten spanischen Klubs schon jahrelang ihre Steuern nicht bezahlt haben. Dennoch wurde jahrelang nichts zu deren Eintreibung unternommen. Aber wahrscheinlich wäre jeder Politiker von Medien und Wählern hinweggefegt worden, der da mit größerer Härte einzuschreiten versucht hätte. Dem darf man übrigens einmal als positives Modell die österreichische Bundesliga gegenüberstellen. In dieser wird konsequent Klubs die Lizenz entzogen, die wirtschaftlich über ihre Verhältnisse gelebt haben (und die nicht so wie Rapid wenigstens den Wiener Steuer- und Gebührenzahler als unfreiwilligen Big spender aussaugen können).

Wie sehr schadet Doping?

Ein  ebenso ungelöstes Krisenthema rund um den Sport ist das Doping. So lange ein Sportler, der verbotene Substanzen oder Medizin-Technologien einsetzt, nicht erwischt wird, wird er heroisiert. Die Sportjournalisten verdrängen das Thema als möglichen Hintergrund von Triumphen. Dabei sind praktisch alle Experten überzeugt, dass es in vielen Sportarten gar nicht anders als nur mit solchen Tricks möglich ist, Spitzenergebnisse zu erzielen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass viele Doping-Praktiken schon Monate vor den entscheidenden Wettkämpfen angewendet und daher kaum entdeckt werden.

Zugleich ist medizinisch aber auch völlig klar: So manche Sportarten sind noch viel ungesünder als zumindest ein Teil der Doping-Methoden. Menschliche Gelenke beispielsweise sind bestimmten Dauerbelastungen einfach nicht gewachsen, was sich zwar meist erst langfristig, aber dann umso sicherer zeigt. Eine gesunde Entwicklung ist es auch ganz gewiss nicht, wenn bei der einen Sportart nur unappetitliche Fleischberge reüssieren, bei der anderen hingegen alle Konkurrenten mit Haut überzogene Knochengerippe sind. Was davon sollen die ständig angesprochenen „Vorbilder für die Jugend“ sein? Jedenfalls müsste man mit der gleichen gesundheitlichen Logik wie das Doping auch bestimmte Sportarten oder zumindest deren exzessives Training verbieten.

Dennoch steht einzig das Doping im Visier. Dieses hat – unabhängig vom Risiko einer Selbstbeschädigung – natürlich auch Elemente des Betrugs an den Konkurrenten in sich. Oder ist alles ohnedies nur ein Wettbewerb, bei dem halt der siegt, der den besseren Arzt und Chemiker hat? Dann könnte man das Doping einfach auch als zusätzliche olympische Disziplin in Sachen Manipulationschemie sehen.

Eine Entwicklung zu einer Relativierung des Dopings zeichnet sich ja in der Tat ab: Noch nie waren so viele Sportler bei Olympia im Einsatz, die nach Verbüßen einer Doping-Sperre nun wieder problemlos antreten durften. Während sich international also eine gewisse Entspannung abzeichnet, hat der österreichische Sportminister interessanterweise eine dramatische Verschärfung der Doping-Strafen durchgesetzt. Darin sehen übrigens manche Sportexperten auch eine Ursache der schwachen österreichischen Ergebnisse.

Erfolgsmodelle Nordkorea und Kasachstan

Diese olympische Erfolgslosigkeit wird jedenfalls – jenseits aller Doping-Debatten – als nationale Katastrophe angesehen.

Warum eigentlich? Was schadet es Österreich oder seinen Bürgern, dass heuer keine olympische Medaille errungen worden ist? Wird deswegen ein Tourist weniger kommen? Wird sich deswegen sonstwo das Bruttonationalprodukt verschlechtern? Wird auch nur ein Österreicher deswegen Schaden erleiden?

All diese Fragen sind zweifellos negativ zu beantworten. Ungarn mit 17 Medaillen, Kasachstan mit 13 oder die Ukraine mit 20 haben um keine Deut weniger Probleme als davor. Und die sind etwas größer als jene Österreichs. Oder sollen uns gar Nordkoreas vier Goldmedaillen zum Vorbild werden? Auch Spanien hat Null ökonomischen oder sonstigen Nutzen aus seinen Fußball-Triumphen gezogen. Es sei denn, man möchte einige Tage nationalistischen Siegesrausches (und zurückgehender Arbeitsproduktivität) als Nutzen bezeichnen.

Beim Wintersport sieht es übrigens anders aus. Da kann man mit Fug annehmen, dass Ski-Erfolge gut für den Tourismus sind, und dass mehr heimische Ausrüstungsprodukte gekauft werden (soweit es solche überhaupt noch auf dem Markt gibt). Deswegen fördern auch Tourismus und Industrie kräftig den Wintersport.

Die strahlende Sonne der Sieger

Aber bei den meisten anderen Sportarten sollten uns eventuelle Erfolge zwar freuen – primär für die Wettkämpfer –, aber nicht mehr. Die Politik hingegen hat absolut nichts im Sport verloren. Warum spielen in so vielen Ländern Politiker dennoch eine Hauptrolle im Sport und seiner Finanzierung?

Aus klaren Motiven: weil sich Politiker gerne in der Sonne strahlender Sieger widerspiegeln wollen; weil Sport die emotionalisierende Funktion eines nationalistischen Ersatzkrieges hat; weil man mit Sporterfolgen nationale Größe vortäuschen kann, auch wenn ein Land noch so viele Probleme hat; weil sich die Politik beim Sport endlich einmal ganz im gleichen Lager wie ihre Wähler finden kann; weil Sport von den Machthabern als perfekte Ablenkung der Massen instrumentalisiert werden kann: Auch das Römische Reich hat ja diese Strategie mit „Panem et circenses“ perfekt beherrscht - aber ohne dass dadurch sein Ablaufdatum hinausgeschoben worden wäre. Wie sehr der Sport zum reinen Selbstzweck-Zirkus vermeintlicher nationaler Größe degeneriert ist, haben insbesondere die gigantomanischen, aber sinnfreien Eröffnungs- und Schluss-Spektakel bei Olympia gezeigt.

Selbst die EU in ihrer Imagekrise versucht übrigens, von dieser Fassaden-Funktion des Sports zu profitieren, obwohl sie gar keine Sportler zu olympischen Spielen entsendet hat. Um dennoch „erfolgreich“ zu sein, werden einfach die Medaillen aller Mitgliedsländer zusammenaddiert.

Das ist ein netter, aber untauglicher Versuch. Solche Additionen sind völlig unbrauchbare Mathematik. Europa ist ja nur deshalb so medaillenreich, weil in den meisten Disziplinen Wettkämpfer aus 27 EU-Nationen an den Start gehen. Da muss dann automatisch das Ergebnis besser sein, als gäbe es nur ein einziges EU-Team. Man stelle sich nur vor, wie der Medaillenspiegel aussähe, wenn jeder amerikanische Bundesstaat oder jede chinesische Provinz plötzlich mit drei Athleten antreten dürfte. Bei Olympia darf ja jedes Land pro Bewerb nur maximal drei Bewerber entsenden, selbst wenn es in dieser Disziplin die Hundert besten Sportler stellen würde.

Ehrliche Analyse macht jedenfalls klar: Nationale Selbstdarstellung als primärer Zweck von Sport hat keinerlei Berechtigung. Sport darf daher schon gar nicht durch zwangsweise eingetriebene Steuermittel oder umgeleitete Erträgnisse von Staatsbetrieben wie etwa den Lotterien finanziert werden. Dies sollte erst recht in Zeiten undenkbar sein, da ein Staat immer mehr Schulden anhäuft.

Mit Sport wird so viel Geld verdient (durch Werbeeinnahmen, durch den Sportartikelhandel, durch Fernseheinnahmen), dass er sich dadurch im übrigen auch leicht selbst finanzieren könnte. Wenn ohne die derzeitige Verschwendung von Steuermitteln weniger Geld in Fußballergagen und ähnliche Verschwendungskanäle flösse, wäre das wohl kein allzu großes Malheur.

Braucht die Jugend Vorbilder oder Turnstunden?

Bleibt als letztes und oft bedientes Gegenargument: Aber der Spitzensport schafft Vorbilder für die Jugend, selbst aktiv zu werden. Na und? Ist es relevant und auf einmal förderungswürdig, dass es für den als eigentlich nicht förderungswürdig erkannten Spitzensport genug Nachwuchs gibt?

Wichtig ist in Zusammenhang mit Sport etwas ganz anderes: die Gesundheit und Ausgeglichenheit möglichst aller Kinder und Jugendlichen. Aber dazu braucht es keinen Spitzensport, sondern wirklich breiten Breitensport.

Wir brauchen die tägliche Turnstunde (Österreich hat jedoch vor einigen Jahren katastrophalerweise die Zahl der Turnstunden reduziert). Wir brauchen genug Sportplätze, wo Jugendliche, aber möglichst auch Erwachsene unentgeltlich oder zumindest erschwinglich unter ordentlichen Bedingungen Freizeitsport betreiben können. Wir brauchen für alle Kinder Sommerlager, wo sie täglich wandern oder sonstwie ihren Körper der Verfettung und Versulzung entziehen. Wir brauchen mehr Schwimmhallen, wo Schwimmen und nicht nur Herumspritzen angesagt ist. Wir brauchen endlich eine konsequente Schulbehörde, um auch islamische oder sonstige mittelalterlich erzogene Mädchen zu intensiver körperlicher Betätigung zu zwingen.

Es gäbe so viel zu tun. Tun wir es! Und überhören wir die belanglosen Funktionärs- und Politikerdebatten, ob nun künftig 200 oder 400 Spitzensportler in der Hoffnung auf olympische Medaillen gefördert werden sollen und welcher Verein, welcher Verband, welcher Beamter über solche Steuergeld-Vernichtung entscheiden soll.

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Ewald Nowotny, aufwachen! drucken

Die soeben veröffentliche Studie der Schweizer Großbank UBS über die Einkommensentwicklung in Europa müsste nun auch den verschlafensten österreichischen Politiker wachrütteln. Was aber nicht gelingt. Das Schlafen und Schweigen ist in diesen Tagen besonders bei Nationalbank-Chef Ewald Nowotny tief und auffällig. Gerade er müsste nämlich derzeit täglich lautstarke Worte des Protestes oder zumindest Widerspruchs gegen die Pläne der EZB deponieren, neuerlich gigantische Summen zugunsten der Schuldenstaaten zu verschieben. Was er nicht tut. Dabei wagen nun auch schon katholische Gelehrte gegen den Schuldenwahnsinn die Stimme zu erheben.

Die Europäische Zentralbank will ihr Programm wieder aufnehmen, mit dem sie schon mehrfach um Hunderte Milliarden wacklige Anleihen der südeuropäischen Schuldenstaaten aufgekauft hat. Etlichen Berichten zufolge will sie den Wahnsinn beim nächsten Anlauf sogar noch intensivieren, obwohl dieser schon heftigst die Stabilität der Zentralbank unterminiert hat: Angeblich sollen jetzt Anleihen jener Länder nicht mehr nur vom „Markt“ gekauft werden, sondern gleich direkt bei den Staaten, die über die Ausgabe solcher Anleihen ihre Defizite finanzieren. Das wäre die endgültige Direktfinanzierung der Südstaaten aus der Notenpresse.

Das widerspricht allen rund um EZB und Euro vereinbarten Regeln. Das nimmt jeden Druck von diesen Ländern, ihre Haushalte ernsthaft zu sanieren. Wie wenig ernsthaft die Südvölker noch immer beim Sanieren sind, zeigte jetzt etwa die aufgeregte Belagerung einer griechischen Polizeistation, weil ein Geschäftsführer eines Restaurants wegen Steuerhinterziehung dort festgenommen worden ist.

Die bevorstehende finale Attacke der EZB auf den Euro wird von inflationsgeilen und offenbar auch kriegsspiellüsternen Ökonomen begeistert „Bazooka“ genannt, also nach einer raketenangetriebenen Panzerabwehr-Handwaffe. Diese Aktienaufkauf-Aktion wäre das endgültige Ende der Euro-Stabilität. Dennoch stellt sich in ganz Europa nur der Chef der deutschen Bundesbank dieser Attacke als letztes Bollwerk entgegen.

Der österreichische Nationalbankchef Ewald Nowotny schläft hingegen total. Hat er pflichtwidrig schon jeden Versuch, sich noch für Geld-Stabilität einzusetzen, aufgegeben? Schläft er gar auf Befehl der Partei? Auffällig ist jedenfalls, dass sich Werner Faymann und die SPÖ seit einigen Wochen ungeniert zu lautstarken Exponenten der Idee einer Schuldenunion gewandelt haben. Das könnte auch zu einer Weisung an Nowotny geführt haben, der ja um seine Wiederwahl bangt.

Aber auch die ÖVP und insbesondere die Finanzministerin sind erstaunlich still, statt den notwendigen Druck auf Nowotny aufzubauen. Denn Räsonieren, wie in fünf Jahren der EU-Vertrag ausschauen könnte, ist nett, aber ein wenig zu wenig, wenn schon in den nächsten Wochen der Euro und die EU mit der großen Bazooka ruiniert werden. Hier und heute muss für unser Geld gekämpft werden. Und für ein sinnvolles wie funktionierendes Europa.

Dass das absolut notwendig ist, zeigt – unbeabsichtigt – eine soeben veröffentlichte Studie der Schweizer Großbank UBS. Die Ergebnisse müssten eigentlich auch die letzten Zweifler überzeugen. Denn die UBS hat ausgerechnet, dass alle Deutschen und Österreicher in den letzten zehn Jahren ein Minus ihres Lebensstandards hinnehmen mussten – von den Ärmsten bis zu den Reichsten. Dass die Ärmsten ganz besonders hart von der Inflation getroffen werden. Dass aber auch die obersten zehn Prozent keineswegs ungeschoren davongekommen sind.

Diese Daten müssten eigentlich auch die linken Armutsrhetoriker zur Vernunft bringen, die glauben, es gäbe in diesem Land irgendwo viele Profiteure der Krise. Und selbst wenn sie das trotz aller Fakten noch immer meinen sollten, zeigen doch auch ihnen die UBS-Daten, wer das Hauptopfer ist, wenn man das Schuldenproblem über noch mehr Inflation wegschmelzen möchte: Das sind die Allerärmsten.

Auf der anderen Seite gibt es (neben dem Sonderfall Finnland) nur drei Länder, wo alle Bürger, wo Reich wie Arm in den Jahren bis 2010 enorm profitiert haben: Das sind ausgerechnet, aber keineswegs zufällig Griechenland, Portugal, Spanien. Wo haben wir nur die Namen dieser Länder zuletzt so oft gehört?

Gewiss: Diese Länder hatten davor deutlich niedrigere Einkommen als die Durchschnittsdeutschen und -österreicher. Daher könnte man diese Einkommensentwicklung in sozialistischem Gleichheitswahn auch als positives Verschwinden allzu großer Differenzen loben, wie es die UBS in der Tat versucht. Das darf man aber ehrlicherweise nur dann tun, wenn dieser steile Einkommenszuwachs durch mehr Arbeit und Produktivität errungen worden ist. Jedoch haben sich insbesondere diese Länder quer durch alle Schichten dank der lange niedrigen Zinsen ein wunderschönes Jahrzehnt gegönnt. Was ihnen auch zu gönnen wäre, würden sie nicht jetzt frech von Deutschland & Co die Bezahlung ihrer (privaten wie staatlichen) Schulden verlangen.

Diese Ideen einer noch weitergehenden Schuldenunion erscheinen angesichts dieser Studie über den Einkommensrückgang im deutschsprachigen Raum nun in einem noch provozierenderen Licht. Da geht einem wirklich das Geimpfte auf. Vor allem, wenn entscheidungsbefugte Österreicher wie der Herr Nowotny dabei auch jetzt noch zum Mittäter und Mitläufer werden.

Diese Studie ist übrigens umso glaubwürdiger, als die UBS selber ob der Ergebnisse schockiert ist. Sie formuliert als Analyse der Daten die große Sorge, dass künftig die „Kräfte des Nationalismus und des nationalen Selbstinteresses“ die Oberhand gewinnen werden. Aber mit Verlaub: Welche Kräfte haben denn während der letzten Jahre in Griechenland & Co dominiert? Dürfen alle Nationen ein „nationales Selbstinteresse“ haben - nur nicht die Deutschen und Österreicher?

Da ist es umso interessanter, wenn nun auch weise Theologen den Deutschen oder Österreichern deutlich das Recht dazu zubilligen, ein solches Selbstinteresse zu haben. Mit weisen Theologen sind natürlich nicht die Landaus und Schüllers gemeint. Man findet sie leider eher im Ausland. Etwa in der Person des Aachener Domvikars, Universitätslehrers und Wirtschaftsethikers Elmar Nass.

Dieser hat den Kirchen in Deutschland eine zu starke Zurückhaltung in der europäischen Schuldendiskussion vorgeworfen. „In dieser existenzbedrohenden Krise geht es um die Zukunft des menschlichen Zusammenlebens", schrieb er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Dieser Artikel ist erfreulicherweise auch von der heimischen Kathpress ausführlich wiedergegeben worden, die sonst primär für die Küberls offen ist.

Nass vermisst in diesem Artikel freilich jede offizielle Stellungnahme der Kirchen. „Innerkatholisch konkurrieren liberale, sozialistische oder konservative Ausrichtungen." Nach Einschätzung von Nass wird in der Öffentlichkeit jedoch ein „neosozialistisches Solidaritätsverständnis als vermeintliche katholische Leitposition wahrgenommen". Dieses angeblich katholische Verständnis verlange eine verpflichtende Hilfe der wirtschaftsstarken Nationen, losgelöst von jeder Eigenverantwortung der verschuldeten Länder.

Dies widerspricht allerdings der katholischen Soziallehre, so der Ethiker. „Solidarität ohne Subsidiarität schmückt zunehmend als emanzipiertes Sozialprinzip die europäische Gerechtigkeitsfahnen." Und: „Solidarität wird einmal mehr ideologisch verkürzt, denn christlich verstanden gibt es sie als Sozialprinzip nur zusammen mit Subsidiarität."

Nass kritisiert, dass durch eine „Aufweichung" der eigenständigen Haftung der europäischen Staaten eine „Verschwendungssucht" entfesselt werde. „Sie tötet das Gespür für Ehrlichkeit, kreative Eigenverantwortung und einen Geist sozialer Verantwortung."

Schöner, klarer und deutlicher kann man es gar nicht sagen. Weder ein Neoliberaler noch ein Katholik. Und beide könnten entdecken, dass es da auch keinen Widerspruch geben muss. Denn Ehrlichkeit, Erfahrung und langfristiges Denken müssen immer zum gleichen Ergebnis führen.

 

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Vor Tische las man's anders drucken

Manches ist nur noch bitter.

Und braucht keinen weiteren Kommentar.

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Spindelegger und der Euro: Noch fehlt der zweite Schritt drucken

Das ist ein ebenso historischer wie erfreulicher Schwenk von Michael Spindelegger. Er ist freilich noch nicht wirklich durchdacht, um auch glaubwürdig zu werden.

Vielleicht war es die sommerliche Muße zum Überdenken der ganzen Finanzkrise. Vielleicht war es das parallele Umdenken in Teilen der deutschen und der finnischen Regierung. Vielleicht waren es die Meinungsumfragen. Vielleicht war es die Erkenntnis, dass in einem Jahr gewählt werden muss. Vielleicht war es das Auftauchen des Frank Stronach auf der politischen Szene. Wahrscheinlich hat alles zusammengespielt.

Wie auch immer: Die ÖVP wagt den Absprung von der bisher blinden EU-Unterstützung. Das ist in der Tat historisch. Im Detail ist es freilich noch nicht sehr durchdacht. Womit der ÖVP ganz sicher (noch?) nicht der entscheidende Unterschied zur ebenfalls wenig durchdachten und wenig glaubwürdigen Politik der anderen Parteien in Sachen europäischer Schuldenkrise geglückt ist.

Der ÖVP-Chef hat jedenfalls recht damit, dass es ein schwerer Konstruktionsfehler seit der Entstehung des Euro in den 90er Jahren ist, dass man nicht einmal hartnäckige Sünder und Betrüger wie die Griechen aus dem Euro ausschließen kann. Er gibt aber auch selber zu, dass es eine langwierige und Jahre dauernde Aufgabe ist, bis man – vielleicht einmal – eine diesbezügliche Vertragsänderung durchbringt. Nur: Was passiert derweil? Und was ist, wenn man die Änderung nicht durchbringt?

Auf diese viel unmittelbarere Frage gibt Spindelegger keine praktikable Antwort. Natürlich ist die rot-grüne Antwort einer exzessiven Ausweitung der Schuldenunion falsch und katastrophal. Ebenso falsch wäre das die Wirtschaft schwer beschädigende (aber offenbar Kronenzeitungs- und wahlkampftaugliche) Zurück-zum-Schilling eines Frank Stronach.

Und eben auch Spindelegger gibt darauf keine brauchbare Antwort. Dabei liegt diese seit langem in den Regeln der EU festgeschrieben. Sie heißt „No Bailout“. Auf Deutsch: Niemand übernimmt die Schulden eines anderen Landes. Weder Deutschland, noch Österreich, noch die EU, noch die längst schon schwer überschuldete Europäische Zentralbank (auf die und deren aus Italien stammenden Chef muss man übrigens derzeit im Interesse unseres Geldes besonders gut aufpassen, dass kein neues Unheil passiert!).

Dieses Bailout-Verbot hätte man zwar schon im Frühjahr 2010 anwenden sollen. Damals hat man sich aber noch zu sehr vor den Dominoeffekten eines griechischen Zusammenbruchs gefürchtet. Diese wären aber immer noch billiger gewesen als die inzwischen auf uns lastenden Haftungen und Kredite für Griechenland. Aber eine späte Erkenntnis ist noch immer besser als gar keine.

Was wären die Folgen einer Umsetzung von No Bailout? Ohne frisches Geld bricht Griechenland in wenigen Wochen automatisch zusammen. Und dann muss es ganz ohne Vertragsänderung aus dem Euro ausscheiden und wieder mit dem Aufbau einer neuen Währung beginnen. Genau das wäre aber ohnedies der Zweck der ganzen Spindelegger-Übung. Nur das würde auch den Griechen nach einer sehr schmerzhaften Krise wieder den Neuanfang ermöglichen.

Kann da nicht Faymann im Alleingang bei EU-Gipfeln doch noch an der ÖVP vorbei frisches Geld für Griechenland zusagen, werden manche fragen. Nein, das kann er nicht. Denn das kann Faymann laut Artikel 23f der Verfassung nur, wenn ihm eine parlamentarische Mehrheit des Nationalrats den Rücken freihält. Und parteiintern könnte Spindelegger sicher dafür sorgen, dass die Finanzministerin nicht im demnächst möglicherweise doch aktiv werdenden Schulden-System ESM Geldern für Griechenland zustimmt.

Spindelegger hat – zumindest lange vor seinem von den französischen und deutschen Sozialisten in Geiselhaft genommenen Koalitionspartner – nun endlich den Handlungsbedarf erkannt. Aber er hat ein Handlungsrezept gewählt, dass ihm das Handeln noch etliche Zeit erspart, das also noch nicht wirklich glaubwürdig ist. Aber dieser erste Schritt macht zumindest Hoffnung auf einen baldigen zweiten.

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Die Krise, ihre Konsequenzen und unser Hang zum Verdrängen drucken

Dass die jahrzehntelange Eskalation staatlicher Verschuldung, und insbesondere die seit mehr als zwei Jahren anhaltenden „Rettungsaktionen“ zugunsten südeuropäischer Staaten unausweichlich verheerende Konsequenzen haben müssen, ist hierorts schon mehrfach ausgeführt worden. Erstaunlich ist jedoch: Warum wird dieses Faktum so stark verdrängt? Warum können Politik und Mainstream-Medien noch immer jede weitere Schuldenaufnahme und Haftungsübernahme, jedes weitere Drucken von Euro-Scheinen als Erfolg, als erleichternd und positiv darstellen? So wie es in diesen Augusttagen nach der Erlaubnis der EZB an die griechische Nationalbank geschehen ist, ungedecktes Geld auszugeben.

Diese Rettungsaktionen erhöhen ja jedesmal nur den längst schon unüberwindlichen Berg an Schulden und Haftungen. Sie müssten zwangsläufig  in einer Mischung aus konfiskatorischen Steuern und Inflation enden. Die Anzeichen dafür sind inzwischen schon zum Greifen nah. Um nur die zwei neuesten zu nennen: Die von manchen Linken und kirchlichen Kreisen hochgejubelte Attac-Bewegung fordert bereits 20- bis 80-prozentige Vermögensabgaben. Zugleich wird die Flucht in den Schweizer Franken immer schneller: Allein im Juli haben sich die Euro-Bestände in den Kellern der Schweizer Nationalbank um 41 Milliarden Franken erhöht. Das sind mehr als zehn Prozent ihrer bisherigen Euro-Schätze – und das binnen eines Monats. Das ist in Wahrheit der Beweis reinster Panik.

Zugleich steigen die Immobilienpreise in guten Lagen ins Unermessliche. In Kitzbühel haben sie sich vor allem durch den Ansturm Deutscher binnen vier Jahren verdoppelt. Auf der Insel Sylt kostet ein Quadratmeter laut dem Magazin „Focus“ schon bis zu 35.000 Euro. Das alles ist Inflation in Reinkultur, wenn auch in bestimmten Blasen konzentriert, die im klassischen Verbraucherkorb kaum vermerkt werden.

Warum aber dominiert in den Aussagen der meisten Politiker und vieler Medien nach wie vor die Begeisterung über Rettungsaktionen?

Verdrängung

Der erste Grund ist zweifellos der allgemeine menschliche Hang zur Verdrängung. Solange man Unangenehmes beiseiteschieben kann, tut man es. Sonst würde wohl niemand mehr zu einer Zigarette greifen, um ein Beispiel aus einem ganz anderen Zusammenhang anzusprechen.

Beharren auf den eigenen Fehlern

Der zweite Grund: Wer gesteht sich schon ein, in wichtigen Fragen völlig falsch gelegen zu sein? Wenn man jahrelang immer davon geredet hat, dass man den Euro rette, tut man sich schwer zuzugeben, dass man ihn durch die Rettungsaktionen eigentlich erst beschädigt hat, während es ursprünglich in Wahrheit nur um die „Rettung“ einiger Staaten gegangen ist, als diese auf Grund ihrer Verschuldung immer höhere Zinsen zahlen mussten.

Selbst bei diesen Staaten war und ist die Notwendigkeit der Rettungsaktionen durchaus zweifelhaft: Wohl sind die von Geldgebern verlangten höheren Zinsen schmerzhaft. Aber es ist absurd zu sagen, sie wären untragbar: Nach Berechnungen der OECD werden die höheren Zinsen etwa Spanien im Jahr 2013 mit 2,9 Prozent des BIP belasten. Aber im Jahr 1995 betrug die Belastung dieses Landes durch den Zinsendienst sogar 4,7 Prozent des damaligen BIP! Dennoch hat damals niemand davon geredet, dass Spanien untergehen werde, hat niemand nach Rettungsaktionen gerufen. Die Spanier haben sich nur inzwischen an das – im Grund durch einen Irrtum der Märkte im Gefolge der Euro-Einführung – bequeme niedrige Zinsniveau gewöhnt.

Bequemlichkeit

Die zuletzt steil gestiegenen Zinsen sind eigentlich das richtige, wenn auch verspätete Signal, dass die Staaten sparen müssen, weil die Geldverleiher das Vertrauen in sie verlieren. Genau das verlangte Sparen aber ist unbequem. Genau das tun weder die Bevölkerung noch die diversen Regierungen gerne. Und daher umgeht man die Sparnotwendigkeit halt so lange, so lange es irgendeinen Umgehungsweg gibt. Und die Hilfsaktionen haben eben diesen Weg geöffnet, den es in Wahrheit nie geben hätte dürfen. Daher dramatisiert man halt heftig weiter, um weiter an diese Hilfsgelder zu gelangen. Dieser Umweg ist bequemer als wirkliches Sparen.

Gewerkschaftslogik

Hinter dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Staaten steht in hohem Maß das Selbstverständnis der Gewerkschaften. Diese halten sich für umso erfolgreicher, ja steilere Lohnzuwächse sie erkämpfen. Das war in jenen Zeiten relativ egal, da die Wirkung der nicht durch Produktivitätszuwächse gedeckten Lohnerhöhungen dann ganz automatisch über höhere Preise wieder egalisiert werden konnte. In einem gemeinsamen Währungsraum, in dem Abwertungen nicht mehr möglich sind, führt das hingegen zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und damit von Arbeitsplätzen. Dennoch waren die südeuropäischen Gewerkschaften, aber auch Unternehmer lange nicht bereit, ihr Verhalten zu ändern. Freilich: Wenn es keine zumindest auf dem Papier stehenden Lohnerhöhungen mehr gibt, verlassen viele Menschen die Gewerkschaft.

Wahlpopulismus

Politiker denken, planen und agieren immer nur bis zum nächsten Wahltag. Und der ist im Schnitt maximal zwei Jahre weit entfernt. Daher setzen sie keine Maßnahmen, die sich erst danach positiv auf die Wähler  auswirken würden. Daraus folgt mit anderen Worten: Nach dem Wahltag die Sintflut. In den Politikern ist dabei tief die Erfahrung verankert, dass man Wahlen nur gewinnen kann, wenn man den Menschen nach dem Maul redet. Sie glauben vielleicht sogar zu Recht, dass die Wähler den bestrafen, der ihnen die Wahrheit mit allen Konsequenzen sagt und nichts verspricht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Wähler gleichzeitig den Politikern immer besonders vorwerfen, dass sie die Wähler anlügen.

Glaube an die Wohlfahrtsstaats-Ideologie

All diese Wählerbestechungsaktionen haben sich längst zu einer Ideologie verfestigt: zum Glauben an den Wohlfahrtsstaat. Dieser ist jahrzehntelang als eine immer bessere, immer schönere, immer sicherere Sache verkauft worden. Das geschah solange, bis viele Politiker wie Wähler nun schon selbst daran glauben, dass dieser Wohlfahrtsstaat irreversibel und absolut sicher wäre.

Der Hang zum Allmachtsgehabe

Dass sich dieser Glaube überhaupt halten kann, hängt wiederum mit dem Allmachtsgehabe der Politik zusammen. Während 1945 ein österreichischer Bundeskanzler noch offen zugegeben konnte, dass er den Bürgern nichts zu bieten habe, nicht einmal Glas für deren zerbombte Fensterscheiben, dominiert jetzt weltweit der politische Slogan „Yes, we can“.

Eine Spezialform des Allmachtsgehabes praktizieren viele Notenbanker, einschließlich jener der österreichischen Nationalbank: Sie verkünden, dass das zusätzlich gedruckte Geld problemlos wieder eingesammelt werden könnte, wenn es eine Inflation auslöst.

Was aber nicht stimmt. Denn erstens gibt es längst schon inflationäre Blasen und dennoch wird nicht einmal der Versuch eines Einsammelns gemacht, sondern das Drucken ungedeckten Geldes fortgesetzt. Zweitens ist die Einsammel-Ankündigung auch deshalb „leichtfertiges Gerede“, wie es der aus Protest abgetretene Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, nun formuliert, weil es eine solche Einsammelaktion in der Geschichte noch nie gegeben hat, geschweige denn eine erfolgreiche. Denn dabei droht genau jener katastrophale Crash einzutreten, zu dessen vermeintlicher Vermeidung die ganze Hilfsaktion gestartet worden ist. Daher sagt auch Issing: „Die Geldwertstabilität ist mittelfristig massiv gefährdet.“ Ganz ähnlich argumentiert das frühere EZB-Ratsmitglied Jürgen Stark und der deutsche Spitzenökonom Hans-Werner Sinn.

Nur die Haupttäter in EZB und Wissenschaft tun alles, um nicht ihren katastrophalen Irrtum eingestehen zu müssen und sich weiter als allmächtig aufspielen zu können.

Misstrauen gegen den Markt

Eng mit dem Allmachtsgehabe ist der Glaube verbunden, dass der Staat alles besser regeln kann als der Markt. Was sich freilich immer noch als völlig falsch herausgestellt hat. Denn der Markt ist ja die Summe der  Entscheidungen aller Menschen, in die damit deren millionenfaches Wissen einfließt. In die Entscheidungen der Staaten fließt hingegen nur das Wissen einiger weniger Politiker und Beamter, die noch dazu neben dem vorgeblichen Gemeinwohl immer auch sehr egoistische Interessen verfolgen (also etwa die Sicherung der eigenen Wiederwahl). Daher gehen auch alle Versuche der Politik ständig schief, durch noch mehr Regulierung, also Einengung der Märkte, zu besseren Ergebnissen zu kommen. Das Geheimnis einer erfolgreichen Marktwirtschaft liegt genau darin, dass alle Menschen selber entscheiden und dann aber auch selber die Folgen ihrer Entscheidungen zu tragen haben.

Der Irrglaube des Neokeynesianismus

Dieses Allmachtsgehabe wird auch durch die dominierende Wirtschaftstheorie des Neokeynesianismus befördert. Nach der Theorie des John Maynard Keynes sollten die Staaten in den Konjunktur-Jahren eigentlich Überschüsse anhäufen, damit sie in schlechten Jahren durch zusätzliche Ausgaben den Wirtschaftsmotor wieder ankurbeln können. Unabhängig davon, ob diese Theorie wirklich funktionieren würde, wenn sie einmal angewendet würde, ist sie im real angewandten Neokeynesianismus völlig pervertiert worden: Die meisten Regierungen haben nämlich immer nur durch Defizite angekurbelt, aber nie ein Geld zurückgelegt.

Etwa seit 1970 hat sich dieser Prozess mit wenigen Ausnahmen weltweit beschleunigt. Der Neokeynesianismus eskaliert in der unfassbaren Ankündigung eines amerikanischen Notenbankchefs, Dollarscheine notfalls mit dem Hubschrauber abwerfen zu wollen. Viele Studien zeigen, dass der Ankurbelungseffekt längst abgenützt ist und nicht mehr funktioniert. Die Wirtschaft wächst nur noch im Ausmaß des zusätzlich gedruckten Geldes, aber nicht mehr darüber hinaus. Gelddrucken löst keinen Kreislauf mehr aus, der die Ankurbelungs-Investition wieder zurückverdienen würde. Das zusätzlich gedruckte Geld bedeutet aber automatisch Inflation oder massenweise Enteignung. Siehe oben.

Die vielen keynesianischen Wissenschaftler – die Österreichs Universitäten fast zur Gänze beherrschen – geben aber noch immer ungern zu, dass sie auf ganzer Linie falsch gelegen sind. Sie erinnern an die Wissenschafter des 16. Jahrhunderts mit ihrem Glauben an die Erde als Mittelpunkt des Alls. Sie erinnern an die Mediziner des 18. Jahrhunderts, die Blutegel als Haupttherapie eingesetzt haben.

Begrenztes Erinnerungsvermögen

Die Menschen verlieren erstaunlich rasch die Erinnerung an die für ganze Generationen verheerenden Folgen inflationärer Politik (siehe die 20er Jahre) oder eines dominierenden Eingreifen des Staates in die Ökonomie (siehe den Zusammenbruch der kommunistischen Planwirtschaften, aber auch der überregulierten und -besteuerten nordeuropäischen Ökonomien in den 90er Jahren).

Nationaler Egoismus

Vielfach war auch nationaler Egoismus die Ursache für die Eskalation der Schuldenkrise. Es liegt natürlich in Griechenland & Co im nationalen Interesse, Deutschland & Co ständig für ihre Ausgaben zahlen zu lassen. Um die Deutschen dazu zu bringen, wurde und wird immer wieder in mieser Weise im Süden Europas die Nazi-Keule gegen Deutschland eingesetzt. Und die Deutschen haben nach wie vor Angst vor dieser Keule.

Gutmensch-Denken

Letztlich schaffen es die hemmungslosen Schuldenmacher auch immer, die geschickteren emotionalen Phrasen zu finden. Man denke nur an das ständige Getrommel „Solidarität mit Griechenland, der Wiege Europas“. Man denke an die Phrase eines Caritas-Direktors: „Geld nicht nur für die Banken, sondern auch für die Armen!“ (Dabei gibt etwa Österreich mit einer Sozialquote von mehr als 28 Prozent des BIP alljährlich weit mehr für soziale Zwecke – also die soziale Umverteilung zugunsten Ärmerer – aus als jemals für die Bankenhilfe. So problematisch die an sich auch ist). Man denke an die Universalphrase jedes Politikers: „Aber dafür (Hier bitte beliebig Worte einsetzen wie Bildung, Europa, Gesundheitssystem, Lawinenschutz, Sporthilfe, Straßenbau, Entwicklungshilfe und so weiter) muss in einem der reichsten Staaten doch noch Geld dasein.“

Alle diese an den emotionalen Unterleib appellierenden Argumente sind meist wirksamer als die Gegenargumente, die immer nur über das Hirn und über Zahlen gehen können.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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SN-Kontroverse: Regierung oder Parlament? drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Sollen Regierungen ohne die nationalen Parlamente Europapolitik machen können?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Europäische Demokratie wagen

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die EU steckt in einer Krisen und bis dato sind alle Versuche fehlgeschlagen, sie in den Griff zu bekommen. Dies liegt zum Teil daran, dass die Entscheidungsfindung in der EU kompliziert ist. Naturgemäß sind die Interessen von 27 Ländern überaus verschieden. Durch die komplexe Lage ist es daher fast unmöglich rasch und effizient auf Krisen zu reagieren. Nun hat der italienische Ministerpräsident Mario Monti, der selbst lange Mitglied der EU-Kommission war, vor einem Zerfall der EU gewarnt, falls der Euro scheitert und den Regierungen empfohlen, sie sollten sich die Handlungsfreiheit gegenüber den nationalen Parlamenten bewahren. Ein Aufschrei war die Folge und Monti musste wenige Stunden nach Veröffentlichung seiner Äußerung einen Rückzieher machen. Wobei Monti in seiner Analyse durchaus Recht zu geben ist. Er warnte vor einer schleichenden Entsolidarisierung und vor allem einem Wiederauferstehen des Nationalismus. Der wurde nie wirklich überwunden und ist wieder stark spürbar In Form der Ressentiments, die im Zuge der Finanzkrise zwischen den Nord- und Südländern aufgelebt sind. Eine Entmachtung der nationalen Parlamente als Rezept gegen die Krise, wie sie Monti vorschlägt, ist allerdings bei weitem zu kurz gedacht. In Wahrheit ist es die Geheimpolitik der Staats- und Regierungschefs, die sich wie Kurfürsten aufführen, die das Projekt Europa gefährden. Der EU-Rat müsste durch einen weiteren Ausbau der Rechte des Europäischen Parlaments besser kontrolliert und seine Entscheidungen demokratisch lückenlos legitimiert werden. Die nationalen Parlamente sind dazu nur bedingt in der Lage. Darüber hinaus müsste es zur Direktwahl des Präsidenten der EU-Kommission kommen. Europa steht am Scheideweg. Es hat die Wahl zwischen einer Renationalisierung oder begibt sich auf den Weg zur politischen Union. Diese wird jedoch ohne starke demokratische Instrumente auf europäischer Ebene nicht möglich sein.


Weg mit Gesetzen, Richtern, Wählern

 

Andreas Unterberger

Natürlich machen Parlamente viel Unsinn. Meist tun sie das freilich unter Mitwirkung von Regierungen. Sollten aber Regierungen künftig ohne diese Parlamente Politik machen können, bedeutet das ein Ende von Rechtsstaat und Demokratie. Denn nur über die Parlamente können die Wähler mitsprechen. Denn nur die Parlamente können Gesetze machen.

Sollten Regierungen die Parlamente in der Europapolitik künftig ignorieren dürfen, werden sie es im Handumdrehen überall machen. Alles ist ja schon irgendwie europäisch. Die Entmachtung der Parlamente heißt in Wahrheit: Die Machthaber können wieder, wie einst in Diktaturen und im Feudalismus, ohne Rücksicht auf Bürger und Gerichte agieren. Sie brauchen sich nicht mehr an die Gesetze zu halten, knebeln aber das Volk zugleich immer mehr durch immer mehr Vorschriften. Dieser Vorschlag von Mario Monti und Hannes Swoboda führt nichts anderes als das System Putin ein.

Bemerkenswert, dass solche Ideen vor allem auf der Linken Sympathien finden. Aber im Grunde ist das logisch: Denn jetzt ist das Ende der Schuldenpolitik erreicht, mit der jahrzehntelang das linke Traumgebilde des Wohlfahrtsstaats ermöglicht worden ist, mit der immer neue Ausgaben zur Wählerbestechung finanziert worden sind.

Das Platzen der Blase empört nun die Wähler. Sie erkennen, dass diese Schuldenpolitik, dass das Drucken von Billionen ungedeckter Euros zur Finanzierung der unheilbaren Misswirtschaft Griechenlands oder Süditaliens ihre persönlichen Ersparnisse vernichtet, ob nun durch Inflation oder durch Substanzsteuern. Zugleich wagen (zumindest in Deutschland) die Höchstrichter auf Gesetze und Verträge zu pochen. Da sich die Exponenten der Schuldenpolitik das Scheitern des eigenen politischen Lebenswerks nicht eingestehen wollen, möchten sie  lieber die Wähler entmündigen. Und zugleich Richter und Gesetze.

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Die Macht der Gläubiger drucken

In Krisenzeiten wird oft die Erkenntnis bemüht, dass Gläubiger Geiseln ihrer Schuldner seien. Das stimmt auch in etlichen Fällen, wie etwa jenem Griechenlands.

Dennoch sollte man sich im Klaren sein: Im Normalfall liegt die Macht bei den Gläubigern. Diese haben eine bei Staatsanleihen für Regierungen besonders unangenehme Eigenschaft: Man kennt sie nicht. So weiß die Republik Österreich nur, dass rund 80 Prozent ihrer Anleihen in ausländischen Händen sind. Aber zu welchen Körpern diese Hände gehören, ist weitgehend unklar. Ausländische Zentralbanken? Amerikanische Pensionsfonds? Ölscheichs? Chinesische Staatsfonds? Russische Oligarchen? Kommerzbanken? Private Anleger?

In der gleichen Situation befindet sich der scheinbar mächtigste Staat Europas, die Bundesrepublik. Sie wird zwar von aller Welt derzeit als der bequemste Geldautomat behandelt. Aber zugleich steht Deutschland selbst mit gewaltigen 1,1 Billionen Euro in der Kreide. Das ist mehr Geld, als für den so umstrittenen Rettungsfonds ESM vorgesehen ist. Aber wer hält diese Forderungen?

Das ist keineswegs irrelevant. Denn auch bei festverzinslichen Papieren mit fixen Rückzahlungsdaten können Gläubiger die Zinsen gewaltig in die Höhe treiben, wenn sie die Papiere vorzeitig massenweise auch zu einem schlechten Preis verkaufen. Höhere Zinsen für alte Obligationen erhöhen automatisch auch jene für neue. Zum Glück sind Gläubiger meist nicht daran interessiert, ihre Forderungen mit Verlust zu verkaufen. Sie schaden sich ja selber, wenn sie gezielt einem anderen Staat schaden. Dennoch sollte man auch diese Möglichkeit nicht ganz ausschließen: Sollte etwa China einmal ob allzu scharfer Kritik eines anderen Staates an seiner Menschenrechtspolitik zürnen, dann könnte man das sehr bald an den Anleihen-Kursen ablesen. Viel häufiger kommt mit ähnlicher Wirkung vor, dass ein großer Gläubiger oder viele kleine gleichzeitig Bargeld brauchen. Oder dass sie das Vertrauen in einen Schuldner verlieren und lieber schnell mit Verlust verkaufen, als das eigene Risiko noch weiter zu erhöhen.

Jede Angabe, wer die deutschen oder österreichischen Anleihen hält, ist aber auch deshalb unzuverlässig, weil sie im Schnitt jährlich mehr als fünf Mal den Besitzer wechseln. Einem Schweizer Politiker ist nun dieser Tage die Information entschlüpft, dass die Schweizer Nationalbank rund 100 Milliarden an deutschen Anleihen halte, womit sie vermutlich Deutschlands größter Einzelgläubiger sein dürfte. Das klingt auf erste beruhigend. Sind doch die Schweizer seriöse Partner. Aber selbst da ist die Machtfrage relevant: Kämpfen doch Bern und Berlin ganz heftig wegen des Ankaufs gestohlener Schweizer Bank-Daten durch deutsche Steuerfahnder. Wenn deren Methode Schule machen sollte, bedeutet sie zweifellos Großalarm für die Schweizer Banken. Was natürlich auch der Notenbank nicht egal wäre.

Man sieht: Nicht einmal die Schweiz ist ein perfekter Gläubiger. Perfekt ist es nur, gar keine Gläubiger zu haben . . .

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wer zahlt, schafft an! drucken

„Alternativlos“, so trommeln es nicht nur die Granden der EU, sondern auch großmannsüchtige Politiker und Kommentatoren in den Nationalstaaten der Gemeinschaft, sei die „Rettung“ Griechenlands und anderer finanziell angeschlagener Mitgliedsstaaten. Das krampfhafte Festhalten am Projekt „Vereinigte Staaten von Europa“ rechtfertigt am Ende doch jede Torheit. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, tönt selbst die deutsche Kanzlerin, einer der wenigen Bremser im Prozess der Kollektivierung von Staatsschulden zum Zwecke einer weiteren Gleichschaltung der Alten Welt.

Konsequenz: Die in Fässer ohne Boden geworfenen Geldmengen werden immer größer, ohne auch nur die geringste Veränderung zum Besseren zu bewirken. Denn in den Nehmerländern besteht natürlich keinerlei Veranlassung zur Umsetzung der mit der Kreditgewährung verbundenen Auflagen, da sich ja an der „Alternativlosigkeit“ zu weiteren Hilfen nichts ändert, auch wenn diese einfach ignoriert werden.

Entsprechend verhält sich die Regierung Griechenlands. Sparzusagen werden serienweise gebrochen, da die EU ja trotzdem gar nicht anders kann, als weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Soeben erfolgte, „zufrieden stellende Verhandlungen“ der „Troika“ mit der Regierung Griechenlands sind bezeichnend. Was, in aller Welt, gibt es da jetzt noch zu verhandeln?

Im sicheren Vertrauen auf den unbedingten Wunsch des europäischen Establishments, den in Richtung Zentralisierung eingeschlagenen Weg fortzusetzen – und angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat – sieht man – nicht nur im Lande der Phäaken – keinerlei Grund für einen Politikwechsel. Die Target2-Schuldnerstaaten verfügen dort über 17 Stimmen, während die Gläubigerstaaten über nur 6 Stimmen gebieten. Der größte davon, Deutschland, hält allein rund 700 Mrd. € von am Ende wohl mehrheitlich uneinbringlichen Forderungen.

Griechenland & Co. können auf die Kumpanei anderer Debitoren zählen, die eher dazu neigen, die Sparkonten der ungeliebten Teutonen abzuräumen, als eigene Anstrengungen zu einer unpopulären Reformpolitik ins Werk zu setzen. An kaum einer anderen Stelle zeigt sich der systembedingte Irrsinn der Demokratie deutlicher: Was soll wohl vernünftiges dabei herauskommen, wenn man es einer Mehrheit von unverantwortlichen Spielern und Prassern überlässt, über das Eigentum einer Minderheit von Sparern abzustimmen?

Kein Recht ohne Verantwortung! Die in jeder Aktiengesellschaft geltende Regel „wer zahlt schafft an“, sollte immer und überall – auch im EZB-Rat – gelten. Gleiche Stimmrechte, ohne Berücksichtigung der jeweiligen Kapitaleinsätze, werden am Ende zu einer kollektiven Finanzkatastrophe führen.

Die finanzmaroden Südländer – Hand in Hand mit dem sich ebenfalls im steilen Sinkflug befindlichen Frankreich – werden alles tun, um die keineswegs ohne interne Probleme dastehenden Deutschen, Holländer und anderen „Nordländer“ bis auf den letzten Cent auszuplündern. Denn kommt es, angesichts der Wirkungslosigkeit des bisher entfalteten Aktionismus, so weit, dass eine ungebremste Finanzierung nationaler Politiken mittels der Notenpresse ermöglicht wird – und genau das würde die vermutlich bevorstehende Ausstattung des EZB mit einer Banklizenz bedeuten – wäre der Weg in die Hyperinflation kaum mehr umkehrbar. Der Fluch der bösen Tat: Dem ungenierten Bruch bestehender Verträge folgt weiteres Unrecht. Wir haben es mit dem klassischen Fall einer kaum noch zu stoppenden Interventionsspirale zu tun.

Die bisher vergeblichen „Rettungsaktionen“ von IWF, EZB und EU-Kommission machen einmal mehr deutlich, dass strukturellen Problemen von Volkswirtschaften mit (zentral gesteuerter) Geldpolitik nicht beizukommen ist. Das exakte Gegenteil ist richtig – wie es z. B. der seit Jahren anhaltende Niedergang der französischen Industrie zeigt. Der Anteil der Industrieproduktion an der gesamten Wertschöpfung des Landes ist auf nur noch 13 Prozent gesunken (1970 waren es immerhin noch 26 Prozent) – Tendenz weiter fallend.

Viel Urlaub, früher Pensionsantritt, hohe Löhne und niedrige Produktivität sind eben denkbar schlechte Voraussetzungen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Radikale interne Maßnahmen wären notwendig, um den Abwärtstrend zu stoppen. Indes wird sich aber jeder einzelne der genannten Parameter durch Haftungsübernahmen und die Kollektivierung der Staatsschulden weiter verschlechtern – indem die Notwendigkeit, strukturell wirksame Reformen durchzuführen (etwa unternehmerische Aktivitäten attraktiver zu machen, die Industrieproduktivität durch Lohnkürzungen zu steigern und die Zahl unproduktiver Staatsbediensteter substantiell zu reduzieren) einfach ausgeblendet wird. Stattdessen sollen die „reichen Deutschen“, die angeblich einzigen Profiteure des Europrojekts, zu immerwährenden, gegenleistungsfreien Transferzahlungen verpflichtet werden.

Ist es auch Wahnsinn, so hat er doch Methode: Wer meint, dass ein paar Volkswirtschaften mit rund 100 Millionen Einwohnern imstande wären, den bis zu den Achsen im Dreck steckenden, mit 500 Millionen Bürgen besetzen Eurokarren, nicht nur kurzfristig wieder flottzukriegen, sondern vielmehr dauerhaft zu ziehen, lässt Zweifel an seiner Urteilsfähigkeit aufkommen.

Ohne die Wiederbelebung des Subsidiaritätsgedankens; ohne eine Rückbesinnung auf finanzielle Verantwortlichkeit auf kleinster politischer Ebene, wird Europa auf Dauer im Chaos versinken.

Nur Sparen schafft Wachstum

Ein weiterer, für die Entwicklung des Wohlstands in der Alten Welt entscheidender Aspekt, wird bei den kopflosen Aktivitäten der Politeliten bisher völlig ausgeblendet: Es handelt sich um die mit der schleichenden Zerstörung der Kaufkraft des Euro verbundene Einsicht breiter Kreise der Bevölkerung in die Unsinnigkeit des Sparens. Die von Horden beamteter Desinformanten gestreuten Zahlen im Hinblick auf die allgemeine Teuerung stimmen nicht. Wir halten bei gegenwärtig zwischen sechs und sieben Prozent Teuerung, der keine annähernden Einkommenszuwächse gegenüberstehen. Hinz und Kunz fühlen, dass ihnen ihr Geld zwischen den Fingern zerrinnt.

Einzige Profiteure der Inflation: Regierungen und Banken. Warum aber sparen, wenn man für sein Geld bald nichts mehr bekommt? Da erscheint es doch gescheiter, auf Teufel komm raus zu konsumieren! Die Hersteller von Kraftfahrzeugen im oberen Preissegment melden folgerichtig Absatzrekorde und die Immobilienpreise (außerhalb Spaniens) explodieren geradezu.

Zwar handelt es sich beim Kauf langlebiger Konsumgüter angesichts der prekären Lage des Euro um rationale Handlungen der einzelnen Konsumenten. Auf Dauer sind damit aber dennoch fatale Konsequenzen verbunden. Denn Sparen – die Akkumulation von Kapital durch Konsumverzicht – bildet die unabdingbare Voraussetzung für eine künftig positive Einkommensentwicklung. Aus dem Nichts geschaffener Kredit ist eben am Ende nicht dasselbe wie erspartes Vermögen.

Derzeit erleben wir allerdings keinen Vermögensaufbau, sondern einen nie da gewesenen Kapitalverzehr. Auf breiter Front sinkende Sparquoten sind der schlagende Beweis dafür. Weder ein schickes Auto, noch eine Luxusimmobilie werden jemals Werte produzieren. Ohne Investitionen – also Anlagen im produktiven Bereich einer Volkswirtschaft – ist aber eine langfristige Verarmung programmiert.

Man kann sich nicht aus der Krise konsumieren. Man kann auch nicht durch unkontrollierte Schuldenmacherei reich werden. Binsenweisheiten. Die Politbüros Eurolands haben den dräuenden Niedergang nicht nur nicht verhindert, sondern sind im Begriff, ihn durch jede einzelne ihrer Maßnahmen weiter zu verstärken. Die Bürger Europas sollten ihnen das nie vergessen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Von der Schuldenkrise zur Rechts- und Demokratiekrise drucken

Europas Bürger erkennen zunehmend, dass in den nächsten Jahren ein gewaltiger Raubzug auf ihr Erspartes stattfinden wird, sei es durch konfiskatorische Steuern, sei es durch Inflation. Tertium non datur, sagen die Lateiner. Eine dritte Möglichkeit ist denkunmöglich. Etwas noch viel Schlimmeres haben die Bürger aber noch nicht erkannt: Es läuft gleichzeitig auch eine Attacke auf Demokratie und Rechtsstaat. Mit dieser Attacke werden noch viel wertvollere Güter zerstört als „nur“ jene Ersparnisse, mit denen die Babyboomer-Generation ihr eigenes Alter finanzieren wollte.

Diese Generalattacke ist zuletzt etwa in unverblümten Forderungen des italienischen Ministerpräsidenten Monti offenkundig geworden. Er verlangt öffentlich, dass sich die Regierungen der EU-Staaten nicht mehr „vollständig durch die Entscheidungen ihrer eigenen Parlamente binden“ lassen. Die Regierungen müssten vielmehr „Handlungsfreiheit“ gewinnen.

Das ist nun ebenso ungeschminkt wie skandalös. Diese Aussagen sind umso bedenklicher, als sie von einem Mann kommen, den man bisher für integer und korrekt gehalten hat. Wenn schon ein Monti so offen autoritär spricht, wie viel intriganter und undemokratischer muss dann der Geist bei den vertraulichen Diskussionen der EU-Regierungschefs sein, wo beispielsweise auch Putschisten wie der rumänische Ministerpräsident mit am Tisch sitzen!

Was Monti verschweigt: Wenn die Regierungen nicht mehr “vollständig“ an die Parlamente gebunden sind, dann sind sie auch nicht mehr an die Wähler gebunden. Und dann sind sie auch nicht mehr an die Gesetze gebunden, welche die Parlamente beschlossen haben. Sie wollen „legibus solutus“ sein – um noch ein letztes Mal zur Sprache der alten Römer zu greifen –, also frei von der Bindung an Gesetze. So wie einst die römischen Cäsaren waren. Oder so wie die Herrn Haider, Martinz und Scheuch glaubten zu sein.

Diese Freiheit für die Regierungen heißt freilich nicht, dass sich parallel auch die Freiheit der Bürger erhöhen würde. Diese wird ganz im Gegenteil von einer immer enger werdenden Diktatur der Politischen Korrektheit eingeschnürt. Die pikanterweise ebenfalls von der EU ausgeht.

So hat eine von allen guten Geistern verlassene Staatsanwaltschaft jetzt einen Salzburger unter anderem deshalb angeklagt, weil er bei Facebook zu islamkritischen Äußerungen ein „gefällt mir“ angeklickt hat. Zum Glück wehren sich so wie in diesem Fall häufig noch unabhängige Richter gegen diese Attacken auf die Meinungsfreiheit und die universelle Anwendung des Strafbestands der „Verhetzung“.

Vor dessen Verschärfung ist ja gerade in diesem Tagebuch intensiv gewarnt worden. Sie ist aber dennoch unter Verweis auf EU-Entscheidungen weitgehend in die Gesetzesbücher aufgenommen worden. Schuld daran war primär die linke Sozialistin Maria Berger, die in der EU der Beschneidung der Meinungsfreiheit zugestimmt (und in Österreich die Sache geheimgehalten) hat. Mitschuld sind aber auch die beiden folgenden schwarzen Ministerinnen, die der Übernahme dieses Knebelungsparagraphen keinen merkbaren Widerstand entgegengesetzt haben.

Zurück zu Montis Forderung: Auch in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre sind von faschistischen, kommunistischen, nationalsozialistischen Bewegungen die Parlamente als „Quatschbuden“ hinweggefegt worden. Das hat in der Folge Demokratie und Rechtsstaat vernichtet. Und nichts anderes steht jetzt in diesen Wochen auf dem Spiel – auch wenn uns allen die Ablenkung durch olympische Spiele viel sympathischer erscheint.

Schuldengemeinschaft schaltet nationale Parlamente aus

Eine Sprengung von Demokratie und Rechtsstaat bedeuten aber auch die in auffälligem Gleichklang dieser Tage von den Chefs der deutschen und österreichischen Sozialdemokraten erhobenen Forderungen nach einer radikalen Vergemeinschaftung der nationalen Schulden. Sigmar Gabriel verlangt diese Schuldenunion auf direktem Weg (und lässt sich dabei vom „Finanzexperten“ Jürgen Habermas unterstützen); Werner Faymann tut dies auf einem substanziell nicht sehr unterschiedlichen Weg, indem er unbegrenzte Kreditmöglichkeiten des „Rettungsfonds“ ESM bei der Europäischen Zentralbank verlangt. Was genauso eine Vergemeinschaftung der Schulden bedeutet.

Gabriel träumt davon, dass man die einzelnen Staaten im Gegenzug zu einer strengen Haushaltsdisziplin zwingen  könnte. Nur: Diese Disziplin stand schon in den Maastricht-Kriterien festgeschrieben und wurde fast ständig und fast von allen Mitgliedsstaaten ignoriert. Das wird mit absoluter Sicherheit auch in Zukunft geschehen. Denn keine Regierung Europas lässt sich die politische Gestaltung entwinden. Aber ohne direkten und brutalen Eingriff einer solchen Schuldengemeinschaft bei Schlüsselfragen wie Pensionsalter, Studiengebühren, Sozialleistungen, Förderungen usw. (also praktisch allen Themen, welche die nationale Politik bewegen) kann sich keine Haushaltsdisziplin ergeben.

Die von Gabriel&Co vorgeschlagene paneuropäische Haftung für all diese Geldverschwendung bedeutet eine völlige Ausschaltung der Budget- und Steuer-Hoheit der nationalen Parlamente. Sie bedeutet eine ebenso gravierende wie stillschweigende Gesamtänderung der österreichischen Verfassung. Eine solche wäre eigentlich nur auf dem Weg einer Volksabstimmung möglich. Interessanterweise verschweigen sich dazu die sonst so mediengeilen Mainstream-Juristen komplett, die sogar bei der harmlosen Einführung von verpflichtenden Volksabstimmungen nach Volksbegehren vor einer Gesamtänderung gewarnt haben.

EU-Krise macht mehr Sorgen als Korruption

Die Politiker erkennen, dass sie den Schuldenkurs nur noch bei einer weitgehenden Ausschaltung der Demokratie realisieren können. Die Bürger in Europas Nordländern spielen nämlich nach drei Jahren Verwirrungspolitik nicht mehr mit. Das zeigte etwa die jüngste Repräsentativumfrage von Imas: Denn bei dieser nannten die Österreicher unter jenen Punkten, die sie besonders beunruhigen, eine Sorge deutlich am häufigsten: „die Folgen der EU-Krise (Griechenland etc.) für Österreich“. Diese verängstigt sie weit mehr als die Stichworte „Korruption“ oder Dutzende andere Besorgnisse. Dabei widmen die Mainstream-Zeitungen seit Monaten der Korruption viel mehr Platz als der Schuldenkrise.

Die Bürger haben erkannt, warum es geht. Die Politik will aber dennoch auf ihrem Kurs weiterfahren und umgeht dabei zahllose Rechtsvorschriften.

So hat sie die präzisen Maastricht-Regeln mit ihren Defizit- und Schuldengrenzen ständig und brutal verletzt. So haben die EU-Regierungschefs schon das auf allerhöchstem Rechts-Level einbetonierte No-Bailout-Verbot einfach ausgehebelt (es hatte die Übernahme von Schulden einzelner Mitgliedsstaaten durch andere Staaten, EU oder EZB strikt verboten). So hat sich die Zentralbank wider ihrem diesbezüglich eindeutigen Statut um Hunderte Milliarden wackelige Anleihenpapiere aus südeuropäischen Staaten andrehen lassen.

Wie pleite ist die EZB?

Bei all diesen durch die faktische Macht der Politik ignorierten Rechtsregeln geht es aber genau um den Kern jener Bedingungen, die Länder wie (vor allem) Deutschland zur Vorbedingung eines Beitritts zur Währung gemacht haben. Dass diese glasklar verankerten Bedingungen einfach durch die Hintertür entsorgt wurden, ist der schlimmste politische und rechtliche Betrug der Nachkriegszeit.

Alle Finanzexperten wissen, dass die EZB bei korrekter Bilanzierung und Offenlegung aller Risken eigentlich pleite wäre. Aber korrekt bilanzieren muss ja nur der kleine Kaufmann, nicht die mächtigste Finanzinstitution des Kontinents. Dort wird vieles geheimgehalten.

Das alles ist wirtschaftlich verheerend, auch wenn es Regierungen, Mainstream-Medien und interessierte Kreise immer als Erfolg darstellen, sobald durch neue Schaffung von Papiergeld der akute Ausbruch der schon längst gegebenen Insolvenz wieder ein paar Wochen hinausgeschoben wird. Aber die Tatsache, dass all diese Rechtsbrüche noch nie von einem europäischen oder österreichischen Höchstgericht auch nur behandelt worden sind, ist noch viel übler. Wenn einmal das Vertrauen ins Rechtssystem zertrümmert worden ist, dann ist eine Gesellschaft auf viele Jahrzehnte kaputt.

Die Richter werden vielfach oft vor vollendete Tatsachen gestellt. In Österreich kann der Verfassungsgerichtshof etwa über den verantwortungslosen ESM-Beitritt überhaupt erst dann zu beraten beginnen, wenn dieser schon Realität ist, wenn er aber auf Grund des internationalen Rechts gar nicht mehr gekündigt werden kann. Und der Europäische Gerichtshof kann in den heikelsten Fragen nur dann aktiv werden, wenn ihn eine Regierung einschaltet. Aber keine Regierung wird gegen das klagen, was ihr Regierungschef oder ihre Minister selbst mitbeschlossen haben.

Karlsruhe als einzige Hoffnung

Die Richter sind aber ohnedies froh, nicht entscheiden zu müssen. Wird ihnen doch von Regierungen und Mainstream-Medien ständig Angst eingejagt, dass ein Veto gegen das ständige Nachschütten von Geldern in das bodenfreie Schuldenfass schlimme Folgen hätte. Was ja an sich auch stimmt: Denn bei einem Griechenland-Bankrott müsste die EZB von den Mitgliedsstaaten viele Milliarden einfordern, weil sie dann die Wertlosigkeit der griechischen Anleihen in ihren Tresoren endlich eingestehen müsste. Verschwiegen wird freilich, dass das ständige Nachschütten beziehungsweise Verschweigen noch viel dramatischere Folgen haben wird. Wenn auch erst einige Monate, im besten Fall zwei oder drei Jahre später.

Einzig das deutsche Oberstgericht in Karlsruhe hat nun die Möglichkeit, sich mit einiger Wirksamkeit der fundamentalen Zerstörung von Demokratie und Recht entgegenzustellen. Der parteiunabhängige deutsche Bundespräsident hat – im Gegensatz zum österreichischen – mutigerweise mit der Unterzeichnung des irreversiblen ESM-Vertrags zugewartet, bis die Richter dazu grünes Licht geben. Das hat die Berliner Regierung natürlich erzürnt. Das gibt aber Hoffnungen.

Ohne Recht keinen Frieden

Allerdings hat sich auch Karlsruhe schon mehrfach den von der Politik hergestellten faktischen Zwängen gebeugt. Mehrfach haben die dortigen Richter schon bei Änderungen des EU-Rechts gesagt: Bis hierher und nicht weiter! Weiter dürfe die Einschränkung der nationalen und parlamentarischen Rechte nicht gehen. Und dann ging es beim nächsten Mal halt doch wieder ein großes Stück weiter. Die Richter haben in ihrer Ängstlichkeit nie das große Nein gewagt.

Also überwiegt auch diesmal die Skepsis. Dabei müssten intelligente Richter zweifellos wissen, dass es längst um Demokratie und Rechtsstaat und nicht mehr „nur“ um den Euro geht.

Da kann man dem deutschen Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof nur zustimmen, wenn er jetzt schreibt: „Die EU steckt in der Krise, weil Recht missachtet wurde. Und wir spielen weiter mit dem Feuer: Eine Instabilität des Rechts wiegt schwerer als eine Instabilität der Finanzen.“ Deutlich weist er auch alle jene Sonntagsredner zurück, die die Schuldenpolitik als Friedenswerk verteidigen. Das Gegenteil ist wahr: „Ohne Recht gibt es keinen Frieden.“

PS: Bezeichnendes Detail am Rande: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben auch anderswo ein gebrochenes Verhältnis zum Recht. Sie nehmen in diesen Tagen sogar den Putsch im Mitgliedsland Rumänien weitestgehend tatenlos hin. Bis auf ein paar lendenlahme Erklärungen zeigt man sich gegenüber den rumänischen Putschisten hilflos. Dort hat die Regierung den Präsidenten einfach suspendiert. Sie setzt Höchstrichter massiv unter Druck und will nun im Nachhinein ein von ihr selbst durchgeführtes und dann verlorenes Referendum über die Präsidentenabsetzung für ungültig erklären. Sie will die von der Regierung selbst erstellten Wählerlisten nachträglich ändern. Solche Methoden und deren Ziele sind seit dem Berliner Reichstagsbrand allzu gut bekannt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Und wann beginnt endlich auch Barroso zu sparen? drucken

Hinter den ständigen Milliarden-Vernichtungsaktionen der diversen Griechenland-Hilfen und ESM-Aufstockungen kann Kommissionspräsident Barroso in aller Stille seine Verwaltungskosten aufblähen. 3,3 Milliarden sind im Budget 2012 für die Kommissionsverwaltung allein veranschlagt. In Wirklichkeit sind es aber – laut Berechnung des Open Europe-Think tanks – 5,8. Barroso richtet seine Sparappelle nur an andere – nicht aber an sich selbst.

Die 45.000 EU-Beamten sind hoch bezahlt. Von Grundgehältern zwischen 2600 und mehr als 18.000 € kann man andernorts – zum Glück – nur träumen. Dazu kommen aber noch saftige Privilegien – über den Urlaub hinausgehende 18 Büroschließtage plus zehn weitere bezahlte Tage jährlich, die der von niemandem überprüften Fortbildung dienen sollen. Für die Heimreise gibt es bis zu sechs Tagen Sonderurlaub. Einmal im Jahr darf sich jeder über die Bezahlung eines Business-Class-Flugs oder Erste-Klasse-Bahntickets nach Hause freuen, egal, ob diese Reise angetreten wird oder nicht.
Für die EU-Beamten-Kinder gibt es 14 Europäische Schulen, deren Besuch gratis ist. Ein Posten, der sich immerhin mit 169 Millionen im heurigen Jahr niederschlägt. Will man seinen Nachwuchs aber nicht dort unterrichten lassen, gibt es Schulgeld von 13.000 € jährlich. (Diese Schulkosten und andere Posten – wie etwa der Brocken für die Pensionen – sind in den zugegebenen 3,3 Milliarden Verwaltungsaufwand gar nicht inkludiert.)
Nicht umsonst wird über eine Reform des EU-Beamtenstatuts verhandelt.
Einen einzigen Punkt scheint sich Barroso abringen zu lassen: Die Wochenarbeitszeit soll von 37,5 auf 40 Stunden angehoben werden.
Hoffentlich passiert das dann schneller, als es bei der Anhebung des Pensionsalters zugeht. Denn da hat der Kommissionspräsident ein Tempo eingeschlagen, das er nur von Wiener Bürgermeister gelernt haben kann: Der Vorruhestand kann künftig erst mit 58 (statt mit derzeit 55) angetreten werden. Und das reguläre Pensionsalter wird von 63 auf 65 Jahre angehoben. Wirksam wird das aber erst 2036. Was eine teure Folge hat: Der derzeitige Pensionsaufwand für die Kommissionsverwaltung beträgt ohnehin schon 1,2 Milliarden jährlich. Bis 2045 wird sich die EU-Pensionslast durch das Reform-Schneckentempo auf 2,4 Milliarden verdoppeln – hat das Deutsche Bundesinnenministerium ausgerechnet (das für die Beamtenreform-Verhandlungen zuständig ist).
Immer noch gerungen wird um das Privileg der jährlichen automatischen Gehaltserhöhung der EU-Beamten. Die Mitgliedsstaaten wollen das nicht länger tolerieren. Um diesen lästigen Streit vom Hals zu haben, möchte Barroso einen Königsweg einschlagen: Seine Financiers, die Mitgliedsstaaten, sollen nicht länger dabei mitreden dürfen.
Auch das Europäische Parlament könnte ordentlich zum Sparen beitragen. Seit 2005 sind seine Kosten um 36 Prozent angestiegen, die Kosten für die Abgeordneten sogar um 77,5 Prozent.
Zähe Verhandlungen wären endlich auch mit den Franzosen zu führen, die auf den Parlaments-Zweitsitz in Straßburg bestehen – der freilich 317 Tage im Jahr leer steht. Und für dessen Bespielung einmal im Monat sämtliche Akten, Abgeordnete und ihre Mitarbeiter von Brüssel in den Elsaß aufbrechen müssen (und dann wieder zurück). Würde Francois Hollande so weit gebracht, dass er diese Verschwendung auf Kosten der gesamten Union beendet, wären das schon allein 180 Millionen jährlich.
Sparen ist schwer – besonders bei sich selbst. Aber: Wasser predigen und Wein trinken, das ist eben auch die Devise in Brüssel.

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Olympische Schatten drucken

Dass ein Vorgang seinen Schatten
gar vorauswirft, wie’s oft heißt,
zählt zu Phrasen, ziemlich platten,
derer man sich gern befleißt.

Doch ein Großereignis heute
ist schon insofern suspekt,
als sein Schatten, liebe Leute,
meistens dunkles Treiben deckt!

So ist dank EM-Spektakel
kürzlich erst der Trick geglückt,
und das ESM-Debakel
wurde uns aufs Aug’ gedrückt.

Noch pompöser unterdessen
wird Olympia gespielt,
denn wir sollen schlicht vergessen,
dass man weiter uns bestiehlt!

In der Tat kam grad deswegen
schon das Gründungs-Komitee
sehr der Hochfinanz gelegen
mit der „Eine-Welt“-Idee.

Und genau in diesem Streben
hat man – selber aufgeklärt –
alte Feuerkulte eben
dem gemeinen Volk beschert.

Leider ist’s halt das Fatale –
längst des Lebens Sinn beraubt,
fällt herein auf Rituale,
auch wer sonst an gar nichts glaubt!

Seltsam bloß, selbst Wahhabiten
machten bisher niemals Zoff
wegen solcher Heiden-Riten –
einzig wegen bisschen Stoff…

Pannonicus

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Raus, raus, alles raus! drucken

So ähnlich muss das Gefühl der Passagiere auf der Titanic gewesen sein, als ihnen klar wurde, dass das Knallen keine Champagnerkorken waren, die Hilfe-Rufe zu keiner Theateraufführung gehörten und die Panik an Bord des unsinkbaren Schiffes vor dem ewigen Abtauchen immer größer wurde. Rettung? Nur für einen Teil der Menschen möglich.

Unsere Panik wird heute von einer Gemeinschaftswährung namens Euro und einer allein selig machenden Institution wie der Europäischen Union verursacht. Wenn einem sterbenskranken Menschen ein mit allen Bildbearbeitungskünsten manipuliertes Foto von ihm vorgehalten wird, so wird er sich der eitlen Hochglanzlüge nicht hingeben. Ihm sind Gefühle, Instinkte, Wahrnehmungen gegeben, die alle Versuche einer Beschönigung wie eine Verhöhnung auffliegen lassen.

Wir haben eine Währung mit so vielen Konstruktionsmängeln – und Verträge, die das Papier, auf das sie gedruckt worden sind, schon nicht mehr wert sind – dass sich jene, die uns diesen Euro und seine Allheilsfunktion eingeredet haben, im letzten Aufbäumen noch davon schwindeln wollen.

Indem sie abenteuerliche Schuldenkonstruktionen, Umschichtungen und neue Lügengebilde konstruieren. Rettungsboote, wenn Sie so wollen. Wie auf der Titanic sind nicht genug davon vorhanden. Können es nicht sein. Mathematik ist eine seriöse Wissenschaft und keine in der EU zu wählende Partei. Ein Minus und noch ein Minus ergeben dort keine Rettung, sondern das Debakel.

Bei katholischer Taufe und Firmung wird gefragt: „Widersagst Du dem Bösen und allen seinen Verlockungen?“ Merkt denn hier niemand, wie fast alle „Lösungsversuche“ in Sachen Euro eine Verschlimmerung darstellen? Wie dort das Böse in die Rolle von Politikern und Experten schlüpft, um den Untergang einer fehlerhaften Währungs- und Schuldentolerierungsunion zu verzögern?

Das unsinkbare Schiff Europäische Union sollten jene schleunigst verlassen, die noch eine Chance auf einen Platz im Rettungsboot haben. Von den Propheten der Neuzeit, Deutschlands Wifo-Chef Hans-Werner Sinn sei hier erwähnt, kann es kaum unmissverständlichere Warnungen geben. Doch gab es jene nicht auch von Jesus Christus, von Bahá‘ulláh, dem Begründer der Bahá‘í-Religion? Hat noch irgend jemand Vertrauen in die Expertise, ja in ein gottgefälliges Handeln des als EU-Spitzen getarnten Euro-Himmelfahrtskommandos?

Hier stecken sich noch einige Handelnde schwindelerregende Gagen zu, die von den Empfängern wohl noch am Tag des Erhalts zum Großteil in Gold umgetauscht werden. Übrig bleiben als die Dummen jene, die brav ihre Stimme abgegeben haben. So war es immer, aber muss es auch in Zukunft so sein?

Uns Österreichern könnte es in einer Vergeschwisterung mit der Schweiz blendend gehen. Oder wir holen uns den Schilling wieder zurück. Am besten mit einer sofortigen Notverfügung am kommenden Mittwoch. Je schneller, desto besser.

Die wirklichen Experten rufen längst, wie Feuerwehrleute in einem brennenden Hochhaus oder Schiffstechniker auf der sinkenden Titanic: „Raus, raus, alles raus!“ Wir sollten raus aus diesem Euro. Wir sollten immerwährend (wie kann man dieses Wort auch nur eine Sekunde anders verstehen?) neutral werden/bleiben.

Raus aus dem Euro, ja womöglich sogar raus aus der EU. Wir hatten auch ohne die Mitgliedschaft in der EU friedliche Zeiten, schreckliche Skandale aber dafür auch jenes Geld, das wir heute als Nettozahler in Brüssel abliefern. Es wird höchste Zeit, dieses Drama vom Spielplan der täglichen Nachrichten zu nehmen.

Eine Regierung ist auch zum Reagieren da. Schon während der psychologischen Betreuung durch das Katastrophen-Einsatzteam nach dem Austritt sollten im baufälligen Parlament die Grundfesten eines neuen Österreich errichtet werden. Mit Gerechtigkeit, niedrigen Steuern, Mobilität und dem Austro-Franken oder dem Schilling als Währung.

Widersagen wir dem Bösen und erfinden wir uns neu. Ich glaube an dieses neue Österreich. Entdecken wir Gott wieder und mit Ihm Anstand und Moral. Die Zeit ist reif.

Reinhard Bimashofer ist freier Journalist und im Vorstand des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie.

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Auch Richter sind nur Politiker, pardon: Menschen drucken

Es ist unfair, stets alle Fehlentwicklungen, die Staaten in kritische Situationen stürzen, der Politik anzulasten. Des öfteren sind es auch ganz entscheidend Gerichte, die sich gerne ohne Rücksicht auf die Kosten für die Allgemeinheit als Robin Hood und Wohltäter positionieren. Die gerne jedem Bürger Ansprüche an den Staat bis zum Exzess zusprechen, die dabei das vernünftige Maß völlig ignorieren. In Österreich und anderswo.

Viele Richter begreifen nicht, dass der alte Juristenspruch des „Ultra posse nemo tenetur“ auch zugunsten der Allgemeinheit Grenzen der Zumutbarkeit verlangen würde. Vor allem – aber nicht nur – in Zeiten wie diesen.

Da hat etwa der OGH beschlossen, dass die Bezieher von Kleinpensionen, also von solchen Renten, die niedriger als die Ausgleichszulagengrenze sind, überdurchschnittlich erhöht werden müssen. Das klingt scheinbar gerecht, ist aber in Wahrheit völlig unbegründet und populistisch. Denn solche „Kleinpensionen“ sind nur ein Zubrot zu anderen, in der Regel viel größeren Pensionen oder zu Bezügen im Ausland.

Niemand muss nur von einer Kleinpension leben. Denn müsste er das, würden ja ohnedies die Pensionsbezüge sofort auf die Höhe der Ausgleichszulage erhöht. Und deren überdurchschnittliche Erhöhung ist zumindest begründbar und jedenfalls ohnedies immer beschlossen worden. Besonders pikant: Dieses Kleinpensionisten-Privileg wurde ausgerechnet von der Arbeiterkammer erkämpft, die sich immer mehr als übler Privilegienverein entpuppt, die sich aber als Beschützer der Kleinen ausgibt.

Ähnlich Robin-Hood-artig entscheiden die Gerichte auch in Arbeitskonflikten in 90 Prozent der Fälle immer zugunsten der Arbeitnehmer. Was vielfach sicher gerechtfertigt ist, aber bei eklatanten Minderleistern auf Grund der Beispielswirkung schweren Schaden anrichtet. Dieser ist dann oft weit größer als die erkämpften Bezüge des Betreffenden. Zumindest im Unterbewusstsein glauben offenbar viele Richter, dass man im Zweifel immer ohne Gewissensbisse zu Lasten der Allgemeinheit oder eines Unternehmens judizieren solle, um auf der richtigen Seite zu stehen. Getroffen werden damit aber in Wahrheit immer die Steuerzahler oder die Arbeitsplätze der anderen.

Ein besonders aktuelles Beispiel ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs zugunsten von AMIS-Anlegern. Auch hier wurde der Steuerzahler zur Tragung eines Teils der Ausfälle nach einem betrügerisch herbeigeführten Konkurs verdonnert. Der judizierte Grund: Die Finanzaufsicht habe zu wenig genau hingeschaut. Das kostet die Allgemeinheit wieder einen zweistelligen Millionenbetrag.

Ohne den Akt im Detail zu kennen, ist auch hier der Eindruck nachhaltig: Pragmatisierte Richter begreifen nicht wirklich, dass hohe Ertrags-Aussichten wie bei solchen Anlagesystemen immer auch mit hohem Risiko verbunden sind. Unmoralischen Moral hazard nennt man es hingegen, wenn Anleger zwar Gewinne bei riskanten Geldanlagen kassieren, aber bei Verlusten immer auf die Allgemeinheit zurückgreifen können. Wenn die Judikatur so weitergeht, haftet der Steuerzahler (dieser und der nächsten Generation) bald für jeden Betrüger. Was den Opfern zwar Freude macht, den Staat aber ruiniert.

Zumindest eigenartig und blauäugig ist auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem er Abschiebungen von Flüchtlingen nach Ungarn gestoppt hat. Dort würden ihnen menschenunwürdige Bedingungen drohen. Es kann nun wenig Zweifel geben, dass in Ungarn Flüchtlinge nicht so gut behandelt werden wie in Österreich. Aber am Ende wird wohl überhaupt nur noch Österreich menschenwürdig genug sein, um die Flüchtlinge aller Länder aufzunehmen.

Die naiven Richter sollten einmal die Landkarte anschauen: Der überhaupt größte Flüchtlingsstrom aus Asien und Afrika Richtung EU kommt über Griechenland – wohin sie Rück-Abschiebungen sowieso schon länger nicht mehr erlauben –, einige total chaotische Balkanländer und Ungarn. Wenn all diese Länder für Flüchtlinge ungeeignet sind, wenn dorthin niemand zurückgeschoben werden kann, dann können nun alle ungehindert nach Österreich kommen.

Vielleicht sitzen in jenem – dem äußeren Anschein nach strikt rot-schwarz besetzten – VfGH lauter heimliche Blaue. Und die wollen solcherart den derzeit strauchelnden Freiheitlichen über die Bande wieder einen Wahltriumph zuschanzen. Was ziemlich raffiniert wäre.

Derart kurzsichtiges Verhalten von Gerichten ist aber keineswegs nur in Österreich zu beobachten, wie an Hand einiger Beispiele gezeigt werden darf:

So haben in Deutschland die Gerichte vor einigen Monaten eine Erhöhung des Urlaubsanspruches auch für unter-40-Jährige im öffentlichen Dienst verordnet. Was dort die Kommunen eine Viertelmilliarde Euro kostet. Alljährlich. Viele deutsche Kommunen sind bankrott. Aber der Urlaub und seine ständige Ausdehnung sind heilig.

So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einem Tunesier 20.000 Euro „Schmerzengeld“ zuerkannt, weil er von Italien (noch unter der diesbezüglich etwas konsequenteren Berlusconi-Regierung) nach Tunesien abgeschoben worden ist. Der Grund: In Tunesien könnte ihm ja die Folter drohen.

In diesem Fall – und vielen ähnlichen – ist der psychologische Untergrund solcher Entscheidungen nicht wie in den anderen Exempeln die persönliche Pragmatisierung der Richter, sondern die Tatsache, dass viele der Richter selbst aus dubiosen Staaten, etwa des Kaukasus, stammen. Und dort haben ganze Nationen jedes Interesse, dass die Immigrationstore ins EU-Europa möglichst weit geöffnet sind. Im Menschenrechts-Gerichtshof urteilen ja auch griechische, rumänische, bulgarische und ungarische Richter ungeniert, dass Österreich alle Asylwerber aufnehmen muss, weil Griechenland, Bulgarien, Rumänien und Ungarn so böse zu den Immigranten sind.

Mehr als seltsam sind auch jene Juristen, die über den internationalen Flotteneinsatz gegen die somalischen Piraten zu urteilen hatten: Sie erlaubten den westlichen Schiffen nur den Einsatz auf hoher See. Angriffe auf alle jene Küsten und Häfen, von denen die Piraten starten und wohin sie sich zurückziehen, sind hingegen für tabu erklärt worden. Solcherart behindert wird die lustige Jagd der Piraten auf Frachter und Kreuzfahrer noch lange erfolglos weitergehen können. Die Piraten sind ja nicht gerade untätig: Zuletzt sind sie jede Woche im Schnitt weit mehr vier Mal „erfolgreich" gewesen. Sie lassen sich ganz offensichtlich von Pseudo-Flotteneinsätzen nicht einschüchtern.

In Portugal wiederum hat das Verfassungsgericht vor kurzem eine wichtige Sparmaßnahme gekippt. Die Streichung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für Beamte und Rentner sei gleichheitswidrig, weil sie nur für bestimmte Gruppen gelte. Offenbar nicht gleichheitswidrig ist es für das Gericht, das alle anderen Bevölkerungsgruppen in Zeiten der Krise einem noch viel größeren Übel ausgesetzt sind: der großen Gefahr eines Verlusts von Arbeitsplatz und Existenz. Aber dieses Risiko ist ja Richtern unbekannt. Und jedenfalls viel weniger wert als das Weihnachtsgeld.

Besonders gravierend war vor einigen Jahren das Gutmenschentum argentinischer Höchstrichter: Sie haben alle verzweifelten Sparversuche der Regierung unterbunden, irgendwo Gehälter und sonstige Zahlungen zu kürzen. Sie haben überall wohlerworbene Rechte gefunden. Bis das Land dann in den Totalbankrott geschlittert war, wo dann kein einziges Recht mehr valide war. Dasselbe wird man demnächst mit gutem Grund auch vielen europäischen Richtern nachsagen können.

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Nur Gold ist Geld drucken

Es ist schwierig geworden, den Überblick über die unermüdlich auf den Weg gebrachten „Rettungspakete“ für Banken, überschuldete Staaten, vor allem aber die Mutter aller Probleme – den Euro – zu behalten. Täglich neue Katastrophenmeldungen von der Krisenfront haben zudem eine abstumpfende Wirkung. Immerhin ist die Zähigkeit erstaunlich, mit der sich das verquere Projekt einer zum Zwecke der Schaffung eines europäischen Superstaats eingeführten Kunstwährung am Leben erhält. Viele Skeptiker hatten mit einem wesentlich zügigeren Ableben des von den Bürgern ungeliebten Elitenprojekts „Vereinigte Staaten von Europa“ gerechnet. Eine Fehleinschätzung.

Zwar legt die Nomenklatura eine bemerkenswerte Beharrlichkeit im Ignorieren von Wählerwünschen an den Tag (zuletzt der Deutsche Bundestag in Sachen „Rettung spanischer Banken“), doch die Vorstellung, dass es der unheiligen Allianz von Politkommissaren und Bankstern gelingen könnte, das Wirtschafts- und Währungssystem auf Dauer vor dem Kollaps zu bewahren, ist eine bloße Illusion. Wie die russisch-amerikanische Philosophin und Autorin Ayn Rand („Atlas Shrugged“) einst treffend feststellte: „Du kannst die Realität ignorieren, aber du kannst die Konsequenzen dieser Ignoranz nicht ignorieren.“ Grundgesetze der Ökonomie können eben auch von noch so ambitionierten Bürokraten nicht aufgehoben werden. Zum „Triumph des Willens“ ist es – wir erinnern uns – schon einmal, trotz allen heißen Bemühens, nicht gekommen…!

Die in finsteren Niederungen der Unterwelt stattfindenden Machenschaften dilettierender Geldfälscher, die sich – anders als die der Profis in ihren lichtdurchfluteten Notenbanken (planwirtschaftlichen Inflationierungsbehörden) – bevorzugt auf die Produktion kleiner Scheine konzentrieren, sind völlig harmlos. Dagegen übersteigen die von den hoheitlich autorisierten Geldproduzenten seit Ausbruch der Finanzkrise in Form von frisch gedruckten Noten und Krediten ins System gepumpten Geldmengen jede Vorstellungskraft.

Selbst die als solide geltende Schweizer Zentralbank hat (zwecks Verhinderung einer drastischen Aufwertung des Franken) die Geldmenge seit 2008 gewaltig ausgeweitet. Es wäre naiv zu glauben, dass diese Papiergeldinflation nicht früher oder später auch auf die Güter des täglichen Bedarfs durchschlagen und einen allgemeinen Kaufkraftverlust der gesetzlichen Zahlungsmittel bewirken wird. Dann allerdings werden auch Krethi und Plethi begreifen, zu welchen Konsequenzen das staatliche Geldmonopol führt – und dass Regierungen und Zentralbanken, nicht aber private „Spekulanten“, für die Zerrüttung unseres Geldwesens die Verantwortung tragen.

Die Zahl der Möglichkeiten, die Kaufkraft seiner Ersparnisse nachhaltig abzusichern, ist recht überschaubar – speziell dann, wenn in immer kürzer werdenden Abständen unverhüllte Drohungen gegen die Sparer ausgestoßen werden (Stichwort Zwangsanleihen!). Dass diese gefährliche Drohung zuallererst nicht etwa aus dem Dunstkreis von Gewerkschaften und/oder einer ultralinken Partei kam, sondern vom Ökonomen eines „wissenschaftlich“ arbeitenden Wirtschaftsforschungsinstituts ausgestoßen wurde, ist ein schlagender Beweis für den intellektuellen Bankrott der Hauptstromökonomie. Wie weiland Keynes, träumen diese „Experten“ von einer „Euthanasie des Rentiers“ – wobei als Rentier heute bereits gilt, wer mietfrei im eigenen, schuldenfreien Reihenhäuschen lebt. Die brutale Pönalisierung des Kapitalaufbaus kann, da die Größe des Kapitalstocks letztlich alles entscheidet, langfristig keinen anderen Effekt, als den einer kollektiven Verarmung nach sich ziehen.

Wie dem auch sei – „klassische“ Anlagevarianten, wie Sparbücher oder (Staats-)Anleihen sind in Zeiten künstlich niedrig gehaltener Zinsen selbst für den bloßen Kapitalerhalt untauglich. Sie bringen Nettoverluste. Papiergeld, daheim unter der Matratze gelagert, ebenso. Langlaufende Lebensversicherungen bedeuten im Falle einer galoppierenden Inflation schlichtweg Kapitalvernichtung. Immobilien wiederum üben auf den Fiskus – besonders im Fall einer Währungsreform – magische Anziehungskraft aus (man denke an die Ereignisse von 1922 und 1948). Schneller als man „Grundrecht auf Eigentum“ sagen kann, hat man – unter dem frenetischem Applaus der Neidgenossenschaft – auf seiner bis dahin lastenfreien Liegenschaft eine „sozial gerechte“ Zwangshypothek eingetragen. Verbleiben diverse spekulative, hochriskante Anlageformen, die allerdings die Gefahr eines Totalverlustes bergen und für den langfristigen Substanzerhalt daher ungeeignet sind.

Gold ist die einzige Wertanlage

Die Alternative zu alldem liegt auf der Hand: Gold ist stabile, unvergängliche, pure Liquidität – der Inbegriff von Geld. Physisches Gold (am besten in Form von weltweit bekannten Bullionmünzen) ist ein universelles Tauschmittel, dessen Wert nicht vom Gutdünken der Politbüros oder korrupter Zentralbanker bestimmt wird. Gold kann man – anders als Papiergeld – nicht beliebig produzieren. Der Besitz von Gold bedeutet – anders als der von Papiergeld – keine Verbindlichkeiten Dritter. Es verkörpert – anders als Papiergeld – einen inneren Wert – keine bloße Hoffnung und kein möglicherweise uneinlösbares Versprechen.

Eine bewährte Investorenregel besagt, dass es in Krisenzeiten angezeigt ist, seine Bargeldbestände zu erhöhen, um für Eventualitäten (z. B. einen „Bankrun“) gewappnet zu sein. In Zeiten ungedeckten Papiergeldes, wird man daher an physischem Gold als einzig „echtem“ Barmittel als zunehmend wichtigem Teil seiner Vermögenswerte schwer vorbeikommen. Es ist allerdings wichtig, zu verstehen, dass der Besitz physischen Goldes kein „Investment“ bedeutet! Es ist „gehortetes“ Vermögen – eine unzerstörbare Absicherung der Zukunft. Wer investieren will und an die Bedeutung des Goldes glaubt, sollte allenfalls daran denken, Goldminenaktien ins Portfolio zu nehmen. Das aber ist ein anderes Paar Schuhe und hat mit Kaufkraftabsicherung nichts zu tun.

Physisches Gold zahlt keine Zinsen – aber es bietet die Möglichkeit, sich abseits des staatlich zwangverordneten Schuld- und Schwundgeldes – eine Wertbasis zu schaffen, deren Stabilität seit Jahrtausenden erprobt und erwiesen ist. Während noch jedes Papiergeld dieser Welt im Laufe der Zeit drastisch an Wert verloren hat oder völlig gescheitert ist, hat Gold, gemessen an seinem Tauschwert, langfristig keine Einbußen erlitten. So erhält man für eine Unze Gold heute, wie schon vor 2000 Jahren, etwa eine komplette, hochwertige Ausstattung an Herrenbekleidung, oder die nahezu gleiche Menge an Rohöl wie vor 100 Jahren (um zwei beliebige Beispiele zu nennen). Der Papierdollar dagegen hat seit 1913 (dem Jahr der Gründung des FED-Systems) rund 97 Prozent seiner Kaufkraft verloren.

Jemand, der hierzulande regelmäßig einkaufen geht, weiß, dass die „gefühlte Inflation“ von jährlich etwa sieben Prozent, seit Einführung des Esperantogeldes, deutlich näher an der Realität liegt, als die mit allerlei Tricks geschönten Werte der beamteten Desinformanten, die von rund zwei Prozent phantasieren. Mittel- und langfristig gehört man als Papiergeldbesitzer jedenfalls zu den Verlierern…

Zum Abschluss die Einleitung des lesenswerten „Goldreports“ des Goldanalysten der österreichischen „Erstebank“, Ronald Stoeferle, eines im Bankwesen seltenen „Austrians“:

„Das Fundament für neue Allzeithochs ist gelegt. Kurzfristig scheint die Saisonalität für eine weitere Seitwärtstendenz zu sprechen, ab August beginnt jedoch bereits die saisonal beste Phase. Als nächstes 12-Monats-Ziel sehen wir die Marke von USD 2.000. Wir erwarten, dass die parabolische Phase noch bevorsteht. Im Zuge dieser Trendbeschleunigung sollte zumindest unser Langfrist-Ziel von USD 2.300 erreicht werden. Einige historische Vergleiche lassen sogar deutlich höhere Preis-Sphären realistisch erscheinen.“

Zum 122 Seiten umfassenden Goldreport 2012 von Ronald Stoeferle/Erstebank: https://produkte.erstegroup.com/Retail/de/ResearchCenter/Overview/Research_Detail/index.phtml?ID_ENTRY=15345

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Italien 2012: Ein naher Nachbar wirkt seltsam fern drucken

Ein paar italienische Tage im Krisensommer 2012 zeigen ein verändertes Land – mit den selben alten Eigenschaften. Einige kurze Impressionen.

Noch im Vorjahr sind die angeblich oder wirklich kriminellen beziehungsweise erotischen Eskapaden von Silvio Berlusconi scheinbar das einzige Problem des Landes gewesen, wenn man den dortigen Zeitungen glauben durfte. Heute ist alles anders – obwohl die Schuldenquote des Landes nicht höher ist, als sie es schon vor zwei Jahrzehnten war. Aber heute ist im Zug der europäischen Krise das Vertrauen weg. Und dann wird aus dem Normalzustand plötzlich Panik.

Die Medien überbieten sich derzeit täglich mit neuen Schreckensmeldungen. Wie hoch ist heute der „Spread“? Können die Schulen im Herbst noch geöffnet werden? Vorzeitige Neuwahlen? Geht Sizilien als erstes bankrott, für das nicht einmal mehr Ratings erstellt werden? Dann findet sich aber doch wieder eine altvertraute Meldung, die freilich auch viel über die Ursachen der Krise sagt: Die Eisenbahnergewerkschaften streiken.

Wenn man die Stimmung der Menschen zusammenfasst: Depressiv, aber gefasst. Man bekommt in einst überfüllten Lokalen leicht einen Platz. Die extrem hohen Benzinpreise machen klar, warum alle grenznahen Autofahrer in Österreich noch volltanken. Und noch anschaulicher sind die Angebote der Banken: Diese werben groß mit vier Prozent Zinsen, die sie für einjährig gebundenes Geld zu zahlen bereit sind. In Österreich bekommt man nur die Hälfte.

Der Tourismus scheint im Gegensatz zu Griechenland noch halbwegs zu halten, hat es doch in Italien keinerlei ausländerfeindliche Signale gegeben. Bisweilen wird einem sogar mit vielen Dankesworten die Hand gedrückt, weil es als Zeichen der Solidarität aufgefasst wird, dass man auch in Zeiten wie diesen ins Land kommt.

Durch eine in ganz anderem Zusammenhang stehende Maßnahme ist Italien freilich gerade dabei, Touristen zu vertreiben: In vielen Städten wurde nämlich in jüngster Zeit ein Einfahrverbot für „nichtautorisierte“ Fahrzeuge verhängt. Das ist so großflächig angesetzt worden, dass man es keineswegs mit innerstädtischen Fußgängerzonen vergleichen darf. Dadurch werden Besuche vieler schöner Städte des Landes unmöglich oder kräftig erschwert.

Alles ist noch dazu mit totaler Verwirrung und Unklarheit umgeben, ohne dass es irgendeine Hilfe für ortsunkundige Autofahrer gäbe. Sämtliche Stadtpläne, GPS-Hilfen und Wegweiser führen zu Parkplätzen innerhalb dieser verbotenen Zone, wo dann aber ausdrücklich steht, dass man hier nicht parken darf. Erkundigungen, wie man sich da eigentlich als Ausländer richtig verhalten soll, führen zwar zu etlichen langen Gesprächen mit netten Informationsbeamten. Klarheit erhält man aber keine, außer dass man am besten einige Tage vorher anrufen hätte sollen, um registriert zu werden. Zugleich hat sich jede Stadt ein anderes System der Fahrrestriktionen zurechtgelegt. Es gibt nur eine einzige Gemeinsamkeit: totale Unklarheit. Das alles ist mit Sicherheit geeignet, Städtetouristen zu vertreiben – obwohl die eigentlich die bestzahlende Klientel eines Touristenlandes sind.

Die Italiener haben damit wieder einmal ihren Hang zu überbürokratischem und überschießendem Aktionismus demonstriert, der nur zweierlei bewirkt: Chaos und zusätzliche Beschäftigung für viele Beamte, die zu dessen Administration nötig sind.

Freilich ist durchaus möglich, dass auch dieses Fahrverbotssystem nur selektiv ernstgenommen wird, so wie viele andere italienische Regelungen. Denn man bekommt sogar schon komplizierte Tipps, wie man sich an den elektronischen Kontrollen des Fahrverbots vorbeischwindeln kann.

Nicht ernst genommen werden von den italienischen Behörden jedenfalls auch Schengen und alle sonstigen Zuwanderungsrestriktionen Richtung Europa. Noch nie jedenfalls waren – alle besuchten – italienischen Städte so voller Schwarzafrikaner. In großer Zahl trifft man sie in jeder Innenstadt. Sie sind gut gekleidet, aber bis auf einige Schwarzmarkt- und Bettel-Aktivitäten nie in irgendeinen Arbeitsprozess involviert.

Italienische Grandezza mit ihrem Hang, jedes Problem erst dann zur Kenntnis zu nehmen, wenn es zur großen Katastrophe ausgewachsen ist, zusammen mit katholischem Gutmenschentum und linkem Hass auf die Gesellschaft: Mit diesen drei Faktoren hat man wohl am besten die Ursachen der italienischen Probleme angesprochen – gleichgültig, ob es um die Staatsfinanzen oder die illegale Immigration geht.

Und so liebenswert die Italiener auch sind, so ist doch klar: Irgendwann werden ihre Probleme dann immer auch die unseren.

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Bevor Deutschland zu Griechenland wird drucken

In stürmischen Zeiten wie diesen zeigt sich das wahre Gewicht der Souveränität von Kleinstaaten. Es ist gleich Null. Sämtliche Entscheidungen in der europäischen Schuldenkrise laufen völlig an Österreich vorbei. Nicht einmal in den Diskussionen über ein zweifellos gewaltiges Problem ist das Land durch relevante Beiträge präsent gewesen. Dabei stimmt das verbreitete Vorurteil keineswegs, dass die EU-Institutionen ohnedies über die Mitgliedsstaaten drüberfahren würden. Denn in Wahrheit sind in den letzten zweieinhalb Jahren alle wichtigen Entscheidungen nicht in Brüssel, sondern in einem Mitgliedsland, nämlich Deutschland gefallen.

Lediglich in der Sarkozy-Periode hat noch ein zweites Land den Eindruck einer Mitsprache erwecken können. Der Rest war Deutschland. Dort hat 2010 Finanzminister Wolfgang Schäuble als erster die – problematische, aber wirksame – Parole ausgegeben, dass Griechenland nicht fallengelassen werde. Und nur dort werden im Herbst auch die nächsten Entscheidungen fallen.

Die werden in jedem Fall wieder gravierend sein. Nachdem sich die Hilfspolitik gegenüber Griechenland als reine Geldverbrennung erwiesen hat, werden nun die Stimmen immer lauter, das Land an der Ägäis doch fallenzulassen. Wobei es fast gleichgültig ist, ob das nun als Staatsbankrott im Euro oder als Ausscheiden aus dem Euro dargestellt wird.

Während etwa in Österreich selbst die kleinsten Andeutungen einer solchen Möglichkeit durch die Finanzministerin dieser sofort breiten Tadel in Politik und Medien einbringen, wird in Deutschland das Aus für Griechenland in aller Breite und Offenheit diskutiert. Schon an dieser Debatte – von der Politik bis zur Wirtschaftswissenschaft – sieht man das Selbstbewusstsein eines Landes, auf das es eben ankommt.

Warum hat Deutschland eine viel fundiertere Debatte?

Dahinter stehen zweifellos auch Qualitätsunterschiede im politisch-medial-wissenschaftlichen Personal. In Deutschland findet – und hört – man Hunderte Ökonomen, die tiefer analysieren als alle heimischen Experten. In der österreichischen Politik hat außer der Finanzministerin eigentlich niemand auch nur eine Ahnung über alle Aspekte und Zusammenhänge der Finanzkrise. Auch auf Beamtenebene finden in Wien einzig im Finanzministerium (zum Teil halböffentlich) spannende und substanzielle Diskussionen statt. Im Parlament, in Talkshows oder auf Professorenebene gibt es nur billige EU-Apologetik oder ebenso billige Anti-Aggression.

In Deutschland sind es vor allem CSU und FDP, die sich derzeit mutig in Richtung auf ein Aus für Griechenland positionieren. Dabei sind das in der Koalition jene Parteien, die sich bisher häufig duelliert haben, was wiederum Angela Merkel lange ermöglicht hat, den ruhenden und souveränen Pol zu spielen. Aber beide Parteien spüren jetzt offenbar stärker als Merkel oder Schäuble, wie unpopulär die Rettungspolitik ist. Und sie sehen daher angesichts schlechter Umfragen eine Profilierungschance.

Verdrängung ist ein Wert aus Österreich

Die deutsche Eskalation in Sachen Mut ist aber zweifellos auch durch die – erste – Verschlechterung des deutschen Ratings ausgelöst worden. Die Ratingagentur hat dabei im Grund jedoch nur logisch gehandelt: Wenn all die Haftungen schlagend werden, die Deutschland schon eingegangen ist beziehungsweise noch eingehen wird (sofern das deutsche Verfassungsgericht den „Rettungsschirm“ ESM erlaubt), und wenn der Großteil des verliehenen Geldes nie zurückgezahlt wird, dann ist auch Deutschland de facto pleite. Es gibt wenig Zweifel, dass diese Wenns von Monat zu Monat an Wahrscheinlichkeit zunehmen.

Dagegen verliert der Merkel-Spruch, dass die Hilfspolitik alternativlos wäre, rasch an Überzeugungskraft. Wenn das Ergebnis ihrer alternativlosen Politik ist, dass aus Deutschland Griechenland wird – und nicht wie versprochen umgekehrt –, dann wäre jede andere Alternative besser.

Das gilt natürlich genauso auch für Österreich. Nur wird das hier von keinem großen Medium, von keinem Minister, von keinem staatstragenden Ökonomen so artikuliert und analysiert. Die Österreicher feiern offenbar lieber so wie 1914 den wenn auch verregneten Sommer, während ringsum alles ins Zusammenbrechen kommt. Verdrängung ist ein Wert aus Österreich.

In Deutschland hingegen ist die Debatte so hart, dass auch schon manche von vorzeitigen Neuwahlen reden. Was natürlich der absolut falsche Weg wäre. Denn Neuwahlen lösen die Krise nicht, sondern machen nur jede Entscheidung noch schwieriger, wie Griechenland gezeigt hat.

Die anderen Schuldenstaaten schauen genau auf Griechenland

Eigentlich braucht es längst keine Debatte und kein Nachdenken mehr, ob man weiteres Geld nach Griechenland schicken oder ob man diesmal Nein sagen sollte. Denn: Auch wenn der Bericht der sogenannten Troika (EU, EZB, IWF) über die Hellenen noch aussteht, ist inhaltlich das Ergebnis völlig klar. Griechenland hat wieder nicht die versprochenen Reformen umgesetzt. Um das zu erkennen, muss man nur die Beschlüsse von Regierung und Parlament in Athen beobachten. Wenn die Troika keine Halluzinationen hat, kann auch sie nur zu einem negativen Urteil kommen.

Mit anderen Worten: Wenn Deutschland, wenn Europa wenigstens halbwegs glaubwürdig bleiben wollen, dann müssen sie jetzt einfach ihre Ankündigungen einhalten. Die haben Hunderte Male klar gelautet: Keine Reformen, kein Geld.

Bei dieser Glaubwürdigkeit geht es keineswegs nur um einen abstrakten Wert, um eine wählerwirksame Tugendbolderei. Es geht vor allem um die Beispielswirkung. Denn wenn Griechenland noch einmal mit seinen Schmähs durchkommen sollte, dann hat das verheerende Konsequenzen in vielen anderen Ländern. In Italien und Spanien werden die Gewerkschaften noch viel heftiger gegen die Sparversuche der jeweiligen Regierungen kämpfen. Und auch Portugal wie Irland werden ihre Sparanstrengungen einstellen, wenn aus Berlin und Brüssel das Signal kommt, der – scheinbar – reiche Onkel zahle ohnedies weiterhin alle ungedeckten Schecks. Dabei haben diese beiden Krisenländer zumindest bisher recht ordentlich ihre zugesagte Sanierungspolitik umgesetzt, sind aber noch lange nicht am rettenden Ufer.

Das Dilemma der Angela Merkel

Der Kein-Geld-mehr-für-Griechenland-Mut von CSU und FDP wird aber auch in Deutschland keineswegs von allen geteilt. Rot und Grün treten mit Ausnahme von Exminister Steinbrück ständig für weitere Hilfen ein; die beiden Parteien haben sogar große Sympathien für Eurobonds und andere Formen einer fortgesetzten Schuldenübernahme.

Und Angela Merkel ist völlig verunsichert. Sie weiß: Wenn sie diesmal konsequent bleibt, werden von Helmut Kohl bis zu den vielen linken Medien, von der Brüsseler Kommission bis zu einer Vielzahl ausländischer Regierungen alle über sie herfallen und sie als Mörderin Europas geißeln, samt den üblichen Anspielungen auf die deutsche Kriegsschuld. Diese Rolle ist halt so gar nicht nach Merkels Charakter. Sie weiß aber auch, dass die gegenwärtige Stabilität selbst in Deutschland durch heftige ökonomische Turbulenzen bedroht ist, wenn wirklich ein erster EU-Staat fallengelassen wird. Das wird einen unberechenbaren Tsunami auslösen. Einen sanften Krisenausklang kann es nämlich gar nicht mehr geben.

Merkel ist vor allem in Hinblick auf die deutsche Volksseele unsicher: Werden ihre Landsleute begreifen, dass die bei einem Nein zu weiteren Griechenland-Geldern ausbrechenden Turbulenzen harmlos sind gegen das, was droht, wenn man noch einmal nachgegeben hätte? Wähler denken oft nicht über die Alternativen zu einer unangenehmen Entscheidung nach. Sie reagieren einfach empört, wenn ihnen die in jedem Fall unvermeidliche Rechnung präsentiert wird. Auch wenn sie ein paar Wochen davor noch ganz anders gedacht und nach einem Aus für die Griechenland-Hilfe gerufen haben.

Schmerzfreie Alternativen wird aber auch Merkel keine mehr finden. Dazu ist in Europa und in fast jedem einzelnen Land schon viel zu viel schief gelaufen.

Die Wagenknecht-Illusion

Eine schmerzfreie Alternative stellen auch die jüngsten Ideen der linken Sahra Wagenknecht nicht dar, auch wenn diese derzeit in Deutschland weithin als eine liberale Wende der Salonkommunistin gefeiert werden. Wagenknecht verlangt nämlich eine Ende der ständigen Rettung von Staaten und Banken. Das ist sicher richtig und ein klares liberales Prinzip. Alle anderen linken Politiker haben in den letzten Jahren hingegen ständig nach immer noch mehr „Solidarität“, also teuren Rettungsaktionen gerufen.

Wagenknecht schlägt aber zugleich vieles sehr Problematische vor. Sie will, dass den Staaten sofort alle 60 Prozent des BIP übersteigenden Schulden gestrichen werden. Und sie will auch, dass sich die Staaten künftig gleich direkt bei der Europäischen Zentralbank finanzieren können. Das wäre eine endgültige Katastrophe. Dann wäre jede Bremse für die Geldverbrennung durch die Regierungen beendet. Dann könnte niemand mehr darüber entscheiden, welches Land noch kreditwürdig scheint und welches nicht. Dann hätten die Staaten zugleich die Kontrolle über praktisch alle Banken.

Denn die wären alle bankrott, wenn kein Staat mehr Anleihen zurückzahlen würde (Sind doch fast alle Euro-Staaten mit mehr als 60 Prozent verschuldet). Mit einem Bankencrash wären natürlich auch die dort liegenden privaten Vermögen kaputt, die über eine Mindestsicherung hinausgehen. Nach einer Verstaatlichung der Banken würden Politiker bei der privaten Kreditvergabe heftig mitentscheiden. So wie sie es jahrzehntelang in Kärnten und bei fast allen anderen Landesbanken oder bei den einstigen Staatsbanken getan haben. Mit katastrophalen Folgen.

Aber dennoch zeigt die Wagenknecht-Diskussion eines: In Deutschland wird von allen Seiten wenigstens heftig diskutiert und nachgedacht. Worauf Österreich konsequent verzichtet.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Raffiniert, wie sie die Krise nutzen drucken

Manche hatten gemeint, in Zeiten der Krise und wachsenden Arbeitslosigkeit würden die Dämme gegen die Zuwanderung erhöht werden. Wahr ist das Gegenteil.

Die EU hat nun durchgesetzt, dass Asylwerber (auch ohne Asyl) jedenfalls schon nach neun Monaten arbeiten können. Lediglich Deutschland hat gegen diesen Beschluss Widerstand zu leisten versucht, Österreich nicht. Diese Arbeitsmöglichkeit wird natürlich von später abgewiesenen Asylwerbern und ihren Hilfstruppen als Argument verwendet werden, warum man dann zumindest einen "humanitären" Aufenthaltstitel zuerkennen müsse.

Der neue französische Innenminister kündigt gleichzeitig sogar eine radikale Liberalisierung der Einwanderungs- und Einbürgerungspolitik seines Landes an, auch zugunsten der sogenannten Illegalen. Was natürlich nicht nur für Frankreich, sondern den ganzen EU- und Schengenraum Auswirkungen haben wird.

Die Öffnung Frankreichs für weitgehend freie Zuwanderung ist aber auch deshalb pikant, weil im Land des Präsidenten Hollande gerade die Arbeitslosigkeit explodiert. Ein Industriebetrieb nach dem anderen kündigt an, Tausende Arbeitsplätze zusperren zu müssen. Was einerseits eine Folge der Krise ist und auch die Nachholung im Wahlkampf zurückgehaltener Abbaumaßnahmen bedeutet.

Die industrielle Sperrstunde ist aber andererseits auch eindeutig eine Konsequenz der investorenfeindlichen Politik der Sozialisten. Wenn jeder Unternehmer zum Feind wird, wenn die Steuern konfiskatorisch sind, wenn die Arbeitskräfte zu teuer werden, wenn die Staatsverschuldung zugunsten neuer Wohlfahrtsmaßnahmen explodiert, drängen sich die Menschen halt nicht, in einem solchen Land ihr Geld zu investieren. Das ist zwar logisch, für Linke aber immer wieder überraschend. Oder glauben sie in ihrer Einfalt gar, Illegale und Asylwerber würden die nötigen Investitionen oder zumindest Qualifikationen ins Land bringen?

Für jene, die sich noch um die kulturelle und ethnische Identität Europas sorgen, ist das alles ziemlich schockierend. Nicht nur, dass die Krise und die rasche Zunahme der Arbeitslosigkeit die Immigrationsindustrie keineswegs einbremsen. die Krise wird auch ganz offensichtlich zur Tarnung verwendet: Wenn die Menschen andere große Sorgen haben, kann man sie viel leichter vor vollendete Tatsachen herstellen.

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Die Faustregel drucken

Wie einst in Delphi Pythia
sind heute Agenturen da,
die Zukunft zu erraten –
und wenn der Pleitegeier ruft,
wird eben flott herabgestuft,
ob Banken oder Staaten.

Italien betraf’s zuletzt,
und manche fragen nun entsetzt:
Wie konnte das passieren,
denn sorgt dort nicht seit letztem Jahr
als Goldmann-Sachsen-Kommissar
der Monti für Manieren?

Doch seht nur, gar nix ist passiert:
Die Kurse hat es nicht tangiert,
und Großkredit gibt’s weiter,
sind Investoren ja perfekt
durch Schirme aller Art gedeckt –
da bleibt man froh und heiter!

Alsbald schon winkt noch mehr an Glück,
denn Berlusconi kehrt zurück,
wie Meldungen besagen:
Gebräunt, verschlankt und durchtrainiert,
so quasi generalsaniert,
will er es nochmals wagen.

Auf dass sie besser sich verkauft,
hat die Partei er umgetauft,
der Adler wird zum Wappen,
und mit genügend Rauch und Schall,
wie altbewährt auf jeden Fall,
könnt’s wirklich wieder klappen.

Wer Sieger wird das nächste Mal,
ist aber ohnehin egal –
wie überall bei Wahlen,
denn nach dem kurzen Gaudium
ist stets das Volk genauso dumm,
und muss die Zeche zahlen…

Pannonicus

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Die Kuschelökonomie drucken

Im Grund ist alles Psychologie. Das wissen Börseprofis. Sie versuchen bei jeder kleinen Nachricht zu ahnen, wie die anderen – der „Markt“ – reagieren werden, und handeln dementsprechend.

Auch in der Erziehung ist die eigene psychologische Glaubwürdigkeit zentral. Wenn Eltern Kindern ständig etwas androhen (à la: „Dann darfst du nicht fernsehen“), das aber aus Angst vor einem Konflikt nie realisieren, dann verlieren sie jede Glaubwürdigkeit. Sie ernten im Lauf der Zeit die Verachtung ihrer Kinder und das Risiko viel ärgerer Konflikte. Die Kuschelpädagogik der 68er Generation ist aus diesem Grund gescheitert.

Nur die europäische Politik handelt noch nach deren Regeln, vor allem rund um den Euro. Sie hat damit die eigene Glaubwürdigkeit verspielt. Statt konsequent zu sein, hat sie sich lächerlich gemacht.

Sie hat aus Weichheit Länder in den Euro aufgenommen, welche die eindeutigen Aufnahmekriterien bei weitem verfehlt haben. Es gab nie Konsequenzen gegen jene Staaten, die dann nach Einführung des Euro die Regeln verletzt haben. Es gab keinerlei Strafmaßnahmen wegen betrügerischer Manipulationen volkswirtschaftlicher Daten; Kommissionspräsident Barroso ist noch immer im Amt, der die Griechen 2004 in aller südländischen Grandezza von diesem (vielleicht sogar mit Wissen Brüssels passierten!) Betrug pardoniert hat. Europa hat die hoch und heilig auf höchster EU-Verfassungsebene einbetonierte No-Bailout-Regel gebrochen und entsorgt (also das Verbot, andere EU-Länder aus einer Pleite herauszuboxen). Griechenland hat jedes Mal die detailliertesten Reformzusagen gebrochen und dennoch jedes Mal nach einigem Zetern immer das benötigte Geld bekommen.

Wer soll heute noch diese EU, diese EZB ernst nehmen? Auch die Griechen tun das nicht. Sie haben nur solange ernsthaft gespart, als sie mit einer Pleite rechnen mussten. Sobald die ersten Hilfsgelder da waren, tun sie nur noch so als ob. Was aber noch schlimmer ist: Die mangelnde Konsequenz gegen Griechenland wirkt sich auch in allen anderen Ländern aus. Niemand nimmt Drohungen aus Brüssel weiter ernst. Man beklagt zwar wie ein professioneller Friedhofsredner tränendrüsendrückend ein „Zu Tode sparen“, aber dennoch gibt es auch heute nur ein einziges EU-Land, das weniger ausgibt, als es einnimmt. Das ist Estland . . .

Aber man würde doch das große „Friedensprojekt Europa“ gefährden, so heißt es von den Fans dieser Kuschelökonomie, wäre man wirklich konsequent! Deshalb sei der „Vorrang der Politik“ über alle Ökonomie so wichtig! Wahr ist freilich das Gegenteil. Zwar hat man sich – wie Eltern, die dann halt doch immer das Fernsehen erlauben, – kurzfristig einen Konflikt erspart. Langfristig wird es dafür umso sichererer umso größere Konflikte geben.

Hätte man die Griechen 2000 nicht in den Euro gelassen oder sie seit 2010 nicht durchgefüttert, hätten sie selbstverantwortlich handeln müssen. Jetzt aber sind an jedem Übel in Griechenland die Deutschen schuld und an allen deutschen Problemen die Griechen. Hass ist nie gut für den Frieden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer drucken

Mein Aufsatz "Der vierte Juli: Nicht nur in den USA ein denkwürdiges Datum" bestand zum Großteil aus Zitaten von Denkern und Staatsmännern, die zu der kläglichen Situation passten, in der sich die Staatsfinanzen zahlreicher Mitglieder der EU, sowie der USA und Japans seit vielen Jahren befinden.

An den Beginn dieses Beitrags möchte ich wieder ein Zitat stellen – und zwar eines des amerikanischen Naturforschers und Philosophen Edward Abbey (1927 – 1989): „Wenn du dich weigerst, ungerechte Steuern zu bezahlen, wird dein Eigentum konfisziert. Wenn du versuchst, dein Eigentum zu verteidigen, wirst du festgenommen. Wenn du dich der Festnahme widersetzt, wirst du niedergeknüppelt. Wenn du dich dagegen wehrst, wirst du erschossen. Diese Maßnahmen sind bekannt als Rechtsstaatlichkeit.“

In wenigen Zeilen räumt Abbey rigoros mit der Illusion auf, dass es so etwas wie einen „Rechtsstaat“ geben könnte. Denn wahr ist: es gab nie einen, es gibt keinen und es wird wohl auch nie einen geben. Jede Tugend, die uns liebende und verantwortungsbewusste Eltern einst vorgelebt haben – Ehrlichkeit, Sparsamkeit, Bescheidenheit, Gewaltverzicht, um nur ein paar Beispiele zu nennen – sie alle sind dem Staat unbekannt. Die jedem Privaten verbotene Verletzung von Rechten Dritter bildet vielmehr seine Geschäftsgrundlage.

Kein Staat ist je ohne den Bruch von Individualrechten, also ohne Betrug, Raub, (Massen-) Mord und Totschlag entstanden. Die systematische Missachtung allgemein gültiger Rechtsnormen durch den Staat wird am von Abbey im obigen Zitat angesprochenen „Nichtaggressionsprinzip“ besonders deutlich. Wir alle haben schon als Kinder gelernt, niemals Gewalt gegen Dritte zu initiieren. Außer im Notwehrfall ist Gewaltanwendung in einer zivilisierten Gesellschaft grundsätzlich unzulässig. Niemals hätten unsere Eltern es uns durchgehen lassen, hätten wir anderen Kindern in der Sandkiste deren Spielzeug weggenommen – nur weil wir gerade die Stärkeren waren.

Der Fiskus dagegen hat keinerlei Skrupel, seinen gesamten Zwangs- und Gewaltapparat gegen jene rechtschaffenen, aber wehrlosen Bürger in Marsch zu setzen, deren einziges „Verbrechen“ darin besteht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum behalten zu wollen. Wer das nicht glaubt, versuche einmal, seine Schutzgeldzahlungen an den Staat zu verweigern! Schneller als man „Rechtsstaat“ sagen kann, wird man es mit recht robusten Amtshandlungen zu tun bekommen. Damit wird in flagranter Weise jenes Nichtaggressionsprinzip verletzt, das für jedermann gilt – außer für den Staat.

Und als ob das allein nicht schon schlimm genug wäre, fügt das „kälteste aller kalten Ungeheuer“ dem Unrecht auch noch den blanken Hohn hinzu! Kehren wir zu unserem Sandkasten zurück und nehmen wir an, die dort spielenden Kinder würden – in Abwesenheit ihrer Eltern – einen aus ihrer Mitte (vermutlich den Größten und Stärksten) – zum Streitschlichter küren. Immer dann, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Spielenden kommt, soll er – einem Fußballschiedsrichter gleich – auf der Stelle und ohne weitere Diskussion entscheiden. Das klingt so lange nach einer guten Idee, so lange die Urteile dieses Streitschlichters nicht auch jene Fälle betreffen, in die er selbst als Partei involviert ist. Jedem Kind wäre sofort instinktiv klar, dass dann wohl keine gerechten Urteile zu erwarten wären.

Vertraue keinen Richtern und Beamten

Liegt man indessen als Bürger mit „Big Brother“ im Streit - dann entscheidet in letzter Instanz - der große Bruder selbst. Genial, nicht wahr? Das ist gerade so, als ob man bei einem Großbetrieb eine Ware gekauft hat und – nachdem man an dieser einen Mangel feststellen musste – von der betriebseigenen Reklamationsabteilung an die betriebseigene Rechtsabteilung verwiesen wird, die letztlich endgültig über die Rechtmäßigkeit der Kundenforderung befindet.

Kein Konsument wird sich das bieten lassen! Zurück zur Sandkiste: Der von den Kindern gewählte Streitschlichter kann diesen nicht nur ihre Spielsachen entwenden – er ist ja schließlich allen anderen an Kraft überlegen – sondern danach auch noch darüber befinden, ob das in Ordnung ist oder nicht. Verrückt, nicht wahr? Der Staat hat es verstanden (der unermüdlichen Wühlarbeit ganzer Zehntausendschaften von staatsbesoldeten Intellektuellen, Lehrern und einer durch Rundfunkmonopol, Presseförderung und Inseratenkampagnen korrumpierten Journaille sei Dank!), uns diesen Irrsinn als die normalste und gerechteste Sache der Welt zu verkaufen.

Die von Montesquieu „erfundene“ Gewaltenteilung entpuppt sich denn als schieres Trugbild. Die drei Gewalten, Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz, werden schließlich von Menschen verkörpert, die allesamt für dieselbe „Firma“ arbeiten. Von wegen „Gewaltenteilung“. Als Steuerkonsumenten leben sie von dem Geld, das der Staat – dank seines Vorrechts, Tribute zu erheben (ohne dass er den Zahlern dafür konkrete Leistungen schuldet!) – den nicht beamteten Bürgern abnimmt.

Das macht sie zu deren natürlichen Gegnern. Die Loyalität der beamteten Nettoprofiteure gilt einzig und uneingeschränkt dem Leviathan – nicht etwa den Financiers ihrer privilegierten Positionen.

Wenn also ein mit einer Behörde im Streit liegender Bürger sich von der Justiz Gerechtigkeit erwartet, dann gleicht er dem oben beschriebenen Konsumenten, über dessen allfälligen Schadenersatzanspruch die firmeneigene Rechtsabteilung zu befinden hat. Das Sprichwort besagt: „Wes´ Brot ich ess´, des´ Lied ich sing´!“ Was auch immer der Bürger von der Justiz erwarten kann, wird wenig mit Gerechtigkeit, dafür aber viel mit Macht zu tun haben…

Zentralismus verschlimmert die Lage noch

Nun ist es eine altbekannte Tatsache, dass politische Einheiten mit wachsender Größe zu immer stärkerer Zentralisation und Machtakkumulation tendieren. Die USA bilden ein wunderbares Beispiel dafür. Die ehrwürdigen Gründerväter, die meinten, ein wasserdichtes System von Checks and Balances geschaffen zu haben, würden ihr sympathisches, filigranes Geschöpf von damals heute nicht wieder erkennen. Aus dem einst unscheinbaren Zentrum einer losen Föderation unabhängiger Staaten ist eine alles kontrollierende Kommandozentrale geworden.

Besonders seit der Einführung bundesweiter Steuern und der Installation einer auf den Namen FED-System hörenden Inflationierungsbehörde im Jahre 1913, hat sich Washington rasant in die Richtung einer modernen Version des Versailles´ Ludwigs XIV. entwickelt. Washington rules – der Rest (von der New Yorker Wallstreet abgesehen) ist unbedeutende Provinz. Und nie zuvor werden die Bürgerrechte durch einen alle Lebensbereiche wie ein Krebsgeschwür durchdringenden Staat stärker eingeengt als heute.

Die USA, die in vieler Hinsicht dennoch immer noch deutlich mehr an Freiheit bieten als die lupenrein sozialistische Alte Welt, bilden im Hinblick auf ihre Zentralisierung die Blaupause für die Eliten der EU. Denn weniger als „Die Vereinigten Staaten von Europa“ darf es nicht sein – und wenn es die Restbestände von Freiheit in Europa und den letzten Cent der Deutschen, Holländer und Österreicher kostet!

Leider liegt das Fremdbestimmungsniveau, von dem aus dieses ebenso größenwahnsinnige wie bürgerfeindliche Projekt startet, ungleich höher als jenseits des Atlantiks – was dann besonders deutlich wird, wenn man die durchschnittlichen Abgabenlasten miteinander vergleicht (die in der EU im Schnitt um rund zehn Prozent höher liegen als in den USA). Der europide Überwachungs- und Regulierungsirrsinn, der mittlerweile nicht einmal mehr vor Bargeldtransaktionen, Essgewohnheiten und Kellerbeleuchtungen Halt macht (wir werden auch noch erleben, dass Neugeborene – Haustieren gleich – gechipt werden!), hat eben seinen Preis.

Die EU ist das schlimmste Ungeheuer

Bleibt die Hoffnung, dass dieser Spuk an „imperialer Überdehnung“ zerbricht, ehe er verwirklicht werden kann - wofür es täglich deutlichere Signale gibt. Der schriller werdende Ton und der immer hysterischere Aktionismus der Nomenklatura lässt sich durchaus als Untergangsindikator deuten…

Dieser Tage blickt alle Welt nach Karlsruhe, wo das deutsche Bundesverfassungsgericht über Klagen gegen den ESM zu entscheiden hat, der geeignet ist, Generationen von Bundesbürgern in die Schuldknechtschaft zu zwingen. Viel hängt von diesem Urteil ab. Die Richter haben es in der Hand, den Nachweis der faktischen Existenz einer „Gewaltenteilung“ in Deutschland zu erbringen. Allerdings: Es handelt sich auch bei ihnen um Staatsschranzen. Alles andere als ihr Einknicken vor der hohen Politik und der Masse der veröffentlichten Meinung wäre ein Wunder…

Kommen wir zur Überschrift dieses Beitrags zurück und setzen sie mit Nietzsches eigenen Worten (aus Also spracht Zarathustra, seinem „Buch für alle und keinen“) fort: „Staat heißt das kälteste aller Ungeheuer. Kalt lügt es auch, und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: Ich, der Staat, bin das Volk.“

Stimmt! Der Staat, der sich des Territoriums unseres Vaterlandes bemächtigt hat, hat mit seinem Volk gar nichts am Hut, was über dessen Rolle als Steuerlieferant hinausgeht. Weniger noch als „der Staat“ (oder besser: seine Repräsentanten) kümmert sich die Zentralbürokratie der EU um das „europäische Volk“.

Das „kälteste aller kalten Ungeheuer“ wäre für Nietzsche heute sicher nicht mehr der Staat, sondern jenes ungeheuerliche Kunstgebilde, das es nach dem Willen seiner jeder Bodenhaftung verlustig gegangenen Politeliten erst zu erschaffen gilt.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Amokläufer drucken

Schon wieder ist es wo geschehn,
und alle kriegten’s prompt zu sehn,
zur Not auch bloß zu lesen –
man zeigt dann jeweils sich schockiert,
die Politik, sie kondoliert,
man bastelt Hypothesen.

