Spritpreisdatenbank international umstritten

13. Dezember 2012 03:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Die Meinungen über eine öffentlich zugängliche Spritpreis-Datenbank sind geteilt. In Österreich hat sich ein entsprechendes Modell nun einmal eingebürgert, es gibt im Schnitt etwa 20.000 Aufrufe der einschlägigen Datenbank bei der E-Control. Selten gibt es Beschwerden; wer sich nicht an die vorgegebenen Regeln hält, könnte bestraft werden (dafür zuständig sind die Bezirkhauptmannschaften). Von Verurteilungen ist aber nichts bekannt. Ein Wiener Tankstellenbetreiber lässt den Spritpreisrechner allerdings vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) überprüfen. Er erachtet sich in den Grundrechten auf Eigentum und Erwerbsfreiheit verletzt und beklagt, dass die Regelungen unklar und gleichheitswidrig seien. Die Verfassungsrichter nehmen die Beratungen dazu in der Dezember-Session (bis 14. Dezember) auf.

Im benachbarten Ausland hat es ähnliche Überlegungen gegeben, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. In Deutschland ist ein ähnliches Modell in Vorbereitung. Südtirol hat sich ebenfalls dafür interessiert und wollte für die Installierung die heimische E-Control gewinnen. Diese wollte aber nicht.

In der Schweiz hat es auch Überlegungen gegeben, die allerdings auf breite Ablehnung gestoßen sind – es wird von einer völligen Überregulierung gesprochen. Sowohl der Automobilclub der Schweiz (ACS) als auch der Touringclub der Schweiz (TCS) finden eine Meldestelle für Treibstoffpreise unnötig. Das sei unnötige Bürokratie. Einer staatlichen Meldestelle würde man nur zustimmen, wenn diese mit keinem zusätzlichen Aufwand für die Tankstellenbetreiber verbunden wäre oder der Aufwand für das Übermitteln der Daten abgegolten würde. Auch die Schweizer politischen Parteien können sich für diesen Gedanken nicht erwärmen. Das entspreche einfach nicht der freien Marktwirtschaft. Wenn der Staat eine Meldepflicht einführe, müsse er auch die Einhaltung kontrollieren, was unnötig teuer werde.

Auf taube Ohren stößt man auch bei der Schweizer  Erdölvereinigung. Sie wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine solche überflüssige Regulierung. Die mehr negative als positive Auswirkungen hätte. Der befürchtete Benzintourismus würde unökologische und unwirtschaftliche Fahrten fördern. Die Erfahrungen aus Österreich würden zeigen, dass die Treibstoffpreise seit der Einführung der Kontrollstelle nicht dauerhaft signifikant gesunken sind.

Das können sie auch nicht, denn das heimische Preisniveau ist, im Vergleich zur Schweiz, ungleich niedriger. Durch den anhaltenden Wettbewerb pendeln sich die Nettopreise (also ohne Steuern) in Österreich auf einem rekordverdächtig tiefen Niveau ein. In der EU gibt es kein Land, wo so wenig verdient wird wie in Österreich. Lagen die Nettopreise Anfang Oktober in Deutschland bei Benzin noch um zwei Cent und bei Diesel um drei Cent höher als in Österreich, so beträgt der Abstand derzeit bereits acht bzw. fünf Cent. Das heißt, in Österreich ist weit weniger zu verdienen als beim deutschen Nachbarn.

Meldungen von Boulevardzeitungen, wonach vor Weihnachten wieder ein „Abzocke“ bei den Treibstoffpreisen erfolgen werde, sind bar jeder Realität.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Die Lehren von Onkel Dagobert

07. Dezember 2012 05:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

In Anlehnung an Ebenezer Scrooge, die Hauptperson in Charles Dickens´ Roman „A Christmas Carol“, heißt der habgierige und geizige Onkel von Donald Duck im amerikanischen Original Scrooge McDuck. Anno 1947 trat die Figur erstmals in Erscheinung. Nachdem die bereits einige Jahre zuvor geborenen Helden Donald, Daisy, Tick, Trick und Track propagandistisch gegen die bösen Nazis im Einsatz waren, wurde nun – in der Zeit einer nach dem kostspieligen Krieg notwendig gewordenen Staatsfinanzkonsolidierung – Dagobert als das prototypische Feindbild eines amoralischen Finanzkapitalisten in Stellung gebracht.

Jedem Konsumenten der Disney´schen Cartoons sind Onkel Dagoberts „Geldspeicher“, in denen er Gold und Bargeld hortet, ebenso ein Begriff, wie sein krankhafter Geiz. Doch Geiz und das Horten von Geld (das eine der beiden möglichen Formen des Sparens darstellt) – sind es ja eben nicht, die den Finanzkapitalisten kennzeichnen. Denn der bunkert sein Geld nicht im Tresor, sondern er lässt es „arbeiten“. Zudem investiert der Finanzkapitalist außerdem meist geliehenes – von den Banken aus dem Nichts geschaffenes – Geld, was ihn von Onkel Scrooge deutlich unterscheidet. Der kann Schuldenmacherei bekanntlich nicht ausstehen.

