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Europa braucht Eliten – sie sind seine letzte Chance

Europa steht in einem gewaltigen Wettbewerb. Von Indien bis China haben Milliarden Menschen in großen und kleineren Ländern die jahrzehntelange Selbstbeschädigung durch sozialistische Experimente aufgegeben und machen Europa nun durch beinharten Kapitalismus Konkurrenz. Die europäische Schuldenkrise ist nur ein Symptom, wie sehr der alte Kontinent in diesem Wettkampf zurückfällt und nun schon sehr alt aussieht.

Die Nationen auf der Überholspur machen das Gegenteil von dem, was in Europa die Debatte dominiert: Sie schimpfen nicht auf die Globalisierung wie viele europäische „Intellektuelle“, sondern sie nutzen diese. Sie zentralisieren politische Entscheidungen nicht, wie es auch von der deutschen Bundeskanzlerin verlangt wird, sondern geben diese Schritt für Schritt frei. Sie vergemeinschaften nicht Haftungen, Schulden, Kontrollen, wie es die EU tut, sondern lassen regionalen Entscheidungen viel Platz. Sie führen keine Kampagnen gegen die Reichen. Sie halten den Wohlfahrtsstaat nicht mehr wie in ihren sozialistischen Jahren für ein erstrebenswertes Ziel, sondern für ein Entwicklungs-Hindernis, das möglichst klein gehalten werden muss.

Sie ermöglichen solcherart seit rund zwanzig Jahren einem ständig wachsenden Anteil ihrer Bürger Wohlstand und Lebensqualität.

Muss man da die Zukunft Europas angesichts des Zurückfallens hinter diese Konkurrenz nicht schon als rettungslos verloren ansehen? Überalterung, Überschuldung, Islamisierung, die höchsten Steuern, die dichtesten Regulierungen, die schwersten Soziallasten, die teuersten Löhne: All das lässt rasch einen großen Defätismus unter den Bürgern Europas wachsen.

Hohe Steuern führen zum Brain drain

Auch wenn man sich diesem Defätismus (noch) nicht anschließen will, so muss man doch alle relevanten Signale beachten und richtig deuten. Einer der bedrückendsten Aspekte ist der Brain drain. Während nach Europa und zu seinen üppigen Sozialleistungen weiterhin in großen Zahlen Menschen ohne Bildung zuwandern – etwa unter dem Vorwand einer Familienzusammenführung –, ziehen immer mehr Universitätsabsolventen und unternehmerische Menschen aus den EU-Ländern weg. Das ist besonders bitter, weil die jungen Menschen in den meisten Staaten Europas fast gratis studiert haben, in manchen überhaupt gratis. Das bedeutet: Talentierte Menschen werden hier teuer ausgebildet und stellen durch ihre Auswanderung eine lebende Entwicklungshilfe etwa an die USA oder Kanada, an die Schweiz oder Australien dar.

Besonders pervers: Ein Hauptgrund für die Emigration ist das hohe Niveau der Steuern und Abgaben in den EU-Ländern. Diese sind aber gerade deshalb so hoch, damit Schule und Studien gratis sein können. Das ist ein Regelkreis, der unweigerlich zum Kurzschluss führen muss.

Die wissenschaftlichen und technischen Eliten – zu denen zunehmend auch bestimmte Facharbeiter zählen – sowie unternehmerisch und kreativ denkende Menschen sind aber die entscheidenden Faktoren für die Erhaltung des europäischen Lebensstandards. Mit den immer zahlreicher werdenden Sozialhilfeempfängern, mit schöngeistigen Räsonierern über die Überflüssigkeit von Wachstum und Technik und mit einer Jagd auf jeden Erfolgreichen (=Reichen) wird das hingegen nicht gelingen. Ganz im Gegenteil.

Ohne Patentschutz keine funktionierende Forschung

Der Brain drain hängt noch mit einem weiteren, ebenfalls kaum öffentlich beachteten Faktor zusammen: dem katastrophalen Zustand des europäischen Patentwesens. Denn ein funktionierender Schutz solcher Urheberrechte wäre die Voraussetzung für eine blühende Forschungslandschaft. Ohne ständige Innovationen hätte Europa aber überhaupt keine Chance gegenüber der asiatischen Herausforderung.

Bei der Krise des Patentwesens geht es nicht nur um Dinge wie die erstaunliche Folgenlosigkeit von verheerenden Rechnungshofberichten über das österreichische Patentamt, das zu einer Versorgungsstation für Protektionskinder zu verkommen droht. Noch viel schlimmer ist, dass es nach wie vor kein gemeinsames EU-Patent gibt. Wer daher in allen EU-Ländern einzeln eine Erfindung patentieren will, zahlt nach Angaben des EU-Kommissars Barnier ungefähr tausend Mal so viel dafür wie für ein US-Patent. Das ist natürlich sehr oft absolut unerschwinglich und unrentabel. Und das treibt neben den hohen Steuern weitere kreative Köpfe aus Europa hinaus.

