Gesetzlicher Mindestlohn: Ökonomischer Unverstand oder zynisches Kalkül?

Nicht nur die Sozialdemokraten Europas haben erkannt, dass der Zeitgeist ein Genosse ist. Auch viele Konservative hecheln dem vermeintlich unumkehrbaren Trend hinterher und rücken immer weiter nach links. Kommt es zu Neugründungen politischer Parteien, handelt es sich – nahezu ausschließlich – um solche, die das Spektrum auf der Linken erweitern: „Piraten“ in Deutschland und Österreich, Beppe Grillos seltsamer Haufen in Italien oder die „Neos“ in Österreich (der eitle Versuch einer Reanimation des entschlafenen „LIF“ – unter Beteiligung von „Julis“ und einiger abtrünniger Grüner) sind aktuelle Beispiele. Die soeben bei Regionalwahlen erfolgreich aufgetretene Partei Frank Stronachs bildet eine, wenn auch derzeit nur schwer einzuschätzende, Ausnahme.

Vollmundig abgegebene Versprechungen, durch die Anwendung politischer Mittel (also staatlicher Gewalt) die Welt verbessern zu wollen, kennzeichnen die Handschrift der Linken. Die Behauptung, mittels eines gesetzlich festgelegten Mindestlohns die materielle Lage der Arbeitnehmer verbessern zu können, ist bei den Sozialisten in allen Parteien folglich besonders populär. Selbst die deutschen „Liberalen“ meinen, auf diesen Zug aufspringen zu müssen (der marktorientierte Rebell Frank Schäffler findet sich mit seiner Kritik an diesem Eingriff in die Privatrechtsautonomie parteiintern völlig im Abseits).

Dass mit der Verheißung vermeintlicher Wohltaten Wahlen gewonnen werden können, ist indes erwiesen. Wer in einer wohl etablierten Prolokratie mit dem Schlachtruf „Freibier für alle“! hausieren geht, schneidet – angesichts einer von der Allmacht des Staates überzeugten Wählerschaft – besser ab, als jemand, der zur Nüchternheit rät. Der mittels Stimmzettels erfolgende Griff in fremder Leute Portemonnaie ist schließlich das wesensbestimmende Merkmal einer Demokratie mit allgemeinem, geheimen Wahlrecht.

Der aus allen Poren Edelmut ausdünstende US-Präsident trifft präzise den Nerv der Mehrheit seiner Landsleute, wenn er behauptet, dass ein Vollzeit arbeitender Amerikaner problemlos von seinem Lohn leben können müsse. Prompt leitet er daraus die Forderung nach einem Mindestlohn von neun Dollar je Arbeitsstunde ab. In Deutschland hat die SPD sich zeitgleich auf eine Mindestlohnforderung von achteinhalb Euro pro Arbeitsstunde festgelegt. Weshalb die für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der proletarischen Massen streitenden Linken nicht gleich 18 Dollar oder 17 Euro Stundengage fordern, liegt indes im Dunkeln – schließlich wäre das doch doppelt so „sozial“!

Die kuriose Vorstellung, Marktbedingungen per Dekret aus der Welt schaffen zu können, ist nicht neu. Allerdings ist auch die Erkenntnis nicht neu, dass keine Regierung über jenes Wissen verfügt, das erforderlich wäre, um zentral getroffene Entscheidungen, die Auswirkungen auf eine ganze Volkswirtschaft haben, in einer Weise treffen zu können, die keine ökonomisch nachteiligen Folgen nach sich zieht. Wie in aller Welt kann ein Politbüro sich daher anmaßen, den Preis einer Arbeitsstunde – ohne Ansehen der besonderen Lage des betroffenen Betriebes und der seiner Mitarbeiter – festlegen zu wollen, ohne dabei schweren Schaden für alle Betroffenen in Kauf zu nehmen?

Die empirische Evidenz spricht jedenfalls eine ebenso eindeutige Sprache wie die ökonomische Theorie: Wer einen Preis über seinem auf dem Markt realisierbaren Wert erzwingen will, bleibt auf seinem Angebot sitzen. Das gilt für Arbeitszeit nicht weniger als für Wein, Unterhosen oder Sportwagen. Eine Ideologisierung dieser Frage im Sinne von „Arbeitskraft ist keine Ware!“ führt zu nichts. Wasser fließt eben auch dann nicht bergauf, wenn man sich das noch so sehr wünscht.

