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Die Finanztransaktionssteuer: Der Dukatenesel der Fiskaltechnokraten

Erinnern Sie sich noch? Lautete einst nicht ein Argument pro EU-Binnenmarkt und pro Währungsunion: Transaktionskosten senken, damit knappes Kapital seiner produktivsten Verwendung zugeführt wird? Denn wer die Freiheit des Kapitalverkehrs beschränkt, verteuert die Unternehmensfinanzierung, beeinträchtigt die Investitionsdynamik ebenso wie das Innovationstempo und schadet dadurch der Wettbewerbsfähigkeit. Wachstums-, Beschäftigungs- und Wohlfahrtsverluste sind die Folge.

Aus gutem Grund heißt es daher in der EU-Richtlinie betreffend die indirekten Steuern für die Ansammlung von Kapital:

  • Art 5 (2) Die Mitgliedstaaten erheben keine indirekte Steuer irgendwelcher Art
    • auf  den Handel mit Aktien, ungeachtet der Person des Emittenten;
    • auf Anleihen, die durch Ausgabe von Obligationen aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten.

In krassem Gegensatz zu dieser Richtlinie wird in vielen EU-Mitgliedstaaten die Einführung einer wenn schon nicht EU-, dann zumindest doch Euroraum-weiten Finanztransaktionssteuer (FTS) oder einer speziellen Abwandlung einer solchen, nämlich einer Börsenumsatzsteuer, propagiert. Hier soll neuerlich geschaffen werden, was durch den Binnenmarkt und die Europäische Währungsunion eliminiert wurde: Hindernisse für den freien Kapitalverkehr als einer der vier europäischen Grundfreiheiten. Eine lediglich fiskalpolitisch motivierte Diskussion um das Für und Wider einer FTS greift mithin bei weitem zu kurz. In Sachen FTS geht es um nicht weniger als die Funktion des Europäischen Binnenmarkts. Wer eine solche Steuer propagiert, legt die Axt an den ordnungspolitischen Rahmen in Europa.

Die Europäische Kommission hat sich in ihrer Mitteilung zu intelligenter Regulierung in der Europäischen Union zu evidenzbasierter Politikgestaltung sowie Folgenabschätzungen in der politischen Entscheidungsfindung bekannt. Wenden wir uns also den nüchternen Fakten im gegenständlichen Fall zu.

Sie lauten:

Die Abwägung der ökonomischen Wirkungen einer einnahmenseitigen im Vergleich zu einer ausgabenseitigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte müsste – nach derzeitigem Stand der finanzwissenschaftlichen Forschung – dazu führen, letztere zu präferieren. Dennoch die Einführung einer FTS zu fordern heißt, neben den generellen Nachteilen einer höheren Besteuerung auch ihre spezifischen Nachteile gegenüber anderen einnahmenseitigen Instrumenten zu ignorieren.

In ihrer Auswirkungsstudie gelangt die Europäische Kommission zu dem Ergebnis, dass mit einem Bruttosteueraufkommenseffekt in Höhe von EUR 57 Mrd. pro Jahr zu rechnen sei. Hiervon sind allerdings die Steueraufkommensverluste aus wachstums- und beschäftigungspolitischen Kollateralschäden in Höhe von bis zu 1,76 Prozent des BIP beziehungsweise bis zu 500.000 Arbeitsplätzen abzuziehen, denn nicht erst Milton Friedman warnte: „There ain't no such thing as a free lunch.“ Unter Berücksichtigung der korrespondierenden Aufkommensverluste ergibt sich daher nur ein sehr bescheidenes Nettosteueraufkommen aus der FTS von cirka einem Drittel des Bruttosteueraufkommens.

Doch nicht einmal dieses gerade noch positive Ergebnis erweist sich bei genauerer Analyse als stichhaltig. Außer Acht gelassen wurde der Verlust von Geschäftsvolumina an Nicht-EU-Akteure, die Verlagerung der Geschäftsaktivitäten von EU-Akteuren in das Nicht-EU-Ausland, die relative Attraktivierung von Nicht-EU-Investitionsvorhaben und die Erhöhung der Kapitalkosten bei Investitionen aus nicht-ausgeschütteten Gewinnen. Würden solche Effekte berücksichtigt, kehrte sich das erwartete Nettosteueraufkommen mit großer Wahrscheinlichkeit ins Negative.

Eines allerdings wäre einer Finanztransaktionssteuer zu Gute zu halten, wie schon das Beispiel der britischen Stamp Duty Reserve Tax zeigt. Sie vermag Finanzinnovationen zu induzieren, und zwar solche mit dem primären Ziel der legalen Steuervermeidung. Im Ergebnis wird einerseits das intendierte Steueraufkommen (weit) verfehlt, andererseits verlagern sich erhebliche Teile des Handels auf weniger regulierte (und intransparente) Instrumente.

Eine Möglichkeit, die Stamp Duty zu vermeiden, besteht etwa in so genannten Differenzkontrakten („Contracts for Difference“, CFDs), welche die Parteien einer Transaktion verpflichten, lediglich die Differenz zwischen dem aktuellen Kaufkurs und einem späteren Verkaufskurs in bar auszugleichen. Da die Handelspartner bei diesen Geschäften die zugrunde liegenden Aktien weder kaufen noch verkaufen, entfällt die Steuer. Die Existenz einer solchen Steuer fördert also die Nachfrage nach Derivaten (mit einem zuweilen extrem hohen Hebeleffekt!) und senkt die Nachfrage nach generischen Anlageinstrumenten wie Aktien und Anleihen zur Finanzierung von Realinvestitionen: Ein geradezu perverser Anreizeffekt!

Ergo: Eine Finanztransaktionssteuer streut keinen Sand in das Getriebe der  Spekulation, sondern in den Motor der Unternehmensfinanzierung. Nicht die hohe Kapitalmobilität ist das „public bad“, sondern der diskretionäre Eingriff  in die Grundfreiheit des Kapitalverkehrs. Die Debatte wird zum Lackmustest für die Seriosität europäischer Politik. Wer faktenbasierte Politikgestaltung proklamiert, muss die Finanztransaktionssteuer als Negativsummenspiel ablehnen. Auf der österreichischen Ebene beschränkt sich die Politikempfehlung an dieser Stelle daher nicht nur trotz, sondern gerade wegen des All-Parteien-Beschlusses im Parlament auf eine einzige: Präferiere das Nichtstun vor dem Irrtum!

Unabhängig von ihren jeweiligen beruflichen Funktionen haben mehrere österreichische Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die dieser Text verfasst wurde.

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