Und falls sich nichts vom Schützenfest
als rechtsextrem enttarnen lässt,
hat stets die Psycho-Gilde
zur Deutung der fatalen Tat
Realitätsverlust parat –
so sind selbst wir im Bilde.

Tja, leider geht gar manches schief,
denn Wirklichkeit ist relativ,
wie Platon schon erklärte,
wird doch im Hirn sie konstruiert,
und dieses eben produziert
nicht selten das Verkehrte!

Ist’s aber Wirklichkeitsverlust –
ist nicht vielmehr Vernichtungslust,
was Schreibtischtäter treiben,
die Schulden tilgen auf Kredit
und die für ewges Defizit
Verträge unterschreiben?

Es ist ein Amoklauf fürwahr,
das wird allmählich vielen klar,
die laut zwar drüber fluchen,
indes trotz allem immer noch
die Rettung aus dem schwarzen Loch
in falscher Hoffnung suchen!

Die Bürger sind halt zu bequem,
und erst das Existenzproblem
vermöchte wachzurütteln –
doch sind dann Chancen längst vorbei,
die selbstgewählte Tyrannei
gewaltlos abzuschütteln…

Pannonicus 

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Was blieb eigentlich vom Jahr 2011? drucken

Zwei bundespolitische Themen des Jahres 2011 werden in die Geschichtsbücher eingehen: der Tod der Hauptschule und der Komplex Schuldenbremse/Stabilitätskrise. Der Rest waren Affären, Personalia und – keine Wahlen. Ein Rückblick auf ein Jahr scheinbar ohne Eigenschaften.

Im Tod der Hauptschule sehen viele Schulpraktiker eine Katastrophe. Er erfolgte ohne Evaluierung der vielen Schulversuche, die Aufschluss über die an ihre Stelle tretende Gesamtschule hätten geben sollen. Eines jedoch weiß man: In den unterschiedlichen Klassenzügen der Hauptschule gab es eine viel bessere Differenzierung zwischen guten und schwachen Schülern. Der erste Zug war völlig gleichwertig mit dem Gymnasium. Was nach Angaben vieler Gymnasiallehrer bei Absolventen der Gesamtschulen nicht mehr der Fall ist. Denn dort gibt es nur eine „innere“ Differenzierung. Gute wie schwache Schüler werden gemeinsam unterrichtet. Die ÖVP stimmte aber dennoch der Abschaffung der Hauptschule zu. Sie wollte im Gegenzug das achtjährige Gymnasium retten.

Zwar schraubte die SPÖ ihre Attacken auf das Gymnasium in der Tat etwas zurück. Dafür startete der Altsozialdemokrat Hannes Androsch ein Volksbegehren, das die Unterstufe der Gymnasien durch eine zwangsweise Gesamtschule ersetzen will. Trotz großen Geldeinsatzes und der Sympathie vieler Medien landete dieses Volksbegehren aber nur an 17. Stelle der Rangliste der diversen Begehren. Auch Umfragen zeigen große Unterstützung für ein differenziertes Schulsystem.

Mindestens ebenso wichtig war 2011 die Entwicklung an der Schuldenfront. Trotz klarer EU-Vorgaben scheiterte der Versuch der Regierung, die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern. Keine Oppositionspartei verhalf ihr zur nötigen Zweidrittelmehrheit, obwohl alle drei ständig die steigende Staatsverschuldung kritisieren.

Ohne Verfassungsrang hat eine Schuldenbremse jedoch wenig Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig stiegen 2011 die von Österreich zu zahlenden Kreditzinsen steil an und waren zeitweise doppelt so hoch wie jene Deutschlands. Überdies nahm eine große Ratingagentur der Alpenrepublik das begehrte AAA und gab ihr auch für die Zukunft einen negativen Ausblick. Die positive Finanznachricht kam erst im Nachhinein: Österreich hatte dank unerwartet hoher Steuereinnahmen erstmals wieder die Maastrichtgrenze für das Staatsdefizit von drei Prozent des BIP unterschritten. Die Republik hat damit ein geringeres Defizit als die meisten anderen EU-Staaten. In Sachen Arbeitslosigkeit ist sie überhaupt europäischer Vorzugsschüler.

Finanzpolitisch viel folgenträchtiger sind aber die schweren Krisen in Italien, Griechenland oder Spanien. Zu deren Bekämpfung begann die Europäischen Zentralbank in Billionendimension Geld zu drucken. Und die EU beschloss den problematischen Stabilitätsmechanismus ESM. Dieser belastet die Republik sofort mit weiteren fünf Milliarden Euro und langfristig mit überhaupt nicht absehbaren weiteren Risken. Damit wurden die noch relativ stabilen Länder wie Österreich oder Deutschland unauflöslich an die südlichen Krisenstaaten gekettet. Was mit hoher Wahrscheinlichkeit langfristig zur Inflation führen muss.

Was besonders bestürzend war: Es gab hierzulande zum Unterschied von Deutschland weder in Medien noch unter Ökonomen eine ernsthafte und tiefgehende Debatte über diesen ESM. Zwar versuchten FPÖ und BZÖ, heftig dagegen Stimmung zu machen. Da ihnen aber in Wirtschaftsfragen Kompetenz und Glaubwürdigkeit, aber auch Alternativen fehlen, fanden sie kein Echo.

Hinter diesen beiden Themen reduzierte sich der Rest des Jahres auf Alltag. Dazu zählte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu diversen Korruptionsfällen. Schon in der Vergangenheit hat sich aber die Parallelität von parlamentarischen und staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen zum gleichen Thema als kontraproduktiv erwiesen. Solche Ausschüsse dienen nur zu Grabenkämpfen der Parteien und nicht zu einer echten Verbesserung oder Kontrolle.

Völlig verblasst ist die monatelange Aufregung um das SPÖ-Verlangen, die Wehrpflicht abzuschaffen. Die SPÖ hat damit nicht nur ihre bisherige Politik total desavouiert, sondern auch den eigenen Bundespräsidenten. Dieser stellte sich – zum ersten Mal in seiner Karriere – gegen den Kurs seiner Partei. Noch peinlicher für SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos war der mutige Widerstand des Generalstabschefs Edmund Entacher, eines weiteren Sozialdemokraten. Dieser verteidigte unter Berufung auf die Verfassung den Präsenzdienst. Er wurde deshalb unter fadenscheinigen Vorwänden im Jänner 2011 suspendiert. Im November musste ihn dann aber der blamierte Verteidigungsminister auf Beschluss einer Berufungskommission wieder einsetzen.

Darabos blieb nur deshalb im Amt, weil der Job des Verteidigungsministers so ziemlich der unbeliebteste in seiner Partei ist. Zugleich setzte er munter das Aushungern des Bundesheers fort, das schon den Umfang einer teilweisen Abrüstung annahm. Während das Heer durch die Sparpolitik besonders getroffen wurde, rettete Darabos ausgerechnet seine zweite Kompetenz, den Sport, vor allen Sparmaßnahmen. Was ein eigentümliches Licht auf die Prioritäten der Regierung warf. Um das Berufsheer selber wurde es aber wieder still. Es hat sich trotz heftiger Unterstützung durch die Kronenzeitung nicht als so populär entpuppt wie erhofft.

Wie jedes Jahr kam es auch 2011 zu einer Reihe von Änderungen des politischen Personals. Hierzu zählt etwa der Rücktritt des Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmanns Herbert Sausgruber, eines altgedienten Verfechters des Föderalismus gegen alle Einsparungs- und Vereinheitlichungspläne des Bundes. Das wird aber auch wohl sein Nachfolger Markus Wallner sein.

Die wichtigste personelle Veränderung war der Abschied von Josef Pröll als ÖVP-Chef, Vizekanzler und Finanzminister. Ihm folgte sein niederösterreichischer Landsmann Michael Spindelegger. Finanzministerin wurde die Oberösterreicherin Maria Fekter. Prölls Rücktritt wurde durch einen Lungeninfarkt ausgelöst. Alle anderslautenden Gerüchte, die sich um den Rücktritt rankten, konnten nie verifiziert werden. Jedenfalls war Pröll einerseits an Skandalen in den eigenen Reihen, wie auch an der allgemeinen Reformunwilligkeit gescheitert: Er stieß beim eigenen Onkel in Sankt Pölten auf eine Betonmauer und beim Koalitionspartner Werner Faymann auf noch effizienteren Schaumgummi-Widerstand.

Nachfolger Spindelegger konnte den deutlichen Rückgang der Wählersympathie für die ÖVP nicht mehr rückgängig machen. Er hat zwar ein besseres Gespür für die konservativen und wirtschaftsliberalen Stammwähler als Pröll, der nach starkem Beginn viele Wähler Richtung FPÖ verloren hatte. Spindelegger liegt aber rhetorisch wie auch in Sachen Charisma deutlich hinter seinem Vorgänger zurück. Und er hat ebensowenig ein Rezept gegen die Gummitaktik Faymanns.

Auch Spindeleggers Personalrevirements waren bestenfalls ambivalent. Fekter war im Innenministerium sicher besser am Platz als nun im Finanzressort. Im Justizministerium wurde eine schwache Ministerin durch eine ebenso schwache ersetzt. Beide bekamen die von sozialdemokratischen Netzwerken durchsetzte Staatsanwaltschaft nicht in den Griff, die gegen die halbe Republik Erhebungen startete (aber fast keine zu einem Abschluss brachte), und die ständig jene Aktenteile rechtswidrig an Medien weitergab, die Politiker rechts der Mitte zu belasten schienen.

Sehr gut kamen hingegen der von Spindelegger geholte älteste Minister (Wissenschaftsminister Töchterle) und der jüngste Staatssekretär an, obwohl Sebastian Kurz anfangs von den Medien sehr untergriffig attackiert worden ist. Beide begingen keine großen Fehler, kämpften glaubwürdig für ihre Ziele und schafften im Umgang mit der Öffentlichkeit einen natürlichen Ton. Was in der politischen Landschaft schon eine halbe Sensation ist.

Im ÖAAB folgte auf Spindelegger die ebenfalls aus Niederösterreich stammende neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, was in der Steiermark für etlichen Ärger sorgte. Außerhalb der ÖVP löste Mikl-Leitner freilich eher mit deplatzierten Klassenkampftönen Kopfschütteln aus: Sie rief den Gutverdienenden zu: „Her mit dem Zaster“. Was bei bürgerlichen Wählern nicht gerade Begeisterung auslöste – sowohl des Tones wie des Inhalts wegen. Hat doch Spindelegger zu diesem Zeitpunkt noch vehement gegen höhere Steuern gekämpft.

Viele Schlagzeilen machte der wohl endgültige Rückzug von Wolfgang Schüssel aus der Politik. Er begründete den Abschied aus dem Nationalrat mit den Untersuchungen der Justiz zu diversen Vorwürfen aus seiner Regierungszeit. Es gibt aber keinerlei Indizien, dass Schüssel selbst in eine der Affären rund um Karl-Heinz Grasser verwickelt wäre. Aber da Grasser sechs Jahre Schüssels Finanzminister war, und da er von Schüssel selbst dann als ÖVP-Vizekanzler vorgeschlagen worden war, beschädigte die Affäre Grasser zweifellos indirekt auch Schüssels Image.

Tatsache ist, dass viele Indizien Grasser in ein sehr schiefes Licht rücken. Ein Finanzminister, der im Plastiksack größere Geldsummen über die Grenze transportiert, ist jedenfalls eine Zumutung. Einen zwingenden Beweis für eine Bereicherung Grassers wurde jedoch auch 2011 trotz intensiver Recherchen der Staatsanwälte und einer zur Grasser-Jagd vereinigten Medienszene nicht gefunden.

Neben Grasser sind auch noch viele andere Prominente ins Fadenkreuz der Strafverfolger geraten. So etwa die blau-orangen Politiker Scheibner und Gorbach. So der ehemalige schwarze Innenminister und spätere EU-Abgeordnete Ernst Strasser. Er wurde mit versteckter Kamera dabei ertappt, als er für Geldzahlungen Interventionen bei einer Gesetzesinitiative im EU-Parlament versprach. Erstaunlich schnell einen Persilschein bekam hingegen Werner Faymann in der Affäre um die Bestechung von Boulevardzeitungen.

Einer der wenigen Fälle, wo es 2011 zu einer Verurteilung kam, war der des Kärntner Freiheitlichen-Chefs Uwe Scheuch. Er hatte zugesagt, gegen Geldspenden einem russischen Investor zu einer Staatsbürgerschaft zu verhelfen. Die 18 Monate Haft – 6 davon unbedingt – wurden freilich von vielen Juristen als überhart kritisiert. Das Urteil wurde dann 2012 auch prompt aufgehoben: Scheuchs Verteidigungsrechte sind ungebührlich eingeschränkt worden.

All die vielen besonders Richtung Blau-Orange zeigenden Korruptionsindizien haben aber eines nicht verhindert: Die Freiheitlichen legten kontinuierlich in der Wählergunst zu. Bei einigen Umfragen rückten sie sogar schon an die erste Stelle. Und die Erfahrung, dass die FPÖ seit zweieinhalb Jahrzehnten am Wahltag immer deutlich besser abschneidet als bei Umfragen, lassen die Koalitionsparteien für die Zukunft das Ärgste befürchten.

(Dieser Beitrag erschien weitgehend wortident im "Steirischen Jahrbuch für Politik 2011", Verlag dr.schnider's eu, Graz)

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Die Reichen-Abgabe als neues Modegift drucken

Die neueste Idee zur Milderung der europäischen Schuldenkrise klingt aufs erste durchaus plausibel. Sie ist auch in vielen Medien wohlgefällig aufgenommen worden: Es ist der Vorschlag einer Zwangsabgabe für reiche Bürger der Schuldenstaaten. Das scheint harmlos. Es trifft ja eh nur die Reichen; es geht eh nur um Griechen & Co; und es ist eh nur ein Kredit, muss also zurückgezahlt werden.

In Wahrheit jedoch sollte dieser von einem deutschen Wirtschaftsforscher ausgebrütete Plan sofort wieder in den Giftschrank absolut tödlicher Ideen versperrt werden.

  • Denn erstens hat die Politik die meisten Zwangsanleihen der Geschichte nie zurückgezahlt; sie hat ihre Raubzüge meist nur so getauft, um so den Widerstand zu reduzieren.
  • Denn zweitens trifft die vorgeschlagene Höhe von 250.000 Euro durchaus viele Menschen. Auf Grund des grundrechtlichen Gleichbehandlungszwangs kann es dabei nämlich nicht nur um Sparbücher und Aktien gehen, sondern muss auch Wohnungen, Häuser, Autos, Bilder, Schmuck und insbesondere jeden Unternehmenswert erfassen.
  • Denn drittens wird die durch die Gelddruckmaschinen angeheizte Inflation (die bei Immobilien oder Gold im Gegensatz zum Konsumentenindex schon üble Blasen bildet!) noch viel mehr Menschen zum Opfer machen, die sich derzeit noch weit weg von einem dreieinhalbfachen Schilling-Millionär wähnen.
  • Denn viertens unterscheiden sich Deutschland und Österreich in Wahrheit durch keinen echten Parameter mehr von Pleiteländern wie Spanien (das eine niedrigere Staatsschuldenquote hat!) oder Italien (das einen echten Primärüberschuss hat), sondern nur durch den noch vorhandenen Vertrauensvorschuss der Investoren. Aber diese werden erwachen, sobald in den heimischen Schuldenziffern die Milliardenkosten für die diversen Schuldenfonds auftauchen. Das heißt: Jedes Rezept, das scheinbar nur für andere Länder empfohlen wird, kann im Handumdrehen auch gegen deutsche und österreichische Bürger angewandt werden.
  • Denn fünftens wird man mit Zwangsabgaben auch künftig nicht die wirklichen Übeltäter treffen, wie etwa die ominösen griechischen Reeder: Die schaffen es nämlich am leichtesten, ihr Vermögen in sichere Drittländer zu transferieren. Wenn sie das nicht ohnedies schon längst getan haben.
  • Denn sechstens schadet schon die öffentliche Diskussion dieser skurrilen Idee enorm: Jeder Investor wird nun doppelt nachdenken, ob ihm in Deutschland oder Österreich nicht schwupps gleich wieder ein dickes Stück seiner Investition mit solchen Zwangsabgaben geraubt wird.
  • Und siebentens: Jede Möglichkeit, die den Staaten eingeräumt wird, sich noch mehr bei den Bürgern zu bedienen, nimmt den Druck von den Regierungen, endlich  bei sich selber zu sparen, zu deregulieren und privatisieren.

Kein Wunder, dass das deutsche Finanzministerium den Vorschlag sofort als „interessant“ bezeichnet hat, obwohl die Idee nur von einem einzigen Ökonomen kommt. Während die Regierung die Warnungen von 200 anderen, seriösen Ökonomen ignoriert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Die geheimen Tricks der staatlichen Bankräuber drucken

Ein griechischer Unternehmer – der aber lange in Deutschland gelebt hat – hat es in einem wunderschönen Gleichnis auf den Punkt gebracht, das ich in einer Schweizer Zeitung gefunden habe: Die Griechen seien von der EU zehn Jahre gleichsam in ein Aquarium gesetzt worden; sie hätten dort nur den Mund öffnen müssen und schon sei ihnen ein Fisch hineingeschwommen. Jetzt in der allgemeinen Krise entdecken die Menschen voll Panik: „Wir haben ja nie zu angeln gelernt.“

Mit anderen Worten: Europa hat mit all dem vielen Geld für Griechenland nicht dessen Wettbewerbsfähigkeit erhöht, sondern gesenkt. Was auch in vielen anderen Ländern zutrifft. Wettbewerbsfähig wird man nämlich nicht durch Überflutung mit Geld – das schon lange vor der Schuldenkrise über zahllose Kanäle nach Griechenland geschwappt ist –, sondern nur durch die Konfrontation mit der Realität. Durch das Wissen, auf sich selbst gestellt zu sein.

Hilfsgelder helfen nicht

Freilich muss man der EU selbst zugute halten: Die Forderung nach ständig mehr Geld ist primär von den Empfängerstaaten selbst ausgegangen. So wie in Italien seit Generationen jede Regierung von den Abgeordneten des faulen und entwicklungsresistenten Südens erpresst worden ist, so haben die Südländer jedesmal ihre Stimme – für ganz andere Themen wie etwa die Osterweiterung – erpresserisch gegen noch mehr EU-Geld verkauft. Und die Deutschen als Hauptzahler haben immer zugestimmt, weil sie ja nie die Bösen sein wollten und auch viel Geld hatten. Heute wissen wir, dass das den Südländern langfristig mehr geschadet als genutzt hat, kurzfristig haben aber die dortigen Regierungen immer einen Gewinn gesehen.

Die wettbewerbsfähigsten Staaten der Welt sind heute etwa die Schweiz, Singapur oder Hongkong: Sie sind im Gegensatz zum Großseins-Fimmel der EU klein. Sie haben keine Kohäsions-, Struktur-, EFSF-, ESM-, EZB-Gelder bekommen. Sie haben auch alle keine Rohstoffe. Sie haben aber in einer harten Geschichte über Generationen gelernt, dass sie nur von ihrem eigenen Fleiß, ihrer eigenen Tüchtigkeit abhängig sind.

Das hat auch die österreichische und deutsche Nachkriegsgeneration aus dem Jahr 1945 gelernt. Dementsprechend hat sie sich vom Armenhaus der Welt mit Erfolg emporgearbeitet. Doch jetzt wird die nächste Generation offenbar vom Virus der ständig nur fordernden und nie etwas leistenden Wohlfahrtsstaats-Krankheit infiziert. Der in Südeuropa nie ausgerottet worden ist.

Es kann kein Zufall sein, dass selbst in Osteuropa heute die südlichen Staaten viel schlechter dastehen als die nördlichen. Polen, Tschechien, die Slowakei und die baltischen Staaten sind trotz der historischen Altlast der kommunistischen Destruktion heute sehr erfolgreich unterwegs. Während Rumänien und Bulgarien weder funktionierende Demokratien noch Ökonomien haben.

Slowenien, der nächste Pleitenkandidat

Wir sollten uns aber auch um ein weiteres Mittelmeerland große Sorgen machen, dass bisher noch kaum ins Blickfeld unserer Aufmerksamkeit gerückt ist, das aber an Österreich angrenzt: Slowenien. Denn dieses Land hat sich seit der Wende jahrzehntelang nur auf seinen Lorbeeren ausgeruht (als einst relativ erfolgreichste Teilrepublik des jugoslawischen Selbstverwaltungs-Chaos).

Wer sich aber 20 Jahre lang nicht weiterentwickelt, der fällt dramatisch zurück. Slowenien hat völlig unzureichend privatisiert. Seine Banken und große Teile der Industrie sind in einem maroden Zustand. Das Land ist daher mit Sicherheit der nächste Anwärter auf europäische Hilfen – auch wenn das in üblicher Art und Weise derzeit noch dementiert wird.

Gewiss, Slowenien ist ein kleines Land. Und bei der Großzügigkeit der europäischen Schuldenmacherei werden daher wohl auch die Fische für dieses Land als kleine bezeichnet werden. So wie jene für Griechenland, wo sich offenbar nur Kleingeister über die Tausenden Pensionen für schon jahrelang Tote oder die Unterstützungen für sehende Blinde ereifern.

EU-Gelder für spanische Fußballmillionäre

Viel größer sind aber jedenfalls die Fische, die nach Spanien zu liefern sind. Und da liest man über die verstaatliche Bank Bankia geradezu Unglaubliches, obwohl diese derzeit in Spanien bei weitem an der Spitze der Hilfsbedürftigkeit steht: Sie erlässt dem Fußballklub Valencia CF mitten in der eigenen Pleitesituation einfach 250 Millionen Euro an Schulden. Und gibt ihm noch 100 Millionen frisches Geld als Darlehen. Und baut das halbfertige Superstadion von Valencia fertig.

Kann man eigentlich noch provozierender mit dem Geld der deutschen, niederländischen und österreichischen Steuerzahler umgehen? Wundert da noch der im Norden täglich anwachsende Zorn?

Der wohl noch größer werden wird: Sollen doch die spanische Fußballklubs der obersten Liga insgesamt mit nicht weniger als 3,5 Milliarden verschuldet sein. Die werden wir wohl auch noch zahlen müssen. Sonst würde ja Spanien vielleicht nicht ein weiteres Mal Europa- und Weltmeister. Sonst müssten am Ende die Stars bei Barcelona oder Real Madrid anderswo ihre Millionen verdienen oder sich gar mit deutlich weniger Cash zufriedengeben.

Was hilft es da, dem die positive österreichische Praxis entgegenzustellen, wo immer wieder Klubs wegen ihrer Schulden die Lizenz entzogen wird? (vom Rapid-Skandal sollten wir freilich auch nicht reden: Hat doch der Klub von der Eurofighter-Firma ganz ohne Gegenleistung vier Millionen Euro entgegengenommen, wohinter sich mit Wahrscheinlichkeit die Bestechung einer Partei verbirgt).

Der Trick hinter den niedrigen Anleihe-Zinsen

Die österreichische Beschwichtigungs-Industrie will das alles aber nicht wahrhaben. Jetzt hat sie ein neues Argument: Das mache doch alles nichts. Die Zinsen für österreichische (und deutsche und niederländische) Anleihen seien doch so niedrig wie noch nie. Das sei doch ein klares Zeichen von Vertrauen.

Unter normalen Verhältnissen wäre diese Aussage auch durchaus richtig. Nicht aber angesichts der miesen Tricks der Staaten, welche die Öffentlichkeit kaum durchschaut. Denn die Staaten zwingen die Banken mit raffinierten Methoden, ihre Anleihen massenweise zu kaufen und halten nur dadurch ihre Zinsen niedrig.

Das geht so: Zuerst stempelt der Propagandaapparat von Staaten und praktisch allen Parteien mit Hilfe dummer oder ideologischer Journalisten die Banken zu den Hauptschuldigen der Krise. Was sie – trotz aller Fehler und Gaunereien – aber nicht sind. Denn im Vergleich zur Schuld der Regierungen, der staatlich gelenkten Notenbanken und der von Politikern in den Abgrund gefahrenen Staatsbanken steht die kommerziell geführte Bankenwelt relativ harmlos und sauber da.

Denn selbst beim Libor-Skandal der letzten Tage stellt sich nun heraus, dass die kriminelle Hinunter-Manipulation der Libor-Zinssätze nicht nur mit Wissen, sondern auch auf Wunsch von Notenbanken und Staaten passiert ist. Davon haben zwar auch viele normale Kreditnehmer profitiert (ohne natürlich mitschuld zu sein), aber insbesondere war die künstliche Senkung der durch den Libor bestimmten Zinsen im politischen Interesse. Daher ist es aber auch durchaus möglich, dass die Erhebungen in Sachen Libor-Manipulation eines Tages sanft entschlafen werden.

Sobald aber einmal in der öffentlichen Meinung die Banken als die Hauptverbrecher identifiziert waren, konnten dann die diversen Aufseher und Regulatoren den Banken mit Leichtigkeit höhere Eigenkapital- und höhere Liquiditäts-Quoten aufzwingen. Sie wurden dafür sogar als stabilitätsbewusst gelobt.

Auch mir schien das lange durchaus richtig zu sein. Und auch heute noch bin ich von der Richtigkeit und Wichtigkeit des Prinzips überzeugt: „Höheres Eigenkapital und mehr Liquidität erhöhen die Stabilität und Sicherheit, auch wenn sie die Ertragskraft reduzieren.“

Hinter diesem Prinzip versteckt haben die Staaten aber eine ganz andere Agenda betrieben, eine Agenda, die die Stabilität reduziert und nicht erhöht: Denn sowohl bei den Eigenkapital- wie auch bei der Liquiditäts-Vorschriften haben die Staaten und Notenbanken die eigenen Staatsanleihen privilegiert! Diese Staatsanleihen gelten auf Befehl der Staaten als genauso sicher wie Bargeld. Das sind genau solche Papiere, die wie im Fall Griechenland über Nacht nur noch einen Bruchteil wert waren. Das muss man sich erst einmal durch den Kopf gehen lassen. Betrügerischer geht’s wohl nimmer.

Scheinbare Bankenregulierung zur geheimen Staatsfinanzierung

Den Banken bleibt also bei der angeordneten Aufstockung ihrer Reserven nur die Wahl: Entweder tonnenweise Banknoten im Tresor zu stapeln oder wie wild Staatsanleihen zu kaufen. Logischerweise stapeln sie nicht, sondern kaufen (freilich nur noch Papiere der Nordländer und nicht mehr solche der Südländer – zumindest solange sie die Wahl haben und einigermaßen bei Sinnen sind). Denn auch Anleihen-Zinssätze unter der (offiziellen, also die wahre Geldentwertung ohnedies ignorierenden) Inflationsrate sind immer noch deutlich mehr als die Null Prozent Zinsen, die gehortetes Bargeld abwirft. Von Irgendetwas müssen ja auch Banken ihre Angestellten und Steuern zahlen.

Die Banken tun das zähneknirschend, aber schweigend. Denn würden sie laut protestieren, würden die Menschen den Skandal in breiter Front durchschauen und erst recht ihr Vertrauen in - die Banken verlieren.

Eine raffinierte Doppelmühle: die Staaten haben die Banken zum europäischen Sündenbock Nummer eins gemacht und zwingen sie gleichzeitig, die eigene Schuldenpolitik zu finanzieren. Einen der leider öffentlich so schweigsamen wirklichen Finanzexperten dieses Landes erinnert das im Privatgespräch an den März 1938: Damals haben die Nazis die stolzen Goldvorräte des österreichischen Ständestaates geplündert und damit eine Zeitlang ihre Aufrüstungspolitik finanziert, ohne dass das wer durchschaut hat.

Auch wenn dieser Vergleich wohl nicht in jedem Detail stimmt und natürlich auch nicht politisch korrekt ist (was mir freilich ziemlich egal ist), zeigt er doch, wie unglaublich der Vorgang ist. Das wird die Politik aber nicht hindern, die Banken wieder zu Schuldigen zu erklären, wenn dann wieder unter staatlichem Zwang für absolut sicher erklärte europäische Staatsanleihen in die Klasse von Altpapier abrutschen. Und die Staaten werden dann noch "strengere" Bank-Regulierungen beschließen, welche die Banken dann noch mehr zwingen, die Anleihen eigentlich längst nicht mehr kreditwürdiger Staaten zu kaufen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Piefke meldet sich ab drucken

Österreich proklamiert „Kampf um die Deutschen" – Die Zugehörigkeit zur EU schuf neue  Rahmenbedingungen für das Zusammenleben der einstigen Rivalen – Lob und Tadel für den Nachbarn im Spiegel der Umfrageforschung

Die Geschichte Deutschlands und Österreichs ist gekennzeichnet von enger kultureller Verflechtung, aber auch von wechselhaften Phasen politischer oder militärischer Partnerschaft mit existenzbedrohender Rivalität. Mittlerweile hat die Zugehörigkeit der beiden sprachverwandten Wohlstandsländer zur EU ganz neue Rahmenbedingungen für das Zusammenleben geschaffen.

Das Hegemoniestreben von einst hat seine Sinnhaftigkeit verloren und wurde von der gemeinsamen  Suche nach Synergien innerhalb der europäischen Gemeinschaft unter vorwiegend wirtschaftspolitischen Überlegungen abgelöst. Was zählt, sind Harmonien und Nutzerwartungen, die sich über einen weiten Bogen von Hoffnungen spannen. Dass dabei das Interesse der  Österreicher an den Deutschen besonders deutliche Abdrücke hinterlässt, ist angesichts der unterschiedlichen Potentiale beider Länder nicht weiter verwunderlich.

Bezeichnend für die österreichische Perspektive ist ein vom Wiener Wirtschaftsministerium eingeleiteter Strategieprozess mit dem Ziel, die reichen Deutschen nicht nur als Touristen, sondern auch als potentielle Investoren und Wirtschaftspartner für die Alpenrepublik zu begeistern. Die  führenden Medien des Landes proklamierten die Aktion als „Kampf um die Deutschen".

Ganz allgemein hält man es in Wien für dringlich, dem eigenen Land ein neues, zeitgemäßeres Erscheinungsbild zu verpassen, das nicht mehr von Lippizanern und Heurigenseligkeit geprägt ist, sondern moderne Züge aufweist und Österreich als eine Wirtschaftsnation mit entsprechender Infrastruktur, hohem Qualitätsniveau der Arbeitskräfte, Weltoffenheit und Innovationskapazität ausweist. Das Kennwort dafür heißt „Nation Branding".

Wie sieht unter all diesen Umständen das Bild aus, das speziell Deutsche und Österreicher einerseits vom jeweils anderen Land und andererseits von sich selbst besitzen? Die IMAS-Institute in München und Linz haben in gleichlautenden Repräsentativbefragungen Antworten darauf gesucht und sind auf bemerkenswerte Sachverhalte gestoßen.

Piefke ist Vergangenheit

Generalisierend lässt sich feststellen, dass die Bewohner der beiden deutschsprachigen Nachbarstaaten einander mit weit überwiegender Sympathie begegnen. Rund drei Viertel der Deutschen haben eine grundsätzlich gute Meinung von den Österreichern, etwa drei Fünftel der Österreicher mögen umgekehrt die Deutschen. Die Abneigung gegenüber der jeweils anderen Bevölkerung beläuft sich in der Bundesrepublik auf rund ein Neuntel, in Österreich auf rund ein Viertel der Bewohner.

Dass die Österreicher eine vergleichsweise distanziertere Haltung zu den Nachbarn beziehen, hängt vermutlich weniger mit historischen Ressentiments, als mit dem Gefühl zusammen, das Angehörige kleiner Länder ganz allgemein im Schatten großer Staaten verspüren. Anzeichen von tief empfundener Abneigung zwischen Österreichern und Deutschen sind statistisch jedenfalls kaum wahrnehmbar: Eine uneingeschränkt schlechte Meinung von den Bewohnern des Nachbarlandes wurde vom IMAS in Österreich bei lediglich vier, in der Bundesrepublik sogar nur bei zwei Prozent der Erwachsenen registriert.

Was Österreich betrifft, symbolisiert der preußische Militärmusiker Gottfried Piefke nicht länger den ungeliebten Typus des schnoddrigen, schnarrenden und arroganten Deutschen. Piefke hat sich abgemeldet und taucht allenfalls noch in der kabarettistischen Kleinkunst auf.

Erstaunlich konform reagierten die repräsentativ ausgewählten Deutschen und Österreicher auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, für längere Zeit im Nachbarland zu leben oder zu arbeiten. Da wie dort antwortete jeder Dritte vorbehaltlos mit Ja, da wie dort wurde ein solcher Transfer von deutlich mehr als der Hälfte der Bevölkerung ausgeschlossen.

Die Bereitschaft, sich dauerhaft im Nachbarstaat niederzulassen, korreliert bei näherer Betrachtung auffallend stark mit der sozialen Schicht. Als Faustregel kann gelten, dass sowohl in Deutschland als auch in Österreich jeweils knapp zwei Fünftel der sozial- und wirtschaftlich leistungsfähigsten Schichten bereit wären, ihren Beruf im jeweils anderen Land auszuüben. Dieser Bereitschaft kommt angesichts des zunehmenden Mangels an Fachkräften eine erhebliche Bedeutung zu.

Das Vorstellungsbild der Deutschen von Österreich

Im Zentrum des Forschungsinteresses lag die Frage nach den „pictures in our heads", also den gefühlsmäßigen Vorstellungen, die Deutsche und Österreicher voneinander haben.

Was die Bundesbürger in massivster Weise Österreich zuordnen, sind die  Merkmale „Schöne Landschaft", „Urlaubsland", „Gute Küche, gutes Essen", „intakte Umwelt, gesunde Natur", „sympathische Bevölkerung" sowie „Fröhlichkeit, Humor und Lebensfreude". Kein Zweifel: Es ist die Beschreibung einer relativ heilen Welt, bewohnt von liebenswürdigen Genießern, die es sich gut gehen lassen und es  im Grunde nicht übermäßig eilig haben: Nur 28 Prozent der Deutschen bescheinigen den Österreichern Leistungsbereitschaft und Fleiß, nur jeder Vierte attestiert ihnen einen modernen Lebensstil, lediglich jeder fünfte Deutsche vermutet in Österreich gute Schulen und Universitäten, gar nur jeder achte lobt an der Alpenrepublik eine starke Industrie und Wirtschaft.

Kritisiert werden von den Deutschen an Österreich am ehesten die vermeintlich hohen Preise. Nur ganz wenige Bewohner der Bundesrepublik nehmen hingegen Anstoß an einem Übermaß an Zuwanderern, großen sozialen Unterschieden, Kriminalität oder Korruption.

Die Deutschen über Deutschland

Fundamental anders, als es ihrem Bild von Österreich entspricht, sind die Vorzüge, die die Deutschen dem eigenen Land zuordnen. Lediglich in der Wertschätzung einer ebenfalls schönen Landschaft und guten Küche bestehen Überschneidungen. Was die Deutschen an der Bundesrepublik ungleich stärker hervorheben als an Österreich sind die Kennzeichen „Starke Industrie", „Leistungsbereitschaft, Fleiß", „moderner Lebensstil" sowie „gute Schulen und Universitäten".

Ungeachtet  dieses sehr dynamisch und modern wirkenden Selbstporträts verweisen relativ wenige Bundesbürger auf einen hohen Wohlstand ihres Landes oder auf eine durch Fröhlichkeit und Humor gekennzeichnete Gesellschaft. Ähnlich schwach ist die Überzeugung der Deutschen, in einer intakten Umwelt und gesunden Natur zu leben. Ausdrücklich und in extremer Weise kritisiert wird von ihnen am eigenen Land ein Übermaß an Zuwanderern, eine große Kluft zwischen Arm und Reich, zu hohe Lebenshaltungskosten sowie zu viel Kriminalität.

Die Perspektiven der Österreicher

Das Eigen- und Fremdbild der Österreicher ist in wesentlichen Punkten spiegelverkehrt zu dem der Deutschen. Was in ihrer Betrachtung der nördlichen Nachbarn ins Auge sticht, ist Bewunderung. Demgemäß besteht das Lob der Österreicher für Deutschland in ungemein massiven Hinweisen auf die Merkmale „Starke Industrie und Wirtschaft" sowie „Leistungsbereitschaft und Fleiß". Deutlicher als es umgekehrt der Fall ist, imponieren den Österreichern an den Deutschen überdies „moderner Lebensstil" und „gute Berufsmöglichkeiten". Vergleichsweise selten entdecken die Bewohner der Alpenrepublik an ihren Nachbarn die gewissermaßen epikuräischen Kennzeichen „Fröhlichkeit, Humor, Lebensfreude", „gute Küche", oder auch die Ettiketierung als „Urlaubsland".

Kritisiert wird von den Österreichern an Deutschland hauptsächlich ein vermeintliches Übermaß an Zuwanderern (Ausländern) und eine als hoch empfundene Kriminalität.

Charakteristisch für die Einschätzung Österreichs durch die eigene Bevölkerung ist ein generell sehr starkes Heimatbewusstsein, das sich in außerordentlich hoch dotierten Hinweisen auf „schöne Landschaft", „Urlaubsland", „gute Küche, gutes Essen", „Kultur", „Sicherheit, Ordnung", „Fröhlichkeit und Lebensfreude" ausdrückt. Nahezu parallel zu diesen Wesenselementen von Gemütlichkeit bescheinigen sich die Österreicher aber auch ein Maß an Leistungsbereitschaft und Fleiß, das in seiner statistischen Ausprägung nur geringfügig unter dem Selbstbild der Deutschen liegt.

Auch in der Überzeugung von guten Berufsmöglichkeiten, Wohlstand oder sozialen Rechten der Arbeitnehmer gibt es zwischen  beiden Nationen keine nennenswerten Unterschiede. Bemerkenswert ähnlich ist nicht zuletzt der große Ärger beider Nachbarn über zu viele Zuwanderer und zu hohe Lebenshaltungskosten.

Nicht zu übersehen sind allerdings zwei Schwachstellen im Selbstverständnis Österreichs, die sich nachteilig auf die innere Entwicklung des Landes auswirken können: Zum einen ist es die unbefriedigend geringe Überzeugung, über eine starke Industrie und Wirtschaft zu verfügen und zum anderen eine erschreckende Gegenwartsnähe von Korruption als Folge einer Kette von Skandalen im öffentlichen Leben.

Andreas Kirschhofer-Bozenhardt war langjähriger Leiter des renommierten Meinungsforschungsinstituts Imas; von Imas stammen auch die analysierten Daten.

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Fußnote 320: Verfassungsbrecher aus dem Niemandsland drucken

Die ORF-Genossen haben wirklich schon jeden Genierer verloren. Das zeigte ärger denn je die Zeit im Bild am Donnerstag.

Da wird zum zweiten Mal hintereinander die absolut gleiche Story – die Verdachtsmomente gegen den Kärntner ÖVP-Obmann – zur Spitzenmeldung gemacht. Da wird auch gleich eine Petitesse gegen den Tiroler ÖVP-Landeshauptmann zum österreichweiten Thema gemacht. Aber okay, bei sehr weitherziger Interpretation kann man das alles noch irgendwie journalistisch zu argumentieren versuchen (auch wenn Wiener SPÖ-Skandale prinzipiell nie den Weg in die ZiB finden). Und dann wird über die – deutliche – Brüsseler Kopfwäsche für den Verfassungsbruch des neuen rumänischen Ministerpräsidenten berichtet. Na also, ausgleichende Gerechtigkeit der Berichterstattung, werden jetzt manche denken. Jedoch: Der ORF bringt es zusammen, weder in der langen Anmoderation noch im nachfolgenden Beitrag auch nur andeutungsweise zu erwähnen, dass es sich dabei um einen Sozialisten handelt. Dass der Verfassungsbrecher noch vor kurzem vom SPÖ-Mann Swoboda wortgewaltig verteidigt worden ist. Im Vergleich zu diesem ORF hat man sich einst sogar in der „Volksstimme“ noch objektiv informiert gefühlt. Dabei braucht es für all das wahrscheinlich gar keine Weisungen von außen mehr. Die Programmmacher sind schon von sich aus überzeugt: Rechte Untaten werden extrem aufgebauscht, linke total unter den Teppich gekehrt.

 

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Das Nein zu Acta schadet Europa schwer – so wie das Ja zum ESM drucken

Einmal wirft die Linke den Rechten Populismus vor, dann wieder geht der Vorwurf den umgekehrten Weg. In den vergangenen Tagen haben beide jedenfalls gemeinsam kurzsichtigen Populismus praktiziert. Mit überwältigender Mehrheit haben sie im EU-Parlament das sogenannte Acta-Abkommen gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsdiebstahl verworfen. Damit hat Europa einen weiteren ganz entscheidenden Beitrag zu seinem eigenen wirtschaftlichen Untergang gesetzt. Mit ähnlichen Folgen, wie es die gemeinsame Schuldenhaftung durch den ESM haben wird.

Der Unterschied ist nur ein marginaler: Beim ESM marschieren – um in der österreichischen Farbenterminologie zu reden – Rot, Schwarz und Grün Hand in Hand auf einem üblen Weg. Bei Acta sind es primär Rot, Grün und Blau/Orange.

Im Grund haben sie alle hosenfüllende Angst vor einem Haufen postpubertärer Chaoten, die unter dem an Kinderfaschings-Verkleidungen erinnernden Namen Piraten bei ein paar Landtagswahlen Erfolge erzielt haben. Diese Piraten sind freilich für die Gesellschaft ungefähr genauso nützlich wie jene, die die Weltmeere unsicher machen, die etwa vor Afrikas Ostküste seit Jahren Schiffe kapern und Geiseln jahrelang entführen. (Tödlich können Piratenschiffe aber übrigens auch sein, wenn sie als Kinderspielplatz auf einem flachen Strand der wunderschönen Nordsee-Insel Amrum stehen, wie der tragische Tod eines zehnjährigen Wieners gezeigt hat.)

Nur Kreativität und Innovation sichern Vorsprung

Warum wäre Acta so wichtig gewesen? Das Abkommen hätte genau jene Berufe und Erwerbsformen geschützt, denen Europa in hohem Ausmaß die Reste seines (wenn auch sehr wackelig gewordenen) Wohlstands verdankt. Bei den meisten industriellen Massenproduktionen kann Europa ja angesichts seiner hohen Gehälter, Sozialabgaben und Steuern längst nicht mehr mit den Billigindustrien Asiens und Lateinamerikas mithalten. Aber bisher hat es zusammen mit Amerika in Sachen Kreativität und Innovation noch immer die Nase weit vorne gehabt.

Das brachte viel Geld nach Europa. Selbst wenn diese Kreativität „nur“ darin bestanden haben sollte, einem französischen Duft, einem italienischen Kleid, einem deutschen Auto, einem österreichischen Koffeingetränk mit Himbeergeschmack oder einem spanischen Rotwein einen großen Imagevorsprung zu erarbeiten. Für diesen Imagevorsprung, diesen Markenwert zahlen Käufer weltweit viel Geld, obwohl sie den Unterschied zu einem Billigprodukt bei einer Blindverkostung (also ohne das Markenlogo sehen zu können) gar nicht feststellen würden.

Umso größer ist der Schaden, wenn diese Markenprodukte durch Piraten aller Art gefälscht, kopiert, nachgemacht werden. Die Konsumenten zahlen dann auch weiterhin für das von den Erzeugern teuer und mühsam aufgebaute Image. Aber bei den Fälschungen tragen eben nicht diese, sondern asiatische Werkstätten den Gewinn davon. Und diese Fälscherwerkstätten haben nun de facto die offizielle Unterstützung des Europaparlaments bekommen. Absurderweise unter lautstarker Führung der Europa-Sozialisten, die sonst so tun, als ob sie für die europäischen Arbeitsplätze kämpfen würden.

Zwar heißt das natürlich noch nicht, Fälschungen wären künftig straffrei. Es wird nur ohne ein globales Abkommen, wie es Acta gewesen wäre, viel schwieriger, sie weltweit zu verfolgen.

Elektronische Piraterie auf Knopfdruck

Noch wichtiger ist die Kreativität bei Kulturerzeugnissen, bei Filmen, bei Musik, bei Texten, bei Computerprogrammen. Der einzige Unterschied: Hier ist das Fälschen und Kopieren noch viel leichter als bei Parfums, Kleidern oder Getränken. Hier genügen meist nur ein paar Tastendrucke und schon kann das Werk, an dem der Schöpfer oft sehr lange gearbeitet hat, mühelos vertausendfacht werden. Und der Schöpfer bekommt für seine Mühe 999 Mal kein Entgelt. Sondern jemand anderer profitiert, entweder wieder ein Kopist oder in diesen Fällen auch der Konsument.

Wer bitte wird da noch Zeit, Mühe und Geld in die Entstehung eines aufwendigen Werkes stecken?

Nun werden manche Wirklichkeitsferne einwenden: Dann wird halt die Öffentlichkeit einspringen müssen. Offenbar sind Europas Staatskassen so gefüllt, dass das kein Problem wäre. Da hat die linke Geldproduktions-Illusion wieder einmal ihre volle Wirkung erzielt. Wenn einem das Geld fehlt, druckt man sich halt neues. Dazu hat man ja die Gelddruckereien. Eigentlich könnte man aber auch gleich DKT-Geld nehmen . . .

Andere versuchen, ein wenig schlauer zu sein und sagen: Na, dann machen wir halt das Kopieren gleich legal und belegen dafür jeden Computer, jeden Festplattenspeicher, jeden CD-Rohling mit einer saftigen Abgabe. Das sind ja die Speichermedien, auf denen die Kopien landen. Von diesen Abgaben könnten dann die Kreativen bezahlt werden.

Kollektivstrafen gefährden auch andere Jobs

Wäre das wirklich schlauer? Nein, keineswegs. Solche Abgaben sind erstens einmal Kollektivstrafen. Man belastet ja auch nicht Kühlschränke mit einer saftigen Abgabe, weil darin auch illegal gebrannter Wodka oder gewildertes Fleisch aufbewahrt werden kann. Diese Kollektivstrafen belasten zweitens auch jene Europäer, die Computer in internationalem Wettbewerb für ganz andere Dinge als illegale Kopien benutzen. Die Strafen gefährden damit weitere Arbeitsplätze.

Und diese Idee würde drittens eine totale Verstaatlichung von Kunst und Kultur bedeuten. Denn dann würde nie mehr ein Konsument, ein Filme-Herunterlader, ein Musik-Hörer mit seinem Entgelt entscheiden, ob Filmemacher, Komponisten, Buchautoren, Sänger, Orchester etwas verdienen oder nicht.

Dann würde entweder jeder dieser Künstler gleich viel (=wenig) verdienen. Oder aber Politiker oder politisch eingesetzte Kommissionen würden entscheiden. Das würde mit Sicherheit zu ideologischer Staatskunst führen, zum Kauf von politischer Unterstützung durch nett-dumme Schauspieler, Maler, Autoren im Gegenzug für staatliche Förderung – und zwar noch viel, viel mehr, als wir es gerade in Österreich schon erleben. Das Ergebnis wird dann nur noch mit dem kommunistischen Osten und seinen Staatskünstlern vergleichbar sein.

Schreiben wird zum brotlosen Hobby

Wenn es keine Unterhaltungsfilme, sondern nur noch jene Produkte gibt, die bei Festivals von sogenannten Experten auserkoren werden, dann werden viele Kinos schließen müssen. Kaum jemand wird weltweit noch einen europäischen Film anschauen wollen. Und noch schlimmer wäre es für die geistige Vielfalt, wenn nur die von einem Politiker beziehungsweise seinen Vertrauensleuten für würdig gehaltenen Autoren zum Zuge kämen.

Eine Förderung aller Künstler nach dem Gießkannensystem wiederum würde fast jede Spitzenleistung zertrümmern. Wenn die Wiener Philharmoniker nur noch so viel verdienen wie das Eisenbahnerorchester, dann werden sie bald auch nur noch genauso gut musizieren. Ebenso wird das Schreiben von Büchern oder Zeitungen zum brotlosen Hobby werden. Wenn jeder Autor gleich viel aus der staatlichen Gießkanne bekommt, wird keiner davon leben können.

Noch mehr Macht für den Staat

Jetzt mögen nun mache meinen, dass Konsumenten-, also Markt-Entscheidungen bei der Entschädigung von kreativen kulturellen Leistungen problematisch seien. Selbst wenn das wahr wäre, gibt es aber eben nur die beiden anderen Möglichkeiten: gar keine Entschädigungen für Kreativität oder solche durch den Staat. Beides ist noch viel ungerechter, problematischer und leistungsfeindlicher als die Entscheidung durch die Kulturkonsumenten.

Ob irgendeiner der Anti-Acta-Abgeordneten all diese Folgen bedacht hat? Ob diese wenigstens rot werden, wenn sie morgen wieder – je nach politischer Färbung – vom Wert der Kultur, von der Bedeutung des Rechtsstaats, von leistungsgerechter Entlohnung und dem Wert der Kreativwirtschaft im internationalen Wettbewerb reden?

Vorleistung für Koalitionen mit den Piraten

Mitschuld an der Katastrophe sind freilich auch alle jene Autoren, Filmemacher, Musiker, Journalisten, die nun Opfer dieser Entscheidung werden: Sie haben in den letzten Jahren und Monaten fast alle opportunistisch zu dem Thema geschwiegen und gehofft, dass die Politik für sie die Kastanien aus dem Feuer holt. Und irgendwie haben sie ja perverserweise auch Sympathien für die chaotischen Piraten. Man glaubt irgendwie, eigentlich aus dem gleichen Stall zu kommen.

Ähnlich denken rote und grüne Parteien: Man könnte die Piraten ja eines Tages als Koalitionspartner brauchen. Für diese Option verraten die Sozialdemokraten auch hier die Interessen der einst von ihnen vertretenen Werktätigen, so wie sie diese schon bei ihrem Er-Grünen in den 70er Jahren verraten haben. Hat doch auch die - von anderen Parteien oft geteilte - grüne Politik viele Arbeitsplätze gekostet.

PS: Die Kritik an der von den Piraten ausgelöste Diebstahlsbegeisterung ändert übrigens nichts am Respekt für den zweiten erkennbaren Schwerpunkt dieser neuen Gruppierung. Das ist ihr Engagement für mehr direkte Demokratie und für den Einsatz des Internets bei Bürgerentscheidungen.

 

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Fußball-Nachlese drucken

Wie sie wieder jubilierten
und den Cup-Sieg zelebrierten! –
Ich vergönn’ es ihnen sehr,
herrscht ja dort im Land der Sonne
sonst nicht grade eitel Wonne,
und die Schulden drücken schwer.

Wenn ich aber aus der Nähe
Resultate mir besehe,
kommt mir alles spanisch vor,
denn in heilen Fußballwelten
dürfte wohl die Regel gelten:
Je mehr Schulden, desto Tor!

Einzig Deutschland, ziemlich peinlich,
passte bisher augenscheinlich
nicht in diese Liga rein –
doch es ändert sich die Lage:
Mit dem ESM-Vertrage
wird das bald behoben sein.

Jedenfalls, bei Länderspielen,
den inzwischen viel zu vielen,
wär’ es wert auch hinzusehn,
wenn die Herren oder Damen,
die da in die Auswahl kamen,
stramm in einer Reihe stehn:

Sind denn alle die Athleten
in den Dressen angetreten
ihrer eignen Nation?
Oder hat man nicht seit Jahren
in beschleunigtem Verfahren
viele umgebürgert schon?

Nun, dass anstandslos die Massen
sich mit Spielen blenden lassen,
ist bekannt seit altersher,
und wenn fremde Federn schmücken,
mindert’s auch nicht das Entzücken –
Untertan, was willst du mehr?

Pannonicus

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Die Linksfaschisten putschen – und die EU schläft drucken

Man stelle sich vor: Die Regierung Schüssel hätte im Jahr 2000 den ihr kritisch gesinnten Bundespräsidenten abzusetzen versucht; sie hätte die Präsidenten beider Parlamentskammern (etwa Heinz Fischer von der nominell stärksten Partei) abgesetzt; sie hätte die Volksanwälte mitten in der Amtsperiode ausgetauscht; sie hätte sich gegen den Protest von Tausenden Künstlern den gesamten Kulturapparat über Nacht untergeordnet; sie hätte zwei unbotmäßige Verfassungsrichter mit Entlassung bedroht; sie hätte die Befugnisse des Oberstgerichts beschnitten; und sie hätte die Absetzung des Präsidenten erleichtert. Außerdem hätte sich herausgestellt, dass Wolfgang Schüssel bei seiner Dissertation massive Plagiate begangen und in seinem Lebenslauf Hochstapelei betrieben habe, indem er einen schlichten Sommerkurs als Master-Studium ausgegeben hätte.

Kein Zweifel: Die hysterischen Reaktionen der anderen EU-Staaten und der europäischen Sozialisten auf Österreich wären mehr als gerechtfertigt gewesen.

All das passiert nun seit Wochen tatsächlich in einem EU-Land, nur nicht in Österreich und auch nicht in Ungarn, sondern in Rumänien. Dort findet de facto der im ersten Absatz beschriebene Putsch statt. Der einzige Unterschied: Es ist ein sozialistischer Ministerpräsident, der all der aufgezählten Dinge schuldig ist.

Jedoch: Die bisherige Reaktion der Miteuropäer ist fast Null. Besonders bezeichnend ist der sozialistische Fraktionschef  im EU-Parlament, der beschämenderweise aus Österreich kommende Hannes Swoboda: Er kritisiert nicht etwa den Täter, den rumänischen Premier Victor Ponta, sondern dessen ausländische Kritiker. Diese würden sich in einen „internen Machtkampf“ einmischen.

Dabei sind die putschartigen Vorgänge in Rumänien zehnmal ärger und konkreter als alles zusammen, was einst der österreichischen Regierung oder im Vorjahr der ungarischen Zweidrittelmehrheit vorgeworfen werden konnte. In Österreich ist nämlich überhaupt nichts Verfassungs- oder Rechtswidriges passiert. Und in Ungarn sind alle – teilweise durchaus diskutablen – Gesetzesänderungen, die kritisiert werden, mit Regelungen identisch, wie es sie in anderen, „alten“ EU-Ländern völlig unangefochten gibt (wie etwa die Einschränkungen des Redaktionsgeheimnisses).

Das, was in den letzten Wochen in Rumänien passiert, ist nur noch mit den im Stalinismus üblichen Säuberungen nach Machtkämpfen in der Kremlspitze vergleichbar. Damals erschienen wenigstens auch in westeuropäischen Linkszeitungen kritische Artikel.

Noch widerlicher als das Verhalten der europäischen Sozialisten sind nämlich die angeblich unabhängigen westeuropäischen Medien und „Intellektuellen“. Was haben sie nicht nur im Falle Österreich und Ungarn alles aufgeführt, sondern auch, als der deutsche Minister Guttenberg des Plagiats schuldig war! Wie haben sie sich darüber erregt,  als die Amtsperiode der ungarischen Medienbehörde mit neun Jahren festgelegt worden ist. Und wie schweigen sie jetzt alle peinlich leise zu Rumänien.

Interessant ist aber auch, wie ein Typ wie Ponta überhaupt an die Macht kommen konnte. Denn eigentlich hatte ja die Partei des nun auf der Abschussliste des Premiers  stehenden Präsidenten Basescu die Wahlen gewonnen. Diese wurde jedoch von ein paar parlamentarischen Heckenschützen gestürzt, weil sie die Sparvorgaben von EU und Internationalem Währungsfonds umgesetzt hat.

Es war natürlich nicht sehr populär, als die Mehrwertsteuer um fünf Prozentpunkte erhöht werden musste und die Beamtenlöhne um 25 Prozent gekürzt wurden. In solchen Situationen gibt es in Osteuropa immer einige „unabhängige“ Abgeordnete, die ihr Fähnchen nach dem Wind richten und die Fronten wechseln (ob nicht gerade in solchen Situationen der oft gegeißelte Klubzwang seine Sinnhaftigkeit zeigt? Aber das ist schon wieder ein anderes Thema).

Viel erstaunlicher ist, dass man bisher auch vom IWF kein klares Wort gehört hat. Er hätte eigentlich sofort sagen müssen, dass Rumänien halt auf Hilfe verzichten müsse, wenn es die Sparprogramme ablehnt (zum Euro gehört das Balkan-Land ja zum Glück nicht, was wenigstens einmal ein Trost für ein geplagtes Euro-Land ist).

Auch Europarat und OSZE, die sich im Falle Ungarn wegen lächerlichster Details aufgepudelt hatten, sind total schweigsam. Dabei ist allein schon die Tatsache ein unfassbarer Skandal, dass Ponta und seine Spießgesellen nun den Verfassungsrichtern mit Korruptionsverfahren drohen, weil sie die Vorwürfe der sozialliberalen Regierung gegen den Präsidenten als nicht stichhaltig zurückgewiesen haben.

Diese Vorwürfe sind in der Tat absolut lächerlich: So wird Basescu die Aussage vorgeworfen, dass eigentlich er und nicht Ponta das Recht hätte, so wie Frankreichs Präsident zu einem EU-Gipfel zu fahren. Dasselbe hatte einst auch ein Thomas Klestil versucht. Womit auch der damals gescheitert ist – was aber in Österreich kein Mensch mit einer Amtsenthebung zu beantworten versuchte.

Das rumänische Verfassungsgericht hat zweifellos mit seiner Aussage recht: „Eine aktive Rolle im politischen und sozialen Leben des Landes kann nicht als verfassungswidriges Verhalten gewertet werden.“ Es will ja auch niemand Heinz Fischer abwählen, weil er ständig der Schuldenmacherei das Wort redet.

Neben den Sozialisten regiert in Bukarest nun übrigens auch eine linksliberale Partei mit. Was dafür sorgt, dass das Putschregime in Bukarest im EU-Parlament eine parlamentarische Mehrheit hinter sich hat. Die EU-Liberalen haben nämlich mit Liberalität sehr wenig am Hut, sondern entpuppen sich wie einst Heide Schmidt als eine getarnte Vorhut der Linken.

Das ist nicht nur für Rumänien beängstigend. Denn man bekommt zunehmend den Eindruck, dass das alles ein großes Design hat. Siehe etwa ganz ähnliche Vorgänge in Russland. Schlittert Europa als Folge der Schuldenkrise in einen neuen Faschismus, der die Phase der Demokratie beendet? Nur wäre das halt diesmal ein Linksfaschismus.

Ein weiteres Indiz: Auch in der Slowakei und in Kroatien haben die neuen linken Mehrheiten die Rundfunkchefs vorzeitig abgesetzt und die Gesetze zu ihren Gunsten geändert. Aber das ist erlaubt, handelt es sich doch um Linksregierungen.

PS.: Nur zum Kontrast: 2002, zwei Jahre nach Beginn von Schwarz-Blau, war ein Sozialist Chef jener österreichischen Behörde, welche (nach Jahrzehnten, in denen die Sozialisten jede ORF-Konkurrenz blockiert haben) über die Vergabe der ersten österreichischen Rundfunklizenzen entschieden hat. Irgendwie war das noch ein anderes Verständnis von Demokratie. Hat das eigentlich auch nur einer der Hetzer gegen jene Regierung anerkannt?

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Der vierte Juli: Nicht nur in den USA ein denkwürdiges Datum drucken

Im Artikel eins des Österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes heißt es: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ „Volk“ – und das ist wichtig! -–meint das hierzulande ansässige – nicht etwa das griechische, spanische, portugiesische oder die Chimäre eines europäischen Einheitsvolkes.

Dieses winzige Detail dürfte von einer beachtlichen Mehrheit der Damen und Herren Parlamentarier übersehen worden sein, als sie – kurze Zeit nach ihren bundesdeutschen Kollegen – dem auf den Namen ESM hörenden Vertragsmonstrum ihre Zustimmung erteilten und damit die Finanzhoheit des vom Volk gewählten Parlaments unwiderruflich aufgaben. Die Auswirkungen des historisch einmaligen ESM-Knebelvertrages (der nicht nur dem bürgerlich-rechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben klar widerspricht), sind in ihrer ganzen Tragweite heute noch nicht abzusehen.

Wie weit und in welcher Form sich die dadurch bedingten Verluste an Freiheit und Rechtssicherheit auswirken werden, ist schwer einzuschätzen. Die Bürger Österreichs werden an vielen Fronten verlieren, soviel steht fest. Wer die Profiteure dieses Coups sind, ebenso: Es sind die üblichen Verdächtigen – das sattsam bekannte, hochgiftige Amalgam aus politischen Eliten und Bankenwelt.

Regierungen und die sie finanzierenden Banken leben schon seit der Zeit Karls V. in einer verhängnisvollen Symbiose miteinander – stets zu Lasten von Bürgern, Steuerzahlern und Sparern, stets auf Kosten von Frieden und Wohlstand. Dass ausgerechtet die rabiatlinken, „basisdemokratischen“ Grünen parlamentarische Kontrollrechte abgeben, um der internationalen (Finanz-)Kriminalität mehr Spielraum einzuräumen, ist so verrückt, dass es unmöglich erscheint, dafür Worte zu finden. Bei den beiden anderen sozialistischen Parteien der dubiosen GASPÖV-Dreierkoalition verwundert indessen schon lange nichts mehr…

Über die haarsträubenden Details des ESM-Regelwerks wurde bereits vielfach andernorts berichtet. Für Feinschmecker: Der Rechtsanwalt Carlos Gebauer in einem Vortrag zu diesem Thema: http://www.youtube.com/watch?v=ypGfFerA6Ls

Ich möchte es dabei bewenden lassen. Dafür habe ich in meinem Archiv gekramt und serienweise Zitate großer Persönlichkeiten ausgegraben, die präzise auf die gegenwärtige Lage gemünzt zu sein scheinen, obwohl sie z. T. über hundertfünfzig Jahre alt sind.

Bislang ignorierte weise Worte

Paul Watzlawick (1921 - 2007) erkannte: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ Barroso, Van Rompouy, Lagarde & Genossen sehen die Notenpresse als ihr einziges Werkzeug! Daher heißt das von ihnen als Problem erkannte Phänomen „Unterkonsumption“. Für nachhaltige Maßnahmen, für eine Rückbesinnung auf jene Werte, denen die europäischen Gesellschaften einst ihren Aufstieg verdankten, für Fleiß, Sparsamkeit und produktiven Erfindergeist, haben diese Kreaturen dagegen keinen Funken von Verständnis.

Bertrand Russell (1872 - 1970) stellte fest: „Das ist ja der Jammer, die Dummen sind sich so sicher, und die Gescheiten so voller Zweifel.“ Dummheit ist – mit Blick auf die Nomenklatura – ein nicht ganz zutreffender Begriff. Hybris – die „Anmaßung von Wissen“ würde passen. Wäre die Historikerin und Autorin Barbara Tuchmann noch am Leben und würde sie „Die Torheit der Regierenden“ heute schreiben – den Eliten der EU würde sie wohl das letzte Kapitel gewidmet haben.

John Quincy Adams (1767 – 1848), der 6. Präsident der USA, meinte: „Es gibt zwei Wege, ein Land zu erobern und zu unterwerfen: Durch das Schwert oder durch Schulden." Die Eliten (innerhalb und außerhalb Deutschlands) haben den zweiten Weg gewählt. Der bald hundertjährige Krieg gegen die Deutschen ist damit auf einer völlig neuen Ebene angelangt. Deutschland – isoliert und auch von all denen verlassen, die im eigenen Interesse an seiner Seite streiten sollten – wird, bedingt durch die gewaltigen Lasten, die es im Sinne einer seltsamen Form europäischer „Solidarität“ auf sich genommen hat (die anderen verprassen das Geld und Deutschland bezahlt die Rechnungen), auf Generationen hinaus in der Schuldknechtschaft leben.

Thomas Sowell (geb. 1930): „Die erste Lektion der Ökonomie ist die Knappheit: Es gibt niemals genug von irgendetwas, um alle befriedigen zu können, die es haben wollen. Die erste Lektion der Politik ist die Nichtbeachtung der ersten Lektion der Ökonomie.“
Dennoch gilt nach Eugen Böhm Ritter von Bawerk (1851 – 1914): „Politische Macht vermag das ökonomische Gesetz niemals außer Kraft zu setzen."
Schulden schafft man nicht durch noch mehr Schulden aus der Welt. Schulden sind zu tilgen! Dafür, dass Deutschland (im Gegensatz zu allen anderen Nationen) seine (Finanz-) Verpflichtungen auf Punkt und Beistrich erfüllt, wird, wie bereits einmal, nämlich anno 1923, im Ernstfall die Armee Frankreichs sorgen – nur dass diese mittlerweile auch über Atomwaffen verfügt…

Bertrand de Jouvenel (1903 – 1987): „Umverteilung ist tatsächlich viel weniger die Umverteilung von freiem Einkommen von den Reicheren zu den Ärmeren, sondern vielmehr eine Umverteilung von Macht vom Individuum zum Staat." Hier nähern wir uns des Pudels Kern. Die auf den nationalen Wohlfahrtsstaat und dessen Regeln bezogene Feststellung trifft nämlich auch auf das Euro-Imperium zu. Es geht nicht um eine „Rettung“ von Staaten, die durch gnadenlose Finanzhaie bedroht werden! Es geht um eine noch stärkere Machtakkumulation im Zentrum der Union – um die Aufwertung der Institutionen des Imperiums – zu Lasten der Provinzen.

Wie bereits angemerkt: Es ist nicht ganz korrekt, das Wort Dummheit zu gebrauchen, welche die Regierenden umtreibt, doch gilt, wie der Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis (1885 – 1951) meinte „Es ist schwierig jemand dazu zu bringen, etwas zu verstehen wenn sein Gehalt davon abhängig ist, es eben nicht zu verstehen.“ Man darf die Eigeninteressen der handelnden Akteure eben niemals außer Acht lassen.

Friedrich August Hayek (1899 – 1992) verdanken wir folgende wichtige Erkenntnis: „Man kann ökonomische Freiheit ohne politische Freiheit haben, aber man kann nicht politische Freiheit ohne ökonomische Freiheit haben.“ Die volle Verfügungsgewalt über privates Eigentum ist daher eine Grundvoraussetzung für politische Freiheit. Diese Verfügungsgewalt steht aber gegenwärtig (bis auf ein paar allenfalls bei Neumond im Wald vergrabene Golddukaten) nahezu vollständig zur Disposition der Brüsseler Oligarchie. Das Wort von der „Versklavung“ durch den ESM hat daher einiges für sich.

Lord Dalbert Acton (1834 – 1902) Verdanken wir nicht nur die Erkenntnis, wonach absolute Macht absolut korrumpiert, sondern auch folgende Einsicht: „Freiheit ist die Verhinderung der Kontrolle durch andere.“ Die EU nach Einführung des ESM dürfte der Orwell´schen Schreckensvorstellung einer totalen Kontrolle gleichkommen…

Das Establishment wird nicht müde, fortwährend herauszustreichen, zu welch lichten Höhen ihr unermesslicher Ratschluss die Völker Europas führen wird. Dagegen stellte Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) hellsichtig fest: „Immer noch haben die die Welt zur Hölle gemacht, die vorgeben, sie zum Paradies zu machen.“

Und um mit Ludwig von Mises (1881 – 1973) fortzusetzen: „Dieser ganzen fanatischen Verteidigung von Planwirtschaft und Sozialismus liegt oft nichts anderes zugrunde als das insgeheime Bewusstsein der eigenen Minderwertigkeit und Ineffizienz. Menschen, die sich ihrer Unfähigkeit im Wettbewerb bewusst sind, verachten ,dieses kranke Konkurrenzsystem´. Wer seinen Mitmenschen nicht zu dienen in der Lage ist, will sie beherrschen." Wie viele der Führungskader des EU-Zirkus haben ihr Geld jemals auf ehrliche Weise verdient? Jedenfalls keine der mir bekannten!

Die Politischen Eliten, die veröffentlichte Meinung und der Bankenapparat sind überzeugt zu wissen, welche Hebel es zu ziehen und an welchen Schrauben es zur „Feinzusteuerung“ unserer Gesellschaften zu drehen gilt. Doch Sören Kierkegaard (1813 – 1855) sagt: „Je mehr Leute es sind, die eine Sache glauben, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ansicht falsch ist. Menschen, die Recht haben, stehen meistens allein.“ Innerhalb der arroganten Machtelite gibt es davon wohl keinen einzigen.

Alexis de Tocqueville (1805 – 1859) erkennt in seiner lesenswerten Abhandlung „Über die Demokratie in Amerika“: „Wir finden im menschlichen Herzen auch einen verderbten Gleichheitstrieb, der bewirkt, dass die Schwachen die Starken zu sich herunterziehen wollen und dass die Menschen die Gleichheit in der Knechtschaft der Ungleichheit in der Freiheit vorziehen" Was ist die EU anderes, als ein monströses Nivellierungsprojekt? In allen Teilen der Welt gibt es Tendenzen zur Verkleinerung politischer Entitäten. Im frankophonen Teil Kanadas leben immer wieder Abspaltungstendenzen auf. In Afrika toben fortgesetzt Unabhängigkeitskriege.

Selbst innerhalb Europas haben Staatenteilungen Tradition (man denke an das ehemalige Jugoslawien oder an die Tschechoslowakei). Schottland möchte los vom Vereinigten Königreich und in Spanien lebten Basken und Katalonen lieber heute als morgen in ihrem eigenen Staat. Einzig der Moloch EU setzt auf eine gegenteilige Entwicklung – will die Völker zwischen Atlantik und Baltikum mit aller Gewalt unter ein und dasselbe Joch zwingen. Aus welchem guten Grund aber sollten sich – um es zuzuspitzen – die „Nordländer“, in denen Ordnung, Fleiß und Produktivität herrschen, von den korrupten und unproduktiven Club-Med-Ländern „herunterziehen“ lassen?

Um zum Schuldendebakel zurückzukehren, das als Vorwand für die gegenwärtigen Zentralisierungstendenzen herhalten muss: Thomas Jefferson (1743-1826) stellte fest: „Ich glaube, dass Bankinstitutionen eine größere Gefahr für unsere Freiheit darstellen als stehende Armeen.“ Und das zu einer Zeit, als es in den USA noch keine Zentralbank gab und die Staatsfinanzierung mittels der Notenpresse noch nicht üblich war. Der dritte Präsident der USA – ein Visionär.

Josef Schumpeter (1883 – 1950): „Eher bringt man einen Pudel dazu, sich eine Wurstsammlung anzulegen, als ein Parlament dazu, bei vollen Staatskassen nicht neue Ausgaben zu beschließen.“ Von „vollen Staatskassen“ kann indes bereits seit Jahrzehnten keine Rede mehr sein. Wir sind vielmehr dabei – trotz Rekordschulden – unentwegt neue Staatsausgaben zu fordern und/oder zu akzeptieren.

Doch das dicke Ende kommt gewiss. Nochmals Mises: „Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur, ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems kommen soll.“ Die hohe Politik hat sich für letzteres entschieden. Leider ist es so gut wie unmöglich, abzuschätzen, wann und wodurch der unvermeidliche Kollaps am Ende ausgelöst werden wird. Krieg? Bürgerkrieg? Eine Naturkatastrophe? Man sollte zwar das Beste hoffen, aber dennoch jederzeit auf das Schlimmste vorbereitet sein…

Ohne staatlich sanktionierte Veruntreuung von Depositen durch die Geschäftsbanken und die Schaffung von Kredit aus dem Nichts – keine Schuldenkrise. J.P. Morgan (1837 – 1913) hatte unzweifelhaft recht, wenn er meinte: „Gold und Silber sind Geld. Alles andere ist Kredit.“ Über die Alternative wusste schon Voltaire (1694 – 1778) Bescheid: „Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück – Null.“

Wir leben wahrhaft in interessanten Zeiten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die nächste Katastrophe lässt sogar den ESM als Bagatelle erscheinen drucken

Manches Mal muss einem wirklich die Zornesader platzen. Und man braucht alle Zurückhaltung, um nicht in Kraftausdrücke zu verfallen oder zum Amokläufer zu werden. Denn der extrem riskante ESM ist nicht einmal noch in Kraft getreten, schon wird von starken Kräften die Forderung nach einem europäischen Schuldentilgungsfonds erhoben. Mit dem trostreichen Zusatz: Dieser solle ohnedies nur für die 60 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung übersteigenden Staatsschulden gelten. Was nicht verbergen kann, dass damit die endgültige Katastrophe eingeläutet wird. Und wer findet sich unter den Fordernden? Natürlich ein gewisser Werner Faymann.

Das muss man sich absolut auf der Zunge zergehen lassen: Ein amtierender österreichischer Bundeskanzler spricht sich dafür aus, dass die Republik eine kollektive Haftung für 2,6 Billionen Euro übernimmt, genau: für völlig unvorstellbare 2659 Milliarden! Ach ja, im Gegenzug würde auch Österreich Schulden in diesen Fonds einbringen: nämlich genau 37 Milliarden. Ein wirklich tolles Geschäft, das der Bundeskanzler dieser Republik vorschlägt.

Und er wird nicht entmündigt oder zumindest abgesetzt.

Im Vergleich zu diesem Wahnsinnsprojekt geht es beim vielumstrittenen ESM nämlich noch um fast – fast! – überschaubare Beträge. Außerdem ist beim ESM die Haftung zumindest prinzipiell noch auf die einzelnen Länder aufgeteilt. Beim nun geforderten Schuldentilgungsfonds haftet hingegen jeder für alles!

Nun, man muss Faymann zugute halten, dass er mit seiner Haltung nicht alleine steht. Fast alle Sozialisten und Grünen Europas sind dafür, und erstaunlicherweise auch etliche Liberale. Da die ÖVP schweigt und Blau/Orange noch gar nicht begriffen haben, dass hinter dem ESM ein noch viel ärgeres Projekt in den europäischen Pipelines steckt, sind wieder einmal Angela Merkel und Europas Mutige Zwei (also die Niederlande und Finnland) die einzigen, die noch Hoffnung geben, dass der Wahnsinn nicht Wirklichkeit wird.

Angesichts der wachsenden Erpressungsmacht von Rot-Grün im deutschen Bundesrat, der Länderkammer, und angesichts von Merkels Angst, nur ja nicht als antieuropäisch dazustehen, ist zu befürchten, dass sie in ein paar Monaten auch gegenüber diesem Projekt nachgibt. Wie immer: um des lieben Friedens willen.

Fast amüsant ist ja derzeit, wie die Haupttäter aus den romanischen Ländern, die Merkel beim letzten Gipfel nächtens so brutal weitere Konzessionen entlockt haben, der deutschen Kanzlerin nun wieder mit Papagallo-Charme schöntun. Eigentlich hätte man nie geglaubt, dass das bei der so nüchtern wirkenden Frau wirkt.

Die europäischen Sozialisten tun nun so, als ob dieser Schuldentilgungsfonds ohnedies nur ein Kompromiss gegenüber der zuletzt so laut diskutierten Eurobonds-Idee sei. Dass man ihnen also geradezu dankbar sein müsse, dass sie die Eurobonds-Ideen durch diese Fonds-Idee ersetzt hätten.

In Wahrheit aber wären Eurobonds noch geradezu harmlos gegen diese Schuldentilgungsfonds. Bei Eurobonds würde es nämlich nur um die Haftung für neuaufzulegende Anleihen gehen. Beim Fonds würden hingegen sofort alle alten, die 60 Prozent BIP übersteigenden Schulden vergemeinschaftet werden! Italien könnte dann 949 Milliarden in diesen von uns allen zu tragenden 2659-Milliarden Rucksack füllen und wäre so der größte Profiteur.

Die relativ größten Draufzahler wären gar nicht die Deutschen. Die haben ja selber schon ganz ordentlich viele Schulden auf dem Buckel und wären als größtes EU-Land sogar zweitgrößter Einbringer von Schulden in diesen Rucksack. Das wirkliche Opfer wären kleine Länder wie Finnland, Slowenien, die Slowakei oder Estland. Deren Staatsschulden liegen nämlich unter der 60 Prozent-Grenze. Diese Länder würden damit gar keine Schulden in den gemeinsamen Topf einbringen und nur draufzahlen. In den Augen der Sozialisten sind das aber offenbar superreiche Ostländer. Und von denen kann man doch verlangen, dass sie jetzt in eine solche Solidarhaftung eintreten.

Womit sich ja zugleich auch die Perversion der ganzen Schuldentilgungsfonds-Logik zeigt: Es wird von den Sparsamen und Armen zu den Ländern des Dolce far niente umverteilt. Sozialismus auf europäisch halt. Beschämend ist aber auch, dass sich dieser Tage auch die europäische Bischofskonferenz für solche „Solidarität“ ausgesprochen hat. Wenn sie wenigstens schweigen würden, wenn sie schon nichts davon verstehen . . .

Das Allerschlimmste an ihrer Idee begreifen die Faymanns und Van Rompuys Europas wohl nicht einmal: Das sind nämlich die automatischen Vorwirkung dieser Idee, seit sie so konkret geäußert worden ist. Denn damit entsteht nun für jede der Schuldner-Regierungen Europas ein klarer Nutzen, schnell noch mehr Schulden zu machen. Diese werden ja dann eh im gemeinsamen Topf der „gemeinsamen Schuldenbewirtschaftung“ verrührt werden! Von dieser Idee profitiert man umso mehr, je mehr man gesündigt hat. Die Lehre: Sparen lohnt nicht, sondern schadet. Also auf Teufel komm raus noch einmal Geld ausgeben. Denn am Schluss wird man ja als Folge der Schuldengeilheit der Linken und der Schwäche der deutschen Regierung ohnedies wieder gerettet.

Jahrtzehntelang haben die nach dem Krieg Geborenen ihre Eltern vorwurfsvoll gefragt, warum sie das Hitlersche Unheil nicht gesehen haben, obwohl es sich doch so deutlich angekündigt hatte. Heute glauben wir, dass sich solches Unheil nicht mehr wiederholen kann, haben wir doch das Hakenkreuz verboten. Dabei steuern wir in ein ähnlich großes, wenn auch hakenkreuzfreies Unheil. Und fügen uns wehrlos darein. Und sind offenbar genauso hilfslos wie unsere Väter und Großväter. Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie erspart der Menschheit offenbar nie Katastrophen.

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Griechenland ist „entgleist“ – das muss uns schon was wert sein drucken

Worte, Worte, Worte. Das war es, was dem neuen griechischen Ministerpräsidenten eingefallen ist. Und, ach ja, noch eine Kleinigkeit: Das Sparprogramm sei leider „entgleist“.

Das Wort des Jahres. Irgendwie ist man, wenn man dem neuen Premier Samaras so zugehört hat, auch sicher, dass die Deutschen daran schuld sein müssen. Wer sonst? Griechenland selbst, blöde Geschichte, habe zuletzt ja zwei Wahlkämpfe führen müssen (Dass Herr Samaras selbst an diesen Wahlkämpfen schuld ist, weil er unbedingt an die Macht wollte, verschweigt er elegant). Ja, natürlich, jetzt werde man wirklich daran gehen, zu sparen und Ämter zusammenzulegen. Und, gewiss, auch privatisieren wolle man nun. Nur gehe das halt natürlich nicht, solange da in Europa irgendwer davon rede, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden werde. Selbstverständlich sei er, Samaras, auch für den Abbau von Beamten. Aber natürlich doch nicht jetzt, wenn die Arbeitslosigkeit so hoch ist.

Und so weiter und so fort (Nach seiner Leichenbittermienen-Rede hat Samaras hinter den Kulissen wahrscheinlich mit seinen Mitarbeiter angestoßen und mit ihnen hellauf über seine tragische Inszenierung gelacht).

PS.: Wie es jetzt weitergeht? Na, so wie immer. 14 Tage werden die internationalen Kontrollore schimpfen und sagen, jetzt gebe es wirklich kein Geld mehr. Bis sich dann die übliche Solidaritäts-Internationale durchsetzt – „man könne doch nicht . . .“ –, und es erneut Geld für Griechenland gibt. Aber natürlich nur gegen das ausdrückliche Versprechen der Griechen, jetzt aber wirklich alle Verpflichtungen einzuhalten. Und da behaupte noch wer, das Perpetuum mobile sei noch nicht erfunden.

 

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Fußnote 315: Warum können die Finnen, was wir nicht können? drucken

Die finnische Finanzministerin hat nun öffentlich klargemacht, dass „Finnland nicht um jeden Preis am Euro festhalten“ werde.

„Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet, auch auf einen Ausstieg aus dem Euro.“ Finnland wolle die Krise zwar lösen, aber es werde keine gemeinsame Schuldenhaftung akzeptieren und lehne auch eine Bankenunion mit gemeinsamer Haftung ab. Gleichzeitig verlangen die Finnen von Spanien zusätzliche Garantien, wenn es Hilfe für seine Banken wolle. Diese Meldung braucht eigentlich weder Kommentar noch Erläuterung, sondern nur noch die Frage an Maria Fekter: Wenn wir schon so einen Versager als Bundeskanzler haben, der aus linker Begeisterung ständig für noch mehr Haftungen eintritt: Warum sagt dann nicht wenigstens sie einfach dasselbe wie ihre finnische Kollegin? Sind dort die Frauen mutiger? Behält man im kühlen Norden leichter einen klaren Kopf?

PS.: Offenbar hat der Widerstand der Finnen und Niederländer doch etwas erreicht: Wenn die Miteuropäer den spanischen Banken schon Geld zuschieben, dann soll, wie es plötzlich heißt, nun doch auch der spanische Staat haften müssen. Was er bisher nicht wollte. Was aber wohl die mindeste Selbstverständlichkeit ist. Danke Den Haag, danke Helsinki.

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Großer Erfolg mit kleinen Trittbrettfahrern drucken

Der Vortrag von Thilo Sarrazin vor den Abonnenten des Tagebuchs und Mitgliedern des Hayek-Instituts war ein großer Erfolg. 430 Zuhörer folgten dichtgedrängt in einem TU-Hörsaal mehr als zwei Stunden lang diszipliniert dem Vortrag des deutschen Ökonomen und Buchautors und stellten ihm viele Fragen. Das Tagebuch dankt den vielen Spendern und dem Hayek-Institut für die erfolgreiche Kooperation. Und es amüsiert sich über die Hochstapelei einiger Trittbrettfahrer, die sich an diesen Erfolg anzuhängen versucht haben.

Sarrazin analysierte in großer und anschaulicher Breite die Fehler rund um den Euro. Er ging dabei vor allem darauf ein, wie sehr in den letzten drei Jahren die Regeln und Voraussetzungen einer erfolgreichen Umsetzung einer gemeinsamen Währung verletzt worden sind. Und wie diese Verletzung nun durch den „Rettungsschirm“ ESM fortgesetzt wird.

Besonders intensiv wies er die Behauptung zurück, dass Länder wie Deutschland von der gemeinsamen Währung besonders profitiert hätten. In Wahrheit haben das – bis zum Ausbruch der Krise – die Südländer auf Grund der billigen Euro-Kredite getan, wie er auch in seinem Buch „Europa braucht den Euro nicht“ mit vielen Daten nachweist. Die deutschen Exporte in die Südländer hätten sich hingegen seit Euro-Einführung deutlich reduziert. In fast allen Aspekten deckten sich Sarrazins Ausführungen übrigens mit vielen Analysen, die in den letzten Monaten im Tagebuch zu lesen waren.

Sarrazins Besuch in Österreich war komplett auf Einladung und Kosten des parteiunabhängigen Hayek-Instituts und des ebenso parteiunabhängigen Tagebuchs erfolgt. Viele Besucher des Vortrages haben durch ihre Spenden zu diesen Kosten beigetragen. Umso so skurriler ist der Akt von Hochstapelei, der in einer Reihe von Medien zu lesen war: Dort fand sich die Behauptung,  dass Sarrazin auf Einladung von BZÖ-Chef Bucher nach Wien gekommen wäre. Das ist eine mehr als üble Trittbrettfahrerei.

Sarrazin hat in Wahrheit sogar ausdrücklich erklärt, dass er Bucher vor seiner Ankunft in Wien gar nicht gekannt hat, sondern ihm erst hier bei einer Fernsehdiskussion begegnet ist.

Während sich auch einige andere Parteien an Sarrazin anhängen wollten, hat dieser kategorisch zurückgewiesen, irgendeine Partei zu unterstützen. Ihm liegt vielmehr daran, so betonte er bei seinem Vortrag, dass sich die von ihm vertretenen Inhalte durchsetzen. Das sei viel wichtiger als die Gründung oder Unterstützung einer neuen oder alten Partei.

 

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Süßes Gift Subvention drucken

Alle wollen sie haben. Und dabei sind sie fast reines Gift – das freilich aufs erste sehr süß schmeckt. Die Rede ist von staatlichen Subventionen.

Die Geschichte ist immer dieselbe: Am Anfang beklagen – meist von PR-Agenturen munitionierte – Medien Missstände und Defizite: die armen Bergbauern, die notleidende Forschung, die benachteiligten Südeuropäer usw. Dann verlangen einschlägige Lobbies Subventionen. Dann werden diese von Politikern beschlossen, wollen diese doch immer als Macher und nicht als Nichtstuer erscheinen (oder aber Zielgruppen bedienen). Dann fließt das Steuergeld. Und am Schluss bleibt der Katzenjammer.

Reden wir aber einmal nicht über den unfinanzierbaren Wohlfahrtsstaat, die teure Agrarpolitik oder die Geldverschwendungen bei Bildung und Forschung. Reden wir ganz aktuell über Spanien und die EU: Das Land kassiert nämlich nicht erst jetzt viel Geld von seinen Miteuropäern, wie uns die EU glauben macht. In Wahrheit haben Europas südliche Regionen in den letzten Jahrzehnten schon Hunderte Milliarden kassiert. Denn die betreffenden Staaten sind die Hauptprofiteure der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds. So heißt die europäische Form von Subventionen.

Mit diesem Geld sollte ein Aufholen der armen Regionen erreicht werden. Aber in Wahrheit sind diese immer weiter zurückgefallen. Und zwar wegen und nicht trotz der Subventionen! Diese Gelder haben bequeme Regionen noch bequemer gemacht. So wie ein Mensch, der Monate nur in Bett oder Lehnstuhl verbringt, das Gehen und Laufen verlernt, wurde jenen Regionen jede Eigenverantwortung abgewöhnt.

Der Schaden besteht aber nicht nur in falschen Anreizen. Überdies wurden mit diesen Geldern oft Dinge subventioniert, die nachträglich statt Erträge zu bringen, nur weitere Kosten verursachen.

Ein Musterbeispiel sind die mit viel EU-Geld gebauten spanischen Mautautobahnen. Diese stehen derzeit nach den spanischen Banken nämlich als zweite große Branche vor der Pleite. Viele dieser Autobahnen waren von Anfang an schlicht überflüssig. Selbst in besseren Zeiten floss lange nicht so viel Verkehr wie prognostiziert über die Betonbänder. Und in Zeiten der Krise wird noch viel weniger gefahren – schon um Mautgebühren zu sparen.

Diese nur zum Zweck der Abholung von Subventionen gebauten Autobahnen waren aber nur zum Teil EU-finanziert. Sie mussten zur anderen Hälfte durch konventionelle Kredite finanziert werden. Und nun werden diese Kredite nach der Reihe notleidend. Während die Tausenden spanischen Ferienwohnungen vielleicht irgendwann einmal – nach einem kräftigen Preisverfall – doch alle einen Abnehmer finden könnten, wird das bei einer nicht benutzten Autobahn hingegen nie der Fall sein.

Eine ziemlich paradoxe Situation: Hätte die EU Spanien nicht jahrzehntelang geholfen, wäre Spanien heute viel weniger hilfsbedürftig. Und die Moral der Geschichte: Wo nicht ein Unternehmer eigenes Geld investiert, sondern (europäische, spanische, österreichische . . .) Politiker und Beamte das Geld der Steuerzahler, ist die Fehlinvestition fast schon programmiert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Der nächste große Schritt zum europäischen (und österreichischen) Debakel drucken

Nun wird also der berüchtigte Europäische Stabilitätsmechanismus von Rot, Schwarz und Grün im Wiener Parlament durchgeschleust.

Was aus mehreren Gründen ein trauriger Tag ist.

  • Denn es ist keine Sekunde der Eindruck entstanden, dass sich in diesem Lande Parlament oder Regierung oder Öffentlichkeit  tiefgehend mit dem „Rettungsschirm“ für Schuldenstaaten und seinen Konsequenzen für Österreich befasst hätten. Was die intellektuelle Szene, die sich lieber mit Denkmaldiskussionen befasst, sehr von jener der anderen Zahlerstaaten unterscheidet.
  • Denn die beiden Nein sagenden Oppositionsparteien kämpfen mit Kraftausdrücken statt mit nüchternen Argumenten gegen den ESM und schaden damit dem eigenen Anliegen. Und sie konzentrieren sich oft auf Nebenfragen wie die strafrechtliche Immunität der ESM-Mitarbeiter (die aber das am wenigsten Außergewöhnliche ist, denn diese gibt es immer für internationale Organisationen und Diplomaten) statt auf die unpopuläre Diskussion über die Schuldenpolitik. An deren Wurzel stehen nämlich nicht die ständig attackierten „Banken und Spekulanten“, sondern populistische Wohlfahrtspolitiker von Links und Rechts, die den Wählern jeden Wunsch erfüllt haben.
  • Denn die Medien sind automatisch auf Seite der Regierung, nur weil Blau und Orange auf der anderen stehen. Sie können nicht begreifen, dass ein von der Rechten abgelehnter Standpunkt trotzdem falsch sein kann.
  • Denn dieser ESM ist die eskalierende, aber nahtlose Fortsetzung eines verderblichen Weges, der schon im Mai 2010 mit den ersten (EU-vertragswidrigen) Hilfen für Griechenland begonnen und inzwischen mit einem Dutzend weiterer Maßnahmen fortgesetzt worden ist. Wobei die Bürger in Deutschland und Österreich jedes Mal beruhigt wurden, dass es sich nun wirklich um die allerletzte Hilfe für Schuldensünder gehandelt habe. Und wobei nie zugegeben wurde, dass mit jeder weiteren Hilfe die Rückkehr zur ökonomischen Vernunft noch schwerer geworden ist – und jedenfalls mit totalen Gesichtsverlusten für alle Akteure des Euro-Raumes verbunden wäre.
  • Denn mutigere – oder klügere – Staaten wie Finnland oder die Niederlande wollen sich wenigstens dagegen querlegen, dass dieser ESM auch von Investoren wacklige Staatsanleihen kaufen kann. Sie wollen vielmehr die Empfängerstaaten direkt als Schuldner in die Pflicht nehmen, was diese deutlich stärker binden würde.
  • Denn schon in der Reaktion auf diesen Widerstand der beiden Länder zeigt sich, wie frech das ESM-Mandat überinterpretiert wird, bevor es überhaupt existiert: Man könne ja ohnedies mit 85 Prozent auch ohne diese beiden Staaten Beschlüsse durchziehen, wird Den Haag und Helsinki bedeutet. Damit will man einen Paragraphen missbrauchen, der eindeutig nur für absolute Notfälle ein Abgehen von der 100-Prozent-Pflicht erlaubt. Darunter würde ein normaler Mensch nur Entscheidungen als Folge einer Katastrophe unter einem Zeitdruck von wenigen Stunden verstehen.
  • Denn der EU-Gipfel vom vergangenen Donnerstag hat offenbar schon wieder eine weitere Ausdehnung der Hilfen beschlossen. Aber diese Beschlüsse waren so unkonkret, dass die dabei offenbar unterlegene Angela Merkel den Kritikern kühl entgegenhalten kann, dass es beim Gipfel ohnedies nur Diskussionen „allgemeiner Art“ gegeben hätte. Während der europäische Obersozialist Hannes Swoboda den finnischen und den niederländischen Regierungschef höhnen kann: „Haben Sie (beim Gipfel) geschlafen? Haben Sie nicht verstanden, worum’s geht?“ Für die Roten war es also offenbar schon sehr konkret.
  • Denn laut dem deutschen ifo-Institut haftet Österreich künftig schon mit 62 Milliarden Euro für die diversen Rettungsprogramme, also fast mit einem ganzen Jahresbudget der Republik. Was deren näherrückenden Bankrott deutlich wahrscheinlicher gemacht hat.
  • Denn diese Haftung kann sich im ESM noch automatisch ausweiten, wenn einer der Partnerländer ausfällt. Was so sicher ist wie die Tatsache, dass in Frankreich heute mit Euro und nicht mit Francs bezahlt wird.
  • Denn das von den Deutschen immer verlangte Gegengewicht zum ESM, der Fiskalpakt, ist ausgesprochen schwachbrüstig ausgefallen. Er verordnet den Staaten, die Gelder bekommen, zwar eine Schuldenbremse. Aber es gibt keine echten, keine automatischen Konsequenzen, wenn Staaten weiter sündigen. Vielmehr werden über Konsequenzen weiterhin nur pressionsanfällige Politiker entscheiden. Vor allem gibt es keine direkt wirksamen Eingriffe in die Geldausgaben von undisziplinierten Staaten. Die Grünen sind dabei besonders skurril: Sie stimmen dem ESM, aber nicht dem Fiskalpakt zu. Sie wollen also unser Geld hinauswerfen, ohne auch nur eine symbolische Gegenleistung zu bekommen.
  • Denn auch unter Europas Sozialisten beginnen manche zu erwachen, während in Wien, Paris und Brüssel die Linke am lautstärksten nach noch mehr „Solidaritäts“-Geld für Griechen&Co ruft. In der Slowakei hingegen wagt der neugewählte linke Premier Fico zu sagen: „Die Geduld der Öffentlichkeit ist am Ende.“ Wenn die Empfänger nicht ausreichende Reformen nachweisen, sei sein Land nicht bereit, weitere Hilfen zu leisten. Warum gibt es in der ganzen SPÖ keinen einzigen, der ähnlich zu reden imstande ist?
  • Denn alle jene, die den ESM als unabdingbar bezeichnen, reden im eigenen Interesse: Meist weil sie auf einem Haufen fauler Staatsanleihen sitzen, die sie „dem Steuerzahler unterjubeln wollen“, wie es die brillante Wiener Ökonomin Eva Pichler formuliert. Oder weil sie wie Rot und Grün an die positive Wirkung von Schulden glauben wie ein Tibetaner an den Dalai Lama. Oder weil sie wie viele Schwarze es zwar besser wissen, aber sich nicht trauen, dementsprechend zu handeln.
  • Denn sogar der oberste griechische Steuereintreiber hat zugegeben, dass die IWF-Chefin Lagarde recht hat, wenn sie die Steuerflucht der Griechen kritisiert. Die griechischen Banken weigern sich, mit den Steuerbehörden kooperieren, die vergeblich auf die Öffnung von 5000 Konten warten. Aber auch viele Steuerfahnder sind extrem bestechlich oder erpressen sogar die Steuerpflichtigen zugunsten der eigenen Tasche.
  • Denn manche der Europa-Fanatiker sind von unerträglichem Zynismus. So schrieb einer von ihnen in einem Leserbrief auf einen Artikel von mir in der Zeitschrift „Academia“ wörtlich: „ . . . für die Eurokrise müssen wir dankbar sein, weil sie uns Gelegenheit gegeben hat, endlich eine Harmonisierung der Fiskalpolitik in der EU herzustellen.“
  • Denn jede weitere Hilfe macht das Moral-Hazard-Problem noch schlimmer. Das besteht darin, dass schlechtes und riskantes Verhalten zu Lasten Dritter geht. Was natürlich dazu ermutigt, sich auch weiterhin verantwortungslos und riskant zu verhalten.

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Vertrauensbildende Maßnahmen drucken

Frage: Woran erkennt man, dass ein Politiker lügt? Antwort: Daran, dass er den Mund aufmacht!

Mit diesem alten Kalauer wird all das kurz und bündig zusammengefasst, was uns seit dem Beginn der Aktivitäten zur Schaffung einer europäischen Währungsunion von den politischen Eliten aufgetischt wurde – und zwar unabhängig von deren Parteizugehörigkeit.

Einer der vielen Belege für diese These: Zum Standardrepertoire der Regierenden zählt im Zusammenhang mit dem Management der Staatsschuldenkrise das Mantra von der Notwendigkeit einer „Wiederherstellung des Vertrauens der Finanzmärkte in die Bonität der Debitoren”. Dass dieselben Akteure mit ebensolcher Regelmäßigkeit eben diese Finanzmärkte als den Hort des Bösen schlechthin denunzieren (was eine Verkennung des Wesens dezentral erfolgender Marktentscheidungen einerseits, und einen – trotz aller gegenteiliger Erfahrungen – absurden Glauben an die Überlegenheit zentraler, zwangsbebewehrter politischer Verordnungen andererseits belegt) – passt nicht zusammen. Weshalb sollte man um das Vertrauen von als verderblich erkannten Institutionen buhlen? Unschuldig in Not geratene Staaten sollen (wie weiland der klamme Fürst in Goethes „Faust”) einen Pakt mit dem Teufel eingehen?

Inwiefern soll der fortgesetzte Bruch bestehender Verträge dazu angetan sein, verlorenes Vertrauen zurückzubringen? Wer gestern selbst eine Verschuldungsgrenze von drei Prozent nicht einhalten wollte, dem soll man abnehmen, morgen ausgeglichen bilanzieren zu können? Schlimmer noch: Wer ernsthaft behauptet, eine Kette würde dadurch an Qualität einbüßen, indem man ihr schwächstes Glied eliminiert (und genau das bedeutet das zwanghafte Festhalten am Verbleib Griechenlands in der Währungsunion), erwartet dadurch einen Zuwachs an Glaubwürdigkeit gegenüber potentiellen Kreditoren?

Selbstverständlich handelt es sich bei alledem um pure Spiegelfechterei – um eine durchsichtige haltet-den-Dieb-Taktik. Denn natürlich haben die ominösen Märkte zu keiner Zeit je einen Staat zur exzessiven Schuldenmacherei genötigt. Die politisch Verantwortlichen haben die Staaten – ohne Not und aus freien Stücken – an den Rand des finanziellen Abgrunds geführt. Nun über die angebliche Unerbittlichkeit der Gläubiger zu jammern (die sich unterstehen, Risikoaufschläge von dubiosen Kunden zu fordern!) ist lächerlich. Und dass Gläubiger dazu neigen, die von ihnen verliehenen Mittel auch wiedersehen zu wollen, sollte selbst Politikern einleuchten.

In der Tat blieb seit dem Beginn der Vorbereitungen zur Einführung einer Europäischen Währungsunion kein Register ungezogen, um der Öffentlichkeit in den Hartwährungsländern die Illusion zu vermitteln, dass es sich beim Euro um ein stabiles, hartes Geld nach Art der D-Mark handeln würde. Niemals hätten die durch Hyperinflation und Währungsreform geschädigten Deutschen jemals die D-Mark aufgegeben, hätten sie absehen können, zu welch kostspieligem – am Ende womöglich sogar friedensgefährdendem – Debakel sich das Elitenprojekt Euro entwickeln würde.

Die unbedarfte Masse – und viele naive Intellektuelle – gingen der politischen Elite auf dem Leim. Diese betrachtete das Kunstgeld niemals als etwas anderes, als ein Vehikel zur Verwirklichung einer politischen Union (die heute – vermutlich mehr als je zuvor – von den Bürgern zwischen Lissabon und Tallin entschieden abgelehnt wird).

Dass die seinerzeit von den deutschen Verhandlern fünf vor zwölf in das einschlägige Vertragswerk reklamierten „Maastrichtkriterien” niemals eingehalten oder sanktioniert werden würden, musste klar sein. Wie hätte denn eine allenfalls nötige „Strafexpedition” nach Athen, Paris oder Rom aussehen sollen? Die „Stabilitätskriterien” dienten zu keiner Zeit einem anderen Zweck, als den Deutschen Michel einzulullen.

Die dafür Verantwortlichen (namentlich Kanzler Kohl und Finanzminister Waigel), waren bereits lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass ihre famosen Stabilitätskriterien niemals würden durchgesetzt werden könnten, sollte es zu Verletzungen durch große Mitgliedsländer der Union kommen. Dass es dann – neben dem notorischen Weichwährungspatienten Frankreich – am Ende ausgerechnet die Deutschen selbst waren, die die von ihnen erfundenen Stabilitätskriterien (unter einer rotgrünen Regierung) als erste brachen, ist als Treppenwitz der Geschichte zu verbuchen.

Wie auch immer – die Zeit läuft ab. Kein einigermaßen mit den Fakten Vertrauter kann annehmen, dass die von den im Fokus der bösen „Spekulanten” stehenden Staaten ihre Verbindlichkeiten jemals – ohne Rückgriffe auf private Eigentumsrechte brutal verletzende Methoden der monetären Repression – werden abtragen können.

Ohne eine tiefe Einsicht in die der Schuldenkrise zugrundeliegenden Ursachen (im Besonderen die hemmungslose Geld- und Kreditschöpfung ex nihilo) wird eine nachhaltige Sanierung der verschuldeten Volkswirtschaften allerdings nicht gelingen. Ohne eine entschlossene Abkehr vom herrschenden Geldsystem, das auf dem Bruch von über Jahrtausende hinweg tradierten Rechtsgrundsätzen beruht; ohne eine Rückkehr zu „echtem” Geld, scheint eine Heilung unmöglich – und zwar unabhängig davon, ob das Geld am Ende Drachme, D-Mark oder Euro heißt.

Ein das im letzten Absatz angerissene Problem erschöpfend darstellendes Buch eines in der Tradition der „Österreichischen Schule" stehenden Gelehrten habe ich bereits in einem meiner letzten Beiträge genannt. Dies sei hier nochmals getan:  http://www.buchausgabe.de/public_products/geld-bankkredit-und-konjunkturzyklen-jesus-huerta-de-soto-1090

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Von Gipfel zu Gipfel zum Abgrund drucken

Jetzt beginnt jenes Giftkraut aus dem Boden zu kommen, dessen Samen im Mai 2010 gesät worden sind: Schon eine Reihe von internationalen Großinvestoren hat in den letzten Tagen signalisiert, kein weiteres Geld in Europa zu verleihen oder anzulegen. Und zwar geht es dabei nicht nur um die nun schon im Monatstakt länger werdende Liste Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Italien, Zypern ff.  Vielmehr werden nun langsam auch Deutschland oder Österreich für langfristige Anlagen zunehmend als fragwürdig empfunden. Und die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels machen klar, dass die Investoren guten Grund für ihre Haltung haben.

Das heißt natürlich noch keineswegs, dass Berlin & Co demnächst auf ihren Anleihen sitzen bleiben werden. Aber ich bin überzeugt, dass auch sie für langfristiges Geld am Ende dieses Jahres schon deutlich höhere Zinsen zahlen müssen als derzeit. Und vor allem wird bei ihrer Refinanzierung ein höherer Anteil als früher aus Geldern kommen, die nur dank der Europäischen Zentralbank überhaupt existieren.

Denn längst kann Europa nur noch dadurch seine Stabilität aufrechterhalten, dass die Notenbank halt wie in einer Bananenrepublik das Geld einfach druckt, wenn es der Staat braucht. Das war nach dem letzten Krieg in den sogenannten Nordländern völlig undenkbar, was deren Stabilität und Wachstum ermöglicht hat. Die Staaten mussten sich vielmehr selbst um ihre Kreditwürdigkeit bei unabhängigen Geldverleihern bemühen.

Dass das neu geschöpfte EZB-Geld pro forma nicht direkt an den Staat geht, sondern dazwischen über Banken geschleust wird, ist nur ein kleines Feigenblatt, um die Blößen der öffentlichen Finanzen in Europa noch ein wenig zu tarnen. Denn alle scheinen vergessen zu haben, dass am Ende alle Euro-Staaten für die EZB haften. Und die wäre ohne die Lizenz zum Gelddrucken längst insolvent.

Spekulation auf einen Euro-Bruch hilft den deutschen Zinsen

Manche werden mir nun entgegnen, dass Deutschland zuletzt ja nur extrem niedrige Zinsen zahlen musste. Dafür gibt es eine logische Erklärung: Die europäischen Anleger müssen das Geld ja irgendwo anlegen – gleichzeitig befürchten sie aber mit einem Auseinanderbrechen des Euro. Im Zeitpunkt dieses Auseinanderbrechens würde jeder katastrophale Verluste machen, der sein Geld im Süden angelegt hat. Hingegen geht es dann allen zumindest relativ gut, die ihr Geld in deutschen Staatspapieren investiert haben.

Doch das Auseinanderbrechen des Euro steht nicht auf dem Programm – obwohl vieles dafür spräche. Doch alles, was dafür spricht, sind Zwangsläufigkeiten der ökonomischen Logik. Dagegen sprechen jedoch die Zwangsläufigkeiten der politischen Logik. Und die laufen halt total konträr.

Zwar kann die Politik weder die physikalischen Gesetze noch jene der ökonomischen Grundrechnungsarten außer Kraft setzen. Aber sie kann sich lange weigern, sie zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie ihr nicht passen. So wie sie es etwa einst auch in der Frage getan hat, ob die Erde um die Sonne oder die Sonne um die Erde kreist.

Damals war der Schaden nur einer für das Tempo des wissenschaftlichen Fortschritts. Im 21. Jahrhundert wird das Ignorieren wirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten schwere Schäden für Wohlstand, soziale und damit auch politische Stabilität bringen. So wie das schon im 20. Jahrhundert einmal der Fall war.

Crash oder Inflation

Eine der wichtigsten Grundregeln der Ökonomie lautet: „Es gibt nichts umsonst. Ob es nun die Kosten eines Krieges (anschauliche Beispiele waren der erste Weltkrieg in Europa und die amerikanischen Kriege in Vietnam sowie Irak) oder die Kosten einer weit über die Produktivitätszuwächse hinausgehenden Wohlstandsvermehrung sind (wie der Ausbau des europäischen Wohlfahrtssystems seit den 70er Jahren). Am Schluss zahlt jemand die Rechnung. Durch Steuern, durch Wohlstandsverlust, durch Ausbeutung. Und wenn man glaubt, die Rechnungen einfach durch Gelddrucken bezahlen zu können, dann endet das in einer Megainflation oder im Staatscrash, also dem Ausbleiben von Beamten- oder Pensionszahlungen.“

Der jüngste EU-Gipfel hat dennoch so wie schon eineinhalb Dutzend Vorläufer einen Triumph der politischen Mechanik über die wirtschaftlichen Zwänge gebracht.

Der dumme Satz vom notwendigen "Vorrang der Demokratie über die Märkte" ist eine der besten Waffen der Politik. Denn er suggeriert mehrheitsfähig, dass es um eine Auseinandersetzung zwischen den braven und fleißigen Bürgern und irgendwelchen bösen „Banken und Spekulanten“ ginge. In Wahrheit aber sind gerade die Bürger langfristig das Opfer des Erfolgs der Politik über die Märkte. Der Ruf nach dem Vorrang der Demokratie über die Märkte hat aber ungefähr die gleiche Intelligenz wie die Aussage: „Die Demokratie muss Vorrang über das Gesetz der Schwerkraft haben.“

Eine weitere Waffe der Politik, um die Ökonomie zu knebeln, ist das, was man nur noch als Hetze gegen Deutschland beschreiben kann. Für Spanien, Italien, Frankreich & Co ist es kurzfristig viel angenehmer, sich durch Drohungen weiteres Geld aus Deutschland zu erpressen, statt mit unpopulären Maßnahmen die Staaten zu sanieren. Das ist psychologisch verständlich – auch wenn theoretisch allen klar sein müsste, dass das langfristig nicht funktionieren kann.

Das eigentlich Verblüffende ist, dass Deutschland diesem Druck regelmäßig nachgibt. Vor jedem EU-Gipfel verkündet Angela Merkel noch, hart zu bleiben. Nachher aber hat die vermeintlich starke Bundeskanzlerin doch wieder nachgegeben. Warum eigentlich?

Notfalls die Nazi-Keule

Nun, ein entscheidender Faktor liegt zweifellos darin, dass es sehr schwer ist, ganz alleine in einem Gremium von 27 Regierungschefs gegen den Rest zu stehen. Irgendwann knickt die ostdeutsche Pastorentochter dann eben doch wieder ein. Nie ganz, aber jedes Mal ein Stück mehr.

Wenn einem eine ganze Nacht lang südeuropäische Regierungschefs anschreien, dass man die Totengräberin Europas sei; wenn daheim die linke Opposition in die gleiche Richtung argumentiert; wenn selbst der außerhalb der EU stehende US-Präsident Druck auf Merkel ausübt (weil natürlich auch Amerikaner Forderungen an Spanien & Co haben); wenn als letztes Totschlagsargument gegen Deutschland die Nazi-Keule bereitliegt; wenn ein Scheitern eines EU-Gipfels kurzfristig von den Märkten garantiert als Schock empfunden würde (dessen Heilsamkeit erst später offenkundig würde): Ja, dann lässt sich auch eine Angela Merkel doch wieder auf einen faulen Kompromiss ein. Obwohl man weiß, dass es den nationalen Interessen Deutschlands schadet. Obwohl Merkel bei einem Hartbleiben die deutliche Mehrheit der deutschen Bürger hinter sich hätte.

Zumindest ein Land beugte sich beim jüngsten Gipfel jedoch nicht dem allgemeinen Druck – auch wenn das erst Tage danach klar wurde. Es sind die Finnen, die immer sehr ruhig, aber umso konsequenter agieren. Sie erklärten drei Tage nach dem Gipfel, dass sie ein Veto gegen Staatsanleihenkäufe durch den Rettungsfonds ESM einlegen werden. Dabei hat das Gipfel-Kommunique noch in Hinblick auf die nur noch schwer verkäuflichen Anleihen Italiens und Spaniens angekündigt, dass man künftig bei Anleihenkäufen „flexibler und effizienter“ sein werde.

Auch etliche andere Nationen wie die Briten, Tschechen oder Schweden haben an sich eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Sie sind aber nicht im Euro. Sie haben daher jedes Interesse, nicht in dessen Strudel hineingezogen zu werden und verhalten sich daher bei Gipfeln eher ruhig. Die ebenfalls auf Stabilität bedachten Niederländer haben wiederum eine Wahl vor sich und sind daher ebenfalls zurückhaltend.

Österreich lässt Merkel im Stich

Die größte Enttäuschung bei diesem Gipfel war das Verhalten des österreichischen Bundeskanzlers. Er hat zwar seit seinem Amtsantritt nie außenpolitisches Gewicht erlangt. Es ist deshalb unbemerkt geblieben, dass er mit seinen Äußerungen in letzter Zeit zunehmend der französischen und italienischen Schuldenpolitik nahegerückt ist. Dabei sind Österreichs Interessen zweifellos in hohem Ausmaß identisch mit den deutschen. Also müsste sich eigentlich auch Österreich mit Händen und Füßen dagegen wehren, ständig noch mehr für die Schulden fremder Länder zu haften. Das tut aber Faymann nicht. Lediglich die Finanzministerin traut sich, die österreichischen Interessen zu vertreten, während sich ihre Parteifreunde im Außen- und Wirtschaftsministerium peinlich ruhig verhalten.

Nun kann man durchaus meinen, dass auch der jüngste Gipfel an sich nicht die ganz große Katastrophe darstellt. Die wurde vielmehr schon 2010 ausgelöst, als entgegen dem EU-vertraglichen(!) Verbot Griechenland von den EU-Partnern zum ersten Mal gerettet wurde. Damals hat Merkel nach wochenlangem Zögern zum ersten Mal dem französischen Präsidenten Sarkozy nachgegeben. Alle weiteren Folgefehler haben sich dann fast zwangsläufig aus diesem ersten Fehltritt ergeben.

Das Ergebnis: Würden alle Haftungen und Kredite, die via EZB-Geldschöpfung, Target-2-Kredite, EFSF, ESM, Währungsfonds oder bilateral an die Krisenstaaten vergeben wurden, schlagend, dann wäre selbst Deutschland bankrott.

Es ist in hohem Ausmaß wahrscheinlich, dass Deutschland sogar jetzt schon überfordert ist. Das werden auch immer mehr potenzielle Kreditgeber in den nächsten Monaten erkennen. Das hat man nur eine Zeitlang dadurch verbergen können, dass die Haftungen und Kredite für die Schuldenländer in so vielen komplizierten, für den Laien kaum durchschaubaren, aber in Wahrheit immer auf dasselbe hinauslaufenden Instrumenten verborgen sind.

Einige wenige positive Signale

Gewiss darf man auch die wenigen positiven Signale aus Europa nicht ignorieren: Irland hat sich durch braves Sparen weitgehend wieder erholt; Portugal hält tapfer sein Sparprogramm ein; Italien hat zumindest einen Primär-Überschuss (es gibt also als eines der wenigen Krisenländer weniger aus, als es einnimmt, wenn man die Bedienung der Kredite ignoriert).

Aber das deutet noch auf keine echte Wende. Das zeigt noch nicht, dass die Rettungs-Idee funktioniert. Deren Kern lautet ja: Die Anderen schießen Geld zu, um Zeit zu kaufen, in der sich die Schuldenländer sanieren können. Länder wiue Griechenland haben die Zeit in keiner Weise genutzt. Spätestens seit auch ein Schwergewicht wie Frankreich ganz auf Schulden setzt, ist diese Zeitkauf-Idee wohl weitgehend gescheitert.

Zu diesem Scheitern hat noch mehr beigetragen, dass in diesen beiden Jahren allen die Botschaft vermittelt wurde: Die Deutschen als Chefs der kleinen Gruppe, die noch ein bisschen kreditwürdig ist, machen am Ende doch nie wirklich ernst mit ihren Drohungen. Sonst wäre ja etwa Griechenland schon lange das Geld ausgegangen.

Schon wieder eine neue Bankenaufsicht

Signifikant für das peinliche Herumdoktern der EU-Chefs ist die Ankündigung einer neuen europäischen Bankenaufsicht durch den jüngsten Gipfel. Das klingt gut. Nur hat man schon im Vorjahr haargenau dasselbe getan: nämlich eine Europäischen Bankenaufsicht (EBA) geschaffen. Diese hat damals mit ihren Stresstests für die Banken viel Aufsehen erregt hat. Diese EBA hat freilich den spanischen Banken ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt – und zwar knapp bevor da einige davon in Konkursgefahr geraten sind und vom Staat gerettet werden mussten.

Daher weiß jetzt kein Mensch, wie künftig diese beiden Aufsichten miteinander und mit den zahllosen sonstigen nationalen und internationalen Bankenaufsehern (für Österreich etwa OeNB, FMA, BIZ, IWF, OECD) harmonieren werden. Auch die Regeln und Konsequenzen der neuen Bankenaufsicht sind völlig unklar. Denn eigentlich will ja gar niemand größere Banken in die Insolvenz schicken. Vor allem will aus Eigeninteresse kein Staat, dass die Banken damit aufhören, die Staaten weiter zu finanzieren. Dabei ist die Staatsfinanzierung – neben den Immobilienkrediten – zur größten Risikoquelle des Finanzsystems geworden und müsste eigentlich als erstes eingeschränkt werden. Also ist das ständige Gerede „Noch mehr Aufseher!“ nur ein Mittel zur Wählertäuschung.

Diese Bankenaufsicht Nr. 227 (oder so) dient nur dazu, den eigentlichen Trick des jüngsten Gipfels zu tarnen: Künftig sollen die diversen europäischen Fonds auch Banken direkt „retten“ können (die eben zur Rechtfertigung dieses Schritts künftig auch von der EZB beaufsichtigt werden). Selbst wenn dazu kein neues Geld in die Rettungsfonds gepumpt werden sollte, ist diese scheinbar harmlose Maßnahme gefährlich: Erstens zählen diese Kredite nicht zur nationalen Staatsverschuldung, gefährden also scheinbar nicht die ohnedies labile Kreditwürdigkeit der Südstaaten und deren Maastricht-Kriterien. Und zweitens bekommen die Rettungsfonds solcherart nicht die Möglichkeit eines direkten Drucks auf die Staaten, mehr zu sparen.

Ebenso ärgerlich ist, dass der ESM (in dem also ein Gutteil der deutschen und österreichischen Haftungen stecken wird) gegenüber Spanien den Status als bevorrechteter Gläubiger verliert. Womit die Hoffnungen auf einen Rückfluss der Gelder weiter reduziert worden sind.

Das mag die Wall Street und einige andere Gläubiger Spaniens freuen. Für die mitteleuropäischen Steuerzahler ist das eine schlechte Nachricht.

"Schuldenbewirtschaftung" statt Sanierung

Statt von Sparen und Sanierung redet daher die Politik neuerdings lieber von einer „Schuldenbewirtschaftung“. Wenn dieses Wort überhaupt irgendetwas heißt, dann eines: Niemand denkt daran, jemals die Schulden wirklich zurückzuzahlen.

Das Konzept „Zeitgewinn zur Sanierung“ scheitert vor allem deshalb, weil die Nationalstaaten nie und nimmer die wirkliche Gesetzgebungs-Autorität an übergeordnete Institutionen abgeben. Aber selber sind die meisten Staaten unter dem Druck der Wähler offenbar zu keiner echten Sanierung imstande. Jedoch nur durch einen nicht vom Populismus der nationalen Parlamente und Regierungen abhängigen Insolvenzverwalter könnten die meisten Staaten saniert werden: Dieser müsste selbst Beamtenkündigungen durchsetzen, das Pensionsantrittsalter erhöhen, die Urlaube verkürzen, unproduktive Subventionen streichen und vieles andere ebenso Notwendige wie Unpopuläre tun können. Das wird ihm keine Regierung erlauben.

Statt die Einsetzung solcher Sparbevollmächtigter zur Bedingung zu machen, hat Europa den Schuldenstaaten immer weitere Schecks geschickt und nur dazu gesagt: „Wenn ihr nicht spart, gibt es aber beim nächsten Mal wirklich kein Geld mehr“. Das aber wird zunehmend zur europäischen Lachnummer.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Kinder zwischen Familie und Staat drucken

In Deutschland tobt eine auch für Österreicher spannende Diskussion über die Einführung eines Betreuungsgelds für daheim aufgezogene Kleinkinder in den ersten drei Lebensjahren. Da kann man manche Argumente dagegen und etliche dafür vorbringen. Aber sicher falsch ist die Haltung der FDP.

Denn die deutschen Liberalen wollen die Entscheidung nicht den Eltern überlassen, ob diese in den ersten Jahren das Kind daheim betreuen (und dafür 100 oder 150 Euro Betreuungsgeld bekommen) oder in einen (geförderten) Kindergarten stecken. Sie wollen vielmehr die Entscheidung den Bundesländern überantworten. Das aber ist alles andere als liberal. Da würde neuerlich in einem weiteren Bereich ganz unliberal der Obrigkeit eine Entscheidung zugeschoben, die gerade ein Liberaler den Familien selbst überlassen sollte.

Viel seriöser ist ein anderer Vorwurf gegen das Betreuungsgeld: nämlich jener, dass das Geld dafür fehlt. Denn auch Deutschlands Kassen sind von schweren Schulden geplagt, obwohl sich die deutsche Wirtschaft relativ – relativ! – gut entwickelt. Ganz abgesehen von den über 300 Milliarden, die das Land schon für Europas Schuldner haftet.

Das Grunddilemma ist der Konflikt zwischen der Freiheit (sich einige Jahre den eigenen Kindern anstelle eines Berufes widmen zu können) und dem staatlichen Zwang (weil der Staat eben immer am besten weiß, was gut für die Menschen ist). Ein liberales wie auch ein christliches Menschenbild kann nur zu einer Ablehnung von noch mehr Macht für den Staat, noch mehr Bevormundung durch den Staat führen. Liberale wie Christen müssen, wenn sie ihre Überzeugungen ernst meinen, für Wahlfreiheit und damit auch die alternative Möglichkeit eines Betreuungsgeldes sein.

Nur wer unternehmerische Interessenpolitik mit der Grundhaltung eines am Individuum und dessen Freiheit orientierten Liberalismus verwechselt, kann gegen das Betreuungsgeld sein. Denn kurzfristig orientierte Unternehmer sehen in Zeiten relativer Vollbeschäftigung natürlich die gut ausgebildeten jungen Frauen lieber am Arbeitsplatz als daheim bei der Betreuung der eigenen Kinder.

Gibt man dem Staat die Entscheidung über die Kindererziehung, dann kommt man sofort zum nächsten Dilemma: Ist ein früher Kindergartenbesuch – also schon lange vor dem dritten oder auch zweiten Geburtstag –  eigentlich gut oder schlecht für die Kinder? Diese Frage muss man dann sehr rasch noch weiter präzisieren: Für welche Kinder ist er eher gut und für welche weniger?

Viele Studien zeigen da nämlich ein klares soziales Gefälle. Bei sozialen Unterschichten (was im Klartext sehr häufig heißt: bei Zuwanderern mit islamischem oder afrikanischem Hintergrund und ohne deutsche Muttersprache) ist es für die Kinder hilfreich, möglichst früh aus ihrem oft lähmenden häuslichen Milieu herausgerissen zu werden. Hier könnte das Betreuungsgeld den falschen Anreiz bedeuten, Kinder möglichst lange in diesem Milieu zu lassen.

Bei normalen deutschen Mittelstands- oder Oberschichtfamilien liegt die Wirkung der Familie aber genau umgekehrt: Wenn sich Mütter (ich weiß schon: oder Väter oder Großeltern oder Tanten) in den ersten Lebensjahren hauptberuflich um die Kinder kümmern können, ist es besser für diese, als wenn sie den Großteil des Tages weggegeben würden. Was aber auch beim Mittelstand in der Regel nicht heißt, dass für ein Kind vor dem dritten Geburtstag ein paar Stunden pro Woche in Fremdbetreuung schädlich wären.

Ausnahmsweise könnte eine Lösung dieses schichtenspezifischen Dilemmas in der österreichischen Idee von Sprachstandsfeststellungen liegen. Diese erheben, ob kleine Kinder ausreichend Deutsch können. Ist das nicht der Fall, so schlägt für Österreich Sebastian Kurz sogar eine zweijährige Kindergartenpflicht vor, freilich erst ab dem vierten Geburtstag. Aber jedenfalls sollten bei den in einer anderen Sprache aufwachsenden Kindern die Anreize deutlich verstärkt werden, dass sie früher in den Kindergarten gehen.

Die deutsche Reglementiersucht hat hingegen unabhängig von der Nachfrage per Gesetz die Zahl der Kindergartenplätze angeordnet, welche es im nächsten Jahr geben müsse. Dabei gibt es überhaupt keine Chance, dass es auch genügend Kindergärtnerinnen dafür gibt. Auch die EU, die ja zur Rettung der eigenen Existenzberechtigung von noch üblerer Reglementierwut befallen ist, hat solche Quoten dekretiert – schon für Unterdreijährige! Diese EU-Vorgabe wird in Österreich zum Glück weitgehend ignoriert. Viel wichtiger ist es, dass etwa ab dem dritten Geburtstag alle Kinder mit fremder Muttersprache einen solchen Platz bekommen können.

Wenig beachtet, aber sehr erfreulich ist ein anderes Phänomen, dass sich in diesem Zusammenhang zu zeigen beginnt: Junge Frauen mit Kindern mischen sich zunehmend in ihre eigenen politischen Angelegenheiten ein. Sie erkennen wie etwa die deutsche Familienministerin, dass die in der Politik so lautstarken Radikalfeministinnen ihre ärgsten Feinde sind. Diese kämpfen für Genderaufsichtsbeamtenposten und  Aufsichtsratssitze für ihresgleichen, aber keine Sekunde lang für die Interessen junger Mütter und Familien. Diese kämpfen – um ein Beispiel aus dem kommunalen Mikrokosmos hinzuzufügen – für Radwege, selbst wenn dadurch der Auslauf für kleine Kinder oder die Manövrierfläche für einen Kinderwagen noch weiter eingeschränkt werden.

Neben der emotionalen Stärke dieser Frauen ist für mich in dieser Frage noch ein anderer Eindruck sehr bestimmend: Das sind die verbrecherischen Zustände, unter denen Kinder jahrzehntelang in öffentlichen Pflege- und Heimplätzen aufwachsen mussten, nachdem sie ihren Eltern von angeblich wohlmeinenden Fürsorgerinnen abgenommen worden waren. Wegen der Arbeitslosigkeit oder Kriminalität des Vaters, wegen Alkoholkonsums der Eltern, oder weil man es halt einer ledigen Mutter nicht zutraut, ihr Kind aufziehen zu können. Dabei wären auch in diesen Fällen fast immer die leiblichen Eltern für die Kinder weit besser gewesen als die Prügel- und Kinderbordelle der Gemeinde Wien. Für welche übrigens Politiker die Verantwortung getragen haben, nach denen bis heute Straßen und Wohnhäuser genannt sind. Was zeigt, dass auch die dafür verantwortlichen heutigen Politiker vielleicht Gutmenschen, aber sicher keine guten Menschen sind.

Und jetzt sollen wir plötzlich Vertrauen zu dem gleichen Staat haben? Jetzt sollen seine immer mehr ins Leben jedes Einzelnen vordringenden Entscheidungen für Kinder und Familien besser sein als jene der Eltern? Eine ungeheure Zumutung.

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Was war denn das für ein Gipfel? drucken

Alter Wein in neue Schläuche. Oder: Schon wieder ist Angela Merkel eingeknickt. Beide Reaktionen waren in den ersten Stunden nach dem Gipfel zu hören.

Und seltsamerweise sind beide Sichtweisen zum Teil richtig. Rechtskräftig ist vorerst noch gar nichts. Die wirklichen Folgen werden noch von der detaillierten Ausarbeitung der Gipfelbeschlüsse abhängen. Aber dennoch ist jetzt schon klar: Die deutsche Bundeskanzlerin ist in einigen Punkten eingeknickt. So soll es künftig entgegen dem vor dem Gipfel beschworenen deutschen Standpunkt auch direkte Stützungskredite an Banken geben, womit insbesondere die spanische Regierung etliches an Verantwortung Richtung Europa los wäre. So ist offenbar die Kontrolle für Schuldenregierungen gemildert, nicht verschärft worden.

Damit hat sich erneut gezeigt: Die deutsche Regierungschefin hält Druck nicht gut aus, wenn sie von fast allen anderen Kollegen eine Nacht lang belagert wird. Das ist deprimierend. Denn schließlich ist sie der einzige europäische Außenposten der Vernunft. Die Front der südeuropäischen Schuldenländer und der erstarkenden Linksregierungen hat daher einen Punktesieg verzeichnen können. Besonders ärgerlich ist dabei, dass auch Österreich in diese Front eingetreten ist – obwohl Bundeskanzler Faymann ohne Sanktus der ÖVP dort eigentlich keine Position beziehen dürfte.

Auf der anderen Seite hat Merkel in der wichtigsten Frage gehalten: Es gibt keine Eurobonds (auch wenn der schon bei früheren Gipfeln beschlossene und in den nächsten Tagen durch das Berliner und Wiener Parlament gehende Stabilitätsmechanismus ESM diesen Eurobonds verdammt ähnlich schaut).Damit fließt nur alter Wein, also schon früher zugunsten von Staats-Hilfen beschlossenes Geld an die Banken.

Bezeichnend ist die Reaktion der Märkte (die ja alle heftig auf das deutsche Geld gieren): Zuerst stiegen sie steil, aber schon Stunden später fielen sie wieder, als sie das Ergebnis genauer analysiert hatten. Womit die Halbwertszeit des Gipfels ein absolutes Rekordniveau erreicht hat. Hatten doch die „Durchbrüche“ auf den 18 bisherigen Krisengipfeln in der Regel wenigstens ein paar Tage lang die Märkte beruhigen können.

 

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Strom: Blackouts kommen auf uns zu drucken

Bei der Energiewende in Europa droht einiges schief zu laufen. Insbesondere bei den Kosten ist mehr Realismus nötig: So darf es etwa keine ungehemmte Ökostrom-Förderung geben, denn irgendwann stößt die Belastbarkeit der Verbraucher an Grenzen. Die seit gut einem Jahr in Deutschland laufende Debatte über die Energiewende hat exemplarisch eine Reihe von Problembereichen aufgezeigt, für die eine wirkliche Lösung fehlt.