So ergibt sich ein widersprüchliches Bild, das durch einen zweiteiligen, in den Sechzigerjahren produzierten Cartoon verstärkt wird, der auf Youtube zu findend ist:

Erster Teil
Zweiter Teil

Onkel Dagobert erklärt in dem kurzen Streifen seinen drei Enkeln Funktion und Wesen des Geldes, des Wirtschaftens, und des Budgetierens. Dass Geld zirkulieren müsse, ist eine der erteilten Lektionen. Das ist trivial, wenn es um die Erklärung geht, weshalb es Geld als intermediäres Tauschmittel überhaupt gibt. Anders könnte es seine Funktion ja nicht erfüllen. Dass eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu einer Steigerung des Wohlstands führt, ist indessen ein Fehlschluss. Dass Tischler, Schuster und Bäcker deshalb reicher werden sollen, weil ihre Produkte rascher miteinander tauschen, erscheint nicht besonders logisch.

Richtig dagegen ist Dagoberts Lob des Sparens, da damit die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, nachhaltig profitable Investitionen zu finanzieren. Dass es dazu „stabilen Geldes“ anstatt schuldbasiertem Fiat Moneys bedarf, stimmt ebenfalls. Umso schmerzlicher, dass gleich darauf dennoch staatliches Schuldgeld gepriesen wird, das durch nichts weiter als durch „Vertrauen in die Regierung“ unterlegt ist…

Dass für den passionierten Geldsammler Scrooge McDuck Inflation eine „Schweinerei“ ist, liegt wiederum auf der Hand. Und recht hat er: Nichts eignet sich besser dafür, Sparer zu enteignen und langfristige Anlagen zu entwerten, als diese Art einer unsichtbaren Steuer, von der Milton Friedman einst gesagt hat sie sei „…die einzige Form der Besteuerung, die ohne Gesetzgebung ausgeführt werden kann.“ Auch mit seinem Plädoyer für eine solide Haushaltsführung und Budgetplanung aller Haushalte liegt der alte Geizkragen mit dem Nasenzwicker goldrichtig. Es geht eben einfach nicht lange gut, mit Ausgaben zu leben, welche die Einnahmen laufend übersteigen.

Dass „Gutes niemals gratis ist“, ist ebenfalls eine Weisheit, die sich die Umverteilungsenthusiasten in Regierungen und Staatsbürokratien hinter die Ohren schreiben sollten. Es gibt einfach kein freies Mittagessen. Irgendjemand (sicher nicht die Regierenden!) hat immer die Rechung zu bezahlen. Und dass schließlich „weises Investieren eine Kunst“ ist, wird jeder bestätigen, der bereits Geld verloren hat, weil er auf das falsche Pferd gesetzt hat.

Eloquente Hauptstromökonomen beten uns seit 1936, jenem unseligen Jahr, in dem John Maynard Keynes seine „General Theory of Employment, Interest and Money“ publizierte, unentwegt vor, dass man mittels Konsumexzessen breiten Wohlstand schaffen könne. Ein logischer Fehler, der auf einer unterstellten Kausalität basiert: Reiche Menschen konsumieren viel, also ist es der Konsum, der reich macht. Onkel Dagobert weiß es allerdings besser: Zur Wohlstandsbildung bedarf es eines Kapitalstocks. Und der kann nur durch das Mittel des Konsumverzichts aufgebaut werden…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die flachen und die steilen Steuern

06. Dezember 2012 00:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was ist gerechter? Eine progressive Steuer, bei der mit steigendem Einkommen ein immer höherer Prozentsatz fällig wird, oder eine Flat tax, bei der immer der gleiche Prozentsatz kassiert wird? Eine ethische Debatte über Gerechtigkeit lässt sich nächtelang führen. Beide Steuermodelle haben manches für sich. Aber zweifellos hat bei uns die progressive Steuer derzeit die höheren moralischen Ebenen für sich. Daher haben wir eben bei der Einkommensteuer eine Progression, daher wird bei vielen anderen scheinbar „flachen“ Steuern durch Freibeträge, durch niedrigere Sätze beispielsweise für Lebensmittel versucht, auch hier die Ärmeren zu bevorzugen und die Reicheren abzukassieren.

Ein kluger Staat würde freilich diese ethische Diskussion nicht führen. Der würde eher rational nachdenken: Was ist einfacher in der Einhebung? Wo gibt es weniger Steuerflucht und Steuerwiderstände? Was ist gut für das nationale BIP? Wo habe ich am Ende genug Einnahmen, um auch sozialen Schutz für alle Familien, Kranken und Alten zu finanzieren? Und da spricht alles für eine einfache und klare Flat tax ohne viele Ausnahmen und Schlupflöcher.

Dieses Prinzip hat sich in osteuropäischen Ländern mit etlichem Erfolg durchgesetzt. Trotz Senkung und Angleichung der Spitzensteuersätze war am Ende mehr in der Staatskasse. Weil die Leistungsträger besser motiviert waren. Weil die Steuerzahler ehrlicher wurden. Und weil es Steuerpflichtige gegeben hat, die ihre Einkommen plötzlich in Flat-tax-Ländern deklariert haben und nicht in „progressiven“ Ländern.

Eine Ausnahme dieser Erfolgsstory ist Ungarn – aber aus ganz anderen Gründen. Dort hat man durch andere neue Steuern und Schikanen begonnen, ganz gezielt Investoren – also vor allem Ausländer – zu schröpfen, um die einheimischen Wähler zu schonen. Diese eigenwillige Erfindung eines nationalen Sozialismus durch eine sonst konservative Regierung musste natürlich Schiffbruch erleiden.

