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Wenn die Politik der Wähler überdrüssig wird

Wahlen? Derzeit sinnlos. „Wahlen bedeuten heillose Versprechungen. Extreme Parteien von rechts und links würden gewinnen.“ Selten wurde der Demokratie eine so unverblümte Absage erteilt. Der Mann, der da Wahlen am liebsten abschaffen würde, heißt jedoch Hannes Swoboda, und er ist immerhin Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im europäischen Parlament. Da läutet offenbar eine ganz gewichtige Stimme eine ganz neue Debatte über eine fundamentale Krise der Demokratie ein.

Der SPÖ-Mann Swoboda hat aus Anlass der bevorstehenden griechischen Wahlen gesprochen. Die Politiker, die dabei antreten, stehen derzeit allesamt unter internationalem Druck, massivste und unpopuläre Sparmaßnahmen zu beschließen. Sie sollen also jetzt all das wieder abschaffen, womit sie in den letzten Jahrzehnten die Stimmen der Wähler gekauft haben. Was die Politiker vor ein dramatisches Dilemma stellt. Denn in ein paar Wochen bekommen sie von den Wählern das nächste Zeugnis ausgestellt. Die Wähler aber zeigen derzeit einen Maximum an Hass auf die gesamte Politik. Kein Wunder, dass da bei den Volksvertretern Panik ausbricht.

Was einen eigentlich kalt lassen könnte. Schließlich ist die Demokratie für die Bürger, nicht die Politiker geschaffen worden.

Die Problematik geht jedoch weit über diese griechischen Wochen hinaus. Sie lässt immer häufiger die Frage aufkommen: Ist vielleicht gar die Demokratie als solche am Ende? Ist die historische Epoche des Triumphs der demokratischen über alle anderen Staatsformen schon im Abklingen? Sind die Politiker in ihrer Abhängigkeit von den oft sehr oberflächlichen und egoistischen Reflexen vieler Wähler so populistisch geworden, dass sie nicht mehr imstande oder willens sind, das Richtige und Notwendige zu tun? Sind dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – die Wähler der Politiker überdrüssig geworden?

Diese Fragen lassen sich zwar nicht letztgültig beantworten. Ihr skeptischer Kern hat aber jedenfalls viel für sich. Die Demokratie birgt ein unüberbrückbares Dilemma zwischen dem Erwünscht-Angenehmen und dem Unerwünscht-Notwendigen.

Dieses Dilemma hat etwa dazu geführt, dass von Italien bis Griechenland heute nicht mehr vom Volk direkt oder indirekt gewählte Politiker als Regierungschefs agieren, sondern parteilose Experten, die ohne Rücksicht auf Wähler und Wahltag handeln sollen und können.

Freilich müssen auch sie jede Gesetzesänderung am Ende vor die gewählten Volksvertretungen bringen. Die dortigen Abgeordneten sind derzeit aber nur unter massivstem Druck zu einer Zustimmung zu einschneidenden Spar- und Sanierungsmaßnahmen zu bewegen. Ein solcher Druck lässt sich jedoch naturgemäß nicht dauerhaft aufrechterhalten. Womit auch das griechisch-italienische Modell keine wirkliche Lösung des Demokratie-Dilemmas ist.

Dieses Dilemma beherrscht aber auch die österreichische Politik, wenngleich auf anderem Niveau. Da hat etwa der Wiener Bürgermeister Michael Häupl Wahlkämpfe als Zeiten konzentrierten Unsinns bezeichnet; was zwar richtig ist, aber eben nicht gerade von Respekt eines Volksvertreters vor dem demokratischen Souverän zeugt, wenn er die Zeiten des Dialogs zwischen Wähler und Gewähltem so zynisch sieht. Da hat die Regierung Gusenbauer-Molterer die Dauer einer Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert; man wollte nicht durch die Wähler beim Regieren gehindert werden.

Die „heillosen Versprechungen“, von denen Swoboda in Hinblick auf Griechenland spricht, die hat Österreich aber auch schon selbst erlebt. Am weitaus schlimmsten im September 2008, als das Parlament drei Tage vor der Wahl Milliarden zur Wählerbestechung beim Fenster hinausgeworfen hat. Milliarden, die dann später mit zur gegenwärtigen Krise samt Sparpaket geführt haben. Swoboda hat damals freilich keineswegs von „sinnlosen“ Wahlen gesprochen, war doch seine Partei die Hauptschuldige jener Aktion.