Das gemeinsame EU-Patent scheitert wieder einmal an den EU-typischen Konflikten: Wo soll es angesiedelt sein? Und in welchen Sprachen sollen/müssen Patente abgefasst sein? Da treten die üblichen Eifersüchteleien und Nationalismen zutage. Zwar hat man langsam eingesehen, dass die Übersetzung in 20 oder mehr Sprachen bei komplizierten technischen Texten viel zu teuer wäre. Aber wenn neben Englisch als meist verstandener und in der Technik total dominierender Sprache und eventuell Deutsch als verbreitetster Muttersprache auch für Französisch, Spanisch und Italienisch Gleichberechtigung gefordert wird, bleibt das Projekt zwangsläufig sofort wieder stecken.

Das ist umso skurriler, als die EU in den letzten Jahrzehnten in zahllosen anderen Fragen strenge Uniformität durchgesetzt hat. Sie tat das aber fast immer nur dort, wo eine Vereinheitlichung absolut überflüssig war, von den Raucher-Regeln bis zu den Sozialleistungen für Zuwanderer, bis zur Aufnahme von Frauen oder Schwulen in einen Job oder eine Wohnung. Neueste „Sorge“ der EU: Die Zahl der Notausgänge in Österreichs Schulen.

Beim Patentwesen und in weiten Bereichen des für einen funktionierenden Binnenmarkt ebenfalls entscheidenden Straßen- und Eisenbahnverkehrs scheitert sie hingegen mit einer sinnvollen Vereinheitlichung.

ETH Zürich als Gegenmodell zum EU-Bildungsdenken

Der schrittweise intellektuelle Abstieg Europas zeigt sich auch bei den diversen Universitäts-Rankings. Diese sind von einem ständigen Rückfall der europäischen Universitäten geprägt. Nur die britischen können noch mit den amerikanischen Elite-Unis mithalten. In Hinblick auf Kontinentaleuropa ist es mehr als bezeichnend, dass ausgerechnet eine Hohe Schule aus einem Nicht-EU-Land regelmäßig die besten Platzierungen erreicht: die ETH Zürich.

Schaut man sich diese Universität ein wenig näher an, dann meint  der EU-Europäer, dass die Schweiz auf einem anderen Kontinent leben muss. So klar ist die Elitenorientierung der ETH. Dort hat der neue Rektor Lino Guzzella auch keine Probleme, eine Verdoppelung der Studiengebühren von 1300 auf 2600 Franken anzukündigen. Er wagt es sogar, mit deutlichen Worten Anforderungen an die Schulen des Landes zu formulieren, die ganz anders klingen. Die österreichischen Rektoren haben hingegen nur zwei Anliegen: ständig mehr Geld und ständig weiterer Ausbau teurer Gender-Projekte.

In Österreich gibt es sogar Rektoren, die sich für die allgemeine Niveausenkung durch die Gesamtschule aussprechen. Guzzella hingegen verlangt: Gymnasien und Volksschulen müssen mehr fordern und leistungsorientierter werden. Man komme derzeit zu leicht zur Matura. Diese müsse härter werden. Guzzella hält daher überhaupt nichts von höheren Maturantenquoten, denn dadurch werde das Niveau der Matura nur gesenkt. In Österreich sind hingegen die höheren Maturantenquoten eine Stehsatz-Forderung fast aller Politiker.

Der ETH-Chef spricht auch in Hinblick auf die Volksschulen Klartext: Wenn diese immer mehr mit Erziehungsaufgaben belastet werden, würden die talentierten Schüler zu wenig gefördert. Noch klarer sein Auftrag an die Gymnasien: „Die Gymnasien müssen sich als Elite-Schulen verstehen.“

Und all diese goldenen Worte kann der Mann ohne Widerspruch auch in dem nach Schweizer Verhältnissen als links geltenden „Tagesanzeiger“ sagen.

Noch ist Europa nicht verloren

Konklusion: Europa hat zweifellos schlechte Zukunftsaussichten. Es kann dennoch bestehen – aber nur dann! –, wenn es ganz auf seine Eliten setzt. Das heißt insbesondere: wenn es jeden einzelnen von Anfang an, also vom Schulbeginn an, intensiv fordert.

Klar muss dabei natürlich auch sein: Niemand gehört automatisch zu einer Elite. Ganz im Gegenteil. Das muss immer wieder neu überprüft werden. Aber es darf auch niemals als Problem bezeichnet werden, dass Kinder von bildungsorientierten Eltern mit viel höherer Wahrscheinlichkeit zum Kreis der Talentierten gehören als andere Kinder. Unabhängig davon, ob hinter diesen Unterschieden nur kulturelle und Erziehungsfaktoren stehen oder auch – sehr wahrscheinlich – genetische (spricht ja viel dafür, dass es oft schon die Gene waren, die für die überdurchschnittliche Bildungsorientierung der Eltern gesorgt haben).

Wenn die Eliten-Karte stechen soll, braucht es aber auch modernste Schulen und Universitäten mit strengen Zugangsregeln und nicht die Lustlosigkeit von überlaufenen und schlecht ausgestatteten Gratis-Wärmestuben. Und es braucht danach die Möglichkeit, ohne große Bürokratien eigene Unternehmen zu gründen, und die motivierende Aussicht, einmal ohne konfiskatorische Steuern gut verdienen zu können.

Nichts davon hat das heutige EU-Europa. Aber das ist allemal leichter erreichbar als eine Umdrehung der demographischen Katastrophe. Die Elitenkarte ist wahrscheinlich die letzte, die Europa noch hat.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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