Neben flachen und progressiven Steuern gibt es aber auch noch ein drittes Modell: die Pauschalbesteuerung in etlichen Schweizer Kantonen. Dort zahlt man ab einer gewissen Einkommenhöhe keinen Rappen zusätzlicher Abgaben mehr. Dieses Modell ist eine Hauptursache des Schweizer Reichtums, hat es doch zu einem Zuzug aus der ganzen Welt in diese Teile der Schweiz geführt. Für jeden, der viel zu versteuern hat, ist die Übersiedlung in die Schweiz hochinteressant – und im Gegensatz zum Verstecken von Geldern auf Schweizer Konten völlig legal. Man braucht nur die Zustimmung der betreffenden Gemeinde.

Für viele ist das trotz aller Erfolge ein absolut unmoralisches Modell. Daher ist in Österreich auch ein Finanzexperte gescheitert, der es vorgeschlagen hat – obwohl er eigentlich aus rotem Uradel und der Bank Austria gekommen ist. Gegen den nicht definierbaren Begriff Gerechtigkeit muss bei uns offenbar der Begriff Erfolg immer scheitern.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 380: Die Taxis, der Bürgermeister und der freie Markt

02. Dezember 2012 01:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Wien werden die Taxis gerade wieder saftig teurer. Was etliches Kopfschütteln auslöst.

Erstens deshalb, weil Wiens Taxis ja derzeit ohnedies enorm von den grünen Bemühungen profitieren, das Verkehrschaos zu vermehren; das müsste ihnen eigentlich automatisch ständig mehr Geschäft verschaffen – freilich durchs Fahren, nicht durch Preiserhöhen. Zweitens ist es ziemlich absurd, dass hierzulande Preise noch immer wie einst im Ostblock vom Bürgermeister fixiert werden. Und drittens ist es unverständlich, dass in der Taxi-Branche noch immer keine Konkurrenz erlaubt ist. Ein Stefan Wehinger hat das hingegen sogar auf der Westbahnstrecke der ÖBB geschafft. In Wien zahlst Du jedoch immer gleich viel für ein Taxi. Ob es sauber ist oder schmutzig. Ob groß oder klein. Ob der Chauffeur vertrauen- oder (vor allem für einzelreisende Frauen) angsteinflössend ist. Ob er zumindest auf 20-Euro-Scheine herausgeben kann oder nicht. Ob er einen Rechnungsblock an Bord hat oder nicht. Ob er bei telefonischen Bestellungen auch wirklich kommt oder nicht. Ob er sich in Wien auskennt oder nach dem Motto pilotiert: „Du sagen, ich fahren.“ Die größte Absurdität ist da noch gar nicht erwähnt: Dass man nach wie vor bei Fahrten zwischen Stadt und Flughafen sogar weit mehr als den üppigen Betrag zahlen muss, den ein Taxameter errechnet; denn die Fahrzeuge dürfen im feindlichen Bundesland noch immer keine Passagiere aufnehmen. Dennoch rennen noch immer irgendwelche Idioten herum und schwätzen etwas von einer neoliberalen Deregulierung in Österreich . . .

 

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Ohne Industrie geht gar nichts

25. November 2012 01:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eine der klarsten Lehren aus der schon ins fünfte Jahr gehenden großen Krise: Ohne Industrie geht gar nichts. Das Gerede von der postindustriellen Gesellschaft, die nur über Dienstleistungen Werte schaffen könne, hat sich als Unsinn erwiesen. Denn je stärker ein Land industriell aufgestellt ist, umso besser hat es die Krise überstanden.

Bei den immer mehr Menschen beschäftigenden Dienstleistungen gibt es ein doppeltes Problem: Es geht zum einen um soziale Dienste (Pflege, Gesundheit usw.), wo nicht nur schlecht bezahlt wird, sondern wo die Finanzierung in hohem Ausmaß von öffentlichen Abgaben abhängig ist. Das ist bei allem Verständnis für die Nöte einer alternden Gesellschaft keine eigenständige Wertschöpfung.

Zum anderen sind viele der gut bezahlten Dienstleistungen rund um Industrie-Unternehmen angesiedelt. Dazu gehören technische Konsulenten ebenso wie Rechtsanwälte, PR, Werbung, EDV, Versicherungen, Banken, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Viele Dienstleister sind im Grunde nur outgesourcte Teile der Industrie. Ihre ökonomische Basis wird jedenfalls massiv unterminiert, wenn es weniger Industrieunternehmen gibt.

Deutschland und Österreich stehen in Sachen Industrie sehr gut da. Diese hat hier einen höheren Anteil an der Wertschöpfung als in den meisten anderen Staaten. Daher wurde hier auch die Krise relativ besser überstanden. Zumindest bisher.

Freilich trifft dieses Lob nicht für alle Regionen zu. Insbesondere die beiden Hauptstädte haben ein veritables Problem. Sie stehen beide viel schlechter da als der Rest des Landes. Das Problem in Berlin geht nicht zuletzt auf die Geschichte (Jahrzehnte der Teilung, die Insellage im Westen sowie das traurige Erbe der DDR im Osten) zurück; daneben spielt der hohe Migrantenanteil und die Größe radikaler Bevölkerungsgruppen eine negative Rolle.

Aber auch Wien hat eine katastrophale Bilanz: Hier gibt es nicht nur die weitaus höchste Arbeitslosigkeit Österreichs, sondern in den letzten Jahren auch den steilsten Anstieg der Verschuldung.