Das gilt etwa für den fehlenden Stromnetzausbau, aber auch einen suboptimalen Kraftwerkseinsatz, bei dem im Süden Deutschlands zu viel abgeschaltet worden ist, während der Norden von Windkraft-Strom überschwemmt wird. Der Netzausbau könnte den Nachbarn 57 Mrd. Euro kosten, mehr als die deutsche Griechenland-Hilfe. Das Stromnetz steht schon ziemlich unter Druck: Experten hoffen, dass es die nächsten zwei, drei Jahre zu keinen Stromausfällen kommt. Aber deren Wahrscheinlichkeit ist deutlich gestiegen.

Pro Jahr gibt es in Österreich 10.000 kleine und mittlere Stromausfälle. Im vergangenen Jahr musste der österreichische Übertragungsnetzbetreiber APG 2.500 Mal stabilisierend ins Netz eingreifen. 2009 war dies nur 1.900 Mal notwendig. Laut APG hat es heuer durch hohes Windaufkommen in Deutschland hierzulande bereits einige Beispiele kritischer Netzsituationen gegeben.

Das viertägige Blackout in Teilen der USA und Kanada im Sommer 2004 hat schätzungsweise wirtschaftliche Verluste in der Höhe von sechs Mrd. US-Dollar (4,7 Mrd. Euro) verursacht. Ein totaler Stromausfall in Deutschland würde pro Stunde 0,6 bis 1,3 Mrd. Euro kosten. Am teuersten wäre ein Stromausfall für die Finanz, Telekom- und Halbleiterindustrie. Den letzten großen Blackout in Europa gab es 2003, als das ganze Stromnetz in Italien für 18 Stunden zusammenbrach. Technische und menschliche Fehler sowie mangelhafte Instandhaltung sind die Hauptursachen von Blackouts. Sonnenstürme und Terroranschläge sowie Cyberattacken rücken aber immer mehr in den Fokus der Energieversorgungssicherheit.

Die österreichische Energiewirtschaft sieht auch eine steigende Gefahr von Blackouts. Derzeit liegt Österreich mit im Schnitt rund 30 Minuten an ungeplanten Stromausfällen pro Jahr noch an dritter Stelle in Europa. Durch den steigenden Stromverbrauch und die Energiewende würden die Stromnetze in Spitzenzeiten aber an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Es steht zu befürchten, dass es in Europa zur Bildung von teuren „Kapazitätsmärkten" für nicht laufende Gaskraftwerke in Warteposition kommt, deren Kosten die Stromverbraucher dennoch berappen müssten. Einen solchen Ausgleich von Marktmängeln benötigt Österreich gar nicht, dennoch könnte die Belastung hierzulande 50 bis 150 Mio. Euro ausmachen. Vor allem in Deutschland sind solche Kapazitätsmärkte schon länger in Diskussion, nachdem mit Erdgas befeuerte Kraftwerke derzeit relativ unrentabel sind, aber als Reserve-Kraftwerke für Ökostrom benötigt werden.

Es geht nicht an, Erneuerbare Energien ungehemmt zu fördern, denn dann wird die Stromerzeugung für andere Marktteilnehmer unattraktiver. Endlich wird auch auf EU-Ebene darüber diskutiert, dass man Elektrizität aus Renewables nicht um jeden Preis ins Netz einspeisen lassen kann, wenn kein Bedarf danach gegeben ist. In Deutschland sind die Ökostrom-Zuschläge mit 4,6 bis 5,3 Cent je kWh schon fast so hoch wie die eigentlichen Stromkosten von 5 bis 6 ct/kWh, in Österreich liegen sie bei einem Drittel. Schrittweise müssten die Erneuerbaren von der „Förder-Infusion" gelöst und in den Wettbewerb gebracht werden, also sich nach einer gewissen Phase einer Anschub-Investitionsförderung selbst finanzieren können.

Die deutsche Energiewende kostet Österreich schon jetzt 200 Mio. Euro im Jahr, da durch die AKW-Abschaltungen die auch für uns relevanten Strom-Großhandelspreise nach oben getrieben worden sind. Die bisherigen preisdämpfenden Effekte im deutschen Strom-Großhandel für Österreich fielen damit weg, die Strompreise werden auch bei uns in den nächsten Jahren kräftig steigen.

Wie soll das Energiesystem der Zukunft aussehen?

Die Politik muss sich entscheiden, ob sie den Sektor regulieren will, oder dem freien Wettbewerb überlassen möchte. Im Energiebereich gilt es zwei zentrale Fragen zu beantworten: Zum einen, ob Lösungen auf nationaler oder europäischer Ebene erfolgen sollen. Und zum anderen, ob es Regulierung oder Wettbewerb geben soll.

Die Antworten sind klar. Man müsste konsequent auf Wettbewerb setzen und Abstand von Regulierung nehmen. Die Spielregeln für den Wettbewerb müssten allerdings sehr wohl die Politik festlegen, besonders beim Ausgleich unerwünschter externer Effekte, etwa beim Thema Umwelt.

Im Kampf gegen den Klimawandel gilt es dennoch auf erneuerbare Energien zu setzen. Welche Technologie allerdings an welchem Standort zum Einsatz kommt, muss der Markt entscheiden. Nicht jeder Standort bietet dieselben Voraussetzungen. Windenergie in Schottland ist marktfähig, Photovoltaik in Deutschland dagegen nicht. Die Politik könnte eine Quote für erneuerbare Energien vorgeben, die Anbieter in ihrem Portfolio erfüllen müssen.

Die Entscheidung über die konkrete Technologie ist allerdings Sache der Unternehmen. Wie schwierig diese Entscheidung oft ist, zeigt sich bei den deutschen Offshore-Windparks. Versicherungen können sich beispielsweise bei derartigen Projekten nicht engagieren, denn die deutsche Finanzmarktaufsicht betrachtet derartige Engagements so, wie wenn man in Hedgefonds investieren würde.

Energiepolitik muss künftig auf europäischer Ebene erfolgen, über nationalstaatliche Grenzen hinweg. Bisher gibt es zwar einen gemeinsamen Binnenmarkt für den Großhandel. Die konkrete Energiepolitik ist aber von Land zu Land unterschiedlich. Es zeigen sich hier Ähnlichkeiten zur Euro-Krise: Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Fiskalpolitik funktioniert nicht.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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SN-Kontroverse: Österreichs EU-Kurs drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Fährt Österreich einen guten Europa-Kurs?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

An Statur gewonnen

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Der Kanzler und SPÖ-Vorsitzende hat eindeutig an Statur in EU-Fragen gewonnen. Er vertritt klare Botschaften und zieht sie mit erstaunlicher Konsequenz durch. Der seinerzeit so heftig umstrittene Brief an die Chefredakteure und Herausgeber verschiedener Tageszeitungen, wonach in wichtigen EU-Fragen - das gilt besonders für wesentliche Änderungen der Verträge - künftig eine Volksabstimmung abzuhalten ist, besitzt politischen Kultstatus. Der offenen Brief, der die Unterschrift von Werner Faymann und Alfred Gusenbauer trägt, erweist sich in der Rückschau nach gefühlten Jahrzehnten der Eurokrise als geradezu visionär. Selbst ÖVP-Chef Außenminister Michael Spindelegger ist dieser Tage auf diese Linie eingeschwenkt. Wahrlich keine Selbstverständlichkeit, wenn man weiß, wie sehr der Brief die beiden Parteien entzweit hat. Faymann punktet auch in Sachen Finanztransaktionssteuer auf dem europäischen Parkett. Die österreichischen Sozialdemokraten waren die Ersten, die sich massiv für die Steuer ins Zeug gelegt haben und frühzeitig konnten die Deutschen mit ins Boot geholt werden - allen voran Wolfgang Schäuble (CDU). Zuletzt hat Finanzministerin Maria Fekter heftig für die Einführung der Lenkungsabgabe zur Zügelung der Finanzmärkte gekämpft. Das trug ihr lobende Worte vom Grünen Vizeparteichef Werner Kogler ein. Durchaus bemerkenswert, da Oppositionelle beim Lob für Regierende naturgemäß zurückhaltend sind. Nun ist es endlich so weit. Die größten Volkswirtschaften des Währungsraums, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien sowie Österreich, Belgien, Portugal, Slowenien, Griechenland und Zypern wollen diesen Schritt setzten. Wenn alle Details geklärt sind und die Steuer kommt, die eine Rückbesinnung auf die Realwirtschaft einleitet, ist dies ein großer Schritt aus der Krise. Der Kanzler und sein Kabinett dürfen sich den internationalen Erfolg zu Recht auf ihre Fahnen heften.

Eine Angela für Österreich

Andreas Unterberger

Diese Frage überfordert mich. Ich bin nicht imstande, einen klaren oder gemeinsamen Europa-Kurs der Regierung zu erkennen (von der wirtschaftspolitisch unbedarften Opposition ganz zu schweigen).

So hat SPÖ-Chef Faymann anfangs die Europa-Politik einfach der Kronen-Zeitung überantwortet. Nach dem Tode Hans Dichands konnte er diese ignorieren und er hängte sich an die Rockschöße Deutschlands. Das war seine relativ beste Phase. Seit aber in Frankreich die Sozialisten an der Macht sind, eiert Faymann haltlos herum. Denn Frankreich giert wie ein Drogensüchtiger auf neue Schulden und die Haftung Deutschlands und Österreichs dafür (etwa durch Eurobonds). Dennoch hat Faymann die "Eurobonds" skurrilerweise sowohl positiv wie negativ kommentiert.

Die ÖVP ist noch stärker an Angela Merkel orientiert. Parteichef Spindelegger hat ansonsten das mitten in einer aktuellen Krise eher esoterische Thema einer neuen EU-Verfassung mit Direktwahl eines Europa-Präsidenten entdeckt. Am positivsten wirkt die Finanzministerin, die sich neuerdings überraschend deutlich gegen weitere Schuldenübernahmen ausspricht. Aber auch bei ihr hat man kaum den Eindruck, dass Österreich jemals auch ohne Schielen nach Berlin mutig eine eigene Position durchziehen würde. Die etwa lauten sollte: "Auch wenn der Euro viele Vorteile gebracht hat, geben wir ihn lieber wieder auf, bevor die hemmungslose Schuldenpolitik südeuropäischer Krisenländer auch Österreich (und andere) mit in den Strudel reißt." Oder: "Es gibt nach den rund 30 sinnlos für Haftungen riskierten Milliarden aus Österreich keinen Cent mehr für Länder wie Griechenland, die alle Reformversprechen gebrochen haben. So lange ich lebe." Freilich: Auch Angela M. ist dieser ermutigende letzte Satz erst mit zweijähriger Verspätung Inhalt eingefallen.

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Französische Einbahn in die Arbeitslosigkeit drucken

Immer wieder wird in akademischen Analysen wie in Fernseh-Talkshows diskutiert, warum niemand vor der großen Krise gewarnt hat. Nun, im Nachhinein sind immer alle klüger. Deswegen sei hier einmal im Vorhinein eine intensive und heftige Warnung Richtung Zukunft ausgesprochen: Frankreich wird in eine schwere Arbeitslosigkeit stürzen, was angesichts der Größe und Bedeutung des Landes auch ganz Europa in eine neuerliche Krise stürzen wird. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn es die schon heute von Griechenland bis Portugal reichende europäische Mehrfachkrise nicht gäbe.

Denn Frankreich macht seit Jahren unter Präsidenten beider Couleurs auf dem Arbeitsmarkt unglaublich viel falsch. Und es ist lernunfähig, die neue Regierung will nun noch viel mehr falsch machen. Was vernichtende Folgen für die ganze Wirtschaft haben wird.

Derzeit sind im Lande De Gaulles, Napoleons und Ludwig XIV. rund 2,9 Millionen Menschen arbeitslos, also fast zehn Prozent der Arbeitsbevölkerung. Das sind die weitaus höchsten Zahlen seit Beginn des Euro. Die Rigidität des französischen Arbeitsmarkts hat viele Arbeitsplätze verschwinden lassen, die dann in anderen Ländern anders, billiger und vor allem flexibler neu entstanden sind. In Osteuropa, Asien und Nordafrika. Vor allem private Unternehmer sind seit vielen Jahren nicht mehr motiviert, in Frankreich zu investieren und damit Arbeitsplätze zu schaffen.

Wirtschaftsfeindliches Arbeitsrecht

Sehr negativ wirkt sich das tief aus dem vorigen Jahrhundert stammende Arbeitsrecht aus. Es ist ein Produkt einer stark von der linken Kulturszene geprägten Gesellschaft. In kaum einem anderen Land setzt diese mit satten staatlichen Förderungen finanzierte Szene ideologische Klassenkampf-Akzente. Unternehmer sind prinzipiell die Bösewichte, welche die Arbeitnehmer schikanieren und ausbeuten.

Wer daran zweifelt, möge nur einen repräsentativen Ausschnitt französischer Filme analysieren. Diese sind wieder interessanterweise nicht nur von linken, sondern auch von rechten Regierungen heftig gefördert worden: Die Rechte ist in Frankreich nämlich nicht primär marktwirtschaftlich, sondern vor allem nationalistisch geprägt. Sie sieht daher Film&Co als wichtige Träger des nationalen Ruhms und der sprachlich-kulturellen Identität. Das da oft Klassenkampf pur transportiert wird, ist der Rechten meist nicht so wichtig gewesen. Haben doch auch die Gaullisten oft einen abgemilderten nationalen Sozialismus geschätzt.

Kündigen darf man erst, wenn man schon Verluste macht

Das größte Hindernis für die Anstellung neuer Arbeitskräfte ist der französische Code du Travail, also das Arbeitsgesetzbuch. Dieser Code ist nicht weniger als 3200 Seiten dick. Er regelt genau, wie man Arbeitskräfte zu klassifizieren hat, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, wenn man Arbeitskräfte kündigen will. Und so weiter. Dazu kommen ständige Änderungen der Sozialversicherungsregeln, die den Arbeitgebern jedes Mal große Umstellungskosten verursachen.

Die abschreckendste Hürde: Solange ein Unternehmen Gewinne macht, ist es fast unmöglich, Arbeitnehmer zu kündigen. Es gibt etliche Fälle, wo Kündigungen von den Gerichten nach mehr als zwei Jahren rückgängig gemacht worden sind. Was nicht nur zur Nachzahlung von Gehältern, sondern auch zur Wiederanstellung von Mitarbeitern geführt hat, die voll Hass auf den Arbeitgeber sind.

Das weitgehende Kündigungsverbot bedeutet in der Praxis: Die Krise einer Firma muss sich erst voll in den Bilanzen niedergeschlagen haben, bevor man reagieren kann. Dann aber kommt die Reaktion oft um viele Jahre zu spät. Aber auch sonst wären Kündigungen trotz Gewinnen oft sehr sinnvoll: Wenn beispielsweise nur ein Bereich nicht effizient ist, sollte er abgebaut werden, damit man das freiwerdende Geld sinnvoller einsetzen kann, etwa durch Entwicklung neuer Produkte.

Eine weitere Folge des französischen Arbeitsrechts: Nicht weniger als zehn Prozent der Beschäftigten sind Betriebsräte. Auch wenn die nicht alle komplett von der Arbeit freigestellt sind, gehen doch all ihre Sitzungen, Wahlkämpfe und Besprechungen komplett auf Kosten der Arbeitszeit.

Der 50. Arbeitnehmer ist der teuerste

Die restriktivsten Regeln des französischen Arbeitsrechts gelten zwar „nur“ für Unternehmen mit mehr als 49 Mitarbeitern. Aber diese Grenze hat eine katastrophale Folge: Viele Tausende französischer Firmen verzichten prinzipiell darauf, einen 50. Mitarbeiter (und natürlich dann auch 51., 52. Oder 53. usw) anzustellen. Was automatisch viele mögliche Arbeitsplätze verhindert. Dennoch wird in eigenen Konferenzen lange nachgedacht, warum es in Frankreich so wenige mittelgroße Unternehmen gibt (es gibt nur kleine Familienbetriebe und die großen Staatsgiganten).

Wenig produktiv ist es auch, dass manche Unternehmer als Folge dieser Gesetze lieber eine zweite und eine dritte Firma gründen, um die 49er Regel zu umgehen. Denn das kostet dann wiederum unnötig viel Geld für Anwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer und Buchhalter, um diese Firmenvielfalt korrekt zu administrieren.

Ab der 49er Grenze sind französische Unternehmer auch – über die Gehälter hinaus – zu Gewinnbeteiligungen verpflichtet. Wobei diese an sich zwar ein durchaus gutes Motivationsmittel sind. Aber sobald sie nach staatlichen Regeln erfolgen, sorgen die Betriebsräte dafür, dass auch keineswegs motivierte und produktive Arbeiter aus der Gewinnkasse bedient werden.

Die übelste Konsequenz des französischen Arbeitsrechts: Dieses kommt Arbeitgeber nicht nur oft sehr teuer und verhindert unternehmerische Flexibilität, bei Verletzung gewisser Regeln können Arbeitgeber sogar ins Gefängnis kommen. Auch das erhöht nicht gerade die Bereitschaft, in Frankreich unternehmerische Verantwortung zu übernehmen.

Wie lange wirken noch Frankreichs Erfolgsfaktoren?

Warum steht Frankreich eigentlich dennoch noch nicht ganz so schlecht da wie Europas Hauptkrisenländer? Dafür dürften primär drei Faktoren relevant sein.

  1. Einer ist zweifellos die hohe Qualität und Kreativität seiner Ingenieure und Manager.
  2. Ein zweiter Faktor ist das weitgehende Ausbleiben einer französischen Immobilienblase (während das Platzen der spanischen Blase zuletzt allen Spaniern ins Gesicht gespritzt ist).
  3. Ein dritter ist das weitgehende Desinteresse der Franzosen an Umweltthemen und einschlägigen Paniken: Daher hat sich das Land etwa durch seine vielen Atomkraftwerke im europäischen Strommarkt in eine sehr starke und gewinnbringende Position bringen können. Diese Energiepolitik gewinnt zu einem Zeitpunkt an zusätzlicher Bedeutung, da Deutschland in der Fukushima-Hysterie den Ausstieg aus der Atomstromproduktion beschlossen hat. Das stellt Frankreichs großen Nachbarn vor gewaltige Probleme (sogar in Österreich werden sich die Folgen der Energiewende mit um ein Viertel höheren Stromrechnungen niederschlagen, was auch hier viele Produktionen unrentabel machen wird).

Diese Vorteile Frankreichs haben aber schon in den letzten Jahren immer weniger die Nachteile einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik wettmachen können. Denn zugleich leidet die französische Wirtschaft auch unter den Folgen des Euro: Haben sich doch seit dem Anschluss an den D-Mark-Block die Kosten einer Arbeitsstunde um zweistellige Prozentsätze gegenüber den deutschen Kosten verschlechtert, ohne dass sich Frankreich wie früher durch Franc-Abwertungen helfen konnte.

Hollandes Anti-Job-Programm

Und jetzt wird die Situation für französische Unternehmer noch viel entmutigender. Denn jetzt haben die Sozialisten unter ihrem neuen Chef Hollande mit einem ebenso ideologischen wie populistischen Anti-Wirtschafts-Programm die Wahl gewonnen:

  • Unternehmer sollen für jede Fabriksschließung bestraft werden.
  • Höhere Einkommen sollen mit 75 Prozent besteuert werden.
  • Die letzten Möglichkeiten zur Kündigung von Arbeitnehmern sollen verschlossen werden.
  • Auf Dividendenzahlungen soll eine zusätzliche Steuer kommen.
  • Erhöhung der Erbschafts- und Vermögenssteuern (die ja sehr oft Unternehmen treffen).
  • Neue Abgaben auf Banken und Energiefirmen.
  • Erhöhung der Mindestlöhne weit über der Inflationsrate.
  • Staatsfirmen dürfen nur noch 450.000 Euro Lohn im Jahr zahlen (Das trifft zwar scheinbar nur die allerwenigsten Menschen; es wirft aber Frankreichs Staatsindustrie im Wettlauf um die wirklich genialen Entwickler und besten Manager aus dem Rennen, was dann indirekt doch viele trifft).

Roter Teppich nach Großbritannien

Dieses Programm gilt als Killerprojekt für die französische Wirtschaft, selbst wenn nach dem Wahlkampfende einige Punkte daraus in Vergessenheit geraten sollten.

Ist es da eine Überraschung, wenn – beispielsweise – der britische Premierminister Cameron französischen Unternehmern verspricht, für sie bei einer Übersiedlung nach Großbritannien den „roten Teppich auszurollen“? Und wenn Cameron damit viel Echo findet? Das mag zwar in einer Union als unfreundlicher Akt gewertet werden, aber das ist letztlich ganz normale Politik im nationalen Interesse. Man denke nur, wie sehr österreichische Bundesländer untereinander – oft mit Steuergeld – um die Ansiedlung von Betrieben oder Forschungsinstituten fighten!

Selten stand eine Prognose auf so sicheren Beinen wie die vom weiteren steilen Abstieg Frankreichs. Offen bleibt freilich die Frage, ob sich Deutschland (und damit auch sein steuermannloses österreichische Beiboot) noch einmal breitschlagen lässt, auch für Frankreich die Zeche zu zahlen. Das würde den Absturz Frankreichs zwar hinauszögern, aber umso sicherer gleich auch andere Länder mitreißen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Thilo Sarrazin kommt zu den Tagebuch-Abonnenten drucken

Wieder kann das Tagebuch seinen Partnern einen interessanten Vortragenden mit internationalem Format präsentieren: Thilo Sarrazin wird für sie am Abend des 4. Juli – ein Mittwoch – in Wien ein Referat mit anschließender Diskussion halten.

Wer daran teilnehmen will, möge sich bitte über „Kontakt“ (unter „Drumherum“) formlos anmelden. Wir nehmen auch Ihre Ehepartner gerne auf die Warteliste und werden rechtzeitig mitteilen, ob auch für diese noch Platz ist. Wir werden trotz des zu erwartenden Andrangs unser Möglichstes tun, alle unterzubringen, können aber vorweg keine Garantie geben.

Einen Tag vor der Veranstaltung werden wir allen Angemeldeten den endgültigen Veranstaltungssaal mitteilen. Die Teilnahme ist für angemeldete Partner frei, auch wenn wir uns am 4. Juli über eine Spende als Beitrag zu den Kosten freuen würden.

Noch offen ist, ob wir nach der Veranstaltung auch für einige Interessierte ein gemeinsames Abendessen veranstalten werden (das wird aber keineswegs gratis sein!).

Der Vortrag wird einen brandaktuellen Titel haben: „Der ewige Abstieg: von Rettungsgipfel zu Rettungsgipfel“. Er wird die Sorgen vieler Europäer um die Stabilität des Kontinents, um die Zukunft des Euro und die eigenen Ersparnisse analysieren. Sarrazin hat dazu ja vor wenigen Wochen sein neuestes Buch herausgebracht: „Europa braucht den Euro nicht“. Es ist eine absolut ehrliche Auseinandersetzung mit den europäischen und auch den eigenen Fehleinschätzungen der letzten 20 Jahre und ihren Konsequenzen.

Sarrazin hat keine Scheu, schwierige oder unangenehme Fragen zu beantworten. Das haben Hunderte Veranstaltungen in den letzten Jahren gezeigt.

Als langjähriger Berliner Finanzsenator, Finanzexperte in mehreren deutschen Ministerien und Bundesbankvorstand ist Sarrazin zweifellos sehr gut für das Thema qualifiziert. Seine Unabhängigkeit von allen Machtgruppen und gegenüber allen politisch korrekten Denkverboten hat er ja schon mit seinem vor zwei Jahren erschienenen Werk über die Folgen der Massenmigration „Deutschland schafft sich ab“ bewiesen. Dieses Buch wurde mit seiner Millionenauflage das weitaus am meisten verkaufte politische Sachbuch der gesamten Nachkriegszeit.

Seine nunmehrige Einladung nach Wien danken wir einer Kooperation mit dem befreundeten Hayek-Institut, über die wir uns sehr freuen.

Bitte rasch anmelden – spätestens am 2. Juli – und nicht beunruhigt sein, wenn Sie erst am 3. Juli die Information über den Veranstaltungsort und die Verfügbarkeit eines Platzes für Ihren Partner bekommen. Leider keinen Zutritt gibt es für Nichtabonnenten und alle jene, die mit ihren Zahlungen im Rückstand sind. Aber beides kann sich ja in den nächsten Tagen noch ändern . . .

 PS.: Wichtig: Wer eine Begleitung voranmelden will, ist gebeten, unbedingt auch deren Namen anzugeben.

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Geld verträgt keine Kompromisse drucken

„Die Franzosen werden keinen Souveränitätstransfer mitmachen.“ Mit diesem – richtigen – Satz eines sehr hohen EU-Beamten ist das ganze Dilemma der europäischen Krise auf den Punkt gebracht.

Die Grundintentionen der europäischen Akteure gehen diametral auseinander. Frankreich und viele andere Länder – von Griechenland bis zu den USA – wollen, dass sich Deutschland und Länder wie Österreich weiter schwer verschulden. Dieses Geld soll Franzosen& Co in doppelter Form zugute kommen: Erstens als direkte Hilfe für notleidende Staatsbudgets und Banken; und zweitens indirekt, indem die anderen Länder durch erhöhte Nachfrage mehr Waren und Dienstleistungen verkaufen können.

Deutschland hingegen hat nun endlich erkannt, dass weitere Hilfen, Kredite und Haftungen höchstens bei einem echten Souveränitätstransfer sinnvoll wären. Also wenn man bei den Hilfsempfängern direkt in die Budgetpolitik eingreifen kann. Bloße Versprechungen hingegen haben in den letzten beiden Jahren jede Glaubwürdigkeit verloren. Die Griechen etwa haben in regelmäßigen Abständen den Geldgebern ganz konkrete Maßnahmen zugesagt (wie Beamtenabbau, Privatisierungen, Verwaltungsreformen) und daraufhin weiteres Geld bekommen – aber immer nur einen kleinen Teil der Zusagen erfüllt.

Die von der Schuldenkrise anfangs deutlich überforderte deutsche Bundeskanzlerin will da nicht mehr mitmachen. Dafür sorgt auch der Druck von Basis, CSU und FDP. Umgekehrt fordern aber andere starke Kräfte, auch in Deutschland, dass Merkel „weiter europäische Verantwortung“ zeige. Im Klartext: Das Land soll sich noch mehr zu Lasten von Griechenland, Frankreich & Co verschulden.

Merkel versucht diesem doppelten Druck mit einer Vorwärtsstrategie zu entkommen: Wir werden nur dann noch mehr tun, wenn es dafür zu einer echten politischen und fiskalischen Union kommt. Diese würde einen  echten europäischen Durchgriff gegen Ausgaben der einzelnen Länder bedeuten, um weitere Schuldeneskalationen zu vermeiden.

Die Strategie ist an sich nicht unlogisch. Sie hat dennoch keine Chance, sie kommt zu spät und ist unglaubwürdig. Nicht nur in Frankreich ist ein automatischer Eingriff der EU in die nationale Souveränität undurchsetzbar. Dies schon deshalb, weil das als ein Eingriff der Deutschen verstanden würde.

Außerdem hätte es eine solche Verbindung von gemeinsamer Währung, politischer und fiskalischer Union schon vom ersten Euro-Tag an geben müssen, um sinnvoll zu funktionieren. Und endgültig hat Merkel die Chance auf Durchsetzung einer solchen großen Konstruktion verspielt, als sie sich vor zwei Jahren von Frankreich zwingen ließ, zugunsten Griechenlands in die Kassa zu greifen. Was eine üble Dominowirkung an weiteren nun schon in die Billionen gehenden Hilfen auslöste. Bis hin zum neuen Stabilitätsmechanismus ESM.

Künftige Geschichtsbücher werden daraus eine klare Lehre ziehen: In Sachen Krieg und Frieden sind Kompromisse immer gut. Bei Fragen von Finanzen und Währung sind sie immer von Übel.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wege und Abwege drucken

Wer aufbricht oder, wie man sagt,
sich auf den Weg macht unverzagt,
erlebt vielleicht auch Pleiten,
der Weg indes macht stets was mit,
weil den man ja mit Füßen tritt
zu allen Jahreszeiten.

Man kann natürlich mit Bedacht,
bevor man auf den Weg sich macht,
auf Führung sich verlassen –
und ist dann umso mehr verstört,
wenn Ähndschie man verkünden hört,
was mühsam bloß zu fassen:

Wir stünden jetzt „am Scheideweg“!
Am Weg? Moment, ich überleg’ –
das heißt, wir sind daneben!
Wie wahr, nur wer hat ungerührt
uns justament da hingeführt,
dass so was wir erleben?

Doch Ähndschie meint, es wär’ „fatal“,
jetzt stehn zu bleiben und zumal
„auf halbem Weg“ – na logisch –
daher „ganz falsch“ wär’s so besehn,
nicht weiter diesen Weg zu gehen –
ergänzt sie pädagogisch:

Denn dass, was Holzweg immer war,
nicht scheiden kann und darf sogar,
soll Trennungsschmerz verhindern –
es kümmert sich nach altem Brauch
der Landwirt ja vorm Schlachten auch
ums Wohl von seinen Rindern.

Beim hohen Dialektik-Spiel
ist offenbar der Weg das Ziel,
und wir, wir sind vonnöten,
dass obendrein uns jedermann
dann noch mit Füßen treten kann
zum Dank für unsre Kröten…

Pannonicus

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Wachsen und Schrumpfen drucken

Menschen können ihren eigenen Wohlstand auf zwei Weisen vermehren (wenn man einmal von kriminellen Methoden und von Glücksfaktoren wie Erbschaften oder Lottogewinnen absieht): entweder durch erfolgreiche Arbeit und ertragsreiche Investitionen, oder indem sie heftig Schulden machen. Jeder kennt Beispiele für beide Methoden. Die zweite wird etwa durch Menschen verkörpert, deren Villa, deren Luxusautos, deren Drittfreundin eigentlich zur Gänze der Bank gehören, was sie aber nicht hindert, sich an diesen schönen Dingen zu erfreuen.

Diese zweite Methode der Wohlstandsvermehrung hat nur eine unangenehme Eigenschaft: Sie endet mit ziemlicher Sicherheit in einer steilen Abwärtskurve . An deren Ende versteigert dann die Bank Haus und Autos; und die Freundinnen haben plötzlich überhaupt keine Zeit mehr, wenn Schecks und Geschenke ausbleiben. Ein solcher Abstieg ist keine angenehme Erfahrung – weshalb Menschen zu seiner Abwehr beginnen, ins Casino zu gehen oder kriminelle Methoden anwenden. Was aber in aller Regel den Abstieg nur noch arg beschleunigt.

Haargenau dasselbe passiert auch Staaten. Viele, ja fast alle west- und südeuropäischen Staaten haben in den letzten 40 bis 50 Jahren ihr Konsumniveau nicht nur durch Arbeit und Wohlstand, sondern auch durch eine rasch steigende Verschuldung erhöht. Manche Länder haben nur den Weg über Schuldenakkumulation gewählt.

Wählerbestechung auf Pump

Staaten handeln durch Politiker. Diese haben in Demokratien ein logisches Hauptziel: wiedergewählt zu werden. Und das gelingt offensichtlich dann am besten, wenn man den Menschen beispielsweise Pensionen in einer so großen Höhe und ab einem so frühen Zeitpunkt zahlt, dass das nur noch mit massiven alljährlichen Schuldenaufnahmen finanziert werden kann. Das verschweigt man aber den Menschen. Diese halten ihre Pensionen und zahllose sonstige Sozialleistungen in der Tat oft für selbstverdient oder gar für eine Leistung der Politiker. Diese greifen daher von Jahr zu Jahr heftiger zur Methode der Wählerbestechung durch hohe Sozialausgaben. Nichts anderes sind ja Pensionen, für die nicht ausreichend Beiträge einbezahlt worden sind. Und noch ein paar Hundert weiterer Ausgabenposten.

Manche Philosophen und ökonomischen Denker prophezeien aus diesem Grund sogar ein Ende der Demokratie. Das hält die Mehrheit der Politiker aber nicht ab, nach dieser in ihrer kurzfristigen Sicht erfolgreichen Methode weiterzuarbeiten.

Sie tun das selbst dann, wenn der Exekutor schon vor der Tür steht. In diesem Moment versucht man verzweifelt, den Exekutor dazu zu bewegen, doch noch ein paar Tage Zeit zu lassen. Man versucht zugleich hektisch, noch einen neuen Geldgeber zu finden. Man versucht, noch rasch ein Grundstück zu verkaufen. Und man schimpft jedenfalls heftig auf die Bank, die am eigenen Unheil schuld sei.

Staaten gleichen den privaten Pleitiers

Was bankrotte Verschwender tun, tun auf europäischer Ebene die Staaten: Sie erwecken den Eindruck, dass die Banken die Hauptschuldigen an der Krise wären. Sie unterstreichen diesen Eindruck durch ständig neue Versuche, die Banken noch mehr zu regulieren. Was natürlich in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass tatsächlich die Banken die Hauptschuldigen wären. Sonst müsste man ja nicht ständig über deren angeblich unzureichende Regulierung reden.

Natürlich haben auch die Banken durch eigene Fehler zum Entstehen dieses Eindrucks beigetragen: durch Veranlagungsfehler oder durch die Präpotenz des Auftretens ihrer Spitzenmänner (siehe etwa Helmut Elsner). Das ändert aber nichts daran, dass nicht die Banken die Staaten zur Verschuldung gezwungen haben. Im Gegenteil: Bei allem Gerede von einer strengeren Regulierung achten derzeit die europäischen Regierungen und Nationalbanken sehr darauf, dass sie den Geldinstituten nicht wirklich das verbieten, was in Wahrheit das größte Risiko darstellt: die weitere Finanzierung von Staaten. Daher ist all das Regulierungsgerede Mumpitz für die Galerie.

Auch beim Stichwort Grundstücks-Verkauf gleicht das Verhalten von Staaten jenem eines privaten Pleitiers. Nur haben die Staaten damit noch weniger Erfolge als diese Pleitiers. Kaum jemand ist etwa derzeit gewillt, Griechenland etwas abzukaufen. Und wenn halb Spanien gleichzeitig seine auf Schulden gebauten Häuser und Urlaubsimmobilien verkaufen will beziehungsweise muss, dann finden sich logischerweise viel zu wenig Käufer dafür, was wiederum die Preise ständig weiter drückt. Wer in Hinblick auf Spanien einwenden sollte, dass an der Immobilienkrise doch eher die Einzelmenschen und nicht der Staat schuld wären, der übersieht, dass der spanische Immobilienboom vom Staat zum Zwecke der Ankurbelung (in Wahrheit: Überhitzung) der Konjunktur heftig gefördert worden ist. Statt angesichts des ungesunden Wachsens der Immobilienblase viel früher zu bremsen, hat sich Madrid über deren Aufblähen gefreut. Weil es die Wähler glücklich gemacht hat.

Auch die verzweifelte Suche der Staaten nach neuen Geldgebern gleicht dem Verhalten individueller Schuldner. Im Vorjahr sind die europäischen Machthaber fast alle nach China gepilgert, wo ja das meiste Geld gebunkert ist – und haben sich dort blutige Nasen geholt. Die Chinesen sind zwar an europäischen Unternehmen interessiert, aber nicht an Staatspapieren. Die haben sie den Regierungen nicht abgekauft.

Erfolgreicher waren die Schuldner eine Zeitlang mit ihren Bettelversuchen in Deutschland und bei der Europäischen Zentralbank. Aber beide scheinen inzwischen klüger geworden zu sein. Beide erkennen zunehmend, dass sie mit weiteren Krediten nur gutes Geld dem schon verlorenen nachwerfen; dass sie dadurch nur die eigene Stabilität aufs Spiel gesetzt haben; und dass ein Teil der Schuldnerländer wie Griechenland keineswegs eine straffe Reform begonnen hat.

Die dreifach Lüge der Moralkeule

Nun greifen die Schuldenfreaks zur Moralkeule. Sie reden von einem „Zu Tode sparen“. Und sie stottern herum: „Sparen ja, aber nicht auf Kosten des Wachstums“. Womit sie gleich ein paar infame Lügen versuchen.

Die erste Lüge: Fast kein Land spart wirklich. Heißt doch sparen allemal weniger ausgeben, als man einnimmt.

Die zweite Lüge: Es wird der Eindruck erweckt, als ob Wachstum nur durch neue Schulden möglich wäre. Dabei sind Schulden mittel- und langfristig im Gegenteil der größte Wachstumskiller, den es gibt. Das gilt vor allem dann, wenn wie in Europa die Staaten das Geld primär für Sozial- und Konsumausgaben verwenden und nicht für langfristig ertragreiche Investitionen. Dabei wäre Wachstum ohne Schulden nicht nur möglich, sondern sogar das einzige richtige Antikrisenrezept: Wenn Staatsbetriebe (zu denen übrigens auch solche der Gemeinden gehören) privatisiert werden, trägt das bei geringeren Kosten fast immer zu mehr Effizienz und größerem Wachstum bei. Wenn Gesetzgeber und Bürokratie ihren Wust an Vorschriften und Regeln halbieren, würde die Wirtschaft ganz ohne Schulden wieder so wachsen wie zuletzt in den 50er Jahren.

Und die dritte infame Lüge: Sparen wird gleich mit dem „Tod“ assoziiert. Als ob in einem der süd- oder westeuropäischen Länder die Menschen reihenweise verhungert oder sonstwie umgekommen wären, als das BIP pro Kopf 30 Prozent niedriger gewesen ist. Ganz im Gegenteil: Oft (also wenn die schuldenfreien Wachstumsrezepte nicht genug greifen) ist ein Schrumpfen sogar die beste Therapie, um eine Krise zu überwinden.

Vorbildländer im Norden und Osten

Den Sanierungserfolg einer Schrumpfungsphase haben uns einige nordeuropäische Länder sensationell vorgezeigt: Anfangs der 90er Jahre mussten Finnland oder Schweden zum Teil satte zweistellige Rückgänge des BIPs hinnehmen. Das hat diesen Ländern dann aber umso mehr Dynamik für einen neuen Aufstieg verschafft. Ohne dass sie versucht hätten, dem Ausland, den Deutschen oder sonst wem die Schuld an der eigenen Lage zuzuschieben, wie es jetzt Franzosen und andere machen.

Ähnlich haben sich auch etliche – bei uns leider viel zu wenig beachtete – osteuropäische Länder ohne faule Kompromisse durch die Krise und rasch aus dieser wieder herausgebracht. Lettland etwa hat im Jahr 2009 ein Schrumpfen der Wirtschaft von 18 Prozent erlitten und ist dem Staatsbankrott nahe gewesen. Das Land hat aber nicht gejammert, sondern alle notwendigen schmerzhaften Maßnahmen gesetzt. Prompt erzielt Lettland schon wieder alljährlich vierprozentige Wachstumszahlen.

Die osteuropäischen Staaten haben sich auch sonst fast alle gut durch die Krise gebracht. Weil sie nach den harten kommunistischen Jahren nicht mit einem so verwöhnten Anspruchsniveau, wie es die West- und Südeuropäer heute haben, fertig werden müssen. Weil sie (fast alle) ohne Euro flexibler auf eine Krise reagieren können. Und weil sie begriffen haben: Wachsen wie Schrumpfen sind nicht nur in der Natur ganz normale Entwicklungen. Unerschwinglich teuer wird es nur, wenn man sie zu verhindern versucht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Eurocrash voraus drucken

Noch heuchelt die politische Elite der EU Optimismus hinsichtlich der Zukunft des von ihr verordneten, gemeinschaftlichen Zwangsgeldes. Indessen mehren sich die Signale, dass es – all ihrem kostspieligen Aktionismus zum Trotz – demnächst zum Untergang dieses historisch beispiellosen Währungsexperiments kommen könnte. Das ist durchaus kein Grund zur Panik, denn – anders als uns die Regierenden unter Beschwörung der behaupteten „Alternativlosigkeit“ des ungeliebten Esperantogeldes weismachen wollen – wird das weder ein Ende Europas, noch des Friedens daselbst bedeuten – eher im Gegenteil.

Es ist daher angebracht, sich langsam Gedanken über die „Zeit danach“ zu machen – auch wenn es den Regierenden und den Zentralbankern gelingen sollte, das zur Groteske entartete „Wir-retten-den-Euro-Drama“ noch eine Weile auf dem Spielplan zu halten. Wie soll es weitergehen? Kann Europa, nachdem das monopolisierte Schuldgeldsystem ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Trümmerfeld produziert hat, zu „echtem“ Geld zurückkehren? Und – wenn ja – wie sollte es beschaffen sein?

Antworten auf diese Fragen zu finden, ist deshalb so schwierig, weil auf dem Boden des real existierenden Wohlfahrtsstaates politisch durchsetzbare Lösungen keine nachhaltigen Ergebnisse zeitigen können, ökonomisch richtige Lösungen aber nicht mehrheitsfähig sind. Zu lange haben die führenden Köpfe in Banken und Regierungen das Volk darauf konditioniert, jederzeit auf Knopfdruck „billiges Geld“ zur Finanzierung schier jeden Unfugs abrufen zu können. Und Süchtige sind bekanntlich schwer zu entwöhnen.

Trotzdem sei hier der Versuch unternommen, ein nachhaltig funktionierendes Geldsystem – allerdings ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit seiner Umsetzung – zu skizzieren.

Die neoklassische Wirtschaftstheorie – insbesondere die bis heute tonangebende Fraktion der (Neo-)Keynesianer – hat das Fundament für die gegenwärtige Krise gelegt. Schließlich hat die von ihr propagierte Methode, Geld nach dem Gusto der Regierenden aus dem Nichts zu schöpfen, die Welt dahin geführt, wo sie heute steht: An den Rand des Abgrunds. Sparer als Volksschädlinge zu denunzieren, die durch ihr Verhalten die Wirtschaft ruinieren; kreditfinanzierten Konsum zur Kardinaltugend und den goldenen Weg zum Wohlstand hochzujubeln; das Auffressen der buchstäblich letzten Reserven zu propagieren, um die Illusion scheinbar mühelos zu schaffenden Überflusses aufrechtzuerhalten; das hat´s, wie Herr Hinz und Frau Kunz soeben auf die harte Tour lernen müssen, nicht gebracht. Zahltag!

Von den Protagonisten der beschriebenen Voodoo-Ökonomie – in welcher Bank oder geschützten (steuerfinanzierten) Werkstätte sie auch immer hocken mögen – ist daher keine plausible Antwort auf die Frage nach dem „richtigen“ Geldsystem zu erwarten. Denn sie alle gehören, dank des nach R. Cantillon benannten Umverteilungseffekts der monopolisierten Geldproduktion, zu den bis in die Haarspitzen korrupten Profiteuren dieses Systems. Fündig wird man dagegen bei der im Zuge des vollständigen Bankrotts der Mainstreamökonomie einen regelrechten Popularitätsschub erlebenden „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre.“

Ein Blick auf die Geschichte der Geldes zeigt, wo der Hase im Pfeffer liegt: Einerseits ist es die staatliche Monopolisierung der Geldproduktion, andererseits die den Regierungen, dank der Abkehr von jeglicher Warenbindung und die Einführung der Teilreservehaltung der Geschäftsbanken, in die Hand gegebene Möglichkeit zur theoretisch unbegrenzten Ausweitung der Geld- und Kreditmenge.

(Literaturempfehlungen:
http://www.amazon.de/Ethik-Geldproduktion-Edition-Sonderwege-H%C3%BClsmann/dp/3937801197
http://www.amazon.de/Die-Trag%C3%B6die-Euro-System-zerst%C3%B6rt/dp/3898796701
http://www.amazon.com/Money-Bank-Credit-Economic-Cycles/dp/0945466390 ).

Um zu einem soliden Geldsystem zu kommen, ist zweierlei unerlässlich: Eine „Entstaatlichung des Geldes“ (wie von F. A. Hayek 1990 gefordert) und/oder eine Gelddeckung durch eine allgemein begehrte, „werthaltige“ Ware (z. B. Gold). Papiergeld würde in diesem Fall (wieder) den Charakter eines „Depotscheines“ annehmen.

Die „Austrian School“ kennt also zwei Modelle: Einmal das Hayek´sche, das private, miteinander konkurrierende Währungen vorsieht (das in seinem Buch „Denationalisation of Money“ präsentiert wird. Gratisdownload: http://mises.org/books/denationalisation.pdf). Der auf dem Markt stattfindende „Entdeckungsprozess“ sorgt dafür, dass das beste Geld davon, dasjenige nämlich, dem die Geldbenutzer am ehesten vertrauen, sich am Ende durchsetzt, bzw. die größten Marktanteile erringt. Betrugsversuche, z. B. durch eine hemmungslose Herausgabe von Noten, würden vom Publikum nicht hingenommen werden, da – anders als im Falle eines zwangsbewehrten, staatlichen Monopolgeldes – jederzeit Alternativen zur Verfügung stünden.

Zum anderen das 1963 von Murray Rothbard präsentierte, einer zu 100 Prozent durch Gold gedeckten Währung, wie er es in seinem Buch „What has Government Done to Our Money?“ gefordert hat. (Gratisdownload: http://mises.org/books/whathasgovernmentdone.pdf.)

In beiden Fällen haben die Regierenden keine Möglichkeit, sich durch ungebremste Geldproduktion (Inflation) am Eigentum ihrer Untertanen, namentlich dem der Sparer, zu vergreifen. Beim Hayek-Modell würden nicht länger die Büttel des Leviathans, in Gestalt von Notenbankern, sondern der Markt die Geldmenge limitieren; Im Rothbard´schen das (Förder-) Potential der Goldminen.

Die „Stock to Flow-Ratio“ (das Verhältnis der bereits existierenden zur laufend geförderten Menge) von Gold würde das Geldmengenwachstum auf etwa 1,5 Prozent p. a. begrenzen. Das ist die jährlich geförderte Menge, gemessen am bereits vorhandenen Bestand. Dieser (50 Prozent davon wurden in den letzten 50 Jahren aus dem Boden geholt) beläuft sich gegenwärtig auf rund 165.000 Tonnen (was einem Würfel von etwa 20m Seitenlänge entspricht). Die Jahresproduktion beträgt gegenwärtig rund 2.500 Tonnen – Tendenz fallend. Gold ist rar und nicht beliebig vermehrbar. Eine galoppierende Geldentwertung, wie wir sie heute kennen, wäre daher unmöglich. Hyperinflationen würden der Geschichte angehören.

Die dadurch verlorene Möglichkeit zur (betrügerischen) Manipulation aber garantiert den erbitterten Widerstand der politischen Klasse, die, wie J. M. Keynes, goldgedecktes Geld gerne als „barbarisches Relikt“ verunglimpft. Da das Wesen moderner Demokratien in der systematischen Verletzung von Eigentumsrechten – der Umverteilung des Wohlstands von Produktiven zu Unproduktiven – besteht, ist deren Festhalten am beliebig produzierbaren, nur durch heiße Luft gedeckten Papiergeld, tatsächlich „alternativlos“.

An die Einführung eines von privaten Produzenten herausgegebenen, nichtmonopolisierten Fiat-Money, oder (die nach Meinung des Autors solideste aller Varianten) eines Warengeldes – am besten des Goldstandards mit 100prozentiger Notendeckung – ist ohne eine tiefgreifende Änderung des politischen Systems nicht zu denken. Solange Regierungen nicht von Bürgern bestimmt werden, die für die Gesellschaft die wertvollsten Leistungen erbringen, sondern von denjenigen Parteien, welche die größte Wählerzahl repräsentieren, ist eine Abkehr vom herrschenden Schwundgeldprinzip nicht durchsetzbar.

Je größer (und verantwortungsloser) der Kreis der Wahlberechtigten, desto mieser das Geld! Die langfristige Abwesenheit wertbeständiger Zahlungsmittel indes steigert die Zeitpräferenz, reduziert die Bereitschaft zu sparen, behindert die Kapitalakkumulation und reduziert damit den künftigen Wohlstand. Ohne radikalen Systemwechsel scheint die Tendenz zur langfristigen materiellen Verarmung demokratischer Gesellschaften folglich unvermeidlich…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Werft die Märkte doch ins Gefängnis drucken

Die Griechen haben am Sonntag doch noch knapp am absoluten Wahnsinn vorbei gewählt; dennoch wird die Politik jenes Landes auch weiterhin wenig Sinn haben. Die Franzosen haben der Linken mit hoher Mehrheit die totale Macht überantwortet. Für beide Länder, für die siegreichen Parteien ist aber der totale Feind der selbe geblieben. Der lässt sich nicht mit dem Stimmzettel besiegen.

Denn das sind die „Märkte“. Sie werden auch in den nächsten Wochen weder zu Griechenland noch zu Frankreich Vertrauen aufbauen. Beide Länder fühlen sich daher ständig von ihnen verfolgt. Der Zorn auf die Märkte geht aber auch schon längst quer durch Europa.

Kaum ein Politiker, kaum ein Kommentator, der nicht in diesen Stunden genauso wie in den letzten Monaten gegen die Märkte gewettert hätte. Was mich angesichts all dieser Drohungen von Politik und Medien nur wundert: Warum hat man eigentlich diese Märkte nicht schon längst zu lebenslanger Haft verurteilt?

Selbst Karl Korinek, der österreichische Verfassungsexperte, schimpft voller Aggression auf sie. Im Wortlaut las man ihn dieser Tage in der „Presse“ so: „Diese unglaubliche Macht der Finanzmärkte ist weder national noch international demokratisch legitimiert und kontrolliert. Damit haben wir uns aber in einem Teilbereich der gesellschaftlichen Ordnung nicht nur von der Verfassung, sondern auch von der Staatsform gelöst. Die Demokratie wurde in einem sehr wichtigen Bereich durch eine Oligarchie abgelöst.“

Korinek deckt also einen uns unbemerkt gebliebenen Putsch auf!

In Wahrheit sind diese Klagen absoluter Unsinn. In Wahrheit treffen wir auf ein Muster, das in der ganzen bekannten Menschheitsgeschichte immer wieder auftaucht: Jemand lebt leichtsinnig, verschuldet sich – und beschimpft dann die Geldgeber, wenn diese anfragen, ob sie auch einmal ihr Geld zurückbekommen könnten. Oder wenn sie zumindest zögern, dem Mister Leichtsinn, der nie etwas zurückzahlt, weiter neues Geld zu borgen.

Das Schimpfen auf die Märkte ist also eine üble wie übliche Verkehrung der Rollen: Der Schuldige beschimpft das Opfer. Obwohl das Opfer sich nicht, wie Korinek glaubt, gegen die Demokratie verschworen hat, sondern nur auf sein verfassungsmäßiges Recht pocht, dass es sein Geld zurückbekommt. Was auch Verfassungsrechtler in aller Klarheit sagen sollten.

Das Schimpfen auf die „Märkte“ gleicht dem historischen Schimpfen auf Geldverleiher wie die Fugger. Oder jenem auf die Juden oder (in Asien) die Chinesen. Menschen, die durch Fleiß besonders erfolgreich sind und die weniger fleißigen Menschen deshalb Geld borgen können, bringt man nach Erhalt des Geldes am liebsten gleich um.

Heute stößt man dabei nur auf ein Problem. In der globalisierten Wirtschaft wohnen die Gläubiger nicht einfach ein paar Häuser weiter, so dass man sie dort attackieren könnte. Die Gläubiger sitzen vielmehr überwiegend im Ausland. Es sind Pensionsfonds, die die Altersvorsorge amerikanischer Lehrer verwalten. Es sind arabische Staatsfonds, die die Öleinnahmen wieder in europäische Staatsanleihen investiert haben. Es sind China und ein Dutzend weiterer asiatischer Staaten, die in den letzten Jahrzehnten alle Welt mit ihren Produkten beliefert haben und die Erträgnisse wieder in Europa oder Amerika angelegt haben. Es ist die ins Alter kommende europäische Babyboomergeneration, die ihre Altersvorsorge in Banken und Versicherungen deponiert hat, von wo sie wieder weiter in scheinbar sichere Staatsanleihen wanderte.

Irgendwie taten sich die Zahlungsunwilligen leichter, als sie einst für ihre eigenen Fehler einfach die Juden verantwortlich machen konnten. Mit allen bekannten Konsequenzen.

Es ist traurig, wenn einer der langjährigen Hüter der heimischen Verfassung da jetzt den dumpfen Vorwürfen populistischer Politiker folgt, statt die Wahrheit beim Namen zu nennen. Denn der Name der Krise sollte eigentlich jedem klar sein: Nicht der Gläubiger ist der Schuldige, sondern der leichtfertige Schuldner.

Schuldner sind an erster Stelle die Staaten, die ihre Schuldenquoten ein halbes Jahrhundert lang ständig gesteigert haben, ohne jemals die Schuldenquoten reduziert zu haben. (Das tat in Österreich einzig und allein die vielleicht gerade deshalb so hasserfüllt verfolgte Regierung Schüssel/Grasser.) Und das sind an zweiter Stelle jene vielen Privatmenschen und Firmen, die leichtfertig aufs Schuldenmachen gesetzt haben, die beispielsweise geglaubt haben, dass Immobilienpreise ständig nur nach oben gehen können, sodass man auf diese Weise seine eigenen Schulden automatisch in den Griff bekommt. Und die niemals damit gerechnet haben, dass Immobilienpreise auf ein Viertel oder Fünftel sinken können.

Die Infamie, mit der all diese Schuldenmacher nun aggressiv in den Gegenangriff gehen und weitere Mengen Geld wollen, lässt einem den Mund offen. Und noch mehr staunt man, dass sie immer wieder Erfolg haben damit.

Mancherorts wird schon mit dem Nichtzurückzahlen der Schulden spekuliert. Nur: Wenn das kommt, wird für das betreffende Land alles noch viel schlimmer. Es wird viele Jahre lang nur noch gegen bare Vorauszahlung – in echten Währungen, also keinem bloßen Papiergeld – sein Benzin, seine Lebensmittel, seine Autos einkaufen können. Es wird auf viele, viele Jahre von niemandem Kredit bekommen. Von der drohenden Prozessflut gar nicht zu reden. Eine solche Strategie taugt für Nordkorea. In Europa sollte man vorsichtiger sein.

Dennoch gibt es in dieser ganzen Krisenhektik doch auch Stimmen der Vernunft. Eine solche war unlängst in einer kleinen Runde erstaunlicherweise Ewald Nowotny. Der Nationalbank-Chef hat es auf den schlichten Satz gebracht: „Ein Land, das durch seine Schulden von seinen Gläubigern abhängig ist, verliert seine Souveränität.“

Vielleicht sind solche mutigen wie richtigen Sätze der Grund, weshalb ihn seine roten Parteifreunde rund um den großen Experten Werner Faymann und Arbeiterkammer-Apparatschiks abservieren wollen. Wenn man schon die Märkte nicht einsperren kann, kann man je wenigstens jene wegsperren, die die Wahrheit über die Märkte sagen.

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Die Mittelstandsvernichter drucken

Auch Frankreich zeigt es wieder klar:
Mit faulen Wahlversprechen
ist’s leicht – und demokratisch gar,
die Wähler zu bestechen.

Doch hielt’s der Neue dort nicht glatt
wie Leerverkäufer alle?
Verheißen, was man gar nicht hat –
welch simple Gimpelfalle!

Bei andern wird dann abkassiert
und solcherart vom Schröpfen,
vom Wertvernichten profitiert
anstatt vom Werteschöpfen.

Besonders aber ist frappant,
dass so verschiedne Knaben
wie Erzmarxist und Spekulant
noch mehr gemeinsam haben:

Denn wie man höhern Orts bezweckt,
bewährt sich das Gelichter
im vorbedachten Endeffekt
als Mittelstandsvernichter!

Gewiss, das muss dem Kleinen Mann
als Narretei erscheinen,
weil kaum er je kapieren kann
die Werte, die gemeinen.

Doch just die Kraft des Mittelstands,
des starken, möglichst breiten,
verbürgt das Wohl des Vaterlands –
sogar bei Widrigkeiten.

Und Vaterländer sind verhasst
bei Internationalen –
nur wird das meist nicht voll erfasst
vor scheinbar freien Wahlen…

Pannonicus

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SN-Kontroverse: Bundesstaat Europa drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel: 

Soll Europa ein echter Bundesstaat werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Auf dem Weg zur Föderation

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Europa ist längst sehr viel mehr als der lose Zusammenschluss einiger Staaten, die miteinander Handel treiben wollen. Die EU, wie wir sie kennen und der Österreich 1995 nach einem fulminanten Ja (66,6 Prozent) bei der vorangegangenen Volksabstimmung beigetreten ist, hat sich zu einer engen Staatengemeinschaft entwickelt. Im Lauf der Jahrzehnte sind die Verflechtungen so eng geworden, dass in den Ländern, die den Euro als gemeinsame Währung akzeptiert haben, von einer Art Föderation bzw. Bundesstaat gesprochen werden kann. Die Vision des damaligen deutschen Außenministers Joschka Fischer, der sich in seiner berühmten Rede an der Berliner Humboldt-Universität im Mai 2000 über die Finalität der EU Gedanken gemacht hat und in der er ihre Entwicklung vom Staatenverbund zur Föderation skizzierte, ist Realität. Das zeigen Eurokrise und die Spekulationen gegen die Gemeinschaftswährung. Die Krise hat Irland, Griechenland und Spanien voll erfasst. Österreich und seine Banken mit ihren risikoreichen Ostgeschäften sind mit einem blauen Auge davongekommen. Demnächst könnte Italien an der Reihe sein und sich unter den Eurorettungsschirm flüchten müssen. Der "Schirm" ist in Wahrheit ein hoch komplexer Mechanismus zur Rettung der maroden Ökonomien, der nicht nur Finanzspritzen, sondern Hilfestellungen aller Art beinhaltet. Wie etwa in Griechenland: Da hilft die EU bei der Erstellung eines Grundbuchs; bekanntlich eine der wesentlichen Voraussetzungen, damit ein Staat überhaupt Steuern berechnen und einheben kann. Nun kommt der nächste Schritt zur Föderation. EU-Kommissionspräsident Barroso, Eurogruppenchef Juncker und Zentralbank-Chef Draghi planen eine Fiskalunion, in der die Mitgliedsstaaten nicht mehr selbstständig neue Schulden machen dürfen. Frei verfügen dürfen die Staaten nur noch über Finanzmittel, die durch eigene Einnahmen gedeckt sind. Das Modell läuft auf eine Art europäischen Haftungsverbund hinaus. Europa ist auf dem Weg zur Föderation.


Eine Schreckensvorstellung

Andreas Unterberger

Ein Bundesstaat Europa, also die unwiderrufliche Übertragung der Souveränität an die EU: Diese Utopie war lang faszinierend. Heute erweckt sie nur noch Schreckensgefühle. Europas eigentliche Stärken sind Vielfalt und Wettbewerb. Die Krise hat gezeigt, dass Kultur, Mentalität und Nationalgeschichte der europäischen Völker zu verschieden sind, um zu einer Einheit wie die USA zusammenwachsen zu können. Fakten wie die Sprachenvielfalt oder die chauvinistischen Hymnen vieler Länder machen das unmöglich. Zugleich sind die psychologischen Hauptmotoren der Integration - zum Glück! - weggefallen: Die Angst vor einem weiteren großen Krieg zwischen Deutschen und Franzosen, und die Angst vor dem mörderischen Totalitarismus der Kommunisten. Der Europäischen Union sollte aber auch deshalb keine zusätzliche Macht eingeräumt werden, weil sie in den letzten Jahren viel zu viele katastrophale Fehler verursacht hat.

Rat, Kommission, Gericht beziehungsweise Mitgliedsstaaten haben die eigenen zwingenden Regeln brutal ignoriert: von den Maastricht-Kriterien bis zum Verbot, überschuldeten Eurostaaten Geld zu schenken. Europa schränkt aus politischer Korrektheit die Meinungsfreiheit ein. Es hat in Österreich und Ungarn gegen demokratische Regierungen agitiert.

Es hat sich voller bürokratischer Machtgier ohne Legitimität nationale oder regionale Kompetenzen arrogiert: von den Raucherregeln über den Uni-Zugang bis zur Frage, an wen man seine Wohnung vermieten darf. Es vernichtet durch eine Regelflut wie auch eine vorzugsschülerartige Übererfüllung der Kyoto-Ziele viele Arbeitsplätze. Statt an Utopien zu denken, kann es nur noch darum gehen, das zu retten, was die positive Leistung der EU ist: Das ist der große Binnenmarkt für Güter, Dienstleistungen und Kapital, der eine gewaltige Wohlstandsvermehrung ausgelöst hat. Aber wenn die Europäer so weitermachen, ist auch der bedroht.

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Schreckensidee Bankenunion drucken

Man könnte ein ganzes Lexikon mit jenen Ideen und Konstruktionen füllen, die alle auf das selbe hinauslaufen, es aber verschleiern sollen: Die Deutschen (und die Österreicher, Niederländer und Finnen) sollen möglichst tief in die Tasche greifen, um die nun auf dem Tisch liegende Rechnung für den südeuropäischen Karneval zu begleichen.

Bisher hat Berlin zuerst immer Nein zu solchen Ideen gesagt, um dann am Schluss doch weit nachzugeben. Das droht nun auch bei der Idee einer Bankenunion. Gewiss wäre da auch etwas Sinnvolles dabei, nämlich eine europaweite Angleichung der Einlagensicherung. Diese ist ja kein Wettbewerbsinstrument, sondern eine eher sozialpolitische Regulierung, welche die Folgen eines Bankencrashs mildern soll. Die Unternehmen – die meist ständig hohe Summen auf ihren Konten bewegen müssen – profitieren davon aber praktisch nicht. Aber gerade bei ihnen droht nach einem Bankencrash ein gefährlicher Dominoeffekt, also ein Zusammenbruch ganzer Industrien, deren Bankkonten plötzlich wertlos sind. Daher wird auch künftig jede Regierung versuchen, in Zeiten der Not über die Einlagensicherung hinaus „rettend“ einzugreifen. Solange sie noch selber Kredit bekommt.

Die restlichen Ideen lassen nur noch auflachen: Die Steuerzahler sollen künftig vor den milliardenschweren Rettungsaktionen verschont, Krisenbanken sollen mit dem Geld des Finanzsektors saniert werden. Das klingt harmlos, heißt aber: Die deutschen, österreichischen, niederländischen Banken (denen es offenbar toll geht, sind sie doch gerade reihenweise hinunter geratet worden!) und Sparer sollen künftig die Löcher der spanischen und griechischen, bald wohl auch italienischen und französischen Banken stopfen.

Und ansonsten sollen eben die Gläubiger der Banken (=Anleger) die Folgen eines Bankencrashs tragen. Wird das europaweit Recht, wird damit mit Sicherheit eines ausgelöst: ein Bankenrun samt darauffolgendem Stillstand der gesamten Wirtschaft! Wer lässt sein Geld schon gerne dort, wo er es zu verlieren droht. Genau um dies zu verhindern, hat man ja die Bankenrettungen gestartet. Man wusste, dass diese ordnungspolitisch falsch waren, aber man wollte Zeit gewinnen. Diese wurde jedoch nicht genutzt. Bis heute scheut Europa die Maßnahmen, die es wieder wettbewerbsfähig machen und die wahren Ursachen der Krise beseitigen würden. Sie sind durchaus bekannt: drastischer Abbau von Wohlfahrtsstaatsexzessen, Privatisierungen, Deregulierungen, Flexibilisierungen der Märkte.

Für große Banken sowie für die Staaten fehlt auch noch immer ein europaweites Insolvenzrecht: Wie können sie geordnet in Konkurs gehen?  Wie verhindert man Dominoeffekte? Kann man zwischen risikofreudigen und vorsichtigen Anlegern differenzieren, zwischen Spekulanten und seriösen Investoren? Aber all das ignoriert die EU, genauer: ein französischer Kommissar.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Endkampf um den Euro drucken

Hätte die Sache einen weniger dramatischen und für alle Bürger Eurolands so unerfreulichen Hintergrund – man könnte über die wirtschaftsrelevanten Nachrichten der letzten Tage und Wochen glatt in Heiterkeit ausbrechen: „Griechenland wird seine Zusagen einhalten – oder auch nicht. Spanien wird sich unter den „Rettungsschirm“ begeben – oder doch nicht. Sollte man in Deutschland über einen Austritt aus der Eurozone und eine Rückkehr zur DM nachdenken (ein Schritt, den bereits 55 Prozent der Bundesbürger befürworten) – oder besser nicht?“ Die Halbwertszeit der Agenturmeldungen liegt inzwischen bei weniger als einem Tag.

Jetzt also ist, allen vorangegangenen Dementis zum Trotz, Spanien dran – vorerst einmal nur der Finanzsektor. Einige Banken des Landes sind, dank des Platzens einer kreditfinanzierten Immobilienblase, offenbar konkursreif. Man könnte in diesem Zusammenhang von einem wahren Triumph der „österreichischen“ Konjunkturtheorie sprechen, denn der spanische Immobilienboom und sein unheilvolles Finale bilden in beispielhafter Weise die verheerenden Folgen ab, die eine Vergabe aus dem Nichts geschaffener „Zirkulationskredite“ nach sich zieht.

Auf dem Kapitalmarkt kann sich Spanien nur noch zu Zinsen jenseits der sechs Prozent-Marke Geld leihen. Damit ist die „Todeszone“ erreicht. Dabei sehen die offiziell kolportierten Zahlen gar nicht so übel aus: Bei einem Bruttonationalprodukt von 1.295 Milliarden Dollar, werden die Verbindlichkeiten mit „nur“ 68,5 Prozent des BIP ausgewiesen. Unter Einbeziehung von Garantien und Haftungen, steht Spanien allerdings mit insgesamt 1.733 Milliarden Dollar in der Kreide (das sind 134 Prozent des BIP. Quelle: http://www.zerohedge.com/news/spain-greece-after-all-here-are-main-outstanding-items).

Seit dem zurückliegenden Wochenende steht fest, dass Spaniens Finanzhäuser von den Steuerzahlern der solide gebarenden Provinzen der EU mit 100 Mrd. Euro unterstützen werden. Wie immer handelt es sich dabei um Geld, das – nach bewährtem Muster – mittels Luftbuchungen aus dem Nichts geschaffen wird. Es wird – wie die an Griechenland umverteilten Mittel – nie zurückgezahlt werden.

Parallel dazu erreichen uns Meldungen vom Sieg der Linken bei den Parlamentswahlen in Frankreich. In einer Woche wird das auch in Griechenland der Fall sein. Das ist vielleicht gar nicht so übel, da der stark schlingernde Eurodampfer folglich mit noch größerer Wucht gegen das Riff gefahren wird.

Bis dahin kann der Deutsche Michel sich darauf einstellen, balkanischen und welschen Schlendrian und Müßiggang durch noch höhere Haftungsübernahmen – demnächst auch über die von vielen Zentralisten geforderten „Eurobonds“ – finanzieren zu dürfen. Die mit Fortschreiten der Krise im Rest Eurolands immer mehr verhassten Teutonen haben es schließlich auch nicht anders verdient, als bis 67 zu roboten, um 60jährigen Franzosen die Frührenten und den Italienern ihr dolce vita zu finanzieren – schließlich sind sie ja doch irgendwie allesamt immer noch Nazis…

Wie man es auch dreht und wendet, und wie weit sich Eurokratie, Geburtshelfer und Apologeten des Euro auch immer aus dem Fenster lehnen mögen: Schuld an dem unbeschreiblichen Debakel ist das bürokratische Projekt Euro, das den Völkern Europas von einer größenwahnsinnigen Elite aufgezwungen wurde. Europas Stärke lag und liegt in seiner Vielfalt und seinen Gegensätzen – niemals in seiner Einigkeit und Gleichschaltung. Die Länder Europas waren – und sind immer noch – zudem marktwirtschaftlich orientiert. Zu freien Märkten aber verhält sich ein aus ausschließlich politischen Gründen oktroyiertes Zwangsgeld so wie Feuer zu Wasser: Am selben Ort zur selben Zeit kann es nicht beides geben.

Das ist natürlich auch dem Establishment bewusst. Die von den sich täglich weiter von der Basis entfernenden politischen Eliten ausgesandten Signale sind daher unüberhörbar. Unermüdlich werden deren Forderungen nach einer raschen Verwirklichung der „Vereinigten Staaten von Europa“ lauter. Das von Anfang an als Vehikel zur Erreichung dieses Ziels gedachte Esperantogeld soll nun endlich zum Erfolg führen. Die von der Nomenklatura gezeigte Wirklichkeitsverweigerung – die Bürger zwischen Lissabon und Riga wünschen nämlich keinen Einheitsstaat! – wurde von einigen Kommentatoren bereits deren „Bunkermentalität“ zugeschrieben.

Dass dieser Tage ausgerechnet einer der neokeynesianischen Hohepriester staatlicher Misswirtschaft, Joseph Stiglitz, den Eurorettungsbrigaden die Umsetzung von „Voodoo-Ökonomie“ vorwirft, entbehrt nicht der Pikanterie. Ihn stört nicht etwa der Umstand, dass die Eurokratie – nunmehr in Spanien – wirtschaftliches Fehlverhalten belohnt und Konkursverschleppung betreibt! Was ihm sauer aufstößt, ist vielmehr, dass der planwirtschaftliche Wahnsinn nicht weit genug getrieben und die von ihm propagierte europäische Finanzunion nicht endlich verwirklicht wird. Wenn ein Mittel (z. B. die hemmungslose Geldproduktion) nicht wirkt, dann kommt als Erklärung dafür nicht etwa in Frage, dass es sich um die falsche Arznei handeln könnte! Vielmehr liegt für Herrn Stiglitz auf der Hand, dass nur die Dosis weiter erhöht werden muss!

Eines muss indessen auch der Politelite klar sein: Sollten die feuchten Träume von Stiglitz & Genossen umgesetzt werden, kann die zur „Rettung Europas“ geforderte „Aufgabe nationaler Hoheitsrechte“ nur bedeuten, den Kontinent radikal zu germanisieren. Denn es ist völlig klar, dass nur die Übernahme offensichtlich funktionierender Prinzipien durch alle anderen das Heil bringen kann. Eine Ausdehnung griechischer, italienischer, französischer oder spanischer Verhältnisse auf ganz Europa hätte dagegen dessen kollektiven Untergang zur Folge. Mit 60jährigen Rentnern, pragmatisierten Arbeitnehmern, flächendeckender Korruption und pausenloser Fiesta kann die Alte Welt im Wettbewerb gegen internationale Herausforderer nämlich nicht bestehen. Es muss daher schon eine deutsche Rosskur sein, der sich der Rest Eurolands unterwirft (wie Thilo Sarrazin in seinem jüngsten Bestseller „Europa braucht den Euro nicht“ schlüssig darstellt).

Franzosen, Spanier und Italiener, die sich unter Berlins Fuchtel beugen, um am Deutschen Wesen zu genesen? Ha! Kein einigermaßen urteilsfähiger Zeitgenosse kann allen Ernstes an die Umsetzung eines solchen Szenarios glauben! Wie tief also müssen die um Macht und Pfründe fürchtenden Machthaber sich in ihre ideologischen Bunker verkrochen haben, um zu erwarten, dass das jemals geschehen könnte?

Gewaltfrei jedenfalls kann es nicht funktionieren, soviel ist sicher. Lenkt am Ende gerade diese Einsicht die Handlungen der Politbüros? Schließlich waren und sind (Bürger-)Kriegszeiten für die Führungskader stets die einträglichsten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Bonne nuit Europe drucken

Frankreichs Linke wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im künftigen Parlament eine sichere Mehrheit haben. Die Franzosen geben traditionell einem neuen Präsidenten am Anfang auch eine parlamentarische Unterstützung. Ebenso groß wie die Wahrscheinlichkeit des Wahlausganges ist aber noch etwas anderes: Dass Frankreich in absehbarer Zeit neben Griechenland, Spanien & Co in der ökonomischen Intensivstation landen wird.

Denn die französische Linke ist zum Unterschied etwa von den deutschen Sozialdemokraten – die seit der Agenda 2010 relativ verantwortungsbewusst agieren – wirklich links. Und das ist in Zeiten wie diesen letal.

Das böse Exempel Mitterrand

Diese Politik erinnert lebhaft an die Zeiten des ersten (und vor François Hollande letzten) sozialistischen Präsidenten Frankreichs, nämlich François Mitterrand. Der hatte in dem bei seinem Amtsantritt blühenden Land binnen weniger Jahre eine finanzielle Katastrophe ausgelöst. Er führte Frankreich nach seinem Amtsantritt 1981 in ein Bündnis mit den Kommunisten und in eine deutliche Abwendung von der Marktwirtschaft.

Das Defizit wurde massiv erhöht; die großen Banken wurden verstaatlicht; dasselbe geschah mit 13 der 20 größten Industriekonzerne; die Arbeitszeit wurde bei vollem Lohnausgleich verkürzt; hohe Einkommen wurden stärker besteuert; und der Staatsdienst wurde um 100.000 Mitarbeiter ausgeweitet.

Die Folgen der ersten Mitterrand-Jahre waren klar und voraussagbar: Das Defizit wuchs immer weiter; das Kapital flüchtete im Expresstempo ins Ausland; die Staatsbetriebe fuhren enorme Verluste ein; die französische Währung stürzte ab; die Arbeitslosenzahlen schnellten in die Höhe; Frankreich musste einen Notkredit in Saudiarabien aufnehmen.

Zwar versuchte dann Finanzminister Jacques Delors die Notbremse zu ziehen. Aber Frankreich kehrte nie wieder zur alten Stabilität zurück.

Das Scheitern des Nicolas Sarkozy

Der bürgerliche Präsident Nicolas Sarkozy kündigte zwar anfangs an, Frankreich wieder marktwirtschaftlicher zu gestalten. Aber letztlich scheute auch der kleine Mann, der so gerne groß gewesen wäre, den Konflikt mit den aggressiven Gewerkschaften (und auch den in Frankreich besonders linken Medien). Bei seinem Abgang hat das Land ein bedrückendes Defizit von 5,2 Prozent des BIP. Während Frankreich vor zehn Jahren noch ebenso viele Autos erzeugte wie Deutschland, sind es jetzt bei den Franzosen zwei Millionen, bei den Deutschen über fünf - um nur ein Beispiel für den industriellen Niedergang eines Landes voller genialer Ingenieure zu nennen.

Zwar versuchte Sarkozy am Schluss wieder viele richtige Sanierungsansätze, aber es fehlte ihm schon jede Glaubwürdigkeit.

Nun aber droht die wirkliche Katastrophe. Denn die französische Linke hat nichts aus der Geschichte gelernt, sondern versucht wieder die Rezepte, mit denen schon Mitterrand wirtschaftspolitisch so heftig gescheitert ist (und viele andere in anderen Ländern).

Europa als Geisel Frankreichs

Eine französische Katastrophe kann nur heute keine reine französische mehr sein, sondern wird zu einer europäischen: Denn derselbe Mitterrand war außenpolitisch sehr erfolgreich. Er hatte Deutschland gezwungen, im Gegenzug für Frankreichs Plazet zur Wiedervereinigung die D-Mark in eine gemeinsame Währung einzubringen. Damit ist der frühere Ausweg einer Abwertung des Francs künftig versperrt und Deutschland zur Geisel Frankreichs geworden.

Umso ernster ist das Programm der neuen französischen Machthaber zu nehmen: Sie wollen (weitere) 60.000 Beamte aufnehmen. Sie erhöhen den Mindestlohn weit über die Inflationsrate um fünf Prozent. Sie verkürzen das Pensionsalter durch Einführung einer Hacklerregelung: Während in Österreich Männer aber dafür wenigstens 45 Beitragsjahre benötigen (Frauen allerdings 40), sind es in Frankreich künftig nur noch 41,5 Jahre. Und war das schon für Österreich ein schwerer finanzieller Ballast, ist es das in Frankreich mit seiner längeren Lebenserwartung noch viel mehr der Fall.

45.000 Franzosen gelten zur Stunde als unmittelbar kündigungsgefährdet. Und das bei einer Arbeitslosenrate, die bald zehn Prozent erreichen wird, und bei einer Jugendarbeitslosigkeit von fast 25 Prozent. In dieser Situation  wird nun auch für den Arbeitsmarkt statt echter Therapien ein ganzes planwirtschaftliches Paket geschnürt, das nur zur kurzfristigen Symptomlinderung imstande ist, aber mittelfristig das Leiden vor allem der Jungen massiv verschlimmert: Kündigungen sollen bewilligungspflichtig und gleichzeitig für Unternehmen so teuer werden, „dass sie sich nicht mehr lohnen“.

Das ist zwar zweifellos möglich, wird aber ebenso zweifellos klare Folgen haben: Fast kein Unternehmen stellt dann noch neue Mitarbeiter an, wenn man diese später nicht mehr los wird, sobald man sie nicht mehr benötigt; und Frankreich wird als Ort von Investitionen seinen letzten Reiz verlieren. Das wird wiederum die Staatseinnahmen weiter reduzieren. Zugleich werden schon jetzt Schweizer Banken von französischen Anlegern gestürmt. Das wird wieder Frankreichs Banken ins Schleudern bringen und vor allem die Zinsen für französische Anleihen in unfinanzierbare Höhen treiben.

Dann wird Frankreich verlangen, so wie Griechenland, Portugal, Irland, Spanien gerettet zu werden. Dann heißt es aber: Gute Nacht Europa. Und zwar in allen Sprachen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Wenn einer eine Reise tut… drucken

Träume werden leicht zuschanden,
denn wohin die Reise geht,
wird zuweilen erst verstanden,
wenn’s für Umkehr längst zu spät.

Aber in gewisser Weise,
falls wer neu ins Amt gewählt,
lässt das Ziel der ersten Reise
auch sinnieren, was da zählt.

Gauck zum Beispiel fuhr nach Polen
– zugegeben, ist nicht weit –
und dort gibt’s zwar nix zu holen,
doch es kostet wenig Zeit.

In Paris den Dings hingegen
zog’s nach Deutschland voller Hast –
muss mir erst mal überlegen,
wie mir der in Verse passt.

Jochen reiste unterdessen
pflichtbewusst nach Tel Aviv,
hätt’ er nämlich drauf vergessen,
hinge schon der Segen schief.

Und laut Plansoll, gar nicht heiter,
geht’s ja stets vom Judenstaat
eilig noch zum Häuptling weiter
nebenan im Reservat.

Putin gibt sich deutlich dreister,
denn zu NATO und G8
schickte er den Haushofmeister –
ei, wer hätte das gedacht!

Selber flog als Premiere
er zunächst mal nach Berlin,
bloß danach gab’s auch die Ehre
in Paris – doch immerhin.

Heißt das nämlich, gar noch später
kommt dann erst Obama dran –
ob man’s wie ein Barometer
für die Stimmung sehen kann?

Eins indes ist keine Frage:
Wenn man eine Reise tut,
so erzählt man heutzutage
das nur, was für Quoten gut…

Pannonicus

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Die Retter sind wieder ausgerückt drucken

Jetzt also auch Spanien. Immer mehr vermehren solche Rettungsaktionen einige fundamentale Sorgen – auch wenn man die Motive der Retter versteht.

Die Retter fürchten einen Bank-Run, also den Sturm aller Einleger auf die Banken, um ihre Guthaben bar abzuheben, wenn eine Bank kracht. Das könnte europaweite Beben auslösen. Daher wird alles getan, dass keine Bank pleite geht.

Nur lösen solche Rettungsaktionen eine Reihe anderer Probleme aus: Es wird dabei das Geld am Bankencrash völlig schuldloser Menschen verbrannt, was diese zunehmend erbittert und erzürnt; durch die ständige Eskalation der Rettungsausgaben könnten auch bisher gesunde Retter-Länder ins Schleudern kommen; die Dimensionen dieser Hilfe schaffen jedenfalls Inflationsgefahr; die Hilfe von außen nimmt den Druck von den Regierungen, selbst endlich kraftvolle Sanierungsreformen zu setzen, die als einzige die Krise wirklich beenden könnten; und es werden nicht nur die Ein- und Anleger gerettet, sondern auch die gesamte Bank-Mannschaft, statt dass diese ihren Job so wie die Aktionäre der Bank ihr Geld verlieren. Ein solcher Jobverlust ist ja bei anderen Firmen immer die automatische Folge eines Crashs, auch ohne dass die Mitarbeiter irgendeine Mitschuld haben müssen.

Ohne die Gefahr eines solchen Jobverlusts werden aber Bankmitarbeiter auch in Zukunft nicht sonderlich vorsichtig sein. Das bezeichnen die Ökonomen als Moral hazard: Wenn man weiß, dass man bei einem Misserfolg voll gesichert ist, handelt man viel riskanter, als wäre man ungesichert.

Dennoch sind die links- und rechtsradikalen Parolen falsch, dass die Banken die Hauptschuldigen wären, dass diese riskant gehandelt, also „spekuliert“ hätten. Die spanischen Banken haben in Wahrheit genau das getan, was altmodisches und klassisches Bankgeschäft ist: Häuslbauern gegen eine Hypothek Geld gegeben. Wenn aber diese Häuslbauer reihenweise ihren Job verlieren, wenn die Werte der spanischen Immobilien auf weniger als ein Viertel(!) sinken, dann ist es unausweichlich, dass alles ins Schleudern kommt. Auch wenn, wie im Falle Spaniens, die Staatsverschuldung keineswegs exorbitant ist.

Wenn man nach Schuldigen sucht, dann sind es (trotz der niedrigen Staatsverschuldung) die spanische Regierung, EU-Kommission und EZB, die ein Jahrzehnt lang tatenlos zugesehen haben, wie sich als Folge viel zu niedriger Zinsen die spanische Immobilienblase immer mehr vergrößert hat. Bis sie nun geplatzt ist.

PS.: Spanien hat auch noch aus anderen Gründen fahrlässig gehandelt, nämlich aus ästhetischen: Die mit den billigen Zinsen finanzierte Zubetonierung der andalusischen Küsten wäre auch ohne Crash ein Verbrechen.

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Orbán und Schüssel – und politische wie publizistische Mainstream-Rituale drucken

Wer seit fast drei Jahrzehnten im politischen Journalismus tätig ist – und dies seit 18 Jahren in Wien – kennt die Rituale der mainstream-publizistischen Verdammnis. Wolfgang Schüssel, der dies zumindest seit dem Jahreswechsel 1999/2000 als politisch Handelnder und reformerisch Gestaltender selbst leidvoll erfahren hat, kennt sie umso mehr.

Man hätte sich daher geradezu wundern müssen, wenn jetzt, da sich der österreichische „Altkanzler“ zur Halbzeit der Regierung Orbán im Nachbarland Ungarn in erfrischender – und zutreffender – Weise löblich geäußert hat, dieses Ritual, das der Philosoph Rudolf Burger einst mit dem schmückenden Beinamen „antifaschistischer Karneval“ versah, ausgeblieben wäre. Schüssel hat mit seiner Laudatio auf Orbán im ungarischen Fernsehen sowie in der Nachrichtenagentur MTI dankend Solidarität mit dem Nachbarn bekundet, der ihn seinerzeit – mit nur wenigen anderen – gegen die EU-Sanktionen des Jahres 2000 in Schutz genommen hatte. So weit, so gut.

Vor zwei Jahren hat die nationalkonservative Regierung Orbán in Ungarn die Macht übernommen. Sie beendete damit eine sozialistisch-liberale Herrschaft, die – erstmals im Nachwende-Ungarn – zwei parlamentarische Legislaturperioden währte. In diesen acht Jahren, in denen Gordon Bajnai, der parteilose, aber von den Sozialisten gestützte Ministerpräsident des Übergangs, schließlich zwischen 2009 und der Parlamentswahl im Frühjahr 2010 die wirtschafts- und finanzpolitische Reißleine zog, war das Land beinahe zugrunde gerichtet worden. Entsprechend fiel das Erbe aus, welches Orbán übernahm und, vom Wähler mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit im Parlament ausgestattet, seit Sommer 2010 zu beseitigen sucht – mit reichlich unkonventionellen Mitteln. Das schafft ihm Verdruss, außerhalb Ungarns weit mehr als daheim.

Es sind besonders Stimmen aus Deutschland und Österreich, politische wie publizistisch-massenmediale, die in Ungarn so etwas wie die schleichende Abschaffung des Rechtsstaats wähnen. Es schwoll der Chor jener an, die, wie Martin Schulz (SPD), heute Präsident des Europaparlaments, Orbán der „Säuberungspolitik“ bezichtigten und schon während des ungarischen EU-Vorsitzes im ersten Halbjahr 2011 den ominösen Artikel 7 des EU-Vertrags ins Spiel brachten, wonach ein Mitgliedsland mit Sanktionen bis zum Stimmrechtsentzug in den Unionsgremien belegt werden kann, so es „gegen demokratische Grundsätze verstößt“.

Ähnlich die Österreicher Hannes Swoboda (SPÖ) und Ulrike Lunacek, seine Parlamentskollegin von den Grünen. Ungarn nannte der luxemburgische Außenminister Asselborn einen „Schandfleck“. Unter Beifall des Liberalen Guy Verhofstadt sieht Daniel Cohn-Bendit Orbán „auf dem Weg, ein europäischer Chavez zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht". Vergleiche mit der „gelenkten Demokratie“ des russischen Präsidenten Putin oder gar des Autokraten Lukaschenko in Minsk sind wohlfeil.

„Das ist unverständlich und ungerecht", sagte Schüssel in Budapest zu Recht. Unübersehbar ist, dass es die hauptsächlich im links der Mitte angesiedelten Spektrum politisch korrekten Moral- und Tugendwächter stört, dass in Budapest eine nationalkonservative Regierung im Amt ist. Dass die Magyaren im Frühjahr 2010 Sozialisten (MSZP) und Liberale (SZDSZ), die nach acht Jahren Regierungszeit ihren Nachfolgern ein abgewirtschaftetes und vor dem Abgrund stehendes Land hinterließen, nicht einfach nur abwählten, sondern politisch marginalisierten und Orbáns Bürgerallianz (Fidesz) sowie deren festen Bündnispartner Christdemokratische Volkspartei (KDNP) mit einer satten Zweidrittelmehrheit im Parlament ausstatteten. Die er seitdem unbeeindruckt von Kritik nutzt, um das Land von Grund auf umzubauen. Worin ihm – man darf sich von so genannten Massendemonstrationen nicht den Blick verstellen lassen – die Mehrheit der Bevölkerung (noch immer) folgt, was ihn aber im politisch korrekten Europa verdächtig macht, wo man ihn – im günstigsten Fall – des „Cäsarismus“, „Bonapartismus“ oder „Horthyismus“ zeiht.

Die angebliche Zensur der Medien

Wogegen verstößt Orbán in den Augen seiner in- und ausländischen Kritiker? Er gängle die Medien, kneble sie und wolle sie unter seine Kontrolle bringen, behaupten sie. Dass in Ungarn ein Regulieren und Zurechtstutzen seiner nicht ohne Zutun ausländischer Verlagshäuser und Privatsender wild wuchernden Medienlandschaft nach dem Vorbild westlicher Gebräuche vonnöten ist, können nicht einmal die jetzt opponierenden Sozialisten und die von diesen abgespaltene „Demokratische Koalition“ (DK) des vormaligen Ministerpräsidenten und MSZP-Chefs Ferenc Gyurcsány – ein milliardenschwerer Großunternehmer, der gegenwärtig seine mutmaßlich plagiierte Doktorarbeit nicht finden kann – ernsthaft bestreiten, die es selbst versucht hatten.

Außerhalb Ungarns  macht(e) sich kaum jemand die Mühe, über Zustand, Reichweite, den enormen Verschuldungsgrad der ungarischen „Staatssender“, den sie seit Jahren vor sich herschieben, und über deren Reformresistenz Bemerkungen zu verlieren. Oder etwa einen durchaus angebrachten Vergleich beispielsweise mit dem ORF  anzustellen, wo – bei einer Bevölkerung von achteinhalb Millionen potentiellen Zuschauern respektive Zuhörern gegen zehn Millionen in Ungarn – unter dem amtierenden „Spar-General“ 500 Beschäftigte ausscheiden mussten. Wogegen sich kaum Stimmen regten. Betretenes Schweigen herrschte unter westlichen Kritikern, die sich in Sachen Ungarn zum Richter aufschwingen, auch über den Murdoch-Medienskandal, darein beide britischen Traditionsparteien verwickelt waren/sind. Dagegen ist die medienpolitische Suppe im Pannonischen Becken recht dünn.

Die Ungarn wollten nach ihren in den Jahren 2002 bis 2010 gesammelten Erfahrungen eine Regierung haben, die eine „grundlegende politische Wende“ versprach. Orbán ist angetreten, sie auch zu vollziehen. Dass die Bevölkerung die – in den Augen europäischer Sozialisten, Sozialdemokraten, Grüner und Liberaler  – „falsche Regierung“ wählte, dürfte der eigentliche Grund für die Maßregelung der Regierung Orbán und seiner ursprünglich „liberalen“ Partei sein, die er in den letzten 15 Jahren konsequent in eine Mitte-rechts-Sammlungspartei umformte.

An Bertolt Brechts Diktum anlässlich der niedergeschlagenen Erhebung rund um den 17. Juni 1953 mag man sich erinnert fühlen: „Da sich herausgestellt hat, dass unser Volk eine dumme Hammelherde ist, empfehlen wir der Regierung, sich ein anderes Volk zu wählen“; doch in Ungarn ist das 56 Jahre nach den Erfahrungen von 1956 geradezu umgekehrt. Die Verwandlung des Landes und der gesamten politischen Landschaft im Sinne einer Wende, welche nicht mehr leicht rückgängig zu machen sein könnte, die Orbán mit der höchstwahrscheinlich einmaligen Zweidrittelmehrheit vorantreibt, ist der eigentliche Grund für die Erregung und für Feindseligkeiten seiner Gegner im Land, deren Kritik draußen gern übernommen wird.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die US-amerikanische Botschafterin in Ungarn, Eleni Tsakopoulos Kounalakis, bezüglich des Zustands der ungarischen Demokratie ihren Gesprächspartnern aus der ungarischen Opposition und aus kritisch-intellektuellen Kreisen entgegenhielt: „Solange eine Regierung im Rahmen demokratischer Wahlen abgewählt werden kann, kann nicht von einem Ende der Demokratie gesprochen werden.“ Und Außenministerin Clinton, die während einer Stippvisite aus Anlass der Gründung des Lantos-Instituts im ungarischen Parlament durchaus deutliche Worte an Orbán richtete, ihren Gesprächspartnern aus der ungarischen Opposition aber gleichermaßen ausrichtete: „Die Zweidrittelmehrheit der Regierung ist das Ergebnis von freien Wahlen.“

Gott, Volk und Stephanskrone in der neuen Verfassung

Was macht Orbán noch verdächtig? Dass seine Regierung als erste massiv gegen die Zigeuner-Hatz eigentlich verbotener paramilitärisch in Erscheinung tretender „Garden“ vorgeht? Gewiss nicht, nur blenden seine Kritiker dies geflissentlich aus. Dass es während des ungarischen EU-Vorsitzes auf Initiative Ungarns zur Festlegung einer verbindlichen Roma-Strategie gekommen ist? Das wird meist ebenso übergangen wie die Zusage, trotz Reduktion redaktionellen Personals 15 entsprechend Ausgebildeten aus der Roma-Minderheit den Weg in die öffentlich-rechtlichen Medien zu ebnen.

Mit der verfassungsändernden Zweidrittelmehrheit ist das von Orbáns Regierung eingebrachte neue Grundgesetz beschlossen worden. Darin wird nicht nur die „Heilige Krone“ zur Wahrung der historischen Kontinuität der Nation verehrt, sondern auch der „Segen Gottes“ für deren Gedeih erfleht. Ungarn gehört damit vom 1. Januar 2012 an zu jenen wenigen Ländern in Europa, die einen Gottesbezug in der Verfassung haben. Was soll daran schlecht sein, zumal es sich um eine wörtliche Sentenz aus der Nationalhymne handelt, an der in der EU, so weit bekannt, seit Ungarns Aufnahme 2005 niemand Anstoß genommen hat?

Außer, dass die Anrufung Gottes aus dem Blickwinkel religiös Indifferenter und all derer, die sich „freisinnig“ dünken, als geradezu provokative Regelverletzung ausgelegt wird. Im übrigen sind von der EU seinerzeit an der Mediengesetzgebung verlangte Korrekturen längst umgesetzt und soeben auch Passagen, die der ungarische Verfassungsgerichtshof (laut Kritikern angeblich „Orbán-hörig“) für nichtig erklärt hatte, geändert worden.

Sodann das Bekenntnis zur einen Nation, im wohlverstandenen Sinne ihrer historisch, sprachlich und kulturellen Bande über die Grenzen des 1920 um zwei Drittel des damals verlorenen Territoriums Ungarns hinaus. Antieuropäisch ist das ebenso wenig wie eine Gefahr für die Grenzen in Europa, die doch wohl seit den Kriegen nach der Auflösung Jugoslawiens feststehen und als unverrückbar gelten können. Nichts ist verwerflich daran, dass sich das Vaterland Ungarn – fern jedweden territorialen Verlangens – für beträchtliche magyarische Volksgruppen in seiner Nachbarschaft verantwortlich fühlt. Auch nicht, dass es für deren kulturelle Autonomie und regionale Selbstverwaltung eintritt. Und sich, wie all jene, die darin das geeignete Mittel zur Eindämmung und Überwindung historisch bedingter Minderheitenkonflikte sehen, für einen wirksamen, EU-weit rechtlich verbürgten Volksgruppenschutz einsetzen.

Außerhalb Ungarns erregt schließlich auch das Bekenntnis der Regierung Orbán zur Familie Unmut, besonders deswegen, weil die neue Verfassung die Gleichstellung der Gemeinschaft aus Mann und Frau mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ausschließt. Auch damit fordert Orbáns Ungarn den Zeitgeist heraus und setzt ihm ein Stück christlich geprägten Wertekanons entgegen. Womit es sich wie in vielem anderen der politischen Korrektheit entzieht, welcher sich all jene bedienen, die ständig das Wort vom „Verstoß gegen die europäischen Werte“ im Munde führen.

Vorwurf mangelnder Haushaltsdisziplin

Im Streit über das Budgetdefizit waren die EU-Finanzminister der Kommissionsvorgabe gefolgt, Budapest wegen „unsolider Haushaltspolitik seit Beitritt zur Union 2004“ 29 Prozent der Mittel, die es aus dem EU-Kohäsionsfonds erhielte – das sind 495 Millionen Euro – zu entziehen, sollte Ungarn nicht bis Mitte des Jahres durch geeignete Maßnahmen ersichtlich machen, dass es künftig bei der Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleibe. Die Entscheidung darüber steht im Juni an.

Das Brüssler Vorgehen hat in Budapest zu großem Unmut geführt. Nicht allein, dass just die konservative Regierung Orbán alles getan hat, um die unter ihren sozialistischen Vorgängern extrem ausgeweitete Staatsverschuldung – von 52 Prozent BIP 2002 auf 83 Prozent BIP 2009 –  einzudämmen. Zu Recht sagt Schüssel daher, dass die berechtigte Kritik hinsichtlich des ungarischen Budgets „an die Vorgängerregierung zu richten“ sei, die die massive Verschuldung überdies in einer Phase „prosperierender Weltwirtschaft" angerichtet habe. Damals habe niemand Kritik erhoben.

Viele Magyaren bringt auch der Umstand gegen „das EU-Diktat“ auf, dass die Kommission dem Eindruck nach „mit zweierlei Maß misst“, wie es etwa die österreichische Finanzministerin Maria Fekter im Kreise ihrer Ressortkollegen zum Ausdruck brachte, unter denen die Daumenschrauben gegen Ungarn höchst umstritten waren. Denn parallel zum an Ungarn statuierten Bestrafungsexempel wurde das gebeutelte und gegenwärtig zudem an einer Banken-Krise laborierende Euro-Land Spanien „für begonnene Reformen“ belohnt, weshalb Madrid 2012 sogar mehr neue Schulden machen darf als ihm ursprünglich erlaubt gewesen sind. Und zur selben Zeit schüttete dieselbe EU abermals 140 Milliarden Euro ins bodenlose Fass Griechenland, wo sich jetzt die radikale und gemäßigte Linke anschicken, die EU zu erpressen.

Selbst Martin Schulz, alles andere als ein Freund Orbáns, kritisierte die EU-Kommission für deren Entscheidung, die sich als „kontraproduktiv erweisen“ könnte. Immerhin: Soeben hat Brüssel signalisiert, dass der Freigabe der Mittel für Ungarn aus dem Köhäsionsfonds nichts mehr im Wege stehe, da Budapest die drei-Prozent-Auflage der Maastricht-Kriterien halten respektive sogar unterschreiten werde.

Ungarn fühlt sich von der EU ungerecht behandelt

Dass sich die große Mehrheit der Magyaren auch aus anderen Gründen ungerecht behandelt fühlt, geht aus Erhebungen des Instituts „Nézöpont“ hervor, wonach drei Viertel aller Befragten mit Aussagen Orbáns übereinstimmen, insbesondere mit jenen, wonach Ungarn „keine Kolonie“ sei und sich „Druck und Diktat von außen" nicht beugen werde. Ein Diktator ist Orbán beileibe nicht, sondern – vor allem anderen – ein ungarischer Patriot.

Schüssel hat im ungarischen Fernsehen auch unter Bezug darauf von der Wichtigkeit eines „modernen, besonnenen Patriotismus" in den europäischen Ländern gesprochen: Es müsse eine neue Perspektive geboten werden, „in deren Mittelpunkt Freiheit und Unabhängigkeit stehen" und die zugleich „die Dazugehörigkeit zur Heimat betont".

Doch mit Patriotismus, Vaterlandsliebe, eckt man an in der schönen neuen Welt. Schon als junger Mann hat Orbán – damals noch hinter dem Eisernen Vorhang – den Abzug der Sowjettruppen aus Ungarn und die Rehabilitation der Revolutionäre von 1956 verlangt. Die Magyaren sind ein freiheitsliebendes, geschichts- und nationalbewusstes Volk. Das haben sie nicht nur damals bewiesen. Deswegen schätzen sie es auch, wenn sich Orbán „Einmischung von außen“ verbittet. Auch mit der Festlegung des 22. Juli zum (nunmehr vierten) Nationalfeiertag – im Gedenken an den Sieg eines christlichen Heeres über die Türken 1456 – fordert Orbáns Ungarn den Zeitgeist heraus und entzieht sich der politischen Korrektheit, welcher sich alle bedienen, die ständig das Wort vom „Verstoß gegen die europäischen Werte“ führen.

Weshalb bei der Betrachtung des „unbotmäßigen Ungarn“ durchaus die Parallelität zum Nachbarland Österreich auf der Hand liegt. Die Szenerie erinnert an das – letztlich gescheiterte – Vorgehen gegen Wien anno 2000, wobei sich nicht wenige Politiker und Publizisten, die seinerzeit die „besonderen Maßnahmen“ („Sanktionen“) der damals 14 Regierungen gegen die fünfzehnte guthießen, heute dazu versteigen, die angeblich „von Orbán ausgehende Gefahr“ um „ein Vielfaches“ höher zu bewerten als das „Vergehen“ der „Schüssel-Haider-Koalition“. Vor zwölf Jahren wurde gegen die Entscheidung zur Regierungsbildung in Österreich kampagnisiert, heute trifft es der Ungarn „falsche“ Wahl.

Dr. Reinhard Olt ist  Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ mit Zuständigkeit für Österreich und Ungarn, zeitweise auch für Slowenien und die Slowakei, seit 1994 mit Sitz in Wien.

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Junge Präsidenten sind wie junge Männer oft gefährlich drucken

Ginge es nicht um so Ernstes wie Krieg, dann wäre es fast amüsant: Es scheint so, dass in großen Länder Europas und Nordamerikas – beziehungsweise in jenen, die sich noch immer für groß und wichtig halten, – jeder neue Staatschefs darauf brennt, seinen eigenen Krieg zu beginnen. Vor einem weiteren Konflikt scheut aber dann interessanterweise jeder zurück.

In Amerika hat praktisch jeder Präsident in seiner Amtszeit eine kleinere oder größere Militärintervention zu verzeichnen. Ob der Schauplatz nun Korea, Vietnam, ein lateinamerikanisches Land, Somalia oder (zweimal) Irak gewesen ist. Barack Obama, der amtierende Staatschef, etwa hat den Irak-Krieg von George W. Bush heftig kritisiert; er hat dann aber in Afghanistan den Krieg hocheskaliert. Als es hingegen später in Libyen und Syrien heiß zu werden drohte, war der amtierende Präsident dann jedoch total desinteressiert.

Ähnlich die Briten: Tony Blair wurde für Irak heftig gescholten – David Cameron war hingegen ganz begeistert, als er in Libyen militärisch zuschlagen konnte. Ähnliche Begeisterung bei der Libyen-Intervention prägte Frankreichs Nicolas Sarkozy. Sein Nachfolger Francois Hollande hat Sarkozy wegen seiner Libyen-Politik attackiert, er ist aber nun plötzlich der erste, der in Syrien zuschlagen will.

Kriegsführen zur Imageförderung?

Hängt dieses Verhaltensmuster vielleicht damit zusammen, dass es in Washington, London und Paris noch immer für ein imageförderliches Zeichen der Stärke gehalten wird, wenn der Staatschef zum Angriff bläst? Das wäre freilich in Wahrheit ein Zeichen ziemlich pubertärer Unreife.

Vor allem, weil sich regelmäßig und zwangsläufig herausstellt, dass Kriegführen ein ziemlich dreckiges Gewerbe ist; dass dazu immer viel mehr des nicht vorhandenen Geldes benötigt wird als ursprünglich geplant; und vor allem, dass auch nach einem Sieg die Dinge in dem Land oft keineswegs besser sind als vor der militärischen Intervention. Das lässt sich ja von Irak über Afghanistan bis Libyen schon deutlich beweisen, wo nachher das Chaos und die menschenrechtliche Situation nicht besser waren. Das dürfte auch der Grund sein, warum keiner der Mächtigen beim Ausbruch der nächsten Krise noch etwas von einer Intervention hören will. Sie sind immerhin lernfähig.

Das heißt noch keineswegs, dass automatisch jedes militärische Eingreifen in der historischen Perspektive sinnlos wird. Man denke nur an den blühenden Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland, der nach dem amerikanischen Eingreifen und der blutigen Bezwingung des Hitlerschen Verbrecherstaates entstanden ist. Ähnlich positiv ist Japans Entwicklung zu bilanzieren, das von einem kriegerischen Erobererstaat in einen friedlichen Wirtschaftswunderstaat verwandelt worden ist (und das heute mehr mit der eigenen Überalterung als mit fremden Heeren zu kämpfen hat). Man denke an Südkorea, dass nur dank der amerikanischen Hilfe seine Freiheit bewahrt hat.

Jugoslawien war auch im Rückblick legitim

Auch im ehemaligen Jugoslawien war das auswärtige Engagement gegen Milosevic, Mladic & Co sicher gerechtfertigt, auch aus dem Rückblick. Nur durch dieses Eingreifen konnte das hunderttausendfache Morden gestoppt und es den dortigen Völkern ermöglicht werden, sich in Freiheit zu entwickeln.

Freilich: In Bosnien hat man das nicht geschafft. Dort weiß man bis heute nicht, in welche Zukunft das de facto dreigeteilte Land gehen soll, das formal in eine Einheit gezwängt worden ist. Die Herrschaft eines orientierungslosen, aber mächtigen ausländischen EU-Kolonialherrn – derzeit übrigens der österreichische Diplomat Valentin Inzko – kann ja keine Dauerlösung sein.

Was man vor einem Eingreifen überlegen sollte

Wann ist nun ein militärisches Eingreifen sinnvoll und gerechtfertigt und wann nicht? Was sollte vor einer Intervention überlegt werden? Welche Lehren kann man aus diesem Überblick ziehen? Zweifellos nicht nur jene, dass halt jedes Land und jede geschichtliche Situation anders sind. Und auch nicht, dass nur reine Selbstverteidigung legitim ist. Die zu prüfenden Voraussetzungen vor einer Intervention in einem anderen Land, in dem beispielsweise ein Bürgerkrieg tobt:

  1. Kriegsführen ist extrem teuer und kann ein intervenierendes Land auch bei einem „Sieg“ schwer schädigen. Kann man sich das leisten?
  2. Es ist besonders heikel, wenn ein junger Präsident ins Amt kommt, der irgendwie glaubt – oder glauben machen will –, dass er fähig und willens wäre, jedes Problem radikal zu lösen, also auch militärisch. Auch linke Präsidenten sind vor dieser Selbstüberschätzung keineswegs gescheut, wie die Exempel von Kennedy über Blair bis Hollande zeigen.
  3. Ist das eigene Land überhaupt entschlossen und motiviert genug, einen Krieg auch mit all seinen tödlichen und blutigen Konsequenzen, auch mit schrillen Medienberichten, mit der Heimkehr vieler Särge, mit den meist unvermeidlichen Rückschlägen durchzutragen? Selbst die USA sind aus diesem Grund ja schon häufig nicht mehr zum Kriegsführen imstande (Siehe etwa ihren blamablen Abzug aus Somalia oder Libanon).
  4. Wird wie beim Irak-Krieg das Kriegsgeschrei der Medien binnen kurzem in Pazifismus und heftigem Tadel an der eigenen Regierung umschlagen?
  5. Hat man militärisch überhaupt gute Siegeschancen?
  6. Wie kann man mit einem Gegner umgehen, der sich an keinerlei Kriegs- und Völkerrecht hält, während man selbst unter strengsten rechtlichen Zwängen und einer kritischen Presse steht?
  7. Kann man mit einer Intervention durch Kettenreaktion einen nicht mehr beherrschbaren Weltenbrand auslösen (siehe Österreichs Strafexpedition 1914 gegen Serbien)?
  8. Gibt es angesichts der ethnischen, kulturellen, historischen, emotionalen, religiösen Situation in einem Drittweltland überhaupt Chancen, nach dem erhofften Sieg einen erfolgreichen Aufbau eines funktionierenden Staates, ein „Nation building“ durchzuführen? Steht man nicht – vor allem in islamischen Ländern – einer prinzipiell so feindlichen Mentalität der zu befreienden Bevölkerung gegenüber, dass der langfristige Erfolg, der in Japan, Korea, Deutschland und Österreich nach einem Sieg gelungen ist, dort niemals zu erzielen ist?
  9. Hat man überhaupt gute Pläne für den Tag nach dem erhofften Sieg? (auf die man im Irak total vergessen hatte!)
  10. Gibt es eine Alternativen zum Eingreifen? Immerhin haben schon mehrfach bloße Sanktionen auch den gewünschten Erfolg gebracht – wenn auch erst nach längerer Zeit. Siehe Burma, Südafrika oder Libyen in einer früheren Phase.

Nur ein Staatschef, der all diese Fragen klar beantworten kann, sollte an die Möglichkeit einer Intervention auch nur denken. Kann er das nicht, dann sollte er dem häufig aufflammenden medialen Druck widerstehen, die Rolle eines Weltpolizisten zu übernehmen. Auch wenn diese an sich eine durchaus ehrenhafte und von der Weltöffentlichkeit immer wieder heftig ersehnte ist. 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Gemeinschaftswährung Euro: Sag zum Abschied leise Servus! drucken

Der Euro als gemeinsame Währung Europas ist gescheitert. An Europa. Wer sich damit nicht endlich abzufinden beginnt, riskiert ein Finanzfiasko, das dem „Schwarzen Freitag“ von 1929 gefährlich nahe kommen könnte.

Die Konstrukteure des Euros haben in ihrem Idealismus etwas Entscheidendes vergessen: Eine Währung, die „gleich“ strukturierte Volkswirtschaften mit „gleich“ handelnden, „gleich“ arbeitenden und „gleich“ wählenden Konsumenten, Unternehmern und Erfindern verbindet, kann nur funktionieren, wenn tatsächlich alle „gleich“ sind. Wer sich über die teils deutlich unterschiedlichen PISA-Ergebnisse bloß innerhalb eines Landes wie Deutschland wundert, weiß, dass der Euro um mindestens 81 Jahre zu früh gekommen ist.

Obwohl die USA bereits im Jahre 1783 die Unabhängigkeit erlangten, erreichte erst der National Banks Act von 1864 (81 Jahre später), dass eine gemeinsame Währung von einer gemeinsamen Zentralbank ausgegeben wurde. Und erst 1913 entstand die heutige Federal Reserve Bank, die FED. Was in Amerika also 130 Jahre brauchte, peitschte man in Europa in knapp zwanzig Jahren durch.

„Eurovision Song Contest“ als Staatsidee?

Die meisten Europäer assoziieren mit „Eurovision“ heute einen etwas merkwürdigen (und künstlerisch eher entbehrlichen) Gesangswettbewerb. Leider erkennen sie beim Begriff „Euro-Vision“ nicht die spirituelle Klammer, die Europa emotionell endlich ?einen könnte. Die Gründerväter Amerikas wussten den „Glauben an die Freiheit“ als die große Staatsidee. Damit einte man die bunteste Bevölkerung der Welt. In der EG versuchte man es mit der Idee von Frieden, in der EU wich dies der knöchernen Gedankenwelt eines „immer währenden Konsums in Frieden und in Stabilität“.

Tatsächlich hatte das über Hunderte Jahre andauernde „Nation building“ in den USA aber dazu geführt, dass Menschen im heißen Florida heute ähnlich sparen und konsumieren wie solche im kühlen Alaska. Kalifornien hat ähnlich viele Existenzgründer wie New York, und in Chicago arbeitet man nicht weniger als in Houston. In Europa davon keine Spur.

Wohlstand im Ländle, Armut im Süden

Baden-Württemberg wird immer reich sein. Weil seine Bevölkerung zu technischer Perfektion neigt und diese in unzähligen Experimenten oder Tüfteleien in immer neuen Maschinen? umsetzt. Die verkauft man um gutes Geld in alle Welt. In Griechenland oder Portugal vermisst man diesen Unternehmergeist. Die weltweit ersten Solartechnik-„Start-Ups“ entstanden ausgerechnet im sonnenarmen Berlin. Hier experimentierte man mit Photovoltaik (oder auch mit Windkraft), als von staatlichen Förderprogrammen noch keine Rede war. In Griechenland hat sich bis heute noch kein einziger Solar-Erfinder gefunden – trotz voller EU-Subventionstöpfe und obwohl sich das Land einer doppelt so hohen Sonneneinstrahlung erfreut wie Deutschland (überdies ist Hellas noch dazu ein ausgesprochenes Starkwindgebiet).

Niemand zwingt Griechen oder Portugiesen, nicht zu tüfteln und keine Firmen zu gründen. Wenn man von ausländischen Produktionsstandorten und einigen Handelsfirmen einmal absieht, hat auch Portugals Wirtschaft nur wenige „Patente oder Produkte“ von Weltformat vorzuweisen. Etwas besser ist es schon in Spanien, Italien oder gar in Frankreich. Doch diese Länder haben (entsprechend ihrer Mentalität?) über Jahrzehnte hinweg sozialistisch regierende Parteien an die Macht gewählt, die mit rigidem Kündigungsschutz und sinkenden Arbeitszeiten für ein komfortables Leben sorgten.

Der Rest ist heute schon Geschichte: Weil die Südeuropäer nicht weniger verdienen wollten, nur weil sie immer kürzer, immer weniger (und immer weniger hart) arbeiteten, mussten ihre Staaten über höhere Transferleistungen die Einkommenslücke auffüllen – unglücklicherweise auf Pump.

Weniger verdienen, härter arbeiten – oder Exit

Man brauche vor Griechenlands Pleite keine Angst zu haben, weil das Land nur zwei Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung darstellt – Mit Portugal kommen aber schon weitere zwei Prozent dazu. Und mit Frankreich? Erinnert sich denn keiner mehr an die 1980er Jahre, als Franzosen und Italiener die geringere Qualität ihrer Autos mit der jährlich ritualisierten Abwertung ihrer Währungen (gegenüber Schilling und D-Mark) zu kompensieren wussten Mit dem Euro geht das heute nicht mehr.

Folgerichtig müsste man jährlich – in der Höhe des Produktivitätsrückstandes – die Löhne in den ehemaligen Weichwährungsländern absenken, den dortigen Kündigungsschutz lockern und die Arbeitszeiten anheben.

Griechenland und Frankreich haben aber soeben das gegenteilige Programm gewählt – und Spanien wird noch folgen. Die bisherige unausgesprochene Klammer zwischen Nord- und Südeuropa, dernach „Deutschland das alles (wieder) bezahlen wird“, ist den Bundesbürgern nicht mehr zumutbar. Weil es die Haftungsübernahmen für seine maroden Nachbarn in der Existenz bedrohen.

Und deshalb wird der Euro bald verschwinden.

„Wandern oder Untergeh`n“

Nach der geordneten Rückkehr ehemaliger Schwachwährungsländer zu ihren alten Währungen – und einer sofortigen Abwertung der selbigen – ist die innereuropäische Wander-Möglichkeit für Bürger auszubauen. Die Grenzen sind sofort zu öffnen. Es braucht eine gemeinsame EU-Armee, einen gemeinsamen EU-Präsidenten – und ein „echtes“ Parlament. Dazu echte EU-Wahlen (die tatsächlich etwas wählen) und ein mehrsprachiges Schul- und Verwaltungssystem – ähnlich dem der Schweiz.

In Kalifornien ist es heißer als in Griechenland, aber durch die hunderte Jahre währende Binnenwanderung ließ „DER Amerikaner“ dort im Wüstenstaat großartige Firmen wie Google, Microsoft oder Amazon entstehen, wie man sie in Europa nur im Nordteil vermuten würde. Nicht die Verteilung hunderter Milliarden Euros an Strukturförderungen und Agrarbudgets wird Europa irgendwann zusammenschweißen – es ist die Schaffung eines „europäischen Mentalitätstyps“ – mit regionalem Einschlag. Erst wenn es in Griechenland genügend Tüftler aus dem Norden gibt und in Schwaben lebensfrohe Gastgeber, dann wird „DER Europäer“ für gleichförmig planbaren Wohlstand auf DEM europäischen Kontinent sorgen. Und dann erst macht Europas „Dollar“ einen Sinn.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Er hat Europas erstes „Globalisierungskritik-kritisches“ Buch geschrieben: „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“.

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Über Unerträglichkeiten drucken

Thilo hat, von Trotz getrieben,
noch ein böses Buch geschrieben,
und im weiteren Verlauf
kam’s, wie unschwer zu vermuten,
denn jetzt gießen alle Guten
wieder ihre Jauche drauf.

Irgendein dressierter Pudel
kläfft im Frankfurt-Rundschau-Rudel
„widerlich“ als Kommentar,
und Trittin, der kühne Recke
in der grünen Tugendecke,
spricht von „unerträglich“ gar!

Unerträglich? Ich könnt’ schwören,
das war über Grass zu hören,
jüngst erst im Ranicki-Reich –
richtig, weil ja der Besagte
an Tabus zu rühren wagte –
ohnehin nur kuschelweich.

Und er ist in Folgewochen
obendrein zurückgekrochen,
wie die andern alle auch,
die bewährten Bundeslügen
letzten Endes doch sich fügen,
streng nach Ewigbüßer-Brauch.

Weiters zeigt er nun dem Lande,
wie er mit „Europas Schande“
fromm geläutert neu erblüht:
Sagt Europa und meint bieder
bloß die Ewigzahler wieder,
wenn er Hölderlin bemüht!

Gar dann aus antiken Zeiten
heute Rechte abzuleiten,
nützt wohl mehr noch dem System –
aber Gründe zu erkennen,
sowas ein Gedicht zu nennen,
damit hab’ ich ein Problem…

Pannonicus

(Thilo Sarrazin hat nach „Deutschland schafft sich ab“ nun auch mit „Europa braucht den Euro nicht“ die Politisch Korrekten aufgeregt. – Günter Grass lieferte nach seinem umstrittenen Israel-„Gedicht“ nebst Rückziehern nun eine weitere missglückte „Wiedergutmachung“ mit „Europas Schande“.)

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Der Euro schafft Europa ab drucken

„Europa braucht den Euro nicht“, betitelt Thilo Sarrazin sein neuestes Buch. Die Aussage ist das Ergebnis einer „sauberen Analyse“, urteilt der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, im Einklang mit einem laufend größer werdenden Kreis von Fachökonomen. Nach ersten Wutausbrüchen – der deutsche Finanzminister Schäuble sprach von „himmelschreiendem Blödsinn“ – wagt es heute kaum noch ein Politiker, ökonomische Gründe ins Treffen zu führen, die für das Festhalten am Euro sprechen.

Die Nachteile der Europäischen Währungsunion (EWU) – stagnierendes Wachstum, erhöhte Arbeitslosigkeit, Ungleichgewichte, Strukturschwächen, Blasenbildungen, übermäßige Staatsverschuldung, Sparzwang, nicht funktionierende „Stabilitätsmechanismen“, löchrige Rettungsschirme, Staatsschuldenfinanzierung durch die EZB, unverhältnismäßige Kreditausweitung, Inflationsgefahren, Bankenpleiten durch uneinbringlich gewordene Kredite – sind inzwischen so offensichtlich geworden, dass die Rede vom „Profit“ der gemeinsamen Währung nur noch auf Unglauben und Protest stößt. Kaum jemand bestreitet, dass der Euro eine „Fehlkonstruktion" war und ist. „Es war ein schwerer Fehler, in der EU ohne politische Union eine gemeinsame Währung einzuführen" (S. 387). Und es ist Utopie zu glauben, dass selbstbewusste Völker wie die Briten, Dänen, Schweden, Polen oder Tschechen ihre Souveränität an einen europäischen Bundesstaat abtreten werden (vgl. S. 407).

Selbst für die heutigen Bundesstaaten wie Deutschland, Österreich, Belgien oder Spanien würde ein europäischer Bundesstaat die Existenzfrage stellen: „Praktisch alle wesentlichen Zuständigkeiten der nationalen Bundesebene würden bei einem europäischen Bundesstaat nach Brüssel wandern und die nationalen Bundesstaaten als leere Hüllen zurücklassen … Das wäre nicht wünschenswert und auch nicht mehrheitsfähig (S. 406f)." Die „Vereinigten Staaten von Europa“ werden nie kommen!

In Deutschland muss nun das berühmte H-Wort herhalten, um den Verbleib im Euro und die damit verbundenen Vermögensübertragungen zu Lasten der Bevölkerung zu rechtfertigen. Besonders übelgenommen wurde Sarrazin jene Passage, in der er den deutschen Befürwortern von Eurobonds vorwirft, sie seien „getrieben von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben".

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der SPD-Abgeordnete Reinhold Robbe, nannte die Verbindung der Euro-Währung mit der Buße für den Holocaust „Schwachsinn". Er vergaß ganz, dass Helmut Schmidt, Peer Steinbrück oder Günter Verheugen lange vor Sarrazin die Teilnahme Deutschlands an der europäischen Integration und Währungsunion samt ihren hohen Transferzahlungen mit der Verantwortung der Deutschen für die beiden Weltkriege und die Nazi-Verbrechen begründet hatten. Sie werden allerdings kaum Verständnis für eine solche Argumentation von Finnen, Holländern, Slowaken oder Bürgern aus anderen Ländern der Eurozone erwarten dürfen, die ebenfalls Transferzahlungen leisten oder Garantieerklärungen abgeben müssen.

Das Buch Sarrazins, so Alan Posener in DIE WELT, sei kein Skandal, „an keiner Stelle!“ In der Euro-Debatte finde hier vielmehr eine „Rückkehr zur Seriosität“ statt. Es wurde geschrieben von einem Fachökonomen, der als Spitzenbeamter an der Konzeption der Währungsunion mitwirkte, als Finanzsenator half, das Budget Berlins zu sanieren und schließlich in den Vorstand der Deutschen Bundesbank entsandt wurde. Aber vielleicht bestünde gerade darin der Tabubruch, der die politische Elite aufheulen lässt, dass einer aus ihrer Mitte das Lügengespinst und die Illusionen entlarvt, welche zur Existenzkrise von Europäischer Union und Euro-Währung geführt haben. Die gemeinsame Währung wurde zum Sprengstoff der Union!

Sieben Kapitel des Buches machen den Leser mit Vorgeschichte, Konzept, Bruchstellen, Fehlschlägen, Rettungsaktionen sowie den Vor- und Nachteilen der Europäischen Währungsunion in sachlich-nüchterner Weise vertraut. Im achten und letzten Kapitel wagt Sarrazin den Blick auf die Zukunft Europas und seinen gemeinsamen Währungsraum zu lenken. Er lässt uns darüber nicht im Unklaren, welche schicksalhaften Entscheidungen jetzt anstehen und welche Auswirkungen sie auf uns und künftige Generationen haben werden.

Deutsche Komplexe und europäische Identität

Der Rezensent muss gestehen, dass er das Buch nicht ohne innere Bewegung gelesen hat. Sarrazin steht ihm nicht nur fachlich nahe, so dass er sich in seinen eigenen Überzeugungen zur Währungsunion bestätigt sieht. Viel wichtiger ist, dass Sarrazin zu jenen gebildeten und grundanständigen Charakteren zählt, die aus ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Volk und aus ihrer Sorge um sein Überleben kein Hehl machen.

Sarrazin wehrt sich mit Verve und hoher Intelligenz gegen eine Politik, die „Deutschland zur Geisel aller jener (macht), die künftig noch im Euroraum hilfsbedürftig werden könnten" (S. 417). Es geht nicht an, dass sich Euroländer, ob groß oder klein, auf Kosten der Gemeinschaft der Eurozone aushalten lassen. „Jede Form eines solidarischen Finanzausgleichs oder solidarischer Mithaftung ist ein grundsätzlicher Irrweg, der den Wohlstand der Geberländer schmälert, während er gleichzeitig die tieferen Gründe der Defizitproblematik der Nehmerländer nicht beseitigt oder mildert, sondern sogar verschärft und zugleich dort den Hass auf die Nordländer und insbesondere die Deutschen nährt".

„Wenn ein Land unter der Disziplin der gemeinsamen Währung nicht leben kann oder will, so soll es jederzeit frei sein, zu seiner nationalen Währung zurückzukehren. Dies ist übrigens auch die langfristige Chance für Europa: Ein Kontinent der Nationalstaaten, der seine Kräfte dort bündelt, wo es zweckmäßig ist, und dort Flexibilität lässt, wo das einzelne Land dies wünscht" (S. 415).

„Haushalts- und Finanzpolitik ist der Kern der staatlichen Souveränität und wird niemals wirksam von außen gesteuert werden können. Es würde nur böses Blut schaffen und die Verständigung der Völker beschädigen, wollte man den Franzosen, Italienern oder Griechen Vorschriften machen, wie sie ihre Staatshaushalte gestalten und ihre inneren Angelegenheiten regeln sollen (S. 416). "
„Völker sind Völker …, weil sie sich aus Gründen der Sprache, der Kultur, der Ethnie oder der gemeinsamen Geschichte als solche empfinden. Und sie empfinden sich auch dann als solche, wenn dieses Empfinden von Intellektuellen als rückständig und zivilisationsfeindlich gebrandmarkt wird" (S. 415). „Die Völker sind unterschiedlich und sie sollen auch unterschiedlich sein dürfen" (S. 385f).

„Internationale Sportereignisse oder Gesangwettbewerbe, die Internationale der Smartphonebenutzer und der Facebook-Mitglieder stützten nicht die spezifisch europäische Identität" (vgl. S. 385). Man kann Völker nicht in eine Zwangsjacke stecken. „Warum sollen die Franzosen so viel arbeiten wie die Deutschen? Warum sollen sie nicht andere soziale Gebräuche und Regeln zur Konfliktlösung haben?“ (S. 385f).

„Die Mentalität des Südens, die so angenehm berührt, wenn man dort im Sommer Ferien macht, verträgt sich nicht immer mit dem linearen Effizienzdenken des Nordens" (388). Deshalb sollten ja auch die inneren Angelegenheiten eines jeden Landes, wie Wettbewerbs-, Haushalts- und Finanzpolitik, „mit jenem Takt behandelt werden, der Außenstehenden gut ansteht" (S. 416).

Zu glauben, der Süden werde ähnlich funktionieren wie der Norden ist Wunschdenken, und eben daran scheitert die Währungsunion. Den Völkern durch ihre Regierungen und Europapolitikern einzureden, sie müssten „ihre eigene Nationalität in einer solchen für Europa ertränken" (S. 390), wird zur Erschütterung des gesamten politischen Systems und seiner Legitimität führen.
Mit der drohenden Staatspleite einzelner Länder hat die Europäische Währungsunion ihren Glanz verloren. Heute „müssen wir uns fragen, ob wir um jeden Preis am Euro festhalten wollen". Weder politische noch ökonomische Gründe legen das Festhalten nahe. Sie sprechen eher dafür, dass der Euro die europäische Integration schwächt und gefährdet.

„Ökonomische Vorteile, die durch Daten und Fakten belegbar wären, hat die gemeinsame Währung in den ersten 13 Jahren ihres Bestehens nicht erbracht.“ Und auch „die von vielen gehegte Hoffnung, die Währungsunion werde eine Automatik in Richtung politische Union auslösen, hat sich bislang nicht erfüllt“ (S. 171f).

„Die Option, den Euro aufzugeben, ist nicht mehr tabu“, zumindest nicht für jene, welche die mit Bailout-Verbot, Verbot der Staatsausgabenfinanzierung durch die EZB, effektiven Schuldenbremsen und strikter Haushaltskontrolle durch die EU verbundenen „germanic rules“ ablehnen (vgl. S. 462, Fußnote 78: Europe Against People? The Economist vom 12. November 2011, S. 32). Ihre ausnahmslose Einhaltung wäre die Voraussetzung für das Funktionieren der Währungsunion. Setzen sollte man darauf nicht. „Die unterschiedlichen Formen europäischer Zusammenarbeit und die gemeinsame Währung sind Instrumente der Politik. Ihnen solle aber kein Eigenwert zugeschrieben werden, der über ihre Zweckmäßigkeit hinausweist. Das wäre nämlich Ideologie und nicht Politik“ (S. 416).

Über die „Unzweckmäßigkeit“ der gemeinsamen Währung besteht für Sarrazin kein Zweifel. Er überlässt es dem Leser, daraus letzte Schlüsse zu ziehen. Von „der politischen Klasse“, meint Sarrazin, sei das wohl zuviel verlangt, denn die habe „in naivem Leichtsinn und unter Missachtung zahlreicher Warnungen zunächst eine Währungsunion ohne politische Union eingerichtet und sodann beim ersten Gegenwind alle wichtigen Sicherungsklauseln des Maastrichtvertrages missachtet“ (S. 415).

Thilo Sarrazin: Europa braucht den Euro nicht. Wie uns politisches Wunschdenken in die Krise geführt hat. 463 Seiten. Deutsche Verlagsanstalt, München 2012. ISBN978-3-421-04562-1.

Der Rezensent lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen.?Angesichts der Bedeutung des Buches hat sich das Tagebuch zur Veröffentlichung einer zweiten Rezension entschieden.

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Wachsen, aber richtig drucken

Es ist eine absurde Kontroverse, die da derzeit tobt: Wachsen oder Sparen? Jene, die die unfinanzierbar gewordene europäische Schuldenexplosion verursacht haben, agitieren nun gegen die (ohnedies nur in einer kleinen Reduktion der Neuverschuldung bestehenden) Sparversuche. Sie wollen die Schuldenkrise durch noch viel mehr Schulden bekämpfen. Wie ein Rauschgiftsüchtiger möchten sie die Schmerzen des Entzugs mit neuem Rauschgift loswerden. Neues Gift verdrängt ja kurzfristig tatsächlich die Probleme. Dass diese dann später umso schlimmer und mit häufig letalen Folgen auftreten, ist im Augenblick egal.

