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Zehn Fußnoten zu, nach und vor der Innsbrucker Wahl

Jedem Innsbrucker seine eigene Partei. Diesen flapsigen Eindruck könnten Nichttiroler sehr leicht von den jüngsten Innsbrucker Wahlen und ihrer verwirrenden Parteienvielfalt gewinnen, die sich im Lauf der Jahre noch dazu ständig zu neuen Landschaften geformt hat. Noch vor der Bürgermeister-Stichwahl lassen sich aber etliche ganz klare Erkenntnisse gewinnen, die auch für den Rest der Nation interessant sind.

Die wichtigsten dieser Beobachtungen:

  1. Auf immer mehr Ebenen zerbröseln die traditionellen Partei-Strukturen der einstigen Großparteien. Das ist nicht nur in Innsbruck der Fall, wo dreizehn Parteien angetreten sind und immerhin acht davon Mandate erhalten haben. Dieser Prozess geht bis auf die Bundesebene hinauf, wo jahrzehntelang nur drei Parteien im Parlament gesessen sind, wo beim nächsten Mal aber möglicherweise sogar sieben Parteien einziehen werden, fünf davon links der Mitte. Zunehmend wird – auch in etlichen anderen Ländern – die Demokratie von der Devise beherrscht: Anything goes.
  2. Diese Entwicklung klingt zwar nach einer Fortentwicklung der Demokratie, weil angesichts einer wachsenden und vielschichtigen Problemvielfalt der Kadavergehorsam einer einzigen Partei gegenüber zur Zumutung wird. Diese Atomisierung der Parteienlandschaft macht aber die Bildung parlamentarischer Mehrheiten und das Funktionieren von Bundes-, Landes- und Gemeinderegierungen immer schwieriger. Eine sinnvollere Weiterentwicklung wäre hingegen zweifellos der Weg hin zur direkten Demokratie, wo sich die Bürger zu Sachfragen und nicht bloß Personenprojektionen äußern können, die letztlich nie befriedigen können.
  3. Nach ÖVP und SPÖ ist die Krise der Altparteien nun erstmals auch bei der siegesgewohnten FPÖ eingekehrt (ohne dass es bei dieser direkte Abspaltungen gegeben hätte).
  4. Für die Wirkung von Personen ist insbesondere die bürgerliche Wählerschaft ansprechbar, die ja noch nie sonderlich zu Parteidisziplin oder Bindung an eine strikte Ideologie geneigt hat. Der Erfolg des Johannes Anzengruber erinnert ganz stark an den Aufstieg des Sebastian Kurz. Auch dieser hat ja als Parteirebell gestartet – er ist dann nur im letzten Augenblick vor der Gründung einer eigenen Partei gegen den Widerstand der alten Mitterlehner-Strukturen an die Spitze der Volkspartei gelangt. Anzengruber hingegen musste auch den letzten Schritt setzen: Er ist aus der Partei ausgeschieden und hat mit Erfolg eine eigene Liste gegründet.
  5. Erbärmlich ist das Abschneiden jener Liste, die die Buchstaben ÖVP im Parteinamen trägt, mit bloßen 10 Prozent. Das hängt zwar eindeutig damit zusammen, dass die ÖVP als Ganzes bundesweit in Krise ist. Das hängt aber auch mit dem Spitzenkandidaten zusammen: Während Anzengruber zu hundert Prozent den Tiroler und kommunalen Stallgeruch verbreitet, hat Florian Tursky (obwohl natürlich ebenfalls Tiroler) als Folge von ein paar Jahren Bundesregierung in den Nasen vieler Tiroler fremd und nach dem verachteten Wien gerochen. Schon die alten Römer haben das Erfolgsrezept gekannt: Lieber in Gallien voran als in Rom in der zweiten Reihe. Einer aus der zweiten Reihe in Rom war dann auch in Gallien nichts.
  6. Das Image eines Rebellen ist im streitfreudigen Tirol ganz besonders erfolgversprechend. Da braucht man gar nicht bis zu Andreas Hofer zurückzugehen. Da gibt es in der Stadt Innsbruck selber das fast identische Vorbild des Herwig van Staa: 1994 nach Konflikten aus dem ÖVP-Gemeinderatsklub ausgeschlossen, kandidierte er erfolgreich mit einer eigenen Liste und wurde zweimal zum Bürgermeister gewählt, der vieles für die Stadt geschafft hat, nicht zuletzt die Sanierung der Finanzen. Nach der Jahrtausendwende wurde er, als hätte es nie eine Spaltung gegeben, zuerst ÖVP-Landesparteiobmann und dann für sechs Jahre Landeshauptmann, wo seine Persönlichkeit sowohl seine Vorgänger wie auch Nachfolger überstrahlt hat.
  7. Ganz ähnlich hat Anzengruber jetzt schon die Unterstützung der Volkspartei – die ihn ein paar Monate vorher noch hinausgeworfen hat – für die Stichwahl gegen den bisherigen grünen Bürgermeister Willi gewonnen.
  8. Trotz dieser verwirrenden Spiele und ständigen Neuformierung der Parteienlandschaft ist eines nicht zu leugnen: In Summe bedeuten die Innsbrucker Wahlen einen Linksruck. Vor allem die sieben Prozent für die Kommunisten müssen schockieren. Auch wenn manche nach Graz und Salzburg – Motto: Man gewöhnt sich an alles – kommunistische Erfolge kaum mehr registrieren. Aber diese offene Sympathieerklärung mit einer Bewegung, die den Tod von Millionen Menschen auf dem Gewissen hat, darf niemals etwas werden, das man mit einem Schulterzucken hinnimmt.
  9. Es ist alles andere als ein Zufall, dass diese Erfolge in drei Universitätsstädten eingetreten sind, wo kommunistische Erfolge ja auch bei den ÖH-Wahlen zu beobachten sind (und wo auch besonders viele deutsche Numerus-Clausus-Versager anzutreffen sind, die freilich zum Glück nur bei Gemeindewahlen mitstimmen dürfen). Das beweist den katastrophalen Zustand vieler Unis – nicht nur in Österreich, sondern bis nach Amerika, mit den dortigen antisemitischen, woken, anti-weiß-rassistischen Umtrieben voller LGBTQ-Identitätsgefasel. Diese Umtriebe sind eindeutig Verschulden vieler linksradikaler Professoren, die viele Universitäten heute beherrschen, wo Wissenschaftler, die andere Meinungen vertreten, weggemobbt werden.
  10. Das erinnert schließlich auch beklemmend an die Zwanziger und Dreißiger Jahre, wo andere Extremisten, nämlich die Nazis, vielerorts die Studentenszene beherrscht haben. Es ist ziemlich auffallend, und hier schließt sich der Kreis ein wenig, dass die Nazis gerade bei Innsbrucker Gemeinderatswahlen 1933 mit 41 Prozent ihren spektakulärsten und größten demokratischen Erfolg erzielt haben, bevor Bundeskanzler Dollfuß die autoritäre Notbremse zu ziehen versucht hat.

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