Zentrale Ursache der Malaise ist die industriefeindliche Politik der Bundeshauptstadt. Diese zu beklagen hat nun sogar die sonst dem Wiener Rathaus gegenüber sehr harmoniebedürftige Wiener Wirtschaftskammer-Präsidentin in einem ebenso mutigen wie empörten Vorstoß gewagt.

Wenn schon 13 Prozent der Unternehmen Betriebsstätten aus der Stadt abgezogen haben; wenn die Industriezonen um 16 Prozent geschrumpft sind; wenn Wien anderswo unbekannte Abgaben wie die U-Bahn-Steuer einhebt; wenn AUA und Flughafen international an Stellenwert verlieren; wenn 55 Prozent der Betriebe über die Bürokratie klagen (im Gegensatz etwa zum Industrie-Musterland Oberösterreich); wenn trotz der hohen Arbeitslosigkeit Lohnkosten und Grundstückspreise deutlich höher sind als anderswo: Dann wäre eine Schocktherapie dringend notwendig. Aber es sind nicht einmal Spuren eines homöopathischen Therapie zu finden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Ein gar nicht so blödes Steuerkonzept

24. November 2012 01:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Zwar hat sich die Industriellenvereinigung in den letzten Jahren in die PUV-Ecke manövriert, aber der Grundgedanke ihres neuen Steuerkonzepts ist absolut vernünftig. Daher ist es schade, dass solche Konzepte nur von einem inzwischen Politisch Unbedeutenden Verein kommen, während sonst Schweigen im österreichischen Walde herrscht.

Denn der Grundgedanke „Einkommensteuer hinunter, dafür Mehrwertsteuer hinauf“ ist richtig und notwendig. Die Einkommensteuer behindert Arbeit und Jobs, die Mehrwertsteuer behindert hingegen Konsum. Keine Frage, was in stürmischen Zeiten wie diesen mehr und was weniger behindert werden sollte. Dazu kommt das Faktum, dass bei den konsumierten Waren längst die Mehrheit der Wertschöpfung aus dem Ausland kommt, während die Einkommensteuer fast zur Gänze Arbeit im Inland belastet.

Daher ist es absolut schade, dass sich alle Parteien sofort gegen das IV-Konzept ausgesprochen haben. Die linken ganz besonders laut. Diese wollen ja in ihrer besonders begnadeten Dummheit Vermögen mehr besteuern – also bis auf Grund und Boden sowie Betriebsvermögen lauter Dinge, die binnen weniger Stunden ins Ausland transferiert werden können. Logischerweise hätten sowohl die drohende Vermögensflucht (die nach Angaben aus Bankenkreisen da und dort schon auf Grund der bloßen Vermögenssteuerdiskussion begonnen hat) wie auch die weitere Belastung von Betrieben einen negativen Effekt für die Republik.

Dass die von der Industrie vorgeschlagene Hinauf-Hinunter-Maßnahme durchaus sinnvoll wäre, zeigt sich auch beim Blick nach Europa. Solche Erhöhungen der Mehrwertsteuer und gleichzeitige Senkungen von Einkommen-, Lohn- und Körperschaftssteuer sind Eckstein praktisch aller Sanierungs-Strategien in den europäischen Krisenstaaten. Da die wirtschaftlichen Eckdaten Österreichs gar nicht so weit weg von vielen dieser Krisenstaaten sind, wäre es absolut weise, auch hierzulande einige Antikrisen-Maßnahmen zu beschließen. Statt Wahlzuckerln wie höhere Pendlerpauschale anzukündigen.

Überdies ist eine kleine Erhöhung der Mehrwertsteuer lange nicht so brutal und unsozial, wie es die direkte Kürzung von Pensionen und Beamtengehältern ist, welche die meisten Krisenstaaten gleichzeitig beschließen müssen. Die Vorarlberger Hausfrau würde sagen: Spare in der Zeit, so ersparst du dir die Not.

Auch die Abschaffung der ungleichen Besteuerungshöhe für den 13. und 14. Gehalt wäre an sich logisch, stellt dies doch eine kaum begründbare Bevorzugung von Dienstnehmern gegenüber Selbständigen dar. Allerdings ist dieser Vorteil inzwischen schon durch einige andere Maßnahmen gemildert.

Man darf aber fast annehmen, dass diese Forderung von den industriellen Konzepteschreibern als Sollbruchstelle gedacht ist. Denn keine politische Partei wird es jemals wagen, dieses Arbeitnehmer-Privileg anzutasten. Sie würde von Kronenzeitung und Wählern mit dem nassen Fetzen gejagt werden, selbst wenn die Republik schon bankrott sein sollte.