In der Theorie bekennen sie sich zwar auch zur Notwendigkeit eines Entzugs. Aber immer mit dem Beiwort „später“. In der Sprache der Schulden-Junkies heißt das: “Zuerst müssen wir wachsen, dann können wir die Schulden leichter abbauen.“

Der Satz hat sogar ein Restelement Wahrheit: Wenn Wirtschaft und damit Steuern wachsen, geht das Rückzahlen tatsächlich leichter. Wenn jedoch das Wachstum mit neuen Schulden erkauft wird, dann tritt der gegenteilige Effekt ein: Dann ist der abzubauende Schuldenberg noch viel größer. Dann endet das für die Staatsfinanzen letal. Dann können Beamtengehälter, Pensionen, Anleihen, Rechnungen nicht mehr bezahlt werden. Oder es kommt zur Megainflation wie in der Zwischenkriegszeit.

Fast völlig verschwiegen wird in der Debatte, dass es sehr wohl eine wirksame Wachstumspolitik gibt, die keine negativen Spätfolgen hat. Sie besteht freilich in einer totalen Umkehr dessen, was die Politik seit jeher tut. Statt ständig neue Regeln zu erfinden, die das Wachstum behindern, müssten täglich schädliche Gesetze entsorgt werden.

So haben Europas – im Alleingang ehrgeizigen – Kyoto-Regeln das Wachstum enorm behindert. Dadurch wurden viel mehr Arbeitsplätze zerstört als Green Jobs geschaffen, die ohnedies vor allem in Chinas Solarindustrie entstehen. So sind die Legalkosten, um ein Unternehmen zu gründen, in Griechenland rund siebenmal so hoch wie in der Schweiz. So sind viele Milliarden verfügbarer Investitionsmitteln lahmgelegt, weil jahrzehntelange Umweltverträglichkeitsprüfungen die Investition verhindern. So gibt es allein in Österreich Tausende durch den Zwang zum Ausfüllen von EU-Statistiken oder durch Gleichbehandlungs-Gesetze völlig unproduktive Arbeitsplätze. So werden derzeit allein in der Stadt Wien die Betriebe durch weitere 26 Millionen Kosten für die verpflichtenden Energie-Audits belastet. So dauern Betriebsgenehmigungen in Wien ein Vielfaches von Oberösterreich. Und um in der Stadt zu bleiben: Mit absoluter Sicherheit wäre es der größte Wachstumshammer, wenn die Gemeinde ihre Hunderten Betriebe zu privatisieren begänne, ist doch Wien heute die planwirtschaftlichste Stadt zwischen Atlantik und Ural überhaupt. Zugleich könnte Wien dadurch seine Schulden – die sich in zwei Jahren mehr als verdoppelt haben! – abbauen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Steuern zahlen! drucken

IWF-Chefin Christine Lagarde ist eine Frau mit bemerkenswertem Sinn für Humor. Ihr vor nicht allzu langer Zeit an die Adresse Berlins gerichteter Vorwurf, dass die Deutschen mit ihrer Tüchtigkeit und Haushaltsdisziplin Mitschuld an der europäischen Schuldenkrise trügen, war der Beweis schlechthin. In einem Interview mit dem britischen „Guardian“ übermittelt sie nun dem Lande der Phäaken am 25. 5. einige Botschaften, die zum Teil etwas weniger witzig sind.

Wenn sie etwa meint: „Wir sind nicht mehr bereit, Geld in ein Fass ohne Boden zu kippen", ist das eine recht ernst zu nehmende, für die Nettofinanciers des schaurigen Griechenland- und Eurorettungsdramas sogar erfreuliche Botschaft. Auch, dass sie jedem Gedanken daran, dem Lande erteilte Sparauflagen zu lockern eine klare Absage erteilt, ist für die Steuerzahler in ordentlich haushaltenden Volkswirtschaften keine spaßige, sondern einfach eine gute Nachricht.

Sofort allerdings gleitet sie erneut ins scherzhafte ab, wenn sie den vermeintlichen Königsweg zur Beendigung der griechischen Tragödie präsentiert: Ihrer Meinung nach könnten die Griechen sich nämlich selber helfen, „… indem sie alle ihre Steuern bezahlen". Endlich ist die Katze aus dem Sack: Die Griechen – und vermutlich auch alle anderen Europäer, denn schließlich steht kein Staat der Eurozone ohne Schulden da – zahlen zu wenig Steuern! Steuern rauf, Steuervogt Marsch – und alles wird gut. Schade, dass darauf nicht schon früher eine(r) gekommen ist. Den schwer geprüften Bürgern des europäischen „Hartwährungsblocks“ wäre einiges erspart geblieben. Dutzende Milliarden Euro wären nicht nutzlos verbrannt worden!

Frau Lagarde ist indes nicht der einzige Spaßvogel aus den Reihen der Machtelite, denn sie steht mit ihren Kommentaren zur Lage keineswegs alleine da. Immer wieder lässt der eine oder andere Obertan mit dem originellen Bekenntnis aufhorchen „Ich zahle gerne Steuern!“. Dass exakt 100 von 100 dieser Personen von Steuergeldern leben (und daher keinen einzigen Cent an Steuern zahlen!), ist ein Beweis für die in den diversen Politbüros endemische Spaßhaftigkeit, die unter Normalsterblichen in dieser Form nicht zu finden ist.

Kürzlich etwa brach die österreichische Finanzministerin Maria Fekter für die Steuerehrlichkeit eine Lanze, weil der Staat das Geld ja ausschließlich in segensreicher und dem Nutzen des Volkes dienender Weise einsetze – etwa für „den Straßenbau und die Schulen“. Es erstaunt immer wieder, für wie verblödet die politische Klasse das Wahlvolk hält, wenn sie mit derart aufgelegten Schmähs hausieren geht. Denn dass nur der geringste Teil des Staatshaushalts auf Investitionen entfällt, der Löwenanteil aber für Umverteilung – also Konsumaufwand, Beamtenapanagen oder Schuldzinsen draufgeht – wird großzügig ausgeblendet.

Dan Mitchell vom US Cato-Institut bringt es auf den Punkt: „Steuern sind schlecht!“ Steuern bedeuten, dass dem produktiven Privatsektor Mittel entzogen werden, um sie an ebenso unproduktive wie korrupte Politiker und Bürokraten umzuverteilen. Wie kann erwartet werden, dass Geld, das Bürgern weggenommen wird, die dafür schwer arbeiten und deshalb um seinen Wert wissen, besser eingesetzt werden könnte, wenn es von an der Wertschöpfung unbeteiligten Akteuren ungestraft für alle möglichen Extravaganzen verbraten werden darf?

Gerade Griechenland ist ein in dieser Hinsicht besonders lehrreiches Beispiel: Würden die Griechen, wie die IWF-Chefin fordert „ihre Steuern zahlen“ – was wäre gewonnen? Die Regierung würde ihren Apparat noch weiter aufblähen und möglicherweise noch ein paar Hundert (amerikanische) Panzer kaufen. Denn dass eine Regierung – gleich ob auf dem Balkan oder anderswo – Geld vernünftiger eingesetzt hätte, als die Bürger, die es erwirtschaften mussten und denen es gewaltsam abgepresst wurde, war niemals und nirgendwo je der Fall.

Was also sollen die aktuellen Einlassungen der IWF-Chefin? Griechenland leidet an strukturellen Problemen, etwa an mangelnder Industrialisierung, flächendeckender Korruption, geographischer Randständigkeit, einem zu hohen Lohn- und Preisniveau und damit an beklagenswert niedriger Wettbewerbsfähigkeit. Kein einziges dieser Probleme ist durch höhere Steuern zu lösen – eher im Gegenteil: Die extreme Korruption zum Beispiel ist ja gerade dadurch bedingt, dass der Staat offensichtlich über zu viel Geld verfügt, um Riesenhorden begehrlicher Beamter zu beschäftigen. Den wenigen wettbewerbsfähigen Betrieben und fleißigen Werktätigen im Lande höhere Lasten aufzuerlegen, um den politischen Parteien des Landes zusätzliche Möglichkeiten zum Stimmenkauf zu eröffnen, wird keine Heilung bringen.

Faktum ist, dass auf europäischer Ebene Verträge existieren, die einzuhalten sind. Von – à fonds perdu – zu tätigenden Transfers an Griechenland ist darin mit keinem Wort die Rede. Frau Lagarde sollte ihr Augenmerk daher eher auf jene Vertragstreue richten, die für den Umgang zivilisierter Völker miteinander unabdingbar ist und weniger auf offensichtlich törichte Fiskalphantasien.

Die Bürger Griechenlands sind für die Sanierung der von ihnen und ihren Regierungen verschuldeten Fehler und Versäumnisse selbst verantwortlich. Wenn sie sich, wie zu erwarten ist, das Heil von einer radikal linken Regierung versprechen – nur zu! Ob diese dann mehr oder weniger Steuern erhebt – wen geht´s was an? Die deutschen und andere Nettozahler der EU nicht, denn die haben längst mehr als genug geblutet. Zeit umzudenken! Man lasse Griechenland endlich untergehen! Besser heute als morgen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Ein energieloses Europa drucken

Unter den vier großen Herausforderungen, vor denen die Europäer heute stehen, ist sie wohl am wenigsten tief ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen: die Bedrohung der Energieversorgung des Kontinents. Dennoch ist sie, wenn sie nicht gelöst wird, genauso folgenreich wie die anderen drei.

Die da sind: die Schuldenkrise fast aller europäischer Staaten; die demographische Katastrophe des seit 40 Jahren anhaltenden Kindererzeugungs-Streiks; und die Zuwanderung von Millionen bildungsferner Menschen mit zum Teil aggressiven Ideologien aus Drittweltkulturen in das europäische Wohlfahrtsnetz.

Wenn die Energiefrage nicht gelöst wird, drohen den Europäern jedoch Schäden, welche die aktuelle Griechenlandkrise als harmlos erscheinen lassen. Fast kein Arbeitsplatz funktioniert ohne Strom, vom Gesundheitsbereich bis zum öffentlichen Verkehr hängt alles an Stromnetzen. Von der Heizung in kontinental kalten Wintern bis zum privaten Verkehr hängt alles an den Gas- und Ölnetzen. Nichts ist so eng mit dem Wohlstandszuwachs oder -rückgang korreliert wie der Energieverbrauch.

Schon in mehreren Wintern sind die Gaslieferungen aus Russland längere Zeit ausgeblieben oder deutlich zurückgegangen. Im letzten Winter haben nicht einmal mehr die russischen Lieferanten selbst jemand anderen für die Versorgungsunterbrechung verantwortlich zu machen versucht (meist die Ukraine). Sie haben vielmehr offen zugegeben, dass Russland in strengen Wintertagen das Gas selber braucht. Nur herrscht dann in der Regel halt auch im restlichen Europa ein strenger Winter. Also gerade dann würden auch die Menschen außerhalb Russlands das wärmende Gas besonders dringend brauchen. Österreich kann sich zwar glücklich schätzen – und man sollte in diesem Punkt auch einmal Politik und Industrie loben –, weil es für viele Wochen Gasvorräte in eigenen Speichern angelegt hat. Aber auch die werden einmal leer sein, wenn die Lieferungen längere Zeit ausbleiben.

Nabucco: Die Geschichte eines Scheiterns

Gleichzeitig sind in den allerletzten Tagen die von Österreich vorangetriebenen Bemühungen endgültig gescheitert, mit dem Projekt Nabucco eine Reserve-Gasleitung aus Aserbaidschan an Russland vorbei zu bauen. Zu viele unseriöse und labile Länder liegen auf dem Weg dieses Projekts; zu erfolgreich waren die russischen Intrigen und Querschüsse – will doch Moskau den westeuropäischen Gashahn unter exklusiver Kontrolle behalten.

Freilich scheint das Projekt auch eher amateurhaft vorangetrieben worden zu sein. Und von der heimischen Politik war es völlig unzureichend unterstützt worden. Nur ständig von einer Schwarzmeer-Politik zu reden ist zu wenig, wenn das Land keinen Spitzenpolitiker von Format und internationaler Bekanntheit hat, der die Sache mit Engagement vorantreiben könnte und wollte. Während sich die Russen für ihre Leitung quer durch die Ostsee mit Gerhard Schröder ein Großkaliber als Lobbyisten geholt hatten, hat Österreich Nabucco nie ein prominentes Gesicht gegeben. Wetten dass dort beispielsweise ein Wolfgang Schüssel mit mehr Nutzen als die gegenwärtigen No-Names lobbyieren hätte können?

Das größte Hindernis war aber offensichtlich das EU-Recht: Jetzt baut – vielleicht – die Türkei bis zur EU-Grenze eine Leitung. Aber Österreich wird dabei nicht mehr involviert.

Um beim Gas zu bleiben: Der Widerstand einiger heimischer Provinzpolitiker gegen die Nutzung der großen eigenen Gasvorräte, die in letzter Zeit gefunden worden sind, ist eine weitere Absurdität. Schon wieder werden dramatische ökologische Schauermärchen gegen deren Nutzung erzählt.

An sich gibt es ja heute weltweit durch den Fortschritt der Technik weit mehr Gas, als noch vor wenigen Jahren angenommen worden ist. Aber zugleich steigt auch die Nachfrage: Denn Gaskraftwerke sind zum großen Hit nun auch in der Stromerzeugung geworden.

Zu wenig Strom – aber wir setzen auf Stromautos

Womit wir voll beim Thema Strom gelandet sind, der größten Krisenzone der europäischen Energieversorgung. Auf der einen Seite werden neue Stromnutzungen propagiert – insbesondere durch die diversen Ideen von Elektroautos. Diese sind zwar alle noch nicht ausgereift. Aber eines ist sicher: Sie werden den Strombedarf in die Höhe schnellen lassen, wenn sie flächendeckend eingeführt werden.

Dem stehen auf der anderen Seite jetzt schon große Stromengpässe gegenüber. In den Kaltwochen des vergangenen Winters ist Deutschland mehrere Male nur noch haarscharf an einem flächendeckenden Blackout vorbeigegangen. Ein solches Blackout ist aber noch überhaupt nicht in der Vorstellungswelt der Europäer gelandet: Sie glauben nämlich, dass da in einer halben Stunde die Lichter wieder angehen werden; eine solche Kettenreaktion könnte aber in Wahrheit Teile des Kontinents über Tage lahmlegen.

Hauptursache war die von der Politik eingeschlagene Energiewende. Nach dem japanischen Tsunami und den schweren Schäden an einem dortigen Atomkraftwerk ist in Mitteleuropa die große Panik ausgebrochen. Die Regierung Merkel hat unter dem Druck der Medien und Opposition plötzlich Abschied vom Atomstrom genommen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Tsunami mitten in Europa gleich Null ist.

Zu wenig Wind und Sonne

Merkel & Co wissen nur nicht wirklich, wie diese Wende funktionieren soll. Die Alternativen für die Stromerzeugung sind nämlich absolut rar. Die Stromerzeugung aus Sonnenenergie ist zumindest nördlich der Alpen absolut unergiebig, unverlässlich und teuer. Die dafür ausgeschütteten Milliardenförderungen kommen heute vor allem den chinesischen Erbauern solcher Anlagen zugute. Und die sich wie eine Beulenpest ausbreitenden Windräder können, selbst wenn sie sich so rasch ausbreiten wie zuletzt, maximal den Zuwachs des Energiebedarfs decken (Es sei denn, es kommt zu einer neuen Konjunkturkrise, dann ginge der Energiebedarf zurück).

Die zwei größten unter den vielen mit den Windmühlen verbundenen Problemen: Gerade in den bevölkerungsreichen Industriezonen Europas geht wenig Wind. Und: So wie die Sonne nicht immer scheint, weht auch nicht immer der Wind. Man denke an die wochenlangen Nebelperioden ohne Sonne und Wind.

Jetzt baut man große Windräder in die windreiche Nordsee, was wenigstens die weitere Naturverschandelung etwas abbremst. Aber nun braucht man wiederum riesige, mehr als 4000 Kilometer lange Stromautobahnen in den Süden, wo die große Nachfrage besteht. Eigentlich bräuchte man sie sogar bis in die Schweizer und österreichischen Alpen: Denn dort ist der einzig sinnvolle Platz, wo man Wind- und Sonnen-Strom in Speicherkraftwerken bis zum Zeitpunkt des Bedarfs speichern kann (dort wird überschüssiger Strom zum Wiederhinaufpumpen des Wassers benutzt).

Das alles ist aber Theorie, denn entlang dieser geplanten Stromautobahnen gibt es jede Menge Widerstand gegen deren Bau. Dieser kann sich juristisch wie politisch in der Epoche der Bürgerinitiativen und der föderalistischen Machtteilung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Justiz sehr mächtig und wirkungsvoll niederschlagen. Auch in den Alpen selbst herrscht nicht mehr die Begeisterung über neue riesige Staumauern wie einst in den Kapruner Tagen. Dabei ist der Bevölkerung das Risiko solcher Mauern noch gar nicht voll bewusst: Denn ein Mauerbruch in Kaprun würde eine verheerende Flutwelle bis in die Stadt Salzburg auslösen.

Niemand investiert in Lückenbüßer

Eine andere Alternative ist der Bau vieler neuer Gas- und Kohlekraftwerke, die immer dann hochgefahren werden, wenn Sonne und Wind auslassen. Diese Kraftwerke sind aber wiederum das Gegenteil dessen, was die Politik (wieder einmal unter Druck der Medien) in der in Zeiten vor der Atompanik modischen Klimapanik angestrebt hat: nämlich weniger CO2-Emissionen. die Klima-Panik ist zwar deutlich schwächer geworden. Selbst im ORF können neuerdings Beiträge erscheinen, die sie zur Gänze als verfehlt erscheinen lassen.

Abgesehen von dieser Klima-Frage will noch aus zwei weiteren Gründen ohnedies niemand in Gaskraftwerke investieren: Erstens wegen der skizzierten Versorgungsunsicherheit; zweitens weil ein nur als Lückenbüßer gedachtes Kraftwerk niemals seriös kalkuliert werden kann. Jetzt dürfte also auch hier der Steuerzahler, so wie schon bei Sonne und Wind, kräftig zur Ader gelassen werden.

Angesichts all dieser Kalamitäten wird nun überall das Thema Energiesparen forciert. Auch das bringt dem Kontinent gewaltige Kosten – nämlich immer dann, wenn es über das wirtschaftlich Sinnvolle hinausgeht, das etwa in der Reduktion der Heizkosten liegt. Energiesparzwänge sind zugleich eine gewaltige Bedrohung für Europas schöne Gründerzeitstädte: Von Paris bis Wien lebt deren touristische Attraktivität nicht zuletzt von den prunkvoll gegliederten Fassaden der historischen Straßenzüge (in Wien etwa bis zum Gürtel, aber zum Teil auch darüber hinaus). Sollen die Häuser jetzt alle kahlgeschlagen werden, damit man Dämmstoffplatten anbringen kann?

Europa und Japan werden zurückfallen

Nichts deutet also auf eine gute Energiezukunft Europas hin. Während weltweit die Atomenergie aufblüht, wird sie in Europa und Japan zugedreht (auch in Frankreich ist die AKW-Zukunft angesichts einer möglichen Abhängigkeit des neuen Präsidenten Hollande von grünen Stimmen umwölkt).

Da die Europäer alles gleichzeitig tun und haben wollen – von der Atom- über die Klimapolitik bis zur oft jahrzehntelangen Dauer von Umweltverträglichkeitsprüfungen –, werden sie auch den Preis dafür zahlen müssen: Der besteht in einem weiteren Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit. Also in weniger Investitionen, weniger Arbeitsplätzen, weniger Wohlstand. Von Ost- und Südasien bis Lateinamerika können sich die aufstrebenden Schwellenländer freuen, die sich weder um Atom- noch Klima-Paniken scheren.

PS.: Natürlich ist auch die Versorgung mit dem hier kaum behandelten Öl trotz ständig neuer Funde fragil. Aber wenigstens kann sich in dieser FrageEuropa trösten, dass ein etwa im Gefolge eines Irankrieges eintretender Ausfall der Ölversorgung auch die Konkurrenten in Übersee treffen wird. Diese haben derzeit ja einen ständig steigenden Verbrauch von Treibstoff, während der Absatz in Europa stagniert. Ob das freilich ein echter Trost ist?

PPS.: Kein einziger österreichischer Politiker erweckt den Eindruck, sich ernsthaft und strategisch mit dem Thema Energie gesamthaft zu befassen. Weder in Opposition noch Regierung. Solange der Blackout nicht eintritt, solange die Öfen im Winter nicht kalt bleiben, ist Energie keine politische Kategorie. Was auch auf den zuständigen Minister Mitterlehner zutrifft. Der es maximal schafft, sich in von Boulevardzeitungen getriebene Lächerlichkeiten wie einer Benzinpreisregelung über Pfingsten zu verheddern.

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Von Somalia über Faymann und Spindelegger bis zur TU: Positives wurde gefunden drucken

Endlich findet es wieder Platz im Tagebuch: das Positive! Nicht nur weil Pfingsten und nettes Wetter ist, sondern auch weil‘s wahr ist. Nicht immer darf die Bösartigkeit und Borniertheit die guten Ansätze übertönen. Daher ist das heutige Tagebuch ganz dem Positiven gewidmet. Es findet sich nicht nur von Somalia bis in den Persischen Golf, sondern ebenso in Österreichs Nachbarschaft, aber auch durchaus in der Alpenrepublik selber. Sonntägig gestimmt wollen wir all die für die Positivmeldungen Verantwortlichen vor den Vorhang holen. Und Claudia Schmied & Co heute total hinter diesem verstecken.

Trotz Pfingsten fangen wir mit guten Nachrichten von Kriegsfronten an: Sowohl in Somalia als auch in Afghanistan schaut die Lage für die Kräfte der Mäßigung und Vernunft heute viel positiver aus, als noch vor ein oder zwei Jahren angenommen werden konnte. Politisch korrekte Menschen werden sich  empören, dass mich ein Kriegsbericht freut. Ihnen ist es ja offenbar lieber, wenn die Kräfte des globalen Terrorismus, der Piraterie, der Abschaffung aller Meinungs-, Religions- und Frauen-Freiheiten kampflos obsiegen. Über die Ursachen dieser erfreulichen Kriegserfolge kann man im übrigen nur rätseln: Ist es die technische Überlegenheit der vom Westen unterstützten UNO-, AU- und Nato-Kräfte? Haben die Menschen dort erkannt, dass auch für einen gläubigen Moslem nicht unbedingt Al Kaida die Antwort sein muss? Sind die Geldgeber der radikalen Kräfte etwa in Saudi-Arabien zur Vernunft gekommen? Was auch immer der Grund ist: Vorerst ist jedenfalls ein erleichtertes Durchatmen am Platz.

Genauso viel Freude macht ein damit entfernt verwandter Vorfall im Persischen Golf: Ein amerikanischer Frachter hat bei einer Attacke von Piraten ausgerechnet von der iranischen Marine Hilfe erhalten. Oft sind es solche Details, die am Rande der Kriegsgefahr ein Umdenken zeigen. Immerhin sind zugleich auch die im Vorjahr noch sehr lauten iranischen Drohungen viel leiser geworden. Immerhin scheinen die westlichen Sanktionen gegen Iran unerwartet starke Wirkungen zu haben. Das heißt freilich noch nicht, dass ich schon endgültig dem ixten iranischen Versprechen traue, auf Atomwaffen nun wirklich zu verzichten.

Neidvolle Bewunderung löst der israelische Ministerpräsident Netanyahu aus: Sein Land wird gerade von einer Welle illegaler Immigranten aus Schwarzafrika überrollt, was aggressive Gegenreaktionen der Bevölkerung auslöst. Netanyahu reagiert darauf dreifach richtig: Er geht scharf gegen ausländerfeindliche Ausschreitungen vor; er schickt aber zugleich alle Illegalen sofort in ihre Heimat zurück; und er baut binnen weniger Monate nun auch an der Grenze zu Ägypten einen unüberwindlichen Sperrwall. Im Vergleich: Die EU scheitert schon seit vielen Jahren daran, die griechisch-türkische Grenze gegen den Massenzustrom illegaler Einwanderer zu sichern. Und bei uns werden sogar Drogenhändler nicht abgeschoben.

Wechseln wir nach Europa: In der Schweiz wird nun im Familienrecht genau das zur Regel, was in Österreich die Frauenministerin blockiert: das gemeinsame Sorgerecht von Vätern und Müttern nach einer Scheidung. Zum Unterschied von Frau Heinisch-Hosek wissen die Schweizer: Wenn sie es nicht freiwillig tun, würde die Judikatur des europäischen Menschenrechts-Gerichtshofs binnen kurzem genau diese gemeinsame Obsorge erzwingen.

Interessantes tut sich noch in einem anderen Nachbarland. In Tschechien verliert man nämlich künftig den Führerschein, wenn man keine Alimente zahlt. Das schmerzt fast so wie die bisher in solchen Fällen drohende Haft: Das hat aber den Vorteil, dass die Väter (um die es ja meist geht) ihren Job behalten und - zumindest theoretisch - den Unterhalt zahlen können. Was sie vielleicht aus Sehnsucht nach dem begehrten Schein dann auch eher tun werden.

Aber auch in Österreich gibt es lobenswerte Entwicklungen. Auslöser ist eigentlich das drohende Scheitern der deutschen Energiewende. Diese war dort panikartig nach dem japanischen Tsunami beschlossen worden. Nun bahnt sich nach einem Besuch Michael Spindeleggers in München eine ernsthafte Zusammenarbeit zwischen Bayern und Österreich auf dem Energie-Sektor an. Dazu sollen nun auch Ungarn und Baden-Württemberg eingeladen werden. Das ist immerhin ein erster Ansatz einer strategischen und konkreten Außenpolitik.

Erfreulich ist auch, dass sich sowohl Bundes- wie auch Vizekanzler getraut haben, den Dalai Lama zu treffen. Das ist ein erstaunliches Anzeichen von Charakter. Immerhin legen sich die beiden durch die symbolische Unterstützung für den Führer eines seit Jahrzehnten unterdrückten Volkes mit den Hütern der größten Devisenreserven der Welt an. Dieses Lob ändert übrigens nichts daran, dass ich die Lobpreisung des Dalai Lama als großen spirituellen Führer für eine gewaltige Überschätzung halte. In drei längeren persönlichen Begegnungen im Laufe der Jahre bin ich immer auf einen zwar sehr netten, aber zugleich sehr banalen Menschen getroffen. Keine Fehleinschätzung gibt es hingegen zu Heinz Fischer: Niemand war überrascht, dass er sich mit den üblichen gewundenen Erklärungen um die Begegnung mit dem Dalai Lama gedrückt hat.

Selbst beim Sorgenkind Technische Universität kann man – sonntägig positiv gestimmt – Positives finden. Sie ist zwar schwer verschuldet, verzichtet aber dennoch auf die Einhebung von Studiengebühren, was ja alles andere als lobenswert ist. Sie tut das nur, weil sich die Professoren vor den linken Studenten fürchten. Die TU sekkiert überdies die Studenten mit – für eine technische Uni besonders skurrilen – Gender-Veranstaltungen im Stile der einstigen Marxismus-Leninismus-Pflichtvorlesungen in Osteuropa. Aber sie macht auch Lobenswertes: Sie nimmt in den meisten Fächern keine neuen Lehramtsstudenten mehr auf und will diese Studienart weitestgehend auslaufen lassen. In Zeiten knapper Budgets möchte sich die TU auf ernsthafte Ausbildungen konzentrieren. Was in den Augen der Techniker das Lehramts-Studium keineswegs ist. Vielleicht kann sich da auch die Hauptuni etwas abpausen und beispielsweise darauf verzichten, um viel Geld 5000 von niemandem benötigte Publizisten auszubilden. Diese absolvieren ja nicht nur ein Leichtstudium, sondern haben zum Unterschied von Lehramtsstudenten auch keine guten Berufsperspektiven. Vielleicht wird jetzt auch die Möglichkeit reduziert, allein in Wien an drei Unis Architektur zu studieren – darunter auch an der TU selber. Haben wir doch einen größeren Überschuss an Architekten als an Mathematik-Lehrern.

Eine besonders kluge Initiative hat last, not least Wissenschaftsminister Töchterle gestartet: Er kämpft nun dafür, dass der Lehrerberuf nicht mehr eng an Dienstrecht und Ausbildung geknüpft wird. Das wäre eine absolut richtige Politik – wenn auch das Gegenteil der derzeitigen Mode. Töchterle will, dass jede Schule, jeder Kindergartenbetreiber selbst weitestgehend frei entscheiden kann, wer am besten als Lehrer und Erzieher passt. Die sonstige Politik steuert ja hingegen den absoluten Wahnsinn an, nämlich dass Volksschullehrer wie Kindergärtner künftig ein akademisches Vollstudium samt Master haben müssen. Das würde nicht nur zu enormen personellen Knappheiten und unnötigen Kosten führen. Das würde auch viele hervorragend etwa für die Arbeit in einem Kindergarten geeignete Menschen künftig in andere Richtungen lenken, für die sie weniger gut passen. Dieser Schwachsinn wird aber von einer sehr lauten Lobby und natürlich auch dem Androsch-Volksbegehren vertreten. Das Ziel der Lobbyisten ist eindeutig, in großer Zahl selbst Universitätsprofessoren zu werden. Töchterles Plan geht hingegen in eine ganz andere Richtung: Der Gesetzgeber soll nur noch grobe Rahmenanforderungen festlegen, ansonsten soll frei vor Ort entschieden werden. Um in Volksschulen oder Kindergärten pädagogisch zu arbeiten, brauche es keineswegs einen Master-Titel. Wie recht der Mann doch hat! Ich bin auch sicher: Fast jede Mutter, deren Kinder erwachsen geworden sind, wäre nach einem maximal zweisemestrigen Lehrgang eine bessere Kindergärtnerin als Menschen, die fünf oder sechs Jahre lang an einer Uni mit Theorie vollgestopft worden sind, die sie nie im Leben brauchen.

Jetzt muss man freilich hoffen und bangen, dass sich Töchterle und all die anderen guten Ansätze auch dauerhaft durchsetzen. Denn das Böse und das Dumme sind immer und überall. Der heutige Applaus des Tagebuchs soll daher eine kleine Hilfe beim Durchsetzen sein.

 

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Sarrazin und die empörten Provokateure drucken

Das neue Buch von Thilo Sarrazin sorgt derzeit für helle Aufregung im politisch korrekten Teil Deutschlands und Österreichs. In „Europa braucht den Euro nicht“ stellt Sarrazin die zentrale These auf, dass der Euro Europa und vor allem Deutschland bisher vorrangig Nachteile gebracht hat. Politik und Mainstreammedien sind empört. Von der grünen Vorzeigehysterikerin Renate Künast bis zur Süddeutschen Zeitung, alle prügeln auf Sarrazin ein.

Und wie schon bei seinem ersten Buch „Deutschland schafft sich ab“ geht es dabei nicht um die Fakten und Thesen, die Sarrazin in seinem neuen 460-Seiten Werk präsentiert. Diese zu hinterfragen oder gar zu widerlegen würde die meisten seiner Kritiker ohnehin heillos überfordern. Deshalb hängt man sich erneut an einem Nebensatz auf, der Herrn Sarrazin als Chauvinist, Provokateur oder gar Nazi überführen soll.

Was hat der schnoddrige Ex-Bundesbanker und SPD-Finanzsenator von Berlin diesmal so Böses geschrieben, dass die linken Politiker in allen Parteien so aus dem Häuschen sind? Sarrazin stellt unter anderem die These auf, dass SPD, Grüne und Die Linke auch deshalb für Eurobonds sind, weil sie getrieben sind „von jenem sehr deutschen Reflex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben.“

Der Grüne Jürgen Trittin bezeichnet Sarrazin ob dieser Behauptung als „unerträglich“ und konstatiert, Sarrazin verbreite rechte Ideologie. Auch Parteikollegin Renate Künast schlägt in die gleiche Kerbe. Es ist eben sehr einfach und bequem, vor allem für jene, für die Ökonomie ein spanisches Dorf ist, die 460 Seiten an Fakten und fundierten Analysen mehr oder weniger zu ignorieren und stattdessen auf ein gut vertrautes Terrain auszuweichen, um doch noch mitreden zu können.

Aber nicht alle Politiker und Journalisten sind derart plump und stellen Sarrazin gleich ins rechte Eck. In einem Punkt sind sich allerdings fast alle einig, er sei eben nur ein billiger und dummer Provokateur.

Finanzminister Wolfgang Schäuble: „Entweder redet und schreibt Sarrazin aus Überzeugung einen himmelschreienden Blödsinn oder er macht es mit einem verachtenswerten Kalkül."

In der Frankfurter Rundschau ist zu lesen: „Das Buch ist widerlich“. Und die Süddeutsche Zeitung kanzelt Sarrazin als „Provokateur vom Dienst“ ab.

Diese Untergriffe und Unterstellungen sagen allerdings mehr über jene aus, die sich durch solche (durchaus diskutierbaren) Thesen provoziert fühlen, als über den „Provokateur“ selbst. Denn ganz von der Hand zu weisen ist Sarrazins Aussage nicht. Schließlich gibt es in Deustchland und in Österreich die Tendenz, alles, was auch nur entfernt an nationales Eigeninteresse erinnert, umgehend mit der argumentativen Nazikeule nieder zu prügeln.

Und waren es nicht einige griechische Politiker und die griechischen Medien, die Deutschland, mit Hinweis auf seine Vergangenheit, ermahnten, gefälligst weitere Milliarden locker zu machen?

Sarrazin hat nichts anderes getan als zu rufen: „Der Kaiser ist nackt!“  Und die durch Schulden-, Finanz- und Griechenlandkrise ohnehin stark verunsicherten linken Europhoriker hyperventilieren ob dieser wenig neuen Erkenntnis. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass sich ausgerechnet die zu Euro-Hardcorefans mutierten 68er, die nach ihrem Marsch durch die Institutionen nun an vielen Schalthebeln der Macht sitzen (inkl. ihrer Epigonen), furchtbar über den „Provokateur“ Sarrazin empören. Wobei seine Provokation lediglich darin besteht, eine andere und noch dazu gut fundierte Meinung zu haben.

Die einstigen Revoluzzer, Freigeister und Tabubrecher sind zu verbohrten, eurokratischen, geistig unbeweglichen Spießern geworden (oder waren sie ohnehin nie etwas anderes?), die versuchen, einen Andersdenkenden mundtot zu machen. Ignorieren können sie Sarrazin nicht, dazu ist der Ex-Bundesbanker zu bekannt und zu populär. Deshalb versucht man ihn auf der persönlichen Ebene anzugreifen, auszugrenzen, ihn als Clown, Hofnarr und als wenig ernst zu nehmenden Provokateur darzustellen. Das allerdings erinnert an einen berühmten Satz von Mahatma Ghandi: „First they ignore you, then they laugh at you, then they fight you, then you win.”

Werner Reichel , Jahrgang 1966, ist Journalist und Autor

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In welchen Staaten ist die Wirtschaft konkurrenzfähig? drucken

Kennzahlen der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit unter Kennzeichnung europäischer Krisenstaaten

 

Anteil der durch das europäische Patentamt eingetragenen Patente ausgewählter Staaten 2009 in Prozent

 

Gründungsanteil neuer Gesellschaften, Unternehmen und Niederlassungen ausgewählter Staaten 2007 in Prozent

 

Rechtliche Kosten der Unternehmensgründung in Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens ausgewählter Staaten

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Wo geht’s da nach Europa? drucken

In Europa kommt es zum Finale. So wie in der Champions-League oder bei Dancing Stars ziehen sich die Dinge zuerst lange hin, bis dann schlagartig die Entscheidung fällt. Nun fallen auch für Europa die Würfel: Wohin geht der Kontinent?

Seit Jahrzehnten konkurrieren zwei Konzeptionen. Auf der einen Seite steht die Idee eines Europas der Vaterländer, in dem die Staaten Träger der Macht sind, von der sie nur im Falle konkreten Nutzens einen Teil an die EU delegieren. Auf der anderen Seite steht der Traum Vereinigter Staaten von Europa. Anders gesagt: Eine Konzeption, von der die Mehrheit der Europäer überzeugt ist, steht gegen ein Projekt der Eliten.

Fast jeder, der irgendeine noch so kleine Rolle in einer EU-Institution bekommt, wird über Nacht zum begeisterten Europäer. Siehe etwa die österreichischen Grünen:1994 noch vehement gegen die EU, sind ihre EU-Abgeordneten wenig später deren fanatische Anhänger. Das Motiv des Gesinnungswandels ist immer gleich: Man kann in der EU oft leichter Regelungen für 500 Millionen durchsetzen, als daheim solche für acht Millionen. Das verleiht ein Gefühl der Macht. Und Macht hat eine berauschende Wirkung. Man beobachte etwa die vollmundigen Politiker aus dem winzigen Luxemburg. Sie alle vergessen, dass der Erfolg Europas im letzten halben Jahrtausend ein Erfolg der Vielfalt, des Wettbewerbs und der Freiheit war.

Die Bürger aber sind der zentralistischen Ideen zunehmend überdrüssig. Sie empfinden Brüssel als regulierungswütigen Moloch. Sie sind ob des Bruchs vieler von der EU selbst gesetzter Regeln und Versprechungen frustriert.

Der Konflikt vertieft sich, obwohl beide Seiten in einem weitgehend übereinstimmen: Bei der Schaffung eines großen Binnenmarktes war die EU sehr erfolgreich. Der Binnenmarkt funktioniert und hat die Europäer reicher gemacht.

Mehr aber wollen diese meist gar nicht. Die Bürger Europas empfinden – im Gegensatz zu den polyglotten Eliten, die täglich durch den Kontinent düsen, – die kulturellen, sprachlichen und ökonomischen Unterschiede als zu groß, um sich als Einheit zu empfinden. Um diese Ablehnung wissend haben die Eliten versucht, ihr Projekt an den Bürgern vorbei so weiterzuentwickeln, dass es nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Nun zwingt aber die Schuldenkrise die Entscheidung herbei: Werden sich jene durchsetzen, die durch eine enge politische Union mit gleichen Steuern, gleichen Gesetzen, gleicher Justiz und gemeinsamen Schulden die Rettung versprechen? Oder aber jene, die überzeugt sind, gerade in stürmischen Zeiten ist der Nationalstaat die wahre Zuflucht, weil nur dort Identität und Solidarität zu finden sind?

Es gibt freilich auch noch eine dritte Möglichkeit: In chaotischen Zeiten könnte bei einem solchen Grundsatzstreit auch der Binnenmarkt selbst auseinander brechen, also der unbestritten nützliche Teil der EU. In der Fußballwelt nennt man das einen Spielabbruch.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wachstumspakt? drucken

Zauberwörter, fromm erfunden
in erlauchten Retter-Runden,
gibt es mittlerweil’ zuhauf,
und zurzeit fällt unter diesen
Heilsparolen und Devisen
„Wachstumspakt“ besonders auf.

Nun, gesundes Wachstumstreben
steuert im realen Leben
ein Hormon, das treibt und drängt,
produziert von einer Drüse
mit dem Namen Hypophyse –
heißt so, weil sie „drunterhängt“.

Doch am Hirn! – Nur leider halten
jene, die den Nepp verwalten,
uns für hirnlos und beknackt,
wenn sie ungehemmt schalmeien,
dass sehr wohl verträglich seien
Sparprogramm und Wachstumspakt:

Hieße ja, auf Pump zu sparen
mit fatalen Folgejahren
bloß für bisschen Glückshormon!
Hieße, Flut mit Sturm zu glätten
und das Boot zugrund zu retten
wie in andren Fällen schon!

Jedenfalls, an krausen Thesen
kann Europa nie genesen,
und es wäre sicherlich
alles letztenends im Eimer
dank der Wolkenkuckucksheimer –
drum ein klarer Trennungsstrich!

Schluss mit Fässern, bodenlosen.
Schluss mit all den Schuldneurosen,
mit dem lahmen Pipapo –
und in irrealen Welten
mögen sie uns ruhig schelten,
tun sie nämlich sowieso…

Pannonicus

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Friedensprojekt Euro drucken

Können Sie mit dem Kürzel SHTF etwas anfangen? Es stammt aus dem Amerikanischen und steht für „Shit Hits The Fan“. Phantasiebegabte Zeitgenossen mit ausgeprägtem Sinn fürs Bizarre mögen sich ausmalen, wie man sich das vorzustellen hat. Gemeint ist damit eine Situation, die total außer Kontrolle gerät. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Europa, zumindest der Eurozone innerhalb der EU, nach den zurückliegenden Wahlen genau dieses Szenario demnächst ins Haus steht.

Nachdem bereits mehrere Regierungen europäischer Nationalstaaten über die im Gefolge der Schuldenkrise notwendig gewordenen Sanierungsmaßnahmen gestürzt sind, erteilten die Wähler zuletzt auch in Griechenland, Frankreich und im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands einer seriösen Wirtschaftspolitik klare Absagen. Sparprogramme sind zu unverkäuflichen, politischen Ladenhütern verkommen. Jene Parteien dagegen, die Wohlstand ohne Anstrengung, Konsum ohne vorheriges Sparen und ein kommodes Leben in Verantwortungslosigkeit propagieren, befinden sich in einem kräftigen Aufwind. Da aber auf der Hand liegt, dass man ein Schuldenchaos nicht durch noch mehr Schulden beenden kann, ist es um die Stabilität der Alten Welt – ja um deren Zukunft insgesamt – schlecht bestellt.

Wie es möglich ist, dass innerhalb nur zweier Generationen seit dem Kriege die Tugend des Sparens so vollständig zum Fehlverhalten umgewertet und hemmungslose Schuldenmacherei zur goldenen Regel werden konnte; ob die Möglichkeit zur Schöpfung von Geld und Kredit aus dem Nichts das Problem schafft, oder ob die Wurzeln des Übels tiefer liegen; ob am Ende gar die beiden heiligsten Kühe des „freien Westens“, Massendemokratie und Wohlfahrtsstaat, unter irreparablen Systemfehlern leiden, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Hier geht es lediglich um den Ausblick auf ein wahrscheinlich zu erwartendes Szenario.

Der auf der zumindest ansatzweise so etwas wie eine „konservative“ Wirtschaftspolitik pflegenden deutschen Regierung lastende Druck von innen und außen – ja sogar von jenseits des Atlantiks! – dürfte in den kommenden Wochen ins Unerträgliche steigen. Es ist daher nicht zu erwarten, dass der bislang gehaltene Kurs fortgesetzt werden wird. Zu massiv sind die überaus populären Forderungen, mit der Politik des „Kapputtsparens“ endlich Schluss zu machen.

Dass indes auf Pump – vielfach auf Kosten der dafür nicht verantwortlichen Jungen – finanzierte „soziale Errungenschaften“ ein schlechter Indikator für gesellschaftlichen Wohlstand sind, will kaum jemand wahrhaben. Gesehen wird, um eine Analogie aus dem Privatbereich zu bemühen, nur das neue Auto vor dem (kreditfinanzierten) Nachbarhaus – nicht aber, dass der Kübel zu horrenden Raten geleast ist, dem Nachbarn somit gar nicht gehört und er sich damit längst finanziell übernommen hat. Der scheinbare Wohlstand entpuppt sich, bei näherer Betrachtung, als bloße Chimäre.

Es kommt die Finanzielle Repression

Es wird also – unter dem von Monsieur Hollande & Genossen ausgestoßenen Schlachtruf „Wachstum ankurbeln“ – „investiert“ werden. Da das der private Sektor – aus guten Gründen – nicht mehr tut (zu präsent sind die Erinnerungen an veritable Verluste durch den Aufbau von kreditfinanzierten Überkapazitäten), muss nun – getreu der reinen keynesianischen Lehre – der Staat einspringen. Wie er das – trotz bereits horrender Schulden und am Limit liegender Steuerlasten – dennoch bewerkstelligen kann, ist, wie es in einem einschlägigen NZZ-Beitrag vom 19. Mai sehr anschaulich beschrieben wird, in zwei Worte zu fassen: „Finanzielle Repression“.

Darunter ist – vereinfacht ausgedrückt – ein Bündel von Maßnahmen zu verstehen, das der rigorosen staatlichen Kontrolle und Regulierung von Finanztransaktionen dient. Damit sollen jene Bürger, die noch über liquide Mittel verfügen, dazu gezwungen werden, dem Staat ihr Geld zu für sie außerordentlich ungünstigen Bedingungen zu überlassen. Die ohne Not aufgetürmten Schulden des Staates sollen – auf Kosten dafür nicht ursächlich verantwortlicher Privathaushalte – abgebaut werden. Es geht schlicht und ergreifend um die Enteignung der Sparer – um nicht weniger als den, angesichts der Dimension der zu sanierenden Finanzruinen, größten Raubzug der Geschichte.

Ein hoheitliches Diktat niedriger Sparzinsen, eine gesteuerte Inflation, strikte Kapitalverkehrskontrollen (etwa Geldbehebungsbeschränkungen und niedrige Barzahlungslimits), Goldverbote und drastische Steuern auf Immobilien sind zu diesem Zweck einzusetzende Folterinstrumente. Dem Bürger wird damit jede Möglichkeit zu alternativen Investments vergällt oder verboten.

Das Abgleiten in eine Hyperinflation gilt es allerdings zu vermeiden, da das dadurch entstehende Chaos unerwünschte Risiken für die politische Klasse heraufbeschwören könnte. Denn wenn sich über Jahrzehnte ersparte, private Geldvermögen (etwa Lebensversicherungen) binnen kürzester Zeit in Luft auflösten und die hauptsächlich betroffene Mittelschicht infolgedessen schlagartig verarmte, wäre es keineswegs unwahrscheinlich, dass Richter Lynch unvermittelt auf den Plan tritt und viele der Verantwortlichen ebenso unerwartet wie plötzlich als Laternenverzierung enden.

Da alle unter dem Stichwort „Finanzielle Repression“ zusammenzufassenden Grobheiten konzertiert auf supranationaler Ebene zu erwarten sind und eine „Abstimmung mit den Füßen“ dadurch so gut wie unmöglich wird, werden der Mittelschicht, die immer noch etwas zu verlieren hat (aber nicht, wie das wirklich große Geld, über die nötige Mobilität verfügt, sich alldem zu entziehen), höchst „interessante Zeiten“ ins Haus stehen. Das großartige „Friedensprojekt Euro“ steht vor seinem bislang größten Triumph: Der kollektive Niedergang Europas kann beginnen!

Die überseeische Konkurrenz Europas wird den zu 100 Prozent selbst verschuldeten Abstieg der über viele Jahrhunderte den Erdball dominierenden Alten Welt nicht ohne Schadenfreude zur Kenntnis nehmen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Europa hat drei Optionen und entscheidet sich für keine drucken

Alexis Tsipras hat absolut recht. Der Chef der linksradikalen Syriza-Partei Griechenlands – der beim nächsten Wahlgang noch weiter zulegen dürfte – hat nämlich selbstsicher verkündet: Niemand kann Griechenland aus dem Euroland werfen.

Ein Blick in die diversen europäischen Verträge bestätigt: Kein Land kann hinausgeschmissen werden, weder aus dem Euro-Raum noch aus der Europäischen Union. Damit haben sich EU wie Euro als Schönwetterprojekte entlarvt, die nun schon seit zwei Jahren völlig hilf- und schutzlos im Regen stehen. Damit machen sich auch alle jene Politiker in Österreich wie in Europa lächerlich, die den Griechen nun den Hinauswurf androhen. Das geht einfach rechtlich nicht.

Damit hat auch die EU-Kommission wahrscheinlich recht, die ständig beteuert, keine Vorbereitungen in diese Richtung zu treffen. Man kann nicht etwas vorbereiten, was man gar nicht kann und darf. Das andere Kommissare doch wieder von solchen Vorbereitungen reden, ist nur ein Zeichen des Chaos, das in Brüssel herrscht.

Ohne Griechen auch kein griechischer Austritt

Die Trennung der Griechen vom Euro können nur die Griechen selber beschließen. Und die wollen ganz und gar nicht. Würde doch damit tatsächlich jene gewaltige Verarmung des Landes eintreten, über die die Griechen schon derzeit sehr beredt jammern, ohne dass sie noch wirklich eingetroffen wäre. Außerdem können die Griechen nicht nur aus dem Euro allein austreten, sondern müssten auch gleich die EU verlassen. Was sie genauso wenig wollen – auch wenn man dann natürlich im gleichen Atemzug um Neuaufnahme in die EU ansuchen könnte.

Daher klingt die – sofort wieder dementierte – neueste Idee Angela Merkels zwar verzweifelt, aber doch glaubwürdig. Sie soll den Griechen empfohlen haben, jetzt doch die im vorigen Winter noch von ihr selbst und allen anderen verdammte Volksabstimmung über einen Euroverbleib PLUS Zustimmung zu allen Sparmaßnahmen abzuhalten. Aber genau dieses Plus will ja die Mehrheit der Griechen nicht.

Heißt das nun, Europa ist wirklich so hilflos, wie es jetzt dasteht? Heißt das, Europa muss wirklich alternativlos einfach immer neues Geld in die ausgebrannten Kessel Griechenlands & Co schaufeln? So wie es das ja schon seit zwei Jahren in Billionen-Dimension tut – von den ersten bilateralen Griechenland-Hilfen über die diversen Kommissions- und EZB-Aktionen, übers hemmungslose Gelddrucken, über die Finanzierungen auf kollektiven Pump via Währungsfonds und die komplizierte „Fazilität“ EFSF bis zu dem ebenso komplizierten und destabilisierenden „Stabilisierungsmechanismus“ ESM?

Ganz und gar nicht. Europa hat mindestens drei Optionen. Freilich ist es nicht so sicher, dass in irgendwelchen Staatskanzleien diese Optionen auch wirklich schon genau durchkalkuliert worden wären. Denn populär wird man auch damit nicht. Keine dieser Optionen ist schmerzfrei, jedoch ist jede sinnvoller als die gegenwärtige Schmerzbehandlung für die europäische Krankheit, die nur eine reine Symptomkur ist.

Über diese Optionen hätte man eigentlich schon in den 90er Jahren bei der Gründung des Euro entscheiden müssen. Was man aber nicht geschafft oder gewollt hat. Und man ist ihnen erst recht im Mai 2010 aus dem Weg gegangen, als Griechenland erstmals bankrott war.

1. Grünes Licht dem Bankrott

Die erste Option würde keiner neuen europäischen Verträge bedürfen. Sie bedeutet einfach: Man lässt Griechenland auch wirklich so wie im Vertrag vorgesehen bankrott gehen. Das wäre zwar ein Schock für das Land, aber die logische Konsequenz aus allen jenen Fehlern, die die Griechen selbst zu verantworten haben – in der lügenreichen Vergangenheit ebenso wie erst recht durch das jüngste Wahlergebnis. Dann könnte die griechische Regierung etwa den Beamten und Pensionisten höchstens die Hälfte des monatlichen Schecks zukommen lassen. Und so weiter.

Aber genau dieser Schock würde am ehesten das auslösen, worum sich die Griechen derzeit so klagenreich herumdrücken: Privatisierungen, Deregulierungen, Beamtenabbau, Abbau von Kündigungsschutz, echte Öffnung für ausländische Investoren usw. Ob die Griechen dann auch zur Drachme zurückkehren, ist da schon eine sekundäre Frage.

Freilich soll niemand glauben, dass dieser an sich logische Weg für das Ausland ein einfacher oder gar billiger wäre. Zahlreiche ausländische Banken und Versicherungen müssten dann durch die eigene Regierung vor den Auswirkungen eines Domino-Effekts geschützt werden. Denn sonst würden auch die jeweils eigenen Unternehmen des Landes mitgetroffen werden, wenn ihre Bankkonten plötzlich nichts mehr wert wären. Wobei es freilich nicht sein dürfte, dass bei der Bankenrettung Bankaktionäre und -mitarbeiter ungeschoren davonkämen. Sie müssten einen Teil des griechischen Ausfalls selber tragen. Nur die schuldlosen Kunden sollten geschützt werden.

Eine weitere Konsequenz einer griechischen Insolvenz würde viele europäische Regierungen treffen: Sie alle hätten dann noch viel größere Probleme bei der eigenen Refinanzierung. Denn jeder Geldgeber würde nach einem endgültigen Bankrott Griechenlands noch viel intensiver als schon jetzt nachdenken, bevor er Italien, Spanien, aber auch Frankreich und vielen anderen Staaten weiter gutes Geld zur Verfügung stellen würde. Das würde für diese Länder die Schuldenaufnahme zumindest neuerlich verteuern.

Allerdings: Dieser Effekt ist schon im Vorjahr bei der erzwungenen Umschuldung der privaten Inhaber griechischer Anleihen in hohem Ausmaß eingetroffen. Diese Umschuldung war eine besonders dumme Aktion: Das Ausland hat viele negativen Folgen getragen, ohne dass man die Griechen zu einer echten Reform zwingen hätte können.

Griechenland bankrott gehen zu lassen, kommt ganz Europa teuer. Aber es nicht bankrott gehen zu lassen, sondern weiter zu „helfen“, kommt noch viel teurer. Und es verhindert vor allem weiterhin, dass die Griechen endlich wirklich selber sanieren. Und auch kein anderes Land wird das dann tun. Sondern alle Bürger würden glauben, dass man nur links- oder rechtspopulistisch wählen, ein bisschen demonstrieren sowie „Occupy!“ rufen müsste. Und schon zahlt weiter ein anderer für sie.

2. Schaffung eines europäischen Konkursrechtes

Damit kommen wir zur zweiten Option: Die EU beschließt ein echtes Insolvenzrecht. Das erfordert eine Vertragsänderung, und dauert daher wahrscheinlich in einer akuten Notsituation zu lange. Aber jedenfalls gilt hier der Satz: Besser spät als gar nicht. Die Schaffung eines solchen Staateninsolvenz-Gesetzes wäre jedenfalls viel dringender als all die zahllosen Banken-Regulierungsversuche der letzten Jahre. Denn die Staaten sowie deren verlorene Wettbewerbsfähigkeit und nicht so sehr die Banken sind der zentrale Kern des europäischen Dilemmas.

Eines solchen Insolvenzrechts hätte es schon bei Fixierung des Euro zumindest für den Euro-Raum bedurft. So wie es ja auch innerhalb jedes Landes für zahlungsunfähige Firmen genau geregelte Abläufe gibt. Im Zentrum steht dabei immer ein sogenannter Masseverwalter. Der übernimmt in dem insolventen Land beziehungsweise in der insolventen Firma alle finanziell relevanten Geschäfte. Interessanterweise wird neuerdings in der Europäischen Zentralbank genau darüber nachgedacht.

Das bedeutet freilich eine vorübergehende Aushebelung der Verfassung und Demokratie. Das ist daher eine extrem heikle Operation. Das würde die Gefahr eines revolutionären Chaos verstärken. Das wäre aber wohl im Gegensatz zur ersten Option ein viel klarer geordneter Umgang mit der Zahlungsunfähigkeit eines Landes. Daher sollt unabhängig davon, wie es kurzfristig in Griechenland weitergeht, dieses Insolvenzrecht die erste Priorität auf der europäischen Agenda werden.

3. Europa neu gründen

Womit wir zur dritten Option kommen. Die heißt: Wenn die Griechen nicht aus dem Euro austreten wollen, können es ja die anderen tun. Das ist freilich eine gewaltige Vertragskonstruktion, die da geschrieben werden müsste. Denn so wie die Griechen nicht nur aus dem Euro austreten können, können es auch die anderen Länder nicht. Sie müssten formal auch die EU verlassen und EU wie Euro neu gründen. Dabei werden die Austretenden auch den Zurückbleibenden – also jedenfalls den Griechen – gegenüber schadenersatzpflichtig. Wobei man freilich auch alle von Athen verursachten Schäden gegenrechnen kann.

Eine solche Neugründung könnte natürlich auch genutzt werden, die vielen Fehler der EU-Konstruktion zu beseitigen. Da hat sich ja im Verlauf von mehr als einem halben Jahrhundert Vieles angesammelt oder als schädlich erwiesen: Vetorechte, Nichteinhaltung der eigenen Regeln, undemokratische Bevorzugung von Kleinstaaten gegenüber den Großen, der unheilvolle Drang zur Überregulierung, unklare Verhältnisse zwischen Nato- und neutralen Ländern, usw.

Mit anderen Worten: Es bräuchte wohl Jahre, um all das zu klären. Niemand hat einen besseren EU-Vertrag fertig in der Lade, der auf zumindest mehrheitliche Zustimmung stieße. Zugleich würde eine neue, bessere Union wahrscheinlich etliche Mitglieder verlieren, die auf dem Weg des Willensbildungsprozesses verloren gingen.

Erst recht würden solche Verluste an Mitgliedern auch bei einem neu zu zimmernden Euro-Raum der Fall eintreten. Denn während man die EU ja auch schlanker machen könnte und sollte, könnten an einem Euro-Neu zweifellos nur Länder teilnehmen, die sich einem klaren und zwingenden Regime unterwerfen würden (anstelle der skurrilen Maastricht-Kriterien, die vom ersten Tag an nie eingehalten worden sind).

Ein solcher Verlust wäre aber sicher kein großer Schaden. Hat man doch in dieses Europa immer wieder Länder aufgenommen, die (noch) gar nicht hineinpassen. Die man aber „aus politischen Gründen“ zu früh aufgenommen hat.

Der Hut brennt lichterloh

Über all diese drei Optionen muss – müsste – zum Beispiel der von Michael Spindelegger in der Vorwoche gegründete Kreis von reformwilligen Ministern intensiv nachdenken. Ob aus dem mehr wird als aus so vielen anderen Nachdenkrunden?

Das Teuflische ist: In Europa brennt der Hut so lichterloh, dass alle Entscheidungen binnen weniger Wochen getroffen werden müssten. Und dabei sollen gleichzeitig in diesen Wochen auch noch ganz schwierige Pakete durch die nationalen Parlamente beschlossen werden: neben der Verpflichtung zur Schuldenbremse auch der neue, viele weitere Hundert Milliarden teure Stabilisierungsmechanismus ESM.

Dieses Paket hängt freilich auch aus einem anderen Grund in der Luft. Denn sowohl die deutschen wie auch die französischen Sozialisten lehnen nun die Pflicht zu einer Schuldenbremse ab. Was zwar ein neuerlicher schwerer Stoß des sich breit machenden Populismus für die Stabilität Europas wäre. Was aber wieder leichte Hoffnung macht, dass damit wenigstens auch der ESM tot sein könnte (den aber wieder die Sozialisten gerne hätten!).

Heute hat Europa die Rechnung für Hunderte faule, den Grundrechnungsarten der Ökonomie widersprechende Kompromisse auf dem Tisch. Es ist dadurch selbst längst von arger Fäulnis befallen. Die proeuropäischen Sprüche mancher Politiker und EU-Journalisten gleichen daher längst nur noch dem Pfeifen im Walde.

 

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Raus aus dem Euro – geht das überhaupt? drucken

Alle reden davon, Griechenland solle sich gefälligst aus der Eurozone schleichen, oder „vertschüssen", wie unsere bundesdeutschen Nachbarn sagen. Sogar unsere Finanzministerin Maria Fekter hat das zuletzt den Griechen angedroht, und dafür einen Rüffel von Frau Merkel kassiert. Alle reden davon, aber erst langsam taucht die Frage auf: geht das überhaupt?

Egal ob Drachme, Lira oder Peso: Wer würde heutzutage freiwillig seine Euros in so eine Währung umtauschen, die noch dazu jeden Tag an Wert verliert? Wer würde nicht sofort zu seiner Bank rennen, und alles abheben, bis auf den letzten Cent?

Wenn Griechenland wieder die Drachme einführen will, dauert alleine schon das Drucken der neuen Scheine drei Monate. Und dann müssten rund 300 Tonnen Bargeld an die Banken verteilt werden. Sobald das nur irgendjemand mitbekommt, bricht sofort die Hölle aus. Jeder Grieche wird rasch seine letzten Euros einsammeln und nicht mehr hergeben. Genau wie am 11. Mai 1931, als die österreichische Creditanstalt zusammenbrach und damit die Weltwirtschaftskrise (mit-)auslöste.

Das ist natürlich alles nicht neu. Jeder Nationalökonom, jeder Wirtschaftswissenschafter und schließlich auch jeder Banker weiß das schon immer. Warum aber erzählen uns die Politiker noch immer das Gegenteil? Will uns da schon wieder jemand für dumm verkaufen? So wie beim „Transparenzpaket"?

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

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"News": Der Millionär macht auf Bauer drucken

Manche Dinge sind so unglaublich, dass man sie dreimal nachprüft. Wer hätte sonst geglaubt, dass europäische Agrargelder ausgerechnet zur Wiener Verlagsgruppe News fließen?

Ja, genau: Das ist jene Gruppe, die jahrelang in Hinblick auf ihre Auflagen wie gedruckt gelogen hat. Und jetzt reiht sich zum dubiosen Gebaren dieser einst von den Faymann-Freunden Fellner gegründeten Illustrierten-Kette eine neue Unglaublichkeit: sie hat im Vorjahr unter dem Titel „EU-Agrarzahlungen“ 113.400,00 Euro erhalten. In aller Heimlichkeit.

Das ist eine Riesensauerei und sollte schleunigst zurückgefordert werden. Diese Causa wird sonst wohl genauso in die Geschichtsbücher eingehen wie die zahllosen von der EU geförderten griechischen oder sizilianischen Olivenbäume, die nur ein kleines Problem haben: Es gibt sie gar nicht.

Die agrarische Geldverschiebung zu „News“ ist auch ein Musterbeispiel, wie sinnlos die von der Wiener Regierung angekündigte Transparenzdatenbank sein wird. Gibt es doch bei den Landwirtschafts-Förderungen schon seit einigen Jahren eine solche Transparenzdatenbank. In dieser stehen dann halt nach der Methode „Schmecks“ Geldbeträge ohne jede Transparenz, ohne jedes Wofür, Weshalb oder Warum.

Nach der Logik der EU-Finanzierungs-Usancen ist jedenfalls das Berlakovich-Landwirtschaftsministerium direkt oder indirekt verantwortlich. Auf die Anfrage, wofür das Geld der EU-Agrarförderungen denn verwendet worden ist, erhält man von der Agrarmarkt Austria, die für die „Transparenz“ verantwortlich ist, aber nicht einmal eine Auskunft. Trotzdem gehe ich jede Wette ein, dass bisher kein Mensch in Brüssel auch nur eine Ahnung hat, welche Schmuddel-Illustrierten da aus europäischen Geldern angefüttert werden. Denn die Schiebereien sind zweifellos in Österreich selbst passiert.

In dieser Transparenzdatenbank im Internet werden die Zahlungen an die „Verlagsgruppe News Gesellschaft M.B.H. GmbH“ einfach mit „Investitions- und Regionaloffensive - sonstige Maßnahmen“ erklärt. Schmecks. Mehr erfährt man nicht. Daher bleibt dem Steuerzahler nur die Spekulation, wie das Geld in die drei vorgegebenen Ziele passen mag:

  • Erhöhung der Wertschöpfung der Land- und Forstwirtschaft,
  • Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum oder
  • Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft.

Kreative Geldschieber werden schon eine Antwort finden, wenn einmal der Rechnungshof und Staatsanwalt anklopft. Hat das „Profil“ vielleicht eine Anleitung zum Kühemelken abgedruckt? Oder das „News“ einen Vergleichstest der besten Mähdrescher? Oder geht es vielleicht um eine „Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten“? Was gar nicht so abwegig wäre: Sind die diversen „News“-Hefte doch seit Jahren in von den Leser heftig benachteiligten Gebieten anzutreffen.

Oder hängt der Geldfluss vielleicht gar damit zusammen, dass Raiffeisen sowohl zu den für landwirtschaftliche Förderungen zuständigen Behörden wie auch zu den geförderten Magazinen eine sehr große Nahebeziehung hat? Das will ich schon gar nicht glauben. Und außerdem gilt die Unschuldsvermutung.

Streng zurückweisen muss ich natürlich auch alle Vermutungen, dass da ein brutaler Verleger irgendjemandem mit einer unangenehmen Veröffentlichung gedroht haben könnte, unabhängig davon, dass solche Veröffentlichungen in den bunten Heften ohnedies nur selten vor Richtigkeit strotzen.

Als jedenfalls unrichtig kann ich aber jetzt schon eine weitere Vermutung entlarven: Das Geld floss nicht für die Aktion „Bauer sucht Frau“. Das könnte ja noch irgendwie als Landwirtschaftsförderung verstanden werden (nach der Gleichung: Glückliche Bauern = glückliche Kühe = glückliche Milch). Denn: „Bauer sucht Frau“ ist definitiv nicht bei News, sondern bei ATV gelaufen. Und ATV hat kein Geld bekommen. Womit ich übrigens die Privatfernsehmacher zu nichts angestiftet haben will. Denn sie würden höchstwahrscheinlich ohnehin nicht gefördert werden. Fehlen ihnen doch die richtigen Netzwerke . . .

Wir wissen letztlich nur: „Grundlage für die Zahlungen sind Leistungen, die die Empfänger im Agrarbereich im öffentlichen Interesse erbringen.“ Wer‘s glaubt, wird selig.

Und ansonsten haben wir brav Steuern zu zahlen, die Goschen zu halten und nicht allzu laut mit den Zähnen ob all der Schweinereien in diesem Land zu knirschen.

 

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Die 30-Euro-Impfung auf griechische Art drucken

Griechenland ist von der Größe her für dieses EU-Europa ein winziges Problem. Aber das Land ist ein exzellentes Paradigma für all das, was in so vielen europäischen Ländern falsch gelaufen ist.

Anstelle der üblichen Milliarden-Dimensionen ist es anschaulicher, sich in den ganz kleinen Zahlenregionen zu bewegen. Viele wundern sich etwa, warum in Griechenland ein Kaffee im Schnitt teurer ist als in einer italienischen Bar, obwohl doch die griechischen Kellner wie viele ihrer Landsleute so herzzerreißend klagen, wie schlecht es ihnen geht. Aber das mag eine Folge eines nicht funktionierenden Wettbewerbes oder von (anderswo verbotenen) Preisabsprachen sein.

Daher noch ein Beispiel aus einem sehr geregelten Umfeld: Schauen wir den Preis für das Verabreichen einer bestimmten Impfung an. Für diese bekommt ein österreichischer Arzt 7 Euro von der Sozialversicherung – ein griechischer hingegen 30 Euro. Diese Differenz erklärt eigentlich schon fast die ganze griechische Krankheit. Sehr anschaulich ist übrigens auch die Zahl der Apotheken: Bei annähernd gleicher Bevölkerungsgröße hat Griechenland zehn Mal so viele Apotheken wie Österreich.

Vor Einführung des Euros in Griechenland haben diese und einige Tausend andere griechische Seltsamkeiten die Inflation ständig angeheizt. Worauf dann beispielsweise die 30 Impf-Münzen des griechischen Arztes bald wieder nur noch genauso viel wert waren wie die 7 des Österreichers.

Der Euro und die gigantischen Hilfsaktionen der europäischen Steuerzahler haben aber dazu geführt, dass die Mehrzahl der Griechen glaubt, sie können beides haben: Die Kaufkraft des Euro einerseits und andererseits jemanden, der ihnen ständig genug Euro schickt. Das gleicht dem Glauben, zugleich abnehmen zu können und doch alles ungehemmt fressen zu können, was Mitteleuropas Küche an kalorischen Köstlichkeiten bietet. Nun gibt es in der Tat Scharlatane, die mit großem Erfolg solche Wunderdiät-Illusionen eines anstrengungsfreien Abnehmens wachrufen. Mit ähnlich großem Erfolg hat auch eine Reihe griechischer Parteien die Quadratur des Euro-Schulden-Kreises versprochen. Diese Schulden-Scharlatane haben sogar einen Beweis: die letzten zwei Jahre, als die EU-Partner diese Quadratur tatsächlich finanziert haben.

Ergebnis: Der Chef des österreichischen Staatsschuldenausschusses verkündet trocken, dass wir (im Gegensatz zu den Ankündigungen der Politik) die an Griechenland verborgten Milliarden niemals wiedersehen werden.

Wann wird Europa endlich einsehen, dass man nicht jemanden zum vernünftigen Haushalten (=Sparen+wettbewerbsfördernde Reformen) bringen kann, solange der auch nur einen Rest Hoffnung auf einen Big spender haben kann? Und die Vernunft wird schon gar nicht einkehren, solange etwa die deutschen Sozialdemokraten sagen, man sollte doch den Griechen noch viel mehr Geld borgen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Schnelligkeit, nicht die Instanzenzahl macht die Qualität einer Justiz drucken

Eine funktionierende Justiz ist wichtiger für das Funktionieren von Staaten und Gesellschaften als viele der derzeit eifrig diskutierten Wahlrechtsdetails. Das hat sich in ganz Osteuropa nach der Wende gezeigt, das sieht man derzeit insbesondere in der Ukraine, wo Richter und Staatsanwälte willige Schergen der Macht sind. Aber auch in zweifellos besser entwickelten Rechtsstaaten wie etwa Österreich muss man viel besorgter auf die Justiz blicken, als es gemeinhin üblich ist. Das hängt keineswegs nur mit den Missständen in der Strafjustiz zusammen, wenngleich sie dort am auffallendsten sind. Aber heute sei der Blick einmal auf ganz andere Rechts-Defekte gerichtet.

Eine funktionierende Justiz braucht nicht nur gute Gesetze. Sie braucht auch charakterlich integre, unabhängige und dennoch fleißige Richter. Sie muss sich in einer modernen und schnellen Gesellschaft vor allem auch als Dienstleister, nicht als Obrigkeit verstehen. Das heißt: Sie soll schnelle und klare Entscheidungen liefern.

Gerichtsverfahren dauern länger

Bei all diesen Eigenschaften happert es. Nehmen wir nur die Schnelligkeit. Die hat sich im Lauf der Jahre ständig reduziert. Ein bekanntes Beispiel sind die immer länger dauernden Obsorge- und Besuchsrechtsentscheidungen. Diese dauern oft Jahre, obwohl es dabei nicht nur um Geld, sondern um Schicksale geht. Es ist völlig absurd, wenn etwa im Streit um eine zusätzliche Stunde Besuchsrecht teure und zeitraubende Sachverständige eingeschaltet werden. Das sind Fragen, die Richter mit Lebenserfahrung und Autorität in einem einzigen Tag entscheiden könnten. Aber gerade über solche Fragen urteilen allzu oft völlig unerfahrene Anfänger meist weiblichen Geschlechts. Denn die arrivierten Richter entziehen sich gerne den emotional belastenden Familienrechtsfragen und machen lieber Karriere.

Und als ob es nicht schon genug langwierige gerichtliche Zores rund um die Ehe gäbe, wollen zwei Juristen nun auch noch das Eherecht auf alle Lebensgemeinschaften ausdehnen. Mit allen Folgen einer Ehe, selbst wenn es keine Kinder gibt.

Natürlich kommt der Vorschlag wieder einmal von weltfremden Uni-Theoretikern. Können sich die denn gar nicht vorstellen, dass Menschen durchaus bewusst in Bereichen und Situationen ohne jede Menge Paragraphenfolgen leben wollen? Wenn sie hingegen diese Folgen haben wollen, können sie ja jederzeit heiraten (und wenn nur einer der beiden diese Folgen haben will, ist er wohl an den falschen Partner geraten). Erstmals muss ich da auch einmal die Ministerin Karl loben, legt sie sich doch gegen diese Forderung (noch) quer.

Sehr negativ wirkt sich auch die Internationalisierung des Rechts auf die Dauer des Verfahrens aus. Insbesondere der in Straßburg sitzende Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist Hauptursache unerträglicher Verzögerungen. Dieser EGMR ist eine an sich eine lobenswerte Einrichtung des ansonsten überflüssigen Europarates (nicht der EU, wie viele glauben). Er geht aber in Hunderttausenden Akten unter. Wer binnen fünf Straßburger Jahren eine Entscheidung bekommt, liegt voll im Durchschnitt. Manche Verfahren dauern aber samt den vorgelagerten nationalen Instanzen sogar mehr als zehn Jahre.

Das ist eine völlig irre Situation. Das hat nichts mehr mit Recht, sondern nur noch mit Rechtsverweigerung zu tun. Die rasch zunehmende Dauer der EGMR-Causen erinnert an den Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806. Damals waren beim Reichskammergericht Verfahren mit einer hundertjährigen Vorgeschichte anhängig.

Britischer Reformvorstoß abgelehnt

Der EGMR geht vor allem in Bagatellverfahren unter, während ein ukrainischer oder russischer Diktator auf viele Jahre seine politischen Opponenten ungehindert im Gefängnis verfaulen lassen kann. In beiden Ländern hat es zwar so etwas Ähnliches wie Wahlen gegeben, aber solange die Justiz auf Befehl der Machthaber agiert, muss man diese Länder als waschechte Diktaturen einordnen.

Angesichts der totalen Überlastung des Gerichtshofs ist es absolut unverständlich, dass die meisten anderen europäischen Länder den jüngsten britischen Reformvorschlag zurückgewiesen haben. Die Briten wollten den EGMR von vielen Pimperl-Verfahren befreien. Das ist aber von den anderen Ländern empört abgelehnt worden. Aus Feigheit, von irgendwem vordergründig kritisiert zu werden. Oder aus Ahnungslosigkeit in Hinblick auf die Bedürfnisse einer wirklichen Herrschaft des Rechts.

Summum ius, summa iniuria

Womit sich wieder der uralte Rechtsspruch bewahrheitet: Summum ius, summa iniuria. Wer das Recht auf die Spitze zu treiben versucht, sorgt für höchstes Unrecht. Die Gerechtigkeit wird nicht dadurch größer, dass man immer weitere Instanzen aneinanderreiht. Wenn diese Instanzenflut zu einer spürbaren Verzögerung führt, wird die Gerechtigkeit sogar kleiner. Denn solange ein Verfahren, ein Rechtsstreit im Ungewissen hängt, solange müssen sich ja beide Seiten als mögliche Verlierer fühlen. Es ist wichtiger, dass man die Chance hat, seinen Rechtssieg auch noch zu erleben, als dass sich davor allzu viele Richter und Anwälte darüber den Kopf zerbrochen haben. Das macht auch für den die Sache teuer und belastend, der schlussendlich gewinnt.

Weniger schlimm hat sich bisher der EU-Gerichtshof in Luxemburg entwickelt. Aber auch er stellt allzuoft de facto eine weitere Instanz mit Verzögerungswirkung dar (rein formal sei festgehalten, dass er häufig gar nicht als echte Instanz agiert; seine Entscheidungen werden vielmehr oft während der Unterbrechung eines nationalen Verfahrens eingeholt und abgewartet).

Problematischer ist, dass sich die Luxemburger Richter gerne auch in Dinge einmischen, die gar nicht EU-Kompetenz sind. Ein Musterbeispiel ist die vom EuGH herbeijudizierte Zulassung von Deutschen zu österreichischen Hochschulen, obwohl die Universitäten ausdrücklich nicht Kompetenz der EU sind. Ähnliches spielt sich jetzt in Sachen Ungarn ab: Beim Gerichtshof laufen jetzt Verfahren wegen der neuen ungarischen Gerichtsorganisation, obwohl auch diese Gerichtsorganisation keine EU-Kompetenz ist. Aber seit dem Vertrag von Lissabon maßen sich die EU und ihr Gerichtshof ja letztlich eine Generalkompetenz über alles und jedes zu. Als argumentatives Vehikel werden die Grundrechte benutzt, die natürlich irgendwie in jedem einzelnen Sachverhalt involviert sind.

Grün und Blau erzwingen neue Instanz

Während die meisten akzeptieren, dass ein gemeinsamer europäischer Binnenmarkt ein gemeinsames Gericht  braucht, kann man das, was sich jetzt in Österreich anbahnt, überhaupt nicht mehr verstehen. Denn hier droht eine Neuregelung, die jedem Verfahren eine weitere Instanz hinzufügt. Jede Partei soll künftig nach einer (bisher eigentlich Rechtskraft auslösenden) Entscheidung des Obersten Gerichtshofes auch noch den Verfassungsgerichtshof anrufen können. Dieser hat – wiederum mit Hilfe des sehr allgemein gehaltenen Katalogs der Grundrechte – eine Argumentationsebene, die jeder Rechtsanwalt in jeden Rechtsstreit einbringen kann.

Wenn dieser Rechtszug zum VfGH wirklich künftig jedem offen steht, wird es zu einer Explosion der Verfahrensdauer in allen Rechtsstreitigkeiten kommen. Und Österreich wird sowohl als Wirtschaftsstandort wie auch als Rechtsstaat in allen Rankings weiter absinken.

Wer will diesen Wahnsinn? Abgesehen von ein paar lebensfremden und an sich unbedeutenden Universitätsprofessoren sind es erstaunlicherweise die FPÖ und die Grünen, die die Hauptschuld daran tragen. Die Regierung braucht nämlich in einer anderen Materie die Zustimmung zumindest einer Oppositionspartei zu einem Verfassungsgesetz. Und Grün wie Blau wollen diese Zustimmung nur geben, wenn der Instanzenzug zum Verfassungsgerichtshof allgemein geöffnet wird.

Ob sie wissen, was sie damit anrichten?

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Großbritannien – Polen - Frankreich: ein teurer Vergleich drucken

In Frankreich setzen die Sozialisten das Pensionsalter auf 60 Jahre herunter. Die konservativ-liberalen Regierungen in Gr0ßbritannien und Polen setzt es gerade auf 67 Jahre hinauf. Alle drei Länder gehören zu einem gemeinsamen Europa. Das löst mehrere Fragen aus.

Erstens: Sind die Briten oder Polen vielleicht so viel langlebiger als die Franzosen, dass dieser Unterschied gerechtfertigt wäre? Keineswegs. Im Gegenteil: Die Franzosen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung. Manche Experten führend das übrigens auf die gesundheitlichen Vorteile des Rotweines gegenüber dem Bier zurück, was angesichts der Qualität ihres Rotweines doppelt angenehm für die Franzosen ist. Aber die Ursachen sind in unserem Zusammenhang eigentlich egal.

Zweitens: Steht Frankreich vielleicht wirtschaftlich besser da, dass es sich so lange Pensionszahlungen leisten kann? Auch das ist nicht der Fall, arbeiten die Franzosen doch auch vor der Pensionierung weniger als die anderen Nationen. Von diesen drei Ländern ist zweifellos heute Polen als einziges Land halbwegs gut aufgestellt. Alle ökonomischen Faktoren sprechen für das Ostseeland.

Drittens: Wie wichtig ist das Pensionsantrittsalter überhaupt? Es ist entscheidend. Denn die Pensionskosten werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in allen europäischen Ländern die weitaus größte und rasch anwachsende Belastung für die öffentlichen Haushalte und Wirtschaft darstellen. Dies schon auf Grund der ständig steigenden Lebenserwartung und des immer größeren Anteils alter Menschen an der Gesamtbevölkerung, also selbst ohne Senkung des Pensionsantrittsalters.

Viertens: Um welches dieser Länder muss man sich daher am meisten Sorgen für die Zukunft machen? Ganz gewiss um Frankreich.

Fünftens: Welches dieser Länder hat am meisten Auswirkungen auf Österreich? Frankreich. Denn zum einen ist Österreichs Handel mit Frankreich größer als der mit den anderen beiden Ländern. Zum anderen ist Österreich durch den Euro an das Schicksal Frankreichs gebunden. Was bei den anderen beiden Ländern nicht der Fall ist

Das sind fünf zwingende Gründe, um sich über den Wahlsieg eines französischen Linkspopulisten so richtig zu freuen.

 

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Fußnote 295: Wenn die EU spart . . . drucken

Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal das EU-Parlament aus vollem Herzen loben muss.

Das Parlament hat nämlich eine Reise von elf Abgeordneten zum UNO-Umweltgipfel nach Rio de Janeiro abgesagt. Der Grund sind die unverschämt hohen Hotelpreise. Daher: Bitte vor den Vorhang! Die Damen und Herren werden dort – außer einer touristisch attraktiven Stadt – mit Sicherheit nichts versäumt haben. Denn das ist gefühlt der neunhundertsiebenundachtzigste UNO-Umweltgipfel. Diese Absage ist zweifellos eine gute Nachricht. Es gibt aber auch eine schlechte: Die EU-Kommission wird dennoch anreisen und zwar gleich mit sechs Kommissaren. Diese schlechte Nachricht ist jedoch noch harmlos gegen die dritte Nachricht. Die ist nämlich sogar skandalös: Jeder einzelne dieser sechs Kommissare nimmt nicht weniger als rund 20 Mitarbeiter mit nach Rio. Wer es fassen kann, der fasse es – zahlen muss er es freilich auch, wenn er es nicht fasst. Die Europäer sollte aber heilfroh sein, wenn das alles ist, was sie nach dieser Rio-Reise zahlen müssen. Denn für all diese Konferenztouristen gilt ja eine solche Veranstaltung immer nur dann als „Erfolg“, wenn sie dort etwas beschließen, was die Bürger Europas sehr, sehr teuer kommt.

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SN-Kontroverse: EU-Fiskalpakt drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll der EU-Fiskalpakt ergänzt werden?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Sparen allein genügt nicht

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die EU ist am Ende ihres Lateins im Umgang mit der Finanz- und Schuldenkrise. Trotz dramatischer Sparpakete und nicht enden wollender Finanzspritzen kommen die Krisenländer in der Eurozone nicht und nicht auf die Beine. Offenkundig ist, dass die bisherigen Rezepte zur Bekämpfung der Krise wenig nützen. Es ist hoch an der Zeit, die Strategien neu zu überdenken. Vor allem der einseitige Fiskalpakt hat sich als Irrweg herausgestellt. Er sieht strenge Obergrenzen für die Staatsschulden vor, einschließlich automatischer Sanktionen für jene Länder, die die Regeln brechen. Nützen tut er aber nichts. Die Eurokrise wird dadurch nur verschärft. Namhafte Ökonomen warnen daher immer lauter vor einer Fortsetzung des strikten Sparkurses. Ferdinand Fichtner, der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, meint, der Bogen im Umgang mit den Krisenländern dürfe nicht überspannt werden. Der Spardruck auf die Krisen-Euro-Staaten müsse gelockert werden. Sozialer Ausgleich und eine maßvolle Konsolidierung der Staatsfinanzen seien sicherlich die bessere Lösung.

Das stimmt. Denn die derzeitige Austerity-Politik gleicht der Quadratur des Kreises. Um die Staatsschulden zu verringern, wurden Ausgaben gekürzt. Dies bewirkt geringere Nachfrage und geringeren wirtschaftlichen Output. Das wiederum bedeutet einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Das ist die teuerste Form des Wirtschaftens. Sie führt zu weniger Steuereinnahmen und höheren Sozialleistungen. Wodurch die Staatsschulden erst Recht nicht abgebaut werden können. Dass die Sparpolitik nicht funktioniert, ist an Griechenland und Irland sehr gut zu sehen. Griechenland benötigt eine Finanzspritze nach der anderen. Den irischen Banken musste bereits fünf Mal aus der Patsche geholfen werden. Die EU muss daher so rasch wie möglich den Fiskalpakt durch ein breites Investitionsprogramm ergänzen. Denn Sparen allein genügt nicht.

 


Wachsen statt Verschulden

Andreas Unterberger

 Die Forderung vieler europäischer Sozialisten nach einem Investitionsprogramm heißt auf deutsch: "Jetzt haben wir lange genug vom Sparen geredet - und es nicht getan -, jetzt wollen wir wieder ohne schlechtes Gewissen auf Kosten der Zukunft und auf Kosten der Deutschen Schulden machen, indem wir diese halt Investitionen taufen." Die Prioritäten von François Hollande zeigen ja ganz deutlich, wofür er Geld ausgeben will: niedrigeres Pensionsantrittsalter, niedrigere Mehrwertsteuer, subventionierter Benzinpreis, Schulstartgeld usw. Keine Spur von Investitionen, sondern der alte sozialistische Populismus in Reinkultur.

Man kann nur hoffen, dass die deutsche Regierung nicht wieder umfällt, indem sie den bei Wahlen obsiegenden griechisch-französischen Schlendrian neuerlich finanziert. Bei der Wiener Regierung braucht man ja mangels eigenständiger Politik-Fähigkeit längst nicht mehr zu hoffen.

Das heißt natürlich nicht, dass Europa kein Wachstum braucht. Das haben uns nur die Grünen jahrelang einzureden versucht, die heute merkwürdig still sind oder rote Slogans nachplappern. Europa braucht sogar sehr viel Wachstum. Aber keinesfalls mit noch mehr Schulden. Denn diese würden nur noch größere Krisen in der Zukunft auslösen, von denen eine Megainflation die mindeste ist.

Wachstum geht nur auf einem Weg: mit längerem Arbeiten; mit weniger Bürokratie; mit Erleichterungen für Unternehmensgründungen; mit flexiblen Arbeitsmärkten; mit Privatisierungen (weil jedes Privatunternehmen effizienter arbeitet); mit weniger Einschränkungen für die Forschung; mit dem Abbau von Zwangsmitgliedschaften in Kammern; mit einem vielfältigen und wettbewerbsorientierten Schulsystem; mit Verzicht auf strengere CO2-Regeln als die Konkurrenz. Unpopulär? Vielleicht. Aber wirksam. Und sonst gar nichts.

 

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Warum Rückkehr zur eigenen Währung? – Einige grundsätzliche Erwägungen drucken

„Währungspolitik bedeutet mehr als Gestalten, Beeinflussen und Regeln eines Sondergebietes marktwirtschaftlicher Technik. Im Geldwesen eines Volkes spiegelt sich alles, was dieses Volk will, tut, erleidet, ist.“ Im Zustand einer Währung „spiegelt sich das gesamte soziale und politische Leben … Aufschwung und Verfall, Revolutionen, außenpolitische Erfolge und Misserfolge, innerpolitische Konstellationen, Kraft und Schwäche von Regierungen… die geographische und politische Lage eines Volks; die objektiven und subjektiven Möglichkeiten seiner Wirtschaft, seine Einstellung zu wirtschaftlichen Dingen und zur Zukunft; seine Moral und Energie; alles das was die Worte `Volksgeist´ und `Volkscharakter´ decken. Nichts sagt so deutlich aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut”.

Diese goldenen Worte von Joseph Schumpeter, einem der größten Nationalökonomen, die unser Volk hervorgebracht hat, sollte sich jeder, der über Währung, Kredit und Bankensystem nachdenkt und schreibt oder als verantwortlicher Politiker an der Gestaltung mitwirkt, in sein Tagebuch eintragen. Die Kultur eines Volkes und seine Währung gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden!

Das hängt schon mit der Natur des Geldes und des Kredits zusammen. Seiner Natur nach ist Geld ein Produkt der Rechtsordnung des Staates. Der Staat erlässt als Gesetzgeber die Geld- und Kreditverfassung und bestimmt durch diese, was auf seinem Territorium als Geld „gilt”  und wer zur Geld- und Kreditschöpfung berechtigt ist. Die Währungshoheit gehört zu den unveräußerlichen und unaufgebbaren Rechten des Staates. Es stellt eine der Absurditäten unserer Zeit dar, wenn der  Staat diese „Majestätsrechte” nicht selbst ausübt, sondern diese Ausübung einer „privaten” oder „unabhängigen”, nichtstaatlichen Organisation überträgt, auf die er keinen Einfluss hat und die ihm nicht verantwortlich ist.

Die so genannte „Unabhängigkeit der Notenbank” ist und war stets nur eine relative. Fehlt der politisch-staatliche Wille zu sachgerechter Geld- und Kreditpolitik, ist eine auch noch so „unabhängige” Zentralbank machtlos. Die deutsche Bundesbank wehrte sich vergeblich gegen die Aufgabe der Mark. Und die Machtlosigkeit zeigt  sich  auch jetzt wieder bei der US-Notenbank FED oder der EZB,  die beide jedes von den politischen Entscheidungsträgern verordnete „Bail-out”, „Ankurbelungsprogramm” oder „Konjunkturpaket” absegnen und finanzieren müssen. Manchmal allerdings drängen sie sich der Politik als „Problemlöser“ oder „Retter“ geradezu auf, wie Jean-Claude Trichet bei der Griechenlandpleite im Frühjahr 2010.

Für die logisch unwiderlegbare und daher auch unwidersprochen gebliebene „Staatliche Theorie des Geldes” (G. F. Knapp, 1905) ist Geld im engeren Sinne das staatlich anerkannte Zahlungsmittel (Münzen, Banknoten). Die staatliche Anerkennung besteht in der Selbstverpflichtung des Staates, Zahlungen in Form der von ihm bestimmten „Währungseinheiten” mit schuldbefreiender Wirkung der Steuerverpflichtungen entgegenzunehmen. Dank der staatlichen Anerkennung wird dieses „Geld“ auch unter den Bürgern zum „Zirkulationsmittel“. Im allgemeinen sind es heute die vom Staat eingesetzten oder anerkannten Notenbanken, die entsprechend den Ermächtigungen und unter der Aufsicht des Staates Münzen und Bankennoten ausgeben und so Geld „schöpfen”.

Schöpfung und Wert des Geldes

Alles Geld – sowohl im engeren wie im weiteren Sinne – entsteht, oder wird „geschöpft” durch Kredit. Kredit bedeutet, wie der Name schon sagt, „Vertrauen”. Dank der von ihm geschaffenen und erhaltenen Rechtsordnung „ist der Staat das Geld”. Verfällt die Rechtsordnung und büßt der Staat das Vertrauen in ihren Erhalt ein, verliert Geld seinen Wert. Bricht gar die staatliche Ordnung zusammen, wird Geld als Zahlungsmittel von den Bürgern nicht mehr angenommen. Nach dem Zusammenbruch im Zweiten Weltkrieg galt in Deutschland und Österreich die „Zigarettenwährung”, der Tauschhandel feierte wenig fröhliche `Urständ´.

Es ist wichtig zu begreifen, dass an sich jede Störung der Ordnung und des sozialen Friedens durch Streiks, Ausstände. Aufstände, Aufruhr, Gewaltausbrüche, Straßenterror, Brandschatzungen, Korruption, Bankenskandale, Großbetrügereien usw. das Vertrauen in den Staat und seine Währung schädigen und zur Flucht in Sachwerte oder ausländische Währungen veranlassen, wodurch wiederum die Inflation angeheizt wird, der Außenwert der Währung („Devisenkurs”) fällt und notwendige Importe sich verteuern.

Die Stärke der deutschen Mark, des holländischen Guldens, des Schweizer Frankens oder des Schillings gegenüber den mediterranen Währungen (Italien, Portugal, Spanien, Griechenland) beruhte zu einem erheblichen Teil auf der Durchsetzung einer Ordnung des Friedens, der Politik des sozialen Ausgleichs, der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit und des Vorrangs der Sachautorität vor Parteiengezänk. In einer Währungsunion führen diskrepante Ordnungsauffassungen zu Wohlstandsverlusten und zu Spannungen zwischen den Staaten, die, wenn sie groß genug werden, die Währungsunion sprengen.

In den diskrepanten Ordnungsauffassungen sowie dem Souveränitätsverlust ist wohl auch der Grund zu finden, weshalb Großbritannien, Dänemark und Schweden, obwohl „reife” EU-Länder, von vorneherein der Währungsunion fernblieben und auf die Einführung des EURO trotz der mannigfach angepriesenen „Vorteile” verzichteten. Österreich hat das leider nicht getan, es wurde in die Währungsunion mit leeren Versprechung von Schüssel & Co. hineingetrickst, obwohl vor dem EU-Beitritt von Außenminister Mock die Beibehaltung des Schillings hoch und heilig versprochen wurde.

Geld ist nicht nur Wertaufbewahrungs-, Tausch-, Zahlungs- und Zirkulationsmittel, sondern ganz wesentlich auch „allgemeiner Wertmaßstab”, durch den alle Güter und Dienstleistungen „bepreist” und dadurch miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dieser Geldmaßstab wird selbst auf Personen und Personengruppen angewendet, deren Arbeitsleistungen oder Verrichtungen in Form von Löhnen, Gehältern, Honoraren, Vergütungen oder Prämien bewertet und bezahlt werden.

Der Staat ist für das Geld verantwortlich

Durch diese Einbeziehung von Personen und Personengruppen in die allgemeine monetäre Bewertung bekommt Geld gesellschaftlichen oder „sozialen” Charakter. Es wird zur verbindenden, oder, wie das einst Adam Müller befand, zur „geselligsten Sache”. Es ermöglicht nicht nur den ”Tausch von Ware gegen Geld”, ist also nicht nur „Tauschmittel”, sondern es erleichtert auf vielfältige Weise die  „Kommunikation” (N. Luhmann und J. Habermas) der Mitglieder der Gesellschaft untereinander im „Subsystem” Wirtschaft.

Gerade wegen dieses Beitrags zur Kommunikation ist es Aufgabe und Verantwortung des Staates, für die Stabilität, gleichbleibende Geltung oder „Währung” dieses Wertmaßstabes und damit für die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes zu sorgen. Wird der Staat dieser Verantwortung nicht gerecht oder schiebt er sie auf  nichtstaatliche Einrichtungen ab, eben die EU-Kommission, EZB, IWF, Troikas oder die EUROFIN-Gruppe, so drückt sich darin politisches Versagen aus. Er verliert den Einfluss auf seine Währung und seine Kreditpolitik.

Um den beträchtlichen Umfang dieser Verantwortung für die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes zu begreifen, ist es notwendig, sich vor Augen zu halten, dass Geld  heute in Form von Münzen und Noten für den Zahlungsverkehr nur noch eine geringe Bedeutung spielt. In modernen Volkswirtschaften erfolgen 80-95 Prozent der Zahlungen „bargeldlos”, d. h. sie geschehen durch Einbuchung von Überweisungen von Konten zu Konten, von Bank zu Bank.

Das ist ausschlaggebend für die „Kreditschöpfung“. Das Wesen der Kreditschöpfung ist leichter durch die Vorstellung zu verstehen, innerhalb der Volkswirtschaft gäbe es nur eine einzige Bank und alle Zahlungen erfolgten bargeldlos. Alles Geld wäre dann Buch- oder „Giralgeld”. Durch den Zwischenbank- oder „Clearingverkehr” kommt die Praxis dieser Vorstellung sehr nahe.

In einem solchen Wirtschaftssystem ist es ausschließlich das Banken- oder Kreditsystem, welches Kredit „schöpft”, und zwar durch Einräumung von Ziehungsrechten oder Kreditlinien, die von den Schuldnern (d. s. die Banken untereinander, die einzelnen Bürger, Unternehmer, Kommunen, der Staat) für Zahlungen an ihre Arbeitskräfte und Lieferanten in Anspruch genommen werden. Durch jeden in Anspruch genommenen Kredit wird das zirkulierende Geld- oder Kreditvolumen ausgeweitet. Es gilt sich von der naiven Vorstellung zu befreien, die Banken wären bloß  „Vermittler”, die im Umfang der Spareinlagen Kredite zur Verfügung stellen. Die eigentliche Aufgabe der Banken ist die Geld- und Kreditschöpfung, sie sind in wesentlichem Umfange Schöpfer des zu Unrecht denunzierten  „Fiat money”. Spareinlagen sind Folge der Kreditschöpfung, nicht Ursache des Kredits.

Diese Einsicht ist ganz wesentlich für die Bestimmung der Grenzen der Kreditschöpfung. Entspricht die Ausweitung des Kreditvolumens dem nachhaltigen Wachstum der Volkswirtschaft, so ist gegen die Kreditschöpfung durch die Banken nichts einzuwenden, sie ist, ganz im Gegenteil, positiv zu beurteilen. Geschieht die Kreditschöpfung im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum, dann wird der ausgeweitete Kredit durch die Kreditnehmer zwar verzinst oder „bedient”, aber als volkswirtschaftliches Aggregat nie zurückgeführt.

Solange Unternehmungen und auch Staaten gedeihen, werden Kredite nicht zurückgezahlt, sondern ausgeweitet. Das zeigt die Kreditstatistik praktisch aller modernen Staaten. Verminderung des Kreditvolumens ist regelmäßig Folge nachlassender Dynamik und Leistungskraft (Produktivität), von Fehlleitungen des Kreditstroms oder von unverantwortlichen Spekulationen, durch welche die Aktiva der Banken und damit Kreditgeld vernichtet wird. Geschieht die (Kredit-) Geldvernichtung in hohem Ausmaß oder nimmt sie gar die Form eines „Tsunami” an, kommt es zu Krisen und Zerrüttungen des Wirtschaftssystems, wie wir es in den letzten Jahren immer wieder erlebt haben.

Um Krisen und Zerrüttungen zu vermeiden, ist es von höchster Wichtigkeit, dass sich der Staat die Kontrolle über Volumina und Zwecke der Kreditschöpfung vorbehält und diese Kontrolle auch ausübt. Die Kontrolle kann erfolgen durch strikte Regulierung oder Verstaatlichung des Bankwesens, Beteiligung des Staates an Privatbanken oder durch  Einsetzung von Aufsichtsorganen, welche die Krediterteilung überwachen. Das hat mit „Bankenenteignung“ nichts zu tun.

Der derzeitige Zustand, in welchem der Staat die Kreditinstitute nach Willkür schalten und walten lässt und für ihre „faulen” Forderungen („bad debts”) oder fehlgeschlagenen Spekulationen und Derivatgeschäfte eintritt oder haftet, ist gegenüber der Gemeinschaft der Staatsbürger  und Steuerzahler unvertretbar. Der Staat hat vorbeugend und nicht erst nachträglich alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und Regelungen zu erlassen, die Bankpleiten verhindern. Nichts ist fataler für das Gedeihen der Wirtschaft als das Versiegen der Kreditströme wegen des Vertrauensverlustes der Banken ineinander und der Einleger in die Zahlungsfähigkeit der Banken.

Ist das Vertrauen erst einmal erschüttert, kann die Wieder-Ingangsetzung der Kreditströme für den Staat äußerst kostspielig werden. „Konjunkturpakete”, Vorziehen von Infrastrukturinvestitionen u. ä. m. sind mit Sicherheit die falsche Medizin, um systemische Fehler im Kreditwesen zu kurieren. Sie untergraben nur die Stabilität einer Währung und „verbrennen”,  wie der ehemalige deutsche Finanzminister Steinbrück es ausdrückte, die Mittel des staatlichen Haushalts. Noch unverantwortlicher ist es, konsumptive Staatsausgaben durch Kredite zu finanzieren. Es ist der sicherste Weg in die Pleite, wie das Beispiel Griechenland exemplarisch zeigt.

Wir brauchen Kapital-Protektionismus

Im Dienste der Wirtschaft des Landes sind Kredite durch die Banken ausschließlich an inländische Kreditnehmer zu vergeben und nur in Ausnahmefällen an das Ausland. Besondere Ausnahmefälle sind Länder wie die Schweiz oder Luxemburg, die als „Horte des Vertrauens“ den riesigen Devisenzufluss mangels Investitionsgelegenheiten nicht im Inland anlegen können. Für alle anderen Staaten aber gilt: Exportkredite, für die der Staat zuletzt (etwa im Wege der Kontrollbank oder der Notenbank) haftet, sind an Bedingungen und Kriterien zu binden, welche die Tilgung und Verzinsung sicherstellen. Exporte nur um der Beschäftigung willen, sind sinnlos, die Zeiten der „schenkenden Wirtschaft” (Bernhard Laum) sind vorbei. Immer ist zu bedenken: Jede Kreditgewährung an das Ausland bedeutet Absaugung der Leistungskraft der eigenen Volkswirtschaft.

Gemeinwohlschädigend ist ebenso der Verzicht des Staates auf die Kreditschöpfung bei der Finanzierung seines eigenen Haushalts. Wenn der Staat durch diesen Verzicht sich selbst zur Auflegung von  hochverzinslichen Anleihen womöglich noch im Ausland zwingt, die von den  Privatbanken gekauft werden, die sich zu niedrigen Zinsen, den sogenannten „Leitzinsen”, bei der Notenbank (oder der EZB) refinanzieren können, dann verschafft der Staat den Privatbanken einen Profit, der ihnen nicht zukommt, denn die Kreditschöpfung geschieht ja auch in diesem Falle durch den Staat bzw. seine Notenbank.

Der Staat ist „der Herr des Geldes” und des Kredits: „C´est au souverain à donner le crédit, et non à le recevoir!“ Nicht der Staat hat sich von den Finanzmärkten vorführen zu lassen oder sich den Banken zu „unterstellen“, sondern die Banken haben dem Staat zu parieren. Nicht der Staat ist den Banken zinspflichtig, sondern die Banken dem Staat. Als John F. Kennedy  mit diesen Prinzipien, die das FED-System gesprengt hätten, ernst machen wollte, wurde er ermordet. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit der Prinzipien.

Der Staat allein ist verantwortlich für seine Währung. Er muss die Geld- und Kreditpolitik  wieder in die Hand bekommen, denn sie ist das wichtigste Instrument seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik. Auf die eigene Währung und Kreditpolitik zu verzichten, ist ein Politverbrechen der Sonderklasse. In Deutschland ist dieses Verbrechen an Außenminister Genscher und Bundeskanzler Kohl festzumachen, in Österreich an Wolfgang Schüssel, Ferrero-Waldner und den politisch willfährigen, früheren Notenbankpräsidenten Klaus Liebscher.

In Österreich wurde der EURO 1999 eingeführt, obwohl Außenminister Mock und die gesamte Regierung noch wenige Tage vor der im Jahr 1994 erfolgten EU-Beitrittsabstimmung den Wählern versicherten: „Der Schilling bleibt!”. Heute weiß jeder Österreicher, dass er mit hunderten von Täuschungen und gebrochenen Versprechungen von der Regierung und den Massenmedien in die EU und den EURO  „hineingelogen” und hineingelegt wurde. Das hat das Vertrauen in den Staat zutiefst erschüttert und dem politisches System der Parteiendemokratie schwersten Schaden zugefügt. Heute haben laut Standard 82 Prozent kein Vertrauen mehr zu den Politikern. In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts folgte dem politischen Vertrauensverlust und Bankencrash der politische Umsturz.

Der Euro ist zum Scheitern verurteilt

Hinter dem EURO steht kein starker Staat, auch keine politische Union, die es nach Ansicht des früheren Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, schon mit  Rücksicht auf das „Demokratieprinzip”, nie geben wird (FAZ v. 6. Dez. 2008, S. 11.). Eine Währungsunion ohne politische Union aber ist zum Scheitern verurteilt. Das hat der Nobelpreisträger Milton Friedman uns noch kurz vor seinem Tode (2006) eingeschärft. Vor einiger Zeit wurde in der PRESSE (vom 6. Dez. 2008, S. 4) durch den Harvard-Ökonomen Martin Feldstein, er war Wirtschaftsberater von Präsident Reagan und ist heute Präsident des National Bureau of Economic Research, allen Ernstes die  Frage gestellt: „Wird der Euro  die Krise überleben?”

Er führt gute Gründe für das erwartete Scheitern an, Gründe, die der frühere Präsident der Hessischen Landesbank, der Nationalökonom Prof. W. Hankel, in einem Vortrag in Wien (9. Okt.  2008) auf den Punkt gebracht hat: „Staat und Währung gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden”. Die Währungsunion, so Hankel („Die EURO-Lüge“, 2008), hat dazu geführt, dass der frühere Hartwährungsblock (Deutschland, Österreich, Benelux) heute die übrigen EU-Staaten mit Leistungsbilanzüberschüssen von 250 Mrd. EURO jährlich „subventioniert”, indem er ihnen die sonst notwendigen Abwertungen ihrer eigenen Währung erspart.

Diese horrende „Stütze“ scheint in keinem EU-Haushalt auf. „Versailles, ohne Krieg”, nannte  „Le Figaro“ diese Tribute. Stagnation in Wachstum und Reallohnentwicklung in Deutschland (und Österreich) sind auf diese Tribute zurückzuführen. Sie schwächen nicht nur den ehemaligen Hartwährungsblock, die „Lokomotiven”, sondern ganz Europa. Wenn die Lokomotiven nicht mehr ziehen, bleibt der Zug stehen.

Die Schwächung hat mit der Währungsunion begonnen, jetzt greift sie auf den EURO über. Sein Wert schmilzt wie Butter in der Sonne. Seit Einführung des EURO im Jahr 1999  hat sich der Goldpreis – der einzig verlässliche Maßstab bei Schwachwährungen –verdreieinhalbfacht. Das entspricht einer Inflationsrate von rund 10 Prozent p. a. Das wiederum stimmt mit den  Erfahrungen einer täglich einkaufenden Hausfrau, für welche die manipulierten Indizes ja keine Bedeutung haben, gut überein. Sie muss, wie jeder vernünftige Mensch, zu dem Schluss kommen: „Die EZB ist unfähig, die Inflation wirksam zu bekämpfen”.

Tatsache ist, dass die EZB das Kreditvolumen fünfmal schneller wachsen lässt als das Bruttosozialprodukt zunimmt. Der „Stabilitäts- und Wachstumspakt” war, wie von hunderten Nationalökonomen vorausgesagt, das Papier nicht wert, auf das er geschrieben wurde. Schon bei der Gründung der Währungsunion wurden die Stabilitätskriterien nicht eingehalten und auch später immer wieder gebrochen. Als dann auch noch Schwachwährungsländer wie Griechenland der Währungsunion beitraten, war ihr Zusammenbruch nicht mehr aufzuhalten. Heute sind wir mit ihm konfrontiert und werden das Bleigewicht nicht los, das uns umgehängt wurde.

Gerade deshalb ist es höchste Zeit, sich wieder auf die aus der Natur des Geldes und des Kredits abgeleiteten Grundsätze zu besinnen. Sie erfordern eine Reformierung der gegenwärtigen Geld- und Kreditverfassung. und damit die Wiedereinführung der eigenen Währung.. Wir sollten aus der Erfahrung des Finanzdesasters, in das wir durch die Europäische Währungsunion und Globalisierung des Finanzmarkts hineingezogen wurden, gelernt haben und schleunigst die Wiedereinführung der eigenen Währung zusammen mit der Stärkung der Banken- und Finanzmarktaufsicht vorantreiben.

Fehlende oder ungenügende Bankenaufsicht kann – und auch das wissen wir aus schmerzlicher Erfahrung – leicht die ganze Wirtschaft schwer beeinträchtigen, ja zum Ruin einzelner Staaten führen (Beispiel Island). Zur Banken- und Finanzaufsicht ist der Staat allein schon durch die notwendige Kontrolle der Kreditschöpfung gezwungen. Die Währungsumstellung wird nicht mehr Probleme verursachen, als sie bei Einführung des EURO auftraten und gelöst wurden.

Auch die Stärkung der heute schon vorhandenen Kontrolle des Kapital- und Zahlungsverkehrs mit dem Auslande dürfte kaum auf Schwierigkeiten stoßen. Sie jedenfalls ist wichtig, um den Ausverkauf Österreichs durch „Heuschrecken”  aufzuhalten und Veranlagungen im Ausland zu verhindern, die nicht dem Gemeinwohl  Österreichs dienen und womöglich noch dazu beitragen, dass Arbeitsplätze „verlagert” werden oder immense Haftungen durch den Staat für die Banken übernommen werden müssen, die, wenn sie schlagend werden, zum Bankrott führen. Großbanken jedenfalls sind zu wichtig für die Gesellschaft und den Staat als dass sie sich selbst überlassen bleiben könnten.

Zusammenfassung

Hier  eine Zusammenfassung der Thesen für eilige oder auch geduldige Leser:

  • Geld entsteht durch Kredit, und Kredit bedeutet Vertrauen.
  • „Der Staat ist das Geld”, er bestimmt durch die Rechtsordnung, was Geld ist und was durch das Vertrauen in sein „Wort“ als Geld „gilt“.
  • Der Staat hat durch seine Geld- und Kreditpolitik das in ihn durch die Bürger gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen und für die Erhaltung der Kaufkraft zu sorgen.
  • „Staat und Währung gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden” (Hankel). Die Aufgabe der eigenen Währung bedeutet Verzicht auf staatliche Souveränität.
  • Nicht der Staat untersteht den Banken, sondern die Banken dem Staat. Nicht der Staat ist den Banken zinspflichtig, sondern die Banken dem Staat.
  • „C´est au souverain à donner le crédit, et non à le recevoir“. Aufgabe der Kreditverfassung ist es, dem Staat das Recht der Kreditschöpfung zuzusprechen und sie der Kontrolle des Staates zu unterwerfen. Statt staatliche Anleihen aufzulegen, sollte der Staat das Recht haben, seine Haushaltsdefizite über die Kreditschöpfung bei der Notenbank zinsfrei finanzieren zu können.
  • Gemeinwohlorientierte, eigene Währungs- und Kreditpolitik erfordert Abkehr von EURO und EZB und Rückkehr zur eigenen Währung.

Der Autor kann nur hoffen, dass unsere Politiker, Bankiers und Notenbankchefs nicht erst durch OWS (Occupy Wall Street), Attac oder gar durch die „Linken“ des Herrn Gysi auf die Sprünge geholfen wird. Rechte Finanz- und Währungs- und Kredittheorie hat schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Ergebnissen geführt, die einfach unwiderlegbar sind und  von der Politik nicht ungestraft ignoriert werden dürfen.

Vor dem Maastricht-EURO haben rund 700 Nationalökonomen gewarnt. Für sie ist die jetzige Misere keine Überraschung. Den Scherbenhaufen aber haben die Politiker zu verantworten, die den EURO aus der Taufe gehoben haben oder jetzt sein Scheitern nicht zur Kenntnis nehmen wollen, und dabei immer größere Teile des Volksvermögens versenken.

Der Autor  ist Dozent für Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik.

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Die Würfel sind gefallen drucken

Die beiden allseits erwarteten Ereignisse sind eingetreten: Francois Hollande, der sozialistische Herausforderer von Nicolas Sarkozy, wird in den Élysée-Palast einziehen. In Griechenland haben jene Kräfte Auftrieb erhalten, die von dem durch die EU diktierten „Sparkurs“ nichts wissen wollen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass dies nicht ohne Konsequenzen für die europäische Geld- und Fiskalpolitik bleiben kann.

Die zurückliegenden Maifeiern lieferten einen ersten Eindruck davon, in welche Richtung die Reise der EU ab jetzt gehen wird: In ganz Europa wurde bei den traditionellen Mairitualen der proletarischen Massen dieselbe Parole getrommelt: „Schluss mit der Sparpolitik.“ „Kaputtsparen“ hat die allerbesten Aussichten, zum Wort des Jahres zu avancieren.

Dazu muss man wissen, dass Rote, wenn sie vom „Kaputtsparen“ reden, damit in Wahrheit meinen, wie schädlich es sei, die Zunahme der Staatsverschuldung zu bremsen. Denn kaum ein Staat der Eurozone konnte in den zurückliegenden Jahren auch nur annähernd ausgeglichen bilanzieren. In Wahrheit kann daher keine Rede davon sein, dass tatsächlich gespart würde. Sparen bedeutet nämlich, dass die getätigten Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Das aber war und ist weit und breit nirgendwo der Fall!

Dass die Staaten sich vor dem nun notwendig gewordenen Sanierungskurs – oft genug unter sozialistischer Führung – „kaputtverschuldet“ haben, kommt den Damen und Herren Umverteilern gar nicht erst in den Sinn. Denn sparen ist böse. Kreditfinanzierter Konsum dagegen schafft den Himmel auf Erden. Die politischen Eliten (genauer: die Sozialisten in allen Parteien) haben die Keynes´sche Bibel tief verinnerlicht: Wer spart, ist ein (Volks-) Schädling. Wer (fremder Leute) Geld zum Fenster hinauswirft und konsumiert als gäbe es kein morgen, ist ein Held. Kapital wird nicht als Folge des Konsumverzichts akkumuliert, sondern durch die Notenpresse erzeugt. Durch simples Bedrucken von Papier löst man jedes Problem – am Ende werden dadurch alle reich. Was für eine wunderbare Welt!

Selbst den Genossen sollte allerdings langsam dämmern, dass Schulden nicht ungestraft in unbegrenzter Höhe aufgetürmt werden können. Griechenland ist ein wunderbares Beispiel dafür: Dort hat man zuletzt den Weg gewählt, die Gläubiger bezahlen zu lassen und diese kurzerhand enteignet. Trotzdem steht das Land noch immer mit 160 Prozent des BIP in der Kreide. Weitere Schuldenschnitte (=Gläubigerenteignungen) sind unvermeidbar. Scheint zunächst, aus der Sicht des räuberischen Fiskus betrachtet, als geniale Politik. Allerdings liegen die Aussichten darauf, dass internationale Geldgeber diesem Staat je wieder Mittel zu tragbaren Zinsen zur Verfügung stellen werden, bei Null. Investitionen, die notwendig wären, um dem abgewirtschafteten Land nachhaltig aus der Misere zu helfen, werden ausbleiben.

Die sich als Folge des Wahlergebnisses abzeichnende Unregierbarkeit der Balkanrepublik dürfte ihr somit kaum zum Vorteil gereichen. Griechenland ist für lange Zeit erledigt. Wer kann, der wird gehen – insbesondere mehrsprachige, gut ausgebildete junge Leute. Der letzte zurückbleibende Rentner darf am Ende das Licht abdrehen…

Ein ähnliches Szenario droht durchaus auch anderen Staaten des europäischen „Club Med“. Selbst in Österreich besteht keinerlei Grund, sich in Sicherheit zu wiegen, wenn die strukturellen Probleme (wie z. B. das viel zu niedrige Pensionsantrittsalter) nicht entschlossen angegangen werden – was indes keine der im Parlament vertretenen Parteien ernsthaft vorhat. Inklusive der nicht ausgewiesenen impliziten Staatsschulden steht Österreich kaum besser da als die PIIGS.

Was nun europaweit passieren wird, lässt sich ausmalen: Die Deutsche Regierung, das im Moment stärkste und letzte Bollwerk gegen eine völlig ungebremste Ausweitung der Geldmenge, wird dem wachsenden Druck von innen und außen nicht standhalten. Die europäische Geldpolitik wird in der Folge auf den Kurs der US-Notenbank FED einschwenken. Die EZB wird schon bald in die unmittelbare Staatsfinanzierung einsteigen.

Damit stehen die Zeichen auf Inflation. Denn die im Aufwind befindlichen Genossen in Deutschland, Österreich und anderswo, wollen, wie sie sagen, sowohl sparen als auch investieren – also gleichzeitig bremsen und Gas geben. „Sparen“, das gilt es zu wissen, heißt nach österreichischer Lesart nicht etwa Staatsausgaben kürzen, sondern Einnahmen erhöhen (d. h. die Staatsquote weiter steigern). „Investieren“ dagegen bedeutet, in maximal unproduktiven Sektoren Geld zu versenken – allenfalls kurzfristig wärmende Strohfeuer abzubrennen.

So bedeutet die populäre Parole „Mehr in die Bildung“ zu investieren, letztlich nichts anderes, als noch mehr Soziologen, Politologen, Publizisten, etc. auszubilden, die für den produktiven Bereich (die Privatwirtschaft) unbrauchbar sind, und die daher am Ende eine gutdotierte Anstellung in der Staatsbürokratie einfordern werden. „In die Infrastruktur zu investieren“ bedeutet, noch mehr Geld in unnötige Bahnprojekte oder in die Landschaftsverschandelung mittels Windrädern zu stecken. Wie man es auch dreht und wendet – staatliche „Investitionen“ laufen in der Mehrzahl aller Fälle auf eine lupenreine Ressourcenvergeudung hinaus.

Mittels derart dubioser Therapien sollen kränkelnde Volkswirtschaften nachhaltig kuriert werden?!

Der frisch gekürte Franzosenhäuptling Hollande hat im Wahlkampf aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. „Höhere Steuern!“ – nämlich 75 Prozent auf die Einkommen „besserverdienender“ Klassenfeinde sollen es sein. Die neue Regierung Griechenlands wiederum wird, unter dem wachsenden Druck des Staßenpöbels, die EU-Bürokratie mit noch frecheren Geldforderungen konfrontieren, die nicht ungehört verhallen werden. Und Europas Linke geben sich kollektiv der fatalen Illusion hin, ernten zu können, wo niemals zuvor gesät wurde.

Kein bekömmlicher Cocktail. Europa wird sein schrumpfendes Finanz- und Humankapital ab sofort noch rascher nach Übersee exportieren, als das jetzt schon der Fall ist. Der Alten Welt stehen also höchst „interessante Zeiten“ bevor. Wohl dem, der rechtzeitig materielle Reserven ins sichere, überseeische Ausland verbracht und einen Notfallkoffer gepackt hat…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Europa, wohin gehst Du? drucken

Dass politische Entscheidungen in eine Sackgasse führen, ist nichts unbedingt Neues und schon deshalb wenig Grund zur Aufregung. Diesmal muss man aber den Eindruck gewinnen, dass es sich nicht bloß um eine Sackgasse handelt, sondern, dass mit Vollgas gegen die selbst gebaute, turmhoch aus Haftungen bestehende Wand gefahren wird. George Soros hat gerade von einer kommenden „Tragödie historischen Ausmaßes“ gesprochen.

Mildere Beschreibungen sind dem Drama namens Europäischer Finanzkrise wirklich nicht mehr angemessen. Eigentlich ist alles da, was sich ein geschickter Regisseur nur wünschen könnte: Gute und Böse, Gute Vorsätze und heimliche Ängste, wenig Wahrheit und viel Schönfärberei, viel Anstrengung für falsche Ziele, ungeheure Gefahren bei gleichzeitigen heroischen Durchhalteparolen, und vor allem jede Menge Widersprüche.

Dabei ist die Handlung des Dramas eher simpel: Etliche Europäische Staaten haben so viel Schulden gemacht, dass Ihnen keiner mehr Geld borgen will. Wie so üblich, wird bei derartigen Problemen statt nach einer Lösung zunächst einmal nach Schuldigen gesucht: Favoriten dafür sind einerseits die böse Finanzindustrie (was im Falle Irlands sogar stimmt), oder andererseits der massive Ausbau des Sozialstaates (ist auch etwas zu einfach).

Die Reaktion der EU ist bekannt: Mit enormen Mitteleinsatz wurde eine vorläufige Weiterfinanzierung besonders gefährdeter Staaten erreicht. Diese mussten sich dafür verpflichten, durch konsequente Sparprogramme ihre Budgetdefizite abzubauen. Zeit hat man auf diese Weise gewonnen. Aber ist das auch eine Lösung?

Die offizielle Meinung ist, dass die betroffenen Staaten auf diese Wiese stabilisiert werden und es ihnen möglich gemacht werden sollte, irgendwann ihren Schuldenberg abzutragen. Inoffiziell hoffen so manche, dass ihnen das harte Brot der Schuldenrückzahlung durch eine kräftige Inflation erleichtert würde.

Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen. Die EU hat verkündet, der jüngste Schuldenschnitt solle es Griechenland möglich machen, seine Schulden bis 2020 auf 120 Prozent des BIP zu reduzieren. Das ist schon rein rechnerisch absurd. Denn dazu müsste es den Griechen gelingen, ihr jährliches Defizit auf 5 Prozent zu reduzieren und zugleich ein Wirtschaftswachstum von zumindest 4 Prozent jährlich zu erzielen. Tatsächlich läuft die Entwicklung genau in die Gegenrichtung. Griechenland steckt in einer tiefen Rezession mit kräftigem Schrumpfen des BIP. Das Defizit steigt absolut und im Verhältnis zum BIP relativ umso stärker. Glaubt irgendwer, in Portugal und Spanien werde alles besser laufen?

Inflation ist keine Lösung

Und die Weginflationierung des Problems ist so harmlos wie das Austreiben des Teufels durch Beelzebub. Deutschland und Österreich haben dieses Rezept kurz nach dem ersten Weltkrieg versucht. Das Ergebnis war nicht nur eine Vernichtung der Schulden (übrigens nur der inländischen, die in fremder Währung stiegen ins Astronomische), sondern auch eine Vernichtung aller Ersparnisse – und aller alten Pensionsansprüche – und ebenso die ziemlich komplette Vernichtung des Mittelstandes.

Außerdem hat eine Inflation ganz bestimmte Voraussetzungen: Eine wäre, dass sich die Konsumenten nicht wehren können – wie derzeit beim Benzinpreis, oder bei staatlichen oder kommunalen Tarifen. Wie kräftig solche ausfallen können, hat ja kürzlich die Stadt Wien recht eindrucksvoll demonstriert. Aber das reicht trotzdem nicht.

Sehen wir einmal vom technisch eher komplexen Phänomen einer asset-price inflation ab, dann ist eine weitere Voraussetzung für Inflation nicht bloß eine im Übermaß vorhandene Geldmenge. Dafür hat die EZB ja gesorgt. Aber die müsste erstens an Konsumenten oder Unternehmen transferiert werden – als Kredit oder Einkommen – und zweitens von diesen wieder in großen Mengen ausgegeben werden, als Konsum oder als Investitionen. Ohne solche Transfers kann es gar nicht zu einer nachfragebedingten Inflation kommen.

Solche Transfers finden aber gerade in den besonders betroffenen Südstaaten der EU nicht statt, Sie können es auch nicht, weil dort die erzwungene restriktive Budgetpolitik sie gar nicht möglich macht. Genau genommen fährt die Kolonne der EU-Staaten derzeit gleichzeitig mit Vollgas und mit Vollbremsung. In der Währungspolitik wird mit Vollgas die Geldmenge ausgeweitet wie nie zuvor, in der Budgetpolitik wird in den betroffenen Staaten gebremst wie nie zuvor.

Die Arbeitslosigkeit in der EU hat derzeit mit 17 Millionen einen neuen absoluten Höchst-stand erreicht. Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen: In Spanien ist derzeit bereits jeder zweite Jugendliche ohne Job. Auch für die Folgen einer strammen Sparpolitik gibt es ein eindrückliches historisches Beispiele aus dem Deutschland der Zwischenkriegszeit, mit Massenelend und anschließender politischer Radikalisierung.

Die EU hat mit ungeheurem, so nicht wiederholbarem Geldaufwand Zeit gewonnen und sich zugleich eine Reihe weiterer Probleme eingehandelt. Selbst mit der Zeit ist es so eine Sache. Kein Monat nach der Einigung auf achthundert Milliarden gutes Geld, um es dem schlechten nachzuwerfen, sind die Märkte schon wieder nervös.  Kann, darf man eine solche Politik als alternativlos bezeichnen oder ist sie nicht vielmehr phantasielos?

Was ist wichtiger: Der Euro oder die spanische Jugend?

Was soll das Beharren auf einem einheitlichen Euro, wenn immerhin zehn Mitgliedsstaaten der EU auch ohne die Gemeinschaftswährung ganz gut zurecht kommen und mit diesem Beharren nur auf das so wichtige – und bei leider offenkundig fehlender Konkurrenzfähigkeit unerlässliche – Instrument der Abwertung einzelner Währungen verzichtet wird?

Und warum bricht man unter Berufung auf über-gesetzlichen Notstand bedenkenlos gut erwogene vertraglich fixierte Grundsätze wie den des No Bail Out, statt diese Vertragsbestimmung als Containment, als wohl durchdachte Riskenbegrenzung zu verstehen und zu versuchen, ähnliche Lösungen wie seinerzeit für Argentinien zu finden? In diesem Fall haben die USA bei der Bewältigung der Finanzierungskrise geholfen, ohne sich selber bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu verpflichten, wie es Deutschland derzeit macht.

So kann man nicht bewahren, was mühselig genug als EU geschaffen wurde, und so wird der heutigen komplexen Wirklichkeit einfach nicht genügend Rechnung getragen. Und weil so gerne von Solidarität die Rede ist: Welche ist dringender – die gegenüber den immer ärmer werdenden Menschen in den Südstaaten, oder die gegenüber dem abstrakten Konzept einer einheitlichen Währung? Die EU sollte sich dazu durchringen, die eigene Linie auf den Prüfstand zu stellen. Nur wenn sie lernt, wird sie überleben.

Vielleicht ist es aber zu lästig, aus der Geschichte lernen zu sollen – vor allem, wenn sich historische Vergleiche geradezu aufdrängen. Die chinesische Bürokratie hat vor gut einem halben Jahrtausend die eigene Seefahrt so gründlich sabotiert, dass Europäer auch dort Fuß fassten, wo die Chinesen längst hätten sein können. Das alte römische Reich ging (auch) deshalb zugrunde, weil dort so erbarmungslos besteuert wurde, dass die Bevölkerung die Herrschaft der barbarischen Germanen bald der der eigenen Leute vorzog.

Gründlichkeit kann man den Staaten der EU nicht absprechen. Derzeit marschieren sie mit Überbürokratisierung und weiteren Steuererhöhungen entschlossen gleich auf beiden Wegen. Irgendwann sollten die Bürger beginnen, sich aufzuregen. 

Dr. Manfred Drennig ist Bankvorstand i.R., aktuell Geschäftsführer einer Wertpapierfirma und Verfasser gesellschaftskritischer Bücher ( „Die Krise sind wir selbst", „Tauschen und Täuschen").

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Wahlen gewinnen, aber nicht regieren drucken

Es wird zum gemeinsamen europäischen Muster: Mit der Ausnahme Ungarns haben alle Wahlen der letzten Jahre zwei klare Trends gezeigt,die beide die Zukunft des Systems Demokratie in ein düsteres Licht rücken.

Der eine Trend ist die Zersplitterung der Parlamente auf immer mehr Parteien. Selbst Großbritannien braucht erstmals seit Menschengedenken wieder eine Koalition. In Österreich rechnen Analysen schon damit, dass nach der nächsten Wahl schon drei Parteien nötig sein könnten, um eine regierungsfähige Mehrheit zu haben. Mindestens drei Parteien in der Regierungsmehrheit finden sich in vielen Ländern von Tschechien bis zu den Niederlanden, was auch prompt für ständige Krisen sorgt (lediglich die Schweden fahren mit sogar vier Parteien derzeit recht sicher). In Griechenland ist es nun sehr wahrscheinlich, dass die Wahlen überhaupt bald wiederholt werden müssen, weil sich keine Mehrheit findet. Und auch Frankreich hat nur scheinbar eine klare absolute Mehrheit (wenn auch eine knappere als prophezeit) zustandegebracht. Denn im ersten Wahlgang haben sich die Stimmen mehr denn je zersplittert. Und auch dort darf man gespannt sein, wie das nächste Parlament aussieht.

Dieser Trend wird zur wachsenden Bedrohung für die Demokratie, solange diese nicht beispielsweise durch direktdemokratische Methoden weiterentwickelt wird. Mit diesen Methoden hat ja zumindest die Schweiz eine dort schon seit vielen Jahrzehnten zersplitterte Parteienlandschaft problemlos gemeistert.

Der zweite Trend ist noch viel gefährlicher: Es reüssieren immer mehr Parteien, die gar nicht regieren wollen. Sie wollen nur die Stimmen der immer zahlreicher werdenden Nein-Sager akkumulieren und viele Mandate erobern. Aber regieren wollen sie nicht wirklich. Weil dann müssten sie ja über hohle Parolen hinaus auch zu irgendetwas Ja sagen.

Musterbeispiel sind die Piraten, die jetzt schon ins dritte deutsche Landesparlament einziehen. Sie haben sich noch gar nicht so richtig entschieden, ob sie linke oder rechte Inhalte haben werden. Sie wollen nur keinesfalls regieren und lieber auf Dauer politische Couch Potatoes bleiben.

Aber auch die Links- und Rechtsradikalen Griechenlands wollten zwar in großer Zahl ins Parlament einziehen, aber regieren wollen sie nicht. Daran haben sie keine Sekunde gedacht, weil sie wissen: Dann würden sie beim nächsten Mal auf jeden Fall schwer verlieren. Auch die jüngere belgische Geschichte ist ein ähnliches Drama: Dort hat es über ein Jahr gedauert, bis eine Regierung zustandegekommen ist.

Doch selbst bei den österreichischen Freiheitlichen gibt es eine wachsende Anzahl von Stimmen, die sich in internen Diskussionen auf ein klares Wahlziel geeinigt haben: Sie wollen weiter dazugewinnen, möglichst ein Drittel der Mandate erringen, damit man jede Verfassungsänderung blockieren (oder eine Zustimmung sehr teuer verkaufen) kann. Aber regieren will man eigentlich nicht. Diesmal noch nicht, wie meist hinzugefügt wird.

