Wie Österreich arm gerechnet wird

Immer mehr Armuts-Kennzahlen beschreiben ein und dieselbe Situation der etwa vier Prozent an „wirklich Armen“ in Österreich. Weil Journalisten wie Medien von den immer ähnlicher werdenden Kennzahlen überfordert sind, glaubt die Öffentlichkeit, jede einzelne für sich würde eine andere Armut beschreiben und ist schockiert. Die Mittelschicht fühlt sich von Armut und Abstieg bedroht. Das ist auch so gewollt.

Exemplarisch, wie mit Armuts-Kennzahlen Abstiegsangst geschürt wird, ist die der „Armutsgefährdeten“. So bezeichnet die EU seit dem Rat von Laeken (2001) alle, die weniger als 60 Prozent eines (jährlich aktualisierten) „äquivalisierten Haushaltseinkommens“ verdienen. Dieses Haushaltseinkommen besteht aus der Summe aller Erwerbseinkommen und Sozialleistungen eines Haushaltes. Wer bloß 40 Prozent weniger verdient als der Landesdurchschnitt (also 60 Prozent), wird schon als „armutsgefährdet“ angeführt. Auch wenn er in einer Eigentumswohnung lebt oder ein Ferienhaus in Ungarn besitzt.

Trend: Langfristig sinkend

EU-weit lag die Quote 2009 etwa bei 16% Prozent, am geringsten war sie mit 9 Prozent in Tschechien, am höchsten mit 22 Prozent in Rumänien.

In Österreich sank die Quote über die letzten 15 Jahre leicht aber stetig auf etwa 12 Prozent. Allerdings kommt man auf den Österreichwert von 12 Prozent nur, wenn man auch die kurzfristig Betroffenen mit einbezieht. Länger als ein Jahr sind in Österreich nur 6 Prozent der Bürger armutsgefährdet.

Auf Null wird der Wert wohl niemals sinken. Denn armutsgefährdet ist, wer 60 Prozent des Durchschnittes unterschreitet. Steigt der Durchschnitt aller hier Lebenden in einem Jahr um 2 Prozent real, die Einkommen der „Armutsgefährdeten“ aber nur um 1,5 Prozent, dann sind die Armutsgefährdeten zwar neben der Inflation um weitere 1,5 Prozent reicher geworden, ihr (relativer) Anteil an der Gesellschaft ist aber trotzdem gestiegen.

Arm mit 2.238 Euro netto monatlich?

Die meisten Österreicher setzen „armutsgefährdet“ mit arm gleich. Dabei kommt man auf die 12 Prozent nur, wenn man vierköpfige Familien dazuzählt, die knapp 2.238 Euro verdienen. Und die 2.238 Euro sind auch nur die reinen Geldleistungen, über die die Familie dann verfügt. Nicht gewertet – bzw. dazu kommen jetzt noch kostenlose Arzt- und Krankenhausbesuche, Medikamente, gratis Schule mit gratis Büchern oder eine günstige Gemeindewohnung.

Eine Familie, die heute aber in einer schön (en) (subventionierten) Gemeindewohnung lebt und über 2.200 Euro im Monat ausgeben kann, ist mit Sicherheit nicht arm. Natürlich kann es sein, dass die Familie einmal etwas sparen muss, wenn sie etwa gerade den Türkeiurlaub gebucht hat – aber das musste vor 20 Jahren ein Großteil der Bevölkerung.

„Inländer-Armut“ durch Caritas

„Rund eine Million Menschen in Österreich, das sind 12 Prozent der Bevölkerung, sind bereits arm oder gefährdet“, ließ die Caritas auf ihrer Homepage traurig wissen, als sie im Winter ihre „Inlandshilfekampagne“ startete.

Kein Wort davon, dass man auf 12 Prozent nur kommt, wer auch die kurzfristig Gefährdeten mitzählt (länger als ein Jahr sind es nur 6 Prozent). Der Trend steigt auch nicht (wie impliziert), er sinkt seit vielen Jahren. Und Inländer trifft dieses Schicksal überhaupt nur zu 10 Prozent. Für Afrikaner oder Araber liegt der Wert allerdings bei 57 Prozent, für Türken bei 46%, für Ex-Jugoslawen bei 15 Prozent.

Österreich ist ein Einwanderungsland, ohne Zuzug würde es über kurz oder lang aussterben, die Sozialsysteme würden kippen. Es hat mit dem Zuzug aber etwas Armut importiert. Das ist eigentlich auch nicht schlimm, denn in ihren Heimatländern ginge es den meisten Immigranten schlechter.

Außerdem sinkt die Armutsquote schon wenige Jahre (nach der Einbürgerung) auf 26 Prozent. (Indirekt) zu behaupten, die Armut wäre in Österreich ein Massenphänomen, und sie würde vor allem Inländer treffen, ist scheinheilig. Und die Absicht ist nur allzu durchsichtig: Man will die Angst des Bürgertums vor dem sozialen Abstieg schüren, um an mehr Spendengelder und Subventionen heranzukommen. Denn die aufgebaute Sozial-Industrie aus Tausenden Sozialarbeitern verschlingt immer größere Summen – Steuergeldes. Und die immer höheren Steuern für „Caritas und Co“ kürzen die Realeinkommen vor allem der Inländer.

Aus Öster-reich mach Öster-arm

Das Problem liegt in der Grenzziehung. Setzte man den Grenzwert etwa nicht bei 60 Prozent, sondern bei 50 Prozent an, so wären nicht mehr 12 Prozent der Bevölkerung (kurzfristig) armutsgefährdet, sondern nur mehr 6 Prozent. Ein noch geringerer Prozentsatz länger als ein Jahr (4 Prozent).

Die Menschen sind heillos überfordert: Für sie bedeutet „eine Million Armutsgefährdete“ eine „Million auf dem Niveau der Sahelzone vegetierende Österreicher“. Das lässt die Menschen vor Wut schäumen, wählen sie (und spenden sie) doch schon seit Jahrzehnten (an) jeden, der sich als „gerecht“ und „fair“ vermarktet. Und offensichtlich wird es trotzdem immer schlimmer!

Dabei sind die Österreicher keine Raunzer, wie man gern behauptet. Wer in seinen Staats- und Boulevard-Medien aber täglich hört, dass es in diesem System nur einer kleinen Minderheit an Reichen (Kapitalisten) auf Kosten einer immer stärker verarmenden Mehrheit besser ginge, der wird nun einmal immer zorniger und zorniger.

Die Situation ist heute höchst gefährlich. Das lässt Richard N. Coudenhove-Kalergis Buch „Judenhass von heute“ ahnen. Damals in den 1920ern, so der Onkel einer bekannten Journalistin, hätten die Rechten bald erkannt, dass sie den „Volkszorn in Form von allgemeinem Hass und Neid gegen die Reichen in einen besonderen Hass und Neid gegen die reichen Juden umlenken konnten“.

Und von den 1920er Jahren trennen uns nur noch (oberflächliche) Stabilität und Wohlstand.

Michael Hörl. Der Wirtschaftspädagoge und Betriebswirt ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Sein aktuelles Buch „Die Gemeinwohl-Falle“ beschäftigt sich neben den Thesen Christian Felbers und der „inszenierten Armutsdiskussion“ mit der Wut-Berichterstattung von Arbeiterkammer und Co.

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