Kritisierenswert ist das an den Vorschlägen der Industriellenvereinigung aber nicht. Dafür jedoch drei andere Aspekte:

 

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Wirtschaftswachstum Österreichs seit 1995

22. November 2012 18:24 | Autor: Andreas Unterberger

Reales BIP-Wachstum Österreichs zwischen 1995 & 2011 in Prozent

 

Quelle: Rechnungshof – Bundesrechnungsabschluss 2011

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Marktwirtschaft versus konservative Wirtschaftsauffassung

21. November 2012 05:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Der Tagebuchbetreiber teilt Friedrich Romigs wirtschaftstheoretische Vorstellungen über weite Strecken nicht. Denn sie beruhen auf einem völligen Missverständnis von Marktwirtschaft, einem Ignorieren der durch sie erzielten Wohlstandsvermehrung und dem Fehlen jeder Wertschätzung für die Freiheit als zentralem Wert (auch des Christentums). Die liberalen Ökonomen waren auch die einzigen, die von Anfang konsequent die Schulden-Ansammlung in der EU sowie die diversen Rettungspakete kritisiert haben. Romigs Vorstellungen einer durch Stände und Kammern regulierten Ökonomie sind nicht nur im einstigen Ständestaat total gescheitert.
Die begeisterte Zitierung von Linksaußen-Ökonomen wie Kurt Rothschild zeigt trotz Romigs eigentlich konservativ-katholischen Hintergrunds die große Nähe seines Theorieansatzes zu sozialistischem Denken. Dieses war in der Geschichte immer die sichere Garantie für allgemeine Verarmung. Dennoch präsentiert das Tagebuch in der Folge Romigs Text ohne jede weitere Anmerkung, weil er eine konsistente Zusammenfassung einer sonst kaum noch so artikulierten Weltsicht darstellt, weil er jedenfalls als interessante Herausforderung gelten kann, und weil Mainstream-Medien solchen Sichtweisen keinerlei Artikulations-Chancen bieten. (a.u.)

„Marktwirtschaft" ist ein Kind des Liberalismus, Liberalismus ein Kind der Aufklärung.[i] Das Projekt der Aufklärung ist die Lostrennung („Emanzipation") des Menschen von Gott und schließlich von jeglicher Autorität unter Rekurs auf die als „mündig" angenommene einzelmenschliche Vernunft[ii].

Was eigentlich ist „Marktwirtschaft"?

Die auf sich selbst gestellte („autonome") menschliche Vernunft, die sich nicht mehr als Manifestation des göttlichen Logos versteht, muss ihr Prinzip in sich selbst finden, um auf die Frage, was vernünftig sei, antworten zu können. Wir bezeichnen das als „Rationalismus"[iii].

Vernünftig, „rational" ist für den Rationalismus zuletzt nur das, was Lust verschafft (die Nationalökonomen nennen es „Nutzen", „Bedürfnisbefriedigung", „Ertrag", „Wohlfahrt") und Unlust (Missnutzen oder „Disutility", „Mühe", „Arbeit", „Aufwand", „Kosten") meidet[iv]. Das handlungsbestimmende Prinzip der Vernunft ist nach rationalistischer Auffassung das ökonomische Kalkül von „pleasure and pain“, „utility and disutility", „Nutzen und Aufwand", „Ertrag und Kosten"[v].

Insoweit der Mensch rational handelt – und nur dann handelt er als „aufgeklärter" Mensch, als animal rationale – ist er homo oeconomicus. Sein ganzes Dichten und Trachten, alles was er tut, zielt auf Lustgewinn („Profit") sowie auf den Erwerb von äußerem Reichtum und Macht ab, die beiden Mittel, um sich jeden Wunsch zu erfüllen („Macht ist Münze"). Genau das sind denn auch die Antriebsmotive der „Marktwirtschaft": „Die Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht"[vi].

Das Streben des Einzelnen nach Profit (Lustgewinn, Reichtum) und Macht, stößt auf das gleichartige Streben der Mitmenschen, d. h. auf Konkurrenz. Sie ist das regulative Prinzip, welches das Verhältnis der Menschen zueinander bestimmt, und der Markt der „Ort", auf dem der Wettbewerb ausgetragen wird. „Marktwirtschaft" wird daher häufig mit „Wettbewerbswirtschaft" gleichgesetzt.

Wettbewerb (z.B. im Sport) bezweckt Auslese der Besten nach Regeln oder Normen. Solche (Spiel-)Regeln oder Normen „organisieren" den Wettbewerb („die Wettbewerbsveranstaltung") und bestimmen, wer beim Wettbewerb auf Grund seiner alle anderen Konkurrenten überragenden Leistung („Performance") als Sieger gelten und als der Tüchtigste („Beste", „Stärkste", „Schnellste") den Siegespreis erhalten soll. Auf dieser Idee des Wettbewerbs beruht die der „Marktwirtschaft" zugeschriebene Leistung oder „Funktion", das Hauptproblem der Nationalökonomie, die „Allokation knapper Ressourcen", optimal zu lösen.

Die Ressourcen wandern zum „besten Wirt", zu den tüchtigsten Unternehmen, zu den kaufkräftigsten Käufern, zu den „Orten" des höchsten Ertrages (z.  B.  Kapital in die Länder mit dem höchsten Realzinsniveau) – allerdings nur unter einer Voraussetzung: Die Auslese der Besten und die Wanderung der Ressourcen dürfen nicht gestört, der Wettbewerb nicht „verzerrt", in den Markt nicht „eingegriffen" werden. Jedenfalls nicht anders als mit „marktkonformen" oder „wettbewerbsneutralen" Mitteln. Der  Markt soll „frei" sein. Nur wenn Markt und Wettbewerb sich selbst überlassen bleiben, können sie ihre „Selbstregulierungsfunktion" erfüllen. „Marktwirtschaft" ist daher politisch immer mit der Forderung nach „Laissez faire", und durch sie mit dem Liberalismus verbunden. „Der Markt braucht keinen Meister", hier wirkt der Automatismus der „Selbstorganisation", die „spontane Ordnung" (F. A. v. Hayek), die „invisible hand" (A.  Smith). Einzig die Spielregeln und Normen, unter denen der Wettbewerb stattfinden und seine Auslesefunktion erfüllen soll, sind festzulegen.