Das erinnert stark an die freiheitlichen Diskussionen im Winter 99/00, als Jörg Haider eher im Alleingang seine Partei in die Regierung hineingezogen hat. Und auch er hatte sehr spezifische Motive: Er hatte damals schon in Kärnten regiert und gewusst, dass er im Bund mitbestimmen muss, wenn er für sein Bundesland etwas herausholen will, etwa den Koralm-Tunnel.

Dieser paneuropäische Trend macht sehr besorgt. Ja, es stimmt, regierende Parteien erleiden in der großen Mehrzahl der Fälle am nächsten Wahltag ein Minus – auch wenn die Drittelung der griechischen Sozialisten schon einen Rekord darstellt. Aber irgendwie brauchen Staaten halt doch eine Regierung. Und nicht nur eine Ansammlung von untereinander verfeindeten Parteien, die jeweils mit großer Radikalität für ein einziges, jedoch bei jeder Partei ganz anderes Anliegen stehen.

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Verschwiegene Wahrheiten über Kinder und Mütter, über Migranten und Frühpensionisten drucken

Es wird immer ärgerlicher, wie die Öffentlichkeit durch einseitige Medien und ideologische „Experten“ einseitig mit – oft total falschen und fast immer tendenziösen – Daten gefüttert werden. Noch ärgerlicher ist aber, wie manche gesellschaftspolitisch wichtigen Daten verschwiegen werden.

Hier ein kleiner Auszug:

1. Frühpensionierungen helfen nicht, den Gesundheitszustand zu verbessern, sondern verschlechtern ihn, vor allem bei Männern. Das zeigt eine große internationale Studie im Auftrag der EU. Von der man aber in Österreich nichts hört (wo meist nur die Klassenkampfstudien im Auftrag der Arbeiterkammer publiziert werden). Denn Frühpensionisten leben ungesünder, sie leiden oft unter einer schlagartig ausbrechenden Sinnkrise, sie verlieren ihre sozialen Netzwerke. Das, was vielen so erstrebenswert erscheint, ist also oft ein schwerer Schicksalsschlag.

2. Die Berufstätigkeit einer Mutter aus Mittel- und Oberschichtfamilien ist schlecht für die Entwicklung eines Kindes. Das kann man im neuesten deutschen Familienbericht (Seite 102) lesen (in Österreich wagt man sich gar nicht an solche Fragen heran). Dem Kind entgeht durch die außerfamiliäre Betreuung die Bildung und Erziehung durch seine gut gebildete und erziehungskompetente Mutter. Hinter deren Leistung bleibt das Bildungsangebot in Kindergärten weit zurück. Bei Migranten- und Unterschichtfamilien ist die Wirkung einer solchen Betreuung hingegen eindeutig positiv.

3. Die von der Politik, auch der EU so stark geförderte außerfamiliäre Betreuung von Kindern unter drei Jahren wird in Deutschland von Müttern mit Migrationshintergrund viel seltener benutzt als von anderen. Dabei begründet die Politik die teuren Kleinkinderbetreuungseinrichtungen vor allem damit, dass man Migrantenkinder so besser in den Bildungsprozess einbinden kann. Dafür werden diese Betreuungsstrukturen vor allem von besser gebildeten Müttern genutzt. (gleicher Familienbericht, Seite 99f)

4. Ein Zitat, dass die letztgenannten Punkte unterstreicht: „Kleinkinder dauerhaftem Stress auszusetzen, ist unethisch, verstößt gegen Menschenrecht, macht akut und chronisch krank. Dieses Wissen hindert die Bundesregierung und Wirtschaftsverbände nicht daran, die Erhöhung der Zahl der außerfamiliären Betreuungsplätze zum Ausweis moderner Familienpolitik zu stilisieren.“ So der deutsche Kinder- und Jugendarzt mit Schwerpunkt Sozialpädiatrie Rainer Böhm (Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 4. April, Seite 7). Das sind Sätze, die zweifellos auch für Österreich gelten, wo sich nur die meisten Mediziner mit unzeitgeistigen Erkenntnissen zurückhalten.

5. Die EU will, dass 75 Prozent der Frauen im erwerbstätigen Alter berufstätig sind (so wie die Männer). In Österreich sind es 66 Prozent, was weit über dem EU-Schnitt liegt. Der österreichische Wert beinhaltet aber auch die Frauen mit türkischem Hintergrund: Diese sind zu 41 Prozent berufstätig.

6. Amerikanische Jugendliche in Gefängnissen:

  • 1 Prozent bei Kindern, die in vollständigen Vater-Mutter-Familien herangezogen wurden;
  • 2,1 Prozent bei Kindern alleinerziehender Mütter;
  • 2,7 Prozent bei Kindern, die von Mutter und Stiefvater aufgezogen wurden;
  • 3,7 Prozent bei Kindern, die von einer Stiefmutter erzogen wurden.

Quelle: C. Harper und S. McLanahan: „Father Absence and Youth Incarceration“. Data from National Longitudinal Survey of Youth.

7. Kokain-Nutzer unter erwachsenen Amerikanern:

  • 2,8 Prozent nach einer Kindheit in intakten Familien;
  • 5,2 Prozent nach einer Kindheit in geschiedenen Familien;
  • 7,5 Prozent unter jenen, die von einer nie verheirateten Mutter aufgezogen wurden.

Quelle: Add Health Wave II 1966

8. Schlechte Bildung. Untersucht wurden die in Österreich lebenden 25- bis 64-Jährigen:

  • 13 Prozent der Gesamtbevölkerung haben höchstens einen Pflichtschulabschluss;
  • 31 Prozent der aus dem ehemaligen Jugoslawien zugewanderten Menschen haben höchstens einen Pflichtschulabschluss;
  • 68 Prozent der aus der Türkei stammenden Menschen haben höchstens einen Pflichtschulabschluss.

Quelle: „migration & integration, zahlen.daten.indikatoren 2010“ (Statistik Austria, Seite 46)

Anmerkung: 48 Prozent der im Ausland geborenen Migranten stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien; 17 Prozent aus der Türkei. In Österreich kommt ein Drittel der Migrantenkinder überhaupt erst während ihrer Schulzeit ins Land, was dem Bildungssystem fast jede Chance der Gegensteuerung nimmt.

9. Österreich wird gerne als die Hölle für Ausländer dargestellt, etwa von der Rathaus-finanzierten Organisation Zara. eine EU-Studie zeigt das Gegenteil. Fälle von erlebter Diskriminierung unter 100 Migranten aus der Türkei innerhalb eines Jahres:

  • In Österreich 26 Fälle;
  • In Dänemark 236 Fälle.

Quelle: EU-MIDIS Seite 14.

10. Von den weltweit über 20 Millionen Migranten mit tertiärem Abschluss (Universitäten und ähnliches) haben sich drei Viertel in den USA, Kanada, Australien und Großbritannien niedergelassen. Wen wundert es, dass diese Länder aus der Zuwanderung großen Nutzen ziehen? Länder wie Österreich werden von solchen Leistungsträgern jedoch total gemieden. Der Grund? Die Sprache, aber vor allem die hohen Steuern.

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Über die Unsichtbarkeit drucken

Ein Traumbild ist’s von alters her,
und drüber mag man lachen,
nur wär’s nicht herrlich, nach Begehr
sich unsichtbar zu machen?

Bei Laurin und bei Alberich
schien’s in der Tat zu klappen,
denn diese Zwerge tarnten sich
mit wundersamen Kappen!

Na oder waren sie zu klein
und darum nicht zu sehen?
So dürfte es gewesen sein,
weil besser zu verstehen.

Doch zeigt sich just am kleinen Kind
und einem der drei Affen,
dass Mythen archetypisch sind –
und Wirklichkeiten schaffen:

Mit bloßen Händen vorm Gesicht
verscheucht das Kind die Krisen –
wenn ich nicht seh’, sieht mich man nicht,
sophistisch klar bewiesen!

Ganz ähnlich wird’s vom Strauß gesagt,
und analog – was wetten! –
sind jene auch so unverzagt,
die unsern Euro retten.

Indes, das Thema ist komplex
und sucht wohl seinesgleichen,
wie Sichtbarkeit und der Konnex
zur Sehkraft unterstreichen:

Von blinden Sehern lesen wir
in knappen Mußestunden,
und mancher blinde Passagier,
der sieht, wird nie gefunden!

Empirisch ist ein Teilbeweis
in China grad gelungen,
wo ungesehen wer und leis
dem Hausarrest entsprungen.

Denn dieser Mann ist blind fürwahr
und war dank Blindheit eben
für seine Pfleger unsichtbar –
tja, sowas soll es geben…

Pannonicus

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Keine Kinder mehr oder: Wie die Wissenschaft das zentrale Zukunftsthema ignoriert drucken

Bernhard Felderer, der große alte Mann der österreichischen Ökonomie, hat sich an ein Thema herangewagt, das Ökonomen sonst gerne meiden. Sie tun dies wahrscheinlich aus politischer Korrektheit, also Feigheit. Felderer hat hingegen erstmals den dramatischen Kindermangel als fundamentales ökonomisches Problem Europas definiert. Für den Mut, dies einmal ganz offen anzusprechen, gebührt ihm jedenfalls eine dicke Gratulation.

Bisher ist der in den späten 60er Jahren passierte und seither anhaltende steile Absturz der Reproduktionsrate immer nur als kulturelles, religiöses oder nationales Problem angesehen worden. Was er natürlich auch ist. Die Reproduktionsrate, also die Zahl von Kindern pro Frau, sank damals binnen kürzester Frist in den meisten europäischen Ländern von über 2 auf unter 1,4. Auslöser dieser historischen Wende waren sowohl gesellschaftliche Umbrüche wie auch medizinische Entwicklungen (Antibaby-Pille).

Um nur einen dieser kulturellen Aspekte zu nennen, der vielen Menschen Sorgen macht: Am Ende dieses Jahrhunderts werden von den in Österreich lebenden Menschen nur noch weniger als 20 Prozent Nachfahren der Einwohner des Jahres 1970 sein. Der Rest werden Zuwanderer und deren Kinder sein. Welche Folgen das für die kulturelle Identität, für Wirtschaft und Gesellschaft haben wird, ist viel schwerer vorherzusagen.

Tatsache ist jedenfalls, dass in der Geschichte bisher immer solche großen ethnischen Verschiebungen auch gewaltige zivilisatorische Veränderungen auf allen anderen Gebieten nach sich gezogen haben. Für Österreich bedeuten sie schon einmal rein quantitativ die größte Identitätsveränderung seiner Bevölkerung seit der Völkerwanderung am Ende des Römischen Reiches. Die damalige Veränderung hatte auf Jahrhunderte einen Absturz in die Geschichtslosigkeit und Gesetzlosigkeit ausgelöst. Was die nunmehrige bedeuten wird, ist vorerst natürlich viel schwerer zu prognostizieren.

Wachstum durch mehr arbeitende Frauen

Die Ökonomen haben diesen gesamten Prozess bisher immer ignoriert. Diese Fragen klangen ihnen wohl zu sehr ideologisch, sie erforderten auch einen in der Ökonomie unüblichen langfristigen Denkansatz. Dort war man eher salopp der Meinung: „In the long run we are all dead.“

Statt die quantitativen wie qualitativen Folgen des Geburtenrückganges zu beachten, hatten sich daher in den letzten Jahrzehnten Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaften gleichsam in die Gegenrichtung bewegt: Sie betrieben eine Steigerung des Wirtschaftswachstums auf Kosten der Kinderzahl. Dieses Wachstum konnte kurzfristig durch eine gewachsene Frauenerwerbsquote weit über den Zuwachs durch den technischen Fortschritt hinaus gesteigert werden. Industrie und Gewerbe fanden in den Frauen hochqualifizierte, hochmotivierte und unproblematische Arbeitskräfte. Die Frauen wurden insbesondere in allen jenen Branchen wichtig, in denen körperliche Kraft an Bedeutung für die Arbeitsleistung verlor.

Zugleich hat eine geänderte Sinnhierarchie jungen Frauen primär in beruflichen Karrieren den neuen Sinn ihres Lebens vermittelt. Das kam den Interessen der Unternehmen voll entgegen. In früheren Generationen hatten Frauen hingegen immer ein geglücktes Familienleben als dominierendes Ideal.

Der kurzfristige Vorteil wird langfristig zum Nachteil

Nun aber wird zunehmend klar, dass das Ausbleiben von einem Drittel der für den Bevölkerungserhalt notwendigen Kinder zwar kurzfristig ein ökonomischer Vorteil war, langfristig aber zum ökonomischen Debakel wird, wie Felderers Analyse warnt. Er diagnostiziert eine strukturelle (also nicht bloß zufällige oder konjunkturell bedingte) Wachstumsschwäche Westeuropas. Und als Ursache sieht er zwei Grundübel, an denen der Kontinent im Vergleich zu den USA und vor allem Asien leidet. Der erste sind zu starke Staatseingriffe und zu hohe Steuern; dadurch werden Kapital und damit wieder Investitionen zunehmend zum Abwandern aus Europa bewegt.

Das zweite Großproblem ist in Felderers Grundsatzanalyse jedoch der wachsende Kindermangel: „Die Gefahr besteht, dass schon ein sinkendes Bevölkerungswachstum zu einem rückläufigen Produktivitätswachstum führt.“ Lediglich Frankreich und Dänemark hätten eine über 2 Kindern pro Frau liegende Reproduktionsrate. Das fordere diesen Ländern aber „großen Ressourceneinsatz“ ab, so Felderer.

Durch die bessere Ausbildung der Frauen und ihre inzwischen hohe Berufstätigkeit sind die Opportunitätskosten des Kinderhabens dramatisch angestiegen. Damit sind alle finanziellen Verluste für jene Zeit gemeint, in dem sich eine Frau den Kindern statt einem Job widmet. Sie verdient in dieser Zeit nichts, und zugleich werfen die gesellschaftlichen Investitionen in ihre Ausbildung keine Rendite ab – zumindest kurzfristig. Denn langfristig haben gebildete Frauen auch selbst wieder viel besser gebildete Kinder.

Das ist Faktum, unabhängig von der Frage, wieweit Intelligenz mit all ihren Konsequenzen nur eine Erziehungsfolge ist oder genetisch vererbt wird. Letzteres bestätigen zwar alle Forscher aus dem Feld der Genetik (der renommierte deutsche Wissenschafts-Journalist Dieter Zimmer hat in „Ist Intelligenz erblich?“ die vielen Beweise dafür in überzeugender wie verständlicher Form zusammengetragen). Das wird aber in einem Teil der ideologisch denkenden Politikszene noch verdrängt.

Wachsende Opportunitätskosten des Kinderhabens

Dieser Zusammenhang macht es zur absoluten Zukunftskatastrophe, dass von den Akademikerinnen derzeit fast nur noch jede zweite überhaupt zumindest ein einziges Kind bekommt. Damit wird nämlich das Kinderkriegen zunehmend zur Aufgabe, ja fast zum Reservat armer, wenig gebildeter Schichten. Was eine doppelte Schieflage bedeutet, haben doch in diesen Schichten viele zunehmend einen Migrationshintergrund.

Noch einmal sei Felderer zu dem erwähnten Anstieg der Opportunitätskosten des Kinderhabens zitiert: „Niemand hat darüber nachgedacht, wie wir das kompensieren können.“ Es gehe ihm bei dieser Sorge nicht um eine nationalistisch motivierte Politik des Natalismus (=des Geburtenförderns), sondern um ein ökonomisches Problem. Denn: „Dieses System kann auf längere Sicht nicht weiterfunktionieren.“

Mit dieser fundamentalen und vielerorts lange verdrängten Erkenntnis ist das Problem zwar noch nicht gelöst. Aber jedes Problem kann einer Lösung überhaupt nur näher kommen, wenn man es zuerst zumindest erkannt und definiert hat.

Wie explosiv es angesichts der gesellschaftlichen Debatte ist, zeigt eine andere Studie der Akademie der Wissenschaften: Dieser zufolge hat sich die Gebärfreudigkeit gar nicht so substantiell verändert: Nicht berufstätige Frauen haben weiterhin viele Kinder, und berufstätige Frauen haben auch schon in früheren Generationen wenige gehabt. Nur hat sich etwas anderes verändert: Der Anteil der berufstätigen Frauen hat sich vervielfacht.

Die Wissenschaft drückt sich um die wichtigsten Fragen

Die Herausforderung ist daher eine gigantische: Wollen die Europäer nicht binnen weniger Generationen aussterben, so müsste es gelingen, den berufstätigen und insbesondere den akademisch gebildeten Frauen wieder in großem Umfang Lust am Kinderkriegen zu vermitteln.

Gelingt das mit noch mehr direkt ausgeschüttetem Beihilfengeld? Oder fördert man damit nicht erst recht eine Arbeitsteilung zwischen Oberschichtfamilien (wo gut ausgebildete Frauen immer noch im Beruf mehr verdienen, als jede Förderung ausmachen kann) und Unterschichtfamilien (wo die Kinderproduktion zum guten Geschäft wird, ohne Rücksicht auf das Wie der Kindererziehung)? Sind staatlich geförderte Tagesmütter das richtige Modell (wie zumindest das Beispiel Frankreich indiziert)? Sind es massenweise ausgebaute Kindergärten auch schon für Ein- bis Dreijährige? Und wieweit ist die Doppelbelastung – Beruf und Kinder – nicht eine arge gesellschaftliche Zumutung für die Frauen?

Aber bevor man eine Antwort auf diese Fragen geben könnte, bräuchten wir jede Menge harter Fakten über den Erfolg der verschiedenen Wege zum Erwachsenwerden. Wie werden Kinder überhaupt besser fürs Leben gewappnet, stabiler, weniger kriminell, weniger drogenanfällig, erfolgreicher in ihrem Bildungsweg und  nachher in ihrem eigenen Erwachsenenleben? Durch Kindergärten und Ganztagsschulen oder durch viel Zeit eines Elternteils? Gibt es diesbezüglich vielleicht signifikante Unterschiede zwischen Unter- und Mittelschichtkindern? Könnte der Bildungserfolg nicht bei Migrantenkindern ohne Bildungshintergrund von ganz anderen Faktoren abhängig sein? Könnte es nicht sein, dass bei ihnen ein sehr früher Einstieg in den Kindergarten zu besseren langfristigen Erfolgen führt, während bei Mittelschichtkindern sich die Zeit der Mutter positiver auswirkt?

Ich habe hier zwar persönliche Antworten auf Grund meiner vielfältigen Beobachtungen. Aber ich vermisse intensive wissenschaftliche Studien zu all diesen Fragen, obwohl das für Gesellschaft wie Eltern überhaupt die wichtigsten Zukunftsfragen sind. Warum aber gibt es diese Studien nicht in ausreichender Dichte? Werden da vielleicht vom Zeitgeist unerwünschte (also politisch inkorrekte) Fakten zurückgehalten und verschwiegen?

Die beweisfreie Anordnung der EU, dass mindestens jedes dritte Kind unter drei Jahren ganztägig in einen Kindergarten muss, ist jedenfalls als Antwort zuwenig. Nicht nur deshalb, weil sich zunehmend autoritäre Einheitsbeschlüsse der EU als extrem problematisch erweisen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Wie hoch sind Defizit und Verschuldung in den EU-Ländern? drucken

Budgetsaldo und Verschuldung in den EU-Staaten in Relation zum BIP

 

Staat Euro Saldo 2010 Saldo 2011 Verschuldung 2010

Verschuldung 2011

Estland +

+ 0,2

+ 1,0

6,7

6,0

Ungarn

- 4,2

+ 4,3

81,4

80,6

Schweden

+ 0,3

+ 0,3

39,4

38,4

Finnland +

- 2,5

- 0,5

48,4

48,6

Luxemburg +

- 0,9

- 0,6

19,1

18,2

Deutschland +

- 4,3

- 1,0

83,0

81,2

Dänemark

- 2,5

- 1,8

42,9

46,5

Bulgarien

- 3,1

- 2,1

16,3

16,3

Österreich +

- 4,5

- 2,6

71,9

72,2

Malta +

- 3,7

- 2,7

69,4

72,0

Tschechien

- 4,8

- 3,1

38,1

41,2

Lettland

- 8,2

- 3,5

44,7

42,6

Belgien +

- 3,8

- 3.7

96,0

98,0

Italien +

- 4,6

- 3,9

118,6

120,1

Euro-17  

- 6,2

- 4,1

85,3

87,2

Portugal +

- 9,8

- 4,2

93,3

107,8

EU-27  

- 6,5

- 4,5

80,0

82,5

Niederlande +

- 5,1

- 4,7

62,9

65,2

Slowakei +

- 7,7

- 4,8

41,1

43,3

Polen

- 7,8

- 5,1

54,8

56,3

Rumänien

- 7,8

- 5,2

30,5

33,3

Frankreich +

- 7,1

- 5,2

82,3

85,8

Litauen

- 7,2

- 5,5

38,0

38,5

Zypern +

- 5,3

- 6,3

61,5

71,6

Slowenien +

- 6,0

- 6,4

38,8

47,6

Spanien +

- 9,3

- 8,5

61,2

68,5

Ver. Königreich

- 10,2

- 8,3

79,6

85,7

Griechenland +

- 10,3

- 9,1

145,0

165,3

Irland

+

- 31,2

- 13,1

92,5

108,2

Anmerkung: Die Maastricht- Stabilitätskriterien liegen -3 % Budgetsaldo sowie 60 % Gesamtverschuldung.

Von den Euro-Staaten erfüllen im Jahr 2011 beide Kriterien: Estland, Finnland und Luxemburg.

 

Quelle: EU-Kommission

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Gerichte öffnen die Migrationsschleusen drucken

Bei Wahlen bekommen derzeit alle Regierungen Europas ihre Ohrfeigen, egal wer gerade regiert. Noch unpopulärer als die Regierungen ist die EU selber. Des öfteren sind es aber eigentlich die Richter, die den Zorn der Menschen am meisten verdient hätten. Diese stehen jedoch im Schatten und können dort ungehindert ihre Ideologien ausleben. Zum Schaden Europas.

Denn die neueste Judikatur von Verwaltungsgerichtshof und Europäischem Gerichtshof bringt mit einem Federstrich den wichtigsten Eckpfeiler des österreichischen Fremdenrechts zum Einsturz. Und die Republik reagiert hilflos. Die Gerichte berufen sich auf ein Abkommen, das die EU lange vor dem österreichischen Beitritt mit der Türkei geschlossen hat. Demnach sind Türken, die mit Österreichern verheiratet sind, künftig von Maßnahmen wie „Deutsch vor Zuzug“ und der Pflicht zu Integrationsvereinbarungen befreit.

Das aber waren in den letzten Jahren die einzigen relevanten Maßnahmen, um ein noch rascheres Anwachsen der türkischen Gemeinde einbremsen zu können. Das waren Maßnahmen, welche der SPÖ nur sehr mühsam abgerungen werden konnten. Das waren auch Maßnahmen, die genau an der richtigen Stelle angesetzt haben. Denn jene Fälle, die nun dank der Gerichte ungebremst zuwandern können, sind der weitaus problematischste Aspekt der Migration: Das sind die in einer Drittwelt-Umgebung mit einer mittelalterlichen Kultur und Religionspraxis aufgewachsenen Mädchen, die in einer arrangierten Ehe an einen Austrotürken – oft genug einen Verwandten – verheiratet werden. Um nicht zu sagen: verschachert. Ob das eine weiterhin verbotene Zwangsehe ist oder nicht, ist da in Wahrheit eine Frage aus einer anderen Welt. Denn diese Mädchen haben ja die Möglichkeit eines freien Willens überhaupt nie kennengelernt.

Wenn sie dann in Österreich sind, haben diese Frauen als Gebärmaschinen zu fungieren. Sie lernen meist nie deutsch, haben meist nie einen Job, verlassen nur selten das Haus und lassen den ganzen Tag türkische Satellitensender als einzigen Kontakt zur Außenwelt laufen. Sie ziehen dann logischerweise auch ihre Kinder in türkischer Sprache und in einem mittelalterlichen Geist auf. Weshalb wir in der zweiten und dritten Generation oft schlechtere Integrationsleistungen haben als in der ersten.

Jetzt ist auch die letzte Bremse gegen den Zuzug solcher Frauen (und natürlich auch einiger Männer) weggefallen. Das ist wirklich eine tolle Leistung der Gerichte! Braucht es noch extra erwähnt zu werden, dass sowohl der Chef des Verwaltungsgerichtshofs wie auch die von Österreich entsandte EU-Richterin knallrot sind?

Das Innenministerium glaubt nichts anderes tun zu können, als zu salutieren und die Gerichtsbeschlüsse brav umzusetzen. Obwohl diese der neuen Parole „Integration durch Leistung“ einen schwereren Schlag versetzt haben, als all die netten Inserate mit ein paar Dutzend Vorzeige-Zuwanderern an Nutzen stiften können.

Das ist juristisch auch richtig so. Aber rein theoretisch wäre es natürlich auch möglich, dass Österreich als Reaktion nach langem wieder eine aktive EU-Politik entwickelt. Das Land könnte sich ja – rein theoretisch – Verbündete suchen. Rein theoretisch könnte eine neue EU-Richtlinie wieder versuchen, wenigstens eine Spur von Lenkung in die Massenzuwanderung zu bringen. Denn nichts  anderes findet ja unter dem so harmlos klingenden Titel „Familienzusammenführung“ seit langem statt.

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Frankreich zwischen Macho-Großmaul und Retro-Sozialismus drucken

Es gibt viele Gründe, die für eine endgültige Abwahl von Nicolas Sarkozy sprechen. Es gibt nur einen einzigen Grund, der dennoch die (wahrscheinliche) Wahl seines Gegenkandidaten Francois Hollande zum noch größeren Alptraum macht: Sein Programm. Das ist nämlich noch viel schlimmer als Sarkozys Realität – für Frankreich und damit nach dem Prinzip „Mitgefangen, mitgehangen“ auch für alle Europäer. Wenn Hollande sein Programm auch nur ansatzweise umsetzen sollte, dann ist das ganze Euro-Europa mit Frankreich kaputt.

Daher wird der zweite Durchgang zwischen den beiden extrem spannend und für die Miteuropäer auch viel wichtiger als die amerikanische Wahl. Der Vorsprung Hollandes (28,6 Prozent) auf Sarkozy (27,2) ist extrem knapp. Da scheint zwar noch alles offen. Entscheidend wird aber das Verhalten der Anhänger von Marine Le Pen sein.

Die rechte Kandidatin hat mit 17,9 Prozent nicht nur das beste Ergebnis der Front National erzielt. Sie hat auch die Vorhersagen der Meinungsforscher lächerlich gemacht, die sie durchwegs deutlich niedriger eingeschätzt haben. Es ist aber schon seit Jahren ein politisches Naturgesetz: Rechte Wähler wählen nur in der geheimen Wahlkabine rechts, einem Meinungsforschungsinstitut gegenüber halten sie sich aber bedeckt. Denn sie fürchten sich vor der gesellschaftlichen Stigmatisierung durch ein politisches Outing.

Le Pens Wähler werden keineswegs geschlossen zu Sarkozy wechseln, wie manche oberflächliche Auguren meinen. Sarkozy steht zwar in der Ausländerfrage der Front National deutlich näher (und diese Frage ist für die Menschen im Unterschied zu vielen Medien wichtiger denn je). In Sachen Sparnotwendigkeiten, Sozialpolitik und Europa steht die Rechtspartei jedoch der radikalen Linken viel näher. Und umgekehrt.

Überdies gibt es auch bei Le Pens Wählern etliche, die Sarkozy als Person strikt ablehnen. Die Sprunghaftigkeit und Angeberattitüden des kleingewachsenen Mannes, der sich allzu lange allzu eng mit den Reichen und Schönen umgeben hat, nerven viele Franzosen. Auch das Kapitel Sarkozy und die Frauen war mehr dazu angetan, um bunte Hefte zu füllen als die Schar seiner Anhänger.

Noch schlimmer ist, dass sich Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit unter Sarkozy deutlich verschlechtert hat. Gewiss haben dazu viele kapitale Sünden früherer Linksregierungen beigetragen, wie die Arbeitszeitverkürzung oder der viel zu weitgehende Kündigungsschutz. Aber Sarkozy hat wie ein lateinischer Macho viel geredet (noch dazu mit ständig wechselnden Zielrichtungen); er hat jedoch trotz seiner fast unbegrenzten Macht wenig getan, um die Wettbewerbsfähigkeit der Grande Nation wieder zu verbessern.

Jetzt fällt es vielen Franzosen verständlicherweise ziemlich schwer, ausgerechnet in ihm den geeigneten Mann zu sehen, um Frankreich ein griechisches Schicksal zu ersparen. Die Zukunft erscheint ihnen sowieso düster, da hat für viele eine Generalabrechnung mit der Vergangenheit die erste Priorität.

Doppelter Scherbenhaufen für Merkel

Auch die Miteuropäer werden die erste (und einzige?) Amtsperiode Sarkozys keineswegs in guter Erinnerung behalten. War es doch er, der immer wieder großen Druck auf Angela Merkel ausgeübt hat, damit die zögerliche und innerlich unsichere Deutsche der wahnsinnigen Verschuldungspolitik des gesamten Euro-Europas zugestimmt hat. Die entscheidende und falsche Weichenstellung geschah ja im Frühjahr 2010, als Merkel der ersten Etappe der Megahilfe für Griechenland zugestimmt hatte.

Damals verlangten die gesamte Linke und damit die meisten Medien lautstark, dass das sozialistisch regierte Griechenland „gerettet“ werde (was natürlich angesichts der griechischen Zustände immer nur auf ein paar Monate gelingen konnte). Und dazu kam dann der gleichgerichtete Druck Sarkozys, der um die Kredite der französischen Banken und seine Wiederwahl bangte. Andere Länder wie Österreich haben ja seit Jahren überhaupt keinen Politiker, der europapolitisch mitsprechen oder auch nur mitdenken könnte.

Diesem Druck gab die harmoniesüchtige deutsche Bundeskanzlerin schließlich nach. Was sich von Tag zu Tag mehr als große Katastrophe herausstellt. Dieser erste große Fehler war dann der Vater aller weiteren: vom Ankauf dubioser Staatspapiere durch die EZB bis zum Neudrucken einer Billion Euro, vom „Stabilitätsmechanismus“ EFSF bis zum „Stabilitätsmechanismus“ ESM. Beide bringen keine Stabilität, sondern nur die ständig ausgeweitete Haftung aller Euro-Länder für die Schulden der anderen.

Die Ironie der Geschichte scheint es zu sein, dass nicht einmal der politische Hauptzweck dieser Aktion, also die Wiederwahl Sarkozys, erreicht werden dürfte. Damit droht Merkel die doppelte Blamage: einerseits die direkte und indirekte Haftung Deutschlands für die gesamte europäische Schuldenkonstruktion und dazu noch ein sozialistischer Präsident mit nostalgischen Politikideen im zweitwichtigsten Land der EU.

Denn so absurd es klingt: Eine Wiederwahl Sarkozys ist bei all seinen Fehlern noch immer die bessere Alternative als ein Amtsantritt Hollandes. Denn dieser hat sich im Wahlkampf so tief in linke Versprechungen einzementiert, dass er es sich politisch nicht leisten kann, alle zu vergessen.

Von den PIGS zu den FISPIG

Jedoch können sich weder Frankreich noch Europa eine Realisierung seiner Versprechungen leisten. Ob das nun die Bewahrung der von Sarkozy zuletzt (spät, aber immerhin) in Frage gestellten 35-Stunden-Woche ist oder eine Senkung(!) des Rentenalters oder eine Steigerung der Einkommensteuer auf 75(!) Prozent oder eine noch(!) lockerere Geldpolitik der EZB. Jede einzelne dieser Maßnahme würde Frankreich mit Garantie in die Gruppe der PIGS- oder PIIGS-Staaten reihen. Und lediglich Journalisten werden sich freuen, wenn sie dann über neue Abkürzungen wie FIPIGS oder SPIFIG oder FISPIG nachdenken können.

Die schon in breiter Front begonnene Flucht von Anlegern aus dem Euro-Raum wird sich bei einer Wahl Hollandes mit Sicherheit noch mehr beschleunigen. Und es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis die Anleger auch erkennen, dass selbst Deutschland kein sicherer Anker mehr sein kann. Aus dem Bett, in das sich Merkel mit Sarkozy gelegt hat, kommen Deutschland und mit ihm Europa auch dann nicht mehr heraus, wenn dort plötzlich ein Monsieur Hollande vom alten, längst in Konkurs gegangenen sozialistischen Schlaraffenland träumt.

Auch der niederländische Anker reißt

Diese vielen Fehler der letzten Jahre führen nicht nur in Frankreich, sondern schon reihum zum Zusammenbruch der beteiligten Regierungen. Ist doch fast zeitgleich zum französischen Wahltag auch die Regierung der Niederlande kollabiert. Immerhin sind die Niederlande nach Deutschland der zweitgrößte Stabilitätsanker im Euroraum.

Auch dort hat sich wie bei Le Pen gezeigt, dass die rechtspopulistischen Parteien – in den Niederlanden unter Führung des charismatischen Geert Wilders – nicht für die unpopulären, aber notwendigen Sanierungsmaßnahmen bereitstehen. Selbst wenn man ihnen in Sachen Migrationspolitik in fast allem recht gibt, erweisen sie sich stabilitätspolitisch als ebenso unverantwortlich wie die linken Parteien.

Denn sie alle lehnen jene Sanierungsmaßnahmen ab, die absolut unvermeidlich sind: egal ob man in der EU beziehungsweise im Euro bleibt oder nicht. Wilders wie Le Pen gaukeln den Wählern vor, dass diesen ein neuer Protektionismus, ein Abschließen der Grenzen etwas nutzen würde. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Protektionismus hat jedes Land langfristig verarmen lassen.

Bei einem währungspolitischen Alleingang eines Eurolandes wird ein Programm der Schmerzen für dieses Land sogar mit Sicherheit noch viel zwingender: Denn es verliert damit sofort an jeder Kreditfähigkeit. Es muss daher auf jedes weitere Schuldenmachen verzichten und sämtliche Sozialausgaben drastisch straffen; und seine Bürger werden viel länger arbeiten und auf Vieles von dem verzichten müssen, was Sozialdemokraten und Gewerkschaften ihren Anhängern als dauerhafte Errungenschaften verkauft hatten. Ein Land, das das nicht tut, landet in der Mega-Inflation, die in Europa schon einmal Massenelend und eine kriegerische Mega-Katastrophe ausgelöst hat.

Das gleiche Ergebnis brächte die Politik Hollandes und vieler europäischer Sozialdemokraten. Deren Kern: Statt Sparen Geld drucken.

Peinliche Medien-Begeisterung für Melenchon

Hinter der großen europa- und stabilitätspolitischen Bedeutung der französischen Wahl hat der erste Durchgang aber auch ein erfreuliches Waterloo für viele Medien gebracht. Haben sich diese in ihrem linken Fanatismus doch in großer Zahl für den linksradikalen Kandidaten Jean-Luc Melenchon begeistert. Nach dem ersten Wahldurchgang ist der Mann jedoch mit 11,1 Prozent weit abgeschlagen an vierter Stelle gelandet, nur knapp vor dem schillernden Zentristen Bayrou (9,1).

Mit Melenchons Sprüchen von 100-prozentigen Einkommensteuern ab einer bestimmten Grenze kann man zwar bei der wenig intelligenten französischen Intelligenz ein wenig punkten; diese ist  ja noch mehr als die anderer europäischer Länder von spätpubertärer Revolutionsgeilheit geprägt. Aber die Mehrheit der Franzosen ist doch ein wenig vernünftiger. Dies hatten ja auch schon die Wahlgänge nach dem Jahr 1968 gezeigt: Damals errang die Rechte große Wahlsiege, nachdem die linken Studenten und Arbeiter monatelang das Land mit ihren wilden revolutionären Aktionen lahmzulegen versucht hatten.

Der Sieg der Vernunft hat aber seine Grenzen. Auch die Franzosen greifen noch immer nach jedem Strohhalm, der ihnen eine Alternative zu den furchtbaren Schmerzen einer Sanierung zu bieten scheint. Und wenn man damit zugleich einem verachteten Macho namens Sarkozy eine Ohrfeige geben kann, dann wird eben ein Papier gewordener Anachronismus namens Hollande zum Favoriten für das französische Präsidentenamt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com. 

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Europa darf kein Kontinent von armen Leuten werden drucken

Ein Gespräch mit Richard Sulik, dem ehemaligen slowakischen Parlamentspräsidenten und Vorsitzenden der Partei SaS, über Flat Tax, EU und Slowakei und warum er bei den österreichischen Steuerzahlern noch ein Bier gut hat.

Richard Sulik ist Vorsitzender der Partei SaS (Slobodna a Solidarita, Freiheit und Solidarität) in der Slowakei. Von ihm stammt das Konzept für die 19 Prozent Flat Tax, die von der Regierung Mikulas Dzurinda 2004 eingeführt wurde. Der studierte Ökonom begann seine politische Karriere als Berater des damaligen Wirtschaftsministers Ivan Miklos. Die Partei SaS trat 2009 erstmals bei einer Wahl an, verfehlte aber bei der Europawahl den Einzug in das Europäische Parlament. Nach der slowakischen Parlamentswahl 2010 war die SaS Teil einer Mitte-Rechts-Regierung, Sulik wurde Parlamentspräsident.

Das Regierungsbündnis zerbrach an der Frage des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) bzw. des EFSF. Hatte sich ursprünglich die gesamte Regierung gegen einen dauerhaften Rettungsschirm ausgesprochen, änderten die Parteien SDKU und KDH (beide auf europäischer Ebene Teil der Europäischen Volkspartei EVP) ihre Meinung und stimmten gemeinsam mit der sozialistischen Partei Smer dafür. Seit der Neuwahl in der Slowakei im März dieses Jahres ist die SaS in Opposition. Richard Sulik, der zum Teil in Deutschland aufgewachsen ist, ist außerhalb der Slowakei vor allem durch deutsche Talk-Shows zur Frage der Griechenlandhilfe und des sogenannten Euro-Rettungsschirms bekannt geworden.

In der Slowakei waren vor kurzem Wahlen. Wie interpretieren Sie das Wahlergebnis?

Die Sozialisten haben grandios gewonnen. Es gab zwei Hauptgründe. In erster Linie war es die Zerstrittenheit innerhalb der Rechtsparteien. Premierministerin Iveta Radicová hatte in ihrer eigenen Partei keinen Rückhalt mehr. Zweitens gab es diese Unterwürfigkeit gegenüber Brüssel. Ich kann das verstehen im Jahre 1998. Das war nachdem wir Vladimír Meciar hatten. Wir waren auf dem besten Wege nach Weißrussland.

Dann kam Dzurinda, ein junger frischer Politiker, und hat gesagt: „Ich werde euch zurück nach Europa bringen. Ich sorge dafür, dass Me?iar wegkommt und ich werde Reformen machen." Ich kann verstehen, dass damals alles der Priorität „wir wollen in die EU und in die NATO“ untergeordnet wurde. Aber in den vergangenen vierzehn Jahren hat sich die Situation geändert. Es ist jetzt eben an der Zeit, vielleicht ein bisschen mehr Selbstbewusstsein an den Tag zu legen und auch manchmal zu fragen: Ist das wirklich gut für uns und warum sollen wir dem zustimmen?

Zum Beispiel der Erweiterung des Schutzschirmes.

Das ist ein sehr gutes Beispiel. Denn die Slowakei zahlt nämlich am meisten, wenn alle Garantien schlagend werden. Im Durchschnitt muss ein Deutscher 120 Stunden für diese Verbindlichkeiten arbeiten, ein Slowake aber 300 Stunden. Da ist ein Unterschied. Der zweite Grund war, dass es auf der linken Seite nur eine einzige Partei gibt, die gekommen ist und gesagt hat: „Wählt mich. Ich verspreche euch Stabilität und Sicherheit."

Welche Rolle hat die Gorilla Affäre gespielt?

Gorilla ist ja nicht die Gesamtaufnahme der Korruption innerhalb der vergangenen zehn Jahre, sondern eine Momentaufnahme zu einem gewissen Zeitpunkt, Ende 2005, Anfang 2006. Und das ist der dritte Grund für das Wahlergebnis.

Noch einmal zurück zu dieser Entscheidung betreffend des Rettungsschirmes. Sowohl Miklós, als auch Radicová selbst waren ursprünglich eher auf Ihrer Linie.

… voll. Das war unsere gemeinsame Linie. Aber irgendwann haben sie ihre Meinung geändert. Wenn ich mit Miklós (Finanzminister der Regierung Radicová, Anmerkung) spreche, sagt er mir: „Jaja, du hast vollkommen recht mit deinen ökonomischen Argumenten". Sage ich „Na gut, dann sage bitte du mir einen Grund, warum wir das trotzdem tun sollten?". „Ja, weil das ist Geopolitik." Das ist alles? Geopolitik.

Klingt gut und keiner versteht etwas von Geopolitik.

Ja, eben. Dann braucht man nicht mehr argumentieren. Dann habe ich ein anderes Mal mit Dzurinda gesprochen: „Wenn wir das ablehnen, würde Brüssel doch eine andere Lösung finden, und zwar recht schnell.“ Sagt er: „Ohne Frage, innerhalb von drei Tagen, aber dann würde Radicová in Brüssel keiner mehr die Hand reichen". Sage ich: „Na gut, für 7,7 Milliarden einmal nicht die Hand reichen …“

Und da kam kein Druck auf Sie, dem Rettungsschirm zuzustimmen? Die Liberalen im Europäischen Parlament sind ja auch voll auf dieser Linie?

Ja, was ich nicht verstehe. Die haben mir einen Brief geschrieben. Auch Westerwelle, ebenfalls von einer liberalen Partei, hat mich angerufen und gesagt: „Herr Sulik, ich bin sicher, sie werden sich richtig entscheiden." Sage ich: „Haben Sie keine Angst. Wir werden das bestimmt richtig entscheiden." Darauf hat er nicht gewusst, was er sich denken soll. Also mich überrascht das bei den Liberalen – was weiß ich, sind wir keine liberale Partei?

Da gibt es viele Interpretationen.

Also ich interpretiere das so: Wir sollten für mehr Freiheit kämpfen. Die rechts sind, kämpfen für mehr unternehmerische Freiheit, die die liberal sind, kämpfen für mehr persönliche Freiheiten. Deswegen ist unsere Partei eine rechtsliberale Partei. Zu mehr persönlichen und unternehmerischen Freiheiten gehört, weniger Steuern zu zahlen.

Das war ja eines der Erfolgsmodelle der Slowakei. Erinnern wir uns, als Dzurinda bzw. Miklós die 19 Prozent Flat Tax eingeführt haben.

Ja, das war ich. Der Miklós war dagegen und ich war sein Berater damals. Und dann ist es irgendwie gelungen.

Das war ein massives Argument auch in Österreich für die Senkung der Steuern. Österreich ist damals auf 25 Prozent bei der Körperschaftssteuer gegangen. Das wäre ohne 19 Prozent in der Slowakei nicht gekommen.

Dann habe ich ein Bier gut beim österreichischen Steuerzahler.

Mindestens eines. Das müssen wir aber in der Slowakei trinken, da ist weniger Steuer drauf.

(Lacht): Ich habe mir einmal das deutsche Steuersystem angeschaut. Die haben das noch komplizierter. Und dann kommt noch der Herr Eichel (ehemaliger SPD-Finanzminister Anm.) und sagt: „Eine komplexe Wirtschaft braucht ein komplexes Steuersystem". Also das würde ich zum dümmsten Spruch des Jahres küren.

Rechnen Sie damit, dass sich das System in der Slowakei jetzt ändert unter Fico?

Ja. Er will die Flat Tax abschaffen. Aber wissen Sie, das sind die Sozialisten. Die haben das Geldausgeben – Geld von anderen Leuten – im Blut.

Aber die Leute scheinen das zu schätzen. Es ist irgendwie bequemer.

Ja, aber das ist zu billig. Es wird die gesamte slowakische Wirtschaft schädigen. Nicht nur, dass ich davon überzeugt bin, wir haben ja bereits Erfahrungen. Wir haben den Steuersatz gesenkt und innerhalb von zwei Jahren hat sich die Steuergrundlage fast verdoppelt. Sie ist um 92 Prozent angestiegen. Werden die Steuern erhöht, wird sie eher sinken als weiter ansteigen.

Es mehren sich Stimmen, die eine stärkere Entwicklung der EU in Richtung „Vereinigte Staaten von Europa“ befürworten. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich sehe das aus zwei Gründen negativ: Denken wir zurück an die Grundidee der Europäischen Union. Zuerst war das eine Organisation zur Sicherung des Friedens. Das ist vollkommen gelungen. Also das ist für mich der wichtigste Grund, warum es gut ist, dass es die EU gibt und warum es gut ist, dass die Slowakei beigetreten ist. Und damals, als die EU entstanden ist, hat es diese vier Freiheiten gegeben: Freier Verkehr von Kapital, von Waren, Dienstleistungen und Personen. Man hat sich gesagt, wenn es mehr Freiheit gibt, dann werden die Leute mehr Handel treiben. Das war gut, solange man sich daran gehalten hat.

Dann kam aber immer stärker die Regulierung und jetzt es ist Europa eine Regulierungsbehörde. In der Lissaboner Strategie steht zwar, wir wollen die am dynamischsten wachsende Wirtschaft werden, gleichzeitig kommen aber Sozialschutz, Umweltschutz, und alles Mögliche. Die geben sich zehn zum Teil entgegengesetzte Ziele und wundern sich dann, dass die Strategie nicht aufgeht. Dasselbe wird mit der Strategie 2020 passieren. Wenn sich noch irgendwo etwas bewegt, dann wird es reguliert.

Die EU, da wo sie hätte zeigen können, dass es funktioniert, bei der Verteidigung oder bei der Außenpolitik, da ist doch von der Frau Asthon das ganze Jahr lang nichts zu hören. Die hat bereits ein Amt mit 4000 Beamten. Ich möchte wissen, was die machen. Die Slowakei und auch alle anderen Länder haben doch ihre Auslandsvertretungen, haben ihre Außenminister. Also wenn das richtig gut funktionieren würde, wäre das heute schon abgeschafft. Da könnten wir ein bisschen Geld sparen.

Würden Sie das akzeptieren, eine tatsächlich europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Kein slowakischer Außenminister mehr?

Ja, ich könnte mir das vorstellen. Ja, für die Slowakei könnte ich mir das vorstellen.

… die Franzosen werden das nie akzeptieren und die Briten noch weniger.

Ja gut, aber dann sollen sie nicht mit der EU spielen. Kein Spitzenpolitiker bewirbt sich freiwillig für ein Spitzenamt in der EU.

Da sieht man dann wo die wirkliche Macht ist.

Ja eben. Wenn wir also jetzt wirklich so tun, dass wir die Vereinigten Staaten von Europa wollen, dann vergleichen wir einmal mit den USA. Für die US-Präsidentenwahl, da gibt es einen richtig Andrang und einen richtigen Kampf. Aber Herr Van Rompuy, der entsteht einfach so. Da haben sich zwei, drei Leute geeinigt und haben das mit 20 andern abgesichert und dann ist er auf einmal gewählt.

Der kleinste gemeinsame Nenner.

Ja. Einer, der nicht zu viel eigene Meinung hat und nicht zu viel stört und auf jeden Fall gehorcht.

Mit der Eurokrise gab es auch den Vorschlag der Trennung in Nord- und Südeuro.

Es gibt keinen ökonomischen Grund, warum die Südländer das machen sollten. Was Griechenland helfen würde ist, dass sie sofort aussteigen und ihre eigene Währung einführen. Übrigens, Griechenland war ja schon einmal in einer Währungsunion mit Italien und anderen Ländern und hat dort ständig Schulden gemacht. Die anderen Länder sind deswegen ausgestiegen. Man muss die Griechen sich selbst überlassen.

Rechnen Sie damit, dass der Euro hält, oder fällt die Euro-Zone auseinander?

Das ist eine gute Frage. Sie wird bestimmt nicht auseinanderfallen, wenn Griechenland aussteigt, dann wird der Euro fester werden. Wir werden gewinnen, wenn Griechenland, vielleicht Portugal aussteigen. Nur Spanien, ich denke, das ist einfach von der Größe her nicht zu bewältigen, dass Spanien aussteigen kann, Italien schon gar nicht. Dann kann es passieren, dass eben die Nordländer sagen „Ok, wir gehen jetzt". Und wenn zwei Euro-Zonen entstehen, ist das ein Auseinanderfallen des Euro? Wahrscheinlich ja. Wissen Sie, es ist die Frage, wie man es definiert. Dass alle 17 Länder zu ihrer nationalen Währung zurückkehren halte ich für recht unwahrscheinlich aus heutiger Sicht.

Das würden Sie aus Sicht der Slowakei nicht anstreben?

Die Euro-Zone hat ja schon ihre Vorteile, nur die Regeln müssen endlich eingehalten werden.

Immer mehr Kapitalismuskritiker freuen sich über das Scheitern des Finanzkapitalismus und propagieren verschiedene alternative Wirtschafts- und Geldsysteme. Was halten Sie davon?

Ich habe ein mulmiges Gefühl, wenn ich mir die realen Warenströme im Vergleich zu den Finanzströmen ansehe. An einem Tag werden beispielsweise 20 Milliarden an Waren umgesetzt und 900 Milliarden an irgendwelchen Krediten, Swaps, Optionen usw. Noch vor 20 Jahren hat sich das ungefähr gedeckt. Dass man deshalb aber alles verbieten muss, da bin ich mir nicht sicher. Ich denke, man muss die Regeln einhalten. Beispielsweise die Regel, dass, wenn die Gewinne privatisiert werden, die Verluste nicht sozialisiert werden dürfen. Man macht es aber leider, bei riesengroßen Pleiten heißt es dann immer „too big to fail“.

Bankenrettung ist ein gutes Stichwort. Das Argument sind dann die unabsehbaren Folgen, der Bank-Run, man weiß nicht, wie die Bevölkerung reagiert.

Da haben die Politiker nicht den Mut. Das muss man als Tatsache zur Kenntnis nehmen. Deswegen können wir uns durchaus eine Regulierung vorstellen, eine vernünftige Regulierung der Finanzmärkte.

Der vor kurzem verstorbene Ökonom Roland Baader hat in einem seiner letzten Interviews gemeint, eine private Parallelwährung sollte eingeführt werden.

Die Nationalbanken oder die EZB die sind da sehr streng. Die bewachen ihr Monopol sehr streng und verbieten Parallelwährungen. Ich würde das durchaus erlauben. Wenn beispielsweise meine Bank eine Parallelwährung, gedeckt mit Gold und Immobilien oder mit irgendwelchen Werten, einführt, würde ich nicht eingreifen. Aber das darf man ja nicht. Wenn jetzt alle Länder auf einmal auf den Goldstandard umstellen würden, dann wäre das wahrscheinlich eine gute Idee. Wenn das aber ein Land macht, dann endet das langsfristig beim Beispiel Schweiz.

Die kommen dann unter Aufwertungsdruck.

Ja, sehr stark. Wobei ich nicht verstehe, warum die nicht einfach Franken drucken und dafür Gold kaufen. Jetzt wird der Franken immer stärker und wertet immer mehr auf. Ich würde so lange Gold aufkaufen, bis das aufhört. Wenn er anfängt unter eine gewisse Grenze zu fallen, dann würde ich das Gold wieder verkaufen und auf diese Weise die gedruckten Franken wieder aus dem Umlauf nehmen.

Die Österreicher, wenn wir jetzt von der ökonomischen Schule sprechen, sagen ja überhaupt weg von Zentralbanksystemen hin zu rein privaten Währungen.

Naja, eine Zentralwährung hat schon viele Vorteile, und ist ja auch viel objektiver, wenn sie dann auch gedeckt ist mit Werten. Ich hätte das nie für möglich gehalten was jetzt in der EZB passiert. Zu Zeiten eines Wim Duisenberg war das wahrscheinlich ausgeschlossen. Da wird eine Billion Euro in den Markt gepumpt, das ist 15 Mal das slowakische Bruttoinlandsprodukt. Zu einem Prozent für drei Jahre. In drei Jahren machen sie es wieder, da bin ich überzeugt davon.

Wenn nicht schon früher.

Ja.

Das bedeutet Inflation.

Ja.

Also eigentlich genau das was man vermeiden wollte, was die Maastricht-Kriterien mit den strengen Regeln für die EZB verhindern sollten, wird jetzt durch die Politik der EZB eingeführt.

Genau. Inflation und Abwertung gegenüber anderen Währungen. Da höre ich schon die Leute: „Naja, die Exporte werden billiger, die Importe teurer, das ist doch gut." Aber man bestiehlt doch die eigenen Leute. Wenn das gut ist, na gut, dann binden wir doch unsere Währungen an die chinesische Währung, weil die ist doch so stark unterbewertet. Aber hier werden die eigenen Leute bestohlen. Irgendwann wird Europa ein Kontinent von armen Leuten sein, die sich nichts aus dem Ausland kaufen können, die nicht ins Ausland verreisen können. Also das wollen wir ja nicht.

Früher haben die Regierungen das Vermögen ihrer Bürger durch Kriege zerstört, jetzt zerstören sie es durch Inflation.

Ja. Man bestraft vor allem die Leistungsträger. Aber auch die einfachen Leute.

Noch eine Frage zur Wirtschafts- und Steuerstruktur der Slowakei. Wissen Sie, wie viele Prozent der Leute noch Netto in das System einzahlen? Wir haben in Österreich weniger als ein Viertel, die noch netto in das System einzahlen. Das heißt, es ist systemisch unmöglich, dass eine Partei eine Mehrheit bekommt, die das System umdrehen würde.

Die Zahlen werden ähnlich sein. Wir haben 5,4 Millionen Einwohner, 2,3 Millionen arbeiten, aber da müssen Sie die abziehen, die Nettoempfänger sind. Ich denke das Steuersystem sollte keine Sozialfunktionen haben. Als ich noch zur Schule ging hieß es, das Steuersystem hat eine wirtschaftspolitische Funktion, eine sozialpolitische Funktion, eine Investitionsfunktion und den ganzen Mist. Das ist einfach nicht wahr. Das Steuersystem ist da, um Geld von den Leuten aufzutreiben. Also sollte es gerecht sein, neutral, einfach und wirksam. Wissen Sie, die Politiker spielen gerne. Im wirklichen Leben wären die meisten Politiker nicht in der Lage, einen Kiosk zu führen, und dann spielen sie gerne mit großem Geld. Vor allem mit fremdem Geld.

Sie sind aber auch Politiker.

Naja gut, aber ich sehe mich nicht als Politiker …

… als Quereinsteiger?

… schon eher als Ausnahme. Ich bin eher der Beschützer der Steuerzahler.

Das Gespräch führten Helmut Graser (Unternehmensberater in Wien und Herausgeber des Echos) und Rainhard Kloucek (Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich) für die nächste Ausgabe des „ECHO der himmelschreienden Diskriminierung österreichischer Steuerzahler“ (siehe www.conwutatio.at).

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Der geplante Verfassungs-Putsch im Mai drucken

Für Mai 2012 plant unsere Regierung den großen Verfassungsputsch. Zum 700 Milliarden EURO plus-Monster „Europäischer Stabilitäts-Mechanismus“ soll das Parlament Ja und Amen sagen und dann auf ewig seinen Mund halten. Die Exekutive will das Parlament buchstäblich „entmündigen“. Der ESM ist eine Mega Bad Bank, die uneinbringliche Schulden zahlungsunfähiger Staaten (PIIGS) aufnimmt, um sie von den reichen Staaten (D, NL, FIN, AT) und ihren Bürgern „bedienen“ zu lassen.

Allein der Finanzminister als „Gouverneur“ der neuen Mega Bad Bank ESM soll in Brüssel unwiderruflich entscheiden, welche Unsummen wir aufzubringen haben und wohin unser Steuergeld zu fließen hat. Der von Bundeskanzler Faymann am 2. Februar 2012 unterzeichnete Knebelvertrag ist ein totalitärer Anschlag auf das Verfassungsrecht, auf den Primat des Nationalrats und  die  Souveränität unseres Staates in Finanz- und Budgetfragen.

Zur Unterstützung gescheiterter Staaten werden uns Bürgern auf Generationen hinaus die Mittel entzogen, die wir selbst dringend brauchen, um wenigstens halbwegs über die Runden zu kommen, unsere Sozialnetze vor dem Zerreißen zu bewahren, die Infrastruktur zu erhalten und unserer Jugend jene Ausbildung zu ermöglichen, die sie für ihren Lebenskampf braucht.

Was ist beabsichtigt?

Der einzige Zweck des Putsches ist die Entschuldung schwacher EURO-Staaten zu Lasten der starken und ihrer Bürger. Es soll also genau das geschehen, was bei Einführung des EURO ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Niemals hätten Deutsche oder Österreicher der Einführung des EURO zugestimmt, wäre ihnen gesagt worden, sie müssten die Schulden anderer Staaten bezahlen oder für sie bürgen. Der Gedanke an eine „Schuldenunion“ war für alle Regierungen und sogar für den Mr. Euro, Herrn Claude Juncker, in den 90er Jahren so absurd wie „eine Hungersnot in Bayern“.

Das wurde vertraglich eisern und unmissverständlich in der „No-Bailout“-Klausel (heute Art. 125 AEUV) fixiert: „Kein Staat haftet oder zahlt für einen anderen Staat“. Und ausdrücklich wurde verboten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Gelddruckmaschine anwirft, um Staatsschulden zu finanzieren. Im Mai 2010 wurden durch die Staatschefs im Zusammenwirken mit der EZB in einer Nacht- und Nebelaktion die Verträge gebrochen.

Ein einmaliger Vorgang: Die Staatschefs, die auf die Verfassung eingeschworen sind, brechen das Recht und machen genau das, wofür jeder Bürger bestraft wird. Das war das Ende des Rechtsstaats in Europa. Seit diesem Rechtsbruch kam es auf rund zehn Gipfeltreffen zu einer Kette von illegitimen „Rettungsmaßnahmen“, welche die zahlenden Euro-Mitglieder zugleich mit den „beschirmten“ Schuldnern immer tiefer in den Schuldensumpf hineintrieben, in dem sie nun  versinken und ihre Freiheit verlieren. Denn ohne Recht gibt es keine Freiheit.

Der Putsch durch ein neues „Ermächtigungsgesetz“

Mit dem ESM-Vertrag wird einer kleinen Gruppe von Personen, dem aus den Finanzministern der Euro-Mitglliedsstaaten bestehenden „Gouverneursrat“ (Art. 5), eine praktisch unkontrollierbare, politische und finanzielle Macht übertragen.

  • Die „Gouverneure“ können das zunächst mit 700 Milliarden bestimmte Stammkapital des ESM  jederzeit beliebig erhöhen (Art. 8, Abs. 2: Art. 10, Abs. 1).
  • Sie können jederzeit noch nicht eingezahltes Stammkapital einfordern. Innerhalb von sieben Tagen müssen die Staaten der Aufforderung nachkommen.
  • Sie können es dem ESM gestatten, Kredite in unbegrenzter Höhe aufzunehmen, um schwache Länder und ihre Banken zu finanzieren (Art. 21).
  • Die Leitung des ESM kann unbeschränkt Geschäfte jeder Art mit jedermann abschließen. Sowohl die Leitung wie die Gouverneure genießen Immunität vor gerichtlicher Verfolgung, auch dann wenn sie Gelder veruntreuen oder aufs Spiel setzen (Art. 35).
  • Die Gouverneure, Leitung und Mitarbeiter haben Schweigerecht und Schweigepflicht. Sie können von niemandem außerhalb des ESM zur Rechenschaft gezogen werden. Sie selbst bestimmen ihre Prüfer Art. 26-30). Gehalt oder „Entschädigung“ setzen sie sich selbst fest. Beides ist von staatlichen Steuern und Abgaben befreit.
  • Gesetze gelten für den ESM nicht, weder bestehende noch zukünftige. Kein Gericht kann den ESM belangen oder auf sein Vermögen zugreifen. Umgekehrt hat der ESM Klagerecht gegen jedermann (Art. 32)
  • Der ESM braucht keine Banklizenz, noch untersteht er irgendeiner Finanzaufsicht (Art. 32, Abs. 9).
  • Der ESM kann praktisch alle banküblichen Finanzgeschäfte tätigen (Art. 14 – 21):
    • Er kann Euro-Ländern Kredite geben (Art. 16)
    • Anleihen von EURO-Ländern zeichnen (Art. 17)
    • Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt kaufen oder verkaufen (Art. 18)
    • Banken finanzieren (Art. 15)
    • EURO-Ländern Kreditlinien und Ziehungsrechte einräumen (Art. 14)
    • EURO-Bonds ausgeben (Art. 21)
    • Zinsen festsetzen (Art. 20)
    • Der ESM kann unbegrenzt Kredite aufnehmen und „hebeln“ (Art. 21)
    • Die Liste der Geschäfte jederzeit ändern und erweitern (Art. 19)

Bei dieser ungeheuerlichen Kompetenzübertragung steigt selbst dem „Grünen“ EU-Freak Alexander van der Bellen „die Galle hoch“, wie er im Standard vom 30. März 2012 schreibt: „Nur weil die Regierungschefs pfeifen, haben Abgeordnete noch lange nicht zu springen. Sind Parlamente nichts als zeitraubende Schwatzbuden? Gilt jetzt als billiger Populismus, wenn Abgeordnete sich gegen autoritäre Strukturen wehren?“

Seine Fragen sind berechtigt, denn das ESM-Gesetz (es hat noch keinen Namen) ist nur mit dem „Ermächtigungsgesetz“ Hitlers aus dem Jahr 1933 vergleichbar. Dieses wurde im Reichstag (am 23. März 1933) damit begründet, dass es „dem beabsichtigten Zweck nicht genügt, wollte die Regierung sich für ihre Maßnahmen von Fall zu Fall die Genehmigung des Reichstags erhandeln und erbitten." Frau Fekter will einen Ausschuss des österreichischen Parlaments gerade noch „informieren“ und ihm allenfalls eine „begleitende Kontrolle“ einräumen, mehr nicht. Mit den Abnickern aus den Regierungsparteien glaubt sie schnell fertig zu werden. Und sie hat wohl recht damit.

Die Gewaltenteilung ist aufgehoben, die Exekutive hat die Legislative längst in die Tasche gesteckt. Die Abgeordneten lesen ja großteils nicht einmal die Gesetze, die sie beschließen, ihr Verständnis für komplizierte Finanztransaktionen ist beschränkt. Sie merken gar nicht, dass durch den bevorstehenden Verfassungsputsch das Königsrecht des Parlaments, die Repräsentation des Bürgers in Budgetfragen, durch ihre Zustimmung ausgehebelt wird. Immerhin werden wenigstens FPÖ und BZÖ den Knebelvertrag ablehnen, die „Grünen“ jedoch zustimmen. Sie verhandeln bereits, wie uns van der Bellen unterrichtet, mit der Regierung, und wie die Verhandlungen dieser Partei von Heuchlern mit der Regierung ausgehen werden, ist jetzt schon gewiss.

Der Putsch ist der eigentliche Skandal

Der Putsch durch eine unscheinbare Verfassungsänderung, mit der alle ursprünglichen Prinzipien der Europäischen Währungsunion (EWU) auf den Kopf gestellt werden, ist der eigentliche Skandal. Der ESM selbst gehört nicht zum EU-Recht, er beruht auf einem eigenen völkerrechtlichen Vertrag, der nach luxemburgischen Gesellschaftsrecht eine Art Aktiengesellschaft ins Leben ruft („a special purpose vehicle“, also eine „Zweckgesellschaft). Doch weil die „Verfassung“ der EU, der sog. „Lissabonvertrag“ (EUV und AEUV), von höherem Rang ist, dürfen völkerrechtliche Verträge zwischen den EU-Mitgliedern nicht der EU-Verfassung widersprechen.

Daher wird eine Verfassungsänderung notwendig. Diese, angeblich so „unscheinbare Verfassungsänderung“ geschieht durch einen Zusatz zu Art. 136 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU), der das Bailout-Verbot aufhebt. Der Zusatz lautet:

„Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren“.

Begleitet wird die jetzt die Einrichtung dieses „Stabilitätsmechanismus“ durch einen „Fiskalpakt“, der die Staaten zur Haushaltsdisziplin anhält, Er erwies sich jedoch schon bei der Unterzeichnung am 21. März 2012 als Placebo und wurde gebrochen. Spanien kündigte an, die Vorgaben nicht einhalten zu können. Der Fiskalpakt wird, so die Erwartung aller Fachleute, wohl das gleiche Schicksal erfahren wie der bei Schaffung der Währungsunion verabschiedete „Stabilitätspakt“ mit den bekannten „Maastricht-Kriterien“ (3 Prozent Defizit, 60 Prozent Gesamtverschuldung).

Er wurde ebenfalls schon bei der Einführung und später noch ungefähr sechzig Male gebrochen. Es lohnt sich nicht, diesen „Fiskalpakt“ näher zu betrachten, er dient allein dazu, den Abgeordneten eine Ausrede für ihre illegitime und gewissenlose Zustimmung zum ESM-Vertrag zu liefern. Ganz abgesehen davon stellt der streng keynesianische WIFO-Ökonom Stephan Schulmeister die Sinnhaftigkeit des Fiskalpakts immer weder mit guten Gründen in Frage Würde der Fiskalpakt durchgeführt wie geplant, so würde das gerade die „Rettung“ jener Staaten vereiteln, die Hilfen aus dem ESM in Anspruch nehmen müssen und alle anderen mit in die Depression stürzen. Schon werden Wachstumsprogramme aufgelegt, welche die Schulden gleich wieder erhöhen und den durch den Fiskalpakt vorgeschriebenen Schuldenabbau aufheben.

Die Regelung zur Einrichtung des ESM soll im „vereinfachten Vertragsänderungsverfahren“ gemäß Artikel 48, Absatz 6, EUV (EU-Vertrag) erfolgen. Der einzige Zweck dieses „vereinfachten Verfahrens“ ist die Ausschaltung der Parlamente und die Nichtabhaltung von Volksabstimmungen in Ländern, wo dies für die Ratifikation völkerrechtlicher Verträge und ihrer Änderung notwendig ist. Weil durch den ESM-Vertrag das ganze EURO-Konstrukt auf den Kopf gestellt wird, kommt dies einer Gesamtänderung der Verfassung  gleich, für die in Österreich eine Volksabstimmung zwingend erforderlich ist. Um sie zu vermeiden, deklarierte man einfach diese „unscheinbare“, in Wahrheit aber umstürzende, einer Revolution gleichkommende Einfügung zum Gegenstand des vereinfachten Verfahrens! Jetzt ist in Österreich nur noch eine 2/3-Mehrheit im Nationalrat für die Aufhebung des Bailout-Verbots notwendig.

Nach dem Lissabon-Vertrag ist durch eine „Nichtbeistandsklausel“ in ganz unmissverständlicher Weise das Bailout verboten:

„Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein“ (Art. 125 AEUV).

 Durch die Aufhebung  dieses  Kernstücks der nach deutschem Vorbild konzipierten „Stabilitätsunion“, wird die Europäische Währungsunion zu einer Schulden-, Haftungs- und Transferunion. Eine grundlegendere Verfassungsbestimmung, durch welche die ursprünglichen Prinzipien der EWU vollkommen verändert werden, ist kaum denkbar. Bundeskanzler Faymann hat sich vor den Wahlen zum Nationalrat verpflichtet, jede grundlegende Veränderung der Lissabonverträge einer Volksabstimmung zu unterziehen. Jetzt versucht er sich mit „dirty tricks“ seiner Verpflichtung zu entziehen und wird wortbrüchig.

Im Schuldensumpf für alle Ewigkeit

Der ESM-Vertrag enthält keine Auflösungs- und Austrittsklauseln. Er verpflichtet alle künftigen Generationen unseres Landes in alle Ewigkeit die Schulden anderer Länder zu übernehmen und zu bedienen, und das auf Kosten des eigenen Wohlstands. Die Haftung ist praktisch unbegrenzt. Wir haben uns nämlich verpflichtet, die Anteile am ESM auch jener Länder zu übernehmen, die Hilfen aus dem ESM erhalten oder ihren Vertragsverpflichtungen nicht nachkommen.

Suchen alle in Frage kommenden Länder, die so genannten „PIIGS“ (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien) um Hilfen an, dann können sich unsere Haftungen und Zahlungen verdoppeln oder verdreifachen. Außerdem werden die Kredite des IWF vorrangig zurückgezahlt und bedient, sodass auch dadurch das Haftungsrisiko nochmals erheblich steigt.

Nach der Zustimmung zum ESM sind wir  Österreicher praktisch an einer „Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung“ beteiligt, aus der wir nicht mehr herauskommen und damit „erpressbar geworden“ sind (Prof. Hans-Werner Sinn). Wir befinden uns dann auf dem sicheren „Weg in die Katastrophe“ (Prof. Max Otte). Schon seit den ersten, noch bescheidenen Beteiligungen konnten wir uns der ständigen „Aufstockungen“ und „Erweiterungen“ der nutzlosen Rettungsschirme nicht erwehren. Jetzt betragen Zahlungen und Haftungen für uns Österreicher mehr als 50 Milliarden EURO!

Wofür die zahlungskräftigen EURO-Mitglieder bereits zahlen und  haften

Wofür und in welchem Ausmaß wir Österreicher zahlen und haften müssen, weiß in Wahrheit niemand. Frau Fekter gab zuletzt (im „Standard“ vom 1. April 2012) eine Summe von 40 Milliarden EURO an, doch vergaß sie dabei die Zinsen und die bereits eingetretenen Ausfälle, nicht zuletzt verursacht durch Spekulationen von inländischen Banken. Zahlreiche Banken müssen Abschreibungen auf ihre Beteiligungen im Ausland vornehmen, die das Steueraufkommen mindern.

Die Steuerausfälle müssen von den Bürgern Österreichs durch erhöhte Zahlungen abgedeckt werden. Durch die bereits außer Kontrolle geratene Inflation erfolgt zusätzlich zur höheren Besteuerung eine „kalte Enteignung“ der Vermögen und Realeinkommen. EZB und Notenbanken haben die Geldschleusen geöffnet, neue Blasenbildungen zeichnen sich ab, die eher früher als später platzen und zu weiteren Belastungen führen werden.

Eine grobe Übersicht über weitgehend unbestrittene Zahlungs- und Haftungsbeträge der Gesamtheit der EURO-Länder weist folgende Positionen auf:

IWF-Anteil am Rettungsschirm (Haftung EURO-Länder!)

250 Mrd.

Bürgschaften für Hilfen aus dem EU-Haushalt (EFSM)

60 Mrd.

Bürgschaften aus dem EFSF (Vorgänger des ESM)

780 Mrd.

1. Rettungspaket für Griechenland (bilateral inkl. IWF)

109 Mrd.

 Privatentschuldung“ Griechenlands (dafür kommt größtenteils der Staat auf indirekte Weise in Form von Zinsdifferenzgeschenken an die Banken und durch Steuerausfälle auf)

110 Mrd.

EZB Ankäufe von Staatsanleihen der PIIGS (die nie zurückgezahlt werden!)

220 Mrd.

Target 2 Verbindlichkeiten der PIIGS (uneinbringlich!)

650 Mrd.

Geplante Aufstockung der IWF-Beteiligung durch EWU-Länder

150 Mrd.

In dieser horrenden Summe von 2.3 Billionen EURO sind Altbeteiligungen am Kapital des IWF oder der EZB, die natürlich ebenfalls nie zurückgezahlt werden, noch nicht enthalten. Auch die Verluste der EZB durch Abschreibungen auf uneinbringliche Forderungen gegenüber Banken und auf die von ihnen gestellten Sicherheiten („Collaterals“) lassen sich heute nicht beziffern. Die EZB hat ihre Bilanzsumme mit Hilfe ihrer Gelddruckmaschinen in wenigen Jahren auf rund drei Billionen EURO erhöht und damit verdreifacht! Und das bei praktisch stagnierender Realproduktion! Längst wird sie ihrer eigentlichen Aufgabe, für Preisstabilität zu sorgen, nicht mehr gerecht.

Österreich ist an den Unsummen mit ungefähr drei Prozent beteiligt. Wie hoch das daraus resultierende Risiko ist, lässt sich heute noch kaum abschätzen. Wir stecken jedenfalls bis zum Hals im Schuldensumpf.

Der Ausstieg ist machbar!

Trotzdem ist der Ausstieg machbar. Die von dem englischen, bankenunabhängigen Forschungsinstitut „Lombard Street Research“ im Auftrag der Niederländer erstellte Studie „Netherlands and the EURO“ (im Internet leicht abrufbar!) kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass selbst der sofortige Ausstieg auf jeden Fall für die Niederländer weit billiger käme als die Weiterführung der Währungsunion bis zum Jahr 2015 oder darüber hinaus. Selbst wenn die bereits geleisteten Zahlungen und noch bestehenden Zahlungsverpflichtungen voll abgeschrieben werden müssten, ist der Nutzen aus dem Ausstieg höher als die Kosten.

Die Studie räumt ein für allemal mit der falschen Behauptung auf, die Niederländer hätten von dem Beitritt zur Währungsunion „profitiert“. Tatsächlich war der Beitritt von Beginn an mit erheblichen Wohlstandsverlusten verbunden. Geringere Zuwächse an BIP und  Realeinkommen pro Kopf, Zunahme an prekären Arbeitsplätzen, höhere Budgetdefizite, höhere Arbeitslosenraten, höhere Abschreibung auf Leistungsbilanzüberschüsse, höhere Inflationsraten, Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Ländern wie Schweiz und Schweden lassen deutliche Nachteile aus der Mitgliedschaft in Währungsunion erkennen. Für die Niederländer wäre der sofortige Ausstieg aus der Eurozone sehr zu empfehlen. Die Gefahr einer überbordenden Aufwertung der eigenen Währung (dem Niederländischen Gulden) besteht nicht.

Die Ergebnisse dieser gründlichen Studie können ganz ohne Zweifel in hohem Maße auf Österreich übertragen werden. Auch für Österreich gilt, dass der schnellstmögliche Ausstieg aus der Währungsunion, die Nichtbeteiligung am ESM und die Rückkehr zur eigenen Währung die weitaus günstigste Option wäre.

Damit aber entsteht eine Verpflichtung für alle Abgeordneten, Journalisten, Meinngsführer und für alle Bürger, denen das Wohl des Landes und der künftigen Generationen am Herzen liegt, sich mit allen Kräften gegen den Putschversuch zu stemmen. Wenn wir diesen geplanten Putsch nicht verhindern, wird die ESM Mega Bad Bank sich auf uns legen wie eine Krake und mit ihren Fangarmen noch den letzten Blutstropfen aus unseren Adern saugen, bevor wir endgültig im Schuldensumpf versinken.

Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er war Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz. In seinem jüngsten Buch „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) bringt er die Gefahr der Entwicklung der Europäischen Union zu „Vereinigten Staaten von Europa“ in den Zusammenhang mit der Herausbildung der Neuen Weltordnung („Ordo Novus Saeculorum“).

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Sparen sollen die anderen drucken

Vom einstigen Staatsbankrott Argentiniens über die gegenwärtige Megakrise Spaniens bis zu Österreichs wachsenden Schuldenproblemen zieht sich ein blutige Spur: Während die Zentralregierungen irgendwann doch erkennen – wenn auch meist schon viel zu spät –, dass es mit der Big-Spender-Politik nicht mehr weitergeht, schmeißen die jeweiligen Provinzen weiter mit nicht eingenommenem Geld um sich. Das ist auch dann zutiefst provinziell, wenn die Provinzen beispielsweise Bundesländer heißen.

Diese Provinzialität hängt zum einen schon damit zusammen, dass in Provinz- und Landesregierungen in der Regel niemand mit einem sonderlichen volkswirtschaftlichen oder währungspolitischen Sachverstand sitzt. Ein solcher gehört ja nicht wirklich zur Job-Beschreibung, wenn jemand in die Regionalpolitik eintritt. Dort wird man meist nur dann erfolgreich, wenn  man möglichst viele Kreisverkehre, Kindergärten, Sommerfestivals oder Freizeiteinrichtungen eröffnet. Aber nicht, wenn man für Sparsamkeit, ausgeglichene Budgets und globale Wettbewerbsfähigkeit eintritt. Solche Eigenschaften werden von den Wählern – wenn überhaupt – dann höchstens nur bei Angehörigen von Zentralregierungen geschätzt.

Besonders schlimm wirkt sich der Provinzialismus aus, wenn sich die Provinz-Capos bei ihren Einnahmen nicht gegenüber dem Steuerzahler verantworten müssen, sondern nur beim jeweiligen Finanzminister ihr Geld zu holen haben. Wie es etwa in Österreich der Fall ist, wo (bis auf geringfügige Ausnahmen) der Finanzminister die Bürger sowohl für den Bund wie auch die Länder schröpft. Statt dass auch jede Landesregierung selber den Bürgern gegenüber ihre Einnahmen und Ausgaben rechtfertigen müsste.

Die Länder müssen in Österreich nur alle fünf Jahre das Verteilungsmatch gegen den Finanzminister gewinnen. Da gewinnt immer die Provinz. Dies schon deshalb – so absurd das eigentlich ist –, weil sie an politischer Artikulationsmacht neun Mal so viel Stimmgewicht haben wie der einsame Finanzminister. Das wird in den nächsten Wochen wohl auch Maria Fekter erleben. So wie ihre roten, blauen und schwarzen Vorläufer.

Sie hat es ja besonders schwer, weil sie gegen die Front der Landeshauptleute und Landesfinanzreferenten nicht einmal die Unterstützung des eigenen Bundeskanzlers hat. Dieser hält sich wie ein nur wenig interessierter Unbeteiligter abseits. Obwohl Werner Faymann eigentlich selber im Europäischen Rat der Regierungschefs die Verpflichtung auch zur Sparsamkeit der Bundesländer unterschrieben hat.

Bundesländer: Nur keine Sparregeln

Fekter will die Bundesländer zu dauerhaften Haushaltsregeln zwingen. Was die aber keinesfalls wollen. Damit machen die Landeshauptleute eines klar: Sie haben in keiner Weise verstanden, dass die Zeiten der Schuldenmacherei dauerhaft vorbei sind. Sie haben nicht verstanden, dass jedes einzelne Bundesland die Kreditwürdigkeit der ganzen Republik bedrohen kann.

Die Bundesländer hüllen ihre Sparunwilligkeit in einen Wust von Worten. So als ob es letztlich entscheidend wäre, was genau schon bei welcher Sitzung beschlossen worden ist. Es kann nur um eines gehen: Was ist notwendig und sinnvoll?

Noch absurder ist die Argumentation etwa des Wiener Landeshauptmannes, dass man zuerst wissen müsse, was man einnehmen werde, bevor man sich bei den Ausgaben zu Sparsamkeit verpflichten könne. Michael Häupl: „Man kann nicht künftige Ausgaben planen, ohne die Einnahmen zu kennen.“ Der natürlich gegebene Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben dürfte aber in einer logischen Welt nur dazu führen, dass man die Ausgaben stets anpassen oder so zurückhaltend planen muss, damit man stets mit den Einnahmen auskommt. Keinesfalls kann jedoch die Konsequenz aus diesem Zusammenhang sein, dass man bei den Ausgaben tun kann, was man will, weil halt niemand die Einnahmen im Voraus genau planen kann.

In der Volkswirtschaft und Konjunktur ist es eben nicht so wie bei Beamtengehältern, dass man schon zehn Jahre voraus genau weiß, was man verdienen wird (auch wenn die Wirtschaftsforschungsinstitute mit ihren aufs Zehntel Prozent genauen Prognosen diesen Eindruck zu erwecken versuchen – aber mit ihren Prognosen bekanntlich immer total falsch liegen).

Entmündigung als Ideallösung

Gewiss kann man den Fekterschen Plänen entgegenhalten, dass die Verdonnerung zu Strafzahlungen für ein schon überschuldetes Bundesland irgendwie kontraproduktiv ist. Die Exekution von Strafzahlungen ist in einem konkreten Anlassfall ökonomisch wie politisch kaum durchzustehen.

Aber die Alternative kann ja nicht darin bestehen, dass die Bundesländer weiterhin ungehindert sündigen dürfen. Die wahre und wirklich sinnvolle Alternative wäre es, ein unerlaubte Defizite produzierendes Bundesland zu entmündigen, ihm einfach bestimmte Ausgaben zu verbieten, das Land zum Abbau von Beamten und zum Verkauf von Landesbetrieben zu zwingen. So wie es ein Bundesland gegenüber einer bankrotten Gemeinde tun kann. So wie es die EU nun in ersten Ansätzen gegenüber sündigen Mitgliedsstaaten tut. Da aber die Bundesländer Niederösterreich, Kärnten und Wien auf Grund ihrer Schuldensucht als erste besachwaltert werden müssten, ist es klar, dass eine solche Konstruktion erst nach einer noch viel größeren Krise kommen wird. Derzeit sind die drei Landesfürsten in all ihrer dumpfen Engstirnigkeit die politischen Schwergewichte ihrer Partei. Und sie können dort alles verhindern.

Aber auch bei den nun diskutierten Plänen automatischer Strafzahlungen wird von den stolzen Plänen der Ministerin halt kaum etwas überbleiben. Die Landeshauptleute wollen nur eines: wiedergewählt werden und nicht sparen.

SPD-Hilfe für Fekter

Viel besser waren die Karten der Ministerin gegenüber der Schweiz. Da hat sie wider alle Prophezeiungen von Opposition und Skeptikern sehr rasch und schnell das Abkommen zur Besteuerung der Gelder von Auslandsösterreichern durchgebracht. Was ihr zusammen mit den zuletzt überraschend breit fließenden Steuereinnahmen hilft, das Defizit zu reduzieren (vom Schuldenabbau sind wir freilich noch weit entfernt).

Das ist ein schöner Erfolg für die hantige Oberösterreicherin. Fekter hat dabei zweifellos von dem populistischen Taktieren der deutschen Linksparteien profitiert, die vorerst das parallele Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz sabotieren. Sie lehnen – zumindest bis zu den nächsten Regionalwahlen – aus taktischen Gründen ein solches Abkommen ab. Das hat wiederum die Schweiz dazu motiviert, möglichst rasch und unkompliziert mit den Österreichern zu verhandeln, um so die Fronten der Gegner aufzuspalten.

Besser die Milliarde in der Hand als die reine Lehre auf dem Dach

Das Herumstänkern eines pensionierten Wiener Universitätsprofessors gegen ein solches Abkommen ist absurd. Denn die Alternative wäre lediglich, dass Österreich vorerst gar kein Geld bekommt. Statt eines Abkommens nur darauf zu warten, dass die EU eines Tages kollektiv die Schweiz dazu zwingen kann, die Namen und Daten aller ausländischen Kontobesitzer herzugeben, kann noch Jahre dauern. Wenn es überhaupt jemals so weit sein wird. In dieser Zeit würde kein Geld nach Österreich fließen.

Außerdem sind die meisten Gelder aus Österreich schon so lange in der Schweiz, dass alle Steuervergehen inzwischen verjährt sind. Daher würde auch eine konkrete Nennung der Namen von Geld-Flüchtlingen durch die Schweiz nichts bringen.

Echte Steuerhinterzieher haben in den letzten Jahren daher meist längst den Weg in asiatische und lateinamerikanische Destinationen angetreten. Wer heute Geld in der Schweiz hat, tut dies überwiegend nur noch deshalb, weil er darauf vertraut, dass dort das Geld sicherer angelegt ist als in Österreich. Und dass sich der Franken besser entwickeln wird als der Euro. Was beides keine ganz grundlosen Annahmen sind.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Kurzanalyse zur politischen Situation: Die Piraten kommen drucken

Die Piraten kommen – so könnte der kleinste gemeinsame Nenner einer Kurzformel zur deutschen und österreichischen Politik im April 2012 lauten. Jedenfalls könnten die Piraten den Einzug in zwei deutsche Landtage im Mai schaffen und in Österreich machen im Wochentakt neue Parteien und „W(M)utbürger“-Gruppen von sich reden.

Vor allem in Österreich scheint das Unbehagen am gegenwärtigen politischen System einen neuen Höchststand erreicht zu haben. „Stillstand und Anstand“ hatte Josef Pröll vor ziemlich genau einem Jahr bei seinem Abschied aus der Politik als die zwei Hauptproblemfelder benannt. Daran hat sich im Bewusstsein der Bevölkerung trotz des Konsolidierungspaketes der Bundesregierung nichts geändert – im Gegenteil, fast hat es den Anschein, als könnte das Krebsübel Korruption Österreichs Demokratie von innen zerstören.

Auch wenn es wichtig ist, für Anstand und saubere Spielregeln zu sorgen und bei Missständen rasch durchzugreifen und nichts relativiert werden soll: Es ist nicht so, dass Korruption ein Phänomen des Österreich 2011/12 wäre. Immer wieder gab es seit 1945 Phasen, in denen Korruption verstärkt an die Öffentlichkeit geriet: Krauland, Haselgruber, Olah, AKH Wien, Bauring Wien, Autobahn Strengberg etc. Entscheidend ist, wie damit umgegangen wird. Die Selbstreinigungskraft der Demokratie ist gefordert, Transparenz ist ein Gebot.

In diesem Klima nimmt es nicht Wunder, dass nicht nur die „Piraten“ mit diffusem Programm angespornt durch die deutschen Wahlerfolge in Österreich bei den nächsten Nationalratswahlen kandidieren wollen, sondern, dass über diverse neue Parteien spekuliert wird: Die Online Partei Österreichs (OPÖ) hat sich bereits konstituiert, die Gruppe „Österreich spricht“ ebenfalls, was Frank Stronach macht, ist noch offen. „Mein Österreich“ sammelt bereits Unterschriften für das Demokratiebegehren.

Umfragen zeigen, dass die „Piraten“ allen Parteien, auch den Grünen, die ebenfalls bereits zum Establishment gezählt werden, Stimmen wegnehmen.

Für das BZÖ kann das Antreten einer neuen Partei sogar existenziell gefährlich werden – in Österreichs Nationalratswahlrecht gilt ja die 4-Prozenthürde. Andererseits sieht es so aus, als ob keine der drei Parteien, die mit über 20 Prozent gemessen werden, also SPÖ, FPÖ und ÖVP – die nunmehr schon relativ lang relativ konstant auf Platz 3 rangiert –, über 30 Prozent kommen wird.

Es stellt sich also die Frage, welche Koalitionsbildung nach der Nationalratswahl 2013 möglich sein wird – viel wird auch davon abhängen, ob neben SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen noch eine weitere Partei ins Parlament kommt. Das ist bei mehreren weiteren Kandidaturen und der Verkleinerung des Nationalrates von 183 auf 165 Abgeordnete mehr als offen.

Faktum ist es, dass sowohl SPÖ als auch ÖVP in der Koalition erodieren – kamen sie 1986 – vor Bildung der Großen Koalition 1987 – noch auf 84,4 Prozent der gültigen Stimmen, erhielten sie 2008 nur mehr 55,2 Prozent und jetzt laut Umfragen nur mehr knapp über 50 Prozent. 2008 war übrigens die Gruppe der Nicht- und Ungültigwähler erstmals größer als die stimmenstärkste Partei. Die SPÖ erhielt 1,430.206 Stimmen und fiel erstmals unter die 30-Prozentgrenze, es gab 1,445.800 Nicht- bzw. Ungültigwähler.

Die letzten Umfragen zeigen folgendes Bild, wobei auffällt, dass die FPÖ zwar auf Platz 2, Strache in der Kanzlerfrage aber nur auf Platz 3 rangiert – ein Hinweis darauf, dass die FPÖ hauptsächlich als Protestpartei wahrgenommen wird.

Parteien Nationalratswahl

Datum

Institut/Medium

SPÖ

ÖVP

FPÖ

BZÖ

GRÜNE

NRW2008

Endergebnis

29,26

25,98

17,54

10,70

10,43

12.3.12

OGM/Kurier

28

24

27

4

15

19.3.12

Market/Standard

29

24

27

4

15

23.3.12

Hajek/Format

29

23

27

6

13

6.4.12

Karmasin/profil

29

23

27

2

13

8.4.12

Gallup/Österreich

28

22

28

4

14

 

Fiktive Kanzler-Direktwahl

Datum

Institut/Medium

Faymann

Spindelegger

Strache

Glawischnig

Bucher

12.3.12

OGM/Kurier

18

16

15

7

3

19.3.12

Market/Standard

22+5*

9+5

9+5

23.3.12

Hajek/Format

19

12

14

 6

4

6.4.12

Karmasin/profil

18

14

13

 6

8.4.12

Gallup/Österreich

22

16

14

*plus Nachfrage bei Unentschlossenen

GALLUP hat für „Österreich“ auch erhoben, was ein Antreten der Piraten- bzw. der Stronach-Partei bewirken würde, die übrigens derzeit 7 (Piraten) bzw. 6 Prozent (Stronach) erreichen würden:

„Am meisten würden laut Gallup SPÖ und FPÖ verlieren. Beide würden von 28 Prozent auf rund 25 Prozent stürzen. Die ÖVP bliebe mit 22 Prozent stabil. Stark betroffen wären die Grünen: Diese würden dann auf nur noch zehn Prozent kommen. Für das BZÖ wäre dies das Ende: Es würde auf maximal drei Prozent kommen und aus dem Nationalrat fliegen.“

Deutschland: Überlebenskampf der FDP, Kanzlerin Merkel im Hoch

Die Piraten kommen – das kann man nach dem sensationellen Berliner Wahlergebnis und dem überraschenden Einzug in den Saarländer Landtag im März 2012 feststellen. Umfragen sagen auch ihren möglichen Einzug in die Landtage in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen voraus, wo am 6. bzw. 13. Mai vorzeitig gewählt wird. Umgekehrt wird der FDP in beiden Landtagen das „Aus“ prophezeit, so wie es schon im Saarland und bei den Landtagswahlen davor erfolgte.

Auch bundesweit verfehlten die traditionsreichen Liberalen die deutsche 5-Prozenthürde in den letzten Monaten deutlich (erst die nach Ostern veröffentlichte Forsa-Umfrage gibt wieder einen Hoffnungsschimmer), sodass der CDU sowohl auf der Bundesebene als auch in den Ländern ein potentieller Koalitionspartner abhanden kommen könnte, was für Angela Merkel umso schmerzlicher wäre, weil sie selbst seit Monaten im Popularitätshoch ist – wohl auch wegen ihrer Rolle in der Euro-Diskussion. So konnte sich die CDU im Saarland überraschend deutlich in der Führungsrolle behaupten. Andererseits ging der Frankfurter Oberbürgermeister-Posten verloren.

Ob die „Piraten“ ohne klare Führungsstruktur und mit wenigen programmatischen Positionen mehr als ein politisches Kurzzeitphänomen sind, wird sich weisen. Im Saarland wurden sie sogar stärker als die Grünen, denen sie deutlich Stimmenpotential abgraben (dasselbe Bild zeigt auch die jüngste bundesweite Umfrage). Die Linke scheint ebenfalls bereits ihren Zenit überschritten zu haben – sogar in der Heimat von Oskar Lafontaine, also im Saarland, wo er einmal Ministerpräsident und auch Oberbürgermeister der Landeshauptstadt war, gab es deutliche Verluste, bei den beiden anderen Landtagswahlen ist das „Aus“ prognostiziert.

Die jüngste bundesweite Umfrage (Forsa) ergab folgendes Bild in Prozent – Gewinn/Verlust gegenüber der Bundestagswahl 2009:

CDU/CSU

36

+ 2,2

SPD

24

+1,0

Grüne

11

+ 0,3

Piraten

13

+ 11,0

Linke

8

- 3,9

FDP

5

- 9,6

Die Landtagswahl im kleinsten deutschen Bundesland, im Saarland mit rund 800.000 Wahlberechtigten, war notwendig geworden, weil die schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition unter CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Knarrenberger zerbrochen war. Nunmehr wird eine CDU/SPD-Koalition unter ihrer Führung erwartet. Das Wahlergebnis vom 25. März in Prozent – Gewinn/Verlust zur letzten Landtagswahl (Die Wahlbeteiligung lag bei 61,6 %, das sind - 6,0 %):

CDU

35,2

+ 0,7

SPD

30,5

+ 6,1

Linke

16,1

- 7,2

FDP

1,2

- 8,0

Grüne

5,0

- 0,9

Piraten

7,4

+ 7,4

In Schleswig-Holstein tritt der CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen nicht mehr an. Es duellieren sich der bisherige Landesminister Jost de Jager (CDU) und der Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig (SPD) als Spitzenkandidaten. Es gilt ein Machtwechsel als sehr wahrscheinlich, da die FDP der CDU als potentieller Koalitionspartner abhanden zu kommen droht.

Eine Dimap-Umfrage von Ende März ergibt folgendes Bild in Prozent – Gewinn/Verlust gegenüber der letzten Landtagswahl:

CDU

34

+ 2,5

SPD

32

+ 6,6

Grüne

15

+ 2,6

FDP

4

- 10,9

Linke

4

- 6,0

SSW

4

- 0,3*

Piraten

5

+ 3,2

*für den SSW (Südschleswigschen Wählerverband) gilt die 5-Prozenthürde nicht, weil er die Partei der dänischen Minderheit ist und ungeachtet dieser Hürde in den Landtag kommt.

Am 13. Mai wählt das einwohnerstärkste deutsche Bundesland – Nordrhein-Westfalen – vorzeitig. Dort wurde 2010 eine CDU-geführte Regierung durch eine rot-grüne Koalition abgelöst, die zwar keine Mehrheit im Landtag hatte, aber in wichtigen Abstimmungen die Mehrheit durch FDP oder Linke erhielt. Kürzlich scheiterte sie an der FDP bei einer Budgetabstimmung, die sich damit selbst ins Out manövrierte.

Rot-grün hat gute Chancen unter Ministerpräsident Hannelore Kraft an der Macht zu bleiben, da der CDU-Herausforderer Bundesumweltminister Norbert Röttgen – an sich ein Hoffnungsträger der Union – sich einen schweren taktischen Schnitzer leistete, indem er sich nicht festlegen wollte, ob er im Fall einer Wahlniederlage Oppositionsführer in Düsseldorf wird, was alle dahingehend deuteten, dass er dann in Berlin in seinem Ministeramt bleiben will.

Die Umfragesituation von Ende März zeigt folgendes Bild in Prozent – Gewinn/Verlust gegenüber der letzten Landtagswahl:

CDU

32

- 2,6

SPD

40

+ 5,5

Grüne

12

- 0,1

FDP

4

- 2,7

Linke

3

- 1,6

Piraten

5

+ 3,4

Professor Herwig Hösele war Präsident des Bundesrates (ÖVP) und ist als Geschäftsführer der „Dreischritt GmbH" und der „public opinion GmbH" publizistisch tätig. Er erstellt vor allem politische und strategische Analysen.

Rückfragen unter h.hoesele@dreischritt.at bzw. 0664 / 18 17 481.

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Wie hat man doch emsig, beinah virtuos
mit tönenden Phrasen gelogen,
für uns aber schamlos das mieseste Los,
das Alternativlos gezogen!

Wohin wir auch blicken, bedienen sich nur
Halunken, von Dreistigkeit trunken –
was sind das für Brüder, wo gibt’s eine Spur
von Freude, von göttlichem Funken?

Bereits Billionen verschlang das Konstrukt,
vertan auf verworrenen Pfaden,
indes wird Europa von andern verschluckt,
und wir haben Spott noch zum Schaden.

Man sträubt sich beharrlich – auch das weckt Verdacht –
zumindest das Gold heimzuholen,
ja selbst uns zu sagen, wer wo es bewacht –
verhehlt man gar, dass es gestohlen?

Statt dessen wird weiter ein Irrweg borniert
als alternativlos verteidigt,
wird weiter sophistisch herumschwadroniert,
wird Hausverstand gröblich beleidigt:

Europa, so heißt’s, sei ein Friedensprojekt
und dürfe schon darum nicht scheitern –
wenn hilflos der Karren im Schuldensumpf steckt,
kann solches bloß bitter erheitern.

Und ist man verwickelt in Kriege zugleich
für Ziele, die nicht unsre Sache,
erweist es noch mehr sich als ehrloser Streich,
denn uns hier trifft letztlich die Rache.

Daher endlich Schluss mit gefrömmeltem Schein
von Alternativlosereien!
Nur Mut, um vereint ein entschlossenes Nein
dem Wahnwitz entgegenzuschreien!

Pannonicus

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Rettersyndrom mit Infrarot oder: Das Lob des Nichts-Tuns drucken

Es ist in 90 Prozent der Fälle das Beste und Richtigste, was Politiker tun sollten: Nichts. Aber gerade das fällt ihnen am schwersten. Weil sie doch wichtig sein wollen. Weil Nichts-Tun doch unpopulär klingt. Weil der elektronische und gedruckte Boulevard doch ständig nach hektischer Aktivität der Politik ruft. Gerade noch das Osterwetter hat man ihnen bisher nicht zur Rettung aufgehalst – während sie aber schon längst sogar das Weltklima ununterbrochen retten sollen und wollen.

Diese Klimarettung wird ja mit großer Sicherheit einst in die Geschichtsbücher als die große vielbelachte Skurrilität dieser Epochen eingehen. Ähnlich dem Glauben an den Weltuntergang rund um das Jahr 1000 oder ein paar Jahrhunderte später jenem an die Erde als Mittelpunkt des Weltalls.

Aber abgesehen vom Kriegführen haben die Politiker durch ihr Tun, durch ihre Einbildung, ständig etwas retten zu müssen, zweifellos in der Wirtschaft den größten Schaden angerichtet. Nur einige aktuelle Beispiele für verheerende Folgen des Rettungs-Wahns der Politik: So ermöglichte es die Rettung der ÖVAG (Österreichs oberster Volksbank) durch die Politik dem ganzen Volksbank-Sektor, sofort wieder aggressiv die Konkurrenz anzugreifen. Aus Tirol berichtet die Bank Austria etwa von einer Volksbank, die ihren Kunden zusammen mit der Wohnfinanzierung für zwei Jahre eine Eigenheimversicherung und dazu eine Infrarotkabine im Wert von 5390 Euro schenkt. Was unter normalen Umständen ein lustiger Wettbewerb ist, wird durch das Eingreifen des Staates kriminell.

Denn die Konkurrenz ist zu Recht empört: Bedient sich doch die Politik für ihre Rettungsaktionen zunehmend in den Kassen jener Banken, die überhaupt noch eine solche an Stelle eines riesigen Lochs haben. Das Maximalste, was die Politik bei der ÖVAG genauso wie bei der Hypo-Alpen-Adria tun hätte sollen, wäre es gewesen, eine geordnete Abwicklung sicherzustellen, also ein chaosfreies Zusperren.

Aber durch ihr ständiges manisches Helfersyndrom macht sie alles noch viel schlimmer. Wenn man nämlich verhindert, dass kranke Firmen sterben, wenn man diese zu Lasten der gesunden rettet, macht man eine ganze Branche kaputt. Und es gibt nur wenige Bankexperten, die nicht überzeugt sind, dass es in Österreich viel zu viele Banken gibt.

Schumpeters mutiges Rezept

Der große österreichische Ökonom Joseph Schumpeter hat daher auch schon vor über hundert Jahren das Hohelied der schöpferischen Zerstörung gesungen. Nur wenn man das Alte sterben lässt, kann Neues, Besseres, Zukunftsfähiges entstehen. Denn weder im Leben noch in der Wirtschaft kann es etwas Ewiges geben. Und so schmerzhaft es auch ist, wenn altvertraute Firmen und Arbeitsplätze untergehen, so sehr ist dieser Untergang doch notwendig, um den Wohlstand aller zu verteidigen.

Das hat auch die deutsche Politik nicht begriffen, so gut Deutschland – als Folge von zwei Jahrzehnten gewerkschaftlicher Lohnzurückhaltung – heute an sich im Vergleich zum Rest der Eurozone dasteht. Aber dennoch gilt: Auch Europas stärkstes Land wird sich noch ein paar Kapitalfehler wie die Rettung von Opel nicht leisten können. Opel war und ist einfach in dem mit gewaltigen Überkapazitäten ausgestatteten globalen Automarkt ebensowenig überlebensfähig wie Italiens Fiat.

Aber die Politik begreift das nicht. Oder sie traut sich nicht, es den Wählern zu sagen. Wie auch das nächste Beispiel zeigt: Vor allem die SPD, aber auch die CDU und die Grünen wollen nun mit Steuergeld die Drogeriekette Schlecker retten. Als ob es in Deutschland zu wenig solcher Ketten gäbe. Als ob die Konsumenten nur aus Blödheit Schlecker gemieden hätten.

Zum Glück hat die FDP bisher diese teure „Rettung“ verhindern können. Aber niemand weiß, wie lange es diese Partei überhaupt noch gibt. Nach ihrem Tod wäre dem wirtschaftspolitischen Populismus auch in Deutschland überhaupt jedes Tor geöffnet. Denn auch bei der SPD geben nicht mehr die relativ mutigen Münteferings und Schröders den Ton an. Und ob sich Steinbrück durchsetzt, ist mehr als zweifelhaft.

Zwischen Schweden und Österreich

Schweden hingegen hat das Glück einer mutigeren und weniger populistischen Regierung: Unter konservativer Führung hat sich das Land bisher konsequent geweigert, den maroden Autokonzern Saab zu retten. Es ist also kein Wunder, dass Schweden heute das Land ist, in das viele Investoren strömen. Sie wissen zwar, dass die Löhne dort hoch sind. Aber sie wissen auch, dass sie dort nicht wie anderswo ausgeraubt werden, um kostspielige Rettungsaktionen der Politik zu finanzieren.

Sie wissen auch, dass sie dort nicht im österreichischen Ausmaß vom Sozialstaat schikaniert werden: So gibt es etwa in Schweden viel weniger Krankenstandstage, weil jeweils der erste Tag vom Gehalt oder Urlaub abgezogen wird. Was vor allem an Mon- und Freitagen die Präsenz der Arbeitnehmer unglaublich erhöht hat.

Ganz anders in Österreich: Hier hat die Regierung schon in der ersten „Rettungs“-Phase nach Ausbruch der Krise (noch unter Josef Pröll und dem Boulevard-Frühstücksdirektor Werner Faymann) Banken- und Kursgewinnsteuern eingeführt. Heute steht sie vor den Trümmern dieser Politik, ignoriert das aber: Der Umsatz der Wiener Börse ist binnen eines Jahres um nicht weniger als 52 Prozent eingebrochen. Und vergleicht man mit einem fünf Jahre zurückliegenden Zeitpunkt, dann waren damals die Börseumsätze in Wien sogar viermal höher.

Was interessiert mich die Börse, werden da manche fragen. Nun: die Börse ist der international übliche Platz, wo sich Unternehmen das Geld zum Aus- und Aufbau holen. Diese Funktion wird in Zeiten doppelt wichtig, da die Kreditvergabe an Unternehmen auf Grund einer Vielzahl chaotisch und überlappend in Kraft tretender neuer Regulierungsbemühungen der internationalen und österreichischen Politik deutlich schwieriger wird. Gleichzeitig ist ja auch die Sparquote der österreichischen Haushalte dramatisch abgestürzt.

Wenn sich aber die Wirtschaft nicht mehr refinanzieren kann, dann gibt es weniger Arbeitsplätze und weniger Steuereinnahmen. Insofern ist die Börse also für alle wichtig und nicht nur ein Teufelszeug des Karl-Heinz Grasser.

Crashkurs Solarenergie

Ein ähnliches Chaos hat die Politik auch beim Stichwort Alternativenergien angerichtet. Dort ließ sie sich von geschickten und mit der grünmedialen Hysteriemaschinerie verbündeten Geschäftemachern in eine Panik treiben, dass die Welt bald aus Schuld der Menschen den Hitzetod sterben werde. Die europäische Politik hat deshalb die Förderungen für Alternativenergien so gewaltig in die Höhe getrieben, dass das schlimme Konsequenzen hat: Viele Arbeitsplätze wurden angesichts der (zur Finanzierung dieser Förderungen) überhöhten Energiekosten abgebaut oder ins nichteuropäische Ausland transferiert.

Eine Zeitlang konnte sich die Regierungen von Spanien bis ins Wiener Landwirtschaftsministerium rühmen, dass sie dafür viele „Grüne Jobs“ geschaffen hätten. Was jedoch eine Selbsttäuschung war. Denn dabei wurden weit mehr Jobs zerstört als neu geschaffen. Und inzwischen brechen auch diese Grünen Jobs schon wieder nach der Reihe weg. Vor allem China produziert heute billig und massenweise die Solarzellen, die den europäischen Alternativenergiemarkt überschwemmen und von den Förderungen profitieren.Während die europäischen und amerikanischen Fabriken überschuldet zusperren müssen.

Selbst der linke „Spiegel“ musste dieser Tage angesichts einiger Megapleiten zwischen Amerika und Europa zugeben: „Die Asiaten haben die hiesigen Firmen uneinholbar abgehängt – Hauptgrund dafür ist ausgerechnet der Förder-Boom der letzten Jahre.“ Die europäischen Produzenten haben sich auf die fetten Förderungen verlassen und auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit vergessen.

Jetzt ist das Fördergeld weg. Und die Politik muss zugleich verschämt ihr Eigenlob als Retterin des Klimas und Schöpferin vieler grüner Jobs verräumen.

Das heißt nun nicht, dass Solarenergie keine Zukunft hat. Aber diese hat sie nur im sonnigen Süden und nicht im oft wochenlang von Wolken und Nebel bedeckten Deutschland oder Österreich. Und jedenfalls hat sie erst dann eine Zukunft, wenn sie konkurrenzfähig ist. Also wenn die Energiepreise auf Grund der  wachsenden Nachfrage so weit gestiegen sind, dass sich auch Solaranalagen ohne Förderungen zu Lasten Dritter rentieren.

Angesichts der hohen Förderungen hat auch weitgehend der entscheidende Anreiz gefehlt, intensiv nach billigen und effizienten Alternativenergien zu forschen. Forschung funktioniert aber immer besser, wenn sich die Wirtschaft ohne wichtigmacherische – dabei jedoch populistisch auf jeden Modetrend hineinfallende – staatliche Einmischung ganz nach dem Marktbedingungen richten kann und muss. Denn nur dann kann sie der angewandten Forschung auch eine sinnvolle Richtung vorgeben.

Innovation statt Bewahren

Diese vielen handfesten Beispiele zeigen: Die Politik soll sich möglichst draußen halten. Fast jedes Mal, wenn sie sich einmischt, entsteht Schaden, oft an ganz unerwarteter  Stelle.

Auch Schumpeter und die Theoretiker der Österreichischen Schule der Nationalökonomie haben schon lange gezeigt: Wirtschaft lebt von der Innovation und Anpassungsfähigkeit, nicht vom Bewahren. Auch wenn dieses sehr populär ist. Aber das Bewahren wirtschaftlicher Strukturen bedeutet in Wahrheit, dass die europäischen Ökonomien auf einen historischen Stand eingefroren würden.

Man denke nur an die Konsequenzen, wenn schon im Gegensatz zur industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts das Bewahren angesagt gewesen wäre: Dann wäre noch mehr als die Hälfte der Menschen in der Landwirtschaft tätig, unter oft erbärmlichen, jedem Unwetter und jeder Dürre ausgesetzten Lebensumständen. Und mit der halben Lebenserwartung von heute.

Unternehmerische Initiative bringt ständige Änderung, Sterben und Neuentstehen. Aber wer sich dem verweigert, stirbt am sichersten. Oder um noch einmal den „Spiegel“ zu zitieren: „Es nutzt dem letzten Hersteller von Kutschen nichts, wenn er seine internen Prozesse und sein Marketing optimiert, wenn die Menschen Automobile verlangen.“

Gelddrucken ist keine Alternative

Und es nutzt schon gar nichts, wenn Europa glaubt, die notwendigen Anpassungen seiner Wirtschaft und vor allem seiner maßlos aufgeblähten Sozialsysteme durch hektisches Drucken von neuem Geld vermeiden zu können. Zwar hat die gigantische Billion Euro, mit denen die EZB die Märkte überschwemmt hat, ein paar Monate lang die Krise wegspülen können. Aber die Überflutungsmethode wirkt immer weniger und immer kürzer: So sind in Spanien schon vor Ostern die Zinsen für die dortigen Staatsanleihen wieder in unfinanzierbare Höhen gestiegen.

Während die Deutschen für zehnjährige Staatsanleihen deutlich weniger als 2 Prozent zahlen müssen, müssen die Spanier  dem Markt trotz der Geldflut inzwischen schon wieder 5,7 Prozent bieten. Was sie nie und nimmer finanzieren können. Beträgt doch die spanische Arbeitslosigkeit jetzt schon 23 Prozent. Und schon die Hälfte der Jungen findet keinen Job mehr – weil der Staat in einer früheren Phase des Rettersyndroms die Jobs so sehr verteuert und auf Gewerkschaftsverlangen „sicher“ (=unkündbar) gemacht hat, dass fast kein Arbeitgeber mehr neue Dauerjobs anbietet.

Aber eines ist absolut gewiss: Eine Rettung Spaniens nach dem Muster Griechenlands würde sämtliche Kräfte Europas überfordern. Selbst wenn sich seine Regierungschefs noch so sehr um kollektives Retter-Gehabe bemühen. Gleichzeitig könnte aber die soziale Unzufriedenheit in dem heißblütigen Land in absehbarer Zeit zu einer Explosion führen, von der niemand unberührt bleibt. Dann aber kann niemand mehr irgendwen retten, weil wir schon so viel gerettet haben.

PS.: Politikern fiele das Nichts-tun übrigens auch dann viel leichter, wenn es viel weniger von ihnen gäbe. Denn jeder Abgeordnete, jeder Minister, jeder Landesrat mehr will zusätzliche Spuren ins Buch der Geschichte eingravieren, also in Wahrheit zusätzliche Schäden verursachen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Aufwiegelung drucken

Dieses Wochenende haben wir ständig in den ORF Nachrichten gehört: „ab Sonntag muss jedes Telefongespräch und jede E-Mail für 6 Monate gespeichert werden." (z.B.: http://orf.at/stories/2112902/) So tönte es zu jeder vollen Stunde im Radio, und am Abend sogar im Fernsehen. Ein ganz normaler Vorgang: Die größte Medienorgel des Landes, finanziert durch unser aller Gebühren, hat uns lediglich über ein neues Gesetz informiert. Irgendwelche Zweifel?

Jetzt überlegt wohl jeder, was er demnächst am Telefon sagt. Wird ja schließlich aufgezeichnet. Und die Liebeserklärung in der E-Mail an die heimliche Freundin, die lassen wir wohl auch lieber weg. Wird ja alles gespeichert! Irgendwelche Zweifel?

Die ersten Zweifel befallen jene Österreicher, die zufällig einen EDV-Techniker im Bekanntenkreis haben. Da kommen dann Meldungen wie: „Sämtliche Speicherkapazitäten (Festplatten, Datenbänder, USB-Sticks…) in Österreich reichen nicht aus, um alle Telefongespräche und E-Mails auch nur ein paar Stunden aufzuzeichnen." Also was jetzt?

Tatsächlich hat der ORF in den letzten Tagen eine glatte Falschinformation verbreitet. Gespeichert werden lediglich Verbindungsdaten, also wer mit wem wann wie lange telefoniert oder E-Mails schickt. Den Inhalt dieser Verbindung – also das Gespräch oder die Mail selbst – kann und will niemand aufzeichnen. Das wäre nämlich ein klarer Bruch des Briefgeheimisses, und somit ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte jedes Bürgers.

Bleibt die Frage: warum verbreitet der ORF so hartnäckig offensichtliche Falschinformation?
Wie bereits dargelegt, werden die Verbindungsdaten von Telefon- und Internetprovidern schon immer gespeichert, alleine schon zum Zweck der Abrechnung. Das neue Gesetz regelt somit einen Wildwuchs, bei dem Fachleute schon immer ein wenig Bauchweh hatten. Dagegen hetzen nun die Journalisten des ORF. Sie informieren nicht, sondern machen Politik. Und sie hetzen gleichzeitig die Bevölkerung gegen das neue Gesetz und seinen Ursprung (EU Kommission) auf. Das erfüllt den Tatbestand der Aufwiegelung.

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

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Der klamme Fiskus auf Abwegen drucken

Da in Österreich eine ausgabenseitige Budgetsanierung außerhalb der Vorstellungswelt der am Ruder befindlichen rotschwarzen Koalition liegt, wird – insbesondere vom sozialistischen Seniorpartner der Regierung – auf der Suche nach neuen Einnahmequellen jede Menge Phantasie mobilisiert. Die Notwendigkeit zur Beschaffung weiterer Finanzmittel, um einem stetig wachsenden Heer von Staatsbediensteten, Frührentnern, Langzeitstudenten und anderen Minderleistern auch künftig Brot und Spiele bieten zu können, lässt dem Regime gar keine andere Wahl.

Vom Staat – einer, wie kritische Geister anmerken, ihrem Wesen nach „kriminellen Organisation“ – zu erwarten, dass er sich dabei ausschließlich rechtmäßiger Methoden bedient, ist natürlich kindisch. Dass Finanzbeamte Geschäftskontakte zu Kriminellen knüpfen, die ihnen – illegal beschaffte, aber einträgliche – Informationen liefern (in Deutschland ist das längst geübte und von einer breiten Öffentlichkeit gutgeheißene Praxis!), ist daher ganz normal.

Hehlerei, Raub und Diebstahl sind, so hat es der demütige Untertan gelernt und tief verinnerlicht, nur dann strafbare Delikte, wenn diese von Privatleuten begangen werden. Für den Leviathan und seine Büttel gelten – wie immer – gänzlich andere Regeln: „Quod licet Iovi, non licet bovi.“

Die deutschen Steuervögte haben bei der Anwendung dubioser Methoden zur Enteignung ihrer Bürger eindeutig die Nase vorn. Dass die vergleichsweise ein wenig langsamen Austriaken dennoch keine Sekunde vor einer allfälligen Datenhehlerei zurückschrecken würden, hat der rote Staatssekretär im Finanzministerium, Andreas Schieder, allerdings bereits unverhohlen klagestellt, indem er für den Fall des Scheiterns eines einschlägigen Steuerabkommens mit der Schweiz den Ankauf von „Steuersünder-CD´s“ angekündigt hat. Juristisch geschulten Zeitgenossen dürfte es nicht schwerfallen, zu bewerten, ob diese öffentlich erfolgte Feststellung den Tatbestand einer Anstiftung zu einer strafbaren Handlung darstellt…

Verglichen damit wiegt der Umstand gar nicht mehr so schwer, dass Politik und gleichgeschaltete Hauptstrommedien es mit der Wahrheit in Fragen der „Steuerhinterziehung“ nicht besonders genau nehmen. So ist im Zusammenhang mit Auslandsvermögen von Österreichern regelmäßig und ausschließlich von „Schwarzgeld“ die Rede. Es wird – ungeprüft – unterstellt, dass jeder von österreichischen Staatsbürgern im Ausland angelegte Euro notwendigerweise (illegal) am Fiskus vorbeigeschafft wurde.

Was eine völlig aus der Luft gegriffene Annahme ist. Immerhin darf jedermann (zumindest bis dato) frei entscheiden, was er mit seinem Geld anzufangen gedenkt. Die Parteigänger Herrn Schieders mögen sich mehrheitlich dazu entschließen, es zum Branntweiner, ins Kaffeehaus oder zum Gebrauchtwagenhändler zu tragen; Bürgerliche Klassenfeinde neigen indes eher dazu, zu sparen und Zukunftsvorsorgen zu treffen.

Sollten sie dabei, wegen ihres aus vielen triftigen Gründen resultierenden Misstrauens gegenüber der korrupten Alpenrepublik, zum Schluss kommen, ihr sauer Verdientes und Erspartes wäre im Ausland besser aufgehoben, so ist das ihr gutes Recht. Sie verletzen damit keinerlei Gesetz. Legal erworbenes, ins Ausland verbrachtes Geld mutiert daher mitnichten automatisch zu „Schwarzgeld“, wie das vom politisch-publizistischen Komplex unterstellt wird.

Worauf sich die amtliche Schätzung stützt, wonach österreichische Staatsbürger in der Schweiz einen „Schwarzgeld“-Schatz im Wert von 12 bis 20 Milliarden Euro vergraben hätten, wissen allein die beamteten Etatisten. Vermutlich stammen die Zahlen aus erster Hand: Man hat sie sich wohl im Finanzministerium aus den Fingern gesaugt!

Eine vom deutschen Fiskus ins Auge gefasste „Abschöpfung“ von bis zu 34 Prozent dieses Vermögens wäre also, falls es sich dabei um bereits beim Erwerb versteuertes Geld handeln sollte, nichts als pure Behördenwillkür – und glatter Raub. Dass dieser mutmaßlich unter heftigem Beifall der Neidgenossenschaft erfolgte, würde nichts am Unrechtscharakter der Maßnahme ändern.

Natürlich ist über eine allenfalls nicht erfolgte Versteuerung von Erträgen dieser Vermögen zu debattieren. Gegen eine an der Quelle einzuhebende Steuer ist in diesem Zusammenhang kaum etwas einzuwenden (jedenfalls nicht mehr als im Falle der heimischen Variante).

Ein ganz wesentlicher Punkt wird bei der gesamten Diskussion wohlweislich ausgeblendet: Gerade Deutsche und Österreicher sollten wissen, wie wichtig es in unsicheren Zeiten sein kann, über Vermögen zu verfügen, die dem Staat nicht bekannt sind…

Doch wie heißt es so schön: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“. Im Krieg der begehrlichen Obertanen gegen die von ihnen ausgebeuteten Untertanen verhält es sich nicht anders…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Link zur gefährlichen Drohung des Staatssekretärs:
http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Sparpaket-Jetzt-fehlen-2-5-Milliarden/60759691

Interview der österreichischen Staatsgazette mit Hans-Hermann Hoppe:
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/archiv/78534_Hans-Hermann-Hoppe.html

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Die Geschichte der Krise oder: Wenn ein Dauersieger im Wettbewerb untergeht drucken

Wenn einer eine Krise durchlebt, dann kann er was erzählen. Mit den Erzählungen über die Krise der letzten vier Jahre gibt es freilich ein großes Problem: Es kursieren so viele Geschichten über die Krise, so viele teils bewusste Lügen und Ablenkungs-Stories, so viele Irrtümer und Varianten des Wunschdenkens, dass sich die ganze Wahrheit zu dieser Krisen nur noch schwer durchzusetzen vermag.

In drei zentralen Gedanken das, was man heute nach bestem Wissen und Gewissen als Zusammenfassung dessen sagen kann, warum es zu dieser Krise gekommen ist (ganz abgesehen davon, dass es immer Krisen gegeben hat und geben  wird) und was sie bedeutet:

Erstens: All die Stories von Gier, Spekulation und zu kompliziert gewordenen Finanzprodukten erklären gar nichts; denn Gier und Spekulation gibt es, seit es Menschen gibt, ebenso wie scheinbar zu kompliziert gewordene Zusammenhänge; deshalb haben die linken Krisenerklärer Unrecht, die als Krisenursache beklagen, dass heute die Ökonomie mächtiger als die Politik ist; denn das war sie immer.

Zweitens: Viel größere, aber dennoch keine alleine ausreichende Erklärungskraft haben die Hinweise auf eine blasenbildungsfördernde Geld- und Subventionspolitik in Europa, Japan und Amerika, sowie auf die exzessiven und auf historisches Rekordniveau gekletterten Staatsverschuldungen vieler Länder.

Drittens, eine fundamentale historische Erklärung steht über all diesen Faktoren: Die genannten drei Regionen, die in den letzten Jahrhunderten die Weltwirtschaft und damit auch die Weltpolitik beherrscht haben, sind im globalen Wettbewerb gegen die aufstrebenden Schwellenländer entscheidend zurückgefallen, was sich lange nicht, aber dann im plötzlichen großen Erdbeben der Krise umso heftiger gezeigt hat.

Spanien und Irland waren gering verschuldet

Dass die Krise mehr mit Wettbewerbsveränderungen als mit Staatsverschuldung alleine zu tun haben muss, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass keineswegs alle jener Staaten, die heute so heftig von der Krise erschüttert werden, vor der Krise eine hohe Staatsverschuldung gehabt haben. In Spanien und Irland war diese – im Gegensatz zu Griechenland und Portugal – sogar besonders niedrig. In diesen beiden Ländern war dafür die Privatverschuldung gegenüber dem Ausland besonders hoch (von Banken, Unternehmen, Privaten).

Allen Krisenländern gemeinsam ist damit, dass sie mehr Produkte und Leistungen des Auslandes konsumiert haben, als sie dem Ausland verkaufen konnten. Sie hatten insgesamt eine hohe Außenverschuldung (egal ob staatlich oder privat) und damit ein großes Zahlungsbilanzdefizit. Das sind zwangsläufige Folgen einer geschrumpften Wettbewerbsfähigkeit. Ein solches „Geschäftsmodell“ muss früher oder später kollabieren.

Nicht der Euro ist schuld, sondern seine falsche Nutzung

Daran ist aber auch nicht der „Euro“ an sich schuld, wie manche Anhänger von Verschwörungstheorien meinen. Jedoch: Der Euro ermöglichte es ein Jahrzehnt lang den südeuropäischen Krisenländern, anstrengungsfrei gut zu leben. Ungeachtet der Tatsache, dass sie die zuvor durch ständige Abwertungen immer halbwegs verteidigte Wettbewerbsfähigkeit gleichzeitig stark absinken ließen.

Die Geldverleiher, die „Märkte“, haben ihnen viel zu billig viel zu viel Geld geborgt; sie haben sich in einem blamablen Vergessen wirtschaftlicher Grundtatsachen zehn Jahre lang nicht mehr die Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner angeschaut; sie haben irgendwie an eine magische Wirkung einer gemeinsamen Währung geglaubt. Das Umdenken geschah dann umso heftiger.

Die Ursachen dieses Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit sind vielfach und werden sicher noch Anlass zu spannenden Analysen sein. Eine zentrale Ursache der Krise ist jedenfalls, auch wenn es aufs erste paradox klingt, der unglaubliche Erfolg des westlichen Modells. Europa und Amerika haben seit einem halben Jahrtausend einen unglaublichen Aufstieg erlebt. Sie haben ökonomisch, kulturell, politisch die Welt beherrscht. Dieser Aufstieg hat sich in den letzten beiden Generationen seit dem Weltkrieg noch einmal vervielfacht, vor allem weil das EU-Europa zugleich die längste Friedensperiode der Geschichte genossen hat.

Zusammen mit der Nutzung zahlloser wissenschaftlicher Erkenntnisse, mit den Vorteilen einer globalisierten Wirtschaft, mit dem Nutzen eines halbwegs funktionierenden Marktes, mit stabilen demokratischen Verhältnissen, mit der Basis eines korrekten Rechtsstaats hat diese Periode den Menschen zuvor Ungeahntes ermöglicht, den weitaus höchsten  Massen-Wohlstand der Geschichte und eine Rekord-Lebenserwartung bei guter Gesundheit.

Der Sündenkatalog

Aber diese Periode hat Europa selbstzufrieden und müde gemacht. Mit fatalen Konsequenzen auf allen genannten Feldern.

  1. Die schlimmste Katastrophe ist zweifellos der Wohlfahrtsstaat, der in den letzten Jahrzehnten mit zunehmender Verschuldung erkauft worden ist, der immer mehr Menschen ein konsumorientiertes Leben ermöglicht hat, der zugleich viele Bürger und damit auch die Politik die Grundlagen des früheren Erfolges vergessen ließ;
  2. Die Menschen waren sich immer weniger der Notwendigkeit von Leistung und Anstrengung bewusst;
  3. die Schicht wirklicher Leistungsträger wurde durch immer höhere Auflagen und Steuern demotiviert;
  4. immer mehr Menschen glaubten ernsthaft, die Durchsetzung politischer beziehungsweise sozialer Forderungen schaffe die Grundlage des Wohlstandes;
  5. Staaten und EU lähmten die Wirtschaft mit einer ständig wachsenden Fülle von ökologisch, sozial, gesundheitlich und obrigkeitsstaatlich begründeten Regeln und Vorschriften, womit die europäischen Unternehmen im Wettbewerb gegen die sehr freien Konkurrenten in Übersee ständig weiter zurückgeworfen wurden;
  6. zugleich gelang es Panikmachern, den Menschen mit dubiosen Parolen gegen Atome, Gene, Hormone oder Klimakatastrophen Angst vor der Wissenschaft zu machen;
  7. die Gewerkschaften trieben in Tateinheit mit populistischen Politikern die Lohn- und Sozialkosten ständig steiler in die Höhe, als sie zugleich in den konkurrierenden Schwellenländern anstiegen;
  8. dazu kommen zunehmend die Folgen der Geburtenverweigerung: Europa wie Japan werden im Rekordtempo älter. Das wird im nächsten Jahrzehnt zu einem Kippen der sozialen Balance führen. Die rasch schrumpfende Schicht der Arbeitenden wird sich zunehmend weigern, der riesigen Menge an alten Menschen den erhofften Ruhestand mit dem heutigen Pensionsniveau zu finanzieren. Und die Zuwanderer werden sich da erst recht weigern; hatte man ihnen doch Europa nur als ein sozialstaatliches Schlaraffenland vermittelt, das man ganz anstrengungsfrei konsumieren kann.

Aus all diesen und etlichen anderen Gründen weigern sich verständlicherweise China&Co, die heute auf Billionen von Dollar- und Euro-Noten aus ihren emsigen Exporten sitzen, dieses Geld so wie in den letzten Jahrzehnten in europäische Staatsanleihen und Banken zurückzuinvestieren. Sie kaufen sich lieber afrikanische Ländereien, um dort Landwirtschaft und Bergbau zur eigenen Versorgung zu betreiben, sowie europäische Spitzenindustrien, deren Knowhow sie brauchen.

Dementsprechend haben alle großen Schwellenstaaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), also die Machtzentren der Zukunft, die heute schon die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, in der Vorwoche bei einem Gipfeltreffen einhellig die egoistische und kurzsichtige Politik des Westens getadelt, sich durch wilde Geldvermehrung einen kurzfristigen Vorteil zu kaufen. Sie weigern sich auch, via Währungsfonds den Schuldenstaaten zu helfen.

Der schöne Schein des Krisen-Endes

Wieso scheint es dennoch seit einigen Wochen so, dass auch die zweite Welle der 2008 begonnenen Krise glimpflich vorbei wäre? Die Antwort ist ziemlich klar: Die europäischen und amerikanischen Zentralbanken drucken wie verrückt Geld, mit denen die Staaten (auf dem Umweg über die Banken) derzeit ihre alten Schulden in neue umwandeln. Das hat die unmittelbare Katastrophenstimmung gemildert. Dennoch versucht jeder sonstige Besitzer dieses Geldes dieses rasch in Sachwerte einzutauschen (seien es Qualitätsimmobilien oder Gold oder brasilianische Aktien).

Das ist natürlich ein Wirtschaftsmodell, das sehr bald platzen muss. Daher ist die Krise zweifellos nur kurzfristig unterbrochen.

Köstlich naiv ist der derzeit boomende Glaube vieler europäischer Politiker und Journalisten, man müsse nur die Dämme der diversen Krisenrettungsmechanismen hoch genug bauen, um jede Katastrophe verhindern zu können: 300 Milliarden, 500 Milliarden, 800 Milliarden, 1,3 Billionen, 10 Billionen: Fast im Wochentakt werden die Summen größer, die Dämme höher, mit denen ein Ausbrechen der Fluten verhindert werden soll.