Alternativen zur Demokratie

Was aber sind langfristig die Folgen des Demokratie-Dilemmas? Es ist in der Tat nicht mehr absolut auszuschließen, dass viele heute demokratische Staaten in die Unregierbarkeit, in Chaos, in Gesetzlosigkeit versinken. Dass staatliche Strukturen nur noch in wenigen Bereichen funktionieren, dass statt dessen Kriminalität, Chaos und Faustrecht regieren. Während die Staaten immer noch mehr Gesetze beschließen, werden immer weniger Gesetze befolgt, und am Schluss gar keines mehr.

Eine andere, aber ebenfalls keineswegs erfreuliche Folge wäre der starke Mann, der unter vielerlei Versprechungen die Macht an sich reißt oder gar angedienert bekommt. Um sie erst wieder abzugeben, wenn er militärisch besiegt oder in einem revolutionären Kraftakt gestürzt würde. Ein solcher starker Mann war etwa Napoleon, der die blutigen Wirren der Französischen Revolution (die ja ursprünglich durchaus demokratisch-rechtsstaatlich begonnen hatte!) zur anfänglichen Erleichterung vieler Franzosen durch seine Machtergreifung beendete. Aber letztlich hat eben auch der einst so bejubelte Napoleon sein Land ins Elend gestürzt.

Ein erstaunlich erfolgreiches und schon lange funktionierendes Alternativmodell stellt die direkte Demokratie der Schweiz dar. Dort haben sich die Stimmbürger seit Jahrzehnten als viel verantwortungsbewusster denn die üblichen Machtträger der repräsentativen Demokratie erwiesen. Von der Landesverteidigung bis zur Schuldenfrage haben die Schweizer immer gezeigt, dass sie sich der Konsequenzen ihres Stimmverhaltens bewusst sind. Ihr Modell funktioniert – obwohl die direkte Demokratie immer als hemmungsloser Griff der Bürger in die Staatskasse attackiert wird.

Die Perspektiven dieser durchaus unterschiedlichen Alternativen wachsen jedenfalls. Das heißt aber noch nicht, dass die repräsentative Demokratie unwiderruflich am Ende ihres historischen Lebenszyklus angelangt sein muss. Aber sie braucht dasselbe wie die direkte Demokratie: ein hohes Ausmaß an Verantwortungsbewusstsein, sowohl der Wähler wie auch der Machthaber.

Dieses Bewusstsein wird jedoch von vielen Medien, Parteien und Gewerkschaften nicht gefördert, die statt dessen ständig Kurzsichtigkeit und Gruppenegoismus propagieren. Was vielen Bürgern aufs erste als die angenehmere Alternative gegenüber der sparsamen Strenge der schwäbischen Hausfrau erscheint. Obwohl sie – würde man nur ehrlich mit ihnen reden und ihnen nicht eine sozialutopische Fata Morgana vorgaukeln – an sich durchaus imstande sind, Notwendigkeiten zu begreifen.

Nationaler Grundkonsens ist entscheidend

Letztlich braucht jede funktionierende Gesellschaft einen grundlegenden Konsens zwischen Mächtigen und Bürgern: über die Notwendigkeiten des Zusammenlebens, über das Verhältnis von Rechten und Pflichten, über grundlegende Werte – altmodisch würde man sagen: über Moral – und auch über die volkswirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten. Es geht um den Wert der Familie, um Sparsamkeit, um die „Rule of law“, um die Treue gegenüber als durchwegs sinnvoll empfundenen Gesetzen (auch wenn einem kein Polizist über die Schultern blickt), um das Prinzip „Pacta sunt servanda“, um die Notwendigkeit von Leistung und Anstrengung, um gegenseitige Rücksicht und um die Wichtigkeit von Grundrechten, insbesondere Meinungsfreiheit, Menschenwürde, Eigentumsrechte und das Verbot von Willkür.

Wenn dieses Fundament funktioniert, dann funktioniert auch jedes politische System. Und die Demokratie tut das am besten. Dann muss auch ein Swoboda keine Wahlen mehr fürchten.

Die europäischen Völker haben aber anscheinend nach zwei Generationen eines so lange wie noch nie herrschenden Friedens und beständigen Wohlstandszuwachs viel von diesen Grundlagen verlernt. Und dann kann gar kein System mehr funktionieren.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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