Wettbewerb ist Krieg

Wie im sportlichen Wettbewerb, so gibt es auch in der wirtschaftlichen Konkurrenz Sieger und Besiegte, in der Wirtschaft jedoch u. U. mit fatalen Konsequenzen für den Unterlegenen. In der Marktwirtschaft – und das ist der Sinn des Wettbewerbs als Ausleseveranstaltung – soll der Unterlegene auf dem Markt nicht zum Zuge kommen, er soll vom Markt verdrängt und ferngehalten werden. Marktwirtschaftlicher Wettbewerb ist daher immer Verdrängungswettbewerb, Kampf um Marktanteile und Marktkontrolle (insbesondere auch der Marktzugangskontrolle).

Als Verdrängungswettbewerb tendiert Wettbewerb dazu, sich selbst aufzuheben, d.h.: Er tendiert zum Monopol. Wettbewerb ist Kampf ums Monopol, um Vorzugsstellungen, um Kontroll- und Machtpositionen, ähnlich wie in der Parteiendemokratie. Sie ist das politische Korrelat zur „Marktwirtschaft".[vii]  Die moderne Industriegesellschaft stellt sich dem Betrachter denn auch in der Tat als eine „Welt von Monopolen"[viii] dar, die, wenn nicht gerade Waffenstillstand (z. B. auf Grund von Kartellvereinbarungen) zwischen einigen von ihnen herrscht, sich alle gegenseitig bekriegen und unter ihre Kontrolle bringen wollen.

Kriege, so wissen wir aus Erfahrung, werden durch (Unternehmens-) Strategien, Ausrüstungen (Waffen, Munition, logistische Einrichtungen), (Mitarbeiter-) Truppen und Kampfgeist („Motivation", Begeisterung, „Identity") entschieden. Militärische Termini haben seit langem Einzug in die Hörsäle, Lehrbücher und Führungskader der Wirtschaft gehalten.  Kein Wunder, dass da einer der klügsten Nationalökonomen seinen Studenten empfohlen hat, Clausewitz' „Vom Kriege" zu studieren[ix]. Was sie dort lernen würden: Strategie, Aufmarschplanung, Angriff, Überraschung, Umgehung, Tarnung, Täuschung, Umzingelung, Einkesselung, Grabenkampf, Belagerung, Zermürbung, Ausfall, Rückzug etc., das alles sei viel realitätsnäher als alle ökonomischen Modelle und Theoreme.

Die theoretische Form, in der sich die „soziale Marktwirtschaft" heute darstellt, ist die „Neoklassik". Das Überraschende nun ist – und deshalb ist K. W. Rothschild rückhaltlos zuzustimmen – dass es kein einziges mikro- oder makroökonomisches neoklassisches Grundtheorem gibt, das modernen wissenschaftstheoretischen Ansprüchen sowohl in logischer wie empirischer Hinsicht genügen würde und die erforderlichen Tests bestanden hätte. Kein einziges! Mit anderen Worten: Es gibt kein einziges „ökonomisches Gesetz", dessen kausal-mechanische Eindeutigkeit empirisch bewiesen wäre. Was wir heute in der neoklassisch ausgerichteten Nationalökonomie betreiben, ist im Wesentlichen „angewandte Mathematik" oder, wie H. Albert den Nationalökonomen spöttisch vorhielt, „Modellplatonismus"[x], Modellschreinerei ohne Realitätsbezug[xi].

Markt, Angebot und Nachfrage gibt es nicht

Das viel berufene „Gesetz von Angebot und Nachfrage" zur Bestimmung der Preise erwies sich als Tautologie.[xii] In der Praxis gibt es keine Angebots- und Nachfragekurven (in deren Schnittpunkt der Preis zu finden ist).  Die Unternehmer (Anbieter) können nicht einmal die Frage beantworten, was denn eigentlich ihr Produkt tatsächlich „kostet".[xiii] Die Kostenrechnungen und Kalkulationssysteme, die man ihnen einredete, brachten Resultate hervor, die eine „Mischung aus viel Dichtung und wenig Wahrheit"[xiv] darstellen, geeignet, „jenen Preis zu rechtfertigen, der erzielbar ist".[xv]

Die „Gesetze über die Zu- oder Abnahme der Grenzrate der Substitution", mit denen die Theorie erklärt, wie Verbraucher sich verhalten und Haushalte ihre Budgets verwalten, lösten bei den Betroffenen (Hausfrauen, Konsumenten), je nach dem Grade des Verständnisses, erstauntes Kopfschütteln oder Lachkrämpfe aus. Am Ende mussten selbst die Neoklassiker die Idee einer geschlossenen Preistheorie aufgeben und zugestehen, dass die von ihnen aufgestellten „Marktgesetze" nicht ausreichen, um das Zustandekommen von Preisen zu erklären.[xvi]

Und dann verloren sie auch gleich noch den Marktbegriff, sie konnten ihn nicht mehr definieren! Sie hatten den einen „Markt" solange in Teil- und Elementenmärkte zerlegt, bis er sich verflüchtigte und nur noch „Verhaltensweisen" und „individuelle Kundenbeziehungen" übrig blieben. Schon vor rund fünfzig Jahren kam von einem mit neoklassischen Methoden arbeitenden Nationalökonomen daher die Empfehlung, „den Marktbegriff nicht mehr zu verwenden".[xvii] Er ist nichts als ein flatus vocis.