Notenbanker zurück an die Uni

Aber die Finanzströme verhalten sich ähnlich wie die echten Hochwässer: Mit hohen Dämmen kann man zwar viele kleine Überflutungen verhindern. Kommt dann aber bisweilen das große Wasser, wird die Katastrophe umso größer. Irgendwann bricht immer irgendwo ein Damm, wenn der Druck zu groß wird; oder es steigen die Fluten einfach über jede denkbare Dammgröße hinaus und sind dann ein umso verheerenderer Schwall. Deswegen baut man ja jetzt beim echten Wasser wieder viele eng und hoch eingedämmte Flussläufe wieder zurück, lässt ihnen statt dessen in möglichst großen Flächen die Möglichkeit zur gefahrlosen Ausdehnung, um die menschlichen Behausungen selbst umso effektiver schützen zu können.

Vielleicht sollte man die Notenbanker und Regierungspolitiker Europas und Amerikas in eine Vorlesung über modernen Wasserbau schicken? Vielleicht lernen sie dann, dass man die Europäer in ihrer Unbeweglichkeit, wohlfahrtsstaatlichen Verfettung, Überalterung nicht durch immer höhere Schuldendämme vor den Folgen ihrer rasch schwindenden Wettbewerbsfähigkeit schützen kann. Sondern nur dadurch, dass man diese Wettbewerbsfähigkeit wieder offensiv verbessert. So wie es einst den Amerikanern nach dem Sputnik-Schock oder den Mitteleuropäern nach den Osmanen-Angriffen geglückt ist.

Die ToDo-Liste

Heute wäre natürlich - von der Annahme ausgehend, dass im Atomzeitalter die Auseinandersetzungen ehr wirtschaftlich und weniger militärisch sind - ein anderes, den Herausforderungen angepasstes Maßnahmenbündel nötig, durch das man die Wettbewerbsfähigkeit wieder erhöhen könnte:

  • Durch massive Deregulierung;
  • durch Offenheit gegenüber den Vorteilen der modernen Wissenschaft;
  • durch Wettbewerb und Vielfalt;
  • durch Reduktion der Sozialleistungen nur auf jene Menschen, die wirklich ohne Unterstützung existenziell bedroht wären;
  • durch flexible (also ebenso wie bei den Konkurrenten Kündigungen problemlos ermöglichende) Arbeitsmärkte, in denen wieder neue Jobs entstehen können;
  • durch mutiges Inkaufnehmen der Tatsache, dass in einer lebendigen Wirtschaft immer wieder der Tod von Unternehmen (also auch Banken!) in Kauf genommen werden muss, damit neues Leben entsteht;
  • durch niedrigere Steuern und Abgaben;
  • durch Verwaltungsvereinfachungen;
  • durch die moralische und finanzielle Ermutigung für junge Frauen und natürlich auch Väter, wieder viel mehr Kinder als wichtigste Zukunftsinvestition in die Welt zu setzen und diese auch ohne schlechtes Gewissen als hauptberufliche Eltern aufziehen zu können;
  • durch Stopp der Sozialmigration und Forcierung der Elitenzuwanderung;
  • durch eine schnelle, transparente und funktionierende Justiz.

Würden Europas Regierungen samt EU diese Ziele mit Schnelligkeit und großer Energie sowie Unterstützung der Menschen verfolgen, dann hätte dieser Kontinent noch eine Chance. Dann wäre das Hochziehen der Krisenpräventions-Dämme sogar sinnvoll, um zeitlich noch ein wenig Luft für die notwendigen Reformen zu gewinnen.

Die Schnellen zu bremsen statt die Langsamen zu beschleunigen?

Jedoch fehlt mir der Glaube, dass Europas Bürger diese Notwendigkeiten noch erkennen können. Weshalb die Politiker sie schon gar nicht erkennen wollen. Beide glauben in ihrer Mehrheit offenbar wirklich, dass durch diese Dämme aus Schulden die Folgen des Wettbewerbsverlustes dauerhaft abgewendet wären.

Ein epochaler Irrtum. Denn damit werden die teuren Schutzdämme zur Hauptursache der nächsten großen Krise. Als Folge konzentriert sich Europa jetzt nicht auf das knappe noch offen stehende Zeitfenster zur Wiedererlangung seiner Wettbewerbsfähigkeit, sondern glaubt offenbar wirklich, dass eine Fiskal- und Sozialunion die richtige Krisenprävention für die Zukunft herstellt.

Vor allem die Sozialdemokraten, aber auch etliche andere Parteien meinen: Wenn einmal die Löhne, Steuern und Sozialleistungen zwischen Griechenland und Deutschland (sowie allen anderen) angeglichen sind, wenn es also innerhalb Europas weniger Wettbewerb gibt, dann gewinnt Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit zurück. In Wahrheit aber tritt das genaue Gegenteil ein: Auch Deutschland und die paar noch halbwegs lebensfähigen Länder werden dann mit absoluter Sicherheit ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Dann gibt es kein böses Blut zwischen Deutschen und Griechen mehr, denn allen wird es gleich schlecht gehen.

Der Merksatz für alle weltfremden Theoretiker: Europa darf nicht seine Schnellsten bremsen, sondern muss die Langsamsten munter machen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Der Weg von der Europa-Begeisterung zur Depression drucken

Verheerender kann die Stimmung kaum sein: Nur noch 29 Prozent der Österreicher halten es für einen Nutzen, der Europäischen Union anzugehören. Schon 42 Prozent sehen darin einen Nachteil. So wie diese IMAS-Umfrage zeigen auch viele andere Indizien ein deprimierendes Image der Union. Dagegen rücken zwar regelmäßig die journalistischen, diplomatischen und politischen EU-Verteidiger zum Tadel für die Österreicher aus, all die Vorteile Europas nicht zu verstehen. Doch das ändert nichts. Denn die politisch-mediale Klasse hat ja längst jede Glaubwürdigkeit verloren.

Haben damit jene nachträglich Recht bekommen, die schon immer gegen die österreichische EU-Mitgliedschaft gewesen sind? Gewiss nicht. Denn jede ernsthafte Analyse zeigt, dass Österreich ohne die EU ökonomisch einen katastrophalen Weg gegangen wäre. Genauso klar ist aber auch, dass nichts falscher und schädlicher ist als die mancherorts gepflegte quasireligiöse Europaduselei.

Der Autor darf das mit einer gewissen Legitimation sagen: Er war der erste politische Journalist, der schon in den frühen 80er Jahren für den vollen Beitritt zu den europäischen Gemeinschaften eingetreten ist. Das hat ihm damals viel Tadel eingebracht – insbesondere von Außenamt und Wirtschaftskammer und den Grünen sowieso, die sich heute alle als die Erfinder Europas gerieren. Heute sind die Polsitionen vertauscht. Heute ist der eigene Blick auf die EU sehr kritisch und damit auch selbstkritisch geworden.

Die Union in der Existenzkrise

Die EU hat nicht bloß ein Vermarktungsproblem, wie man sich in Brüssel einreden will. Wir haben nicht nur eine extrem gefährliche, viele Länder erfassende Schuldenkrise. Sondern es stellt sich auch erstmals die Existenzfrage der EU selber.

Bedeutete vor zwei Jahrzehnten der EU-Beitritt für Österreich einen großen Schritt Richtung Modernisierung und Öffnung eines zur Nabelbeschau neigenden Landes, einen Akt der Durchlüftung und Befreiung aus dem erstickenden Mief der allumfassenden großen Koalition und dem real existierenden österreichischen Sozialismus, so hat die EU-Mitgliedschaft heute die gegenteilige Funktion.

In den 80er Jahren war die EU (damals: EG) ein grandioses Bollwerk der Freiheit, der Marktwirtschaft, der Idee eines grenzenlosen Binnenmarkts souveräner Nationalstaaten als Gegenmodell zur kollabierenden kommunistischen Planwirtschaft Osteuropas. Heute ist sie eine Agentur der sinnlosen Umverteilung zu Trittbrettfahrer-Nationen geworden. Heute versucht sie die europäischen Bürgern in präpotenter Art zu entmündigen. Kommission, Rat, Parlament und Gerichtshof wollen wie ein totalitärer Staat immer mehr menschliche Lebensbereiche reglementieren. Immer öfter ertappt man sich daher bei dem Gedanken: Liegt die einzige Überlebenschance Europas etwa gar in einer Neugründung?

Natürlich hatten EWG/EG/EU schon von Anfang an viele Konstruktionsfehler, etwa die Bevorzugung kleiner Mitgliedsstaaten bei Mandatszahlen und Stimmgewichtung. Wenn Malta oder Zypern in vielen Gremien genauso stark wie Deutschland oder Großbritannien sind, dann ist das schlicht undemokratisch.

Aber diese Konstruktionsfehler waren nicht so bedeutend, als es einst nur um eine Wirtschaftsgemeinschaft und dann einen Binnenmarkt ging, die man im Konsens aufbaute. Der freie Fluss und Wettbewerb von Waren, Dienstleistungen, Geld und Arbeitskräften vergrößerte den Wohlstand aller. Die Katastrophe trat erst ein, als sich die Union immer stärker auch zur wohlfahrtsstaatlichen Transferunion und zum überregulierenden Großen Bruder zu entwickeln begann.

Eine Luxemburgerin personifiziert den Absolutheitsanspruch

Die subjektive Lust der Brüsseler Akteure an der Macht ist nachvollziehbar, aber dennoch verderblich. Für mich wird sie etwa durch jeden Auftritt von Viviane Reding verkörpert. Die einstige Journalistin einer kleinen Zeitung (für die ich übrigens auch gelegentlich aus Österreich berichtet habe) stammt aus dem kleinen Luxemburg mit 500.000 Einwohnern. Heute ist sie Kommissarin „für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft“ von mehr als 500 Millionen Menschen. Alleine der Faktor 1000 würde wohl bei vielen ausreichen, um einen Machtrausch auszulösen. Bei Reding kommt hinzu, dass sie aus dem Titel ihres Ressorts auch eine allumfassende inhaltliche Kompetenz ableitet.

Niemand wagt mehr, sie in die Schranken zu weisen. Weder die Mitgliedsländer noch der schwache Kommissionspräsident Barroso. Freilich: Es gibt keine Materie, die nicht irgendwie mit Justiz oder Grundrechten in Zusammenhang zu bringen wäre. Reding ist keine Juristin, sondern Anthropologin, geriert sich aber als Vorgesetzte von 27 Justizministern – und der gesamten Justiz. In den Kompetenzen der Kommission sind allerdings in der Tat neben der Hauptfunktion Exekutive sowohl Gesetzgebung wie Rechtsprechung enthalten. Diese primären Staatsgewalten werden von anderen Verfassungen streng getrennt. Nicht so in der EU.

Dementsprechend präsentiert sich die Luxemburgerin als Großinquisitorin gegen Ungarn, dem sie Vertragsverletzungen vorwirft – weil dort eine Regierung mit Zweidrittelmehrheit das tut, was auch sonstwo (etwa ein Stück donauaufwärts) Regierungen auch ohne Zweidrittelmehrheiten tun, nämlich alle Spitzenfunktionen mit eigenen Leuten besetzen. Am nächsten Tag will sie den unabhängigen Gerichten Österreichs vorschreiben, dass sie den Diffamierungs-Kampagnen des korrupten Diktators von Kasachstan gegen dessen geflüchteten Ex-Schwiegersohn gehorchen sollen. Sie fordert von Österreich in Sachen Korruption bestimmte Maßnahmen (kümmert sich aber kaum um die gigantische Misswirtschaft mit EU-Geldern). Sie will per Gesetz(!) Europas Aktiengesellschaften einen bestimmten Frauenanteil in den Aufsichtsratsjobs vorschreiben. Sie kritisiert den Inhalt niederländischer Webseiten. Sie zwingt die Versicherungen zu Einheitsverträgen für Männer und Frauen (trotz grob unterschiedlicher Risken). Die Liste ließe sich lange fortsetzen.

Aber es wäre zu einfach, das Problem Europas auf eine Personalie zu reduzieren, auch wenn die noch so signifikant ist. Das Problem liegt schon in den unsauberen Verträgen. So kann sich der EU-Gerichtshof über alle in Sonntagsreden beschworene Subsidiarität und föderale Aufgabentrennung hinwegsetzen und mit den Staaten weit willkürlicher umspringen, als etwa die Republik Österreich mit den Bundesländern. Beispielsweise zwingt der EU-Gerichtshof Österreich zur Gleichbehandlung deutscher Studenten – obwohl die Universitäten ausdrücklich von der EU-Kompetenz ausgenommen sind, obwohl manche Studienrichtungen unter dem Ansturm zusammenzubrechen drohen.

Brüsseler Neojosephinismus

Die EU mischt sich auch in tausend andere Dinge wie Glühbirnen, Isolierungen von Hauswänden, Rauchverbote, Gleichbehandlung von Geschlechtern bei der Arbeitsplatzsuche oder die Anzahl von Kindern in Kinderkrippen ein. All das ist zur Herstellung eines gemeinsamen, wohlstandsmehrenden Binnenmarktes überhaupt nicht notwendig und in Österreich vielfach nur Bundesland-Kompetenz.

Für all diese Unsinnigkeiten ist es keine Entschuldigung, dass sie in einer Art Neojosephinismus vielleicht gut gemeint sind. Hinter der Regulierungswut steckt oft eine Allianz zwischen den EU-Beamten und den jeweiligen Fachministern, die mit ihren Anliegen national oft – und zu Recht – nicht durchdringen. Das trifft insbesondere Orchideenressorts wie jene für Frauen oder Umwelt. Nirgendwo in der EU-Maschine gibt es Instanzen oder Menschen, die sagen würden: Hört endlich auf, ihr regulierungswütigen Sozialtechnokraten, das Leben und die Freiheit der Europäer immer mehr abzuwürgen. Man kann hinter der Entwicklung auch eine ideologische Attacke sehen: Die linken Gegner von Freiheit und Marktwirtschaft, die in fast allen Ländern in den letzten Jahren von der Macht vertrieben worden sind, haben nun die EU als ihre Lieblingsplattform entdeckt.

Zugleich aber ist die EU völlig hilflos in jenen Dingen, wo es wirklich ein funktionierendes Europa bräuchte.

  • Sie pumpt seit Jahrzehnten riesige Summen in den Süden – und hat damit dessen Probleme nur noch verschlimmert, weil er jede Selbstverantwortung und Anstrengung verlernt hat.
  • Sie führte in vielen Ländern eine gemeinsame Währung ein – und scheiterte völlig daran, diese zur notwendigen Budgetdisziplin anzuhalten.
  • Sie spricht von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – und kann diese in keiner einzigen relevanten Frage gestalten.
  • Sie verhandelt mit der Türkei über einen Beitritt – und ignoriert feige, dass diese widerrechtlich ein Stück EU-Territoriums in Zypern besetzt hält.
  • Sie verleiht nun Serbien den Status eines Kandidaten – und kann dennoch weder durchsetzen, dass Serbien den Kosovo anerkennt, noch dass die Blockadeaktionen von Serben an den Grenzen des Kosovo aufhören.
  • Sie hat vor vielen Jahren die Einführung eines EU-Patents beschlossen – und kann sich nicht einmal auf Standort und Arbeitssprachen des Patentamtes einigen.

Wir haben dort viel zu viel Europa, wo wir es nicht brauchen. Und wir haben viel zu wenig davon, wo es unbedingt funktionieren sollte.

Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form in der soeben erschienenen neuen Ausgabe der Zeitschrift "Academia".

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Kein Aprilscherz drucken

Mit 1. April 2012 tritt das Bundesgesetzblatt I Nr. 27/2011 in Kraft, besser bekannt als Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Dann muss jeder Telefon- oder Internetprovider die Verbindungsdaten seiner Kunden mindestens ein halbes Jahr speichern und bei Bedarf den Behörden zur Verfügung stellen. Gespeichert werden keine Inhalte (Telefongespräche, Mails, Bilder, …), sondern nur wer mit wem wann und wie lange in Verbindung war.

Dahinter steckt eine einfache Idee: Wenn alle Bürger rund um die Uhr überwacht werden, sind Straftaten schneller aufzuklären oder sogar zu verhindern. Deshalb feiert die Überwachung nach jedem Terroranschlag, wie etwa zuletzt im Juli 2011 in Norwegen, fröhliche Urständ. So ein Überwachtungsstaat verträgt sich allerdings gar nicht mit den Grundrechten einer freien Gesellschaft. Deshalb hat etwa der deutsche Verfassungsgerichtshof das erste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland aufgehoben, weil es gegen das Grundgesetz verstieß.

Die Republik Österreich hat mit der Umsetzung der entsprechenden EU-Verordnung so lange gewartet, bis es im Juli 2010 deshalb sogar verurteilt wurde. Nach dem Desaster in Deutschland hat die EU-Kommission die Verordnung allerdings komplett überarbeitet. Inzwischen hat Österreich reagiert: Das neue Gesetz stellt sicher, dass Strafverfolgungsbehörden nur bei Verdacht einer schweren Straftat Zugriff auf die Daten bekommen. Bei Missbrauch droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Nach meiner Erfahrung als Internetprovider muss ich den Verantwortlichen allerdings viel Naivität unterstellen. Jeder Provider speichert Verbindungsdaten seit jeher für lange Zeit, oft sogar über Jahre. Notwendig ist das alleine schon für die laufenden Abrechnungen. Bis heute gibt es aber keine Kontrolle, was mit diesen Daten später geschieht. Auch wenn die Provider ihre Verbindungsdaten nach sechs Monaten löschen müssen – wer kontrolliert das?

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

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Wieder einmal abgehakt… drucken

Wie sich doch die Bilder gleichen:
Auch nach Wahlen an der Saar
sah den Blässling man erbleichen –
Liberale sind halt rar.

Selbst die Grünen wirkten blasser,
weil da jemand andrer glatt
das gewohnte Oberwasser
ihnen abgegraben hat.

Besser beim im Trüben Fischen
ist, wie nämlich sich erweist,
der Piratentrupp inzwischen,
unbedarft, verwirrt und dreist.

Gleichfalls war davon betroffen
Oskar, Sahras Knecht und Glück –
das lässt fürchten oder hoffen:
Geht er nach Berlin zurück?

Sieger ist, obwohl kein Renner,
eine Koalition –
groß genannt und kleinster Nenner,
wie bekannt im voraus schon.

Ja, und mögen auch Parteien
im Programm verschieden sein,
packt man schleunig die Schalmeien
nach den Wahlen wieder ein.

Denn so ist’s im Alltagsleben –
Themen werden anderswo
von ganz andern vorgegeben,
Selbsterwählten sowieso.

Und das klappt in allen Ländern:
Wähler kriegen zwar die Wahl,
doch sie können nix verändern –
und den meisten ist’s egal…

Pannonicus

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Die Finanztransaktionssteuer: Der Dukatenesel der Fiskaltechnokraten drucken

Erinnern Sie sich noch? Lautete einst nicht ein Argument pro EU-Binnenmarkt und pro Währungsunion: Transaktionskosten senken, damit knappes Kapital seiner produktivsten Verwendung zugeführt wird? Denn wer die Freiheit des Kapitalverkehrs beschränkt, verteuert die Unternehmensfinanzierung, beeinträchtigt die Investitionsdynamik ebenso wie das Innovationstempo und schadet dadurch der Wettbewerbsfähigkeit. Wachstums-, Beschäftigungs- und Wohlfahrtsverluste sind die Folge.

Aus gutem Grund heißt es daher in der EU-Richtlinie betreffend die indirekten Steuern für die Ansammlung von Kapital:

  • Art 5 (2) Die Mitgliedstaaten erheben keine indirekte Steuer irgendwelcher Art
    • auf  den Handel mit Aktien, ungeachtet der Person des Emittenten;
    • auf Anleihen, die durch Ausgabe von Obligationen aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten.

In krassem Gegensatz zu dieser Richtlinie wird in vielen EU-Mitgliedstaaten die Einführung einer wenn schon nicht EU-, dann zumindest doch Euroraum-weiten Finanztransaktionssteuer (FTS) oder einer speziellen Abwandlung einer solchen, nämlich einer Börsenumsatzsteuer, propagiert. Hier soll neuerlich geschaffen werden, was durch den Binnenmarkt und die Europäische Währungsunion eliminiert wurde: Hindernisse für den freien Kapitalverkehr als einer der vier europäischen Grundfreiheiten. Eine lediglich fiskalpolitisch motivierte Diskussion um das Für und Wider einer FTS greift mithin bei weitem zu kurz. In Sachen FTS geht es um nicht weniger als die Funktion des Europäischen Binnenmarkts. Wer eine solche Steuer propagiert, legt die Axt an den ordnungspolitischen Rahmen in Europa.

Die Europäische Kommission hat sich in ihrer Mitteilung zu intelligenter Regulierung in der Europäischen Union zu evidenzbasierter Politikgestaltung sowie Folgenabschätzungen in der politischen Entscheidungsfindung bekannt. Wenden wir uns also den nüchternen Fakten im gegenständlichen Fall zu.

Sie lauten:

Die Abwägung der ökonomischen Wirkungen einer einnahmenseitigen im Vergleich zu einer ausgabenseitigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte müsste – nach derzeitigem Stand der finanzwissenschaftlichen Forschung – dazu führen, letztere zu präferieren. Dennoch die Einführung einer FTS zu fordern heißt, neben den generellen Nachteilen einer höheren Besteuerung auch ihre spezifischen Nachteile gegenüber anderen einnahmenseitigen Instrumenten zu ignorieren.

In ihrer Auswirkungsstudie gelangt die Europäische Kommission zu dem Ergebnis, dass mit einem Bruttosteueraufkommenseffekt in Höhe von EUR 57 Mrd. pro Jahr zu rechnen sei. Hiervon sind allerdings die Steueraufkommensverluste aus wachstums- und beschäftigungspolitischen Kollateralschäden in Höhe von bis zu 1,76 Prozent des BIP beziehungsweise bis zu 500.000 Arbeitsplätzen abzuziehen, denn nicht erst Milton Friedman warnte: „There ain't no such thing as a free lunch.“ Unter Berücksichtigung der korrespondierenden Aufkommensverluste ergibt sich daher nur ein sehr bescheidenes Nettosteueraufkommen aus der FTS von cirka einem Drittel des Bruttosteueraufkommens.

Doch nicht einmal dieses gerade noch positive Ergebnis erweist sich bei genauerer Analyse als stichhaltig. Außer Acht gelassen wurde der Verlust von Geschäftsvolumina an Nicht-EU-Akteure, die Verlagerung der Geschäftsaktivitäten von EU-Akteuren in das Nicht-EU-Ausland, die relative Attraktivierung von Nicht-EU-Investitionsvorhaben und die Erhöhung der Kapitalkosten bei Investitionen aus nicht-ausgeschütteten Gewinnen. Würden solche Effekte berücksichtigt, kehrte sich das erwartete Nettosteueraufkommen mit großer Wahrscheinlichkeit ins Negative.

Eines allerdings wäre einer Finanztransaktionssteuer zu Gute zu halten, wie schon das Beispiel der britischen Stamp Duty Reserve Tax zeigt. Sie vermag Finanzinnovationen zu induzieren, und zwar solche mit dem primären Ziel der legalen Steuervermeidung. Im Ergebnis wird einerseits das intendierte Steueraufkommen (weit) verfehlt, andererseits verlagern sich erhebliche Teile des Handels auf weniger regulierte (und intransparente) Instrumente.

Eine Möglichkeit, die Stamp Duty zu vermeiden, besteht etwa in so genannten Differenzkontrakten („Contracts for Difference“, CFDs), welche die Parteien einer Transaktion verpflichten, lediglich die Differenz zwischen dem aktuellen Kaufkurs und einem späteren Verkaufskurs in bar auszugleichen. Da die Handelspartner bei diesen Geschäften die zugrunde liegenden Aktien weder kaufen noch verkaufen, entfällt die Steuer. Die Existenz einer solchen Steuer fördert also die Nachfrage nach Derivaten (mit einem zuweilen extrem hohen Hebeleffekt!) und senkt die Nachfrage nach generischen Anlageinstrumenten wie Aktien und Anleihen zur Finanzierung von Realinvestitionen: Ein geradezu perverser Anreizeffekt!

Ergo: Eine Finanztransaktionssteuer streut keinen Sand in das Getriebe der  Spekulation, sondern in den Motor der Unternehmensfinanzierung. Nicht die hohe Kapitalmobilität ist das „public bad“, sondern der diskretionäre Eingriff  in die Grundfreiheit des Kapitalverkehrs. Die Debatte wird zum Lackmustest für die Seriosität europäischer Politik. Wer faktenbasierte Politikgestaltung proklamiert, muss die Finanztransaktionssteuer als Negativsummenspiel ablehnen. Auf der österreichischen Ebene beschränkt sich die Politikempfehlung an dieser Stelle daher nicht nur trotz, sondern gerade wegen des All-Parteien-Beschlusses im Parlament auf eine einzige: Präferiere das Nichtstun vor dem Irrtum!

Unabhängig von ihren jeweiligen beruflichen Funktionen haben mehrere österreichische Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die dieser Text verfasst wurde.

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Ungarn: Viel ausländische Hysterie, viele eigene Fehler, viele mutige Reformen drucken

Drei Tage lang intensives Eintauchen in ungarische Verhältnisse machen klar: Erstens, die von der Linken geschürte Hysterie ist völlig absurd, dass in Ungarn Demokratie oder Rechtsstaat abgeschafft werden. Zweitens, diese Hysterie ist auch deshalb ein Fehler, weil sie zu einer Stärkung der radikalen Rechten führt und die ungarischen Sozialisten nach ihrer schweren Niederlage tendenziell eher noch mehr diskreditiert. Drittens aber: Die ungarische Regierung hat neben vielen wichtigen und sinnvollen Reformschritten einige gravierende Fehler begangen, die das Land noch Jahre zurückwerfen werden.

Worum geht es bei der derzeit rasch zunehmenden radikalen Rechten, der Jobbik-Partei? Das ist eine Partei, die paramilitärische Formationen ähnlich den österreichischen Parteiarmeen der Bürgerkriegszeit zu schaffen versucht. Sie hetzt nicht nur gegen die ungarischen Zigeuner (womit sie ein in Ungarn angesichts etlicher Zwischenfälle, aber auch angesichts einer sehr aggressiven Presse mehrheitsfähiges Sentiment anspricht), sondern auch gegen alles Westliche. Sie sucht ihre Freunde primär bei aggressiven Diktaturen wie insbesondere jener des Iran.

Linke Kampagne hilft Rechtsradikalen

Falls die Jobbik-Partei, die seit Oktober bei sämtlichen Umfragen Ungarns zweitstärkste ist, eines Tages gar zur stärksten werden sollte, dann liegt ein Gutteil der Schuld auch beim heutigen Verhalten der europäischen Linken und der EU-Kommission. Denn beide haben mit völlig aus der Balance geratenen Reaktionen auf den Wahlerfolg der ungarischen Mitte-Rechts-Partei Fidesz reagiert. Diese hatte ja vor zwei Jahren (mit 53 Prozent der Stimmen) 68 Prozent der Mandate errungen.

Diese Reaktion ähnelt in vielen Details ebenso wie in ihrer Dummheit den Sanktionen von 14 EU-Ländern gegen Österreich im Jahre 2000. Diese Sanktionen, die dann nach einem halben Jahr kleinlaut entsorgt werden mussten, haben übrigens auch damals in Österreich die Umfragewerte der Linksparteien nicht gerade verbessert.

300 Gesetze pro Jahr: Die Fehler sind programmiert

Was ist nun in Ungarn wirklich passiert? Die Mehrheitspartei hat im letzten Jahr mit 300 neuen Gesetzen ein ungeheures Volumen an neuem Recht durchs Parlament geschleust. Das ist in den Augen fast aller Rechtsexperten ein großer Fehler: Solche Gesetzesmengen und ein solches Tempo bergen nämlich zwangsläufig viele technische Fehler, von denen sich so mancher auch jetzt schon gezeigt hat. Diese Gesetze können gar nicht ordentlich vorbereitet gewesen sein, da in einer komplizierten modernen Gesellschaft vor jedem Gesetz sorgfältige Begutachtungen und Diskussionen dringend notwendig sind (was bekanntlich auch den in dieser Woche finalisierten österreichischen Belastungsgesetzen gut getan hätte).

Dieser zu kurz gekommene Diskussionsbedarf gilt natürlich auch für die neue Verfassung, die ohne lange Konvente und dergleichen binnen eines Jahres geschaffen worden ist. Viele dieser Gesetze haben nun bei der EU zu Recht etliche Vertragsverletzungsverfahren ausgelöst.

Jedoch relativieren sich diese Fehler der ungarischen Regierung gewaltig: In Europa sind Vertragsverletzungsverfahren nämlich ein ganz normaler Vorgang. Derzeit laufen fast tausend solcher Verfahren gegen die 27 Mitgliedsstaaten. Und auch heute sind trotz aller Ungarn-Aufregung gegen andere, „alte“ EU-Länder viel mehr solcher Verfahren in Gang als gegen die Magyaren.

Prüft man nun die gegen diese laufenden Vertragsverletzungsverfahren auf ihre Substanz, dann sind es auch gar nicht allzu gravierende Punkte, die da offen sind. Und die Ungarn scheinen weitgehend kompromissbereit.

Zwei Jahrzehnte verschlafener Reformen

Zugleich sollte man nicht vergessen: Die ungarische Führung stand unter einem gewaltigen Handlungsdruck. Hat sich das Land doch in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Wende im Gegensatz zu den anderen Reformländern weitgehend auf seinen Lorbeeren als Vorkämpfer der einstigen Wende ausgeruht. Unter rechten wie linken Regierungen. Man war zu lange stolz auf den „Gulaschkommunismus“. Selbst die Verfassung stammte noch aus der kommunistischen Zeit. Sie war nur in einigen Punkten novelliert worden.

Natürlich hat sich die Orban-Regierung bei ihrem atemberaubenden Tempo auch an eine alte und wohl richtige politische Regel gehalten: Die schmerzhaften und unangenehmen Maßnahmen sollte man in der ersten Hälfte einer Amtsperiode machen, damit man in der zweiten die erhofften Früchte der Reformen kassieren kann.

Die Vorwürfe relativieren sich

Die meisten Vorwürfe, die man den Ungarn macht, bestehen im Einsatz der Zweidrittelmehrheit bei der Besetzung wichtiger Funktionen. Nur: Dieser Vorwurf kann zur Gänze auch Österreich (und vielen anderen EU-Ländern) gemacht werden. Es gibt bloß einen Unterschied: In Österreich werden neue Spitzenpositionen auch ohne Zweidrittelmehrheit durchgängig und ausschließlich mit Parteigängern der Regierungsparteien besetzt. Und zwar seit jeher. Kann man ernsthaft den Ungarn etwas vorwerfen, was man den Österreichern noch nie vorgehalten hat?

Ein weiterer konkreter Vorwurf ist die Tatsache, dass einflussreiche Spitzenpositionen gleich auf neun Jahre hinaus an Freunde des Regierungschefs Viktor Orban vergeben worden sind. Damit kann die nächste Regierung, selbst wenn sie von einer anderen Partei gestellt wird, an diesen Besetzungen nicht mehr rütteln.

Das klingt arg. Aber auch das ist es in Österreich noch viel ärger (wenn es überhaupt wirklich arg wäre und nicht bloß eine Maßnahme zum Schutz dieser Funktionsträger vor politischer Willkür). Denn in Österreich wird sogar das allermächtigste Gremium, nämlich der Verfassungsgerichtshof, nicht nur auf neun Jahre, sondern lebenslänglich besetzt. Und Werner Faymann hatte nicht den geringsten Genierer, Richterposten im VfGH sogar direkt mit einem Mitglied seines Kabinetts zu besetzen.

Viele der restlichen Vorwürfe gehören in die Kategorie des Hanebüchenen. Manche Linke stört es etwa, dass vor Amtsantritt ein Eid auf die Verfassung abgelegt werden soll. Deutlich problematischer klingt die vorübergehende Senkung des Pensionsantrittsalters für Richter von 70 auf 62 Jahre, obwohl dann in den folgenden Jahren wieder eine (für alle Beamten gemeinsame) Steigerung des Pensionsantritts von derzeit 62 auf 65 Jahre erfolgen soll.

Jedoch lässt sich auch das halbwegs begründen: Mit der vorübergehenden und verpflichtenden Senkung wird Ungarn rascher eine problematische Garnitur von Richtern los, die noch aus dem Kommunismus stammen. Außerdem löst man solcherart ein besonders absurdes Privileg: Die noch amtierenden Altrichter konnten ab Erreichung des Anspruchsalters gleichzeitig zu ihren Bezügen parallel eine Pension kassieren. Was angesichts der wirtschaftlichen Situation des Landes ziemlich grotesk ist. Polizisten, Soldaten, Feuerwehrmänner konnten bisher sogar schon ab dem 45. Geburtstag in Pension gehen und daneben ungehindert einen anderen Job beginnen.

Jedenfalls sehen auch regierungskritische Journalisten keine Rückkehr zu einer Diktatur. Sowenig sie auch über die parlamentarische Übermacht der Fidesz erfreut sind. Diese liegt auch noch zur Halbzeit der Legislaturperiode im Gegensatz zum Schicksal der Regierungsparteien vieler anderer Länder bei den Umfragen klar voran.

Die soziale Lage ist bedrückend

Die kritischen Journalisten weisen dafür – und zweifellos zu Recht – auf die katastrophale wirtschaftliche Situation vieler Menschen in Ungarn hin. Da erzählt der eine von der Ärztin, die vor der Not fliehend einen Job in Dresden angenommen hat, obwohl sie schon 52 ist und keineswegs ausreichend Deutsch kann. Da erzählt ein anderer von der 38-jährigen Lehrerin, die ihren Job verloren und die sich nun für die Prostitution entschieden hat.

Niemand wagt auch nur zu behaupten, dass Ungarn heute von einer Welle des Optimismus oder Aufbruchs bewegt wird. Davon reden nicht einmal mehr die begeistertsten Anhänger der Regierung.

Es ist nun müßig, allzulange darauf zu verweisen, dass sich Ungarns wirtschaftliche Lage und seine Verschuldung vor allem unter der achtjährigen Herrschaft der Sozialisten so dramatisch verschlechtert haben. So stiegen die Schulden binnen acht Jahren von 52 auf 82 BIP-Prozent. Entscheidend sind jedoch Gegenwart und Zukunft. Und dafür trägt nun einzig Viktor Orban mit seiner großen Macht die Verantwortung.

Die EU macht sich selbst zum Sündenbock

Derzeit hilft ihm freilich die EU mit ihrer problematischen Sanktionenpolitik dabei, die Verantwortung nach Brüssel abzuschieben. Denn durch die Streichung von Kohäsionsgeldern kann Orban nun perfekt Brüssel als Sündenbock vorführen.Und er kann dabei verschweigen, dass es dabei eigentlich nur um eine überschaubare Summe geht.

Denn die EU-Maßnahmen legen weniger als 500 Millionen Euro aufs Eis. Während alleine die Erste Bank in einem einzigen Jahr durch die Orban-Maßnahmen einen Schaden von mehr als 500 Millionen erlitten hat. Überdies ist es durchaus möglich, dass die EU-Maßnahmen bis zum Sommer wieder aufgehoben werden. Der Raubzug auf die (österreichischen und anderen) Banken wird natürlich nicht rückgängig gemacht.

Die EU hat sich aber damit Budapest jedenfalls als perfekter Sündenbock angeboten. Viele ungarische Regierungspolitiker beklagen in den Gesprächen dementsprechen einen Doppelstandard der Brüsseler Kommission. Der Vorwurf scheint berechtigt: Ungarns Defizit ist lange nicht so hoch wie jenes vieler anderer Mitgliedsländer. Ganz zu schweigen von Spanien, dass nun zugeben musste, dass das Defizit im Vorjahr fast doppelt so hoch ausfiel wie geplant und versprochen.

Umso überraschender ist es, wenn der Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium Zoltán Cséfalvay im Gegensatz zu diesem Vorwurf die EU-Strafen gegen Ungarn sogar als „logisch“ bezeichnet. Das Defizitverfahren gegen Ungarn sei durchaus berechtigt, weil es gegen Ungarn schon seit 2004 läuft, also länger als gegen alle anderen Länder.

Überdies gehe es ohnedies nur um eine sehr kleine Differenz beim Budgetdefizit. Diese Differenz mache bloß ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukt aus und sei eigentlich nur durch unterschiedliche Wachstumserwartungen ausgelöst worden. Cséfalvay: „Wir sind sicher, dass wir das binnen weniger Wochen lösen werden können. Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen. Und in ein bis zwei Monaten wird niemand mehr darüber reden.“

Auch die für die EU zuständige Staatsministerin Enikö Györi gibt zu, dass für die Ungarn schon 2011 die Frist zur Defizitreduktion abgelaufen war, während sie für Spanien noch bis 2013 läuft. Aber umso genauer wollen sich die Ungarn anschauen, was dann gegenüber Spanien passiere. Also ob auch im Falle des großen EU-Lands genauso konsequent vorgegangen wird wie gegen das kleine Ungarn. Denn Györi weiß: „In der EU sind doppelte Standards nichts Neues.“

Das wahre Problem Ungarns heißt weder EU noch IMF

Das wahre, freilich vielen Ungarn noch kaum bewusste Problem der Regierung ist daher auch nicht die EU. Es ist auch nicht in erster Linie der Internationale Währungsfonds (IMF), der derzeit im Einklang mit der EU die Gewährung eines Beistandskredits an Ungarn zurückhält. Die Ungarn sehen derzeit in einem solchen Kredit ja ohnedies nur eine Sicherheitsmaßnahme, die nicht unbedingt notwendig wäre. Ganz offensichtlich profitieren nämlich auch sie derzeit bei der staatlichen Refinanzierung von den frisch gedruckten Geldmengen, mit denen die europäische und die amerikanische Notenbank seit dem Vorjahr die Welt überfluten, und haben daher keine akuten Probleme.

Das wahre Problem Ungarns ist der internationale Vertrauensverlust durch die Maßnahmen der letzten zwei Jahre. An deren Spitze stehen die überfallsartig eingeführten Belastungen für Banken, Handels- und Telekom-Firmen. Das sind ganz „zufällig“ jene Branchen, die zu einem starken Teil in ausländischer Hand sind.

Dadurch (und durch die Beschlagnahme der Reserven der „zweiten Säule“, der privat-obligatorischen Pensionsvorsorge) hat man zwar in den ersten beiden Fidesz-Jahren das Defizit relativ niedrig halten können. Man hat solcherart der ungarischen Bevölkerung auch vorerst die schmerzlichen Gehaltsreduktionen erspart, die in anderen Ländern notwendig waren. Aber dadurch wurde zugleich ausländischen Investoren ganz klar die Botschaft vermittelt: Ungarn ist ein Land, das über Nacht die Spielregeln ändert. Es gilt damit nicht mehr als sicheres Land für Investitionen.

Aber gerade ausländische Investitionen sind es, die Ungarn heute dringender als sonst irgendetwas anderes braucht. Will das Land doch eine zusätzliche Million Arbeitsplätze schaffen, was nur mit Hilfe vieler ausländischer Investoren möglich ist. Diese sind aber in Zeiten der Krise sowieso schwer genug zu finden. Und erst recht dann nicht, wenn sie fürchten müssen, dass ihre Investition durch eine spätere drastische Änderung der Rechtslage nachträglich total entwertet wird.

Viel zu wenige Ungarn haben einen Job

Wie wichtig die Schaffung von Arbeitsplätzen ist, zeigt der Arbeitsmarkt. In keinem anderen Land ist ein so geringer Prozentsatz der arbeitsfähigen Bevölkerung auch tatsächlich berufstätig wie in Ungarn: nämlich nur 55 Prozent. Wenn es Orban aber nicht gelingt, substanziell mehr Jobs zu schaffen, wird er einerseits nicht aus dem Defizitsumpf herauskommen (wobei es ihm auch nichts hilft, dass an der Entstehung des Sumpfs die Sozialisten die Hauptschuld tragen); seine Partei wird dann andererseits wohl auch nicht mehr den Vormarsch der radikalen Rechten standhalten können.

Dazu kommen aber auch immer wieder dumme Äußerungen von Regierungsvertretern. Immer wieder wurden bei meinen Gesprächen düster die „Interessen“ der ausländischen Investoren getadelt. So als ob es ein Geheimnis wäre, dass jeder Investor am Ende Gewinne erzielen will. So als ob ein modernes Bankwesen keine Voraussetzung einer erfolgreichen Wirtschaft wäre.

Dann spricht Orban unter offensichtlicher Anspielung auf das Ausland wiederum davon, dass Ungarn keine „Kolonie“ sein will. Und erst vor wenigen Tagen sagte er bei einem Vortrag in München: „Ein reicher Deutscher irritiert uns nicht, bei einem reichen Österreicher sieht es schon anders aus.“

Was nicht nur geschmacklos ist, sondern angesichts der Tatsache, dass Österreich im Verhältnis zu seiner Größe bisher die weitaus meisten Investoren in Ungarn gestellt hat, auch dumm. Klarer kann man es ihnen ja kaum sagen, dass sie unerwünscht sind.

Mutige und kluge Maßnahmen

Durch solche Worte und Taten macht Ungarn derzeit wahrscheinlich alles wieder zunichte, was es derzeit an absolut vernünftigen und im Ausland kaum bekannten Reformmaßnahmen setzt:

  • Es erhöht das Pensionsantrittsalter und schafft die schon angesprochenen Doppelbezüge von Beamtenpensionisten ab.
  • Es führt die Flat tax ein, also eine bei jedem Einkommen gleich niedrige Einkommensteuer, die noch in jedem Land trotz der linken Rufe „Unsozial!“ die Einnahmen erhöht hat.
  • Es fördert künftig stärker denn viele andere Länder die Familien. Was angesichts einer nur bei den Roma hohen Geburtenrate als eine dringend notwendige Zukunftsinvestition erscheint.
  • Es verpflichtet die Bezieher von Arbeitslosenunterstützungen zu Arbeiten im öffentlichen Interesse. Was in einem Land mit einer besonders hohen Langzeitarbeitslosigkeit – insbesondere unter den Zigeunern – eine wichtige Maßnahme zur Gewöhnung an den Rhythmus und die Anforderungen eines normalen Jobs ist.
  • Es hat schon vor den anderen EU-Ländern eine Schuldenbremse beschlossen.
  • Es macht den lokalen Verwaltungen eine weitere Verschuldung so gut wie unmöglich, nachdem sich diese besonders intensiv verschuldet haben.
  • Es reduziert die regionalen und lokalen Verwaltungskompetenzen, um die Verwaltung effizienter zu machen.
  • Es flexibilisiert den Arbeitsmarkt durch Erleichterung von Kündigungen, was zur Aufnahme von mehr neuen Arbeitnehmern führen müsste.
  • Es hat die Überstunden flexibilisiert, was vielen Industrien die Produktion erleichtert.
  • Es schafft die meisten Frühpensionsmöglichkeiten ab.
  • Es reduziert das Alter, bis zu dem jeder verpflichtend eine Schule besuchen muss, von 18 auf 16 Jahre.
  • Es gleicht durch Einführung des Berufsschulsystems die Ausbildung dem deutschen und österreichischen System an.
  • Und es hat den Banken zugesagt, im kommenden Jahr die Bankensteuern wieder zumindest unter den europäischen Schnitt zu bringen.

Das sind viele mutige und kluge Maßnahmen aus dem Repertoire einer klassisch liberalen Wirtschaftspolitik. Vielleicht hat aber auch gerade dieses Etikett den Zorn der europäischen Linksparteien auf Ungarn so stark erhöht, dass sie das Land zum Ziel ihrer Hasskampagne machten. Als ob es nicht schon genug Probleme hätte, an denen die ungarischen Sozialisten hauptschuld sind.
 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Wie viele Asylwerber gab es 2011 in der EU? drucken

Asylwerber absolut und pro einer Million Einwohner in der EU und dem EWR 2011 nach Staaten

Quelle: Eurostat

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Welchen Institutionen vertrauen die Österreicher? drucken

Saldo aus "Habe Vertrauen zu" und "Habe kein Vertrauen zu" März 2012 im Vergleich zu März 2011

 

Institution Vetrauenssaldo Veränderung
Rechnungshof

50

 
Arbeiterkammer

50

+3

Polizei

44

+2

Verfassungsgerichtshof

42

 
Universität

40

+3

Nationalbank

26

-12

eigener Gemeinderat

21

+7

Schule

18

 
Krankenkassen

17

 
Wirtschaftskammer

9

-7

Bundesheer

7

-12

eigene Landesregierung

5

 
Gewerkschaftsbund

3

+14

Landwirtschaftskammer

2

 
Katholische Kirche

-2

+3

Seniorenrat

-2

-9

Pensionsversicherung

-5

 
Industriellenvereinigung

-15

 
Parlament

-15

 
Justiz

-19

-14

Opposition

-22

+4

Finanzmarktaufsicht

-34

-10

Regierung

-37

-8

EU

-41

 

Quelle: OGM

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Ungeliebte Kapazitätsmärkte – Niemand will investieren drucken

Große Unsicherheit herrscht derzeit darüber, wie für den ständig ansteigenden Anteil der Erneuerbaren Energien ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden kann, für jene Zeiten, wo kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf Gaskraftwerke gelegt, die in ausreichender Zahl gebaut werden sollten.

Das Problem ist, dass bei den derzeitigen Gaspreisen niemand investieren will, weil die Investitionen nicht verdient werden können. ??Unter den zu erwartenden Gegebenheiten, dass die Anlieferung von grünem Strom wesentlich steigen wird und die Strompreise sich nicht wesentlich erhöhen werden, gibt es nur zwei Stellschrauben an denen gedreht werden kann.

Die Gaspreise müssen angepasst werden, um Gaskraftwerke zu ermöglichen.
In der Vergangenheit gab es so genanntes „Kraftwerksgas", das zu Preisen angeboten wurde, die sich an der Konkurrenzenergie (etwa Kohle) orientierten, das war meist deutlich unter den Marktpreisen für Gas. Diese Zeiten sind vorbei. Viele potentielle Kraftwerksbetreiber verlangen daher eine Anbindung der Gaspreise an die Strompreise, zumindest für einen Teil der Liefermenge. Derartige Angebote gibt es bereits am Markt, was aber noch immer nicht ausreicht, um die Vollkosten abzudecken.

Auch die heimischen Betreiber von Gaskraftwerken leiden unter den hohen Preisen der Langfristverträge mit Gazprom. Die Russen haben bisher wenig Bereitschaft gezeigt, an der Preisschraube zu drehen.?

Bleibt als zweite Möglichkeit eine Änderung der Rahmenbedingungen und damit befindet man sich bereits bei dem heiklen Thema der „Kapazitätsmärkte".
Es geht dabei darum, ob der Neubau von Kraftwerken subventioniert werden soll. Das heißt im Klartext, dass ein Teil der Liberalisierung der Energiemärkte wieder zurückgenommen würde. Politiker und Stromversorger wollen das eigentlich nicht. Österreich Energiemanager sehen dies als einen Rückschritt an. Wirtschaftsminister Mitterlehner: „So etwas ist nicht nötig". ?

Während in Österreich noch keine Überlegungen für Kapazitätsmärkte bekannt sind, überlegt die deutsche Bundesregierung eine direkte Subventionierung der Investitionskosten im Ausmaß von 15 Prozent (für Investitionsentscheidungen zwischen 2013 und 2016) unter der Voraussetzung, dass die Kraftwerke CCS-fähig (CO2-Abscheidung) sind. Zudem dürfe der Betreiber nicht über einen Marktanteil von mehr als fünf Prozent des Stromerzeugungsmarktes verfügen.

Bezahlt sollen diese Subventionen aus den staatlichen Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten werden. ??Das könnte allerdings in Brüssel auf Widerstand stoßen, wo man derzeit an einheitlichen Vorgaben für derartige Beihilfen arbeitet. Es geht darum, dass nur Kraftwerke gefördert werden, die die gesamte Prozesskette zur Abscheidung und Abspeicherung von Kohlenstoff bis 2020 tatsächlich vornehmen können. Dies wird weder in Deutschland noch in Österreich der Fall sein, weil dies politisch derzeit nicht gewollt wird.

Wie die Energiewende funktionieren wird steht somit nach wie vor in den Sternen. Weder der Kraftwerkausbau noch der dringend notwendige Ausbau der Übertragungsnetze ist auf Schiene. Überschüssige Strommengen von norddeutschen Windrädern werden somit unerwünscht nach Tschechien, Polen und auch Österreich schwappen und Unruhe in die nationalen Stromnetze bringen. Retten könnte man sich indem man den Strom einfach nicht hereinlässt (also den Phasenschieber zumacht). In Polen ist das angedacht, die Tschechen wollen das nicht und möchten eher die heimischen Übertragungsnetze ausbauen. In Österreich ist das Problem in nächster Zeit noch nicht allzu dringend zu lösen.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Frankreich: Die Richtungswahl des nächsten Crash-Kandidaten drucken

Es ist oft schwer verständlich, wie viele Sende- und Zeitungsfläche die europäischen Medien jedem einzelnen Vorwahlergebnis in Amerika spendieren, und wie relativ wenig Aufmerksamkeit selbst den großen europäischen Staaten gewidmet wird. Dabei wage ich zu sagen: Alleine Frankreich, das schon im April und Mai wählt, ist für die Zukunft Europas wichtiger als alle amerikanischen Vor- und Präsidentenwahlen zusammen.

Denn wir leben ja zum Glück nicht mehr in Zeiten, da das amerikanische Eingreifen einen Weltkrieg entscheidet. Denn wir leben in einer Epoche, wo unser aller Schicksal mindestens ebenso stark von der Europäischen Union wie von den nationalen Regierungen entschieden wird, aber viel weniger von irgendwelchen Entscheidungen Washingtons. Und in der EU erfolgt die entscheidende Willensbildung seit Jahrzehnten durch den deutschen Bundeskanzler und den französischen Präsidenten.

Da mag sich die EU selber noch ein weiteres Dutzend einander eifersüchtig beobachtender Präsidenten für Kommission, Rat oder Euro-Gruppe etc. geben: Das letzte Wort bleibt in Paris und Berlin. Ganz Europa respektiert das, weil es keine funktionierende Alternative gibt. Geschichtsbewusste schätzen das auch deshalb, weil der frühere Antagonismus zwischen den beiden Völkern über zwei Jahrhunderte Europa regelmäßig schwere Konflikte und millionenfachen Tod beschert hat.

Frankreichs Präsidentenwahl ist auch deshalb besonders spannend, weil Nicolas Sarkozy ein impulsiver und überehrgeiziger Politiker ist, dem man vieles Negative nachsagen kann, aber nicht, dass er langweilig oder feige wäre. Noch spannender wird das Rennen dadurch, dass nicht weniger als fünf Kandidaten Chancen haben, zweistellige Prozentanzahlen zu erreichen, und weil es daher mit fast absoluter Sicherheit eine Stichwahl geben wird.

Ein Staatssozialismus nähert sich dem Crash

All diese – fast hätte ich gesagt: sportlichen – Aspekte verblassen aber hinter der wirtschaftlichen Bedeutung. Denn das zweitgrößte Land Europas befindet sich in einer extrem fragilen Position. Ein größerer Crash in Frankreich hätte aber ganz andere Folgen als etwa die griechische Krise der letzten drei Jahre. Und ein solcher Crash hat eine ziemlich große Wahrscheinlichkeit, wenn man sich die französische Realität näher anschaut.

Die wichtigste Ursache der französischen Krise ist die enorm große Rolle des Staates in der Wirtschaft. Das hat die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und seiner Industrien im Lauf der Jahre stark reduziert und die Budgetdefizite stark erhöht. Zugleich haben frühere sozialistische Regierungen etwa durch die Einführung der 35-Stunden-Woche mit populistischen Maßnahmen die französischen Unternehmen belastet. Das wurde von den Gaullisten nicht mehr zurückgenommen. Stehen doch auch sie in einer starken sozialetatistischen Tradition. Ist doch die Rücknahme sozialer Ansprüche in fast keinem Land ohne enormen Widerstand durchsetzbar.

Der französische Staat ist wie ein Luftballon aufgeblasen, der mit einem Reißnagel zum Platzen gebracht werden kann. Frankreich hat heute rund 5,5 Millionen Staatsbedienstete. Das sind um 18 Prozent mehr als vor einem Jahrzehnt. Das ist auch eine halbe Million mehr als in Deutschland (obwohl in der Bundesrepublik 19 Millionen mehr Menschen wohnen als in Frankreich). Der französische Staat kontrolliert darüber hinaus ganze Industriebranchen; er ist an mehr als 800 meist großen Unternehmen signifikant beteiligt.

Zugleich lebt Frankreich in einem höheren Ausmaß als die allermeisten anderen Länder nur vom Konsum, der durch staatliche Schuldenmacherei finanziert wird. Die offiziellen Staatsschulden: Österreich 73 Prozent, Frankreich 86 Prozent. Dabei machen die inoffiziellen – „impliziten“ – Verpflichtungen etwa aus dem generösen Pensionssystem noch ein Vielfaches dieser Werte aus, werden jedoch nirgendwo exakt gemessen. Auch die Staatsausgabenquote (als Anteil am BIP gemessen) ist mit 56 Prozent höher als im ebenfalls ausgabenfreudigen Österreich (52 Prozent), und gleich um zehn Prozentpunkte höher als in Deutschland oder auch Italien.

Deutschland produziert viel billiger

Fast notgedrungene Folge dieses Staatssozialismus: Die Arbeitslosigkeit beträgt 10 Prozent, und von den Jugendlichen ist schon jeder vierte arbeitslos. Dennoch ist bisher jeder Versuch, die Beschäftigungsquote durch eine Liberalisierung des überregulierten Arbeitsmarktes zu erhöhen, sehr rasch immer an aggressiven Demonstrationen und Streiks von linken Gewerkschaften und Studenten gescheitert. Die Profiteure in den diversen staatlich geschützten und gestützten Sektoren sind einfach nicht willens, in eine Wettbewerbswirtschaft zu wechseln. Warum sollten sie auch auf persönliche Vorteile verzichten? Die Folge: Kaum noch ein Arbeitgeber ist willens, neue Arbeitsverträge zu diesen Gewerkschaftsbedingungen zu schaffen.

Denn die Arbeitskräfte sind nicht nur unkündbar, sondern auch teuer, vor allem im letzten Jahrzehnt haben sich die Kosten für Arbeitgeber stark erhöht. Dazu kommen hohe Steuern auf jeden Arbeitsplatz. Heute sind die totalen Kosten für eine Arbeitsstunde in Frankreich um 41 Prozent höher als in Deutschland. Das führt dazu, dass immer mehr, vor allem junge Menschen wenn überhaupt nur noch kurzfristig limitierte Arbeitsplätze finden.

Frankreich agiert zwar heute als eine Führungskraft der EU. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb? – hat das Land es geschafft, große Wirtschaftsbereiche gegen die Herausforderungen, die kurzfristigen Schmerzen, damit aber auch die langfristigen Vorteile eines gemeinsamen Binnenmarktes abzuschotten. Dies gilt insbesondere für die französische Landwirtschaft, aber auch für alle Sektoren, die sich als kulturell ausgeben können.

Und ganz besonders gilt das für die großen französischen Strom- und Telekomkonzerne. Diese sind in den letzten Jahren im Ausland auf große Einkaufstour gegangen, haben aber im Inland jede Konkurrenz für ihre Monopole abwenden können. Vor allem der Stromriese EDF hat dabei freilich durch die günstige Atomstromproduktion auch einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber den von den Atomgegnern lahmgelegten Konkurrenten. Diese Nuklearindustrie hat zweifellos mitgeholfen, dass das französische Wohlfahrtsmodell bisher noch nicht kollabiert ist.

Der Immobilismus der Eliten

Zugleich hat Frankreich eine lange Tradition linksradikaler Intellektueller, welche weit wirklichkeitsfremder sind als etwa die deutschen Sozialdemokraten. Aber auch die weniger radikalen Eliten haben nicht wirklich versucht, die Nation von der Notwendigkeit irgendwelcher Änderungen zu überzeugen. Sie selbst leben ja in dem Immobilismus des französischen Modells nach wie vor gut.

Die Eliten des Landes von links bis rechts tun sich auch nach wie vor schwer mit dem Gedanken, dass Frankreich heute nur noch ein mittelgroßes Land und keine Weltmacht mehr ist. Diese Fixierung auf eine große Vergangenheit behindert aber zweifellos eine echte Zuwendung zur Zukunft.

Auch die starke Zentralisierung des Staates erweist sich immer mehr als eine unheilvolle Tradition. Sie erschwert Flexibilität und Vielfalt. In der Geschichte hat sich bisher immer staatlich gelenkte Industriepolitik als langfristig dem freien Wachstum der Ideen unterlegen erwiesen.

Eine schwere Last für Frankreich ist die große Zahl von Einwohnern, deren Wurzeln in Afrika liegen. Sie haben zwar großteils die französische Staatsbürgerschaft; sie haben aber nur in kleinen Minderheiten zum bildungsmäßigen und zivilisatorischen Standard der Mehrheitsbevölkerung aufschließen können. Sie sind daher nicht nur in besonders hohem Ausmaß arbeitslos, da die meisten einfachen Jobs verschwunden sind. Diese Menschen sind daher eine wachsend aggressive Kraft einer sozialen Destabilisierung. Bisher schien es in Frankreich wenigstens weniger gefährliche islamistische Netzwerke zu geben als etwa in Großbritannien. Das jüngste Blutbad vor einer jüdischen Schule in Toulouse lässt jedoch nun auch in diesem Punkt eine negative Entwicklung befürchten.

Sarkozy: Reden statt Handeln

Sarkozy hat vor fünf Jahren den Eindruck erweckt, als einer der ersten Spitzenpolitiker die französische Krankheit voll diagnostiziert zu haben. Aber er hat dann als Präsident – obwohl im eigenen Land viel mächtiger als der jeweilige deutsche Kanzler in seinem – fast nichts für eine Therapie getan. Sarkozy hat viel geredet und wenig gehandelt.

Zuerst haben die niedrigen Zinsen das anhaltende Schuldenmachen noch erleichtert. Und dann kam die Krise. In dieser hat sich das Defizit für die enormen Sozialausgaben automatisch rasch erhöht, während die Struktur- und Wachstumsreformen erst recht nicht angegangen wurden. Daher fehlt Sarkozy fast jede Glaubwürdigkeit, wenn er jetzt – in der Krise und im Wahlkampf – plötzlich wieder von energischen Reformen redet.

Allerdings: Keiner seiner Konkurrenten scheint auch nur in der Theorie die Reformnotwendigkeiten erkannt zu haben. Die meisten wollen sogar das Schulden-Füllhorn noch weiter über den Wählern öffnen, versprechen noch mehr Wohlfahrt, wollen marode Industrien durch neue Schulden retten. Und sie meinen weiterhin, dass sich schon alles irgendwie ausgehen wird. Oder sie glauben, dass die Deutschen (und einige andere) wie in den letzten Jahrzehnten dafür zahlen werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Die lustigen und listigen Spareunfrohs drucken

Ganz Europa spart, spart, spart. Ganz Europa? Nein, ein kleines Land in seiner Mitte und ein großes Land in seinem Süden wollen das nicht so wirklich. Zwar wird auch dort in zahllosen Politikerreden und offiziellen Ankündigungen viel von einem Einbremsen des Schuldenwachstums geredet. Schaut man sich jedoch ihre Taten an, weiß man, dass das Gegenteil zutrifft.

Das eine Land heißt Spanien. Dieses hat gerade zugeben müssen, dass es weder im Vorjahr noch heuer die versprochenen und verpflichtenden Defizitreduktionen realisiert hat, beziehungsweise schaffen wird. Es geht halt nicht. Und die EU nimmt das sehr gleichmütig zur Kenntnis, sie denkt gar nicht daran, die Spanier (oder die ähnlich agierenden Griechen) ebenso zu bestrafen wie die Ungarn. Schließlich haben die Spanier ja nicht eine so komische Sprache wie die Ungarn und einen viel besseren Wein. Daher muss man schon nachsichtig sein.

Gleichzeitig verzichtet Spanien trotz aller Besserungsgelübde – „vorerst“ – nicht nur auf effizientes Sparen, sondern auch auf den Verkauf der beiden größten Flughäfen des Landes. Die Preise seien halt derzeit nicht gut. Interessant. Durch ganz Europa schwappen derzeit milliardenweise die vielen Euro und Dollar, mit denen die amerikanische und die europäische Zentralbank die Märkte überfluten. Aber dennoch will niemand einen spannenden Flughafen kaufen, obwohl Barcelona, Madrid oder Mallorca wirklich wichtige Drehkreuze sind, auch des Tourismus wegen.

Das bedeutet: Entweder ist die Aussage über das Desinteresse der Käufer gelogen. Oder die ganze künstliche Geldschöpfung der EZB fließt gleich wieder zurück in die diversen überschuldeten Staatskassen und in für zukunftssicher gehaltene Länder in Ostasien und Lateinamerika.

Genauso Seltsames erfährt man vom spanischen Fußball. Denn die iberischen Profi-Klubs schulden dem Finanzamt nicht weniger als 752 Millionen Euro. Zugleich wird das Gerücht immer lauter, dass den Klubs jetzt ein Teil davon nachgelassen werden wird. Was ziemlich frech wäre. Da kaufen die Klubs quer durch die Kontinente alles an Spielern ein, was gut und teuer ist; und viele Experten halten Barcelona als Folge dieser Einkäufe heute  für den besten Fußballverein der Welt überhaupt, dicht gefolgt von Real-Madrid. Aber die Klubs können ihre Steuern nicht zahlen. Oder wollen es nicht. Denn bevor sie den jubelnden, aber auch leicht in Zorn verfallenden Massen in den Stadien ihre Circenses entziehen, schnalzen die Klubs lieber den Staat. Und der lässt es sich gefallen. Der Grund ist klar: Mit Fußballfans und Sportjournalisten ist nämlich nicht gut über Sparsamkeit und Ehrlichkeit zu reden.

Wechseln wir nach Österreich. Dort ist ja auch gerade ein „Sparbudget“ mit großem Tamtam und viel Selbstbeweihräucherung beschlossen worden, obwohl es keineswegs die Sparvorgaben erreicht, geschweige denn ein Nulldefizit. Interessanterweise sind auch in Österreich die Sportsubventionen gleich von vornherein vom Sparen ausgenommen worden. Und keine einzige Partei hat etwas dagegen zu sagen gewagt. Man kennt ja die wahren Prioritäten: Panem et Circenses.

Ein bisschen jammern und schon gibt es Geld

Zugleich wird mit jedem Tag die Liste jener länger, die sich mit großem Erfolg aus den Einsparungen hinausreklamieren. So hat das etwa der SPÖ-nahe Verein Gedenkdienst umgehend geschafft. Er organisiert einen Zivil-Ersatzdienst in ausländischen Gedenkstätten, eine bei jungen Wehpflichtigen sehr beliebte Alternative zu Bundesheer oder Altersheim. Kaum haben die Gedenkdiener über bevorstehende Kürzungen geklagt, verkündet Bundesnichtsparkanzler Faymann auch schon, dass sie ihr bisheriges Geld weiter bekommen werden.

Die Folge dieses Erfolgs gegen eine knieweiche Regierung ist klar. Er reizt zur Nachahmung an. Da ist höchstens noch die Frage offen, ob es Hunderte oder gar Tausende anderer Subventionsbezieher sein werden, die in den nächsten Monaten unter Berufung auf dieses Einknicken ebenfalls Kürzungen abwenden werden. Sie alle haben ja in den letzten Tagen gelesen, dass man schon mit ein paar Protestaussendungen spielend leicht Erfolg hat. Und wer einmal einknickt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann von „Jetzt aber nicht mehr“ spricht.

Voll im Einknicken ist auch schon die Justizministerin beim Plan, die kleinen Bezirksgerichte zusammenzulegen, die ja oft nur mit einem oder zwei Richtern besetzt sind. Als erste haben – ausgerechnet – Vorarlberg und das Burgenland ein kategorisches Nein deponiert. Damit ist die Frau Karl sogar schon bei den Zwerg-Bundesländern gescheitert. Jedes Bundesland hat ja nach unserer bisweilen sehr seltsamen Verfassung ein Vetorecht gegen solche Einsparungen des Bundes.

Solche Universalrichter in der Einschicht müssten sich – theoretisch – in jedem Rechtsgebiet perfekt auskennen.  Was natürlich undenkbar ist, schaffen das doch so manche Spezialrichter nicht einmal im eigenen Gebiet. Aber die Qualität der Justiz ist hierzulande ohnedies schon egal. Nicht nur den Landeshauptleuten ist anderes, wie etwa das Wohlwollen einiger Bürgermeister viel wichtiger.

Das Image der Justiz ist jedenfalls total im Keller gelandet: Bei einer neuen OGM-Umfrage hat ihr eine überwältigende Mehrheit der Österreicher das Vertrauen entzogen. Im Vertrauensbarometer landet sie weit hinten. Und sie liegt sogar hinter selbst so umstrittenen Institutionen wie Schule, Krankenkassen, Bundesheer, ÖGB, Kirche, Parlament. Auch wenn an diesem Imageverlust primär die Staatsanwälte die Schuld tragen, so macht das doch auch jeden Justizminister zu einer lahmen Ente. Das gälte auch dann, wenn wir wieder bessere Minister hätten als die derzeitige Ressortchefin, deren einzige Qualifikation die Protektion durch den Herrn Schützenhöfer ist. Dass EU und Bundesregierung noch schlechtere Werte haben, sollte für die einst sehr angesehene Justiz keine Sekunde lang ein Trost sein. Die Justiz wäre auf Grund ihrer Wichtigkeit nur dann in Ordnung, wenn ihr Ansehen das beste unter allen getesteten Institutionen ist.

Sie bereiten schon wieder neue Ausgaben vor

Aber die Glaubwürdigkeit des Landes wird nicht nur durch den Unwillen der diversen Profiteure zertrümmert, auf den langgewohnten Zaster (Copyright: Johanna Mikl-Leitner) zu verzichten. Denn einige Politiker sind sogar schon darüber hinaus wieder unterwegs, um sich neue Ausgaben und damit Schulden auszudenken.

Da fordert etwa Sozialminister Rudolf Hundstorfer öffentlich: Der „Weiterbau“ des Sozialstaats sei das Gebot der Stunde. Selbst wenn solche Sprüche schon primär Teil eines inoffiziellen Wahlkampfs um das Erbe des Michael Häupl sein sollten, zeigen sie doch, wie wenig die Lage der Republik in den Köpfen der Sozialdemokraten angekommen ist. Wäre es anders, könnte Hundstorfer mit solchen Aussagen ja gar nicht Stimmung unter den Genossen für sich machen. Aber es ist zu befürchten, dass er seine Worte auch blutig ernst meint. So bezeichnete er die Notwendigkeit, angesichts einer ständig steigenden Lebenserwartung länger zu arbeiten, schlichtweg als „Mär“. Dieser Mann will offenbar wirklich jede notwendige Reform verhindern.

Zusätzlich das Budget belasten wollen aber auch andere Ministerien. Sowohl die Infrastrukturministerin Bures wie auch die Frauenministerin Heinisch-Hosek haben jetzt angeordnet, dass Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden, die Frauen fördern. Die Heinisch-Hosek-Anordnung gilt auch gleich fürs ganze Bundeskanzleramt, obwohl dort theoretisch ein anderer zuständig wäre. Aber der . . .

Die Weisungen der Ministerinnen werden eine ganz eindeutige Konsequenz haben: Die Aufträge werden im Schnitt für den Steuerzahler deutlich teurer werden. Denn je weniger Konkurrenten um einen Auftrag rittern, umso teurer wird er, umso eher können die Firmen hohe Preise durchsetzen. Außerdem kann jede Firma natürlich zu Recht argumentieren, dass die verlangten Förderprogramme Kosten verursachen.

Diese Verteuerung betrifft alle Ausschreibungen bis 100.000 Euro. Erst bei höheren Beträgen gilt das strenge und objektive Vergabegesetz. Die Schwelle, wo dieses wirksam wird, hat die Regierung Faymann im Handstreich von 40.000 auf 100.000 Euro erhöht. Was natürlich derlei Schiebungen wieder einen weit größeren Spielraum verschafft als vor der schwarz-blauen Vergabereform.

Man darf nun freilich gespannt sein, wie die Zeitungsverleger Fellner und Dichand künftig die „Frauenförderung“ beweisen werden, um weiterhin an die fetten Faymann-Inserate heranzukommen. Vielleicht durch die nachweislich exzellenten Abdruckchancen für leicht- bis gar nicht bekleidete Mädchen? Schöner kann man ja Frauen gar nicht fördern . . .

Die Banken zittern vor Greenpeace

Aus vordergründiger Ideologie gegen die eigene Tasche (beziehungsweise die der Steuerzahler) arbeiten aber neuerdings nicht nur Ministerien, sondern dies tut auch die Bank Austria. Obwohl es ihr ja auch nicht so sensationell gut gehen soll. Die Bank hat jetzt als Folge einer politischen Erpressung durch grüne NGOs den Betriebsmittelkreditvertrag mit der slowakischen Kernkraftwerksgesellschaft gekündigt. Wenn Greenpeace und Global 2000 trommeln, dann verzichtet man eben lieber auf ein gutes Geschäft. Als ob man so viele andere machen würde.

Bleibt noch die Frage offen: Werden künftig in der Bank Austria im Herbst und Winter auch die Lichter und Computer ausgeschaltet? Denn in dieser wasser-, sonnen- und windarmen Periode muss Österreich ja regelmäßig den bösen tschechischen Atomstrom importieren. (Oder weiß das Greenpeace nicht? Dann bitte geheimhalten.)

 

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Die Krise ist vorbei – es lebe die Krise drucken

Europas und Österreichs Politiker versuchen den Eindruck zu erwecken, dass die große Krise überwunden wäre. Da die Menschen der schlechten Nachrichten längst überdrüssig sind, sind sie nur allzu gern geneigt, die Botschaft auch zu glauben. Alleine: Die wirtschaftlichen Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Sie bleiben in der Welt, auch wenn man sie verdrängt.

Die Gefahr ist sogar groß, dass gerade die Rettungsmaßnahmen einen Startschuss für die nächste Krise bedeuten, die daher eine direkte Fortsetzungskrise zu werden droht. Vor allem die Politik des billigen Geldes und die ständige Steigerung der Staatsausgaben bergen großes Gefahrenpotential.

Damit wiederholen sich die Hauptursachen des letzten Krisenausbruchs: Nach der Dot.com-Krise 2001/02 haben die westlichen Notenbanken – auf Druck der Politik – eine viel zu expansive Geldpolitik betrieben. Und zugleich war auch die Fiskalpolitik viel zu expansiv. „Die Wirtschaft wurde damals von beiden Seiten befeuert“, formuliert der Makroökonom Peter Brezinschek. Das musste zur Entstehung von Blasen führen, die irgendwann einmal platzen, was dann 2008 mit katastrophalen globalen Folgen passiert ist.

Am Beginn einer österreichischen Immobilienblase

Auch wenn Wissenschaftler in Hinblick auf die Zukunft immer viel vorsichtiger formulieren als bei der Vergangenheit, müsste ein Satz von Christian Helmenstein, einem weiteren prominenten Ökonomen, in ganz Österreich die Alarmglocken schrillen lassen. „Österreich befindet sich möglicherweise an der Schwelle zu einer Immobilienblase. Es gibt aber keinen Politiker, der bereit wäre, eine sich aufbauende Blase zu stoppen.“

Genau solche Immobilienblasen – also steil ansteigende Preise für Häuser und Wohnungen – sind ja am Beginn der jüngsten Krise von Amerika bis Spanien geplatzt. Das hat die bekannten explosiven Kettenreaktionen ausgelöst. Denn ein tiefes Absinken der zuvor in die Höhe gejagten Werte von Immobilien (in Spanien etwa auf ein Fünftel der Spitzenwerte) bringt natürlich nicht nur die Hausbesitzer, sondern auch die kreditgebenden Banken ins Schleudern. Es setzt sie existenzbedrohend „unter Wasser“, wie es die Amerikaner formulieren.

Das, was vor zehn Jahren zu der verheerenden Blasenbildung geführt hat, ist im Grund genau das, was auch jetzt wieder passiert. Die EZB hat mehr als eine Billion Euro an Billigstgeld gegen zum Teil sehr dubiose Sicherheiten unter die Europäer gebracht; ähnliches tun die Amerikaner; zugleich sind die Sparanstrengungen vieler Länder unzureichend. Wir haben also wieder eine leichtfertig expansive Politik, in Sachen Budgets wie auch in Sachen Notenbanken. Die aber keineswegs für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand sorgt.

Die Schweiz gibt weniger aus – und baut Vorsprung aus

Österreichische Spitzenökonomen, die in der Gruppe „proMarktwirtschaft“ zusammengefasst sind, haben nachgewiesen, dass die Schweiz in den fünf Jahren 2006-2010 ihren Vorsprung auf die Euro-Länder drastisch ausbauen hat können: War das (entsprechend der Kaufkraft berechnete) Pro-Kopf-Einkommen der Schweizer anfangs „nur“ um 34  Prozent höher als im Euro-Raum, so stieg der eidgenössische Vorsprung am Ende der Periode auf 47 Prozent.

Damit ist der gesamte Wachstumsvorteil, den die Euro-Einführung ursprünglich im Vergleich zur Schweiz ausgelöst hat, wieder verloren gegangen. Ursprünglich war ja der Euro für viele Länder vorteilhaft, weil er niedrige Zinsen gebracht hat. Jedoch wurden diese in vielen Ländern nicht für Investitionen genutzt (mit denen man die Rückzahlung finanzieren hätte können), sondern für Konsumausgaben.

Die Schweiz hat ihren Wachstums- und Wohlstandsgewinn während der letzten Jahre nicht durch höhere Staatsausgaben oder Verschuldung oder billiges Geld erzielt. Was ja nach der Ansicht von gewerkschaftsnahen Ökonomen die einzigen Wege zu Wachstum wären. Sie hat vielmehr in diesem Zeitraum Staatsausgabenquote wie auch Schulden deutlich zurückschrauben können. Letztere sank (im Zeitraum 2002 bis 2010) etwa von 68 auf 54 Prozent.

Die Ökonomen sehen auch über die Schweiz hinaus eine enge Korrelation zwischen dem Abbau von Schulden und einem steigenden Wachstum. Diese Erkenntnis stellt die einstige Keynesianische Theorie weitgehend auf den Kopf, die zu immer mehr Schulden geführt hatte.

Sparpaket ist völlig unzureichend

In Österreich hingegen steigt trotz dieser Erkenntnisse die Ausgabenquote weiter an. Das Land hat in den guten Konjunkturjahren 2009/10 fast als einziges Euro-Land die Ausgabenquote sogar gesteigert. Auch für die Zukunft schaut es trotz eines angeblichen Sparpakets nicht gut aus. Während die EU eine alljährliche Reduktion des strukturellen Budgetdefizits um 0,75 Prozent verlangt, reduziert Österreich dieses strukturelle Defizit nur um 0,4 Prozent des BIP (Bei der Berechnung eines strukturellen Defizits werden Konjunktur-Effekte herausgerechnet).

Die proMarktwirtschaft-Ökonomen sehen eine jährliche Defizitreduktion von sogar 1 Prozent als leicht möglich an. Alleine in den drei Bereichen Gesundheit (zB.: zu viele Akutbetten, zu viele und medizinisch noch dazu schlechte Kleinspitäler), Pensionen (ein viel zu niedriges Antrittsalter) und Förderungen wäre das Defizit problemlos um sechs Prozentpunkte reduzierbar. In all diesen drei Bereichen ist Österreich weit ausgabenfreudiger als die anderen europäischen Länder. Dabei geht es hier durchwegs um Ausgaben, die nicht wachstumsfördernd sind.

Bankenrettung ist nicht an Krise schuld

Die Daten der Ökonomen widerlegen noch weitere häufig wiederholte Glaubenssätze der österreichischen Debatte. So wird oft behauptet, die Bankenrettungen seien die Hauptursache der angewachsenen Schulden. Dabei macht das ganze Bankenrettungspaket nur maximal 5 Prozent des BIP aus – dies aber nur im Fall, dass das Paket ganz ausgeschöpft wird und keine Gelder für die Partizipationsscheine zurückfließen. Was jedoch als absolutes Worst-Case-Szenario gilt.

Bereits Tatsache ist jedoch, dass die Krise das Defizit um rund 15 Prozentpunkte ansteigen hat lassen. Und der allergrößte Teil der rund 73 Prozent Staatsschulden, die Österreich heute so drücken, ist ja überhaupt in den Jahren vor der Krise, also ganz ohne Bankenrettungen entstanden.

Aber auch diese 73 Prozent sind nur ein kleiner Teil der Wahrheit: Schon  im übernächsten Jahr kommen weitere 4,5 Prozent durch derzeit noch in ausgelagerten Gesellschaften versteckte Schulden hinzu. Die wirkliche – nur selten öffentlich angesprochene – Katastrophe ist aber die implizite Staatsverschuldung. Zu deren Berechnung werden auch all jene Verpflichtungen dazugerechnet, die der Staat jetzt schon eingegangen ist: etwa die künftig auszuzahlenden, aber heute schon bestehenden Zahlungsverpflichtungen für Pensionen, für den öffentlichen Dienst und die Folgen der demographischen Entwicklung.

Helmenstein berichtet von einer neuen deutschen Studie, dass diese implizite Verschuldung in Österreich bereits über 297 Prozent liegt. Zwar sind auch in anderen Staaten solche implizite Schulden aufzufinden. Aber sie liegen etwa in Deutschland um rund hundert Prozentpunkte niedriger als in der Alpenrepublik.  Daher ist ein weiterer Verlust der österreichischen Kreditwürdigkeit, ein neuerliches „Downgrading“ wahrscheinlicher als eine Rückkehr zum Triple-A.

Die Politik als oberster Preistreiber

Auch die Klagen mancher Politiker über die Preissteigerungen der „Wirtschaft“ sind überaus heuchlerisch: Während die gesamte Inflation in Österreich im Schnitt des letzten Jahrzehnt 1,9 Prozent ausgemacht hat, sind die (politisch) administrierten Preise um 2,65 Prozent gestiegen. Das heißt: Die Politik selber ist der größte Preistreiber.

Selbst die einstige sozialdemokratische Vorbild-Region Skandinavien ist kein Exempel mehr für die Politik der österreichischen Regierungen (vor allem der besonders ausgabenfreudigen Landesregierungen), um ihre Schulden- und Ausgabenfreudigkeit zu rechtfertigen. Schweden etwa hat als einziger EU-Staat derzeit ein ausgeglichenes Budget, kann sich daher zum Unterschied von Österreich sein noch immer recht hohes Ausgabenniveau leisten. Es hat aber auch seine Ausgabenquote um nicht weniger als 4,7 Prozentpunkte reduziert. Während eben Österreich diese Quote steigert.

 Mit anderen Worten: Die Politik tut alles, damit sich die Krise recht bald in noch gesteigertem Umfang wiederholt.

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Griechenland ist pleite! drucken

Mit dem Stempel der ISDA  (International Swaps and Derivatives Association) wurde es ganz offiziell: Griechenland ist pleite! Alle „Rettungsschirme“, die aufgespannt wurden, um die Pleite zu verhindern, haben nichts gebracht, 350 Milliarden wurden in den Sand gesetzt, die Gläubiger (Staaten, EZB, Notenbanken, Auffanggesellschaften, Privatgläubiger, IWF, EU) halten jetzt nur noch „Ramsch-Papiere“ in ihren Händen.

Die griechischen Schulden, welche in diesen Ramsch-Papieren verbrieft sind, werden jedoch zum Nennwert (!) „virtuell“ auf die Mitglieder der EURO-Zone übertragen und im Wege von EFSF/ESM bedient. Auf diese Weise entsteht das, was bei Gründung der EWU nie beabsichtigt war und mit allem Nachdruck ausgeschlossen wurde: Eine Schulden- und Haftungsunion. Österreich wird an dieser Schulden- und Haftungsunion mit über 50 Milliarden EURO beteiligt sein (verlorene Zuschüsse, Kapitalbeteiligungen und Zinsen).

Griechenland wird entschuldet, und dazu wird die EURO-Zone bis 2020 rund 500 Milliarden EURO aufzubringen haben. Das erste Hilfspaket von 109 Milliarden EURO wird natürlich nie zurückgezahlt, sondern herumgeschoben, bis es auf der Ramschhalde von EFSF/ESM landet. Das zweite Hilfspaket von 135 Milliarden wird unmittelbar vom EFSF beigestellt und später vom ESM übernommen. Im ESM landen nach ein paar Jahren auch die IWF-Kredite, denn auch für die wurde von den EURO-Mitgliedern die Haftung übernommen… Zur Entschuldung Griechenlands mussten inzwischen auch die „Privatgläubiger“ (also vor allem die Banken) 107 Milliarden EURO beitragen.

Die als „Privatgläubiger“ ausgegebenen Banken werden allerdings entschädigt durch „billiges Geld“ (1 Prozent p.a.), welches ihnen die EZB in Höhe von einer Billion EURO (!) zur Verfügung stellt. Sie verleihen es mit einer Spanne von 300-400 Prozent weiter, zu Lasten der Bürger der Euro-Staaten, die als Steuerzahler oder Konsumenten in Form von Zinsen für diese „Geschenke“ an die Banken – rund 30 Milliarden EURO jährlich! – aufzukommen haben.

Doch auch damit nicht genug. Der griechische Pleite-Staat darf neue Schulden machen und neue Staatsanleihen ausgeben. Die EZB akzeptiert laut Mitteilung ihres Präsidenten Draghi vom 09.03. diese neuen Ramschanleihen als Pfand („Collateral“) und gibt dafür „frisches“, elektronisch aus dem Nichts geschaffenes Geld aus. 200-300 Milliarden EURO dürften auf diese Weise in den nächsten 30 Jahren an neuen griechischen Ramsch-Schulden entstehen und im EZB-System hängen bleiben.

Außerdem werden Griechenland „Notkredite“ von rund 100 Milliarden EURO als „Emergency Liquidity Assistance“ (ELA) zu Lasten des EZB-Systems eingeräumt (dzt. sind es 53 Milliarden EURO), die ebenfalls nie zurückgezahlt, sondern nur herumgeschoben werden, bis sie irgendwo im gemeinsamen Schuldentopf der EURO-Mitglieder gelandet sind.

Dazu kommen nun auch noch die berühmten Target 2 - Kredite, die mit „frischem Geld“ aus dem EURO-System finanziert wurden und werden. Im Falle von Griechenland dürften sie Ende Februar 2012 bereits eine Größenordnung von über 200 Milliarden EURO erreicht haben. Sie sind natürlich ebenfalls uneinbringlich, denn Griechenland wird noch auf lange Zeit keinen Exportüberschuss aufweisen können.

Durch EZB, EFSF, ESM und Target 2 entsteht jetzt eine Transfer-Union ungeahnten Ausmaßes. Auch sie wurde in den Verträgen über die Währungsunion ausgeschlossen. Doch dass die Staatschefs Recht und Verträge brechen, ist längst zur Gewohnheit geworden. Wer heute noch an Treu und Glauben als Grundprinzip der europäischen Rechtskultur erinnert, macht sich lächerlich. Wer gegen Zwangsenteignungen das Grundrecht auf den Schutz des Eigentums einmahnt, gilt als „unsolidarisch“. Wer auf dem Diskrimierungsverbot und auf Rechtsgleichheit beharrt, gefährdet die „Sanierungsbemühungen“. Die nachträgliche Änderung von Anleihebedingungen und der Zwangsumtausch sind der beste Beweis.

Österreich kann aus dem „kollektiven Wahnsinn“ – als solchen bezeichnet der britische Außenminister Hague die Europäische Währungsunion – nur einen einzigen Schluss ziehen: Sich dem kollektiven Wahnsinn entziehen. Sich am ESM nicht beteiligen. Auf pünktlicher Rückzahlung der Griechenland -Kredite  aus dem 1. Hilfspaket beharren. Die Zustimmung zur Auszahlung von EFSF- und weiteren Kredittranchen an Griechenland verweigern. Jede Aufstockung der „Firewalls“ verhindern. „Kein Cent nach Griechenland, den Pleitestaat“, das muss die Parole sein! 1998, kurz vor Einführung des EURO, hat Jean-Claude Juncker vor versammelter CSU-Mannschaft noch getönt: „Transferleistungen sind so absurd wie eine Hungersnot in Bayern“. Jetzt gilt es, sich darauf zu besinnen.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Sein jüngstes Buch „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) behandelt ausführlich die EU-Problematik. In zahlreichen Gastkommentaren hat er für das „Tagebuch“ zur Europäischen Währungs- und Wirtschaftsunion Stellung genommen. Nachlesenswert  sind seine Warnungen vor der „Schwindelwährung Euro“ und vor der „Spengkraft des Euro“ aus dem Jahr 1997(!): www.jf-archiv.de/archiv/20aa4.htm und www.jf-archiv.de/archiv/47aa12.htm.

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Einen wie hohen Anteil erneuerbarer Energie haben die EU-Staaten? drucken

Anteil der erneuerbaren Energie (inklsive Wasserkraft) am Stromverbrauch in Prozent 2010

 

Staat erneuerbare Energie
Österreich

68

Schweden

54

Portugal

51

Spanien

36

Finnland

25

Italien

21

Deutschland

18

Frankreich

15

Tschechien

10

Ver. Königreich

8

Ungarn

8

Niederlande

7

Quelle: E-control/Eurostat

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Der Tod einer Verschwörungstheorie drucken

Griechenland ist noch lange nicht gerettet – aber wieder einmal ist eine Verschwörungstheorie zusammengebrochen. (Mit einer nachträglichen Ergänzung)

Dass 95 Prozent der privaten Gläubiger Griechenlands auf einen Gutteil ihre Forderungen verzichten, überrascht. Haben doch alle „Insider“ seit Wochen von einer großen Verschwörung der Hedgefonds berichtet. Diese Fonds hätten sehr viele Forderungen günstig aufgekauft, würden auf keinen Euro davon freiwillig verzichten, und für den Fall einer zwangsweisen Beschneidung die von ihnen gekauften Kreditausfallversicherungen (CDS) aktivieren. Solche CDS seien außerdem von den wilden Spekulanten auch in Form von Wetten ganz ohne zugrundeliegenden Kredit in großem Umfang gekauft worden.

Es gab zwar offensichtlich keine Beweise, aber man wusste das einfach alles. Seit drei Jahren wird ja jedes Gerücht geglaubt, wenn es nur irgendwelche düstere Spekulanten zum Bösewicht stempelt. Die Vermutung ist groß, dass solche Gerüchte besonders von der Politik gestreut werden, damit nur möglichst wenige Menschen erkennen, dass die schuldensüchtigen Regierungen die eigentlichen Hauptschuldigen an der Krise sind. Aber wieder einmal hat all das Böse, was man da so über die Finanzwelt zusammenreimte, nicht gestimmt. Seltsam. Und wenn jemand wie behauptet wirklich massenweise die behaupteten Spekulations-Wetten abgeschlossen hätte, stünde er nun mit blutiger Nase da. Aber man sieht keinerlei Blutspur.

Die einzigen, von denen zumindest griechische Medien konkret berichten, dass sie dem Schuldenschnitt nicht zugestimmt haben, sind ausgerechnet griechische Pensionsfonds. Das wäre noch viel seltsamer. Wenn diese Meldungen oder auch jene über gewaltige Rüstungskäufe Griechenlands stimmen sollten, dann bestätigt das freilich nur eines, was jeder Lokalaugenschein in Griechenland auch zeigt: Das eigentliche Problem Griechenlands ist nicht die Schuldenmenge, sondern der Reformunwille des Landes und seiner Menschen. Man tut ständig nur so, als ob man harte Schnitte setzt – ­ nämlich solange irgendein Ausländer Druck macht. Aber kaum ist der wieder abgezogen, geht der alte Schlendrian weiter.

Wirklich grundlegende Änderungen finden dort einfach nicht statt. Während Irland oder Portugal sehr harte Sanierungsmaßnahmen durchziehen, erscheint es den Griechen offenbar viel praktischer, wenn halt auf das nunmehrige zweite Hilfspaket in einiger Zeit ein drittes folgt. Und so weiter.

Das bestätigt aber nur die absolute Überzeugung: Schon das erste Paket war ein schwerer Fehler gewesen. Und die europäischen Steuerzahler wären viel billiger weggekommen, hätten sie nicht Griechenland dauerretten, sondern nur den Dominoeffekt wegsubventionieren müssen, falls ausländische Banken mit vielen griechischen Staatsanleihen im Tresor zu kollabieren gedroht hätten.

Aber diesen historischen Fehler wird nie jemand zugeben. Weder eine Regierung noch EU noch die EZB noch eine Notenbank. Wer ist schon bereit zu sagen: Wir haben einen Riesenfehler begangen? Lediglich der Internationale Währungsfonds wendet sich immer stärker von der bisherigen Griechenland-Politik ab. Vielleicht weil dort keine Europäer sitzen?

(Am nächsten Morgen waren es dann zwar doch nur 84 Prozent. Was aber am Geschriebenen nichts ändert).

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Wenn die Inder den Europäern den nackten Hintern zeigen drucken

Rückkehr nach einigen Tagen Indien, Rückkehr mit einer Fülle neuer Eindrücke, mit einem veränderten Blick auf die asiatische Herausforderung an Europa. Während alle Welt nach China und dessen seit Beginn dieser Woche auch offiziell eingestandene Wachstumskrise blickt, macht sich Indien gerade daran, bevölkerungsmäßig zur Nummer eins auf der Welt zu werden. Bei dem südasiatischen Riesen hat einfach alles andere Dimensionen: sowohl die Erfolge wie auch die Misserfolge.

Bleiben wir zuerst bei den Sonnenseiten. Auch wenn Indiens Image nach wie vor mit Hunger und Elend verbunden ist, sollten wir uns klarmachen: Hungerkatastrophen hat es in dem Land schon lange keine mehr gegeben. Die modernisierte Landwirtschaft blüht – und kann nicht zuletzt dank neuer wissenschaftlich entwickelter Saatgut-Formen die inzwischen schon 1,3 Milliarden ernähren, was sie früher bei einer nur halb so großen Bevölkerung nicht geschafft hat. Panische Angst vor genveränderten Pflanzen oder vor allem, was mit dem Wort Hormon zusammenhängt, hat in Indien niemand. Das sind spezifisch europäische Krankheiten.

Das Thema der Werbung: Bildung

Fährt man durch die großen und kleinen Städte des Subkontinents, dann springt einem wie seit jeher der laute, dichte und chaotische Straßenverkehr ins Auge: mit einer im Vergleich zu einstigen Besuchen noch gewaltig vergrößerten Zahl an Autos, mit Fahrrad-Rikschas, mit jeder anderen nur denkbaren Form von Verkehrsmitteln, mit Elefanten, Kamelen und Kühen, mit Geisterfahrern jeder Art. Der zweite starke Eindruck sind die vielen Plakate. Auf diesen dominiert neben der Werbung für die soeben abgehaltenen Regionalwahlen vor allem ein Thema: Alles was mit Bildung zusammenhängt.

Auf den Werbeflächen werden die diversesten Schulen, Kurse und Universitäten beworben. Ein Mädchen-Internat genauso wie eine Computerschule, MBA-Ausbildungen genauso wie simple Englisch-Kurse. Ein Land ohne sonderliche Rohstoffe, aber mit einer unglaublich dynamischen Jugend weiß, wo seine einzige Zukunftschance liegt. Nur eine einzige Zahl: Das Durchschnittsalter beträgt 26 Jahre, in Österreich hingegen 43!

Daher ist in dem vielsprachigen Land in vielen Grundschulen der Unterricht in den letzten Jahren auf englisch umgestellt worden, auf die Sprache, die sowohl national wie global alle Tore öffnet. Selbstverständlich sind all die beworbenen Schulen und Kurse kostenpflichtig. Ihr Besuch wird daher auch ernster genommen als in österreichischen Gratisschulen.

Das Ergebnis der Bildungsexplosion lässt sich schon heute sehen: Jeder dritte Programmierer auf der Welt ist ein Inder. Zum Programmieren braucht man ja keine großen Maschinen-Investitionen, sondern „nur“ ein diszipliniertes mathematisches Hirn.

Auch in einer anderen postindustriellen Kreativ-Branche sind die Inder extrem erfolgreich: Die Bollywood-Filmindustrie ist die weitaus größte der Welt. Die voll Schmalz, Schmerz und Schönheit produzierten Filme sind auch in großen Teilen der islamischen Welt einsetzbar. Denn erstens sind sie professionell gemacht, zweitens billig, drittens haben sie verständliche Handlungen, und viertens sind sie garantiert frei von Sexszenen oder ähnlichem.

Gut ausgebildete junge Menschen sind auch das erfolgreichste Exportgut des Landes: In Großbritannien verdienen die aus Indien stammenden Menschen heute um rund zehn Prozent mehr als die Durchschnittsbriten. In den USA machen die Inder zwar nur 1 Prozent der Bevölkerung, aber 16 Prozent der Studenten an den Elite-Unis aus.

Mit anderen Worten: Während Mitteleuropa primär die ungebildeten Sozialmigranten aus der Dritten Welt anzieht, gehen die bildungsorientierten Inder dorthin, wo die Steuern nieder sind und die Unis Weltklasse darstellen (und wo die Sprache Englisch ist).

Wer wie der Autor Indien schon vor mehr als 30 Jahren mehrmals besucht hat, kann heute auch eine signifikante Steigerung der industriellen und Infrastruktur-Investitionen feststellen. Die Flughäfen in Delhi und Mumbai sind moderner und großzügiger als alle europäischen Airports, die ich kenne. Aus Indien stammende Industrielle sind international heute etwa schon in der Schlüsselbranche Stahl führend. Aber auch Automarken wie Jaguar oder Land Rover sind schon in indischem Besitz. Dennoch reicht die industrielle Dynamik Indiens nicht ganz an jene etwa Chinas oder Vietnams heran.

Der Protektionismus bremst

Denn Indien ist – und hier wechseln wir zu den Schattenseiten – noch immer weniger investorenfreundlich als China. Viele westliche Konzerne halten sich von dem Subkontinent fern, weil die Gesetze sehr protektionistisch sind.

So hat jetzt beispielsweise Ikea die Pläne fallengelassen, nach Indien zu gehen: Das wäre nur erlaubt gewesen, wenn Ikea garantiert, dass 30 Prozent der verkauften Produkte aus Indien stammen. Was Ikea mit seiner globalen Produktionsweise nicht garantieren will. Dabei sind sich Experten einig: Gerade solche Handels-Weltkonzerne würden die industrielle Produktion im Lauf der Jahre in die Höhe ziehen. Sind die Gehälter in Indien doch trotz anhaltender Inflation noch immer sehr niedrig. Das gleicht das geringe Arbeitstempo eines indischen Arbeiters mehr als aus.

Ähnlich protektionistisch hat Indien auch den Flugverkehr abgeschirmt. Das führt dazu, dass derzeit nach der Reihe indische Fluglinien bankrott gehen, weil ihnen internationales Kapital und Knowhow fehlen.

Der Protektionismus hat zwar einige geschützte Industriellenfamilien sehr erfolgreich gemacht, das Land aber um die mögliche Dynamik gebracht. Zwar steckt Indien nicht mehr in einer sozialistischen Planwirtschaft, die das Land in den ersten Jahren der demokratischen Unabhängigkeit noch total gelähmt und verarmt hat. Aber Indien braucht eindeutig mehr Investitionen, um den jungen Menschenmassen eine gute Zukunft zu geben.

Denn Indien ist viel jünger als China, wo die Menschen als Folge der Einkind-Politik im Durchschnitt heute schon rund zehn Jahre älter sind als auf dem Subkontinent. Indien hat mit Ausnahme einer kurzen undemokratischen Periode unter Indira Gandhi nie eine Politik der Geburtenbeschränkung forciert. Für seine Familien sind viele Kinder zum Unterschied von Europa auch heute noch trotz aller Erziehungskosten ökonomisch besonders wichtig: Sie sind für die meisten Inder nach wie vor die einzige Altersvorsorge. Und werden daher in großer Anzahl in die Welt gesetzt.

Genauer gesagt: Das gilt nur für die Söhne. Töchter hingegen haben sich nach der Heirat ausschließlich um die Schwiegereltern zu kümmern, fallen für die Altersvorsorge der Eltern aus. Selbst Eltern, die nur Töchter haben, werden von der indischen Tradition eher auf die Versorgung durch Neffen verwiesen, als dass sie auf die Hilfe ihrer wegverheirateten Töchter rechnen dürfen. Das führt nun erstens dazu, dass weiterhin viel mehr in die Erziehung der Söhne als jene der Töchter investiert wird: 70 Prozent der männlichen Inder können lesen, aber nur 48 Prozent der weiblichen.

Ein Mädchen? Dann abtreiben

Eine weitere Konsequenz dieses archaischen Altersversorgungssystems ist in Kombination mit den Mitteln der heutigen Medizin noch viel dramatischer: Millionenfach werden alljährlich weibliche Föten gezielt abgetrieben. Die Geburtenzahlen kleiner Mädchen erreichen nur noch 91 Prozent der Zahlen der Buben, in manchen Regionen sind es sogar 82 Prozent.

Dieser in den letzten Jahren entstandene Trend wird wohl gewaltige, aber noch schwer konkret beschreibbare Konsequenzen haben: Wie werden sich all die jungen Männer künftig verhalten, die keine Frauen finden? Sind sie nicht eine potentielle Quelle für Kriminalität, Gewalt und Kriege?

Dennoch müssen viele Frauen heute auch heute noch – obwohl gesetzlich verboten – bei der Ehe eine ordentliche Mitgift mitbringen. Und wehe ihnen, ihre Familie stattet sie nicht ordentlich aus: Jede Jahr werden nach einer neuen indischen Studie über 8000 junge Frauen umgebracht, weil die Familie des Mannes enttäuscht ist über das, was da an Schmuck und Geld mit der Frau mitkommt. Das ist ziemlich genau jede Stunde eine tote Ehefrau. Und die Zahl der Morde nimmt im Langfristvergleich weiter zu – auch wenn sie oft als Unfälle, etwa als Verbrennungen beim Kochen, getarnt werden.

Ein Grenzstaat zum Islam

Eine ganz andere explosive Problemzone Indiens ist der Dauer-Konflikt mit dem islamischen Nachbarn Pakistan, der zum Teil auch mit Reibereien zwischen den 81 Prozent Hindus und den 13 Prozent Moslems verbunden ist. Nur ein kleines Beispiel: An einigen Plätzen einstiger Tempel, auf denen islamischen Großmoguln nach deren Zerstörung Moscheen errichtet haben, herrscht explosive Hochspannung. Viele Hindus wollen nämlich, dass statt der Moscheen wieder Hindu-Heiligtümer entstehen. Was die Moslems wiederum nicht akzeptieren wollen. Als Folge krachen bisweilen Bomben. Die damit verbundene Spannung merkt man auch an den Hunderten schwer bewaffneten Wachposten, die jeden Besucher an den umstrittenen Orten mindestens dreimal genau kontrollieren.

Ebenso beklemmende Situationen kann man am einzigen Straßenübergang der mehr als Tausend Kilometer langen Grenze Indien-Pakistan beobachten: Hier sind nicht nur kilometerlang Kasernen zu sehen. Hier warten auch tausende Lkw oft zwei Wochen lang auf die Umladung auf ein anderes Gefährt, weil indische Fahrzeuge nicht nach Pakistan dürfen. Und umgekehrt.

Dieser Grenzübergang wird am Abend jedes Tages in einer grotesken Zeremonie geschlossen: Tausende Zuseher auf beiden, aber vor allem der indischen Seite begleiten die Grenzschließung mit Sprechchören wie „Hindustan Zindabad“, Lang lebe Indien. Während es auf der anderen Seite eben „Pakistan Zindabad“ heißt.

Die Offiziere brüllen jeweils zur gleichen Sekunde wie ein Gegenüber auf der anderen Seite die gleichen Kommandos in Mikrophone. Jeder versucht dabei aber, den Befehlston länger anzuhalten als der Konkurrent auf der anderen Seite. Und er wird von seinen Landsleuten heftig akklamiert, sollte er es schaffen. Dennoch schütteln einander die beiden Wachkommandanten in einer von unsichtbaren Regie inszenierten Choreographie fünf Sekunden lang die Hände.

Das Ganze ist eine groteske Mischung aus kindischem Imponiergehabe und nationalistischer Wichtigmacherei. Es bedeutet im Grund aber auch den Versuch einer Sublimierung eines Konflikts. Zwei Staaten suchen nach einem halbwegs geordneten Nebeneinander, wenn sie schon kein Miteinander schaffen. Immerhin sind es zwei Staaten, die wegen eines seit mehr als 60 Jahren umstrittenen Grenzverlaufs schon etliche Kriege gegeneinander geführt haben. Wobei übrigens keine einzige Schlacht mehr entbrannt ist, seit beide Länder Atomwaffen haben. Offenbar hat auch hier, so wie einst im europäischen Ost-West-Konflikt, die allesvernichtende Bedrohung durch jene Waffen eine gewisse heilsame Wirkung.

Armut: ja – aber weniger als einst

Längst werden sich viele Leser gefragt haben: Und wo bleibt die dramatische Armut der Inder? Wo bleiben die Folgen des Kastenwesens? In diesen beiden Punkten lassen sich die europäischen Augen leicht täuschen. Sie vergleichen mit dem heutigen Europa, die Inder vergleichen hingegen mit dem Indien eine Generation davor. Und in dieser historischen Sicht hat sich Vieles gebessert. Auch wenn die Dinge noch in keiner Weise Europa ähneln.

So gibt es schon Staatspräsidenten und Landeshauptleute aus der untersten Kaste der einst für unberührbar Gehaltenen. Und das ist auch allgemein akzeptiert worden. Auf der anderen Seite sorgt es immer wieder für böses Blut, wenn Angehörige unterer Kasten und Moslems bei der Aufnahme in bestimmte Universitäten oder Jobs durch Quotenregelungen bevorzugt werden, auch wenn ihre Qualifikationen nicht gleichwertig sind.

Und die Armut? Die scheint optisch nach wie vor allgegenwärtig. Das Bild täuscht. Man darf ja auch die dramatisch angewachsene Zahl von (professionell importierten) Bettlern in österreichischen Straßen nicht als ein Zeichen steil ansteigender Armut werten. Ebenso muss man hinter den vielen Bettlern und riesigen Slums Indiens eben auch das explosionsartige Ansteigen eines Mittelstands sehen.

Aber natürlich bietet Indien auch heute noch beängstigende Anblicke: Etwa, wenn man sich in der Pilgerstadt Benares durch Hunderte, oft arg entstellte Bettler seinen Weg bahnen muss. Etwa wenn man Delhi via Bahn verlässt und dabei noch etwa eine Stunde durch Teile der 20-Millionen-Metropole fährt: Denn die ganze Strecke über ist der Bahndamm links und rechts nicht nur eine einzige Mülldeponie, sondern auch ein einziges Klo. Man fährt also an Hunderten nackten Hintern vorbei, die unbekümmert ihre Notdurft verrichten und deren Besitzer interessiert dem drei Meter entfernt vorbeiratternden Zug nachschauen.

So ungustiös dies dem Europäer auch vorkommt, so sehr muss er sich doch fragen, ob Indien nicht bald der ganzen Welt sinnbildlich die Kehrseite zeigen kann, weil es die heute reichsten Länder weit überholt hat. Das wird freilich nur dann der Fall sein, wenn es seine vier Hauptaufgaben zu lösen imstande ist: also die notwendige Wirtschafts-Liberalisierung (die relativ leichteste Aufgabe), die Arbeitsplätze schaffen und die Inflation reduzieren würde; eine Reduktion der schier allgegenwärtigen Korruption; einen dauerhaften Frieden mit Pakistan; und eine Lösung der Altersversorgung, wodurch sich viele Sozial-, Demographie- und Frauendiskriminierungs-Probleme lösen würden.

Auf den meisten anderen Ebenen aber hat das Land gewaltige Vorteile: Seine Demokratie hat sich als stabil, überlebensfähig und zugleich ausreichend elastisch erwiesen; seine Bevölkerung als arbeitswillig und friedlich; und die meisten Fesseln eines Realsozialismus sind heute abgeschüttelt.

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Kosovo: Lauter halbe Sachen machen noch kein ganzes Europa drucken

Die europäische Diplomatie jubelt. Und insbesondere tut das die österreichische. Beide glauben endlich wieder einmal einen wirklichen Erfolg erzielt zu haben. Unter starkem Druck der EU und unter intensiver Mitwirkung Österreichs ist erstmals ein Abkommen zwischen Serbien und Kosovo zustandegekommen. Und das öffnet nun auch gleich den Weg Serbiens Richtung EU-Beitritt. Doch: Ist das wirklich ein Erfolg? Jubelt die misserfolgsgeplagte Union da nicht eine diplomatische Missgeburt hoch?

Die Zweifel sind mehr als berechtigt. Wieder einmal hat man sich in Europa anstelle klarer, logischer und nachvollziehbarer Entscheidungen mit halben Sachen zufrieden gegeben. Lauter halbe Sachen machen aber noch keine einzige ganz. Das, was man in den letzten Jahren ganz besonders an der inkonsequenten Stabilitäts- und Währungspolitik ablesen konnte, zeigt sich auch bei der Frage nach Ländergrenzen, nach staatlicher und juristischer Identität. Nicht ist eindeutig, nichts konsequent.

Die Zweifel an dem jüngsten „Durchbruch“ in Sachen Serbien-Kosovo heißen keineswegs, dass die Serben nicht ein willkommener Teil Europas wären. Sie sind sehr wohl ein stolzer und durchaus wichtiger Teil der europäischen Identität. Woran die schwierige österreichisch-serbische Geschichte mit ihrem Kulminationspunkt 1914 nichts ändert.

Jedoch dürfte ein denkendes und selbstbewusstes Europa mit keinem Land über einen Beitritt auch nur reden, wenn man nicht präzise weiß, wo dieses Land anfängt und wo es aufhört. Und das weiß man bei Serbien auch nach diesem oberflächlichen Formelkompromiss mit dem Kosovo noch keineswegs. Denn während sich der Kosovo selbst als unabhängiger Staat ansieht, während das auch schon rund die Hälfte der Staatengemeinschaft so sieht, zählt Serbien die ehemals autonome Provinz des Tito-Staates Jugoslawien nach wie vor staats- und völkerrechtlich zu seinem eigenen Hoheitsgebiet.

Dieser Dissens ist nun nicht durch eine Entscheidung oder gar einen Konsens gelöst worden, sondern durch einen der üblen diplomatischen Kompromisse: Belgrad hat in seinem von der EU patronisierten Abkommen mit dem Kosovo durchgesetzt, dass dabei durch eine Fußnote auf eine alte UNO-Resolution Bezug genommen wird. In dieser wird das Kosovo als Teil Serbiens bezeichnet. Auf den Punkt gebracht heißt diese Konstruktion: Man setzt Abkommen durch, in denen sich beide Vertragspartner zwar als Staaten behandeln, schreibt aber gleichzeitig hinein, dass der eine Vertragspartner kein Staat ist.

Die Möchtegerngroßmacht ist knieweich

Alles klar? Für die EU offenbar ja. Und für Österreich auch, das besonders stolz darauf ist, erstmals seit langem wieder außenpolitisch mitgemischt zu haben. Was zwar stimmt, aber das Ergebnis nicht besser macht.

Dieses Europa träumt ständig davon, eine Großmacht zu sein. Es ist aber  dennoch bereit, Mitglieder mit unklarer Identität aufzunehmen. Denn die Unklarheit über den Kosovo macht natürlich auch Serbiens Grenzen selbst unklar. Kann man sich sonstige Großmächte vorstellen, die so etwas hinnehmen – oder gar noch bejubeln?

China etwa bricht mit jedem Land sofort die Beziehungen ab, welche das kleine Taiwan, die Republik China, anerkennt. Russland setzt an seinen Südgrenzen sogar immer wieder seine Armee zur Klärung solcher territorialer Fragen ein.

Das heißt nun nicht, dass sich Europa inhaltlich an diesen beiden Unrechtsstaaten ein Beispiel nehmen soll. Aber Europa sollte sich auch nicht ständig als inkonsequent und knieweich lächerlich machen. Das hat es freilich schon des öfteren gemacht. Insbesondere durch die Aufnahme Zyperns und durch die Beitrittsgespräche mit der Türkei.

Hält doch die Türkei einen wichtigen Teil Zyperns militärisch besetzt und hat sie doch dort einen von sonst niemandem anerkannten Staat gegründet. Womit ein Vollmitglied der EU nur in einem Teil des Unionsterritoriums der Jurisdiktion der Union unterliegt. Wenn man den Anspruch einer  gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik aber ernst nimmt, wenn man den gemeinsamen EU-Rechtsraum durchdekliniert, dann ist das absurd. Denn man muss zu folgendem Schluss kommen: die Türkei hält völkerrechtswidrig einen Teil der EU militärisch okkupiert; sie wird dennoch dafür in keiner Weise bestraft, sondern durch Beitrittsverhandlungen sogar belohnt.

Auch in anderen Territorialfragen ist Europa von faulen Kompromissen gebeutelt: Griechenland kann – trotz all seiner eigenen schweren Sünden – seit vielen Jahren die volle Anerkennung des neuen Balkanstaates Mazedonien blockieren. Was die Griechen nur deshalb tun, weil sie meinen, der Name Mazedonien gehöre exklusiv ihnen (aus weit mehr als 2000 Jahre zurückliegenden Gründen). Und die restliche EU lässt sich solche neurotischen Ansprüche gefallen.

Ebenso dubios ist die Haltung der EU zu Bosnien-Herzegowina. Dort hält Europa krampfhaft an der Einheit dieses Staates fest. Eine solche Einheit wird aber von einem großen Teil der dortigen Bevölkerung abgelehnt, sie entspricht auch in keiner Weise der realen Machtstruktur. Vor allem die bosnischen Serben führen weitgehend ein von den europäischen Fiktionen – die derzeit von dem österreichischen Diplomaten Valentin Inzko vertreten werden – losgelöstes Eigenleben.

Solcherart kann sich das lebensfremd komplizierte Gebilde Bosnien-Herzegowina niemals wirtschaftlich aus seiner Krise heraus entwickeln. So wie etwa auch das Kosovo. Niemand investiert in Gebieten mit ungeklärten staatlichen und territorialen Rahmenbedingungen.

Die Lösung heißt: Selbstbestimmung

Was aber tun? Die Lösungsformel ist längst entwickelt: Sie heißt Selbstbestimmungsrecht. Dieses wird in den meisten angesprochenen Fällen zur Bildung neuer Staatsgebilde führen. Diese wären auch ökonomisch oft besser aufgestellt als Großgebilde, die auf juristisch-politischen Fiktionen beruhen. Siehe die blühenden Kleinststaaten Liechtenstein und Luxemburg, siehe den wirtschaftlichen Erfolg der Slowakei nach der Trennung von der Tschechoslowakei (trotz der üblen Prophezeiungen, welche einst die Sezession begleitet haben).

Eine solche Politik auf Basis des Selbstbestimmungsrechts wäre die einzig ethisch, demokratisch und rechtlich begründbare. Sie würde im Kosovo – als Ergebnis sauberer und international überwachter Referenden – wohl bedeuten: Volle staatliche Souveränität für den Kosovo, Wechsel der serbisch bewohnten Grenzgemeinden zu Serbien und Wechsel der albanisch bewohnten südserbischen Gemeinden zum Kosovo.

Da aber auch andere europäische Staaten am Souveränitätsanspruch über Gebiete beharren, deren Bevölkerung mehrheitlich nicht zu diesen Staaten gehören will, ist die EU auch in dieser Frage zu keiner klaren Politik imstande. Man denke nur an das Baskenland oder an Südtirol, wo die Grenzen jeweils nur auf der Macht der Gewehre, aber nicht auf einer demokratischen Legitimität beruhen. Daher ist für Spanien und Italien das Selbstbestimmungsrecht tabu.

Manche verteidigen den Anspruch Serbiens auf das Kosovo damit, dass das Kosovo einst ein rein slawisches Territorium war. Das ist zwar richtig. Aber es wäre dennoch absurd, heutige Gebietsfragen mit Jahrhunderte zurückliegenden Fakten zu begründen.

Aus der ethnischen Verschiebung im Kosovo kann man jedoch noch etwas ganz anderes lernen: Nicht nur Eroberung, sondern auch Migration kann zur Verschiebung von staatlichen Identitäten oder Grenzen führen. Daher sollte man doch immer auch für das Mitteleuropa von heute genau prüfen, zu welchen Veränderungen großdimensionierte Wanderungsbewegungen samt unterschiedlicher Geburtenfreudigkeit langfristig führen können. Diese Gefahren zu beachten, wäre klug und keineswegs wie manchmal behauptet fremdenfeindlich.

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Feenfreud und Feenleid drucken

Es war einmal ein kleiner W.,
entrückt von einer blonden Fee
aus seinem Häuschen, schlichten,
in ein gewaltig großes Schloss –
und wie ihr ahnen könnt, verdross
den Guten das mitnichten.

Was Wunder, kam’s dem Mann ab dann
auf schöne fromme Rede an,
der Fee zum Wohlgefallen –
doch so wie allen recht getan,
ist’s eben auch ein leerer Wahn,
es recht zu reden allen.

Das wies sich klar, als er befand,
was mittlerweile zu dem Land
gehöre sozusagen:
Nicht an Gebiet – das ist vorbei –
vielmehr an buntem Allerlei,
von fern herbeigetragen!

Da staunte man im Volke sehr,
zumal erst kurze Zeit vorher
die Fee, die hochverehrte,
den lang gehegten Mummenschanz
ums Vielgevölk als voll und ganz
gescheitert doch erklärte!

Gleichwohl hat sie den W. gestützt –
nur hat’s ihm letztlich nichts genützt
und manche gar erheitert:
Er ist ja an Vergangenheit
und noch dazu, was nicht gescheit,
der eigenen gescheitert!

Ein Pech war, dass beim Folgeschritt
der Feenstab ihr glatt entglitt,
und sie stand stumm daneben,
denn leise durch die Hintertür
entschieden andre flugs die Kür –
so ist’s im wahren Leben…

Pannonicus

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Haut die Ungarn! Oder: Mein Gott, Gio! drucken

Erstmals fällt Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn jenseits von Phototerminen auf – und das gleich abgrundtief negativ. Er heult in der ihm eigenen Feigheit mit der Linken mit, indem er als einer von zwei Hauptverantwortlichen Ungarn strafweise die heurigen Kohäsionsgelder kürzt. Das ist ein absoluter Skandal.

Dieser Schritt sei „beispiellos“, lobt sich hingegen die EU-Kommission selber. Womit sie – freilich  in ganz anderer Hinsicht als gemeint – doch wieder recht hat. Denn ihr Vorgehen ist in seiner Einseitigkeit tatsächlich absolut beispiellos.

Niemand in Brüssel kann nämlich die Frage ausreichend beantworten, weshalb Ungarn bestraft wird, Griechenland jedoch nicht. Dabei haben die Griechen länger und intensiver als jedes andere Land gegen die europäischen Defizitregeln gesündigt. Und tun es bis heute. Die ungarischen Sünden werden hingegen von der Kommission selbst nur für die Zukunft geortet; sie vermutet, dass sich die ungarische Defizitreduktion als nicht nachhaltig erweisen dürfte. Was zwar stimmen könnte. Was aber auch mit großer Wahrscheinlichkeit in vielen anderen Ländern stimmen dürfte (etwa auch in Österreich).  Wo jedoch kein EU-Kommissar an solche Maßnahmen denkt.

Die Unrechtsunion

Vor allem aber führen Hahn&Co damit ein ganz neues Rechtsprinzip ein, das die EU wirklich zur Unrechtunion stempelt: Vergangene Verbrechen werden ignoriert, für die Zukunft vermutete hingegen streng bestraft.

Das straffrei davonkommende Griechenland ist sogar das einzige Land, das des schweren Betrugs überführt ist. Es hat ja in breiter Front seit vielen Jahren alle volkswirtschaftlichen Statistiken massiv gefälscht. Ohne dass bisher auch nur ein einziges Strafverfahren gegen einen Verantwortlichen in Gang gekommen wäre!

Während Griechenland Hunderte Milliarden Euro Schaden in ganz Europa anrichtet, musste bisher noch niemand Geld nach Ungarn überweisen. Dieses ist ja kein Euro-Land. Die Ungarn sind selbst die primären Opfer ihrer Schuldenwirtschaft. Und selbst wenn sie demnächst Hilfe brauchen sollten, geht es um viel geringere Summen als in Griechenland. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass der Raubzug der ungarischen Regierung auf ausländische Banken und andere Investoren, die viel Geld ins Land getragen haben, eine Riesensauerei war und ist. Aber ein Kampf gegen diese Sauerei war ja erklärtermaßen nicht das Motiv der EU-Kommission, sondern nur das erwartete Defizit der Ungarn.

Der Unterschied zwischen der europäischen Reaktion auf Griechenland und jener auf Ungarn ist aber in Wahrheit noch viel skandalöser, als es schon die bisher aufgezeigten Fakten zeigen. Denn während den Ungarn die EU-Gelder gestrichen werden, werden den Griechen Gelder aus den EU-Strukturfonds nachgeworfen, obwohl sie die bisher ehern geltenden Voraussetzungen für den Erhalt solcher Gelder gar nicht mehr erfüllen (können): nämlich die sogenannte Kofinanzierung. Diese heißt, dass im gleichen Maß wie europäische Geld auch nationales in jedes Kofinanzierungs-Projekt fließen muss. Das ist bisher bei jeder EU-Hilfe unabdingbar gewesen. Nicht mehr so bei den Griechen.

Wer kann da noch ernsthaft glauben, dass es in Europa mit gerechten Dingen zugeht? Hinter der scheinheiligen Argumentation der EU-Kommission, dass man durch die Streichung von 495 Millionen ja nur einen „Anreiz“ zu mehr Budgetdisziplin setzen wollte, steckt natürlich reinste Parteipolitik. In Griechenland hat im Zeitpunkt des Kollaps eine sozialistische Regierung amtiert, in Ungarn hingegen eine rechte. Und das ist halt gar nicht erwünscht. Gleichzeitig haben die Ungarn das Pech, das sie – auf Grund eines Beschlusses der linken Vorgängerregierung – noch durch einen Sozialisten in Brüssel vertreten werden, der nunmehr ständig offen gegen das eigene Land intrigiert.

Feinster Zynismus Brüsseler Art

Die Kommission setzt ihrer durch nichts zu rechtfertigenden Aktion noch einen Zynismus sondergleichen drauf: Man tue den Schritt „zum Wohle der ungarischen Bevölkerung“. Eh klar: Eine rechte Regierung kann ja a priori niemals zum Wohle der Bevölkerung sein . . .

Die bürgerlichen EU-Kommissare wie Hahn sind offensichtlich zu wenig intelligent, um das Spiel zu durchschauen. Kommissionspräsident Barroso ist froh, wenn von Portugal abgelenkt wird. Die Luxemburger Kommissarin ist zwar christlichsozial, aber linker als Dschingis Khan. Der von der CDU entsandte Mann ist höchstens grenzintelligent. Und alle zusammen fürchten sich vor dem von Roten, Grünen und Linksliberalen beherrschten EU-Parlament. Denn von dort aus versucht die Linke, generalstabsmäßig Revanche für die schwerste Wahlniederlage zu nehmen, die sie seit Jahrzehnten in einem europäischen Land erlitten hat.

Damit kein Missverständnis entsteht: Das Tagebuch findet die Wirtschaftspolitik dieser ungarischen Regierung genauso wie die ihrer Vorgänger katastrophal und zutiefst unseriös. In einer Wirtschaftsunion darf und soll man darauf auch sehr ernsthaft reagieren. Aber bitte gerecht, also nicht nur bei rechten Regierungen. Und zuerst bei jenen Ländern, deren Misswirtschaft für die Miteuropäer den größten Schaden anrichtet.

Gerechtigkeit heißt nämlich: Gleiches gleich behandeln und Ungleiches ungleich. Das aber haben die in Brüssel regierenden Dummköpfe und Intriganten längst vergessen.

Im Schatten Ungarns: das nächste Griechenland-Debakel

Fast unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit erleidet die EU übrigens gerade rund um die nächste Griechenland-Hilfslieferung auch schon das nächste Debakel. Bei den angeblich abgeschlossenen Verhandlungen wurde zur Besänftigung der erregten Bürger Deutschlands groß verkündet, dass Griechenland künftige Steuereinnahmen auf ein Sperrkonto einzahlen werde. Dadurch könne ein Teil der Steuergelder immer zur Befriedigung der Gläubiger verwendet werden. Das werde so in der griechischen Verfassung verankert.

Die schlichten Europäer haben nur übersehen, dass eine Verfassungsänderung in Griechenland rechtlich so schwierig ist, dass ein Beschluss eines solchen Sperrkontos viele Jahre dauern wird. Gleichzeitig spricht aber alles dafür, dass bei den bevorstehenden griechischen Wahlen radikale Parteien triumphieren werden, die sich in keiner Weise den Abmachungen mit Europa verpflichtet fühlen. Tut nichts, die Hunderten Milliarden fließen dennoch.

Viel spricht dafür, dass auch ein weiterer Teil der Abmachungen nicht halten wird: Die privaten Gläubiger werden wahrscheinlich keineswegs in ausreichender Mehrheit der „Freiwilligkeit“ eines Verzichts auf 70 Prozent ihrer Ansprüche gegen Athen zustimmen.

Denn viele von ihnen sind (durch „Credit Default Swaps“) gegen einen Staatsbankrott gut versichert, bei einem freiwilligen Verzicht würden die Versicherer, meist Banken hingegen nichts zahlen. Daher wird das ganze von manchen seltsamerweise noch immer bejubelte Griechenland-Paket nicht so funktionieren können wie beschlossen. Tut nichts, die Hunderten Milliarden fließen dennoch. Und wenn dann noch immer Geld fehlt (was sicher der Fall ist), wird man dieses halt mit einem weiteren Trick von der Zentralbank holen.

Aber während Kommission, Regierungschefs, Zentralbank, Finanzminister solcherart weiter miese tricksen, bestrafen sie jedenfalls einmal ordentlich die Ungarn.

Maria Fekter könnte übrigens nach diversen Enttäuschungen der letzten Wochen berühmt werden. Dazu müsste sie es nur wagen, in der noch fälligen Abstimmung der EU-Finanzminister über den Ungarn-Beschluss der Kommission Nein zu sagen. Bei dieser Abstimmung kann sie im Gegensatz zum Sparpaket die SPÖ-Linie de facto relativ leicht ignorieren. Ich wette dennoch: Fekter wird nicht berühmt.

 

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ACTA gehört nicht ad acta drucken

Alle Welt kämpft seit ein paar Tagen wie auf Knopfdruck gegen das internationale Anti-Piraterie-Abkommen ACTA. Es wird wild dagegen demonstriert. Fast alle Parteien lehnen ACTA plötzlich lautstark ab. Fast kein Politiker wagt es mehr, ausdrücklich dafür zu sein. Muss da nicht dieses Abkommen eigentlich ziemlich gut sein, wenn all diese Parteien und die üblichen Demonstranten dagegen sind?

Diese erste Reaktion auf die ACTA-Aufregung wird freilich durch eine zweite zugegebenermaßen ebenso emotionslastige konterkariert: Bauen sich hier nicht die Behörden ein gewaltiges Großer-Bruder-Instrument, mit dem sie die Meinungsfreiheit einschränken können?

Die dritte Reaktion widerspricht sowohl der ersten wie auch der zweiten. Die blindwütige Ablehnung von ACTA ist dumm, aber volle Begeisterung dafür wäre ebenso dumm. Denn selten stoßen zwei diffizile und wichtige Rechtsgüter so frontal aufeinander wie in dieser Frage: auf der einen Seite die Freiheit, nicht um die Früchte seiner Arbeit bestohlen zu werden, auf der anderen die Freiheit, nicht vom Staat überwacht und zensuriert zu werden.

Die Inszenierung lautet: David gegen Goliath

Die ACTA-Gegner spielen geschickt das David-Goliath-Spiel: Große Konzerne und die USA wollen den kleinen Internet-Usern und den ahnungs- und hilflosen EU-Europäern an die Gurgel. Sie stellen falsche und manipulative Vorwürfe gegen ACTA ins Internet, besonders unter Nutzung von YouTube. Da wird mit starken Bildern suggeriert, dass man künftig sogar dann verfolgt werde, weil man seiner Mutter ein Mail schickt.

All diese Vorwürfe sind durch keinen Buchstaben des Abkommens fundiert. Es ist auch absoluter Unsinn und polemische Fiktion, wenn von einem Geheimabkommen geredet wird. ACTA liegt wie jedes Gesetz und jeder internationale Vertrag den Parlamenten mit einem voll publizierten Wortlaut ohne geheime Zusätze zur Zustimmung vor. Und gäbe es doch noch geheime Zusätze, wären die natürlich ungültig und von keinem Gericht anerkannt.

Der ACTA-Text ist wie bei jedem Vertrag und Gesetz natürlich von Experten und nicht basisdemokratisch auf Marktplatz oder im Audimax formuliert worden. Dort ist noch nie ein brauchbares Gesetz entstanden. Und mit den Occupy- oder Attac-Chaoten könnte es auch hinter Polstertüren schon gar nicht zustandekommen. Das würde zum gleichen Chaos führen wie bei der von Greenpeace und Global 2000 ausgelösten und derzeit total kollabierenden UNO-Klimahysterie.

Vor allem aber sind die durch ACTA geschützten Urheber keineswegs nur große Konzerne, sondern auch Hunderttausende kleine Musiker, Komponisten, Autoren, Schauspieler, Designer, Ingenieure, Techniker, Werbegurus und viele andere, die mit viel Plage ein geistiges Werk herstellen, die eine unbekannte Marke zu einer weltweit angesehenen machen. Aber auch große Konzerne können ja nicht auf Grund ihrer Größe einfach für vogelfrei erklärt werden, wie es die Linke gerne täte. Ganz abgesehen davon, dass sie Millionen Mitarbeitern Brot und Lohn geben, dass ihre Aktionäre in der großen Mehrheit ganz normale Sparer sind.

Sie alle werden betrügerisch um einen guten Teil des Entgelts ihrer Arbeit gebracht, wenn jemand etwa in der Textilbranche ein Markenlabel fälscht, wenn jemand im Internet „gratis“ einen Film, ein Musikstück, einen Text kopiert.

Von Red Bull bis zur Staatsoper

Dabei geht’s nicht nur um die Interessen der offenbar automatisch bösen Amerikaner. Man denke nur an die beiden österreichischen Stars, die in den letzten Jahrzehnten auf dem internationalen Markenhimmel aufgegangen sind: Red Bull und Swarovski. Beide haben mit erstaunlich simplen Produkten (geschliffene Glasscherben und einem süßen Getränk mit Himbeergeschmack) sowie raffiniertem Marketing Weltmarken geschaffen, die Milliarden Euros nach Österreich geschaffen haben.

Es ist daher extrem selbstbeschädigend, wenn österreichische Parteien den volkswirtschaftlichen Wert eines modernen Markenschutzes nicht erkennen. Genauso zentral gerade für dieses Land sind die scheinbar „nur“ immateriellen Produkte von Philharmonikern, Staatsoper und anderen Kreativen.

Zugleich sind es keineswegs nur die vielzitierten „Kleinen“, die von einer Verletzung des Markenschutzes profitieren. Hinter den Fälschungen und Raubkopien, die man auf asiatischen Märkten, an italienischen Stränden und im Internet angeboten findet, stecken durchaus ertragreiche Großkonzerne und nicht Robin-Hood-Studenten. Von denen borgt man sich höchstens das Image. Dies hat erst vor ein paar Tagen die Verhaftung eines millionenschweren deutschen Gangsterbosses in Neuseeland gezeigt, der mit Internet-Kopierdiebstahl einen extrem luxuriösen Lebensstil finanziert hat.