Die Preisbildung ist ein hochkomplexer Prozess, hängt von einer Unzahl sich ständig ändernder Parameter (etwa den jederzeit veränderlichen Konsumentenpräferenzen) ab und ist daher, wie das Beispiel der untergegangenen sozialistischen Planwirtschaften eindrucksvoll belegt, selbst unter Einsatz modernster Computer unmöglich zentral planbar. Wenn einer das Gegenteil behauptet, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder um den Dorftrottel oder um einen Politiker.

Was ein über dem Marktniveau gesetzter Arbeitslohn bedeutet, kann am Vergleich der Jugendarbeitslosigkeit verschiedener Länder Europas studiert werden. Um es kurz zu machen: Je höher der Mindestlohn, desto höher die (Jugend-)Arbeitslosigkeit.

Der US-Ökonom Thomas Sowell („Der wahre Mindestlohn ist null – Arbeitslosigkeit“) hat sich der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Mindestlöhnen und Jugendarbeitslosigkeit gewidmet und kommt zum selben Ergebnis: Gesetzliche Mindestlöhne schaden denjenigen am meisten, zu deren vorgeblichem Nutzen sie eingeführt worden sind (http://www.twincities.com/opinion/ci_19922475 & http://harmful.cat-v.org/economics/minimum-wage/ ).

Dass ökonomische Grundsätze nicht durch politischen Willen außer Kraft gesetzt werden können (zum „Triumph des Willens“ kommt es nur in der Vorstellungswelt totalitärer Spinner), sollte daher auch den Dümmsten – ja sogar Gewerkschaftern – einleuchten. Tut es aber nicht, wie ihre unverdrossen gepflegten Mindestlohnphantasien zeigen, die sich in faktischen Arbeitsverboten für Minderqualifizierte manifestieren.

Die wahre Motivation für den Mindestlohn

Da man Mindestlohnbefürwortern wie Obama & Co. aber nicht einfach Ignoranz, Erkenntnisresistenz oder schiere Dummheit unterstellen sollte, muss also nach einem anderen Grund gesucht werden, weshalb sie nicht von dieser Torheit lassen wollen. Dieser besteht wohl in der planmäßigen Schaffung einer Klientel, die dauerhaft von der Wohlstandbürokratie abhängig, und nicht (mehr) imstande ist, sich aus eigener Kraft zu ernähren. Wenn es nämlich illegal wird, seine Arbeitskraft zu einem mit dem Dienstgeber frei vereinbarten Preis zu verkaufen, gibt es für diese Menschen zum Wohlfahrtsscheck keine Alternative mehr.

Die selbst erklärten Wohltäter spekulieren also in einer an Zynismus schwer zu übertreffenden Weise auf jene Vorteile, die sie aus dem von ihnen geschaffenen Elend der zur Dauerarbeitslosigkeit Verurteilten ziehen können. Profiteure dieser frivolen Politik sind eben nicht die werktätigen Massen sondern politische Klasse und Sozialbürokratie. Tausende unproduktive Politbonzen und Bürokraten (vorwiegend Angehörige der Mittelschicht) werden damit zu Parasiten – und glühenden Apologeten – des Wohlfahrtstaates.

Wie die Bilder sich gleichen: Schon Leo Trotzki erkannte, dass in einem Staat, der über alle Produktionsmittel gebietet, der Dissident zum langsamen Hungertod verurteilt ist. In unserer Wohlfahrtsprolokratie verhungert zwar (noch) keiner, seine aus dem Wunsch nach Selbstbestimmung resultierende Selbstachtung und Würde ist der zur Dauerarbeitslosigkeit Genötigte aber immerhin los.

Fazit: Gesetzliche Mindestlöhne führen zu struktureller Arbeitslosigkeit und steigern damit die Kosten des Sozialsystems. Zugleich wird die Zahl der Beitragszahler reduziert, was Steuererhöhungen und damit eine Verringerung der Unternehmensproduktivität nach sich zieht. Dies wieder senkt die Nachfrage nach Arbeit weiter. Eine klassische Interventionsspirale mit ausschließlich negativen Konsequenzen.

Der von nachfrageorientierten Ökonomen immer wieder strapazierte Kalauer, wonach man alles daran setzen müsse, um die Massenkaufkraft zu stärken – wodurch man „die Wirtschaft anzukurbeln“ gedenke, hält einer logischen Analyse nicht einmal auf den ersten Blick stand. Denn um das alles entscheidende Faktum ist nicht herumzukommen: Man kann eben nicht damit beginnen, einen Kuchen aufzuessen, ehe er gebacken ist. So einfach ist das. Aber wenn Sozialisten etwas vom Wirtschaften verstünden, wären sie ja schließlich keine…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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