„Marktwirtschaft" ohne „Markt"? Wo sollten da die Marktgesetze herkommen, auf die man sich immer berief, wenn Betriebe geschlossen und Arbeiter auf die Straße geworfen wurden? Denn das Problem, das sie zu lösen versprach, das Problem der Arbeitslosigkeit, diese Geißel des Kapitalismus, bekam die neoklassische Theorie und „Synthese" nie in den Griff. Der Keynes'schen Revolution ging der Atem aus.

Die Theorie zur Bestimmung des Volkseinkommens und der Beschäftigung durch Sparen und Investieren erwies sich als eine „metaphysische Konzeption".[xviii]  Die Annahmen über die „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals", den „Hang zum Verbrauch" und die „Liquiditätsvorliebe" waren nichts als „Catchwords", welche die unverantwortliche Ausweitung der Budgetdefizite begründen halfen. Sie fachten die Inflation an,  versteinerten die Strukturen und schwächten die Wettbewerbsfähigkeit. Als man damit auch die Arbeitslosigkeit nicht mehr in den Griff bekam, ließ man die Keynes'sche Theorie fallen.

Politiker kamen ans Ruder, welche die „Sanierung" der Budgets versprachen, und versatile Ökonomen aus dem klassischen Lager, die „Monetaristen", sprangen ihnen bei, die ihnen ein altes Museumsstück, die „Quantitätstheorie des Geldes", frisch abgestaubt und hochglanzpoliert, als Neuheit verkauften. Jetzt waren „schlanker Staat", Privatisierung und Deregulierung angesagt. Das Problem der Arbeitslosigkeit ließ sich damit zwar auch nicht lösen, aber die Schuld daran konnte man wenigstens auf die Vorgänger im politischen Amte abschieben, die keinen budgetären „Spiel"raum für Ankurbelungsmaßnahmen übrig gelassen hatten. Wirtschaftspolitik pendelte zwischen „Gas geben" und „Bremsen".

Der Leser, der bis hierher durchgehalten hat und Bilanz zieht, wird sich fragen, was denn das Ganze soll? Eine Theorie ohne Praxisrelevanz? „Gesetze" ohne Beweis?  Begriffe ohne Substanz? Was wird denn dann mit dieser Worthülse „Marktwirtschaft" bezweckt?

Die Antwort klingt, als würde sie aus der linken Suppenküche kommen:

„Marktwirtschaft" ist Ideologie! Ihr Zweck ist die Verschleierung und Verdeckung von Machtpositionen, Machterwerb, Machtkämpfen, Machtsicherung, Machtkontrolle. Sie soll das Nachdenken darüber ausschließen oder ablenken, wie die moderne Industriegesellschaft tatsächlich funktioniert, wie, durch wen und zu wessen Gunsten sie motiviert und kontrolliert wird. Kommt Kritik dennoch auf, so wird sie unter Hinweis auf „Selbstregulierung" und „Laissez faire", auf „Sachzwänge" und „Globalisierung", auf „Gemeinsamen Markt" und „internationale Vereinbarungen" abgetan.  Statt angesichts der schrecklichen Verwüstungen unserer Umwelt politisch zu handeln, wird das „Laissez faire" zur Maxime der Politik. Die Berufung auf die sich selbst regulierenden „Marktgesetze" ist Ausdruck der Resignation der classe politique vor einer Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft, die sie selbst in Szene gesetzt hat.

Kennzeichnend für diese Entwicklung zur modernen Industriegesellschaft ist die totale Verschmelzung von Großindustrie, Geschäft, Rüstung, Forschung, Technik, Massenproduktion, -konsum, -unterhaltung, -kommunikation, -manipulation, Staatsbürokratie und Politik.[xix] Das gesamte Ausbildungs- und Erziehungssystem des „Produktionsfaktors" Mensch ist auf die Bedürfnisse der Großindustrie abgestellt. Die Großforschung, inzwischen selbst zu einer Industrie geworden, wird vom Staat unterhalten: Elektronik, Weltraumfähren, Satellitenkommunikation, Atomforschung, Genforschung, sie alle sind „social costs of private enterprise". Die Industriegesellschaft dient nicht den Bedürfnissen des Menschen, sondern ihren eigenen Bedürfnissen. Ihre Rationalität manifestiert sich in ihren höchsten Formen in der Destruktion („Atomgesellschaft"), in der Verschwendung („Gesellschaft im Überfluss") und in der Verdinglichung des Menschen („Entfremdung").[xx]

Das Verdikt Pius XI.

Die moderne Dreifaltigkeit von Naturwissenschaft, Technik und Industrie – Erwin Chargaff macht hierauf wiederholt aufmerksam – arbeitet mit immer größerer Beschleunigung („Wachstumsraten") an der Zerstörung der Welt. Die liberalkapitalistische „Marktwirtschaft" und die mit ihr verbundene neoklassische Theorie sind nichts anderes als der ideologische Überbau für die „Struktur der Sünde", wie Johannes Paul II. sie klarsichtig benennt. Die Verbrämung der „Marktwirtschaft" mit „sozialen" oder „ökologischen" Attributen ändert nichts an diesem  harten Verdikt. Es ist so gültig wie jenes, das Pius XI. vor 80 Jahren mit einer Prägnanz ausgesprochen hat, die erschauern lässt:

„Das ist ja der Grundirrtum der individualistischen (= neoklassischen, F. R.) Wirtschaftswissenschaft, aus dem alle Einzelirrtümer sich ableiten: in Vergessenheit oder Verkennung der sittlichen Natur der Wirtschaft glaubte sie, die öffentliche Gewalt habe gegenüber der Wirtschaft nichts anderes zu tun, als sie frei und ungehindert sich selbst zu überlassen (= Laissez faire.  F. R.); im Markte, das heißt im freien Wettbewerb besitze diese ja ihr regulatives Prinzip… Die Wettbewerbsfreiheit – obwohl innerhalb der gehörigen Grenzen berechtigt und von zweifellosem Nutzen – kann aber unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein.