Bei vielen Anti-ACTA-Demonstranten steckt hinter den zutiefst sympathischen „Freiheit!“-Parolen ein bemerkenswerter, wenn auch nie zugegebener Wertwandel. Sie wollen, ohne es offen auszusprechen, Kinderpornographie und Diebstahl durch die Hintertür legitimiert bekommen. Eine ganze Generation will nicht durch effizientere Kontroll-Maßnahmen am Stehlen gehindert werden. Sie erachtet Raubkopieren als ein neues Menschenrecht. Das ist freilich eine ganz andere Freiheit als die der Aufklärung, die immer in den Rechten und Freiheiten der anderen ihre Grenzen fand.

Zur Verteidigung dieses Rechts auf Diebstahl werden schwere Kampftruppen in Stellung gebracht. Dazu zählen einerseits die Anonymous-Piraten, die ständig mit Megaschäden Internet-Seiten hacken und zerstören, wenn jemand anderer Meinung zu sein wagt als sie. Sie haben etwa jüngst harmlose Leser und Gesprächspartner einer konservativen deutschen Wochenzeitung (Junge Freiheit) auf niederträchtige Weise kollektiv mit Namen und Adressen als „Nazis“ an den Internet-Pranger gestellt. Die internationalen Polizeibehörden haben sich auch in allen anderen Fällen als erstaunlich hilflos gegen diese Anonymous-Gangster gezeigt, die im Internet immer geschickt ihre Spuren zu verwischen verstehen.

Eine weitere effiziente Kampftruppe sind die neuen Piratenparteien, die in einigen europäischen Ländern zuletzt wie ein Feuerwerk aufgestiegen sind. Diese haben sehr vielen anderen Parteien Furcht und Schrecken eingejagt, weshalb sie jetzt ohne lange nachzudenken eilfertig jede Aktion gegen ACTA unterstützen. Von einer Suche nach einer gerechten Abwägung zweier widerlaufender Interessen ist also bei den meisten Aktivisten keine Spur.

Ginge es den Anonymous- und Piraten-Jugendlichen wirklich um das hehre Ziel der Meinungsfreiheit im Internet, dann würden sie nicht primär gegen ACTA demonstrieren, sondern gegen jene europaweiten Gesetze, welche – beispielsweise zuletzt unter dem Vorwand „Kampf der Verhetzung“ – die Meinungsfreiheit radikal eingeschränkt haben. In Hinblick auf die reale wie die virtuelle Welt.

Um diese Meinungsfreiheit muss man sich jedoch ernsthaft sorgen. Political Correctness und der in die Gerichte transferierte Kampf der Linken gegen andere Auffassungen und Überzeugungen haben heute in der Mehrheit der Menschen mit gutem Grund die Überzeugung wachgerufen, dass man nicht mehr frei seine Meinung sagen kann. Das ist der wahre Skandal dieser Zeit. Dieser geht Hand in Hand mit dem unerträglichen Realsozialismus aller Parteien und Behörden, der jede menschliche Handlung, insbesondere wenn sie eine unternehmerische ist, bis ins letzte Detail kontrollieren und überwachen will.

In dieser Zeit ist das Internet ein Refugium geworden. Dort kippt dann freilich der unsterbliche menschliche Freiheitsdrang, die Sehnsucht nach offenem Meinungsaustausch oft in einen unerquickliches Extrem: Im Schutz der Anonymität werden sonst gesittet wirkende Bürger zu bösartigen Denunzianten, sie schimpfen und höhnen, was das Zeug hält. Das Internet ist auch in einem abstoßenden Ausmaß von Pornographie überschwemmt. Und eben von einem milliardenschweren Business mit dem Diebstahl geistigen Eigentums.

In einer Welt, in der noch vor kurzem jede Postkarte wie selbstverständlich von Zensoren untersucht werden konnte, in der bei vielen Paketen heute noch Zöllner neugierig hineinschauen können, ist das eine totale Gegenwelt. Zwischen diesen beiden Welten gibt es keine dialektische Synthese, sondern nur Konflikte – oder schrittweise Annäherungen.

Selbst wenn die meisten von den ACTA-Gegnern verbreiteten Vorwürfe nicht stimmen, ist bei nüchterner Betrachtung der Verdacht nämlich nicht ganz ausgeräumt, dass ACTA zu weit geht. Es geht wohl zu weit, wenn „Beschuldigte“ verpflichtet werden, alle Informationen beizuschaffen, wenn Internet-Provider automatisch alle Daten herausrücken müssen.

Das ist vor allem dann bedenklich, wenn eben gleichzeitig der Verdacht besteht, dass die Kompetenzen der Exekutive und Justiz genutzt werden können, um auch Meinungsdelikte zu überwachen. Zwar sind die übelsten Meinungsjäger gerade die Anonymous-Typen mit ihren Bloßstellungaktionen. Aber auch die EU und die Strafbehörden haben in den letzten Jahren massive Meinungskontroll-Attitüden angenommen, die scharf abzulehnen sind.

Die Lösung heißt: Meinungsfreiheit

Was also sollten die jetzt in Entscheidungsnot gekommenen Regierungen tun? Sie müssten durch ein mutiges wie offenes Vorgehen das verlorene Vertrauen zurückerringen. Und zwar durch eine doppelte Strategie:

Einerseits führt kein Weg zu mehr Vertrauen an einer Rücknahme aller Meinungsdelikte vorbei. Diese schränken vor allem im Zuge der linken Correctness wie ein Würgegriff die Freiheit der Bürger immer mehr ein. Wenn sich Menschen wieder auf Marktplätzen und bei Diskussionen ganz offen ihre Meinung auszusprechen trauen, wird auch viel Druck aus dem Internet herauskommen. Dann ist es ganz egal, ob ich meinen Standpunkt als „Donald Duck“ getarnt im Netz sage oder unter meinem vollen Namen in der Öffentlichkeit. Das würde mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Internet die Umgangsformen zivilisieren. Das würde zugleich jene, die weiterhin unflätig schimpfen wollen, als nicht ganz zurechnungsfähig von selbst ins Abseits stellen.

Andererseits muss es aber möglich werden, weltweit mit wirklicher Effizienz gegen Fälschungen und Raubkopien vorzugehen. Ein globales System ist nicht überlebensfähig, in dem man von chinesischen, russischen oder karibischen IP- und Server-Adressen aus fast jedes Verbrechen begehen und decken kann. Vom Diebstahl bis zu der millionenschweren Produktion von Kinderpornographie, einer ganz besonders widerlichen Tätigkeit.

Jedoch wird auch kein System überlebensfähig sein, in dem man nur diese Pornographen und Diebe bekämpft, aber nicht gleichzeitig den Bürgern ihre geistige Freiheit zurückgibt.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Subventionen machen ein Land krank drucken

Warum stecken ausgerechnet jene EU-Länder am tiefsten in Schwierigkeiten, die in den letzten Jahrzehnten die größten Summen an europäischen Subventionen bekommen haben? Aus Strukturfonds, aus Kohäsionsfonds und vielen anderen Töpfen sind alljährlich dicke Milliarden vor allem nach Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und (Süd-)Italien geflossen. Und kein einziges der unterstützten Mitgliedsländer ist heute nach Jahrzehnten des  Subventionsbezugs auf sicherem Boden gelandet oder gar ein Nettozahler geworden.

Süditalien ist sogar schon vor den EU-Zeiten ständig vom Norden unterstützt worden (was diesen inzwischen frustriert mit einer Trennung des Landes liebäugeln lässt). Waren all diese Subventionen am Ende ergebnislos vergeudetes Geld?

Nein. Sie waren nicht ergebnislos. Sie sind im Gegenteil sogar eine Hauptursache der heutigen Malaise. Sie treiben den Völkern die Eigenverantwortung aus und versetzen diese in ein Stadium des Hospitalismus, also eines Patienten, der sich komplett und ohne eigene Aktivität in die die rundum sorgenden Hände eines Spitalsteams fallen lässt. Dieses Verhalten macht eine Genesung extrem unwahrscheinlich.

Diese Krise hat damit zumindest einen Nutzen: Die Welt ist um eine Gewissheit reicher. Was bisher nur liberale Ökonomen analysiert haben, ist nun empirisch bestätigtes Wissen. Das, was uns heute die EU zeigt, haben ja auch schon etliche – insbesondere afrikanische – Ökonomen in Hinblick auf die Entwicklungshilfe nachgewiesen: Je weniger Hilfe es gegeben hat, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem darbenden Drittweltland heute ein blühendes Industrieland wie Südkorea oder zumindest ein Schwellenland wie China geworden ist.

Die EU denkt freilich nicht daran, ihr riesiges Geldtransfersystem aufzugeben, für das derzeit übrigens der Österreicher Johannes Hahn hauptverantwortlich ist. Schließlich wäre das nicht nur ein gewaltiges Schuldeingeständnis, sondern würde auch viele Beamte und Politiker arbeitslos machen.

Sie alle sollten aber lesen, was der griechische Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis dieser Tage gesagt hat: Als Folge der EU-Hilfen sei in Griechenland das Wissen um die Notwendigkeit harter Arbeit verloren gegangen. „Während wir mit der einen Hand das Geld der EU nahmen, haben wir nicht mit der anderen Hand in neue und wettbewerbsfähige Technologien investiert. Alles ging in den Konsum. Das Ergebnis war, dass jene, die etwas produzierten, ihre Betriebe schlossen und Importfirmen gründeten, weil sich damit mehr verdienen ließ. Das ist das eigentliche Desaster dieses Landes.“

Deutlicher und anschaulicher kann man die verheerende Wirkung von Dauersubventionen nicht darstellen. Die Empfänger hängen am Tropf, werden süchtig und nie mehr gesund.

Und damit niemand glaubt, hier würde ein kapitalistischer Ausbeuter zitiert: Herr Chrysochoidis ist Sozialist.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Dämonokratie drucken

Wieder wurde wild gerettet,
und die Wogen sind geglättet –
für wie lang, ist Rettern gleich.
Fest steht bloß, wenn andre retten,
liegen wir, wie die uns betten,
bangend vor dem nächsten Streich.

Aber selbst wenn manche hoffen,
bleibt beim Hokuspokus offen,
ob denn wer gerettet ist!
Jedenfalls sind’s nicht die Griechen,
die doch just am Euro siechen –
wie man vorbedacht vergisst.

Na, es mag zum Trost gereichen,
dass die Tempel und dergleichen
hoch auf der Akropolis
schon kaputt sind und nicht brennen,
wie wir’s drunt von Häusern kennen,
das zumindest ist gewiss.

Und was kümmert dort der Trubel –
an der Wall Street herrschte Jubel
nach Kotau des Parlaments,
wittert längst man ja den Braten,
präpariert mit Derivaten
auf die nächste Insolvenz!

Nun, ein paar der Volksvertreter
wurden zwar Parteiverräter,
doch die schloss man aus geschwind,
haben Platz ja auf den Listen
nur getreue Stimmstatisten,
die beliebig tauschbar sind.

Da ersetzlich wie Lakaien,
gingen aber auch Parteien
demokratisch in die Knie –
und was ist das Wunderbare?
Nennt wer Strippenzieher, wahre,
wär’s Verschwörungstheorie…

Pannonicus

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Wenn die Politik der Wähler überdrüssig wird drucken

Wahlen? Derzeit sinnlos. „Wahlen bedeuten heillose Versprechungen. Extreme Parteien von rechts und links würden gewinnen.“ Selten wurde der Demokratie eine so unverblümte Absage erteilt. Der Mann, der da Wahlen am liebsten abschaffen würde, heißt jedoch Hannes Swoboda, und er ist immerhin Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im europäischen Parlament. Da läutet offenbar eine ganz gewichtige Stimme eine ganz neue Debatte über eine fundamentale Krise der Demokratie ein.

Der SPÖ-Mann Swoboda hat aus Anlass der bevorstehenden griechischen Wahlen gesprochen. Die Politiker, die dabei antreten, stehen derzeit allesamt unter internationalem Druck, massivste und unpopuläre Sparmaßnahmen zu beschließen. Sie sollen also jetzt all das wieder abschaffen, womit sie in den letzten Jahrzehnten die Stimmen der Wähler gekauft haben. Was die Politiker vor ein dramatisches Dilemma stellt. Denn in ein paar Wochen bekommen sie von den Wählern das nächste Zeugnis ausgestellt. Die Wähler aber zeigen derzeit einen Maximum an Hass auf die gesamte Politik. Kein Wunder, dass da bei den Volksvertretern Panik ausbricht.

Was einen eigentlich kalt lassen könnte. Schließlich ist die Demokratie für die Bürger, nicht die Politiker geschaffen worden.

Die Problematik geht jedoch weit über diese griechischen Wochen hinaus. Sie lässt immer häufiger die Frage aufkommen: Ist vielleicht gar die Demokratie als solche am Ende? Ist die historische Epoche des Triumphs der demokratischen über alle anderen Staatsformen schon im Abklingen? Sind die Politiker in ihrer Abhängigkeit von den oft sehr oberflächlichen und egoistischen Reflexen vieler Wähler so populistisch geworden, dass sie nicht mehr imstande oder willens sind, das Richtige und Notwendige zu tun? Sind dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – die Wähler der Politiker überdrüssig geworden?

Diese Fragen lassen sich zwar nicht letztgültig beantworten. Ihr skeptischer Kern hat aber jedenfalls viel für sich. Die Demokratie birgt ein unüberbrückbares Dilemma zwischen dem Erwünscht-Angenehmen und dem Unerwünscht-Notwendigen.

Dieses Dilemma hat etwa dazu geführt, dass von Italien bis Griechenland heute nicht mehr vom Volk direkt oder indirekt gewählte Politiker als Regierungschefs agieren, sondern parteilose Experten, die ohne Rücksicht auf Wähler und Wahltag handeln sollen und können.

Freilich müssen auch sie jede Gesetzesänderung am Ende vor die gewählten Volksvertretungen bringen. Die dortigen Abgeordneten sind derzeit aber nur unter massivstem Druck zu einer Zustimmung zu einschneidenden Spar- und Sanierungsmaßnahmen zu bewegen. Ein solcher Druck lässt sich jedoch naturgemäß nicht dauerhaft aufrechterhalten. Womit auch das griechisch-italienische Modell keine wirkliche Lösung des Demokratie-Dilemmas ist.

Dieses Dilemma beherrscht aber auch die österreichische Politik, wenngleich auf anderem Niveau. Da hat etwa der Wiener Bürgermeister Michael Häupl Wahlkämpfe als Zeiten konzentrierten Unsinns bezeichnet; was zwar richtig ist, aber eben nicht gerade von Respekt eines Volksvertreters vor dem demokratischen Souverän zeugt, wenn er die Zeiten des Dialogs zwischen Wähler und Gewähltem so zynisch sieht. Da hat die Regierung Gusenbauer-Molterer die Dauer einer Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert; man wollte nicht durch die Wähler beim Regieren gehindert werden.

Die „heillosen Versprechungen“, von denen Swoboda in Hinblick auf Griechenland spricht, die hat Österreich aber auch schon selbst erlebt. Am weitaus schlimmsten im September 2008, als das Parlament drei Tage vor der Wahl Milliarden zur Wählerbestechung beim Fenster hinausgeworfen hat. Milliarden, die dann später mit zur gegenwärtigen Krise samt Sparpaket geführt haben. Swoboda hat damals freilich keineswegs von „sinnlosen“ Wahlen gesprochen, war doch seine Partei die Hauptschuldige jener Aktion.

Alternativen zur Demokratie

Was aber sind langfristig die Folgen des Demokratie-Dilemmas? Es ist in der Tat nicht mehr absolut auszuschließen, dass viele heute demokratische Staaten in die Unregierbarkeit, in Chaos, in Gesetzlosigkeit versinken. Dass staatliche Strukturen nur noch in wenigen Bereichen funktionieren, dass statt dessen Kriminalität, Chaos und Faustrecht regieren. Während die Staaten immer noch mehr Gesetze beschließen, werden immer weniger Gesetze befolgt, und am Schluss gar keines mehr.

Eine andere, aber ebenfalls keineswegs erfreuliche Folge wäre der starke Mann, der unter vielerlei Versprechungen die Macht an sich reißt oder gar angedienert bekommt. Um sie erst wieder abzugeben, wenn er militärisch besiegt oder in einem revolutionären Kraftakt gestürzt würde. Ein solcher starker Mann war etwa Napoleon, der die blutigen Wirren der Französischen Revolution (die ja ursprünglich durchaus demokratisch-rechtsstaatlich begonnen hatte!) zur anfänglichen Erleichterung vieler Franzosen durch seine Machtergreifung beendete. Aber letztlich hat eben auch der einst so bejubelte Napoleon sein Land ins Elend gestürzt.

Ein erstaunlich erfolgreiches und schon lange funktionierendes Alternativmodell stellt die direkte Demokratie der Schweiz dar. Dort haben sich die Stimmbürger seit Jahrzehnten als viel verantwortungsbewusster denn die üblichen Machtträger der repräsentativen Demokratie erwiesen. Von der Landesverteidigung bis zur Schuldenfrage haben die Schweizer immer gezeigt, dass sie sich der Konsequenzen ihres Stimmverhaltens bewusst sind. Ihr Modell funktioniert – obwohl die direkte Demokratie immer als hemmungsloser Griff der Bürger in die Staatskasse attackiert wird.

Die Perspektiven dieser durchaus unterschiedlichen Alternativen wachsen jedenfalls. Das heißt aber noch nicht, dass die repräsentative Demokratie unwiderruflich am Ende ihres historischen Lebenszyklus angelangt sein muss. Aber sie braucht dasselbe wie die direkte Demokratie: ein hohes Ausmaß an Verantwortungsbewusstsein, sowohl der Wähler wie auch der Machthaber.

Dieses Bewusstsein wird jedoch von vielen Medien, Parteien und Gewerkschaften nicht gefördert, die statt dessen ständig Kurzsichtigkeit und Gruppenegoismus propagieren. Was vielen Bürgern aufs erste als die angenehmere Alternative gegenüber der sparsamen Strenge der schwäbischen Hausfrau erscheint. Obwohl sie – würde man nur ehrlich mit ihnen reden und ihnen nicht eine sozialutopische Fata Morgana vorgaukeln – an sich durchaus imstande sind, Notwendigkeiten zu begreifen.

Nationaler Grundkonsens ist entscheidend

Letztlich braucht jede funktionierende Gesellschaft einen grundlegenden Konsens zwischen Mächtigen und Bürgern: über die Notwendigkeiten des Zusammenlebens, über das Verhältnis von Rechten und Pflichten, über grundlegende Werte – altmodisch würde man sagen: über Moral – und auch über die volkswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Es geht um den Wert der Familie, um Sparsamkeit, um die „Rule of law“, um die Treue gegenüber als durchwegs sinnvoll empfundenen Gesetzen (auch wenn einem kein Polizist über die Schultern blickt), um das Prinzip „Pacta sunt servanda“, um die Notwendigkeit von Leistung und Anstrengung, um gegenseitige Rücksicht und um die Wichtigkeit von Grundrechten, insbesondere Meinungsfreiheit, Menschenwürde, Eigentumsrechte und das Verbot von Willkür.

Wenn dieses Fundament funktioniert, dann funktioniert auch jedes politische System. Und die Demokratie tut das am besten. Dann muss auch ein Swoboda keine Wahlen mehr fürchten.

Die europäischen Völker haben aber anscheinend nach zwei Generationen eines so lange wie noch nie herrschenden Friedens und beständigen Wohlstandszuwachs viel von diesen Grundlagen verlernt. Und dann kann gar kein System mehr funktionieren.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Europäische Prinzipien der Demokratie drucken

„Die Kommission will nicht, dass über dem Land weiterhin ein Schatten von Zweifel an der Achtung demokratischer Prinzipien und Werte bleibt", so EU-Kommissionspräsident Barroso anlässlich der Einleitung von drei EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn. So weit, so schlecht.

Es geht hier nun nicht darum, wie wer auch immer zur Politik der Regierung Orban stehen mag, sondern um ein Faktum, das bisher nicht berücksichtigt wurde: Hier wird eine zweifelsfrei demokratisch gewählte Regierung – ausgestattet mit einer 2/3 Mehrheit, was in Europa die Ausnahme darstellt und wohl schon aus diesem Grunde verdächtig erscheint – zur Achtung demokratischer Prinzipien aufgefordert. Von wem? Von einer Institution namens Europäische Kommission, der jegliche demokratische Legitimation fehlt!

Eine Kommission, die sich großteils aus von ihren Heimatländern abgeschobenen oder gescheiterten Parteiapparatschiks zusammensetzt und die nie vom Volk, sondern von ebensolchen ins EU-Parlament weggelobten (geschassten?) Mitgliedern ihrer Heimatparteien gewählt wurde! Und auch, wie weit man es in Brüssel mit der Achtung von Werten hält, zeigt die Nebensächlichkeit, dass man von Änderungen der ungarischen Regierungsbeschlüsse die Finanzhilfen für das Land abhängig macht. Das kann man auch offen Erpressung oder Nötigung nennen.

Die ungarische Regierung aber sieht in den Verfahren die Möglichkeit, „die Debatte auf fachlicher Grundlage durchzuführen, und zwar mit der dafür vorgesehenen Institution, der Europäischen Kommission, als Hüterin der Verträge". Das ehrt die Regierung und entlarvt die EU-Institution.

Eine demokratisch gewählte Volksvertretung begibt sich zur Verteidigung demokratischer Prinzipien zur „Hüterin" (?) derselben, die aber eine nicht demokratische Einrichtung ist. Otto von Habsburg rotiert höchstwahrscheinlich in der Kapuzinergruft.

Hannes Marcel Bichler

Mitglied der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft, Mitglied verschiedener Stiftungen und Organisationen für und in Osteuropa

Der Verfasser war von 1994 bis 2009 regelmäßig Begleiter und Mitorganisator von Dr. Otto von Habsburg, Alterspräsident des Europäischen Parlaments a.D.

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Fußnote 261: Die Gleichen und die Gleicheren drucken

Griechenland hat 500.000 Beamte zu viel.

Der ORF rätselt in der „Zeit im Bild“, was mit diesen 500.000 geschehen soll: Hinauswerfen? Der Staatssender kommt aber sofort zur Antwort: „Eine Firma kann das tun, ein Staat nicht.“ Na klar, wäre ja noch schöner, wenn man am Rande des Staatsbankrotts unbeschäftigte Beamte abbauen könnte. Im ORF müssen wir Steuerzahler ja auch für jede Menge an überflüssigen Büroleitern, Abteilungsleiter und ähnlichen weißen Elefanten zahlen. Wer einmal vom Staat (oder einem Staatssender) lebt, der hat nach ORF-Philosophie für sein Leben lang ausgesorgt zu haben. Die anderen sollen bluten; die können ruhig arbeitslos werden, wenn's der Firma schlecht geht; die sollen als Jugendliche Null Job-Chance haben; die sollen immer höhere Steuern zahlen müssen. Auch für die überflüssigen griechischen Beamten. Es gibt eben immer Gleiche und Gleichere.

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Toleranz ist mehr als ein Kinder- und Geduldspiel drucken

Gabriel Marcel – J.-P. Satres Gegenspieler im Pariser Nachkriegsszenario für Existenzphilosophie, Metaphysik und Literatur –  verdanken wir eine unüberbietbar präzise Begriffsdefinition für dieses Grundwort: „Das Wesen der Toleranz ist eine aktive Anti-Intoleranz". Dieser Spruch mag sich vielleicht beim flüchtigen Zuhören als Wortspielerei anhören, bietet aber eine kräftige Aussage zur Diskussion.

Was es eigentlich heißt „tolerant: lateinisch: geduldig, ertragend, ausharrend, gelassen" zu sein, ist heute ebenso abgegriffen, vorsätzlich verstellt und bis zum Kern korrodiert („zernagt"), wie unsere gesamte politische Sprache. Der katholische Scharfdenker Marcel gibt der Toleranz in einer echt neusokratischen Manier eine unerwartete, dialektische Wendung. Ein Schlüsselwort zum wahren Humanismus aus griechisch-römischer und christlich-aufgeklärter Überlieferung, die niemals auf das Naturrecht verzichten können wird.

Die naturrechtliche Grund- und Existenzfrage ist dabei: Darf es in Opposition zur Sozialen Demokratie auch eine Bürgerlich-Liberal-Konservative Demokratie geben? Hans Kelsen war ein Steigbügelhalter für die Alt-Vorbilder aller Wiener Sozialisten: Nämlich für den in Ritterlichkeit wenig geübten Karli Marx und seine Kameraden wie die lange Liste von Friedrich Engels, Sigmund Freud, Otto Bauer, Karl Renner… zeigt.

Von langer Hand vorbereitet hat man das „Politisch Korrekte" der Sozialen Internationale in der EU von heute auf Biegen und Brechen bereits durchgesetzt. Auch mit pseudodemokratischer Intoleranz und antiliberaler Gewalt der Straße! Die perfekt inszenierte Verhetzung gegen den Ball des Wiener Korporationsringes in der Hofburg am 27. Januar ist nur ein seichtes Beispiel dafür, wie das Monopol der Sozialen Demokratie verwaltet wird. Es gibt aber auch schwerer wiegende Verleumdungen und mediale Hinrichtungen von Andersdenkenden.

Naturrecht und Reine Rechtslehre

Ganze Heerscharen von Politologen, Soziologen, Psychologen, Künstlern, Konjunkturwahrsagern, Hirnforschern, Journalisten und andere professionelle Meinungsmacher arbeiten in der EU daran, dass alle unsere traditionell geladenen Worte und Werte vergessen, umgedeutet oder zumindest lächerlich gemacht werden. In einer erstaunlich offenherzigen, man möchte beinahe sagen, fast schon undiplomatisch anmutenden Selbstbloßstellung hat der ORF die wunden Punkte aufgezählt, an denen sich die Rotgrünen Geister besonders sensibel bis zur Rage erregen können: Es handelt sich offenbar um christlich-traditionelle Werte und um das noch nicht erloschene Nationalgefühl der Magyaren  –  die Österreichern schon längst als uneuropäisch untersagt worden sind. Wörtlich wird es gescholten, dass

„Die neue Verfassung [von Ungarn] in der Präambel Verweise auf Gott und das Christentum [beinhaltet], das die Nation einen [könnte]. Kritiker werten das als diskriminierend für Atheisten und Gläubige anderer Religionen. Auch traditionelle Familienwerte werden in der Verfassung betont, wodurch Kritiker Benachteiligungen für Homosexuelle und Alleinerziehende befürchten. Abtreibungen könnten verboten werden, da die neue Verfassung vorschreibt, das Leben des Fötus sei vom Moment der Empfängnis an zu schützen." (Vgl. http://news.orf.at/stories/2053825/2053848/)

Was für ein moralischer Trümmerhaufen ist aus dem Europa der Vaterländer geworden, wo Homosexuelle, Alleinerzieher und Abtreiber dem natürlichen Modell der Familie vorgezogen werden? Denn an dieser Verfassung, vom Naturrecht aus gesehen, wäre nicht einmal das geringste Jota zu beanstanden! Im Gegenteil. Freilich den Rechtspositivisten haben die Ungarn damit keinen Gefallen erwiesen. Aber ist der Positivismus lediglich die Auffassung der Wiener Rechtsschule eines Professors namens Hans Kelsen (1881-1973) und die Meinung seines Auftragsgebers namens Karl Renner (1870-1950), der immer darauf bestand als vollblütiger Marxist zu gelten?

Warum sollte sich ein souveräner Nachbarstaat einer fremden Rechtsauffassung beugen, dessen Bürger immer noch christlich-traditionelle Prämissen politisch hochhalten und zur Geltung bringen wollen? Oder ist Kelsens moralfreier, reiner Positivismus vielleicht der Inbegriff „der Demokratie und aller Menschen- und Frauenrechte" schlechthin nach der Diktion des Wiener Bürgermeisters, der sich freilich bereits seiner dritten Ehe erfreut? Klar, das ist eine Privatangelegenheit, die niemanden etwas angeht, auch wenn sie öffentlich erwähnt wird.

Aber ebenso klar ist, wohin die allgemeine Kelsen'sche Moralverhütung Europa geführt hat. Bekanntlich hat er als Mastermind der sogenannten Reinen Rechtslehre auch jeden Begriff der Gerechtigkeit zur Leerformel erklärt: Welches Problem hat er damit für die Verfechter der sogenannten „Sozialen Gerechtigkeit" geschaffen?!  Bis dato hat noch niemand erklären können, was die Soziale Gerechtigkeit eigentlich sei.

Jedenfalls befinden wir uns auf dem Abhang eines aussterbenden Kontinents, der früher das Abendland hieß und die Wiege der Zivilisation war, solange seine Völker noch unter der Regierung des Naturrechts gedeihen durften. Das Naturrecht hat dem Faustrecht des Stärkeren Jahrhunderte lang (so gut wie möglich, freilich ohne Perfektion) standgehalten. Vor dem zwanzigsten Jahrhundert gab es zwar Kriege und Friedensverträge – aber keinen Ausrottungskrieg auf Weltmaßstab und keinen falschen Frieden zur Fortsetzung des vorhergehenden Krieges.

Das Allgemeine Natur- und Existenzrecht von Individuen, Gruppen und Nationen wurde ja bereits von den ersten Sokratikern bis zu den paläoliberalen, englischen Whigs beschworen. Heute wird es nur mehr von der Katholischen Kirche hochgehalten, denn die sogenannten Menschen- und Frauenrechtler verfahren selektiv: Der Anfang und das Ende des physischen Lebens wird der Manipulation anheimgestellt.

Mir linker Ideologie in den Untergang

Wie der konservativ-katholische Politiker und Historiker Plinio Correa de Oliveira (1908-1995) aus Sao Paulo nachgewiesen hat: Erst die Französischen und Russischen Revolutionäre haben das Rechtsverständnis der Alten Welt mit ihren Vor- und Nachteilen endgültig abgeschafft. Und dafür eine Vernichtungsindustrie installiert. Freilich, die National-Sozialen aus Deutschland und Deutschösterreich waren nach dem Frieden von Versailles (1919) nicht die ersten in dieser Zeit- und Rangordnung  – sondern erst die dritten nach den Franzosen und Russen. Sie blieben aber hinter ihren Konkurrenten an Grausamkeit nicht zurück.

Im Zeitalter der Internationalen Sozialen Demokratie sollte es endlich anders werden? Leider nicht aus ganzem Herzen. Heute kommen die Todfeinde nicht mehr unter die Guillotine oder in ein Vernichtungslager. Sie werden medial hingerichtet. Wie es aus der gegenwärtigen politisch-moralischen Dekadenz zu ersehen ist, ist es möglich bloß mit Rufmord und Lügen erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Lord John Maynard Keynes (1883-1946), seines Zeichens Erzvater aller Sozialen Schuldenmacher und Inflationäre, bestand darauf – wohl dem Österreicher Kelsen nicht unähnlich –, ein „Inmoralist" zu sein. Und sind heute nicht praktisch alle Europäischen Politiker (wenigstens Halb-) Kelsenianer und (Halb-) Keynesianer? So schlittern wir von Krise in Krisen. Moralisch und finanziell.

Der Perfektionismus der Politisch Korrekten, die anstelle von Kindern nur Schulden machen können, schafft schon alle Hürden. Aber nur um den Preis der "Rache der Natur". Homosexuelle, Alleinerzieher, Abtreiber und ihre Wortführer haben immer weniger Kinder und in geometrischer Progression immer weniger Enkel. Auch wenn ich diese Tatsachen ohne Diskriminierung und Wertung beobachte: Und die Welt freilich nicht politisch korrekt, sondern statistisch unbeirrbar sehe. Die Zahlen lügen weniger als die Politiker.

Der von den Perfektionisten eingeschlagene Weg führt somit konsequent zur Dezimierung des eigenen Bestandes. Etwas hellsichtigere Soziale Demokraten  – wie Thilo Sarrazin –  haben das ebenfalls eingeräumt. Freilich Sarrazin war und blieb ein treuer Sozialgesinnter seiner Partei, wenn auch etwas häretischer, ungehorsamer und realistischer als der Durchschnitt. Er ist weder ausgetreten noch ausgeschlossen worden. Rechtsphilosophische Argumente der Natur hat er vermutlich weder studiert noch ins Treffen geführt, aber die pragmatischen Konsequenzen ihrer Missachtung hat er doch wahrgenommen. Über Statistiken der Dekadenz ist es müßig zu diskutieren. Sie werden von Naturgesetzen exekutiert wie die Gravitation.

Die wahrhaft Intoleranten

In Zusammenfassung:

  1. Jedes keimende Leben hat das Natürliche Recht in einer intakten Familie aufzuwachsen. Alle physischen Väter und Mütter haben die natürliche Pflicht, ihren heranwachsenden Kindern von Anfang an beizustehen und für eine zivilisierte, allenfalls auch für eine christliche Erziehung zu sorgen. Staatliche Kindergärten und Schulen sind nur subsidiäre Behelfsmittel zu diesen Grundrechten und Grundpflichten: Was die kleinere (natürliche) Einheit zu leisten vermag, ist der größeren („sozialen") Einheit der Verstaatlichung vorzuziehen. Nicht umgekehrt!
  2. Nach J.-J. Rousseau's Sozial-Libertärer Vertragsrechtsauffassung (deren Schattenseiten seit der Französischen Revolution in ganz Europa grassieren) ist alles hemmungslos erlaubt, was mehrheitsfähig ist. Das Töten ungeborenen Lebens ist kein Mord mehr, sondern lediglich eine libertäre Option: Eine undramatische Wahlmöglichkeit der selbstherrlichen Menschen- und Frauenrechtler, denen das keimende Leben nicht mehr heilig ist.
  3. Ist es nicht merkwürdig, dass zum Rotgrünen Syndrom der Libertären Weltanschauung so kunterbunte Sachen gehören, wie einerseits eine groß angelegte Kampagne gegen die Konstitution eines souveränen, wenn gleich konservativen Nachbarlandes – und andererseits die Diskriminierung des Hofburgballes einer unverdächtigen akademischen Jugendgruppe, nur weil sie nicht der Linie der Österreichischen Hochschülerschaft und dem Dekalog der Sozialen Internationale folgt. Der kleinste gemeinsame Nenner für die Verbindung so unterschiedlicher Sachverhalte hat nur einen möglichen Namen: Intoleranz und Hass gegen Andersdenkende.

Die Marcel'sche Definition der Toleranz als Anti-Intoleranz lässt sich nun nach dieser illustrierten Einleitung sonnenklar erläutern. Toleranz bedeutet gewiss nicht Förderung für Gegner und Feinde aller Abstufungen. Toleranz schließt keinen (noch so scharfen) Wettbewerb von Werten und Zielen aus. Toleranz verneint aber sich selbst immer, wann und wo sie intolerant wird, wo sie mit allen Mitteln unfair für das Eigene kämpft, und das Existenzrecht der Anderen in Frage stellt.

An diesem Umschlagspunkt kulminieren „Natur- und Seinsrechte" in eine untrennbare Identität, die nur von totalitären Schächtern ignoriert werden kann. Jemanden totwünschen oder in der Tat auch totschlagen ist oft nur ein hauchdünner Unterschied. Einfacher ausgedrückt: Toleranz ist eine großmütige Ritterlichkeit nicht nur dem ritterlichen Gegner, sondern in extremen Grenzsituationen – christlich gesprochen – sogar dem Todfeind gegenüber.

Allem Anschein nach ist Toleranz eine uralte Tugend der Zivilisation, welche ohne das Naturrecht einfach unerträglich wird. Intoleranz dagegen war das Grundwort der Ideologen im zwanzigsten Jahrhundert. Damit wir wieder zivilisierter (d. h. bürgerlicher) werden, müssten wir vor allem alte Feindbilder (nicht unsere Feinde und Konkurrenten) begraben:

  • Junge Mitbürger noch im 21. Jahrhundert des „Faschismus" zu zeihen, ist gelinde gesagt nicht nur eine Dummheit, sondern vor allem ein Anachronismus. Außerhalb des traurigen Kontextes der italienischen Geschichte von anno dazumal entbehrt diese Brandmarke jeder sinnvollen Bedeutung.
  • Die historischen „Nazis" in Deutschland und Österreich möge man mit vollem Vor- und Nachnamen als „Sozialisten" benennen, denn das waren sie wirklich, mit aller Inbrunst und Begeisterung.
  • Und „Kriminelle" von heute mögen überführt und ihrer verdienten Strafe zugeführt werden. Überall und jederzeit. Aber die pauschale Faschismuskeule unentwegt zu schwingen, dürfte mit dem Verhetzungparagraphen auch schwer in Einklang zu bringen sein. Das Gedenken an die Befreiung der Konzentrationslager dürfte ebenfalls dafür Anlass sein, auch uns selbst vom Lagerdenken zu befreien.

Dipl.-Ing. Dr. Endre Bárdossy war Universitätsassistent im Institut für Wirtschaft, Politik und Recht an der Universität für Bodenkultur Wien, anschließend 23 Jahre lang o. Universitätsprofessor für Volks- und Betriebswirtschaftslehre in San Salvador de Jujuy bzw. Mendoza (Argentinien) an landwirtschaftlichen Fakultäten.

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Der Silvio, oft wild verdammt
von Neiderschaft, gemeiner,
war immerhin so lang im Amt
wie dort vor ihm noch keiner.

Und auch sein Unterhaltungswert
beginnt uns abzugehen –
besonders wenn jetzt umgekehrt
wir diesen Monti sehen:

Als Kommissar von Goldman Sachs
und Bilderberger-Runde
ist der zwar Meister seines Fachs
und quasi Mann der Stunde.

Doch als Regierungschef in Rom
ein Intellektueller
und noch dazu ein Ökonom?
Der lacht wohl bloß im Keller!

Trotz allem hat er, wie es scheint,
nun mal probiert zu spaßen –
indes, es war ganz ernst gemeint,
zum Trost gewissermaßen:

Ein Lebens-Job sei monoton,
und statt darauf zu hoffen,
sei Wechseln – na, ihr ahnt es schon –
was Schönes, sagt er offen.

Flexibel sein, das pries der Mann
– und prompt ging’s in die Hosen –
als Tugend just der Jugend an,
der massenarbeitslosen!

Er selbst bleibt auch nur auf ein Jahr,
wie locker er vermerkte –
mit garantiertem Job, na klar,
dort wo er früher werkte…

Pannonicus

(Monti riet Jugendlichen in einer „Talk-Show“, nicht auf einen fixen Job zu hoffen. Er ergänzte, ein Job fürs ganze Leben sei langweilig. Es sei schön, zu wechseln und sich neuen „Herausforderungen“ zu stellen. Dieses berüchtigte Verharmlosungswort, nämlich „challenge“, hat er sicher in Amerika gelernt, wo das „positive Denken“ seit Jahrzehnten allen Job-Anfängern eingetrichtert wird!)

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Griechenland führt Europa vor drucken

Der unendliche Poker mit Griechenland scheint nun – wieder einmal – zu einem üblen Schein-Ende zu kommen. Auch wenn sich die EU-Finanzminister noch ein wenig zieren, werden ganz offensichtlich in Kürze weitere 130 Milliarden an echten Euros in den griechischen Abgrund geschoben. Im Gegenzug für unglaubwürdige griechische Versprechungen. Zugleich scheint Griechenland trotz aller Hilfen angesichts der Ungewissheit um seine währungspolitische Zukunft in diesem Abgrund unrettbar festzustecken.

Solange nämlich lebhafte Zweifel bestehen, ob Griechenland überhaupt im Euro bleiben kann, wird niemand in dem Land investieren. Dazu trägt  auch die Tatsache bei, dass Griechenland eine weiterhin keineswegs investitionsfreundliche Bürokratie hat. Ohne Investitionen kann es aber kein Wachstum und damit auch keine positive Zukunft Griechenlands geben. Denn nur naive Grüne predigen, dass es einen Wohlstand ohne Wachstum geben könnte.

Zur Skepsis angesichts der Lage Griechenlands trägt insbesondere bei, dass das Land auch schon bisher einen Gutteil seiner Sanierungsversprechungen ignoriert hat. Wer will daher ernsthaft glauben, dass es diesmal anders sein wird? In jenem Land haben ja nicht einmal Gesetze eine Auswirkung auf die Wirklichkeit, etwa auf das Handeln – und vor allem Nichthandeln von Beamten. Politikerversprechen haben das daher noch viel weniger.

Trotz aller Drohungen der EU-Partner war nicht wirklich anzunehmen, dass sie Griechenland fallen lassen. In diesem Fall müssten sie, müsste insbesondere die deutsche Regierung nämlich direkt oder indirekt zugeben, dass sie schon mit der ersten Griechenland-Hilfe im Mai 2010 schwere Fehler begangen haben. Denn ein Staatskonkurs – mit nachfolgend ermöglichtem Neuanfang – wäre damals billiger gewesen. Und würde inzwischen anstelle der ewigen Konkursverschleppung auch schon erste Erfolge bringen.

Knapp vor den französischen Wahlen war aber ein solches Eingeständnis eines Waterloos der europäischen Politik schon gar nicht zu erwarten gewesen. Da muss alles auf Sonnenschein programmiert werden. Die Märkte haben die Sonnenschein-Parole auch brav apportiert. Die Kurse sind gestiegen. Dass damit nur gutes Geld dem vielen schon verlorenen nachgeworfen wird, stört die Anleger offenbar nicht. Denn sie haben wieder ein halbes Jahr gewonnen, in dem man Business as usual betreiben kann.

Dass der darauffolgende Crash wegen der neuerlich vergrößerten Dimension der Geldverbrennung nur noch ärger ausfallen wird, wird einfach verdrängt. Ebenso wie die Tatsache, dass der Crash noch sicherer geworden ist. Alleine die gegenwärtigen Blasen bei den europäischen Immobilienpreisen müssen fast sicher mit einem Knall samt unberechenbaren Dominoeffekten enden.

Die einzige Möglichkeit, noch einen Crash abzuwenden, ist die – noch weiter intensivierte – Herbeiführung einer Megainflation. Die ist aber keineswegs ein Trost. Denn eine Megainflation wird verheerende Auswirkungen haben – die halt nur nicht in einem Schwarzen Freitag kulminieren, sondern sich über Jahre erstrecken.

Enger-können-wir-den-Gürtel-aber-wirklich-nicht-mehr-schnallen

Die Fernsehaufnahmen aus den Straßen Athens sind in dieser Situation die übliche und nicht weiter ernst zunehmende Reaktion. Jeder Grieche ist intelligent genug, jedem ausländischen Mikrophon furchtbare Klageschreie über das Enger-können-wir-den-Gürtel-aber-wirklich-nicht-mehr-schnallen entgegenzurufen. Auch wenn er vielleicht gerade von der Bank kommt, wo er seine Euro sicherheitshalber abgezogen oder ins Ausland transferiert hat.

Wäre wirklich ein Schmerzpunkt erreicht, hätten die griechischen Gewerkschaften nicht schon wieder zu einem zweitägigen Generalstreik gerufen. Sie glauben ganz offensichtlich noch immer daran, dass sie jemand erpressen können. Und sie haben vielleicht sogar recht: Denn Europa zahlt ja wieder einmal. Wahrscheinlich auch für die bei den Demonstrationen verbrannten deutschen Fahnen . . .

Wer den griechischen Mitleidsgeschichten dennoch glaubt, sollte eine Sekunde lang die heutige griechische Reaktion mit dem Jahr 1945 vergleichen: Damals hat in Europa niemand gestreikt. Nicht einmal eine Sekunde lang. Auf keiner Seite der ehemaligen Fronten. Denn einer, dem‘s wirklich schlecht geht, der streikt nicht. Gestreikt wurde dann erst in den Jahren darauf, als die Kommunisten zum Putsch ansetzten.

Auch das jetzt – theoretisch – zugesagte griechische Sparpaket ist keineswegs so schlimm, wie es manche darstellen. Die Streichung von Zusatzpensionen in privilegierten Branchen, für die nichts ausreichend eingezahlt worden ist,  erweckt nur begrenztes Mitleid.

Auch die Reduktion des gesetzlichen Mindestlohns ist völlig legitim und richtig. Denn die Festsetzung eines Mindestlohns durch populistische Politiker ist immer (nicht nur in Griechenland) ein Unsinn. Was soll ein hoher gesetzlicher Mindestlohn helfen, wenn niemand zu diesem Lohn mehr genug Jobs anbietet? Immer noch ist ein geringer Lohn besser als gar keiner. Daher ist dessen Senkung notwendig (was ja noch nicht die schon derzeit ausbezahlten Löhne reduziert). Nur niedrigere Löhne für Neueinsteiger können Griechenland wieder wettbewerbsfähig machen. Freilich ist diese Senkung keineswegs alleine schon eine ausreichende Medikation für Griechenland.

Notwendig wäre daneben erstens auch eine massive Verwaltungsreform, und zweitens die währungsmäßige Sicherheit für neue Investitionen in Griechenland. diese Sicherheit ist aber wohl nicht mehr herstellbar. Da muss nämlich jeder fürchten, Euros zu investieren und Drachmen zurückzubekommen.

Wenn aber schon die Herstellung einer wirklichen Währungssicherheit nicht mehr möglich ist, wäre eine echte Entmachtung des griechischen Gesetzgebers und der Regierung durch einen europäischen Masseverwalter umso notwendiger. Auch das wurde nicht durchgesetzt.

Papierende Zusagen griechischer Politiker beeindrucken hingegen wenig. Schon gar nicht, wenn Griechenland absurderweise ein Wahlkampf bevorsteht. In einem solchen ist leider fast immer Populismus statt Ehrlichkeit Trumpf.

Daher wird Europa auch in den nächsten Monaten wieder nur hilflos zuschauen können, wenn die Griechen auch jetzt wieder ihre Zusagen Scheibe für Scheibe vergessen werden.

Alle jene, die nach dem Motto „Das kleine Griechenland werden wir doch noch durchfüttern können“ trotz allem für die Milliarden in das bodenlose Fass sind, sollten sich noch über etwas anderes im klaren sein: Alles, was man den Griechen gewährt, wird man den anderen Schuldnerländern nicht verwehren können. Und deren Reihe wird ja immer länger. Schon hat Irland gefordert, dass es jede Konzession erhalten müsse, welche etwa die Europäische Zentralbank den Griechen einräumt. Dies würde etwa für einen Schuldenschnitt gelten, den nun offenbar nicht nur Privatgläubiger hinnehmen sollen, sondern den die EZB nach inoffiziellen Informationen auch den Griechen gewährt.

Das „Sozialmodell“ als historischer Betrug

Besonders widerlich ist das Verhalten der nichtgriechischen Sozialdemokraten. Dass der Neokommunist Oskar Lafontaine gemeinsame Anleihen aller Europäer für die Griechen verlangt, war ja noch zu erwarten gewesen. Aber völlig fassungslos macht ein Brief des SPÖ-Mannes Hannes Swoboda, der ja jetzt sogar Vorsitzender der roten Fraktion im EU-Parlament ist. Er attackiert doch tatsächlich in aggressiven Worten die „ruinöse, extreme Sparpolitik“, welche die EU-Staaten von den Griechen verlangten. Noch absurder ist, wenn Swoboda in diesen Forderungen sogar einen „großen Betrug am europäischen Sozialmodell“ zu erkennen behauptet.

In Wahrheit hat natürlich niemand irgendein „Sozialmodell“ betrogen. Sondern dieses hat sich selbst als der größte Betrug der letzten zwei Generationen erwiesen. Dieses Modell ist aber nichts anderes als der real existierende Sozialismus, als der ständig durch noch mehr Schulden finanzierte Sozialstaat.

 

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Griechenland ist kein Problem drucken

Die Pleite und / oder der Euro-Austritts Griechenlands rücken immer näher. In den letzten Monaten hat eine Serie von Politikern und selbsternannten Mahnern dieses Szenario als Katastrophe mit unabsehbaren Folgen beschrieben. Von einem dramatischen Einbruch der Exporte ist da immer wieder die Rede, von einer schweren Rezession in ganz Europa oder gar von einem Kollaps des Finanzsystems. Es ist also höchste Zeit, ein solches Szenario mit der nötigen Nüchternheit zu analysieren.

Immer wieder wird der Euro-Austritt Griechenlands mit einem Austritt Deutschlands oder dem Zerfall des Euro gleichgesetzt. Der Präsident des Deutschen Außenhandelsverbandes, Anton Börner, stellte diesbezüglich im letzten November im Berlin fest, dass der Wert des Euro für Deutschland überschätzt wird. Er sagte wörtlich: „wichtig ist für uns der freie Markt, wir brauchen nicht zwingend die gleiche Währung“, und weiters „wir können auch ohne Euro leben.“

Wenn Deutschland wieder zur D-Mark zurückkehren würde, dann würde diese wohl kräftig aufgewertet. Die Schweiz hat in den letzten Monaten eine solche Aufwertung erlebt. Die Schweizer Exportwirtschaft hat es verkraftet. Zur Erinnerung: Auch deutsche und österreichische Exportunternehmen haben es jahrzehntelang geschafft, mit Aufwertungen zu leben.

Den Ängstlichen und Angstmachern sei an dieser Stelle gesagt: der Austritt Deutschlands oder der Zerfall des Euro stehen gar nicht an, sondern bloß der Austritt Griechenlands! 2009 betrug das griechische BIP € 235 Mrd., also rund 2 Prozent des EU-BIP. Ebenfalls im Jahr 2009 importierte Griechenland Waren im Wert von € 33,8 Mrd. aus der EU, das entspricht rund 0,29 Prozent (!) des EU-BIP. Selbst wenn sich die griechischen Importe infolge eines Euro-Austritts über mehrere Jahre hinweg deutlich reduzieren würden, so würde das im übrigen Europa kaum bemerkt!

Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) halten die europäischen Banken und die EZB griechische Staatsanleihen im Ausmaß von je rund € 50 Mrd. Das konsolidierte Vermögen der EU Banken beträgt aber € 31.067 Mrd., jenes der EZB € 2.687 Mrd.. Das heißt für die EZB wäre ein Euro-Austritt Griechenlands (und die damit verbundene Abwertung der griechischen Staatsschulden) ein schmerzhafter, aber verkraftbarer Verlust. Für den europäischen Bankensektor wäre eine kräftige Abwertung der griechischen Staatsschuld von beschränkter Bedeutung, die meisten Institute haben die Griechenland-Forderungen ohnehin schon stark wertberichtigt.

Möglicherweise haben aber einzelne Institute und Investmentgesellschaften den Fehler gemacht, zu viele griechische Anleihen gekauft zu haben und für zu viele Kreditausfallsversicherungen für griechische Anleihen geradezustehen. Für solche Gesellschaften könnte es natürlich schmerzhaft werden, daher sind sie offenbar bemüht ihre Verluste auf den Steuerzahler abzuwälzen.

Dieser Wunsch bestimmter Finanzinstitute ihre Verluste auf den Steuerzahler abzuwälzen, würde auch erklären, warum es speziell die Vertreter von bestimmten Finanzkonzernen sind, die eine Pleite und / oder einen Euro-Austritt Griechenlands mit besonders dunklen Farben ausmalen und die Politik besonders eindringlich dazu aufrufen, das ach so arme und unschuldige Griechenland doch nicht fallen zu lassen.

Wer falsche Entscheidungen trifft, muss in einer Marktwirtschaft die Konsequenzen, also die Verluste, tragen. Wie kommen eigentlich die Steuerzahler dazu, für die Fehler gewisser Finanzkonzerne bezahlen zu müssen? Die Steuerzahler haben schon genug gezahlt.

Mag. Christian Ebner ist Unternehmensberater bei Elpis Consulting GmbH und Wirtschaftssprecher des BZÖ Niederösterreich.

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Der Fluch des Euro drucken

„Der Euro kommt zu früh!“ So lautete ein anno 1998 von 155 namhaften Wirtschaftswissenschaftlern in der „FAZ“ veröffentlichter Aufruf. Vergebens. Das Lieblingsprojekt der politischen Eliten wurde – ohne Rücksicht auf Verluste, wie wir heute erleben – dennoch ins Werk gesetzt.

Es ging dabei nicht ums Geld, nicht um die keineswegs schlechte Idee einer gemeinsamen Währung. Der Euro war von Anbeginn an kein monetäres, sondern ein lupenrein politisches Projekt und sollte der Schaffung eines neuen Imperiums nach US-Vorbild, der „Vereinigten Staaten von Europa“, Vorschub leisten. Auf dem direkten Weg – über entsprechende Referenden – wäre dieser größenwahnsinnige Plan unmöglich zu realisieren gewesen, das war der herrschenden Klasse sonnenklar. Niemals hätten die so grundverschiedenen Völker der Alten Welt der Aufgabe ihrer Eigenarten und ihrer Fernsteuerung durch Brüssel freiwillig zugestimmt.

Europa hat der Welt einst eben nicht als zentral verwalteter Monolith seinen Stempel aufgedrückt, sondern als Sammelsurium miteinander konkurrierender Völker und Ideen. Zu sehr war und ist den Bürgern Europas auch heute noch bewusst, dass die Stärke ihres Kontinents in der Vielfalt und nicht in der Einfalt und der erzwungenen Nivellierung liegt.

Daher spannten die abgehoben agierenden Politeliten den Ochsen trickreich hinter den Karren und führten zunächst die Gemeinschaftswährung ein – in der sicheren Gewissheit, dass diese ohne eine – gegenwärtig in Umsetzung befindliche – totale Gleichschaltung der Provinzen des neuen Reiches keinen Bestand haben könnte.

Nun wird die Verteidigung des Euro – kontrafaktisch – zu einer „Frage von Krieg und Frieden in Europa“ stilisiert: Helmut Kohl meint „Der Euro ist ein Friedensprojekt“; Von höchsten Vertretern der Union werden Verschwörungstheorien lanciert, wonach wir es mit einem „Angriff“ finsterer Mächte (der perfiden Märkte!) auf das heilige Brüsseler Reich zu tun hätten. „Ohne Gemeinschaftswährung hat Europa keine Zukunft“ – so oder so ähnlich tönt es aus den EU- und Staatskanzleien. Und so trommeln es auch die gleichgeschalteten Medien des Meinungshauptstroms von Lissabon bis Helsinki. Alle nicht in das Konzept eines zentralistisch organisierten Molochs passenden Fakten werden entweder kleingeredet oder totgeschwiegen.

Dass etwa Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Frieden machten und hielten – und zwar ohne gemeinschaftliche Währung – wen interessiert es? Die Grundlage für Frieden zwischen den Völkern und deren steigenden Wohlstand ist allein der Freihandel, wie der französische Physiokrat Frédéric Bastiat meinte, wenn er vor langer Zeit formulierte: „Wenn Güter die Grenzen nicht passieren, werden es Armeen tun!“

Eines politisch zwangsverordneten Geldes bedarf es dafür aber ganz sicher nicht. – wer bedenkt das dieser Tage? Der Euro wird zur Religionsfrage erhoben. Es wird – entgegen der historischen Evidenz – so getan, als ob ein gemeinsamer Wirtschaftsraum nicht auch ohne einheitliche Währung zu verwirklichen wäre.

Dass eine europäische Freihandelszone bereits vor weit mehr als 100 Jahren – in der Zeit vor 1914 – existierte, und zwar ohne Gemeinschaftswährung (die faktisch allerdings durch die Goldbindung der verschiedenen Währungen gegeben war) wissen heute nur noch die wenigsten. Die politischen Eliten haben größtes Interesse, diese Tatsache gar nicht erst zu thematisieren, um die Fadenscheinigkeit ihrer Argumente für das schwindsüchtige Esperantogeld Euro nicht ans Licht zu bringen.

Einen interessanten Beitrag zum tieferen Verständnis der Problematik der europäischen Gemeinschaftswährung leistet das kürzlich bei Olzog erschienene und von Peter Altmiks herausgegebene Buch „Die optimale Währung für Europa?“

Fünf Beiträge sehr unterschiedlicher Autoren beleuchten Geschichte, Wesen und mögliche Zukunft des Euro. Glühende Befürworter, wie etwa der eben aus dem Direktorium der EZB ausscheidende Volkswirt Jürgen Stark, und Kritiker, wie der Herausgeber selbst, der als Wirtschaftsreferent im Liberalen Institut der Friedrich Naumann Stiftung tätig ist, verdichten eine Fülle von Informationen und analytischen Überlegungen zu einer guten Grundlage für den interessierten Beobachter, um sich seine eigenen Gedanken zu diesem für Europa so überaus wichtigen Thema bilden zu können.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien

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Schulden-Bolschewismus drucken

Wer zählt die Summen, schon vertan,
wer nennt sie, all die Namen,
die da für Volksbetrug und Wahn
bisher zusammenkamen?

Doch wieder sollen kurz vorm Knall
zum Zwecke Gelder fließen,
die sich mit reichem, vollen Schwall
ins schwarze Loch ergießen!

Erhöhen heißt es lapidar,
was aufgestockt, erweitert,
verdoppelt und dergleichen war
und gallig bloß erheitert:

Nach Schirm, Paket und Fonds konkret,
dann Sixpack, Feuermauer
samt Hebel und Fazilität
jetzt ein Fiskalpakt, schlauer!

Man ist zu Ende mit Latein,
nur stellt zum Trost der Seelen
sich stets ein neues Gutwort ein,
wo längst Begriffe fehlen.

Kein Wunder, man versteht sich ja
perfekt aufs Euphemisteln,
verkauft als Rettung – blablabla –
wohl Eiter gar aus Fisteln.

Denn Schulden-Bolschewismus pur
ist höchste Glaubenslehre,
und weil drum wider die Natur,
wär’ Klartext Straftat, schwere!

Hier wendet sich als Folge draus
erst recht kein Gast mit Grausen –
doch werden wir im eignen Haus
bald selbst als Fremde hausen…

Pannonicus

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Burgstaller und Merkel: Zweimal Hoffnung und zurück drucken

Die Hoffnung, dass sich in Österreich und Europa der Verstand doch noch durchsetzt, blitzt manchmal kurz auf. Doch – ganz konträr zu dem beliebten Spruch, dass sie das zuletzt tut – stirbt sie sehr schnell wieder. Zumindest hierzulande. Ob in der EU ebenfalls, das werden die nächsten Stunden und Tage zeigen.

Von der Öffentlichkeit kaum – weil von den Meinungsmachern nur ungern – wahrgenommen, hat die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller gemeinsam mit den Salzburger Schwarzen einen Tabubruch durchgesetzt, der wie ein Aufbruch des gesunden Politikerverstands wirkt: Die Salzburger Landesregierung hat eine Aufforderung an die Bundesregierung beschlossen, die Studiengebühren wieder einzuführen. Prompt erntete sie Rücktrittsforderungen aus den Reihen der jungen Sozialisten sowie schnoddrige Abfuhren von Faymanns Laura (Rudas) und der SP-Wissenschaftssprecherin Andrea Kunzl.
Damit war das Aufflackern von Sachverstand wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Jetzt sollen gar nicht die zum Überdruss wiederholten und allseits bekannten Argumente für diese Maßnahme wiedergekäut werden. Aber: Ist es nicht eine Frage der Gerechtigkeit, dass in Zeiten der Schröpfzüge bis hin zu den Pensionisten auch die Studenten wieder für aus Steuergeld finanzierte Leistungen wenigstens einen symbolischen (in China sind Studiengebühren höher!) Tribut entrichten müssen?
Faymanns Gerechtigkeit gibt’s halt nur auf dem Plakat.
Zu hoffen steht, dass dem zweiten bemerkenswerten Aufbruch, diesmal von Angela Merkel, nicht ein ähnliches sang- und klangloses Verschwinden beschert ist – und zwar in unser aller Interesse.
Die Deutschen fordern, dass die EU den Griechen einen Sparkommissar hinsetzt, der die Budgetgebarung überwacht und sogar mit einem Vetorecht ausgestattet ist. In Athen hat der Vorschlag sofort zu radikalen Verbalinjurien geführt – was zu erwarten war. Von einem „Gauleiter“ ist da die Rede, von einer Demütigung, die man nicht hinnehmen kann.
So sieht die „Solidargemeinschaft“ aus: Nehmen kann man unser Geld und es dann auch nicht mehr zurückzahlen wollen – darauf bereiten uns bereits Kommissar Rehn und der Präsident der Eurozone, Jean Claude Juncker, vor. Aber bei der Art und Weise, wie man mit unseren Milliarden umgeht, da ist man „autonom“. In dieser Budget-Autonomie lag im Falle der Griechen ja der Urgrund der Katastrophe. Sie waren so autonom unehrlich, dass sie sich den Eintritt in die gemeinsame Währung mit falschen Angaben erschlichen haben.
Also wäre ein „Aufpasser“ wohl mehr als gerechtfertigt, wenn es jetzt um die Schutzschirm-Milliarden geht. Mit dubiosen „Listen der Schande“ im Internet kann man vielleicht einen Herrn Kräuter in der österreichischen SP-Zentrale beeindrucken, aber keinen müden Cent in die Staatskasse bringen. Und viele andere Maßnahmen der Regierung Papademos scheinen die gleiche (Un-)Wirksamkeit zu haben.
Es wird also Zeit, dass die EU sich einmischt. Angela Merkel hat das verstanden. Vielleicht kann sie sich durchsetzen.
Die Hoffnung stirbt – eben doch – zuletzt.
 

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Wessen Staatsanleihen halten österreichische Banken? drucken

Von heimischen Banken gehaltene Staatsanleihen anderer EU-Mitglieder in Mio. Euro, Stand 10/2011

 

Staat Betrag
Polen

2.837

Italien

2.821

Deutschland

2.289

Ungarn

2.020

Tschechien

1.231

Rumänien

1.175

Slowakei

1.024

Belgien

806

Griechenland

736

Frankreich

707

Spanien

450

Slowenien

230

Portugal

218

Irland

187

Sonstige

1.364

Quelle: EZB/Finanzministerium

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Griechenland: Auch vor Tische konnte man es schon wissen drucken

Es ist gewiss nicht allzu populär, besserwisserisch zu klingen. Dennoch konnte ich diesmal der Versuchung nicht widerstehen, in alten Tagebuchnotizen zu kramen. Der Anlass: Rundum wird nun plötzlich von einer Pleite Griechenlands gesprochen.

In Österreich natürlich nicht. Hier haben ja Rot und Grün den Ball einiger Burschenschaften für die zentrale Bedrohung der Nation erklärt. Hier beschäftigt sich ja der Wrabetz-Wolf-ORF längst nur noch mit sich selber. Hier ist ja die Regierung bemüht, den Verlust der eigenen Kreditfähigkeit kleinzureden (obwohl Experten längst davon reden, dass das Land noch immer um zwei Stufen zu gut bewertet ist!) und sich ansonsten stolz darauf zu zeigen, das enorme Problem der Diplomatenpässe für Ex-Minister und Bischöfe gelöst zu haben, damit wenigstens ein Problem gelöst ist.

Einige der ignorierten Meldungen. Sie stammen alle aus den bisherigen Jännertagen.

  • Ratingagentur Fitch: Vor zeitweiliger Staatspleite Griechenlands.
  • Standard&Poor’s: Griechenland ist „sehr bald“ pleite.
  • Agentur Reuters: Was vor ein paar Monaten noch undenkbar gewesen ist, wird nun immer lauter diskutiert: ein Staatsbankrott Griechenlands.
  • Erste-Bank-Chef Treichl: „Griechenland ist in einer desparaten Situation. Das Land kann sich leichter erholen, wenn es aus dem Euro draußen sein wird.“
  • Der tschechische Zentralbank-Gouverneur Miroslav Singer: „Wenn es nicht den Willen gibt, Griechenland eine sehr große Geldmenge aus europäischen Strukturfonds bereitzustellen, sehe ich keine andere Lösung als den Austritt aus der Eurozone und eine massive Abwertung der neuen griechischen Währung.“
  • Der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger: „Griechenland ist im freien Fall.“
  • Der Geldmarkt: Die Verzinsung für einjährige griechische Anleihen erreichte auf dem Sekundärmarkt 400 Prozent.
  • Michael Fuchs, stellvertretender CDU-Vorsitzender im deutschen Bundestag: „Ich glaube kaum, dass Griechenland im jetzigen Zustand noch zu retten ist.“
  • Handelsblatt: Nach Berechnungen des IWF fehle den Griechen trotz aller Hilfen wieder „ein signifikanter zweistelliger Milliardenbetrag“.
  • Andreas Schmitz, Präsident des deutschen Bankenverbandes: Die Lage Griechenland sei „hochexplosiv“.
  • Ein Mitarbeiter des griechischen Finanzministeriums: „Für uns hat der Coutdown begonnen.“
  • Die griechische Sanierungsrealität: Bis 31. Dezember sollten 30.000 Staatsbedienstete gehen – es wurden aber nur 2000 entlassen. Das griechische Verfassungsgericht hat beispielsweise bei der - maßlos überbesetzten - Athener Müllabfuhr bis 2015 jede Kündigung verboten. Grund: Vertrauensschutz (der offenbar nur für scheinbeschäftigte Beamte, nicht aber für Griechenlands Gläubiger gilt).
  • Griechische Zeitungsschlagzeile: „Das Ende naht“.

So weit so klar. Was ist davor geschehen? Die anderen Euro-Staaten haben durch Cash oder Haftungen direkt oder über Zentralbank, Währungsfonds, EU oder Rettungsschirme seit Mai 2010 dreistellige Milliardenbeträge in Griechenland versenkt. Offensichtlich ohne jeden erkennbaren Sanierungsnutzen. Die dadurch gewonnene Zeit hat nur eine einzige Gruppe nutzen können: Reiche Griechen haben ihr Geld ins Ausland transferiert und so vor einer Abwertung oder einem sonstigen Staatszugriff in Sicherheit gebracht.

Noch schlimmer: 2010 hat Griechenland noch wirklich spürbar gespart. 2011 sind die Sanierungsbemühungen völlig erschlafft - ganz offensichtlich hat nach Aufspannen des europäischen Rettungsschirms niemand mehr die Lust zu schmerzhaften und unpopulären Maßnahmen gehabt.

Hat man das nicht alles von Anfang an wissen können? Man hat schon, aber man wollte nicht. Weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf. Weil nicht nur Sozialisten, sondern auch viele Christdemokraten noch immer an Problemlösungen durch keynesianische Schuldenmacherei, durch Verdrängung und Schönreden glauben. Lediglich in Prag und London gibt es noch Regierungen mit ein wenig ökonomischem Sachverstand. Allzu viel hätte es aber auch anderswo nicht gebraucht, um die Entwicklung vorherzusehen.

Unkommentiert dazu einige Eigenzitate aus dem Tagebuch:

17. Juni 2011

Die EU kann Griechenland gar nicht pleite gehen lassen. Denn das ist es schon längst. Jetzt geht's nur noch darum, endlich auch offen zuzugeben, dass Griechenland niemals all seine Schulden zahlen kann. Werden die Staaten Europas wie im Mai 2010 noch einmal Beihilfe zur Konkursverschleppung leisten? Im normalen Leben landet man damit vor dem Strafrichter.

11. Mai 2010

Seit Deutschland & Co nun praktisch solidarisch für Griechenland & Co haften, muss man ihre Stabilität noch mehr bezweifeln als schon bisher. Hat man zwischen Berlin und Wien doch schon vor diesem schwarzen Wochenende die Staatsschulden in absurde Höhen gejagt.

7. Mai 2010

Was würde der inzwischen verstorbene Friedman den Europäern wohl heute raten? Vermutlich Folgendes:

  1. Vorerst keinen Kredit mehr für Griechenland.
  2. Notfalls die Gläubiger-Banken mit rund 60 Prozent für die dadurch eintretende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands schadlos halten (keinesfalls zu 100 Prozent), damit die Folgewirkungen abgebremst werden.
  3. Griechenland ein Aussteigen aus dem Euro-Raum nahelegen.

29. April 2010

Da wird in einer angeblichen Qualitätszeitung der Bankrott Griechenlands als „Liquiditätskrise“ beschönigt. Da werden die Rating-Agenturen beschimpft, weil sie griechische oder portugiesische Staatsanleihen abwerten.

13. April 2010

Tatsache ist, dass die Milliarden für Griechenland eine glatte Verletzung der EU-Verträge bedeuten, die eine solche Hilfe zwischen Euro-Ländern verbieten. Tatsache ist, dass alle jene Politiker lügen, die die Kreditvergabe als gutes Geschäft darstellen; denn das wäre es nur, wenn eine seriöse Chance auf volle und pünktliche Rückzahlung bestünde.

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Der Reformer drucken

Freunde schöner neuer Riten
lesen gern dem Papst Leviten –
dumm ist bloß, dann stehen meist
fromme Lämmer da belemmert,
und nach Lammerts Hammer dämmert
ihnen auch grad, was das heißt:

Norbert nämlich will was meinen,
darum hofft er nicht auf einen
– wie er sagt – „Befreiungsschlag“,
und von diesem Papst aus Bayern
halt „schon gar nicht“ – ja so bleiern
drückt der Konkordats-Vertrag!

Ist dem Papst er, dem konkreten,
nicht mal aufs Gewand getreten
einst im Saale, berstend voll?
Klar, was sonst – denn Päpste tragen
selbst in unsern lichten Tagen
keinen Schlips laut Protokoll.

„Wir sind Papst“ war irrig eben,
und drum soll’s den nächsten geben
von weit weg, meint Lammert auch –
Deutsche sind nur da zum Zahlen,
nicht um groß herumzuprahlen,
so ist’s wohlgelittner Brauch!

Übrigens das Paternoster
hat er, gleichsam als Entroster,
umgedichtet lebensfroh
und dabei, wie leicht zu fassen,
die „Versuchung“ weggelassen,
„Schuld“ natürlich sowieso.

Doch die „Erde“ – das stimmt heiter –
gibt’s mitsamt dem „Himmel“ weiter,
und dann im gemischten Chor
klingt das Ganze wirklich prächtig –
einzig eines ist verdächtig:
„Reich“ kommt immer noch drin vor!

Pannonicus

(Bundestagspräsident Norbert Lammert meinte zu Problemen der Kirche, er erwarte keinen „Befreiungsschlag“, „schon gar nicht unter diesem Papst". Der komme höchstens von einem Papst aus der Dritten Welt. Lammert hat auch das Vaterunser neu übersetzt und war Papst Benedikt XVI. bei der Begrüßung im Bundestag auf dessen Gewand getreten.)

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Nachher ist man immer klüger drucken

Grau ist alle Theorie. Das gilt insbesondere, wenn man das Verhalten von Menschen prophezeien will. Dieses lässt sich jedoch nicht so einfach wie eine Maschine steuern, bei der man genau weiß, was passiert, wenn man eine Schraube dreht. Diese menschliche Unberechenbarkeit hat schon viele ideologische und ökonomische Theorien zerstört. Und im letzten Jahrzehnt auch den Euroraum.

Denn natürlich hat man bei der Einführung des Euro vorhergesehen, dass sich die Wirtschaft in einzelnen Ländern und Regionen unterschiedlich entwickeln kann. Das hätte sich aber der Theorie zufolge so wie im Dollar-Raum automatisch ausgleichen sollen. Wenn es in den USA in einem Staat oder einer Stadt kriselt, weil beispielsweise mehrere Firmen bankrott gegangen sind, dann reagieren die Menschen: Sie packen ihre Koffer und ziehen an einen anderen Ort.

Dasselbe hätte in Europa passieren sollen. Ist es aber nicht. Das lässt sich in Zahlen gut zeigen: In den USA sind in einem Jahr 2,8 Prozent der Menschen in einen anderen Staat gewandert. In Europa taten das hingegen nur 0,18 Prozent.

Warum hat hier die Mobilitätsmaschine so total versagt? Das hat mehrere Ursachen, derer man sich aber offenbar erst im Nachhinein bewusst wird. Die größte Mobilitätsbarriere war die Sprache. Diese ist in ganz Amerika gleich, in Europa jedoch fast überall anders. Mit der sprachlichen Homogenität  geht in den USA auch eine kulturelle einher. Sie reicht vom Sport bis zum Fernsehen. All das ist in Europa viel unterschiedlicher.

Dass die Mobilität sofort größer wird, wenn die Sprachbarriere wegfällt, zeigen Deutschland und Österreich.
Aber auch die Wohnkultur ist total anders. In Amerika wechselt man Häuser wie die Autos. Das wird dadurch erleichtert, dass für Immobilienkredite nur Grundstück und Haus haften, nicht jedoch der Besitzer. In Europa werden Häuser oft in lebenslanger – und meist auch noch die nächste Generation einschließender – Perspektive gekauft oder gebaut. Überdies bindet die politische Wohnbauförderung die Menschen fast so fest an ihr Heim wie einst die Leibeigenschaft die Bauern an die Scholle.

Noch wichtiger sind die Kollektivverträge: In Europas Krisenstaaten haben die Gewerkschaften trotz stagnierender Produktivität die Lohnkosten überproportional in die Höhe getrieben. Zusammen mit Kündigungsverboten und der Aufblähung von Beamtenheeren hat man so jeden Anreiz zur Mobilität genommen. Auch jene, die keinen Job mehr bekamen – das sind logischerweise in solchen Systemen vor allem die Jungen –, sind meist sozial so gut gebettet, dass sie selten auswandern. Das taten nur die Osteuropäer und Menschen aus der Dritten Welt,  bei denen es kaum Sozialsysteme gibt.

Jetzt haben die Ökonomen für ihre Lehrbücher gelernt: Wenn solche Faktoren die Mobilität verhindern, muss ein gemeinsamer Wirtschaftsraum kollabieren. Aber nachher sind wir ja immer alle gescheiter.

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Hungaria semper libera – Una et eadem libertas: Petition drucken

Grund- und Freiheitsrechte und das Selbstbestimmungsrecht sind in Ungarn seit mehreren Jahrhunderten unverzichtbarer Teil des Verfassungsbestandes. Die Verletzung dieser Rechte hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zu Aufständen und Revolutionen geführt, welche langfristig für ganz Europa impulsgebend waren.

Zuletzt haben wir im Jahre 1956 der kommunistischen Diktatur und der Pax Sovietica die Maske vom Gesicht gerissen und damit deren Zusammenbruch eingeleitet.

1989 haben wir den eisernen Vorhang in eine damals vielversprechende Freiheit geöffnet.

Wir wurden sehr enttäuscht. In dem proklamierten „Neuen Europäischen Haus“ haben wir bisher nur im Keller einen Platz erhalten; anstelle von Freiheit diktatorischen Zwang; anstelle von Sicherheit beängstigende Zweifel und anstelle von Recht, auf Lügen beruhende Ungerechtigkeiten. Unter dem Vorwand der Bewahrung europäischer Werte werden wir erniedrigt, beleidigt, ausgegrenzt und werden unsere demokratischen Rechte in Frage gestellt. Wieder müssen wir uns wehren. Wir müssen die Maske vom Gesicht der neuen unsichtbaren Diktatur und der Pax Americana herunterreißen, solange es nicht zu spät ist.

Wir wissen, dass dieser Kampf viel schwieriger ist, als es der Kampf gegen Panzer war. Unsere Waffen sind nur das Wort, das Recht und die Europäischen Werte. Er ist deshalb schwierig, weil nicht wir, sondern die Europäische Union an einem demokratischen Defizit leidet. Wir sind der Willkür ausgeliefert, weil die Europäische Union bis heute ihrer übernommenen Verpflichtung nicht nachkommt und noch immer der Europäischen Konvention für Menschenrechte nicht beigetreten ist, sodass ihre Organe vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht belangt werden können.

Nicht wir haben uns von den Europäischen Werten entfernt, sondern das Brüsseler Machtzentrum. Nicht wir leugnen die Demokratie, sondern  es mangelt den Europäischen Institutionen an der demokratischen Legitimität.

Europa ist in einer wirtschaftlichen und politischen Krise und einem moralischen Verfall. So haben wir uns das neue Europa nicht vorgestellt!

Wir müssen ein neues Europa aufbauen. Ein Europa, welches nicht zentralistisch, sondern polyzentrisch aufgebaut ist; ein Europa, welches zu seinen christlichen Wurzeln und Werten zurückkehrt; ein Europa, in welchem nicht die Finanzoligarchie, sondern das Volk und die Nation der Souverän ist. Ein Europa, in welchem der demokratische Wille der Völker respektiert wird.

Ein Europa, in welchem jedes Volk die grundlegenden Freiheitsrechte, in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht genießt, welches im jeweiligen Artikel 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wie folgt definiert ist:

„Kraft dieses Rechtes entscheiden die Völker frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“

Ein Europa in Freiheit und echtem Frieden ist nur auf der Basis von Selbstbestimmung und staatlicher Souveränität denkbar.

Wir sagen Nein zu Zwang und Erpressung! Wir sagen Nein zu Furcht und Angst, die Herausforderungen müssen wir annehmen! Niemals dürfen wir unsere Selbstbestimmung, Selbstdefinition und Selbstachtung aufgeben!

Wir wissen, dass die Mehrheit der europäischen Bürger dasselbe will. Wir wissen, dass die europäische Meinung nicht ident ist mit der unrichtigen veröffentlichten Meinung. Wir rufen jeden Ungarn und jeden Europäer auf, er möge die gegen uns vorgebrachten Lügen und Irreführungen zurückweisen, mutig die Wahrheit aussprechen und fordern und helfen, ein neues, freieres, friedlicheres und glücklicheres Europa auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes der Völker und der Souveränität der Staaten zu errichten.

Gott schütze Ungarn!

http://www.petitionen24.com/selbstbestimmung_und_souverenitat_ungarns

Dr. Eva Maria Barki ist Rechtsanwältin in Wien.

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Los von Rom? drucken

Die Staatsschuldenkrise in der EU zeitigt Folgen anderer Art, die außerhalb ihres Wirkungsgebiets noch kaum wahrgenommen werden. So gewinnt, sozusagen im Schatten, die die Lichtquellen der europäischen Öffentlichkeit werfen, unterm Brenner eine Diskussion darüber an Breite, ob der südliche Landesteil Tirols im Stiefelstaat verbleiben oder seine Zukunft anderswo suchen sollte.

Schon einmal, im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands, war eine ernstzunehmende Debatte darüber in Gang gekommen, ob die Südtiroler – bei Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts – darüber befinden können sollten, ob ihr Land, das als Autonome Provinz Bozen-Südtirol auch nach dem Zweiten Weltkrieg bei Italien verblieb, (vorerst) nach einer Freistaatslösung streben (und später) oder sogleich nach Österreich rückgegliedert werden soll. Und mit den Andreas-Hofer-Feiern 2009, im Gedenken an die Tiroler Volkserhebung 1809, erhielt sie abermals Auftrieb.

Die damaligen Antworten, gegeben von den politischen Kräften, die in Bozen, Innsbruck und Wien das Sagen haben – der römische Standpunkt war, ohne ihn extra zu erfragen, ohnedies klar – lautete: Mit der Erweiterung der EU durch Mitgliedschaft Österreichs (1995) und dem mittels Schengen-Regimes vollzogenen Entfernen der Schlagbäume verliere der Brenner seinen Charakter als „Unrechtsgrenze“. Mit dem Entfall von Grenzkontrollen sowie der grenzüberschreitenden Kooperation, mit gemeinsamen Landtags- sowie Regierungssitzungen und dergleichen mehr wachse wieder zusammen, was einst getrennt worden war.

Die Landeseinheit erwachse daher gleichsam aus dem Prozess ihrer Europäisierung. Und die seit 1945 in Bozen regierende Sammelpartei SVP sah statt in der Ausrufung des – nachgerade in ihrem Parteistatut verankerten – Selbstbestimmungsrechts sowie den Freistaats- und/oder Rückgliederungsgelüsten, wie sie vornehmlich die Opposition propagierte – auch in Innsbruck und Wien – die Zukunft des Landes(teils) in der „Dynamisierung seiner Autonomie“.

Die neue politische Lage

Heute ist die Lage eine andere. Nicht, dass die SVP ihre Haltung verändert hätte. Sie hat aber merklich an Strahlkraft eingebüßt, und ihre Position im Südtiroler Landtag ist seit der Landtagswahl 2008 geschwächt, wo sie nur mehr über 18 von 35 Sitzen verfügt. Mitunter lässt sie sich auf Händel mit italienischen Parteien ein, die ihr früher nicht in den Sinn gekommen wären. Und die geeignet sind, den Oppositionsparteien und deren Begehr weiteren Zulauf zu garantieren.

Der wird von einem noch lange nicht verdauten Skandal im Landesenergieversorger SEL AG  befördert, dessen personelle Verflechtungen mit ihr der SVP schaden. In der Zukunftsfrage plädieren die „deutschen“ Oppositionsparteien – Freiheitliche (fünf Sitze), Süd-Tiroler Freiheit (zwei Sitze) und Union für Südtirol (ein Sitz) – für einen „Freistaat Südtirol“ oder für „Rückkehr zum Vaterland Österreich“; jedenfalls verbindet sie trotz Nuancen in der politischen Betrachtung und gelegentlicher Reibereien zwischen den maßgeblichen Personen das „Los von Rom“.

Verstärkt wird das Begehr trotz des „moderaten“ Mario Monti an der Spitze jener „Expertenregierung“, die nach Jahrzehnten des „Dolce far niente“ mittels eines ambitionierten Sparpakets versucht, den ramponierten Ruf Italiens wieder einigermaßen herzustellen. Sie hebt dabei all die im Rahmen der mühsam erkämpften (Finanz-) Autonomiebestimmungen für Südtirol erwachsenen Vorteile aus den Angeln und führt damit Buchstaben, Geist und Wert des gesamten Autonomiepakets und dessen völkerrechtliche Verankerung ad absurdum.

Hinter die Separations- und Wiederangliederungsgelüste der Oppositionskräfte in (Süd-)Tirol und Österreich stellt sich ein großer Teil der – parteipolitisch neutralen – Schützen, jener traditionsreichen Verbände, die in beiden Landesteilen verankert sind und ihre Heimattreue seit dem Maximilianischen Landlibell von 1511, in welchem die Freiheiten (der Stände) Tirols kodifiziert wurden, mannigfach unter Beweis stellten. Auch unter der Südtiroler Jugend finden derlei Anwandlungen Gehör, und sogar in Verbänden Wirtschaftstreibender wird die Option eines selbstbewussten, eigenständigen „Südtirol außerhalb Italiens“ nicht (mehr) verworfen.

Ganz offen sprechen Handelstreibende, Touristiker, Industrielle und Handwerker darüber, dass sie, je mehr sich die „Krise Italiens auswächst“, ihre unternehmerische Zukunft „anders ausrichten“. Nicht wenige investieren vermehrt in Österreich und Deutschland. Das Ziel, „nicht in den Sog der Krise Italiens“ zu geraten, drückt sich denn auch in einem  Landtagsbeschluss aus, in dem es heißt, man werde sich jeder weiteren finanziellen Belastung und Beschneidung der erworbenen Rechte des Landes Südtirol durch Sparmaßnahmen der italienischen Regierung widersetzen. Für die Opposition ist das aber entschieden zu wenig. Sie verlangt eine Art Befreiungsschlag.

Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler?

Und im Nationalrat zu Wien ließ die FPÖ verlauten, Österreich müsse „Südtirol die Möglichkeit geben, sich dem italienischen Abwärtsstrudel zu entziehen". Eine erste Möglichkeit sei die Gewährung der Staatsbürgerschaft für Südtiroler. In Wien wie in Bozen wird auf das Beispiel Ungarns verwiesen: Budapest verleiht allen ethnischen Ungarn außerhalb des Landes, die sie beantragen und ihr Magyarentum nachweisen, die Staatsbürgerschaft.

Das ist in der EU umstritten, und in Wien haben sowohl das Außen- als auch das Innenministerium Bedenken. Doch in einem Gutachten des Innsbrucker Rechtswissenschaftlers Günther Obwexer und in Stellungnahmen des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts wird die Möglichkeit der entsprechenden Gesetzesanpassung und also Erteilung der Staatsbürgerschaft – für die eine Bürgerinitiative 22 000 Unterschriften sammelte und für die auch die SVP-Führung Sympathie signalisierte – für rechtskonform gehalten. Insofern ist „die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler nur noch eine Frage des politischen Willens", den aber SVP und österreichische Regierung „doch nicht aufzubringen gewillt“ seien, lassen die Oppositionsparteien verlauten.

Unlängst hat die Süd-Tiroler Freiheit zudem in der Gemeinde Ahrntal – sie besteht aus mehreren Ortschaften und hat knapp sechstausend Einwohner – ein „Selbstbestimmungs-Referendum“ organisiert. Dabei sprachen sich 95 Prozent derer, die daran teilnahmen, für die Einforderung und Anwendung des Selbstbestimmungsrechts aus. Bei einer Beteiligung von nur 31 Prozent der Wahlberechtigten kann von Repräsentativität nicht gesprochen werden, zumal sich der Wahlerfolg der Partei Süd-Tiroler Freiheit bei der Kommunalwahl in dieser Gemeinde (2010) prozentual mit diesem Ergebnis nahezu deckt. Woraus hervorgeht, dass offenkundig lediglich ihre Anhänger am Referendum teilnahmen.

Doch so anfechtbar das Ergebnis auch sein mag, es gänzlich zu negieren wäre fahrlässig. Denn den Charakter eines Stimmungsbarometers trägt es. Würden auch die beiden anderen Oppositionsparteien bei einem landesweiten Referendum mitmachen – so es in der EU bei den Staatsschulden zur krisenhaften Zuspitzung mit Folgen für den Euro käme, wobei just im Blick auf Italien letzten Endes wohl nicht so schnell mit einer wirtschafts- und finanzpolitischen Erholung zu rechnen sein dürfte – so geriete auch die SVP unweigerlich in den Sog des Begehrens „Los von Rom“

Sie könnte sich dem Selbstbestimmungsverlangen wohl nicht länger mit der Begründung entziehen, Voraussetzung dafür sei, dass Rom völkerrechtliche Verträge missachte und zu seiner Durchsetzung – nach positivem Ausgang – der Wille und die Kraft Österreichs vonnöten sei, des Vertragspartners Italiens. Beides ist nicht gar so irreal wie es noch scheinen mag. In Österreich dürfte, so die Koalition aus SPÖ und ÖVP weitermacht wie bisher, eine Kanzlerschaft des FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache in Reichweite rücken. Der war unlängst in Südtirol und hat „jedwede Unterstützung für die Selbstbestimmung“ bekundet. Mit der Vertragstreue Roms ist es in Bezug auf Bozen im Rückblick auch nicht gerade zum Besten bestellt gewesen.

Und wenn die SVP in diesem sich verstetigenden politischen Gärungsprozess nicht mehr zu bieten hat als die Proklamation der „Vollautonomie“ – die einer ihrer ganz schlauen Landesräte Rom für ein Linsengericht von 15 Milliarden Euro abzukaufen gedenkt, womit er und seine Parteifreunde zugleich aber eingestehen (müssen), dass es sich im stets gepriesenen „Modell Südtirol“ allenfalls um eine Halb- oder Teilautonomie handelt – so dürfte sie womöglich ein „blaues Wunder“ erleben.

Der Autor ist ein deutsch-österreichischer Journalist und Historiker, der für mehrere Zeitungen schreibt.

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Die Wahlhelferin drucken

Wie rasend schnell die Zeit vergeht:
Fünf Jahre sind’s im Maien,
dass Sarko auf den Hacken steht,
die ihm Statur verleihen!

Dass Carla flaches Schuhwerk trägt,
das hat natürlich bieder
ihr Orthopäde angeregt,
weil’s gut ist für die Glieder.

Indessen gibt es kein Problem
mit Ähndschies Körpermaßen –
drum ist’s mit ihr so angenehm,
platonisch rumzuspaßen.

Dass allerdings vor aller Welt
den Kumpel sie allmählich
trotz Gleichwuchs in den Schatten stellt,
das findet dieser schmählich.

Denn seht, es weiß der gute Mann,
in nächster Zeit sind Wahlen,
und Wählern kommt’s auf Optik an,
für die sie gerne zahlen!

Zur Rettung hat er desperat
’ne Jungfrau jetzt erkoren –
ja so was gibt es in der Tat,
weil früher mal geboren.

Sie steht auf einem Sockel zwar
und ist bereits verstorben,
doch hat den Briten einst sie klar
so manchen Spaß verdorben.

Wie passend folglich als Symbol
ist heut’ die kleine Wilde!
Nur dumm – man hat sie längst frivol
auch weiter rechts am Schilde…

Pannonicus

(Sarkozy „entdeckt“ die Jungfrau von Orléans als Wahlhelferin – auf die sich allerdings schon seit langem der Front National beruft.)

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Der Magyaren „falsche“ Wahl drucken

Der luxemburgische Außenminister Asselborn nennt Ungarn einen „Schandfleck“. Ähnlich andere Sozialdemokraten respektive Sozialisten: Der Deutsche Martin Schulz bezichtigt Ministerpräsident Orbán der „Säuberungspolitik“, der Österreicher Hannes Swoboda bringt, wie Ulrike Lunacek, seine Parlamentskollegin von den Grünen, EU-Vertragsverletzungsverfahren und Stimmrechtsentzug ins Spiel.

Unter Beifall des flämischen Liberalen Guy Verhofstadt sieht der Charlemagne-Grüne Daniel Cohn-Bendit Orbán „auf dem Weg, ein europäischer Chavez zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht". Vergleiche mit der „gelenkten Demokratie“ des Moskowiters Putin oder gar des Autokraten Lukaschenko in Minsk sind wohlfeil.

Unübersehbar ist, dass es die hauptsächlich die links der Mitte angesiedelten politisch korrekten Moral- und Tugendwächter stört, dass in Budapest eine nationalkonservative Regierung im Amt ist. Dass die Magyaren im Frühjahr 2010 Sozialisten und Liberale, die nach acht Jahren Regierungszeit ihren Nachfolgern ein abgewirtschaftetes und vor dem Abgrund stehendes Land hinterließen, nicht einfach nur abwählten, sondern politisch marginalisierten und Orbán mit einer satten Zweidrittelmehrheit im Parlament ausstatteten.

Die er seitdem unbeeindruckt von Kritik nutzt, um das Land von Grund auf umzubauen. Worin ihm – man darf sich von sogenannten Massendemonstrationen nicht den Blick verstellen lassen – die Mehrheit der Bevölkerung (noch immer) folgt, was ihn aber im politisch korrekten Europa verdächtig macht, wo man ihn – im günstigsten Fall – des „Cäsarismus“, „Bonapartismus“ oder „Horthyismus“ zeiht.

Ein Diktator ist Orbán beileibe nicht, sondern – vor allem anderen – ein ungarischer Patriot. Doch mit Vaterlandsliebe eckt man an in der schönen neuen Welt. Schon als junger Mann hat er – damals noch hinterm Eisernen Vorhang – den Abzug der Sowjettruppen aus Ungarn und die Rehabilitation der Revolutionäre von 1956 verlangt. Die Magyaren sind ein freiheitsliebendes, geschichts- und nationalbewusstes Volk. Das haben sie nicht nur damals bewiesen.

Deswegen schätzen sie es auch, wenn sich Orbán „Einmischung jedweder Art“ von außen verbittet. Deshalb folgen sie ihm auch bisher ohne Murren bei allem, was dazu angetan ist, die Effizienz der staatlichen Strukturen und Institutionen sowie des Regierungshandelns zu steigern. Sie haben nichts dagegen, dass in der Präambel der neuen Verfassung die „Heilige Krone“ als Wahrung der historischen Kontinuität der Nation verehrt, sondern auch der „Segen Gottes“ für deren Gedeih erfleht wird; letzteres gilt für alle religiös Indifferenten und jene, die sich „freisinnig“ dünken, geradezu als provokative Regelverletzung.

Dasselbe mag für das Bekenntnis zur einen Nation gelten, im wohlverstandenen Sinne ihrer historischen, sprachlichen und kulturellen Bande über die Grenzen des 1920 um zwei Drittel verkleinerten Territoriums Ungarns hinaus. Unmut erregt auch das Bekenntnis zur Familie, besonders deswegen, weil die neue Verfassung die Gleichstellung der Gemeinschaft aus Mann und Frau mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ausschließt. Auch mit der Festlegung des 22. Juli zum (nunmehr vierten) Nationalfeiertag – im Gedenken an den Sieg eines christlichen Heeres über die Türken 1456 – fordert Orbáns Ungarn den Zeitgeist heraus und entzieht sich der politischen Korrektheit, welcher sich alle bedienen die ständig das Wort vom „Verstoß gegen die europäischen Werte“ führen.

Weshalb bei der Betrachtung des „unbotmäßigen Ungarn“ durchaus eine Parallelität zum Nachbarland Österreich auf der Hand liegt. Denn die ganze Szenerie erinnert an das – letztlich gescheiterte – Vorgehen gegen Wien anno 2000, wobei sich nicht wenige Politiker und Publizisten, die seinerzeit die „besonderen Maßnahmen“ („Sanktionen“) der damals 14 Regierungen gegen die fünfzehnte guthießen, heute dazu versteigen, die angeblich „von Orbán ausgehende Gefahr“ um „ein Vielfaches“ höher zu bewerten als das „Vergehen“ der  „Schüssel-Haider-Koalition“. Vor zwölf Jahren wurde gegen die Entscheidung zur Regierungsbildung in Österreich kampagnisiert, heute trifft es der Ungarn „falsche“ Wahl.

Der Autor ist ein deutsch-österreichischer Journalist und Historiker, der für mehrere Zeitungen schreibt.

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SN-Kontroverse: EU und Ungarn drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll die EU schärfer gegen Ungarn vorgehen?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Wer hütet die Grundwerte Europas?

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Wenn es einen Vorsatz im neuen Jahr auf EU-Ebene gibt, dann sollte er lauten: Wir nehmen uns und unsere selbst gesetzten Regeln endlich einmal ernst. Das gilt für alle Bereiche der Union und nicht nur für die Wirtschaft.

Denn gern wird in Zeiten von Euro- und Finanzindustriekrise vergessen, dass die EU sehr viel mehr ist als eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Mehrung der Kapitalflüsse und zum ungehinderten Austausch von Waren sowie Dienstleistungen aller Art. Es geht auch um die Wahrung bestimmter Werte. Dies gilt spätestens seit Inkrafttreten der Verträge von Nizza (2003) und Lissabon (2009). In Nizza wurde der mittlerweile berühmte Artikel 7 der EU-Verträge eingeführt, der ein geordnetes Sanktionsverfahren gegen Mitgliedsstaaten vorsieht, wenn deren Regierungen Grundwerte der EU verletzen. Der Artikel wurde wegen des „Coup d'etat" geschaffen, der Österreich zu Beginn des 21. Jahrhunderts erschüttert hatte.

Durch den Lissabon-Vertrag haben sich die Länder der Union zu Einhaltung der Grundrechtecharta verpflichtet. Die Charta garantiert in sechs Titeln die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte sowie die wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Unionsbürger. Gleichzeitig enthält sie wesentliche Grundsätze, an die sich der europäische Gesetzgeber zu halten hat. In Ungarn werden derzeit diese europäischen Grundrechte von der Regierung mit Füßen getreten. Meinungs- und Pressefreiheit sind eingeschränkt, Oppositionelle werden mundtot gemacht und selbst die ungarische Nationalbank wurde an die Regierungskandare genommen. Was soll noch alles geschehen, damit die Union gegen die derzeitigen Machthaber in Budapest ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet? Oder anders gefragt: Worauf wartet die „Hüterin der Verträge" noch, um ihre Lethargie zu überwinden?

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Österreich und Ungarn: ein Vergleich

Andreas Unterberger

Da hat wieder ein Land gewagt, falsch zu wählen und die Sozialisten auf Minigröße zu dezimieren. Europas Rote und Grüne zeigen den Ungarn deshalb, was sie schon 2000 den Österreichern gezeigt haben: Sie sind perfekt im Denunzieren; wenn ihnen sonst nichts einfällt, jagen sie halt wieder Faschisten.

Das heißt nun nicht, dass Ungarn nicht zu tadeln wäre. Es hat eine katastrophale Wirtschafts- und Finanzpolitik. Begonnen wurde die Katastrophe unter den Sozialisten, die hemmungslos Schulden machten, die den Beamten über Nacht 50 Prozent mehr zahlten. Und der Konservative Orban spart ebenfalls nicht; er räumt stattdessen die privaten Pensionsversicherungen aus, belegt die Banken mit einer heftigen Steuer und anderen teuren Schikanen und wundert sich dann, dass sie nicht mehr in Ungarn investieren. Nur: Die „Abkehr von der Demokratie" ist eine Propagandalüge. Alle Vorwürfe treffen auf Österreich genauso zu. Nicht nur in Hinblick auf Bankensteuer & Co. 

Aber Orban besetzt doch fast die ganze Nationalbank neu! Und wer besetzt in Österreich alle Jobs in der gerade erst (!) total verstaatlichten Nationalbank; und war nicht Ewald Nowotny immer ein braver Parteisoldat? Ungarn verletzt wahrscheinlich EU-Recht! Und wie oft wurde das bei Österreich und allen anderen schon festgestellt? Orban besetzt den öffentlichen Rundfunk mit seinen Leuten! Muss man die Zustände im ORF und die Bestechung etlicher Wiener Zeitungen mit Staatsgeldern noch näher erläutern? Orban besetzt den Verfassungsgerichtshof und den Rundfunkrat! Und wer im Wiener VfGH hat kein rotes oder schwarzes Ticket; kam nicht ein Höchstrichter sogar direkt aus dem Faymann-Büro auf die Richterbank?

Der einzige Unterschied: Orban hat 68 Prozent der Stimmen bekommen, Faymann hingegen nur 29 Prozent (und die Koalition 55). Aber Faymann ist rot und da ist ja alles automatisch superfein demokratisch.

 

 

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Europas Sparefrohs drucken

Fast täglich erreichen uns Fernsehbilder aus Europas meistverschuldeten Staaten, in denen uns immer dieselbe Botschaft vermittelt wird: Die Regierungen und die Menschen sparen bis an den Rand der Verzweiflung.

Vor allem Griechen und Italiener verbreiten diese Botschaft in regelmäßigen Demonstrationen. Diese sollen unseren offenbar naiven Glauben zerstreuen, dass angesichts schwerer Schulden ein „Zehn Prozent weniger von allem“ doch möglich sein müsse. Blickt man jedoch hinter die Oberfläche dieser Fernsehbilder, stößt man plötzlich auf ein ganz anderes Bild.

Italiens arme Abgeordnete

Da revoltieren etwa die italienischen Abgeordneten ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt gegen die Ansinnen der Sparregierung Mario Montis, da das Sparen sie selber treffen soll. Sie drechseln die skurrilsten Argumente, warum das bei ihren eigenen Bezügen absolut unmöglich sei. Ein Abgeordneter verkündete sogar, dass er und seine Kollegen ja auch viel mehr arbeiten würden als ausländische Parlamentarier. Ein anderer behauptete, der Steuerdruck sei in Italien höher als im Ausland. Der Mann sollte einmal nach Österreich eingeladen werden.

Die Argumente klingen alle so, wie wenn die Abgeordneten bei irgendwelchen Gewerkschaftsbossen in die Schule gegangen wären und dort einen Crash-Kurs in „Hundert Wege, Nein zu sagen“ absolviert hätten.

Dabei sind die Privilegien der italienischen Volksvertreter gigantisch. Sie verdienen mehr als die Angehörigen jedes anderen Parlaments. Mit rund 16.000 Euro monatlich bekommen sie ziemlich genau doppelt so viel wie die österreichischen Abgeordneten (VOR der hohen österreichischen Einkommensteuer). Von den armen Osteuropäern gar nicht zu reden.

Italiens politische Klasse hat Zehntausende Dienstwagen. Die Volksvertreter konnten bis vor kurzem zu Billigstpreisen in exquisiten Parlamentsrestaurants speisen (das wenigstens wurde inzwischen abgedreht). Die Abgeordneten haben auch ein üppiges Pensionssystem, das sie bisher schon mit 50 Jahren in Anspruch nehmen konnten (in Österreich hingegen ist schon vor etlichen Jahren das privilegierte Politikerpensions-Schema ausgelaufen).

Italien hat zwei nationale Parlamentskammern, die insgesamt 955 Abgeordnete haben – mehr als jedes andere irgendwie vergleichbare Parlament. Italien hat neben diesen zwei Kammern und den EU-Abgeordneten aber auch noch auf drei weiteren Stufen gewählte Volksvertreter: Regionen, Provinzen, Gemeinden. Das ist also noch eine Stufe mehr als in Österreich. Dabei meinen schon in Österreich viele mit guten Argumenten, dass das Land seit dem EU-Beitritt mindestens eine Verwaltungs- und Gesetzgebungs-Ebene zuviel hat.

Ein Abgeordneter namens Mario Pepe sagte sogar: „Wir sind Opfer einer Racheaktion. Man will uns für die Schuldenkrise bestrafen.“ In der Tat: Warum eigentlich nicht? Denn niemand anderer als die Gesetzgeber trägt ja die letzte Verantwortung dafür, dass ein Staat alljährlich mehr ausgibt, als er einnimmt. Ein Verhalten, bei dem immer klar war, dass es irgendwann zum Zusammenbruch führen muss.

Eine signifikante Kürzung von Abgeordnetenbezügen bei Defiziten wäre daher durchaus legitim und logisch. Sie entspricht dem praktizierten Prinzip Verantwortung. Die politische Verantwortung kann ja nicht darin bestehen, dass Abgeordnete für die regelmäßige Bestechung von Wählern durch ungedeckte Schecks noch belohnt werden.

Will Griechenland Krieg führen?

Was den Italienern die Politikerprivilegien, sind den Griechen die Armeeausgaben. An diesen sind nämlich die Sparbeschlüsse bisher fast spurlos vorbeigelaufen. So hat Athen zwar einige Neuanschaffungen von Waffen hinausgeschoben – die gewaltige Zahl von 130.000 aktiven Soldaten bleibt jedoch unverändert. Der Vergleich zu Österreich: Hier hat das Heer noch 35.000 Mann, es ist aber ein weiterer Abbau geplant, und die Wiener Regierung sucht schon heftig nach Möglichkeiten, pragmatisierte Soldaten in andere Dienststellen zu transferieren. Griechenland hat elf Millionen Einwohner, Österreich acht. Griechenland gibt unverändert fast drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Streitkräfte aus – in Österreich sind das 0,7 Prozent.

Dieses Militärbudget kann vom Ausland nur noch als Provokation aufgefasst werden. Denn während in Griechenland viele Bezüge sehr wohl spürbar gekürzt werden, tut das Land so, als ob ein Krieg unmittelbar bevorstünde.

Die griechische Armee war wegen des Antagonismus gegenüber der Türkei traditionell immer stark aufgebläht. Die Luft- und Seegrenze in der Ägäis war ein regelmäßiger Zankapfel – obwohl beide Länder Nato-Mitglieder sind. Und natürlich spielt auch die Geschichte mit: Die Griechen konnten sich erst im 19. Jahrhundert nach Jahrhunderten der Unterdrückung aus dem Osmanischen Imperium befreien. Im Gegenzug wurden nach dem ersten Weltkrieg viele Griechen aus dem einst rein griechischen Kleinasien vertrieben. Die Türkei hat in den letzten Jahrzehnten auf ihre Rechte in der zur Gänze von griechischen Inseln umgebenen Ägäis gepocht. Und auch die türkischen Nadelstiche gegen das Oberhaupt der orthodoxen Welt in Istanbul waren immer wieder provokativ.

Seit etlichen Jahren aber gibt es eindeutig eine Entspannung in diesem Verhältnis. Die Türkei hat vor allem im Osten in den Kurdengebieten Sicherheitsprobleme, sie überquert deshalb auch fast regelmäßig die Grenze in den Irak, um dort Kurden-Stellungen auszuheben. Bei allem, was man der Regierung Erdogan auch Kritisches nachsagen mag: Interesse an Zündeleien entlang seiner Westgrenze zeigt die Türkei derzeit sicher keine.

Daher könnte Athen zweifellos ohne Gefährdung zurückschrauben. Und daher ist es ein Skandal, eine so hochgerüstete Armee zu unterhalten, wenn das Ausland gleichzeitig Hunderte Milliarden Euro für Griechenland zahlen muss, was auch dem ganzen Euroraum schwer schadet.

Auffällig ist freilich auch, wie wenig Druck Deutschland – und der Rest Europas – in Sachen griechisches Heeresbudget macht. Hängt das vielleicht gar damit zusammen, dass Griechenland einer der drei größten Abnehmer deutscher Waffenprodukte ist?

Die Griechen selbst konstruieren neben der Türkei eine andere Erklärung für die Notwendigkeit einer so intensiven Rüstung: Sie müssten die Grenze gegen die Flut illegaler Immigranten sichern. Griechenland ist in der Tat zum Einfallstor Nummer eins für Möchtegern-Asylwerber aus Asien und Afrika geworden. Und es weiß, dass es mit diesem Hinweis bei den Miteuropäern Sympathie auslöst. Die Größe des griechischen Heeres kann damit aber in Wahrheit natürlich nicht gerechtfertigt werden.

Das gewaltige Militärbudget ist vielmehr ein Beweis, dass den Griechen weiterhin die Bereitschaft zu einem grundsätzlichen Umdenken, zu einem radikalen Hinterfragen jedes einzelnen Ausgabepostens abgeht.

Die andere Erklärungsmöglichkeit für die ungeniert anhaltende Hochrüstung wollen wir ja hoffentlich gleich wieder vergessen: nämlich, dass Griechenland ernsthaft an einen Einsatz seiner Armee denkt. Es gibt freilich viele historische Beispiele bedrängter Politiker in schweren Krisen, die geglaubt haben, in der kriegerischen Flucht nach vorne einen Ausweg zu finden.

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Das Unjubiläum drucken

In der Tat, er hilft beim Sparen,
wie jetzt plötzlich nach zehn Jahren
uns der Euro offenbart,
denn statt lang herumzueiern
hat man Jubiläumsfeiern
schlicht und einfach eingespart!

Sparen heißt ja die Devise,
und ob gut, ob schlecht bei Krise,
ist im Grunde ganz egal,
wichtig bloß bei solch Beschlüssen
ist, dass andre sparen müssen –
und falls wir, erst später mal.

Nicht gespart wird allerorten
mit pathetisch frommen Worten,
und so war’s von Anfang an:
Friede, Freude, Eierkuchen
gäb’s dank Euro zu verbuchen –
irgendwann für jedermann.

Starter-Kits hat’s gar gegeben,
wie für Hobby-Bastler eben,
doch es haben unbemerkt
selbst nur Pfuscher – oder eher
hemmungslose Pharisäer
an dem Gaunerstück gewerkt.

Heute lässt ihr ernstes Mahnen
fast den Nachruf schon erahnen –
längst verblasst ist schöner Schein
schöner Münzen, schöner Scheine,
allerdings vom reinen Weine
schenkt uns trotzdem keiner ein!

Tja, die D-Mark hatte Neider
und zur E-Mark durfte leider
nie sie werden, wie man weiß –
fort sind Schilling auch und Gulden,
und zum Ausgleich gibt’s mehr Schulden,
denn der Spaß hat seinen Preis…

Pannonicus

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Ein historischer Paradigmenwechsel drucken

Die medialen Rückblicke auf das abgelaufene Jahr haben uns mit einer Fülle von interessanten wie überflüssigen Daten überhäuft. Das aber, was wahrscheinlich einst als weitaus Wichtigstes an den vergangenen Monaten in die Geschichtsbücher eingehen wird, ist nirgendwo herausgearbeitet worden. Es ist ein absolut historischer Paradigmenwechsel, der zwar nicht mit einem bestimmten Tag zu verknüpfen ist, der aber 2011 seinen Kulminationspunkt erreicht hat.

Er besteht in einer zentralen Erkenntnis, die sich wie ein Lauffeuer verbreitet hat: Der Wohlfahrtsstaat funktioniert nicht mehr. Er hat sich wie die Brot-und-Spiele-Politik der römischen Cäsaren als nicht nachhaltig aufrechterhaltbares Pyramidenspiel entpuppt, das im alten Rom ebenso wie im Nach-Weltkriegs-Europa nur noch zum befristeten Machterhalt einer ausgelaugten politischen Klasse gedient hat. Das aber irgendwann zusammenbrechen musste.

Denn parallel mit dem wirtschaftlichen Kollaps schwirren ja auch noch andere, aus der Geschichte ebenfalls gute bekannte Todesengel über Europa, die letztlich nur andere Ausformungen der Wohlfahrtsillusion sind. Der eine trägt die Botschaft: „Europa ist nicht mehr imstande, sich selbst zu verteidigen“. Es wechselt fast überall von der Wehrpflicht zu einem Söldnersystem.Dabei müssen aber heute schon etliche europäische Länder verzweifelt im Ausland nach potenziellen Soldaten suchen. Aber alle historischen Exempel beweisen: Völker, die nicht mehr die Kraft zur Selbstverteidigung haben, gehen unter; ausländische Söldner kassieren zwar gerne, sterben aber nur sehr ungern für fremde Menschen.

Eine zu Recht entsorgte Kultur

Der andere Todesengel, der am Grab des Wohlfahrtsstaates lauert, verkündet: „Europa stirbt durch einen Geburtenstreik aus.“ Diesen Streik kann man seit 40 Jahren an den viel zu geringen Geburtenzahlen ablesen. Eine Generation, die nur noch zum selbstsüchtigen Genuss ohne die Last der Kinderaufzucht imstande ist, geht ohne Nachfahren rasch zugrunde. Sie wird lieblos entsorgt werden. Die Geschichtsbücher werden dazu nur sagen: Zu Recht.

Natürlich gibt es noch Menschen, die noch eine Zeitlang an der Wohlfahrtsillusion festhalten wollen. Dies tun vor allem jene Politiker und insbesondere Gewerkschaftsfunktionäre, die dieser Illusion die eigene Machtstellung verdanken. Etliche von ihnen suchen noch immer nach Tricks, mit denen die Wohlfahrts-Mühle noch weiter angetrieben werden kann. Sie tun das in jedem europäischen Land mit unterschiedlichem, aber generell zwangsläufig abnehmendem Erfolg.

Der Kern der Illusion hat in dem Glauben an die Überlebensfähigkeit einer Gesellschaft bestanden, die immer mehr Menschen immer mehr Wohltaten ohne Gegenleistung zukommen lässt: immer längere und immer sinnlosere Gratisstudien und Scheinausbildungen; immer kürzeres Arbeiten; immer mehr Förderungen zur Bedeckung aller möglichen, oft künstlich geschaffenen Ansprüche und Bedürfnisse; immer bessere Gesundheitsversorgung; immer längere Rentenbezüge; immer mehr Möglichkeiten, auch schon vor dem Rentenalter auf Kosten anderer zu leben.

Wer aber sind diese anderen? In den ersten Nachkriegsjahren hatte der Antrieb der Wohlstandsmühle durch das hohe Wachstum des Wiederaufbaus funktioniert. Später war es hilfreich, dass als Spätfolge des Krieges und des Babybooms relativ wenige Pensionisten zu versorgen waren. Dann hat das System durch immer höhere Besteuerung funktioniert.

Doch auch diese ist längst an eine Grenze angekommen. Die allermeisten Steuererhöhungen bringen nur noch ein Minus in die öffentlichen Kassen. Jüngstes und besonders anschauliches Musterbeispiel ist die österreichische Kursgewinnsteuer, welche die Umsätze an der Wiener Börse dramatisch einbrechen hat lassen. Das hat Kapital und Kapitalsucher natürlich prompt ins Ausland vertrieben. Das hat natürlich dem gesamten österreichischen Steueraufkommen schwer und dauerhaft geschadet.

Der Gutmenschtrick

Dasselbe lässt sich auch bei fast jeder anderen Steuerform auch für fast jedes andere Land durchdeklinieren.

Das gilt besonders bei jeder Form einer Reichensteuer. Denn die Reichen sind ja meist an ihrem Geld interessiert (wer einem Buffet, einem Soros oder einem Haselsteiner glaubt, dass diese nicht an ihrem Geld interessiert wären, ist einem besonders simplen Schmäh, dem sogenannten Gutmenschtrick, ihrer PR-Berater zum Opfer gefallen). Die Reichen sind aber auch meist durchaus intelligent (sonst wären ja nur die wenigsten von ihnen reich geworden) und finden am schnellsten Wege, ihren Reichtum so zu verlagern – meist in andere Länder –, dass ihn die gierigen Steuereinheber nicht erwischen können.

Daher ließ sich in den letzten Jahren die auf historischem Rekordniveau befindliche Abgabenquote in kaum einem europäischen Land mehr erhöhen. Da blieb der Politik nur noch ein Ausweg: Die sich immer schneller drehende Wohlfahrtsmühle auf Schulden zu finanzieren. Das ging etliche Zeit gut. Es gab sogar einige sogenannte, schwer ideologisierte Wirtschaftsforscher, die ein Loblied auf die Schuldenwirtschaft sangen.

2011 aber sind die Geldverleiher endlich zur späten Erkenntnis gekommen, dass die sich immer verschuldenden Staaten wahrscheinlich ihre Kredite nicht zurückzahlen können. Und sie drehten folgerichtig den Geldhahn für die meisten europäischen Staaten zu. Sie taten dies vor allem ab jenem Zeitpunkt im globalen Gleichschritt, als die EU plötzlich dekretierte, dass eines ihrer Mitgliedsländer seine Anleihen privaten Anlegern nur noch zur Hälfte zurückzahlen müsse.

Die Goldmünzen aus Blech

Damit scheint die Wohlfahrtsillusion endgültig ausgedient zu haben. Oder doch nicht? Die Politik zauberte in diesem Augenblick genau jenen Trick hervor, den schon fast alle historischen Fürsten, Könige und Kaiser knapp vor dem Zusammenbruch praktiziert haben. Historisch wurde der Edelmetallgehalt der Münzen immer mehr ausgedünnt, also das Geld immer weniger wert. Das bedeutet in der Gegenwart den Beschluss, unbegrenzt Geld zu drucken. Was ebenfalls zwangsläufig zur Geldentwertung führt. Die amerikanische Notenbank beschloss dies einige Monate früher, die Europäische Zentralbank ganz am Ende des Jahres.

Die EZB tut dies dadurch, dass sich alle europäischen Banken bei ihr praktisch unbegrenzt und praktisch unentgeltlich ohne ausreichende Pfänder langfristig Geld ausleihen konnten.

Der technische Weg des Gelddruckens ist aber ohnedies fast gleichgültig. Was viel entscheidender ist: Die Notenbanker haben damit jedenfalls die Illusion ihrer Unabhängigkeit, ihrer Orientierung am Geldwert zerstört. Sie sind schwächliche Erfüllungsgehilfen verzweifelter und daher zum letzten entschlossener Politiker.

Das Gelddrucken der EZB – die bezeichnenderweise unter einem italienischen(!) Chef steht – hat natürlich zu Jahresende noch einmal eine belebende Wirkung gehabt. So wie es davor bei der amerikanischen Fed der Fall war. Ähnlich werden ja auch Rauschgiftsüchtige noch einmal glücklich, wenn mitten in die Qualen einer Entziehung doch noch eine Lieferung des Giftes platzt. Sogar Italien konnte in dieser mit Geld überschwemmten Banklandschaft in der letzten Jahreswoche seine abgereiften Anleihen wieder refinanzieren.

Das ändert natürlich nichts mehr an der weiteren Entwicklung. Denn die Menschen, die Wirtschaft und vor allem das Ausland werden sehr rasch merken, dass Euro wie Dollar eine beliebig vermehrbare Masse geworden sind. Ein solches Geld spart man nicht, sondern will es schnellstmöglich wieder loswerden. Von Spielzeugwährungen wie dem ungarischen Forint gar nicht zu reden. Das muss zwangsläufig zu einem weiteren Anstieg der Inflation führen. Dieser Anstieg wird sich nicht mehr in der bisherigen Dimension von dem einen oder anderen Zehntelprozent pro Monat bewegen.

Jeder konsumiert noch rasch und dann eilt der Tod herbei

Eine rapide steigende Inflation führt zwangsläufig zu einem Schwinden aller Ersparnisse, zu weiterer Kapitalflucht und damit zu einem nicht mehr abwendbaren Crash. Jeder konsumiert rasch noch einmal, niemand investiert mehr.

Seit 2011 sagen das nicht mehr nur ein paar neoliberale Skeptiker. Die Erkenntnis ist Allgemeingut der Bürger geworden. Womit wir wieder beim Beginn dieser Überlegungen sind: Die Bürger sind empört über das Zusammenbrechen der ihnen jahrzehntelang von praktisch allen Parteien gegebenen Wohlfahrtsversprechen und Sicherheitsgarantien. Sie sind aber auch zornig auf sich selbst, weil sie diese Lüge einer ewig gefüllten Wundertüte geglaubt haben.

Werden die Bürger nun Fünf nach Zwölf auch die schmerzhaften Konsequenzen eines Scheitern des Wohlfahrtsstaates hinnehmen? Oder werden sie sich in irgendwelche radikalen, aber perspektivenlosen Abenteuer stürzen? Werden sie noch einmal den Politikern mit ihren verlogenen Sündenbockkonstruktionen glauben, dass die Banken, die Reichen, die Spekulanten, die Juden, die Unternehmer und wer sonst immer schuld seien? Wird es auch in anderen Ländern mutige Politiker wie Mario Monti geben, die dort vielleicht sogar schon Fünf vor Zwölf den Wohlfahrtsstaat beerdigen und den Staat retten?

Die Hoffnung ist klein, aber sie stirbt zuletzt.

 

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Lasst die Gedanken frei – und scheinen sie euch auch böse drucken

Kein Zweifel: Die Türken haben an den Armeniern am Rande des Ersten Weltkriegs einen Völkermord begangen. Das ist nicht nur durch Franz Werfels großes Werk bewiesen. Ebensowenig Zweifel gibt es aber auch an einer zweiten Erkenntnis: Die von Frankreich jetzt eingeführte strenge Bestrafung der Leugnung dieses Genozids ist ein ziemlicher Schwachsinn.

Diese Diagnose hängt überhaupt nicht mit den wilden Reaktionen des türkischen Machthabers Erdogan zusammen. Diese Reaktionen wecken im Gegenteil eher Sympathien für Frankreich. Diese Diagnose hängt auch nicht damit zusammen, dass durch das französische Gesetz den türkischen Ambitionen, der EU beizutreten, das bisher wirksamste Stopplicht entgegengesetzt worden ist (obwohl es dabei gar nicht um den Beitritt geht). Eine türkische EU-Mitgliedschaft ist zwar abzulehnen, weil sie aus vielerlei Gründen den Untergang der Union bedeuten würde. Aber diese Ablehnung sollte man bitte mit ehrlichen Begründungen und nicht über die Völkermord-Bande kommunizieren.

Schon gewichtiger bei der Kritik am französischen Beschluss, die Leugnung eines Völkermords mit Strafe zu belegen, ist dessen Hauptmotiv: Es geht nämlich im Wahrheit nur um die Stimmen der relativ großen armenischen Gemeinde bei der nächsten Präsidentenwahl. Türkische Zuwanderer hingegen spielen in Frankreich eine zahlenmäßig sehr geringe Rolle (wirklich gewichtig sind dort unter den Zuwanderern die Araber). Aber jedenfalls ist es von Übel, wenn solche wahltaktischen Motivationen einen Beschluss über ein neues Strafgesetz beeinflussen, das noch dazu Grundrechte beschneidet.

Aber am allermeisten stört, dass sich – ausgerechnet – Frankreich mit diesem Gesetz weit von der Aufklärung und ihren liberalen Grundsätzen verabschiedet. Von Voltaire und von vielen anderen vor allem französischen (und englischen) Geistern wurde einst das entscheidende Fundament gelegt, auf dem sich Vernunft und Wahrheit gegen die Regeln der Macht durchsetzen konnten. Diese Durchsetzung kann immer nur durch Überzeugung und Beweise geschehen und nie durch Zwang oder Anordnung, die ja in den Jahrtausenden davor immer der Wahrheit den Weg versperrt haben.

Es ist daher für ganz Europa bedrückend, wenn sich ausgerechnet im Mutterland der Aufklärung nun die Antiaufklärung so dramatisch durchsetzt.

Zurück zum Faktum Völkermord. Auch wenn niemand genau definieren kann, was Völkermord eigentlich ist, ab welcher Zahl Getöteter dieser Ausdruck legitim ist, so hat es doch zweifellos viele solcher Genozide gegeben. Nicht nur an den europäischen Juden durch Hitler-Deutschland. Nicht nur an den Armeniern durch die Türken (die im ersten Weltkrieg übrigens mit Österreich verbündet waren, das angesichts der auf dem Weg über Österreich bekanntgewordenen Massaker sehr verzweifelt, aber letztlich zum Ignorieren verurteilt war).

Ist aber nicht auch die weitgehende Auslöschung der indigenen Einwohner Amerikas durch die einwandernden Weißen ein solcher Völkermord gewesen? Waren das nicht auch die millionenfachen Morde der Sowjetunion an Ukrainern, Tataren und anderen Völkern? War das nicht auch das Gemetzel der Roten Khmer unter den Kambodschanern? Was haben eigentlich im Dreißigjährigen Krieg die Schweden in Mitteleuropa getan? Was taten die Normannen im Mittelalter? Die arabischen Sklavenjäger in Südeuropa? Die europäischen in Westafrika?

Die Geschichtsbücher sind voll solcher Greueltaten. Manche schriftlosen Völker wurden sogar ausgelöscht, ohne wenigstens eine Erinnerung hinterlassen zu können.

Ein aufgeklärter liberaler Rechtsstaat muss sich diesen Taten stellen, wo auch immer er damit konfrontiert wird. Durch Bestrafung von Tätern, wo solche noch am Leben sind. Durch offene wissenschaftliche Aufarbeitung. Durch scharfe verbale und intellektuelle Auseinandersetzung mit jenen Menschen, die jene Fakten leugnen oder beschönigen oder gar rechtfertigen.

Wer hingegen diese Auseinandersetzung durch Denkgebote und -Verbote ersetzen will, der trägt nur zur Entstehung  von Mythen bei, der macht aus Tätern Märtyrer. Wer glaubt, sich einem Dummkopf oder Fanatiker nur mit Hilfe des Strafrichters stellen zu können, ist feig und faul. Was Dummkopf und Fanatiker natürlich sofort in eine moralisch überlegene Position bringt, wo sie sicher nicht hingehören.

Wenn nun das Leugnen von Völkermord unter Strafe gesetzt wird, welche vermeintlichen oder wirklichen Wahrheiten werden als nächster Schritt unter strafrechtlichen Schutz gestellt? Etwa die Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit ständig steigender Staatsschulden? Etwa die Zweifel an der Sinnhaftigkeit der derzeit politisch beschlossenen Klimatheorien? Etwa Kritik an der Gesamtschule? Etwa Kritik an der Massenzuwanderung?

Frankreich ist jedenfalls kein Einzelfall. Europaweit reduziert der Durchgriff der Politik, reduzieren Wahlkampfinteressen genauso wie die dumpfe Political Correctness immer mehr die Meinungsfreiheit, deren Kern Voltaire am besten ausgedrückt hat: „Ich lehne zutiefst ab, was sie sagen. Aber ich werde immer alles tun, damit sie es sagen können.“

Was besonders bedrückt: In Zeiten wirtschaftlicher Nöte und Engen geht es der Meinungsfreiheit meist noch verstärkt an den Kragen. Daher sollte man fast ignorieren, was uns die Wirtschaftsforscher fürs kommende Jahr alles an Grauslichkeiten prognostizieren . . .

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Fußnote 248: ein Streikgraben geht durch Europa drucken

Auch in Belgien wird gestreikt. Daran kann man ablesen, dass auch in dem seit Jahrzehnten im Spitzenfeld der Schuldnerrangliste liegenden Land erstmals gespart wird.

Das ist jedenfalls positiv, aber derzeit nichts wirklich Außergewöhnliches. Kein Mensch wird besonders Mitgefühl mit den Protesten gegen die Erhöhung des sogenannten belgischen „Vorruhestands“ von 60 auf 62 Lebensjahre haben. Weiß doch jeder zum Rechnen fähige Europäer, dass das sicher nicht die letzte Etappe in diese Richtung sein kann. Viel interessanter ist aber die unterschiedliche Befolgung des Streiks: Im französischsprachigen Wallonien waren kaum fünf Prozent der Züge unterwegs, im flämisch sprechenden Teil des Landes fuhren hingegen alle. Deutlicher kann man den tiefen kulturellen Graben gar nicht zeigen, der quer durchs Land, aber auch den Kontinent geht. Deutlicher kann man gar nicht anschaulich machen, warum der romanische Süden wirtschaftlich immer weiter zurückfällt, während die nördlichen Völker immer stärker davonziehen. Vereinfacht auf den Punkt gebracht: Im Süden glaubt man seine Lage durch Streiks verbessern zu können, im Norden durch Arbeit. Das spielt sich in Europa in gleicher Weise ab wie in Belgien: Das rohstoffreiche Wallonien war einst der reiche Teil des mehrsprachigen Landes, in den letzten Jahrzehnten ist es gegenüber den früher stark bäuerlich geprägten (aber auch seit langem sehr handelsorientierten) Flamen immer stärker zurückgefallen. Das haben nur die meisten Ausländer lange nicht so mitgekriegt, weil sie meist nur französisch, aber fast nie flämisch verstehen. Sie bekommen das Problem erst mit, seit die Flamen immer stärker nach der Teilung des Landes rufen. Was nicht ganz unverständlich ist, wie das Beispiel zeigt.

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Die Faschingsunion drucken

Was ist die geplante europäische Fiskalunion, was sind die nationalen Schuldenbremsen wirklich wert? Diese zentralen Fragen dieses Winters sind hinter den vordergründigen Aufregungen um die britische EU-Abstinenz beziehungsweise um das österreichische Ringen Koalition-Opposition bisher völlig untergegangen. Die Antworten, die man dazu derzeit geben kann, sind freilich mehr als ernüchternd.

Denn in Wahrheit geht es bei diesen Aktionen weiterhin primär darum, eine leider anhaltend hässliche Braut mit viel (bürokratischem) Brimborium auf schön zu schminken. Die Freier, die man damit gewinnen will, sind die internationalen Geldverleiher. Diese wollen ja derzeit von der europäischen Braut angesichts allzu vieler bekannter Fälle offensichtlicher Untreue und Betrügereien nichts mehr wissen. Von diesen Selbstbeschädigungen soll nun das Brimborium der geplanten Fiskalunion ablenken.

Worin besteht diese aber genau?

Erstens in Selbstverpflichtungen der Staaten, die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Diese setzen zwei Obergrenzen fest: maximal 3 Prozent jährliches Defizit und maximal 60 Prozent Staatsverschuldung insgesamt, jeweils gemessen am Jahres BIP, also an der Summe des von einer Nationalökonomie in einem Jahr Erwirtschafteten. Doch halt! Hat man nicht genau die Beachtung dieser zwei Limits schon einmal versprochen, nämlich im Februar 1992 in Maastricht? Dieses Datum liegt pikanterweise fast auf den Tag genau 20 Jahre vor der nunmehr geplanten Brimborium-Selbstverpflichtung. Diese wird daher wohl von den meisten Geldgebern wohl nur unter einer Devise gelesen werden: Wer einmal lügt, dem glauben die bösen Märkte leider nicht mehr.

Zweitens wird es ein Defizit-Verfahren der Kommission geben. Diese kann den EU-Mitgliedsstaaten finanzielle Sanktionen gegen einen Staat vorschlagen, der die genannten Kriterien verletzt. Doch halt! So ein Defizitverfahren der Kommission hat es ja auch schon bisher gegeben. Auf dem Papier. Denn in der Vergangenheit wie in der Zukunft sind Geldstrafen gegen einen exzessiven Schuldner absolut schwachsinnig. Einem Land, das hinten und vorne zuwenig Geld hat, als Strafe noch einmal Geld abzuknöpfen: Die Perversion einer solchen Armensteuer muss man sich erst einfallen lassen. Mit so einer Strafe löst man ja kein Problem, sondern verschärft es logischerweise nur! Deswegen hat man ja auch schon in der Vergangenheit nie die schon bisher theoretisch möglichen Strafen verhängt, obwohl der Maastricht-Vertrag rund 60 Mal gebrochen worden ist.

An dieser Nicht-Verhängung von Strafen wird auch der als großer Erfolg bejubelte Umstand nichts ändern, dass es künftig für eine Ablehnung eines solchen Kommissions-Vorschlags einer Zweidrittel-Mehrheit bedarf. In Wahrheit gilt: Weder wird die Kommission solche Strafen vorschlagen, noch wird auch nur ein Land für die Bestrafung eines anderen stimmen. Die Strafen bewirken nichts, und sie stellen das verschuldete Land noch schlechter. Außerdem gilt: Man könnte ja selbst einmal in die gleiche Lage kommen, und man hat ja überall befreundete Schwesterparteien.

Drittens soll – nach dem derzeitigen Vorschlag – jedes Land den Europäischen Gerichtshof anrufen können, wenn ein Land die Schuldenbremse nicht einhält. Doch halt! Auch dieser EuGH hat keine Möglichkeiten, Sparsamkeit durchzusetzen. Er kann insbesondere nicht teure Wohlfahrts-Gesetze der einzelnen Staaten aufzuheben, die das Defizit verursachen.

Viertens ist die Rede von einer alljährlichen Vorlage der nationalen Budgetentwürfe an die EU-Kommission. Doch halt! Das heißt an sich noch gar nichts. Denn die Kommission hat ja kein Vetorecht gegen die Budgets, oder gegen finanziell wirksame Beschlüsse der nationalen Parlamente.

Fünftens soll es regelmäßige Euro-Gipfel geben (gähn); weiters ist im Entwurf die Rede von einer verstärkten Zusammenarbeit einiger Staaten (gähn) sowie natürlich auch von diversen Arbeitsgruppen (gähn). Und was es an derlei diplomatischen Redeübungen sonst noch gibt. Das soll die internationalen Geldgeber jetzt beeindrucken? Da glaubt jemand ernsthaft, dass sich diese nun in langen Schlangen anstellen werden, um den Euro-Ländern künftig wieder Kredite geben zu dürfen?

Sechstens und vor allem anderen sollte klar sein: Die ganze Konstruktion nimmt sich ja selbst nicht ernst. Denn wären die verfassungsmäßigen Schuldenbremsen wirksam, dann würde es ja eigentlich gar kein europäisches Sanktionen-Regime brauchen. Durch dessen Einrichtung zeigt man ja gerade: Trotz verfassungsrechtlicher Schuldenbremsen vertraut niemand darauf, dass die Mitgliedsstaaten die Regeln künftig besser einhalten. Gleichzeitig ist aber das Sanktionen-Regime so zahnlos, dass das Ganze bestenfalls zur Postenbeschaffung für einige EU-Beamte dient, die den Märkten Sand in die Augen streuen sollen.

Trotzdem ist man als Euro-Staat gut beraten, bei dem ganzen Brimborium mitzutun. Denn wer das nicht tut, gerät natürlich auf den Finanzmärkten erst recht ins schiefe Licht. Außerdem: Nutzt das Ganze auch nichts, so schadet es ja ebenso wenig.

Welche Regel könnte aber eine solche Fiskalunion glaubwürdig gemacht? Nur eine einzige: Nur das Recht der Kommission, wirklich in die nationale Gesetzgebung eingreifen zu können. Das aber will keine Partei, kein Parlament der EU zugestehen. Da würden sie sich ja selbst redundant machen. Das tut sie nur bei unwichtigen Themen, nicht aber in der heißesten Frage Europas, dem Recht der Parlamente, populistisch immer mehr Geld auszugeben.

In einer funktionierenden Fiskalunion hätte (irgend)eine europäische Institution das Recht, das zu tun, was einzelne Staaten in den letzten zwei Jahren zum Teil schon getan haben: So hat etwa Rumänien die Beamtengehälter um nicht weniger als 25 Prozent gesenkt. Es hofft, dadurch mehr finanzielle Luft und bessere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Es tat dies aber nicht wegen irgendeiner Schuldenbremse oder wegen einer europäischen Fiskalunion, sondern wegen der nach wie vor obersten Instanz in allen Geldsachen: also wegen des internationalen Finanzmarktes, also der Summe jener Menschen, Institutionen und Staaten, die – das von Italien&Co so dringend benötigte – Geld haben und es verleihen oder auch nicht. Es war ja auch nicht die EU, sondern diese vielgescholtenen Märkte, die Italien und Griechenland zu ihren Sparpaketen gezwungen haben.

In den meistverschuldeten Ländern wäre es natürlich gut gewesen, wenn schon Jahre vorher eine Instanz als Hüterin der ökonomischen Grundrechnungsarten die Länder zu einem sparsameren Verhalten gezwungen hätte. Damals hätten die Einschnitte lange nicht so tief angesetzt werden müssen wie jetzt.

Solange aber kein Land freiwillig einer außenstehenden Institution solche Rechte einräumt, bevor ihm nicht selbst das Wasser weit über beide Nasenlöcher gestiegen ist, sollte man die Fiskalunion aber zumindest nicht ausgerechnet in der Faschingszeit verkünden. Denn sie wird sich als bloßer Faschingsscherz entpuppen.

Solange es keine solche echte Fiskalunion gibt, ist es aber auch weiterhin ein schwerer Fehler, die Steuerzahler (und die nächsten Generationen) anderer Länder zu zwingen, die Schuldnerländer immer weiter zu finanzieren. Denn dann wird es mit der Disziplin in den Schuldnerländern bald wieder vorbei sein. Und am Schluss sind eben alle pleite. Oder aber es kommt zur viel wahrscheinlicheren "Lösung": Das Geld ist nichts mehr wert, und damit sind es auch die Schulden nicht mehr. 

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Was unsere Politiker nicht wahrhaben wollen: Die Währungsunion ist das eigentliche Problem drucken

Die bisherigen Maßnahmen zur Euro-Rettung haben nichts gebracht. Auch die jetzt vorgeschlagenen Schuldenbremsen helfen nicht. Sie sind gut gemeint, doch sie vertiefen nur die Rezession. Das eigentliche Problem sind nicht die Staatsschulden, sondern das ist der Euro selbst.

Wer sich darüber näher informieren will, der sollte sich den Beitrag „Euro-Krise: Die Währungsunion ist selbst das Problem“ herunterladen (http://www.mpg.de/print/4397700). Der Autor, Prof. Dr. Fritz W. Scharpf, ist emeritierter Direktor am Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung.

Scharpf hat sich gerade in den vergangenen Monaten in verschiedenen Beiträgen in renommierten Fachzeitschriften kritisch mit der Europäischen Währungsunion auseinandergesetzt. Seine Ausführungen räumen mit vielen unqualifizierten Aussagen von Politikern auf, welche leider  durch unkritische Journalisten und Massenmedien weite Verbreitung finden und die in der Bevölkerung oft anzutreffenden gesunden Anschauungen zunehmend verdrängen. Wir bringen hier in eigener Zusammenfassung seine auch für uns Österreicher wichtigen Thesen:

  1. Nicht die Staatsschulden und die Finanzkrise von 2008 sind die erste Ursache der Euro-Misere, sondern diese ist zurückzuführen auf „Fehlentwicklungen vor der Krise, für die nicht die Finanzpolitik der GIPS-Regierungen (Griechenland, Irland, Portugal und Spanien), sondern in erster Linie die Europäische Währungsunion selbst und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank verantwortlich“ waren.
  2. „Die einheitliche Geldpolitik in der nicht einheitlichen Eurozone, die den Anstieg der makroökonomischen Ungleichgewichte verursacht hat, steht … auch der Krisenbewältigung innerhalb der Währungsunion im Wege.“
  3. Mit der Verminderung der Staatsschulden, mit Zinsstützungen und Erleichterungen von Kreditaufnahmen durch die Schuldenländer ist es nicht getan. Deren Abhängigkeit von Transfers und Auslandskrediten bleibt bestehen, wenn nicht „der dramatische Rückgang der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der GIPS-Länder seit Beginn der Währungsunion“ korrigiert wird.
  4. „Für eine solche Korrektur aber gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die nominale Abwertung oder die reale Abwertung“.
  5. Unsinnigerweise wird „die nominale Abwertung, die bei den hoch verschuldeten Staaten auch einen drastischen Schuldenschnitt voraussetzt, in der bisherigen politischen Diskussion kategorisch ausgeschlossen – weil sie den zumindest vorübergehenden Austritt des betroffenen Landes aus der Währungsunion erforderte, und weil ein solcher rhetorisch mit dem Scheitern der europäischen Integration gleichgesetzt wird.“
  6. Eine reale Abwertung könnte in der Zwangsjacke der Währungsunion nur durch „rasche Senkung der Lohnstückkosten“ erfolgen. Dazu notwendig „wären … staatlich erzwungene Lohnsenkungen.“ Um „ein Lohndiktat wirksam durchzusetzen“, fehlen dem Staat jedoch die verfassungsrechtlichen und faktischen Mittel. „Daran könnte auch eine europäische „Wirtschaftsregierung“ (Anm.: und ebensowenig eine jetzt laut Frau Merkels Regierungserklärung vom 14. Dezember angeblich auf den Weg gebrachte „Fiskalunion“) „nichts ändern“.
  7. Der Versuch, den Euro in seiner gegenwärtigen Form durch Kredite, Eurobonds oder direkte Finanztransfers an die Defizitländer zu retten, kann die grundlegenden Strukturprobleme der Währungsunion nicht beheben. Den aus Wettbewerbsgründen nicht Euro-fähigen EU-Mitgliedern wäre „die Rückkehr zu dem flexibleren Europäischen Währungssystem  (Anm.: das heißt zur eigenen Währung, siehe Punkt 5) zu ermöglichen. Andernfalls könnte die Eurokrise tatsächlich zum Sprengsatz für die Europäische Union werden“.

Soweit die Thesen von Scharpf. Der Austritt der innerhalb der Eurozone nicht wettbewerbsfähigen Länder würde die Eurozone „auf den Kern der eng miteinander verflochtenen und dauerhaft stabilitätsfähigen Mitglieder verkleinern“. Das wirft allerdings die Frage auf, welche Länder denn zu diesem „Kern“ gehören würden. Hinter Frankreich, Belgien und Italien wäre ein großes Fragezeichen zu setzen. Deshalb erscheint für alle Staaten die Rückkehr zur eigenen Währung mit eigener Notenbank als einzig vernünftige und politisch vertretbare Lösung übrig zu bleiben, denn nur so kann der „Sprengsatz für die Europäische Union“ entschärft werden und ein echtes Europa der Vaterländer und der politischen Vernunft entstehen.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Sein jüngstes Buch „Der Sinn der Geschichte“, erschien 2011 im Regin-Verlag, Kiel. Das Kapitel, „Kein Gott in der EU“, behandelt ausführlich die Probleme der Europäischen Union. Die Vernachlässigung des nationalen Interesses wird vom Autor thematisiert in: „Die Rechte der Nation“ (L. Stocker-Verlag, Graz 2002, Slowakisch 2008).

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Wo ist der österreichische Monti? drucken

Das ist die gute Nachricht zur Vorweihnachszeit: Das italienische Sparpaket des neuen Ministerpräsidenten Mario Monti hat mit schmerzhaften, aber nicht entscheidenden Abstrichen seine wichtigste parlamentarische Hürde genommen. Damit ist die größte Umwandlung des Nachkriegsitaliens fix. Was heißt das aber für Europa und für Österreich?

Die massive Mehrheit in der römischen Abgeordnetenkammer zeigt, dass das Wissen um den Ernst der Lage letztlich doch in den Köpfen der südlichen Nachbarn angekommen ist. Sogar ein Gutteil der Linken hat dem zugestimmt, was einem Berlusconi sogar bei weit weniger einschneidenden Maßnahmen verweigert worden war. Die Lega Nord hingegen hat sich zur populistischen Neinsager-Partei degradiert, die keine Perspektive für die Zukunft des Landes bietet (auch wenn der Wunsch nach einer Abtrennung des mitteleuropäischen Nordens vom mediterranen Süden durchaus nachvollziehbar ist).

Dass auch die Gewerkschaften wie wild gegen Monti kämpfen, ist zum Teil als landesübliche Folklore und Überlebenskampf eines überholten Vereins einzustufen. Dieser Kampf setzt zum anderen Teil aber doch noch ein heftiges Fragezeichen hinter die europäische Sanierungspolitik.

Denn chinesische wie andere Investoren – die der alte Kontinent so dringend bräuchte – haben immer wieder klargemacht, dass sie ihr Geld nicht zuletzt deswegen von Europa fernhalten, weil sie an der Ernsthaftigkeit der europäischen Spargesinnung zweifeln. Und da sind die Fernsehbilder von Streiks und Besetzungsaktionen halt nicht sehr überzeugend. Es ist einem Nichteuropäer gar nicht so leicht klarzumachen, dass dahinter keine Bevölkerungsmehrheit steht. Dies ist vor allem dann schwierig, wenn die linken Medien Occupy-Aktionen weit über die in Wahrheit sehr bescheidenen Teilnehmerzahlen hinaus bejubeln.

Die Liste der Monti-Maßnahmen ist aber jedenfalls bunt wie eindrucksvoll und weitgehend nachahmenswert:

  • Die Mehrwertsteuer wird um zwei Prozentpunkte erhöht (dadurch wird im Gegensatz zu Einkommensteuererhöhungen richtigerweise nicht die Leistung, sondern der Konsum gedämpft, der ja vor allem in den Import geht);
  • rezeptpflichtige Medikamente, die gänzlich von den Patienten bezahlt werden, dürfen zum Ärger der Apotheker und zur Freude der Konsumenten auch in Supermärkten verkauft werden (was mehr Wettbewerb schafft);
  • (bei uns unvorstellbare!) Luxuspensionen von über 200.000 Euro im Jahr werden scharf beschnitten;
  • Das selbe passiert Gehältern für Staatsbeamte von über 300.000 Euro (die es bei uns ebenfalls nicht gibt);
  • das Pensionsantrittsalter wird scharf erhöht, es soll schon 2018 bei 66 Jahren liegen – auch für Frauen (für die es derzeit nur 60 Jahre beträgt!);
  • gleichzeitig wird die italienische Form einer Hacklerpension nach 41 oder 42 Berufsjahren abgeschafft (einst am Höhepunkt der christlich-sozialistischen Misswirtschaft hatte es sogar schon nach 15 Arbeitsjahren Pensionen gegeben!);
  • die schon geltenden Pensionen werden ab einer Höhe von 1400 Euro auf zwei Jahre eingefroren;
  • Benzin wird teurer;
  • auf Erstwohnungen gibt es eine  Immobiliensteuer;
  • es kommt eine Luxussteuer auf bestimmte Produkte;
  • es gibt Maßnahmen gegen Steuerflucht;
  • Bargeldzahlungen werden ab 1000 Euro verboten.
  • Auf der anderen Seite soll ein Konjunkturprogramm die Wirtschaft und Infrastruktur um 40 Milliarden ankurbeln.

Vorerst gescheitert ist Monti hingegen mit einer Freigabe der Taxilizenzen und mit einer Kürzung der luxuriösen Parlamentariergehälter, die mit über 11.000 Euro netto(!) pro Monat weit über allen anderen Ländern liegen. Allerdings haben die Abgeordneten versprochen, das nun „autonom“ anzugehen.

Dennoch bleibt das Paket eindrucksvoll. Und man kann für Italien hoffen, dass das Land mit Monti nun vielleicht doch bald wieder über den Berg kommen könnte.

Manche der nun beschlossenen Maßnahmen (auch in der zweiten Kammer werden sie wohl noch vor Weihnachten durchgehen) schaffen Privilegien ab, die in österreichischen Ohren wirklich provozierend klingen. In seinen Kernbereichen, vor allem beim Pensionsantritt, sind das aber durchwegs Beschlüsse, die auch anderswo dringend notwendig wären. Etwa auch in Österreich. Freilich ist versicherungsmathematisch und demographisch ein Pensionsantritt mit 66 Jahren in Wahrheit immer noch zu früh. Denn Erich Streißlers einst von allen aufrechten Linken wütend bekämpften Berechnungen, dass der Pensionsantritt angesichts der steil gestiegenen Lebenserwartung erst über 70 erfolgen dürfte, sind nach wie vor richtig.Und sind angesichts des hartnäckigen Geburtendefizits noch viel richtiger.

Nur: Wo ist der österreichische Monti? Selbst außerhalb der Regierung findet man keinen überzeugenden Kandidaten.

Gleichzeitig zu den Monti-Beschlüssen ist der Zustand der österreichischen Pensionsversicherung bekanntgegeben worden. Die Kosten des Pensionssystems wachsen im kommenden Jahr um weitere 6,2 Prozent. Aus dem Bundesbudget müssen sogar um 14,2 Prozent mehr in das System geholt werden. Damit fließen über die Beitragszahlungen hinaus schon 4,6 Milliarden Euro aus dem allgemeinen,schwer verschuldeten Bundesbudget ins Pensionssystem. Und das alles in Zeiten einer neuen Rezession. Und das alles noch BEVOR die Babyboomergeneration ohne Zurücklassung einer nennenswerten Kinderzahl massenweise in Pension geht. Was sie aber im kommenden Jahrzehnt tun wird.

Was noch schlimmer ist: Nirgendwo ist ob dieser Zahlen die notwendige erregte und besorgte Diskussion ausgebrochen. Es sind ja nur Ziffern. Und handeln müssen nur die Italiener

 

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Wie hoch ist die Arbeitslosenquote in der EU? drucken

Arbeitslosenquote der EU-Staaten Ende November 2011 in Prozent

 

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SN-Kontroverse: Klima-Hysterie drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Klimapolitik - Nichts als Hysterie?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Überlebenswichtig vernünftig

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

 

So um die Wende zum 19. zum 20. Jahrhundert wurden Frauen als „hysterisch" bezeichnet, wenn sie nicht den Ansprüchen der vorherrschenden patriarchalisch-brachialen Ideenwelt gerecht wurden. Dann kam, so um die Zeit, als das Auto erfunden wurde und die ersten Frauen an Universitäten in Europa studieren durften, ein gewisser Dr. Sigmund Freud und ließ sich als Arzt in der Bergstraße in der damaligen Reichshauptstadt Wien nieder und erfand die Psychoanalyse. Er räumte gründlich mit dem Begriff der Hysterie auf.

Freuds Thesen waren heftig umstritten, setzten sich aber durch. Der Göttin sei Dank! Ähnlich verhält es sich mit dem Umwelt- und Klimaschutz. Noch in den 1970er- und 1980er-Jahren kämpften „rebellische" Jugendliche für Umweltschutz, gegen Atomkraftwerke, für den Erhalt des Wiener Naherholungsgebiets, die Hainburger Au. Unter Bundeskanzler Franz Vranitzky wurde dann ein bundesweites Wasser- und Seenerhaltungsprogramm umgesetzt. Heute kann wieder in der Donau und deren Nebenflüssen zumindest in Österreich unbedenklich gebadet werden. Die Seen haben Trinkwasserqualität.

Die Maßnahmen durchzuziehen ging nicht ohne Widerstände ab, weil sie mit hohen Kosten verbunden waren. Nur wenige würden heute aber sagen, sie hätten sich nicht gelohnt. Global hat sich auch einiges getan. Forscher können genau den CO2-Ausstoß pro Industrienation berechnen, wissen um die schädlichen Auswirkungen der Treibhausgase und der Klimawandel ist keine „hysterische" Einbildung, sondern nachweisbar.

Und, was das Wichtigste ist: Die Menschheit im globalen Dorf kann etwas dagegen tun. Klar, es kostet, die Meere vom tödlichen Plastikmüll frei zu halten und für reine Luft zu sorgen. Globale Klimapolitik ist aber alles andere als Hysterie, sondern überlebenswichtig vernünftig.

 


Sehr teuer, aber nutzlos

Andreas Unterberger

 

Die Österreicher zahlen für die Klimapolitik Milliarden. Für Kyoto-Strafen, für Klimaforschung, für hässliche Windmühlen quer übers Land, für (immer öfter chinesische) Solarpaneele, usw. Während der dadurch mitverursachte Crash der Staatsfinanzen eine sehr reale Gefahr ist, bezweifeln Zehntausende Naturwissenschafter, dass CO2 und andere Gase eine globale Erwärmung auslösen (für Interessierte: www.nipccreport.org). Dem stehen Computermodelle der offiziellen UNO-Doktrin vom Klimatod gegenüber, die nach den 0,8 Grad Erwärmung der letzten 150 Jahre für die nächsten Jahrzehnte mit 2 bis 6 Grad plus drohen. Diese offizielle Doktrin ist auch dadurch suspekt geworden, weil ihre Exponenten mit Erpressungen die Veröffentlichung kritischer Studien bekämpfen und Daten unterdrücken.

 

Eine Reihe von Tatsachen macht auch Nichtnaturwissenschafter nachdenklich: Die Erde hat schon viel wärmere (und kältere) Zeiten erlebt, ganz ohne menschliche Aktivitäten. Grönland etwa wurde als agrarisch nutzbares „Grün"(!)-Land entdeckt. CO2 fördert jedenfalls massiv das Wachstum der Pflanzen, die wir zur Ernährung der wachsenden Menschheit dringend brauchen. Im kalten Norden liegen die größten Landmassen des Globus; diese würden bei einer wodurch auch immer ausgelösten Erwärmung nutzbar. Wärmeperioden waren in der Geschichte der Menschheit immer die friedlichsten und prosperierenden. Aber selbst wer trotz dieser und vieler anderer Indizien an das Klimagespenst glaubt, darf dennoch am Sinn des sogenannten Kyoto-Protokolls zweifeln, das Österreichs Steuerzahler so belastet: Denn die Länder, die sich zu diesem Protokoll bekennen, also vor allem die EU, stoßen nur 15 Prozent der globalen Treibhausgase aus. Jedes in Europa eingesparte Fass Öl macht aber nur das Öl für China & Co. billiger. Die wirtschaftliche Selbstbeschädigung der EU ist also klimatisch jedenfalls irrelevant.

 

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Die Schuldenbremse drucken

Ein satirisches Märchen mit Happy End.
Es geschah vor vielen Jahren auf dem wunderschönen Kontinent Indebitamento:

Der Investor Pecuniarius borgte dem Herrscher Governatos eine Scheibtruhe voller Münzen. Governatos wollte ein gerechter Herrscher sein und verteilte das geborgte Geld in Form von Subventionen und Gratifikationen an sein Volk.

Die Angewohnheit der Herrschenden, mehr Geld auszugeben, als sie durch die Steuern der Untertanen eingenommen hatten, nannte man Deficit Spesa. Als der berühmte Ökonom Keynesianus die  ideologische Basis dafür lieferte, verbreitete sich die Methode rasch auf dem Kontinent. Bald gab es Dutzende Staaten und Regierungen, die eifrig Deficit Spesa betrieben.

Dieser Vorgang wiederholte sich mehrere Jahrzehnte, bis die Bewertungsagentur Norma & Povero die Finanzgebarung der Schuldner überprüfte und zum Schluss kam, dass viele Regierungen niemals in der Lage sein würden, die kumulierten Schulden aus den Steuereinnahmen ihrer Untertanen zurückzuzahlen.

Der Schuldenberg wurde von Tag zu Tag drückender – eine Schuldenbremse musste her.

Aber die Gläubiger wollten nicht bremsen – die Regierungen sollten es tun. Diese bekannten sich öffentlich zur Schuldenbremse und wollten sie per Verfassungsgesetz beschließen, um sie zukünftigen Regierenden als wirtschaftspolitisches Vermächtnis zu hinterlassen.

So geschah es, dass der Staat weiterhin Kredite bekam, aber die Unternehmen in der Kreditklemme gefangen waren.

Die Investitionen der Unternehmen fielen nahezu auf null, das Bruttonationalprodukt stagnierte, die Inflation betrug sieben Prozent und immer weniger Untertanen wollten sparen, nicht einmal die kleinen Sparer, die die Finanzwirtschaft jahrzehntelang brav mit negativer Realverzinsung gesponsert hatten.

Da hatte der Unternehmer Entrepreneros eine Idee: Er machte Pecuniarius und den Investoren den Vorschlag, direkt in die Unternehmen zu investieren – statt den ineffizienten Umweg über die Staatsanleihen zu nehmen.

„Das kann ich leider nicht! Die Kreditgewährung an Unternehmen und Private ist sehr erschwert worden, man könnte sagen, Unternehmenskredite sind verbaselt worden“, antwortete Pecuniarius.

„Geschäftsbanken, die Kredite an Unternehmen vergeben, müssen große Nachteile in Kauf nehmen. Denn für einen Unternehmenskredit brauche ich viel mehr Eigenkapital als für Staatsanleihen, Fremdwährungsfinanzierungen, CDS (Credit default swaps) oder andere Blasenpumpen“, seufzte Pecuniarius traurig.

Der Kontinent Indebitamento war offensichtlich dem Untergang geweiht.

Da geschah das, was man später als „das Wunder der Inversion“ bezeichnete:

Durch den Irrtum eines Spitzenbeamten der Zentralbank in einer Provinz waren die Vorschriften für Staatsanleihen mit jenen für Unternehmenskredite verwechselt worden.

Ein glücklicher Zufall, der die Fehlleitung der Finanzströme während der letzten beiden Jahrzehnte schlagartig beseitigte.

Denn als die strengen, restriktiven Vorschriften von Basilea II auf alle Finanzgeschäfte ohne realwirtschaftliche Basis angewendet wurden, reduzierten sich diese auf ein Minimum und auch die Spekulation verschwand schlagartig.

Hingegen führte die Freigabe der Realkredite zu einer Renaissance der Investitionen in die Realwirtschaft. Denn die Unternehmer und Banken nutzten die Chance, um in neue Technologien und Produkte zu investieren, sodass das Bruttonationalprodukt kontinuierlich stieg und neue Arbeitsplätze entstanden.

Als man erkannte, welchen positiven Effekt die simple Umkehrung der Kreditvorschriften in der Provinz gehabt hatte, übernahm man dieses Inversio-Prinzip für den gesamten Kontinent:  Es dauerte nicht lange und der Kontinent Indebitamento war weltwirtschaftlich und geopolitisch wieder auf Erfolgskurs.

Mag. Walter Schönthaler ist Unternehmensberater für Markenartikelunternehmen und Fachhochschullektor für Innovationsmarketing und Unternehmensführung;  zuvor arbeitete er mehr als drei Jahrzehnte in der Lebensmittelindustrie, u.a. als Vorstand der Manner AG, CEO der Felix Austria GmbH und CEO der S.Spitz GmbH.

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Die einzige Erklärung drucken

Sicher blieb so manchem Jecken
schon bei Hellas sein Helau
ungejeckt im Halse stecken –
doch inzwischen geht’s, o Schrecken,
weiter Richtung Euro-GAU.

Denn wenn höchste Gipfel kreißen,
um beinah im Wochentakt
wieder Rettung zu verheißen,
ist ihr Auswurf stets zum Schmeißen:
Giga-Mäuslein, hohl und nackt!

Na, zu unserm Glück erfanden
irgendwann sie den Advent,
dass bei Lichtern und Girlanden,
selbst wenn wenig Geld vorhanden,
alles eilig drängt und rennt.

Darum kauft, ihr lieben Leute,
nützt noch die Gelegenheit,
kauft nach Möglichkeit gleich heute
unter Glitzer und Geläute,
gebt ihr Sinn, der Weihnachtszeit!

Und wenn kräftig Steuern fließen
dank der Torschluss-Konjunktur,
soll auch das euch nicht verdrießen:
Gibt’s mehr Spenden auszugießen
bei der nächsten Rettungs-Tour!

Wisst ihr, wie ich mir’s erkläre?
Die da oben offenbar
glauben an die Maya-Lehre –
und dass eh vorbei es wäre
mit der Welt im nächsten Jahr…

Pannonicus

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Euro oder Nicht-Euro ist nicht die Frage drucken

Beim EU-Gipfel haben zumindest anfangs vier Länder die Zustimmung zu einer Fiskalunion verweigert, teils nur vorübergehend, teils dauerhaft. Unabhängig von der Dauer des Neins ist die Frage interessant: Sind die Nein-Sager eigentlich klüger oder dümmer als die anderen?

Alle vier haben zwar durchwegs konservative Regierungen, sie sind auch allesamt sehr froh, nicht beim Euro zu sein. Sie sind aber dennoch in Wahrheit sehr unterschiedlich zu beurteilen.

Weitaus am besten steht Schweden da. Es ist nach dem schweren Kollaps des sozialdemokratischen Wohlfahrts- und Schulden-Modells in den 90er Jahren und nach darauffolgenden neoliberalen Reformen (die das Land aber keineswegs unsozial gemacht haben) heute neben der Schweiz Europas Vorzeigeland Nummer eins. Die Finanzen sind in Ordnung, die Wirtschaft blüht, der durchschnittliche Pensionsantritt erfolgt vier Jahre später als in Österreich, was auch die etwas höhere Arbeitslosigkeit deutlich relativiert. Schweden ließ sich nicht einmal erpressen, als der marode Saab-Konzern nach Staatshilfe rief. Denn seine Regierung weiß, dass man auch den Mut haben muss, ein Unternehmen sterben zu lassen. Die Folge dieser Politik: Schwedische Aktien und die schwedische Währung zählen heute zu den häufigsten Tipps, wo man sein Geld anlegen kann.

Auch Tschechien, das nächste abseitsstehende Land, steht an sich gut da. Freilich ist es sehr stark von Exporten in den Euroraum abhängig, und die Prager Regierung beschädigt sich selbst regelmäßig mit heftigen Korruptionsskandalen.

Die Briten hingegen haben derzeit wirklich schlechte wirtschaftliche Daten. David Cameron hat jedoch mutige Reformen gestartet, um eine kräftigende Rosskur auszulösen, die wieder wie einst unter Margaret Thatcher eine Epoche der Blüte einleiten könnten. Jedenfalls wurde von den meisten Briten das Nein zum Gipfelbeschluss begeistert aufgenommen. Die Inselbewohner wissen zwar, dass sie den Binnenmarkt brauchen, und sie sind auch militärisch gute Bündnispartner, aber sie haben verständlicherweise keinerlei Lust, sich bei Steuern oder Budgets von der EU dreinreden zu lassen.

Ungarn hingegen ist ein sehr trauriger Fall. Seine Währung steht heftig unter Druck, seine Anleihen sind Ramsch. Die Regierung spart zwar nach schweren Fehlern ihrer sozialdemokratischen Vorgänger nun spürbar, sie hat sich aber gleichzeitig durch antisemitische Akzente, durch eine betont nationalistische Politik und durch Frontalangriffe auf Banken und Medien in eine weitgehende Isolation manövriert. Selbst österreichische Politiker zögern derzeit, nach Ungarn zu reisen.

Die Unterschiede zwischen den Vier zeigen jedenfalls: Euro oder Nicht-Euro ist keineswegs die entscheidende Frage. Das ist vielmehr die Höhe der Schulden, die Wirtschaftskraft und vor allem die Glaubwürdigkeit der Sanierungsversuche. Das heißt heute aber auch: Ohne Jahre der bitteren Mühen kommt kein Land aus der Krise heraus. Egal, welche Währung es hat.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Spekulanten rächen sich und - spekulieren nicht mehr drucken

Jeder drittklassige Provinzpolitiker und jeder viertklassige Leitartikelschreiber hat die Täter gekannt: Die Finanzkrise sei von Spekulanten ausgelöst worden, die zuerst Griechenland und dann nach der Reihe andere Länder in die Krise getrieben haben. Unter dem Eindruck dieser – auch von vielen europäischen Bürgern begeistert geteilten – Überzeugung sind die europäischen Regierungen im Sommer zum Haarschnitt geschritten.

Sie zwangen alle privaten Gläubiger Griechenlands – also vor allem die Käufer griechischer Staatsanleihen –, freiwillig auf 50 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten. Vor allem in Deutschland glaubte man, durch diesen Haircut die Last ein wenig von den eigenen Steuerzahlern abgewälzt zu haben. Auf diese hat man ja seit Mai 2010 in mehreren Etappen die Haftung für die griechische Misswirtschaft überwälzt.

Das hat man im übrigen auch auf dem jüngsten Gipfel in einer weiteren teuren Etappe getan (obwohl darüber fast niemand redet, weil man lieber auf die Briten schimpft). Diesmal geschah die Überwälzung der Schulden durch eine forcierte Einschaltung des Währungsfonds, den man als Nicht-EU-Institution bisher in der Schuldenkrise eher nur am Rande mitspielen lassen wollte. Aber auch die Aktivierung des Währungsfonds kostet wieder mindestens(!) 150 Milliarden europäisches Geld. Das man halt neuerlich aus den Zentralbanken nimmt. Bei dieser Umwegkonstruktion muss man einerseits nicht die Parlamente fragen und kann andererseits das in den EU-Verträgen stehende Verbot der direkten Finanzierung von Schuldnerstaaten durch andere Staaten oder europäische Institutionen umgehen.

Gewiss fanden es von Anfang an manche Kritiker ein wenig widersprüchlich, wenn man jemandem zu einem „freiwilligen“ Verzicht zwingt. Diese Freiwilligkeit ist im übrigen bis heute noch in keiner Unterschrift festgehalten. Gleichzeitig steigt der Ärger über diese neue Zweiklassengesellschaft: Private Gläubiger müssen auf die Hälfte verzichten, staatliche hingegen nicht. In Zeiten des real existierenden Sozialismus gelten ja Staaten offenbar als etwas Besseres, private Geldverleiher kommen hingegen in der Beliebtheit gleich nach den Henkern und Lobbyisten.

Dass die Staaten etwas Besseres sind, haben die internationalen Notenbanken ja auch schon längst mit Brief und Siegel festgehalten: Sie haben in den diversen Basel-Abkommen die Kredite, die ein Staat aufnimmt, für absolut sicher erklärt, was Kredite eines Privaten niemals sein können.

Das alles erinnert übrigens stark an einen anderen internationalen Konsens von Regierungen und „Experten“, freilich etliche Zeit früher: Damals hat man die Erde zum Mittelpunkt des Weltalls erklärt. Trotz dieses nur von wenigen Querköpfen gestörten Konsenses hielt sich die Wirklichkeit bedauerlicherweise nicht daran. Heute ist es die Pleite Griechenlands (und anderer), welche die breite politische Übereinkunft stört, dass Staaten total sicher seien.

Zurück in die Gegenwart: Hier zeigen sich auch noch weitere Widersprüche zwischen dem allgemeinen Konsens der politisch-medialen Klasse und der Realität. Die viel kritisierten und als Spekulanten dämonisierten Geldverleiher waren in der Regel ganz biedere Sparer, Pensionsfonds, Versicherungen oder ausländische Staaten. Sie wollten eigentlich nur Geld sicher anlegen. Was ja eigentlich ein viel seriöseres Unterfangen ist als etwa das Betreiben des österreichischen Pensionssystems mit seinen vielen ungedeckten Mega-Schecks an die Zukunft.

Eine weitere Abweichung der Realität von der Denkwelt diverser EU-Gremien: Die „Spekulanten“ sind lernfähig. Sie lernen aber unfreundlicherweise aus der Realität und nicht aus Erklärungen diverser EU-Gipfel, die in immer kürzeren Abständen die Krise für beendet erklären. In der realen Welt waren die Investoren, pardon: „Spekulanten“ jedenfalls damit konfrontiert, dass entgegen aller europäischen Rhetorik die Anleihen eines­ – ersten – Euro-Landes nur noch die Hälfte wert waren.

Sie handelten daraufhin völlig folgerichtig. Denn, was in Griechenland passieren kann, kann ja nun auch in jedem anderen Land passieren. Daher begann ein „Spekulant“ nach dem anderen, sein Geld aus Anleihen europäischer Staaten zurückzuziehen. Sie weigerten sich immer öfter, neue Anleihen zu kaufen, egal ob die für neue Schulden oder nur die Rückzahlung abreifender alter Anleihen notwendig wurden. Sie kauften höchstens dann noch, wenn ihnen wirklich saftige Zinsen zugesichert wurden. Diese brauchten sie freilich auch für die notwendigen Kreditausfallversicherungen (CDS), ein weiteres uraltes Instrument, das neuerdings zum Teufelswerk erklärt worden ist.

Jetzt ist guter Rat teuer. Denn all die derzeit – angeblich – kommenden Schuldenbremsen, und die in Wahrheit sehr vage und konsequenzenarm bleibende Fiskalunion des letzten Gipfels können nicht mehr das einmal zerstörte Vertrauen wiederherstellen.

Der gute Rat ist so teuer, dass nun vom deutschen Finanzministerium bis zum EU-Ratspräsident lebhaft sogar darüber nachgedacht wird, ob man den griechischen Haircut nicht vielleicht noch rückgängig machen kann. Nur weiß jeder Friseur: Hat er einmal irgendwo zu viele Haare abgeschnitten, lassen sich die nicht mehr wirklich leicht ankleben. Oder in der Sprache der Finanzwelt: Wenn einmal Vertrauen zerstört worden ist, dann lässt sich das nicht mehr auf Befehl wiederherstellen.

Das Vertrauen in staatliches Reden und Handeln ist bei den deutschen Banken zusätzlich dadurch zerstört worden, dass sie von der eigenen Regierung 2010 überredet wurden, zum Unterschied von anderen Ländern keine griechischen Anleihen zu verkaufen. Ein Jahr später waren diese Anleihen nur noch die Hälfte wert. Dieser miese Trick belastet seit der Haircut-Ankündigung jedes weitere Gespräch zwischen Regierungen und Banken massiv. Denn wer der deutschen Regierung vertraut hat, steht jetzt ziemlich blöd da. Und anderen Regierungen zu vertrauen, ist ja schon seit längerem nur noch ein Ausweis besonderer Dummheit.

Jetzt werden manche einwenden: Aber ohne einen solchen Haircut hätten die europäischen Steuerzahler ja noch viel tiefer in diese Tasche greifen müssen. Denn ohne deren Hilfe wäre es ja jedenfalls zu einem griechischen Zahlungsausfall gekommen – was ja nichts anderes als ein sofortiger Haircut bei den Gläubigern ist.

Das ist im Prinzip richtig. Nur hätte eine Insolvenz Griechenlands erstens keine Zweiklassengesellschaft unter den Gläubigern bedeutet und wäre damit nicht so provozierend und demotivierend für jeden privaten Sparer gewesen. Sie wäre zweitens zu einem viel höheren Anteil von den Griechen als Urheber des Schuldendebakels selbst zu tragen gewesen. Drittens hätte man – mit vermutlich viel weniger Geldaufwand – den Dominoeffekt sogar in hohem Ausmaß abfedern können, der ausländische Gläubiger bei einer Pleite Griechenlands bedroht hat.

Und der vierte Einwand ist der gewichtigste: Bei einer Insolvenz Griechenlands wäre schon vor eineinhalb Jahren das klare Signal an alle Europäer ausgesandt worden, dass sie selbst ganz allein für ihre Schulden und deren Rückzahlung verantwortlich sind. Dann hätten schon im Mai 2010 von Italien bis Österreich die notwendigen, aber schmerzhaften Sanierungen begonnen. Diese werden statt dessen jetzt erst überall mühsam diskutiert. Und gegen sie richtet sich allerorten naturgemäß der Protest der Schuldenprofiteure, wie etwa der Gewerkschaften, der Bürokratien und der Subventionsempfänger. Denn überhaupt kein Zweifel kann darüber bestehen, dass beispielsweise eine signifikante Hinaufsetzung des österreichischen Pensionsantrittsalters im Jahre 2010 viel schlauer gewesen wäre als wenn das erst 2012 – vielleicht! – beschlossen wird. Um nur aus einem einzigen Land nur eine einzige der Hunderten notwendigen, aber unpopulären Maßnahmen zu nennen.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Räuberbande, Staat und Imperium drucken

Die eben erfolgte Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der EU, einen „fiscal compact“ zu bilden, der automatische Sanktionen im Falle eines Defizitverfahrens gegen einen der Mitgliedstaaten, verstärkte Durchgriffsrechte der Zentrale und damit einen weiteren massiven Souveränitätsverlust für nationale Parlamente vorsieht, kommt einer Kampfansage an die Bürger Europas gleich.

Da zugleich auch die Einstimmigkeitsregel für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) entsorgt wurde, ist es künftig problemlos möglich, mit einer Mehrheit von 85 Prozent Entscheidungen gegen den erklärten Willen von Minderheiten durchzusetzen. Begriffe wie Subsidiarität und Eigenverantwortung geraten in Euroland damit zunehmend weiter ins Abseits. Dass die traditionell euroskeptischen Briten es verweigert haben, sich bedingungslos dem Brüsseler Diktat zu unterwerfen, ist wenig überraschend und immerhin ein nicht einfach zu ignorierendes Signal.

Weshalb plötzlich eine Regel eingehalten werden sollte, die nur noch 0,5 Prozent Neuverschuldung, gemessen am BIP, erlaubt, wenn es bisher nicht einmal möglich war, eine – ebenfalls vertraglich festgelegte – Grenze von drei Prozent nicht zu überschreiten, ist unklar. In welcher Form künftig unbotsame Staaten diszipliniert werden sollen, liegt ebenfalls im Dunkeln.

Im Falle von aufmüpfigen Transferempfängern leuchtet die Sache ja noch ein. Bei einer Vertragsverletzung könnten einfach die Zahlungen ausgesetzt werden. Was aber, wenn sich plötzlich ein Nettozahler bockig geben, und seine Überweisungen an die EU einstellen sollte? Wird dann die (noch nicht einmal aufgestellte) europäische Kavallerie gegen den Spielverderber in Marsch gesetzt werden?

Schließlich wird es auch interessant sein, wie die von ihren Zentralisierungsphantasien berauschten Eurokraten die im Falle derart weitreichender Regeländerungen notwendige Zustimmung der Bürger im Zuge von Referenden erreichen wollen. All das steht gegenwärtig noch in den Sternen.

Sicher ist, dass allein die Existenz von Oasen das Leben in der Wüste erträglich macht. Der Umstand, dass es Steueroasen gibt, macht es den Regierungen in den Steuerwüstenstaaten unmöglich, die Ausbeutung ihrer Untertanen zu weit zu treiben.

Die bei vergleichsweise geringen Kosten und niedrigen Steuerlasten bestens verwaltete Schweiz kann als Vorbild dienen: Die über Steuerhoheit verfügenden Kantone stehen untereinander im Wettbewerb. Das erzwingt eine schlanke Haushaltsführung, da eine übergroße Begehrlichkeit des kantonalen Fiskus augenblicklich zu einem Exodus der Betriebe und Leistungsträger führen würde. Eine EU-weite „Fiskalunion“ würde eine „Abstimmung mit den Füßen“ indes unmöglich machen und den Bürger der vollständigen Ausplünderung durch die Bürokratie ausliefern – falls er vor einer Auswanderung nach Übersee zurückschreckt.

Lysander Spooner, ein im 19. Jahrhundert in den USA lebender Anarchist, stellte in seinem Aufsatz „No Treason“ zur Funktion des Steuerstaates folgendes fest:

„… dass jeder, der sein Geld in die Hände einer so genannten „Regierung” gibt, ihr ein Schwert übergibt, das gegen ihn selbst gerichtet wird, um noch mehr Geld von ihm zu erpressen und ihn außerdem in Abhängigkeit von ihrer Willkür zu halten. […] dass jene, die sein Geld ohne seine Einwilligung nehmen wollen, es in erster Linie zu seiner weiteren Beraubung und Versklavung verwenden werden, falls er sich anmaßt, sich in Zukunft ihren Forderungen zu widersetzen. […] Der Wegelagerer nimmt die Verantwortung, die Gefahr und die Kriminalität seiner eigenen Handlung auf sich selbst. Er tut nicht so, als hätte er einen rechtmäßigen Anspruch auf dein Geld oder als beabsichtige er, es zu deinem eigenen Vorteil einzusetzen. Er tut nicht so, als sei er etwas anderes als ein Räuber.“

Das macht den gemeinen Straßenräuber zu einem – im Vergleich zum Staat – geradezu rührend ehrlichen Akteur! Denn er beschönigt seine Niedertracht nicht durch heuchlerische Verweise auf „höhere Aufgaben“ oder „soziale Verantwortung“, die jedermann zukommen mögen, ganz bestimmt aber nicht dem, wie Nietzsche befindet, „kältesten aller kalten Ungeheuer“.

Aufmerksamen Zuhörern wird nicht entgangen sein, dass der Papst bei seiner kürzlich vor dem Deutschen Bundestag gehaltenen Rede den Staat ebenfalls – und zwar an gleich zwei Stellen – mit einer Räuberbande verglichen hat. Einmal unter Berufung auf Augustinus: „Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?“ Was könnte auf staatlicher Ebene wohl „Recht“ daran sein, falsche Anreize zu setzen, Sparsamkeit, Fleiß und Produktivität gnadenlos abzustrafen und Konsumwahn, Faulheit und Missgunst zu fördern – wie es für den modernen Wohlfahrtsstaat typisch – ja konstituierend – ist?

Was Spooner, Nietzsche und Benedikt XVI. über den Staat gesagt haben, trifft auch auf jedes Imperium zu. Die dräuenden – gleich unter welchem Vorwand einzuführenden – direkten EU-Steuern werden den letzten Schritt bilden, um die EU endgültig in ein zentral gesteuertes Imperium zu transformieren. Imperien waren und sind gekennzeichnet vom gewaltbewehrten Privileg, Steuern zu erheben – ohne den unterworfenen, tributpflichtigen Völkern dafür garantierte Gegenleistungen bieten zu müssen.

Das Muster ist immer dasselbe: Einer immer größer werdenden Masse steuerfinanziert lebender Profiteure, steht ein stetig schrumpfender Anteil von Leistungsträgern gegenüber, der die Chose zu finanzieren hat. Kommt es zur „imperialen Überdehnung“ und steht das Mittel der Verschuldung – wie wir es derzeit erleben – nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung, ist das Ende absehbar, denn: Die Steuerlast ist endlich! Auch die politische Klasse wird begreifen müssen, dass Wohlstand nicht durch (Um-)Verteilung, sondern durch Produktion entsteht. Wer die letzten Produktiven entmutigt oder vertreibt, wird am Ende mit leeren Händen dastehen…

Je weiter vom Bürger entfernt Entscheidungen fallen; je massiver die Bemühungen der Zentrale ausfallen, sämtliche wirtschaftlichen Angelegenheiten regeln zu wollen (eine Anmaßung, die am unvermeidlichen Informationsmangel scheitern muss. Noch jede Planwirtschaft hat schmählich versagt!); je geringer Verantwortung und Haftung der Machthaber gegenüber den Beherrschten: Desto klarer offenbaren sich Unfähigkeit, Korruption und Unrechtscharakter der politischen Entität. Die Wandlung der Frieden, Freihandel und Wohlstand verpflichteten Europäischen Gemeinschaft zum totalitären, kriegerischen Moloch EU macht da keine Ausnahme.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fussnote 242: Der europäische Klimaselbstmord drucken

Europa steht wirtschaftlich am Abgrund – und ein paar Klimafanatiker stoßen es endgültig in diesen hinein.

Bei der sogenannten Weltklimakonferenz bietet die EU knapp nach dem Gipfel schon wieder die nächste masochistische Aktion. Die EU-Vertreter wollen Europas Wirtschaft und Bürger durch eine neuerliche einseitige Selbstbindung in Sachen CO2 mit neuen Milliardenlasten belasten, während die neuen Handelsriesen wie China oder Indien begeistert zuschauen. Offenbar hat die EU-Kommission noch immer nicht den dramatischen Zustand ihrer Mitgliedsländer erkannt. Offenbar ist die EU schon total von grünen Saboteuren unterwandert. Der Rest der Welt amüsiert sich nur noch über die europäische Selbstzerfleischung, die Millionen Arbeitsplätze kostet, während alle anderen großen Mächte ungeniert weiter den eigenen Vorteil suchen. Am meisten wird sich aber wohl das Klima amüsieren, das sich wie seit Millionen Jahren nach ganz eigenen, von niemandem noch ganz erforschten Regeln entwickelt, die jedenfalls primär von Sonne und Erdrotation abhängig sind. Das Klima wird mit Sicherheit um kein Zehntelgrad Celsius anders, weil die Europäer – wenn die Pläne der Masochisten aufgehen – künftig weniger CO2 produzieren. Selbst wenn die Treibhausgas-These stimmen würde, führt eine europäische Öl- und Gas-Askese nur dazu, dass Europas schärfsten Konkurrenten automatisch billiger an Öl und Gas herankommen. Weniger amüsant werden das alles jene Europäer finden, die dadurch ihren Job verlieren.

PS.: Wussten die werten Leser schon, dass man von Eiszeit spricht, wenn beide Polkappen gleichzeitig mit Eis bedeckt sind? Wie es etwa heute noch der Fall ist. Das heißt: Der Kern der Panik, wegen der Europa zum Vorteil der Chinesen, Amerikaner oder Inder zertrümmert wird, ist Nostalgie darüber, dass (vielleicht) die letzte Eiszeit endgültig zu Ende geht.

PPS.: Wer glaubt, dass die Global-Warming-These über jeden Zweifel hinaus bewiesen wäre, sollte einmal in Ruhe alle Analysen der ZAMG auf der Hohen Warte dazu lesen.

 

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Die Sorgen der Schweizer möchte man haben drucken

Andere Länder, andere Sorgen – warum eigentlich? Das zeigt eine Umfrage bei den wahlberechtigten Schweizern. Diese werden alljährlich nach ihren größten Sorgen befragt. Und dabei zeigt sich wieder einmal, dass die westlichen Nachbarn eine gesunde Weisheit besitzen, ohne auf die medial modischen Themen zu achten.

Denn sie fürchten sich am meisten vor der Arbeitslosigkeit. Die zweitmeisten Sorgen bereiten ihnen Ausländerfragen. Und an dritter Stelle folgt die Wirtschaftsentwicklung – in Wahrheit nur ein anderes Wort für Arbeitslosigkeit.

Das klingt noch nicht so aufregend. Viel spannender ist, welche zwei Sorgen aus der Liste der zehn meist genannten Sorgen hinausgekippt sind: Umweltschutz und europäische Integration.

Das heißt: Jene Umwelt-Themen, mit dem Medien, NGOs und Grüne europaweit seit Jahr und Tag für ständige Panik-Schlagzeilen gesorgt haben – vom Waldsterben bis zur globale Erwärmung – lösen heute nur noch Langeweile aus. Durchaus zu Recht, da die meisten grünen Weltuntergangs-Prognosen so haltbar waren wie jene von Sektenpredigern. Vielleicht ziehen auch anderswo Politiker ihre Schlüsse daraus und verbrennen nicht mehr Milliarden für hässliche und teure Windmühlen und Schutzgeldzahlungen an die grünen NGOs. Das tun sie auch, freilich noch nicht in Österreich: So immerhin vor einigen Tagen gleich sechs Umweltminister aus osteuropäischen EU-Staaten vor einer Verschärfung der (sauteuren) EU-Klimaziele gewarnt. Das war mutig - und zeigt, dass man auch von östlichen Nachbarn etwas lernen könnte.

Aber auch das gewachsene Schweizer Desinteresse an der europäischen Integration ist signifikant. Angesichts des derzeitigen Zustandes der EU ist die Mitgliedschaft in der Union nur noch in Beinahe-Drittweltstaaten zwischen Balkan und Kaspischem Meer ein interessantes Thema. Die Schweizer wenden sich mit Grausen ab (haben freilich durch viele bilateralen Verträge mit der EU ihre Interessen auch längst geregelt).

Das heißt nun sicher nicht, dass für ein EU-Mitglied ein Austritt eine sinnvolle Option wäre. Das heißt aber ganz gewiss, dass die Hausaufgaben jedes Landes auch wirklich zu Hause gemacht werden müssen; und dass gerade bei nüchternen Alemannen das real existierende EU-Prinzip wenig Begeisterung auslöst: Wir verschulden uns heute, um unsere Wähler zu bestechen, und zahlen tun dann morgen die anderen. Weil die müssen ja solidarisch sein, sonst beschimpfen wir sie.

Nach dem jüngsten Gipfel wird es jedenfalls kaum Europäer geben, die noch hochmütig auf die Schweizer herabblicken, die meinen, dass man von den Eidgenossen nichts lernen könnte. Es war jedoch nicht die EU, die Österreich im laufenden Jahr zu einem Defizit gezwungen hat, das rund fünf Mal so groß ist wie jenes der Schweiz. Es war die Begehrlichkeit der Österreicher selber. Ihr Pensionssystem, ihre ÖBB, ihre vielen Subventionsbezieher, ihre Landeshauptleute. Die diversen Solidaritätsaktionen für Griechenland&Co haben sich hingegen noch gar nicht im Budget niedergeschlagen. Noch nicht.

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Europas Schuldenböcke nach dem Gipfel drucken

Ist es eine Katastrophe, dass vier konservativ regierte Länder dem deutsch-französischen Projekt einer Fiskalunion auf dem EU-Gipfel die Zustimmung verweigert haben? Ganz sicher nicht. Das viel größere Problem ist, dass dieses Projekt auch nur ein Projekterl ist, das die europäische Schuldenkrise nicht in den Griff bekommen kann. Großbritannien & Co schaffen den anderen höchstens einen Sündenbock für das Scheitern. Schuld aber sind die Schuldenböcke.

Was bedeuten die jüngsten EU-Beschlüsse? Gewiss ist es verwirrend, dass die europäische Architektur noch komplizierter geworden ist. Neben den 17 Euro-Ländern und den 27 EU-Länder gibt es dazwischen künftig die 23, die dem neuen Fiskalregime zugestimmt haben. Bis auf Großbritannien ist es freilich auch durchaus möglich, dass einige der vier Nein-Länder irgendwann doch noch aufspringen werden.

Zweitens werden die 23 (plus?) jetzt überhaupt erst einen detaillierten Vertrag ausarbeiten müssen. Das kostet Zeit. Es ist beispielsweise völlig unklar, ob die 23 (plus?) sich der EU-Institutionen wie des Gerichtshofs überhaupt bedienen dürfen. Freilich. Eine Änderung des EU-Vertrags hätte wegen der Wichtigmachereien des EU-Parlaments sowie wegen der notwendigen Volksabstimmungen (und der Hörigkeit Werner Faymanns gegenüber der Kronenzeitung) noch viel länger gedauert.

Die wirklichen Fragezeichen liegen noch immer in den Details. Es gibt noch keinen Vertragstext, weder für die 23 noch die 27. Das bedeutet aber auch die Gefahr, dass so manche Euro-Staaten die notwendigen scharfen Sanierungsmaßnahmen weiter aufschieben werden, bis dieser Vertrag vorliegt. Zumindest die sparunwillige SPÖ dürfte sich insgeheim sogar recht freuen darüber, aber auch so manche in der ÖVP. Die Opposition zeigt sowieso keinen ernsthaften Sparwillen (das tut sie aber in keinem Land). Und Österreich wie auch alle anderen Länder zahlen halt ständig höhere Zinsen für die eigenen Anleihen.

Im Grunde geht es um einen fast aussichtslosen Kampf: Schaffen es die Staaten doch noch, in ihrer Wirtschaftspolitik so glaubhaft zu werden, dass ihnen Anleger wieder Geld für ihre Anleihen geben, zumindest für die Refinanzierung der alten alljährlich abreifenden Kredite?

Die Anleger sind nämlich seit dem Beschluss über den griechischen Haircut – der übrigens noch immer nicht rechtlich ordentlich umgesetzt worden ist! – extrem vorsichtig geworden. Denn dieser Haircut stellt sich spätestens in diesem Spätherbst von Tag zu Tag mehr als Erbsünde heraus: Die Anleger haben gesehen, dass Staatsanleihen über Nacht das Gegenteil von absolut sicher sind. Während man bisher als Privater mit Anleihen eines Euro-Staates auf einen kleinen, aber ungefährdeten Gewinn hoffen konnte, gibt es nun den Präzedenzfall, dass 50 Prozent des Geldes weg sind. Und kein Mensch ist sich mehr sicher, ob der griechische Schuldenschnitt ein Einzelfall bleiben wird.

Viele der beim Gipfel besprochenen Limitierungen für staatliche Defizite klingen ja durchaus vernünftig, auch wenn sie eben noch immer (Primär- und Sekundär-)Defizite erlauben. Freilich kommen sie um zwei Jahrzehnte zu spät. Solche Regeln, die deutlich über die einstigen Maastricht-Kriterien hinausgehen, hätte man von den ersten Vorstufen des Zusammenwachsens zum Euroraum an haben sollen. Dann wäre es nie zur Katastrophe gekommen.

Vor allem aber hätte es energische und wirksame Konsequenzen bei einer Verletzung der Defizit-Kriterien gebraucht. Wären die Maastricht-Kriterien strikt beachtet worden, dann wäre es nie zu dieser Krise gekommen. Dann bräuchte es auch keine neuen Kriterien. Dann wären aber insbesondere Italien, Belgien und Griechenland niemals Euro-Mitglieder geworden. Dann wäre das auch Österreich nur nach einem kräftigen, allerdings nicht dramatischen Einschnitt in den Wohlfahrtsstaat geworden.

Alles, was man vorerst über das neue europäische Fiskal-Regime wirklich sagen kann: Es ist besser als das alte, aber weiterhin unzureichend. Denn letztlich gibt es weiterhin kein Durchgriffsrecht gegen Budgetbeschlüsse souveräner Parlamente. Weiterhin können diese Parlamente soziale Wohltaten unters Volks streuen. Und sie werden sich diese Rechte auch durch einen neuen Vertrag nicht nehmen lassen. Das würde übrigens auch die gesamte Verfassungsarchitektur der einzelnen Staaten grundlegend verändern.

Ein kleines aber typisches Beispiel für die Hoffnungslosigkeit: Der Gipfel hat neuerlich eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse in allen Ländern beschlossen. Aber wenn in Österreich nur zwei Parteien dafür stimmen, kommt sie eben nicht zustande. Und man wird sehen, ob der neue Anlauf, den die Regierung da unternehmen will, besser ans Ziel kommt. Wenn also ein im Prinzip populärer und sogar von einigen Oppositionsparteien ursprünglich geforderter Beschluss so schwierig ist, wie wird es erst werden, wenn man wirklich jemandem etwas wegnehmen muss!

Der Populismus der Politik wird wohl erst dann aufhören, wenn die Regierungen weder Pensionen noch Beamtengehälter noch Rechnungen ihrer Lieferanten bezahlen können. Aber dies wird – so ist man heute reihum überzeugt – nicht passieren, weil letztlich auf irgendeinem Weg doch immer fremdes Geld in die bedrohten Länder fließt. Wobei die Rechtskonstruktion fast egal ist: Ob EZB, EFSF, ESM oder IMF. Immer fließen rettende Milliarden ins Land

Dass Österreich nach dem Gkipfel auch in den Kanal des Währungsfonds (IMF) die Kleinigkeit von weiteren sechs Milliarden fließen lassen muss, geht da schon fast unter. Ist ja nur das dreifache Budget des gesamten Bundesheers (samt den einst so dramatisierten Abfangjägern).

Die Härte zum Nein-Sagen bringt man in Europa einfach nicht auf. Auch wenn die Folgen immer schlimmer werden, je länger das so weitergeht. Der Kardinalfehler bleibt der Mai 2010, als auch Angela Merkel unter dem Gerede der Solidarität eingeknickt ist und in klarer Verletzung der europäischen Verträge Geld nach Athen schicken hat lassen.

Seither nimmt niemand mehr irgendwelche europäischen Regeln und Verträge ernst. Die Juristen würden halt kühl sagen, das seien ja nur lauter Leges imperfectae.

Also bleibt auch die ökonomische Konsequenz weiterhin unausweichlich. Das Geld der Europäer wird immer weniger wert. Und damit auch deren Ersparnisse. Das merkt man vorerst noch weniger im Vergleich zum Dollar und – vorerst! – auch weniger im Vergleich des Verbraucherpreisindex. Das sieht man aber am sprunghaft zugenommenen Preis etwa von Gold und anderen als stabil angesehenen Ersatzwährungen. Das sieht man an den Richtung Schweiz, Schweden und Singapur strömenden Euro-Mengen.

 

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Waswärwennereien drucken

Im Olymp beäugt Europe
– längst von Zeus dorthin entrückt –
mit dem Götter-Teleskope
bang Europas Biotope
und sinniert, nicht grad entzückt:

Wie wohl wäre es gekommen,
hätte ich an Sidons Strand
einen andern Stier genommen?
Und wo wär’ der hingeschwommen,
welche Richtung, welches Land?

Nun, bei meines Reittiers Streben
war nebst Kreta wenig Wahl,
denn es hatte damals eben
weder Übersee gegeben
noch bei Suez den Kanal.

Doch hätt’s südlich uns verschlagen,
tät’ zum Schwarzen Erdteil jetzt
jedermann Europa sagen –
logisch, ohne mich zu fragen,
und ich wäre arg vergrätzt!

Wär’s indes Kurs Nord gegangen,
hätt’ den Namen die Türkei –
würde mir nicht minder langen,
sag’ ich mal ganz unbefangen
und von Vorurteilen frei.

Wären wir im Land geblieben,
hätt’ man nichts nach mir benannt,
denn auch wenn wir’s arg getrieben,
hätt’ man drüber nicht geschrieben,
und ich wäre unbekannt.

Drum, der Wahrheit alle Ehre,
traf ich’s eigentlich nicht schlecht –
wenn bloß nicht die Hera wäre,
und gar Zeus sagt, der Megäre
macht selbst er es niemals recht!

Tja, der Satz „was wär’ gewesen“
sagt sich halt so leicht daher –
allerdings an Hypothesen
könnt’ nur dann die Welt genesen,
wenn das Wörtchen wenn nicht wär’…

Pannonicus

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SN-Kontroverse: Steuerbremse? drucken

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Braucht es nach der Schulden- auch eine Steuerbremse?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Absurdes Dauergebremse

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Jetzt wird's langsam absurd. Die Fundamentalisten des Neoliberalismus, die für die Krise in Europa hauptverantwortlich sind, kriegen noch immer den Rachen nicht voll. Sie und ihre Helfershelfer starten jetzt schon flächendeckend gegen ökonomisch gesunde Staaten Spekulationsangriffe via Ratingagenturen. Wie stets knapp vor EU-Gipfeln. Sie wollen offenbar nach dem Muster des bankrotten Irland vorgehen, das noch vor einem Jahr mit Milliarden gerettet werden musste. Irland ist nach wie vor marode, aber gleichzeitig hat es seine steuerparadiesischen Zustände nicht abgestellt. Auch die „griechischen" Zustände sind so wie sie sind, weil es offenkundig als unmoralisch, gilt Steuern zu zahlen. Und weil wenige reiche Familien sich das Land untereinander aufgeteilt haben und die Regierung es zuließ, dass sie ihre Milliarden ungeschoren außer Landes bringen konnten. Dass die italienische Sozialministerin unter Tränen ein Sparpaket verkünden musste, ist wohl auch nicht darauf zurück zu führen dass Berlusconi & seine politischen Kumpane regelmäßig und in angemessener Höhe ihren Steuerverpflichtung nachgekommen sind. Die Geistesverwandten dieser Kumpanei zulasten der Allgemeinheit in den einzelnen Nationalstaaten leisten dem weiter Vorschub. In Österreich ist ihnen die gesetzliche Verankerung der „Schuldenbremse" nicht genug. Sie fordern nun auch noch eine „Steuerbremse". Das ist ein wenig zu viel des Bremsens. Selbst eine gesunde Volkswirtschaft würde so in enorme Schwierigkeiten gestürzt. Der Konsum würde abgeschnürt und die Unverteilung von unten nach oben - also die Kluft zwischen Reichen und Armen - ginge munter weiter. Mit all den Folgekosten einer derart einseitigen Belastungspolitik. Denn die „Schuldenbremse" kann nur funktionieren, wenn sie fair und gerecht ist.


Zweithöchste Steuerlast

Andreas Unterberger

 

Österreich ist im Euro-Raum das Land mit der zweithöchsten Abgabenlast. Noch keiner Generation sind auch nur annähernd so hohe Teile ihres Einkommens weggenommen worden. Hunderte Sparideen harren der Umsetzung, scheitern aber an gewerkschaftlichen, ökologischen, ökonomischen, provinziellen Lobbies. Wer dennoch ständig nur über noch mehr Steuern spricht, schadet dem Land genauso wie jene Parteien, welche eine effiziente Schuldenbremse verhindern.

Neben dem Sparen sollte in Krisenzeiten vor allem darüber nachgedacht werden, wie man (ohne Geld!) wieder Jobs und Wachstum schafft, wie man durch Deregulierungen unternehmerisches Handeln ankurbelt, wie man durch Privatisierungen Unternehmen dynamisch und gewinnbringend macht. Solche Maßnahmen finden sich nun in den italienischen und griechischen Sanierungspaketen.

Freilich: Wenn Bundes- wie Landesregierungen weiterhin nicht sparen, sondern Horror-Defizite produzieren, dann ist bald der Staatsbankrott erreicht. Dann werden die Österreicher so wie Italien und Griechenland viel Schädliches und Schmerzhaftes erdulden müssen. Von Pensions- und Gehaltskürzungen bis hin zu Steuererhöhungen.

Aber auch dann ist bei jeder Steuer nüchtern zu prüfen, wie sehr sie einen künftigen Wiederaufschwung behindert. Deswegen setzt Italien jetzt zu Recht primär auf Mehrwertsteuererhöhungen. Die bei uns diskutierten Steuerideen sind hingegen dumm und schädlich. Etwa die von der ÖVP angedachte „Zaster-her"-Erhöhung der ohnedies exorbitanten 50-Prozent-Einkommensteuer oder die von der SPÖ angedachten Formen der Kapitalbesteuerung (die Investitionen und Investoren vertreiben, sobald sie über Italiens Variante einer Segelboot- und Wohnungssteuer hinausgehen).

 

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Griechenland im Würgegriff der Finanzmärkte? drucken

Es ist verständlich, dass es angesichts der Fernsehbilder aus Griechenland schwierig ist, die Finanzsituation des griechischen Staates sachlich und faktenbasiert zu beurteilen. Neben den medialen Darstellungen wird die Analyse durch Aussagen mancher Politiker und Ökonomen erschwert, deren Grundlage eher ideologische Vorurteile bilden, als eine nüchterne Betrachtung der Tatsachen.

Ziel dieser Kurzanalyse ist es daher den politischen Wertungen mittels einer längerfristigen Betrachtung der Entwicklung der Eckdaten der griechischen Finanzpolitik, eine reale Einschätzung gegenüber zu stellen, gemäß dem Motto Friedrich Schillers „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

1. Entwicklung der Staatsverschuldung

Die öffentlichen Schulden Griechenlands lagen im Jahr 1996 bei € 97,8 Mrd. und sind bis Ende 2010 auf € 328,6 Mrd. gestiegen, dies ist ein Anstieg um 236%. Im Vergleich dazu hat sich die gesamte Staatsverschuldung der Eurozone im gleichen Zeitraum um „nur“ 67,5% erhöht. In Relation zu den Staatseinnahmen ist der Schuldenstand von 265,5% auf 365,7% angestiegen, während sich diese Relation in der gesamten Eurozone von 160,1% auf 192,2% verschlechtert hat.

Während die Mitgliedsstaaten der Eurozone vor Ausbruch der Finanzkrise in der Lage waren, die relative Verschuldung bis Ende 2007 auf 149,7% zu senken, hat Griechenland diese Phase ökonomischen Aufschwungs ungenutzt verstreichen lassen: Der Schuldenstand sank bis 2007 nur unmerklich auf 263,9%. Die finanzielle Situation Griechenlands hatte sich somit schon vor Ausbruch der Finanzkrise relativ zu den anderen Mitgliedsstaaten der Eurozone deutlich verschlechtert.

Abbildung 1 Staatsverschuldung in der EU und der Eurozone in % der Staatseinnahmen 2010, Quelle: Eurostat Government Finance Statistics 1/2011; eigene Darstellung

Abbildung 2 Staatsverschuldung in der EU und der Eurozone in % der Staatseinnahmen 2007, Quelle: Eurostat Government Finance Statistics 1/2011; eigene Darstellung

2. Sind die hohen Zinsen schuld?

Die hohe Staatsverschuldung wird zwar auch von politischen Entscheidungsträgern und ökonomischen Experten akzeptiert, allerdings wird diese Erhöhung primär den „Finanzmärkten“ angelastet, die durch „Wucherzinsen“ den Griechen jede Chance auf ein Entkommen aus der „Schuldenfalle“ nehmen würden, unabhängig davon wie sehr sich Griechenland auch anstrengen würde, zu sparen. Hier wird zunächst einmal übersehen bzw. vielleicht auch nicht verstanden, dass die ausgewiesen Yields nicht die Zinsbelastung auf die bestehende Staatsschuld darstellen, sondern den Ertrag eines bereits begebenen Schuldtitels auf Basis des aktuellen Kursniveaus.

Beispiel: Eine zu EUR 100 begebene Anleihe mit einer Kuponzahlung von € 3 notiert derzeit auf einem Kursniveau von EUR 95. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die Restlaufzeit genau ein Jahr beträgt. Der Investor bezahlt also € 95, erhält aber in einem Jahr den Tilgungsbetrag von € 100 zuzüglich der letzten Kuponzahlung in Höhe von € 3. Seine Investition hat somit einen Ertrag von 8,42% erzielt. Für den Schuldner blieb aber die Zinszahlung weiterhin auf dem ursprünglichen Zinsniveau von 3%, die Kursschwankungen sind für diesen irrelevant, er hat somit keinen „Wucherzins“ zu leisten. Dieses theoretische Beispiel lässt sich am Beispiel Griechenland auch in der Realität beobachten.

Entgegen den Behauptungen ist die absolute und relative Zinsbelastung Griechenlands in den letzten 15 Jahren deutlich gesunken. 1996 lag der effektive Durchschnittszinssatz der griechischen Staatsschuld bei 10,56%, im Jahr 2000 bei 7,13%, 2007 bei 4,46% und selbst im Jahr 2010 ist er von 4,13% (Ende 2009) auf 3,83% weiter gesunken. Gegenüber dem Durchschnitt der Eurozone, deren Werte von 7,43% auf 3,26% gesunken sind, hat sich damit das Zinsdifferential massiv von 313 Basispunkten auf 57 Basispunkte verringert.

Abbildung 3 Entwicklung der effektiven Zinsbelastung 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

Entsprechend deutlich ist auch die Belastung des Staatshaushaltes durch Zinszahlungen zurückgegangen: 1996 musste Griechenland beinahe ein Viertel (23,8%) seines Budgets für die Bedienung der Zinslast aufwenden, damals waren keine Klagerufe über die „irrsinnigen“ Finanzinvestoren zu vernehmen. Bis 2007 sank diese Belastung deutlich auf 10,1% und stieg bis 2010 nur relativ schwach auf 11,1% wieder an.

Im Vergleich zur Eurozone (2010: 5,53%) ist dies zwar eine überdurchschnittliche Belastung des Haushalts, aber im langfristigen Vergleich eher gering und nicht das Resultat eines „Würgegriffs“ der Finanzmärkte, sondern der massiven Ausweitung der Staatsverschuldung in den letzten 15 Jahren.

Abbildung 4 Anteil der Zinszahlungen an den gesamten Staatsausgaben Griechenlands 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

3. Zu Tode sparen, oder zu Tode konsumiert?

Da das Hauptproblem Griechenlands somit nicht die Zinszahlungen sind, sondern der Schuldenstand, muss die Ursachenbekämpfung auch dort ansetzen. Die Einnahmen müssen erhöht, aber auch die Ausgaben reduziert werden. Keynesianisch geprägte Ökonomen warnen allerdings davor, dass dieses „Rezept“ die Krise verschärfen würde, da durch geringere Ausgaben des Staates die Wirtschaftsleistung zurückgehen muss. In den mechanischen Modellen der Neoklassik und dem saldenmechanischen Denken dieser Ökonomen ist dies tatsächlich unausweichlich. Die Empirie liefert für diese Theorien aber keine hinreichende Bestätigung, und das Verständnis für echte ökonomische Zusammenhänge kann diese Überlegungen ebenfalls nicht bestätigen.

Die Keynesiansiche Sichtweise betrachtet im Wesentlichen die Einkommensverwendungsseite des BIP, die, entgegen der begrifflichen Indikation, die bestimmende Determinante der Einkommensentstehung sein würde. Konsum von Staat und privaten Haushalten führe zur Produktion. Dass dies sowohl technisch, als denklogisch unmöglich ist, lässt den überzeugten Keynesianer allerdings kalt.

Nur bereits hergestellte – also produzierte – Güter können auch konsumiert werden. Produktion muss immer vor dem Konsum geschehen, wie auch nur die Einkommensverteilung erst nach geleisteter Produktion vorgenommen wird. Das langfristige Wohlergehen einer Volkswirtschaft hängt daher von der Produktion ab. Wie sich diese dann auf die einzelnen Sektoren verteilt ist eine wesentliche wirtschaftspolitische Frage, aber eben nur eine abzuleitende. Der Wohlstand hängt von der Wertschöpfung ab, nicht vom Konsum.

Um Produktion zu ermöglichen braucht es die entsprechenden Produktionsfaktoren, Kapital und Arbeit. Kapital sind Güter, die nicht für den Konsum verwendet werden, d.h. die zukünftige Produktions- und Leistungsfähigkeit hängt vom Konsumverzicht der Gegenwart ab. Somit ist genau das Gegenteil der Keynesianischen Behauptung (oder Verwirrung) ökonomisch richtig: nur durch die Reduktion des Konsums können die Voraussetzungen für einen mittel- und langfristigen Produktions- und Wertschöpfungsanstieg geschaffen werden.

Die griechische Entwicklung der letzten Jahre bestätigt diese grundsätzlichen Einsichten des ökonomischen Denkens: Die griechischen Staatsausgaben (ohne Zinszahlungen) sind zwischen 1996 und 2007 um 206,6% gewachsen, was einer jährlichen Wachstumsrate von 8,82% entspricht. Das nominelle Wirtschaftswachstum Griechenlands lag im gleichen Zeitraum allerdings bei nur 6,06%, d.h. Jahr für Jahr sind die Ausgaben durchschnittlich um 2,76%-Punkte stärker gestiegen als die Wirtschaftsleistung. Der Keynesianische Irrtum wurde also wieder einmal offenbart: Griechenland hat sich in den letzten 15 Jahren nicht zu Tode gespart, sondern – wenn man schon das Wort gebrauchen will – zu Tode konsumiert.

4. Der Sozialstaat als Retter?

Die Keynesianer und andere Neo-Sozialisten behaupten auch immer wieder gerne, dass der Ausbau des Sozialstaates ein wesentliches Element zur Minderung oder gar Verhinderung von wirtschaftlichen Krisen wäre. Der Staatsekretär im Finanzministerium, Andreas Schieder, hat wörtlich behauptet: „Es war der Sozialstaat, der verhindert hat, dass aus der ökonomischen eine tiefe soziale Krise wurde.“ Zumindest für den Fall Griechenland ist auch hier nur der Wunsch der Vater des Gedankens.

Die Realität zeigt genau eine gegenteilige Entwicklung. Die griechischen Staatseinnahmen sind zwischen 1996 und 2010 um durchschnittlich 5,95% jährich gewachsen, und damit doppelt so stark wie im Durchschnitt der Eurozone (2,91%). Anstatt diese Mehreinnahmen und die sinkende Zinsbelastung (siehe obige Ausführungen) zur Sanierung der Staatsfinanzen zu verwenden hat Griechenland vor allem die Sozialausgaben massiv ausgeweitet.

Diese sind im Beobachtungszeitraum jährlich um 8,36% gestiegen, und damit dreimal so schnell wie der Durchschnitt der Eurozone (2,79%). Während also in der Eurozone insgesamt die Dynamik der Sozialausgaben in einem ausgewogenen Verhältnis zur Einnahmenentwicklung gestanden ist, hat Griechenland hier ein jährlich negatives Wachstumsdifferential von 2,41%-Punkten ausgewiesen.

Genau umgekehrt verhält es sich mit den Investitionen des Staates: Diese sind zwar auch relativ stark gewachsen (5,51% p.a.), aber eben geringer als die Einnahmen, und deutlich schwächer als die Sozialausgaben. Für eine Volkswirtschaft, die einen Aufholprozess gegenüber den einkommensstärkeren Ländern der Eurozone durchlaufen sollte, ist dies eine nicht adäquate Ausgabenstruktur des öffentlichen Sektors.

Im Falle Griechenlands kann also zu Recht behauptet werden, dass der Ausbau des Sozialstaates die Krise nicht nur nicht verhindert hat, sondern im Gegenteil sogar einen wesentlichen Beitrag zu dessen Entstehung geleistet hat.

Dies soll allerdings nicht als verallgemeinerndes Urteil missverstanden werden. Der Ausbau von Sozialleistungen ist allerdings immer im Verhältnis der Leistungsfähigkeit des Staatswesens zu bewerten. Aber sowohl das Wirtschaftswachstum (4,94% p.a.), als auch das Wachstum der Staatseinnahmen (5,95% p.a.) machen eine derartige Ausweitung der Sozialleistungen auf Dauer nicht trag- und finanzierbar. Daher ist es ein richtiger und notwendiger Schritt auch die Reduktion der Staatsausgaben in den vor der Krise zu stark ausgeweiteten Bereichen vorzunehmen.

 

Abbildung 5 Durchschnittliche jährliche Änderungsraten Griechenlands 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

5. Der Angriff der Rating-Agenturen und/oder Spekulanten?

Auch wenn die Analyse der Fundamentaldaten der griechischen Staatsfinanzen hinreichende Belege für die wirklichen Ursachen der Krise Griechenlands geben sollte, bleiben immer noch die Vorwürfe gegen die Finanzmärkte, in diesem Fall die Rating-Agenturen und die „Spekulanten“ aufrecht.

Betrachten wir die erste Gruppe. Natürlich ist es richtig, dass das Rating die Preisbildung beeinflusst, denn schließlich ist die Einschätzung des Risikos eines Zahlungsausfalls entscheidend für die Frage des Wertes einer Staatsanleihe. Ein Rating stellt daher eine wesentliche Information und Entscheidungshilfe für Investoren dar. Die Politik sieht daher die Tätigkeit der Rating-Agenturen auch nicht grundsätzlich problematisch, aber nur, solange die Bewertungen gut sind.

Auch in der aktuellen Situation wird nicht kritisiert, dass Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande die höchste Bonitätsstufe (AAA) aufzuweisen haben. Kritisiert werden nur die schlechten Ratings für Portugal, Griechenland und Irland. Wenn aber die Rating-Agenturen in diesen Fällen falsch liegen sollen, dann müsste dies doch auf generelle Fehler oder Fehlannahmen ihrer Modelle zurück zu führen sein, d.h. auch die guten Ratings wären dann nicht korrekt. Die Inkonsistenz dieser politischen Aussagen fällt der Öffentlichkeit aber seltsamerweise nicht auf.

Aber auch im zeitlichen Ablauf von Hilfsmaßnahmen, Ratings und Kursentwicklung stimmen politische Wertungen und tatsächliche Abläufe nicht überein. Weil Griechenland sich nicht mehr ausreichend oder zu passenden Konditionen auf den Märkten refinanzieren konnte, wurden die ersten Hilfsmaßnahmen der Euroländer und des IWF am 12. April 2010 beschlossen. Da Griechenland aber davon abhängig ist, durch die Aufnahme neuer Schulden die bestehenden und auslaufenden Staatsanleihen zu refinanzieren, war es spätestens durch den Beschluss dieses Pakets ersichtlich, dass die Bedienung der bestehenden Schulden unsicherer geworden ist.

Die Rückstufung durch S&P am 27. April 2010 um drei Bonitätsstufen auf BB+ war daher nur eine Anpassung an die reale Situation.

Auch in der Phase danach waren nicht die Rating-Agenturen die Auslöser für Refinanzierungsprobleme des griechischen Staates: Bis zur nächsten Rückstufung am 29. März 2011 verging beinahe ein Jahr, in dem die Kurse der zehnjährigen Staatsanleihen um 25,1% gefallen sind. Seit damals wurde das Rating um sechs (!) weitere Stufen auf CCC gesenkt, die Kurse sind aber „nur“ noch um 14,3% zurückgegangen. Und seit der letzten Absenkung am 14. Juni 2011 haben sich die Kurse sogar um 6,2% (4. Juli 2011) erhöht.

Die Aussagen eines britischen Bankers scheinen sich also empirisch bestätigen zu lassen: “Die Ratingagenturen machen eine Aufholjagd, um zum Markt aufzuschließen. Der Markt preist eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit ein, dass es in Griechenland zu einem Ausfall kommt. Die Ratingagenturen liefern jetzt ihre negativen Einschätzungen nach, die der Markt schon längst eingepreist hat – und nicht umgekehrt.”

Abbildung 6 Entwicklung der Durchschnittskurse 10-jähriger griechischer Staatsanleihen in der Zeitspanne zwischen zwei Rating-Rückstufungen durch S&P; Quelle: Bank of Greece, eigene Darstellung

Bleiben die „Spekulanten“. Das sind in politischer Auffassung jene nebulosen Personen, die auf den Kursverfall wetten bzw. die Kursverluste ausnützen würden. Es ist natürlich schwer zu beweisen, dass diese Behauptung stimmt, aber genauso schwierig ist es diese Behauptung zu widerlegen. Aber gewichtige Argumente sprechen gegen diese These.

Im Allgemeinen wird ein Anstieg der Spekulation durch eine Zunahme der Handelsaktivität vermutet. Für griechische Anleihen ist aber eine vollkommen gegenläufige Entwicklung zu beobachten. Die Anzahl der Transaktionen mit griechischen Staatsanleihen lag im Juni 2011 bei 15.971. Gegenüber dem Höchststand im März 2010, also noch vor der ersten großen Rückstufung im April 2010, bedeutet dies einen Rückgang um mehr als zwei Drittel (-67,6%).

Dies ist aber kein einmaliges Phänomen, sondern ein bereits seit Jahren anhaltender Trend. 2010 lag die durchschnittliche Anzahl der monatlichen Transaktionen um 8% unter dem Niveau des Jahres 2009. Im ersten Halbjahr 2011 war die Anzahl der Transaktionen um 43% niedriger als 2010, und um 48% geringer als 2009. Die höchsten durchschnittlichen Transaktionen mit griechischen Anleihen gab es im Jahr 2007, also noch deutlich bevor die griechische Finanzkrise offenbart wurde.

 

Abbildung 7 Anzahl der monatlichen Transaktionen griechischer Staatsanleihen Jänner 2010 bis Juni 2011; Quelle: Bank of Greece; eigene Darstellung

6. Fazit

Die gegenwärtige Situation der griechischen öffentlichen Finanzen ist primär die Folge einer exzessiven Ausgabenpolitik des griechischen Staates. Die Staatsausgaben, insbesondere in den Bereichen Sozialtransfers und Personalaufwand im öffentlichen Sektor, sind in den letzten fünfzehn Jahren deutlich stärker als die Wirtschaftsleistung und die Staatseinnahmen gestiegen.

Entsprechend hat sich auch der Schuldenstand deutlich stärker erhöht als die Wirtschaftsleistung und ist somit bis Ende 2010 auf 365% der Staatseinnahmen gestiegen, und weist damit mit Abstand den höchsten Wert der Mitgliedsländer der Eurozone auf. Die Finanzmärkte sind für diese Entwicklung nicht kausal verantwortlich. Die Zinsbelastung des Haushalts ist bis 2009 kontinuierlich gesunken, vor allem auf Grund einer stetig fallenden effektiven Zinsbelastung, die sich auch noch im Jahr 2010 fortgesetzt hat.

Die Rückstufungen durch die Rating-Agenturen waren Reaktionen auf die Marktentwicklungen, und nicht deren Auslöser. Die behauptete Spekulation „gegen“ Griechenland ist aus der Entwicklung der Handelsaktivitäten mit griechischen Anleihen nicht beobachtbar. Ausflüchte und Ausreden werden Griechenland nicht helfen und schon gar nicht retten. An strukturellen, nachhaltigen und fundamentalen Änderungen der Finanzpolitik des griechischen Staates führt somit kein Weg vorbei.

Griechenland ist somit auch ein mahnendes Beispiel für andere Staaten der EU bzw. der Eurozone: Ein dauerhaftes Ausgabenwachstum ist ohne entsprechendes Wachstum der Produktion und Wertschöpfung nicht möglich. Auch eine noch höhere Umverteilung durch Ausweitung der Abgabenquote kann diesen Grundzusammenhang nicht auflösen. Griechenland hat(te) kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem, wie praktisch alle „modernen“ Industrienationen. Wer sich dieser Realität nicht annimmt oder sie sogar verleugnet hat für zukünftige Eskalationen wie in Griechenland die Verantwortung zu tragen.

Mag. Markus Fichtinger ist Mitarbeiter des Bereichs Finanzpolitik & Recht der Industriellenvereinigung

Disclaimer: Die Ausführungen des Artikels geben die persönliche Meinung und die Ansichten des Autors wieder und entsprechen nicht zwingend der Position seines Arbeitsgebers.

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Der Robin-Hood-Richter und der Autofahrer im Wasser drucken

Kaum ein Gespräch entgeht derzeit der ultimativen Frage: Was hat als letzte Ursache die Schuldenkrise ausgelöst? Gewiss stehen da zu Recht schwere Fehler der Politik im Zentrum. Aber der tiefere Grund ist eine fundamentale Mentalitätsänderung in vielen Köpfen. Der Staat wurde von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr als Selbstbedienungsladen angesehen. Das ist eine Veränderung der Beziehung zwischen Bürger und Obrigkeit, wie es sie noch nie in der Geschichte gegeben hat.

Das zeigt sich auf vielen Ebenen. Das beginnt bei den ständigen Tricks, um möglichst früh in Pension zu gehen. Das endet bei den in Österreich besonders häufigen und teuren Möglichkeiten, sich Förderungen und Subventionen auf Kosten der Allgemeinheit zu beschaffen: von der Landwirtschaft über die Alternativenergie-Produzenten bis zu den zahllosen Migranten/Feministinnen/Sozial/Kultur-Initiativen.

Dazwischen gibt es auch tausende winzige Beispiele. Menschen cashen ohne Unrechtsbewusstsein bei der Allgemeinheit ab. Sie werden darin nicht nur von der Politik, sondern auch den Gerichten unterstützt. Wie etwa in diesem Beispiel:

In der Salzburger Ortschaft Nußdorf ist im Juli 2009 der Fluss Oichten nach starken Regenfällen über die Ufer getreten; er hat auch einen Teil der Gemeindestraße überschwemmt. Soll schon vorgekommen sein. Vorgekommen ist auch schon – wenngleich seltener –, dass ein Fahrer dennoch versucht, auf einer in einem großen See verschwindenden Straße weiterzufahren.

Das tat seinem Auto jedoch gar nicht gut. Und es entstand ein 10.000 Euro teurer Motorschaden. Was tat der Mann? Statt sich zu schämen, klagte er die Gemeinde. Auf diese Idee muss man erst einmal kommen.

Aber er handelte richtig. Denn er traf auf einen Richter der gleichen Devise: „Selbstbedienung für alle“. Der Richter sprach dem Mann einen Anspruch auf 40 Prozent des Schadens zu. Wahrscheinlich hielt er sich dabei auch noch für einen sozialen Robin Hood. Er glaubt wohl, einem Reichen, also der Gemeinde, zugunsten eines Armen etwas weggenommen zu haben. In Wahrheit ist es genau umgekehrt. Denn solche Urteile nehmen allen etwas weg, auch jenen, die es sich nicht leisten wollen, leichtfertig in einen See zu fahren. Das wird der Richter aber wohl erst dann begreifen, wenn eines Tages der öffentlichen Schulden wegen sein Gehalt nach griechischer Art um 40 Prozent gekürzt wird.

Ähnlich schwer von Begriff sind Arbeitsrichter, die mit Vorliebe gegen die Arbeitgeber oder gegen die Sozialversicherung judizieren. Oder jene Richter, die fast aus Prinzip die Banken zugunsten der Kunden verurteilen. Wenn sie es aus ehrlichen rechtlichen Erwägungen tun, ist das natürlich in Ordnung; wenn sie es aber aus innerer emotionaler Parteinahme tun, weil sie sich halt auch schon einmal über eine Bank geärgert haben, dann ist das genau jene Einstellung, die uns nun alle bedroht.

 

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Die drei großen Ängste des Werner F. drucken

Werner Faymann hat sich auf eine Auslandsreise begeben. Wenn auch nur nach Berlin, wo er nicht zu fürchten brauchte, in einer anderen Sprache als deutsch angeredet zu werden. Aber der Besuch ist dringend notwendig gewesen. Denn langsam musste auch ein Faymann merken, dass ihn die Entwicklungen in Europa alles andere als unberührt lassen. Denn inzwischen ist präzise klar geworden, wohin Angela Merkel und Nicolas Sarkozy den Kontinent steuern. Nämlich in eine für Faymann sehr unerquickliche Richtung.

Das deutsch-französische Konzept sagt im Kern: Deutschland will den Schuldenländern nur noch dann helfen, wenn diese sich einem strengen Schuldenregime unterwerfen, das sowohl prophylaktisch, wie erst recht im Krisenfall ein Vetorecht externer Aufseher gegen zu hohe Staatsausgaben bringt. Eine solche Unterwerfung steht aber in vollem Widerspruch zur nationalen Souveränität, laut der die nationalen Parlamente die absolute Ausgaben- und Budgethoheit haben. Daher braucht es eine Änderung des EU-Vertrages und/oder anderer bindender völkerrechtlicher Verträge.

Eine solche Vertragsänderung widerspricht aber der einzigen außenpolitischen „Idee“, die Faymann je formuliert hatte. Er hatte dem Kronenzeitungs-Gründer knapp vor dessen Tod öffentlich geschworen, dass eine solche Vertragsänderung nur nach einer Volksabstimmung erfolgen dürfe. Faymann muss aber eine solche Volksabstimmung über die von Merkel gewünschte Vertragsänderung wie der Teufel das Weihwasser fürchten, weil er dabei mit Sicherheit von der Koalition FPÖ-ÖGB-Kronenzeitung gedemütigt untergehen würde. Zugleich würde es ein Faymann wohl nie wagen, sich mit dem Hause Dichand anzulegen, auch wenn dieses inzwischen eher kopflos dahintorkelt.

Was tun? Am Ende gar doch staatspolitische Verantwortung übernehmen? Ist ein Faymann dazu überhaupt imstande?

Das wird man in den nächsten Stunden schon an seiner ersten Bewährungsprobe sehen. Wird der SPÖ-Chef kämpfen, dass die Schuldenbremse mit einer Verfassungsmehrheit abgesegnet wird, damit sie auch gegenüber den Bundesländern und Gemeinden greift? Wird er den durchaus vernünftigen Bedingungen des BZÖ zustimmen? Wird er wenigstens Druck auf die eigenen Abgeordneten des Gewerkschaftsflügels machen, damit sie der Schuldenbremse zustimmen? Und vor allem: Wird er endlich rasch auch wirklichen Einsparungen zustimmen (von denen die Linke ja in Wahrheit noch immer nichts wissen will, die ja noch immer von den Tausenden Dagobert Ducks träumt, die man zusammen mit Mikl-Leitner ausrauben kann) und nicht nur einer sehr abstrakten Schuldenbremse?

Dahinter aber lauert eben die noch viel größere zweite Bewährungsprobe: Wird Faymann einem Schuldenstaaten-Kontroll-Vertrag trotz der Widerstände der Kronenzeitung zustimmen? Und zwar ohne langwierige Verfassungskonvente und Referenden? Beziehungsweise umgekehrt gefragt: Wird die Kronenzeitung als offenbar oberster Souverän dieses Bundeskanzlers dessen nach dem Merkel-Treffen gedrechselte skurrile Ausrede hinnehmen, dass das ohnedies keine bedeutende Vertragsänderung sei, dass die Volksabstimmung – ganz im Gegensatz zum einstigen Faymann-Brief – nur dann fällig werde, wenn aus der EU Vereinigte Staaten nach dem Vorbild der USA würden?

Denn wenn der Merkel-Plan aufgehen soll, wenn der wegen seiner unabsehbaren Folgewirkungen so gefürchtete Kollaps einiger (Euro- und Nicht-Euro-)Staaten verhindert werden soll, dann muss rasch gehandelt werden. Dann müssen die Schuldnerstaaten von einer außenstehenden Institution auch zu drastischen Maßnahmen gezwungen werden können. Ohne dass diese Maßnahmen von populistischen Zufallsmehrheiten im jeweiligen nationalen Parlament abhängig sind. Ohne dass dort weltfremde Gerichte sagen könnten, das sei aber ein unerlaubter Eingriff in wohlerworbene Rechte.

Eine solche Regelung hat aber natürlich nicht nur im Falle Griechenland oder Portgual zu gelten, sondern auch in einem noch nicht ganz so unwahrscheinlichen Fall Österreich.

Nicht mit Merkel mitzugehen, wäre aber für Österreich noch riskanter und unangenehmer. Denn dann würde es sich sofort aus der Gruppe der starken AAA-Europäer hinauskatapultieren, in die es sich bis zuletzt so stolz hineingeschmiegt hat.

Ein solches Abkommen hat keinerlei Chancen, in Österreich angenommen zu werden. Es ist aber nach all den vielen schweren Fehlern der EU und insbesondere rund um den Euro jetzt die einzig noch denkbare Rettungsmaßnahme.

Die dritte Probe für Faymann könnte man Sarkozy-Probe nennen. Ist der SPÖ-Mann bereit, eine solche Blut-und-Tränen-Rede zu halten, wie sie Sarkozy trotz bevorstehender Wahlen dieser Tage gehalten hat? Sie stand in abruptem Gegensatz zu Sarkozys bisherigem Opportunismus. Er war in den letzten Jahren nach seinem anfänglichen Law-and-order-Kurs ganz auf einen sozialdemokratischen Kurs populistischer Verschwendung eingeschwenkt. Jetzt aber hat Sarkozy in seiner scharfen Intelligenz erkannt, dass er keine andere Alternative mehr hat, als den Franzosen die volle Wahrheit zu sagen: nämlich dass sie jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben. Er konnte wenigstens mit gutem Grund der gewerkschaftshörigen Politik seines Vorgängers einen Teil der Schuld zuschieben.

 

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Das R-Wort und die wie immer unschuldigen Täter drucken

Seit wenigen Stunden ist das R-Wort nun auch offiziell heraußen: In Europa hat laut OECD eine neue Rezession begonnen. Diesmal wird man die Krise nicht mehr durch die Scheinlösungs-Strategie der Jahre 2008/09 beenden können, nämlich durch eine gigantische weitere Verschuldung der Staaten. Denn heute ist niemand mehr willens, den europäischen Staaten in nennenswertem Umfang Geld zu leihen. Was also tun?

Die europäischen Bürger gehen derzeit lieber mit dem vielen unter die Menschheit gebrachten Geld noch einmal kräftig weihnachtseinkaufen, statt Anleihen ihrer Regierungen zu zeichnen. Nicht einmal mehr die Chinesen, auf die der letzte EU-Gipfel noch in verzweifelter Hoffnung gesetzt hat, sind zu neuen Krediten an europäische Länder im erwünschten Ausmaß bereit. Und selbst wenn die Deutschen noch einmal einknicken sollten, um mit ihrer noch – relativ! – guten Kreditwürdigkeit ein letztes Mal für die Miteuropäer ins Pfandleihhaus zu gehen, wird das nur für wenige Monate Erleichterung bringen.

Das gilt auch für alle anderen Konstruktionsideen, die derzeit tagtäglich unter die ohnedies schon extrem nervösen Bürger gestreut werden – egal, ob dabei nun Eurobonds, Elite-Bonds, Europäische Zentralbank oder Währungsfonds verbal eine Schlüsselrolle spielen. Das sind durchwegs intellektuelle Glasperlenspiele für Ökonomen, die allesamt aufs Gleiche hinauslaufen: Wenn man sie genauer analysiert, bringen sie nur ein wenig Zeitgewinn, viel Umverteilung von den Sparer- zu den Verschwendernationen, und am Ende immer dieselbe brutale Alternative: Staats-Crash oder Inflation.

Da bleibt jetzt nur noch eines über: All die Fehlentwicklungen, die Europas Krise ausgelöst haben, rapide zu beenden. Und das geschieht am besten durch eine geistige Rückversetzung an den letzten Zeitpunkt, von dem an es nur noch aufwärts gehen konnte: nämlich in das Jahr 1945.

Die Frage ist nur: Haben die alt, satt und verwöhnt gewordenen Europäer noch die geistige (und körperliche) Kraft, wieder neu anzufangen? Man darf daran zweifeln, auch wenn der Neuanfang zum Glück auf einem viel, viel höheren Niveau stattfinden könnte. Denn der wahre Zustand Europas ist vielerorts noch immer nicht im Bewusstsein angekommen.

Die Österreicher etwa haben die letzte Krise überhaupt nicht zu spüren bekommen: die für Konsumausgaben zur Verfügung stehenden Löhne sind alljährlich trotz aller Wertverluste von Investitionen weiter real gestiegen. In allen Länder geben die Politiker die bestürzende Wahrheit erst dann zu, wenn sie am nächsten Monatsersten die Fixausgaben nicht mehr zahlen können. Die Gewerkschaften rufen lieber zum fünfzigsten Generalstreik, bevor sie das Scheitern des Wohlfahrtsmodells zugeben würden. Die Parteien verteidigen ihre Wählerinteressen. Das gilt von den Bauern über die vielen ideologischen Vorfeldvereine bis zu den Eisenbahnern. Die Möchtegernpensionisten steuern noch zielsicherer in die Frührente als vermeintlich sicheren Hafen denn bisher. Die österreichischen Studenten weigern sich trotz des Kollapses an vielen Universitäten, auch nur einen geringfügigen Beitrag als Gebühr zu zahlen.

Um noch eine weitere, besonders wichtige, aber fast nie angesprochene Krisenursache zu nennen: Die Wirtschaft und insbesondere die Industrie erkennen nicht, dass sie in den letzten Jahrzehnten die wichtigste Zukunftsinvestition selbst sabotiert hat, nämlich die Geburt der künftigen Leistungsträger. Und diese passiert vornehmlich in bildungsorientierten Familien. Die Industrie hat die akademisch oder sonstwie besonders qualifizierten Frauen im Windschatten einer familienfeindlichen Gesetzgebung lieber als wachstumsfördernde Arbeitskraft ausgenutzt, statt ihnen ohne Druck zu ermöglichen, die entscheidenden Kinder zu gebären und heranzuziehen. Da sollten sich die bildungsdiskutierenden Industriellen nicht mehr allzusehr wundern, wenn nur noch jede zweite Akademikerin Kinder in die Welt setzt.

Der Glaube, das Kinderdefizit durch die in breiter Front hereingeströmten Zuwanderer ersetzen zu können, hat ja grandios Schiffbruch erlitten. Denn die Bildung, die Leistungsbereitschaft, das Können einer neuen Generation hängt in hohem Ausmaß davon ab, ob diese Dinge auch im Elternhaus vermittelt und vorgelebt werden. Diesen Zusammenhang kann man wahrscheinlich nicht einmal in einer Diktatur ändern, in der alle Kinder schon im ersten Lebensjahr den Eltern abgenommen werden. Dadurch würde man wahrscheinlich nur die Zahl der bildungsorientierten und leistungsbereiten Jugendlichen gegen Null treiben.

Damit sind nur einige der gigantischen Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte angesprochen. Eine andere ist etwa der Irrglaube, durch noch mehr Regulierung irgendwelche Pleiten verhindern zu können. Dahinter steckt die abenteuerliche Überzeugung, dass die Verhinderung von Pleiten etwas Gutes wäre. Dabei sollten wir seit Schumpeter wissen, dass nur auf dem Weg von Pleiten, also des industriellen Sterbens wieder Platz und Kraft für Neues entstehen kann.

Das einzige, worüber man bei Pleiten legitimerweise nachdenken kann, ist: Wie verhindert man notfalls auch mit Steuergeld einen Dominoeffekt, bei dem die Pleite einer Bank automatisch Tausende andere Unternehmen und Banken in den Abgrund reißt? Aber eine Bankpleite an sich ist etwas so Natürliches und Notwendiges, wenn auch Schmerzvolles wie der menschliche Tod. Und wer sie prinzipiell verhindern will, ermuntert nur zu fahrlässiger Sorglosigkeit.

Die unkoordinierte Überregulierung und der Machtkampf unter den diversen Regulierern treibt derzeit unsere Banken mit erhöhtem Tempo in die Krise. Ständig werden von irgendwelchen, die eigene Existenznotwendigkeit unterstreichenden Gremien die Bankregeln geändert, verschärft, verkompliziert.

Ob solches nun die nationalen Bankaufseher wie Finanzmarktaufsicht und Notenbank tun (die soeben in Österreich mit neuen Regeln die Banken weitgehend aus dem Ostgeschäft hinausschießen), ob es die neue Europäische Bankenaufsicht tut (die sich besonders radikal zu gebärden versucht), ob es die EZB tut (die ständig andere Refinanzierungsregeln hat), ob es die G20 tun, ob es die EU-Regierungschefs oder die nationalen Gesetzgeber tun, ob es der IWF tut, ob es die OECD tut, die Basler BIZ (die Zentralbank aller Zentralbanken), die EU-Kommission, die Finanzminister (die nach der neuen Börsensteuer nun an einer Finanzmarkttransaktionssteuer basteln), oder ob es die EBRD der EU tut (die um selber wieder ins Ostgeschäft zu kommen, die dortigen Volkswirtschaften krankjammert): Sie alle glauben meist, etwas Gutes zu tun und stiften schon allein durch ihre Vielfalt und die Unterschiedlichkeit ihrer Beschlüsse und Vorgaben nur weiteres Chaos. Sie wollen aber keinesfalls am Ende Verantwortung oder gar Schuld tragen.

Das Europäische Parlament will das schon gar nicht. Hat es doch schon angekündigt, die – nach Vernunft klingenden – deutsch-französischen Bestrebungen zu sabotieren, in der EU endlich, aber nun rasch einen Mechanismus für Staatspleiten schaffen zu wollen. Dabei ist dieses Parlament die hemmungsloseste Ansammlung von populistischen Verschwendern im ganzen europäischen Getriebe. Was auch kein Wunder ist, ist doch immer nur die zweite Garnitur nach Brüssel geschickt worden.

Um nur noch einen einzigen weiteren, fast nie angesprochenen Verantwortungsbereich zu nennen: Das sind die Gerichte, die ständig einzelnen Individuen gegenüber den Staaten angeblich wohlerworbene Rechte zubilligen. Diese Rechte mögen zwar wohl erworben sein – nur wohl finanzierbar sind sie in keiner Weise.

Kann man wirklich in all diesen Bereichen ein rasches Umdenken erreichen? Ich zweifle heute mehr denn je.

 

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Fußnote 237: Die Ehre der Aphrodite drucken

Niemand weiß, wie die griechische Regierung den Monat Dezember finanziell überstehen wird. Aber an den dortigen Gerichten werden dennoch unverdrossen ganz seltsame Prozesse geführt.

Dort werden nämlich jetzt reihenweise Redakteure und Journalisten des deutschen „Focus“-Magazins angeklagt, weil dieses eine Aphrodite gezeigt hat, die den Deutschen den Stinkefinger zeigt. Jeder, der die europäischen Menschrechtsjudikatur kennt, weiß, dass eine eventuelle Verurteilung der Deutschen irgendwann nach fünf Jahren vom Straßburger Gerichtshof unter der Überschrift Meinungsfreiheit aufgehoben werden wird. Daran kann die Behauptung wohl nichts ändern, dass die Liebesgöttin noch immer ein griechisches Staatssymbol sei (2011 Jahre nach Christus, nicht 500 vor!). Weil in Europa Meinungsfreiheit heute (noch!) einen so hohen Stellenwert hat, wird ja auch in Deutschland kein griechischer Journalist auf die Anklagebank gesetzt, obwohl dort die Deutschen reihenweise mit dem Hakenkreuz in Verbindung gebracht worden sind. Was ja zweifellos einen juristisch härteren Vorwurf bedeutet, als ihn der bloße Stinkefinger verkörpert. Aber jedenfalls haben die griechischen Gerichte einmal wirklich etwas zu tun. Und daher auch keine Zeit, den heimischen Steuerbetrügern mit Effizienz nachzugehen.

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Die Zeit scheint abzulaufen: Vor dem „Eurogeddon“? drucken

Der mutmaßlich vom US-Ökonomen Paul Krugman erstmals gebrauchte Begriff „Eurogeddon“ kommt nicht zufällig gerade zu einer Zeit in die Welt, als eine Rettungsaktion für den Euro die nächste jagt. Was ist das für ein merkwürdiges Geld, das pausenlos – vor wem oder was eigentlich? – „gerettet“ werden muss?

Abraham Lincoln verdanken wir die Erkenntnis, dass man „… einige Leute die ganze Zeit, alle Leute einige Zeit, aber nicht alle Leute die ganze Zeit zum Narren halten“ kann. Da dieser Befund auch auf das bürokratische Elitenprojekt der europäischen Gemeinschaftswährung zutrifft, steht die Nomenklatura gegenwärtig vor immer größeren Problemen, die Illusion von deren Vorteilhaftigkeit für alle teilnehmenden Volkswirtschaften aufrecht zu erhalten. Viele der vor seiner Einführung genannten Vorzüge des Euro entpuppen sich dieser Tage entweder als falsch, oder sie basier(t)en auf nicht gegebenen Voraussetzungen.

Jedermann ist klar, dass die Belastbarkeit einer Kette vom schwächsten ihrer Glieder abhängt. Beim Zusammenschluss von wirtschaftlich starken und schwachen Staaten verhält es sich nicht anders. Die (auch von der Nationalbank in einer aktuellen Kampagne nach wie vor getrommelte) Propaganda, wonach eine gemeinsame Währung zuverlässig gegen Angriffe bitterböser „Spekulanten“ immunisieren würde, erweist sich soeben in spektakulärer Weise als unsinnig. Die Behauptung wäre plausibel, wenn es sich um einen Zusammenschluß gleichwertiger Partner handelte.

Davon konnte und kann indes keine Rede sein. Deshalb konnte die angeblich überlegene Gemeinschaftswährung auch nicht verhindern, dass die schwächelnden Mitglieder des „Club Med“ heute deutlich höhere Zinsen für ihre Staatsanleihen zu bezahlen haben, als etwa Deutschland oder Holland.

Der einst behauptete, gemeinschaftliche Nutzen mutiert zum Fluch: Schwache Volkswirtschaften verlieren unter dem Joch der gemeinsamen Währung laufend an Wettbewerbsfähigkeit, während die starken Partner durch institutionalisierte Transferzahlungen dauerhaft ausgeblutet werden; wie innerhalb des den Wohlstand zersetzenden, nationalen Wohlfahrtsstaates, so auch eine Ebene höher! Das versprochene „Win-win-Szenario“ entwickelt sich zum Alptraum für alle Beteiligten. Und an die Stelle der intendierten Integration Europas tritt dessen tiefe Spaltung…

Langsam beginnt es auch wirtschafts- und finanzpolitischen Themen weniger interessierten Zeitgenossen – ja sogar einigen Wirtschaftsredakteuren der Hauptstrommedien! – zu dämmern, dass die von den Granden der Union und von willfährigen nationalen Parlamenten beschworene „Solidarität“ seriöser Kreditoren mit dubiosen Debitoren massive Nachteile für die stabilen Mitglieder der Gemeinschaft mit sich bringt.

Kein bei klarem Verstand befindlicher Mensch erachtet es für logisch, sinnvoll oder gerecht, die Kreditwürdigkeit eines Einzelnen daran zu messen, wie seine Nachbarn es mit ihren Finanzen halten. Die Bonität jedes Kreditwerbers wird selbstverständlich individuell bewertet. Sowohl ob er einen Kredit erhält, als auch der von ihm zu entrichtende Zins hängen maßgeblich von seiner wirtschaftlichen Lage und den gebotenen Sicherheiten ab. Weshalb diese einleuchtende und die Sorgfalt sowohl des Kreditgebers als auch des -nehmers fördernde Vorgangsweise auf der Ebene von Nationalstaaten nicht gelten sollte, ist beim besten Willen nicht einzusehen.

„Eurobonds“ bedeuten nicht mehr und nicht weniger, als einen weiteren Schritt auf dem Weg in ein gleichgeschaltetes Schuldenimperium. Eurobonds bedeuten eine Kollektivierung der Haftung für Verbindlichkeiten der Nationalstaaten – wovon ausschließlich potentielle Pleitekandidaten profitieren – und eine weitere Aufwertung der europäischen Zentralbürokratie, was allen Bürgern gleichermaßen schadet.

So wie die Einführung einer bundsweiten Einkommensteuer in den USA anno 1913 der Regierung in Washington ungeheure Macht über die bis dahin einigermaßen autonomen Gliedstaaten verschaffte, würden „Eurobonds“ das endgültige Ende jeder finanziellen Autonomie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union bedeuten. Denn das Recht, über die Zuteilung der auf diese Weise aufgebrachten Mittel zu befinden, bringt für die Brüssler Zentrale faktisch weitreichende „Durchgriffsrechte“ gegenüber den einzelnen Staaten mit sich.

Damit wird nicht nur der politischen Willkür der Zentrale Vorschub geleistet, sondern auch einer weiteren Zunahme der Verantwortungslosigkeit in den Provinzen des Imperiums Tür und Tor geöffnet. Jede nationale Regierung wird sich fürderhin – völlig zu Recht - hinter einem „Diktat aus Brüssel“ verstecken und jede Verantwortung für ihr Handeln von sich weisen können. Geschichtsbewusste Österreicher sollten um diesen Mechanismus besser Bescheid wissen als andere Europäer: Nach der Hyperinflation des Jahres 1922 stellte sich die heimische Regierung unter Kuratel des Völkerbundes und gab damit (anders als die deutsche ein Jahr später) mutwillig jeden Handlungsspielraum aus der Hand.

Dass heute ausgerechnet von der Regierung Deutschlands einer weiteren Aufgabe souveräner Rechte zugunsten des Brüsseler Molochs das Wort geredet wird, ist unbegreiflich und kann nur mit historisch bedingten Neurosen erklärt werden. Allein Deutschland verfügt gegenwärtig über die wirtschaftliche Kraft, zu verhindern, dass der Vorhang sich zum vermutlich letzten Akt hebt – der Einführung der „Eurobonds“.

Immerhin konnte die Regierung Deutschlands die totale Politisierung der EZB bislang noch verhindern. Geben die Deutschen ihren hinhaltenden Widerstand am Ende allerdings doch noch auf, hat die Eurozone gute Chancen, den aktuellen „Hässlichkeitswettbewerb“ der Währungen gegen das Britische Pfund und den US-Dollar zu gewinnen.

Unter dem Eindruck einer weiter verschärften Inflationierung würden die Bürger damit beginnen, zu „entsparen“ und auf den Pfad zum kollektiven Wohlstandsverlust abbiegen. Ersparnisse auf seriöse Weise zu veranlagen würde jeden Sinn verlieren. Eine kurze „Katastrophenhausse“ könnte dann den Auftakt zur Hyperinflation – mit allen damit verbundenen Konsequenzen – markieren…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Und jetzt hat es auch Deutschland erreicht drucken

Nicht einmal mehr die Bundesrepublik bekommt seit Mittwoch ihre gesamten auf den Finanzmärkten angebotenen Staatsanleihen los. Damit stehen viele als blamiert da. Damit ist aber auch die Ursache der Katastrophe messerscharf bloßgelegt.

Blamiert sind alle jene, die in den letzten Monaten Deutschland und andere Länder in oft rüdem Ton zu mehr „Solidarität“, also zu noch leichtfertigerer Schuldenaufnahme aufgefordert haben. Fast sämtliche Linkspolitiker und Kommentatoren Europas müssten daher eigentlich ab jetzt für immer schweigen. Selbst die Deutschen sind nämlich seit langem nur relativ besser dagestanden als andere Länder, von gut war aber auch dort keine Rede.

Heute ist aber auch Angela Merkel blamiert, weil sie seit Mai 2010 immer wieder – damals noch – gutes Geld dem schon verbrannten nachgeworfen hat. Sie hat damit Deutschland mit in den Schuldenstrudel gestürzt. Und damit auch andere Länder wie das jeder eigenen Außen- und Finanzpolitik bare Österreich (dessen Politiker sich ohnedies nicht mehr weiter blamieren können).

Blamiert haben sich alle jene Politiker, die in den letzten Jahren trotz einer steigenden Staatsverschuldung auch nur einmal gesagt haben: „Aber das muss das . . .reichste Land der Welt sich doch leisten können“, oder: „Der Molterer soll nicht so auf seinem Geld sitzen“, oder: „Der Grasser mit seinem Nulldefizitfimmel“, oder: „Schüssels soziale Kälte“, oder: „Zuerst brauchen wir Wachstum, dann können wir später sparen“ usw. Und blamiert ist auch jeder einzelne Abgeordnete, der in den letzten Jahren Gesetzesentwürfen mit Mehrausgaben zugestimmt hat. Also primär die Abgeordneten der Regierungsparteien, aber oft genug auch die der Opposition, die auch immer besonders laut weitere Ausgaben gefordert haben.

Blamiert sind auch die Freiheitlichen, die in der letzten Zeit von der Trennung in einen guten Nord- und einen schlechten Südeuro oder gar von einem Neo-Schilling fabuliert haben. Ohne ganz konkretes Sparen hier und jetzt ist jeder Euro, jeder Schilling, jede D-Mark gefährdet.

Und bis auf die Knochen blamiert ist auch die EU-Kommission. Denn es ist wohl kein Zufall, dass die Geldgeber nun genau an jenem Tag auch Deutschland boykottieren, da die Kommission (mit Unterstützung auch fast aller österreichischen EU-Abgeordneten von Karas bis Swoboda!) den Druck massiv und öffentlich erhöht hat, Eurobonds auszugeben. Das sind ja nichts anderes als Anleihen, bei denen die Deutschen in irgendeiner Form für Griechenland & Co mithaften sollten.

Das alles ist ein historischer Paradigmenwechsel. Noch nie ist den europäischen Staaten in ihrer Gesamtheit und als Institution so sehr das Misstrauen ausgesprochen worden. Das erschüttert Staaten und Demokratie in ihren Grundfesten. Und die Parteien erst recht.

Alle einfachen und schmerzarmen Auswege sind ihretwegen längst versäumt worden. Und in Österreich treten gerade die Arbeiterkämmerer aller Couleur zum Sturm auf  die Idee einer Schuldenbremse an . . .

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Wie wirkte sich der Euro auf Staatsanleihen aus? drucken

Risikoaufschläge auf 10-jährige Staatsanleihen ausgewählter Euroländer seit 1990

 

 

Quelle: AA & MR, Datastream, zerohedge.com

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Welcher Euro-Staat hat welchen Anteil an den Gesamtschulden? drucken

Anteil der Staaten der Eurozone an der Gesamtmenge der Staatsschulden, sowie Schuldenstand in Milliarden

 

Anmerkung: bn = Milliarden

Quelle: AA & MR, Datastream, zerohedge.com

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Die Abwahl von Regierungen macht nur kurze Freude drucken

Nach Spanien am vergangenen Sonntag in ein paar Tagen wohl auch Slowenien: Sozialdemokratische Regierungen werden reihenweise aus dem Amt gefegt. Das bedeutet zwar ein Ende der Verirrungen, die Europa als Spätfolge der zerstörerischen 68er Ideologie erfasst haben. Was bedeutet das aber jenseits aller nationalen Besonderheiten für die gesamteuropäische Krise?

Das signalisiert primär einen allgemeinen Frust der Wähler angesichts der nicht bewältigten und auch nicht bewältigbaren Euro-Krise. Es bedeutet damit fast automatisch eine Absage an jeden, der in einem Euro-Land regiert. Demnächst werden ja wohl auch einige jener Regierungen stürzen, die rechts der Mitte stehen, wie etwa die französische.

Die österreichische Linksrechts-Koalition hat zwar noch bis 2013 mit den nächsten Wahlen Zeit. Das bisweilen in Zeitungen aufflackernde Gerede von vorzeitigen Neuwahlen ist nicht wirklich ernst zu nehmen. Aber dann werden Rot und Schwarz wahrscheinlich Mühe haben, gemeinsam noch einmal die 50 Prozent zu erreichen. Das sind wohlgemerkt zwei Parteien, die gemeinsam bis in die 80er Jahre 90 Prozent hatten und auch in der Folge noch lange die Zweidrittelmehrheit.

Nur: Die Alternativen sind rar, wenn man die europaweiten Trends zu analysieren versucht: Viele Wähler wenden sich insbesondere frustriert dem Lager der Nichtwähler zu. Womit sie freilich nur eines erreichen: dass die Stimmen aller anderen noch gewichtiger werden. Profitieren können Linksaußenparteien – freilich auf niedrigem Niveau – und insbesondere Parteien mit einem starken nationalen beziehungsweise fremdenfeindlichen Akzent. Die spanischen Wahlsieger sind ja sehr durch den spanischen Nationalismus geprägt, der sich gegen die „Anderen“ im eigenen Staat richtet, die halb oder ganz weg von Madrids Oberhoheit wollen, wie vor allem Basken und Katalanen.

Gewiss gibt es auch einige Erfolge liberale Ordnungsideen, insbesondere in Nicht Euro-Ländern: Siehe Polen, Skandinavien, Baltikum und nicht zuletzt Großbritannien. Im wichtigsten Land Europas hat die FDP aber inzwischen schon wieder jeden Kredit für seriöse Ordnungspolitik verspielt – wohl auch wegen ihrer mangelnder Ernsthaftigkeit – und damit die nächste Linkswende schon vorbereitet.

Man kommt zwar in Europa zunehmend zur Erkenntnis, dass die sozialdemokratische Wohlfahrtsstaats-Illusion die Hauptursache der Schuldenkrise ist. Die gigantischen Fehlinvestitionen vor allem der sozialistischen Ära in Spanien – an denen auch die sinnlose Freigiebigkeit der diversen EU-Struktur- und Kohäsionsfonds für jenes Land gehörig Mitschuld trägt – haben zwar ein kurzes Konjunktur-Strohfeuer entzünden können. Sie haben aber langfristig unzählige Bauruinen hinterlassen samt noch gewaltigeren Schulden. Ansonsten blieb vom Sozialismus in Spanien eine moralische Wüste mit zahllosen feministischen und schwulen Verirrungen.

Von der langfristig tödlichen Wohlfahrtsstaats-Illusion sind viele andere Gruppierungen nicht verschont geblieben. Auch die meisten Konservativen und Christdemokraten haben sich im Lauf der letzten Jahrzehnte voll mit dieser „progressiven“ Krankheit infiziert. Und bei den fremdenfeindlichen Parteien fehlen – neben ihren legitimen migrationsskeptischen Ansätzen – die sozial- und wirtschaftspolitischen Konzepte meist ganz. Oder diese Parteien sind sozialistischer als die Sozialdemokraten, sie ersetzen lediglich die internationalistische Rhetorik durch eine nationalistische.

Freilich: So sehr man den Parteien den Vorwurf machen muss, dass sie mit ihrer fast durchwegs sozialdemokatisch-keynesianischen Schuldenpolitik die Krise verursacht haben, so wenig kann man ihnen heute die Tatsache zum Vorwurf machen, dass sie keine Ahnung haben, wie Europa schnell aus der Krise zu führen ist.

Denn zunehmend setzt sich zumindest bei ehrlichen Analysen die Erkenntnis durch: Es gibt gar keinen schmerzfreien Ausweg mehr. Dazu ist es viel zu spät. Die Länder Europas müssen jetzt in einer viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte langen Periode der Askese die Rechnungen für die letzten 40 Jahre zahlen, in denen die Staatsschulden so sehr zugenommen haben, in denen es sich die Menschen gut gehen haben lassen.

Wer jetzt behauptet, ein funktionierendes Rezept zu haben, der lügt. Die Schuldenkatastrophe ist weder durch die Rückkehr zu den alten Währungen noch durch die Teilung des Euro in zwei Blöcke noch durch Eurobonds-Tricksereien mehr geordnet lösbar. Selbst die eine Zeitlang forcierte „Hebelung“ durch die Aufnahme von Billionen-Krediten funktioniert nicht mehr: China&Co denken aus Eigeninteresse gar nicht daran, Europa Geld zu schenken, pardon: „borgen“.

Europas Staaten stehen praktisch allesamt vor der grauslichen Alternative: Zahlungsunfähigkeit oder Entsorgung der Schulden via Megainflation. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es zur Inflation kommen, also zu einer Entschuldung der Staaten zu Lasten all jener, die etwas gespart, die auf irgendein Pensionssystem (staatlicher oder privater Natur) vertraut oder die Lebensversicherungen abgeschlossen haben. Aber auf dem Weg der Inflation ersparen sich Politik und Bürokratie den Offenbarungseid, dass die Staatsgehälter nicht bezahlt werden können. Selbst die europäische Zentralbank ist ja schon längst von jenen übernommen, die sich im Zweifel für die Inflation entscheiden. Gegen ihren eindeutigen Auftrag.

Man wird wohl schon über eines froh sein müssen: Wenn es in diesen Krisenjahren gelingt, den Rechtsstaat samt den wichtigsten Bürgerrechten (soweit diese nach den gutmenschlichen Zerstörungsaktionen noch vorhanden sind) zu retten; wenn es gelingt, den Weg in die Diktatur zu vermeiden. Die durch Deutschland ziehenden neonazistischen Mörderbanden machen freilich deutlich, wie nahe der totale Absturz schon ist.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Die letzten Tage des Euro? drucken

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht…“ reimte Heinrich Heine vor bald 200 Jahren – als ob er die Lage Eurolands im November 2011 beschreiben wollte. Mit der Haltung Deutschlands in der Frage der „Eurorettung“ (mittlerweile geht es ja bereits um verzweifelte Rettungsversuche für mehrere bislang auf den Weg gebrachte Rettungsversuche!) steht und fällt die Gemeinschaftswährung der Union.

Wie der Finanzexperte Liam Halligan im Londoner „Telegraph“ am 15. 11. treffend feststellte, verfügt allein Deutschland über das nötige Gewicht, diese Entscheidung zu treffen. Er kommt in seiner Analyse zum – besonders für Briten und Welsche einigermaßen demütigenden Schluss: „The unavoidable truth is that Germany, practically the only large Western economy with genuine fiscal strength, is in command of the eurozone.“ Richtig erkannt! Alle anderen europäischen Akteure stehen entweder selbst am Rande der Pleite oder sie sind zu schwach.

Der dieser Tage auf Kanzlerin Merkel lastende Druck ist folglich gewaltig. Franzosen – die Hauptprofiteure der Rolle Deutschlands als Zahlmeister der EUdSSR, Briten – als Inflationierungsgroßmeister der Union und US-Amerikaner – als die hemmungslosesten Geldproduzenten weltweit, werden in ihren Anstrengungen nicht nachlassen, die Deutschen dazu zu nötigen, die Schleusen der Geldpolitik vollends zu öffnen, ihren Widerstand aufzugeben und einer grenzenlosen Ausdehnung der Geldmenge in der Eurozone zuzustimmen. Der obligate Hinweis auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts und die daraus resultierende, niemals endende Verantwortung der Deutschen, hat bisher noch nie seine Wirkung verfehlt. So wird es wohl auch diesmal sein. Deutschland darf nicht binnen hundert Jahren ein drittes Mal die Schuld für ein europäisches Verhängnis auf sich laden…

Die Entscheidung muss – in Abwesenheit eines genialen Steuermanns – zwischen Skylla und Charybdis getroffen werden: Entweder die Deutschen beharren auf einer Einhaltung der bestehenden Verträge – dann ist Italien pleite und die Währungsunion erledigt; oder sie knicken unter dem internationalen Druck ein und geben den Weg zur Hyperinflation frei.

Wie ganz und gar verkommen das bestehende Politsystem Eurolands ist, wird allein dadurch deutlich, dass es überhaupt Debatten darüber gibt, ob es in Ordnung ist, Verträge einzuhalten und der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, freches Lügen explizit zur Tugend der politischen Eliten erklärt hat.

Zu erwarten, dass es gelingen könnte, durch das Bedrucken von Papier einen Jahrzehnte lang weltweit betriebenen Verschuldungsexzess zu einem guten Ende zu bringen – und zwar ohne kollektive Wohlstandsverluste – ist illusorisch. Entweder man hält seine Finanzen in Ordnung, kauft was man auch tatsächlich bezahlen kann und behält seine finanzielle Unabhängigkeit, oder man geht auf Teufel komm raus absurd hohe Verbindlichkeiten ein, liefert sich seinen Gläubigern aus und ist irgendwann pleite.

Die Vorstellung, dass Staaten aus geheimnisvoll im Dunkeln liegenden Gründen von dieser Gesetzmäßigkeit nicht betroffen sein könnten, da sie ja – anders als private Debitoren – über das Privileg zur Geldproduktion verfügen, ist historisch vielfach widerlegt. Ergo: Entweder man fasst sich in Geduld und übt Konsumverzicht, um begehrte Güter mit seinen Ersparnissen zu bezahlen, oder man will alles sofort, nimmt Kredite auf und zahlt ab. Die Wohlfahrtsstaaten dieser Welt haben sich vor Jahrzehnten allesamt gegen die Ansparvariante entschieden. Jetzt ist Zahltag!

Was die Apologeten einer Verlängerung der Schuldenpolitik durch Einsatz der Geldpressen allzu gerne verschweigen: Auch eine Aufhebung sämtlicher die Geldproduktion derzeit noch begrenzenden Barrieren wäre nicht imstande, die aus der wirtschaftlichen Inhomogenität der Eurozone resultierenden Probleme zu lösen. Denn ebenso schnell, wie das Geld aus den Druckerpressen läuft, fließt es auch schon wieder an die produktivsten Standorte, wo es die besten Investitionsmöglichkeiten vorfindet. Strukturunterschiede sind mit monetären Mitteln nicht zu beheben.

Am Beispiel Griechenlands wird es deutlich: Nur ein Bruchteil der seitens der europäischen „Solidargemeinschaft“ dorthin transferierten Mittel bleibt tatsächlich im Lande. Der Großteil macht sich postwendend wieder auf den Weg zurück in starke und – zumindest relativ – gesunde Volkswirtschaften. Jene Sonntagsreden, in denen „Neuinvestitionen“ beschworen werden, um auf diese Weise maroden Staaten auf die Beine zu helfen, sind blanke Ironie. Kein privater Investor, der bei Verstand ist, sieht die geringste Veranlassung, in korrupten Balkanrepubliken oder in randständigen Ländern ohne ausreichend vorhandenes, gut ausgebildetes Arbeitskräfteangebot zu investieren! Griechenland und Portugal werden daher auf absehbare Zeit die Armenhäuser Europas bleiben – auch dann, wenn die EZB demnächst auf den hochriskanten Kurs der US-Notenbank FED einschwenken sollte.

Darüber hinaus trifft es nicht einmal zu, dass neu geschaffenes Geld wenigstens in den wirtschaftlich starken Ländern positive Entwicklungen anstoßen würde. Es führt vielmehr zu überzogenen Investitionen in bestimmten Sektoren – z. B. bei Immobilien. „Blasenbildungen“ sind typische Folgen inflationistischer Geldpolitik. Der anno 2000 zum Ende gekommene „Dot-Com-Boom“ oder die US-Subprimekrise des Jahres 2007 sind dafür symptomatisch.

Was wirtschaftlich und währungstechnisch nicht zusammen passt, das hätte die Eurokratie nicht unter das Joch einer gemeinsamen Währung zwingen sollen. Es liegt nun an Frau Merkel, über das Schicksal der Union zu entscheiden. Eine nicht nur für Franzosen deprimierende Vorstellung. Welchen Weg auch immer sie wählen mag – die von einer abgehobenen Politelite angestrebte, orwell´sche Gleichschaltung Europas werden wir – dem bevorstehenden Kollaps sei Dank – wohl nicht erleben. Immerhin.

http://www.telegraph.co.uk/finance/comment/liamhalligan/8886350/Germany-must-decide-if-it-wants-the-eurozone-to-survive-or-perish.html

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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