Die Erfahrung hat dies, nachdem die verderblichen individualistischen Theorien in die Praxis umgesetzt wurden, bis zum Übermaß bestätigt … Am auffallendsten ist heute die geradezu ungeheure Zusammenballung nicht nur an Kapital, sondern an Macht und wirtschaftlicher Herrschgewalt … Zur Ungeheuerlichkeit wächst diese Vermachtung der Wirtschaft sich aus bei denjenigen, die als Beherrscher und Lenker des Finanzkapitals unbeschränkte Verfügung haben über den Kredit und seine Verteilung nach ihrem Willen bestimmen. Mit dem Kredit beherrschen sie den Blutkreislauf des ganzen Wirtschaftskörpers; das Lebenselement der Wirtschaft ist derart unter ihrer Faust, dass niemand gegen ihr Geheiß auch nur zu atmen wagen kann.

Diese Zusammenballung von Macht, das natürliche Ergebnis einer grundsätzlichen zügellosen Konkurrenzfreiheit, die nicht anders als mit dem Überleben des Stärkeren – das ist allzu oft des Gewalttätigeren und Gewissenloseren – enden kann, ist das Eigentümliche der jüngsten Entwicklungen.

Solch gehäufte Macht führt ihrerseits wieder zum Kampf um die Macht, zu einem dreifachen Kampf: Zum Kampf um die Macht innerhalb der Wirtschaft selbst; zum Kampf sodann um die Macht über den Staat, der selbst als Machtfaktor in dem Interessenkampf eingesetzt werden soll; zum Machtkampf endlich der Staaten untereinander … (= Imperialismus, F. R.) … Der freie Wettbewerb hat zu seiner Selbstaufhebung geführt; an die Stelle der freien Marktwirtschaft trat die Vermachtung der Wirtschaft; das Gewinnstreben steigerte sich zum zügellosen Machtstreben. Dadurch kam in das ganze Wirtschaftsleben eine Grausen erregende Härte".[xxi]

Kein Kommunist, so meinte Maurice Thorez in seiner historischen Ansprache vom 26.  Oktober 1937, habe den „Wirtschaftsliberalismus" je so heftig kritisiert wie Pius XI.[xxii]

Die Konservative Wirtschaftsauffassung

Für die konservative Auffassung ist Wirtschaft „Leistungsgemeinschaft" im Dienste der Gesellschaft, genauer noch „ein Gebäude rangordnungsmäßig gegliederter Leistungen von Mitteln für Ziele".[xxiii] Diesem Begriff zufolge unterscheidet konservative Wirtschaftstheorie:

  1. Die der Wirtschaft von der Gesellschaft vorgegebenen Ziele, zu deren Erreichung die von der Wirtschaft bereitzustellenden Mittel notwendig sind. Zu diesen Mitteln gehören nicht nur solche, welche die „Bedürfnisse" der einzelnen Menschen („Konsumenten") „befriedigen" (z.B. Nahrung, Kleidung, Wohnung), sondern auch Weltraumfähren, SDI (Raketenabwehr-)-Systeme, Atomraketen, Neutronenbeschleuniger zur Erzeugung von Nobelpreisen, Gefängnisse, Kirchengebäude, Wasserwerfer der Polizei, Überwachungssysteme bei Grenzübertrittsstellen; Güter also, die von der neoklassischen Theorie in der Regel ausgeklammert werden.  Welche Mittel bereitzustellen sind, darüber entscheidet nicht die „Wirtschaft", sondern die Gesellschaft in ihren der Wirtschaft vorgeordneten „Kultursachbereichen" (mit ihren „Haushalten" und „Budgets").
  2. Die Leistungsarten oder Funktionen: Organisatorische Leistungen (Wirtschaftssystem, Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsrecht, Besteuerungssystem, Geld-, Währungs- und Kreditsystem), Vorleistungen (Erfinden und Lehren), Hervorbringungsleistungen (Kreditschöpfung und Kreditgewährung, Handel, Lagerhaltung, Transport, Erzeugung, Schadensverhütung und Versicherung).
  3. Die Leistungsgebilde oder Sozialwirtschaftsstufen, die jeweils alle Leistungsarten in spezifischer Weise darstellen oder „ausgliedern" (Weltwirtschaft, Großraumwirtschaft, Volkswirtschaft, Regionalwirtschaft, Verbandswirtschaft, Betriebswirtschaft, Hauswirtschaft).
  4. Die Leistungs- oder Wirtschaftsgrundlagen: Der Mensch als Verrichtungsträger, die Natur (Boden, Bodenschätze, Wald, Wasser, Pflanzen- und Tierarten, Mikro- und Makroklima), Wissenschaft und Technik
  5. Die Leistungsgrößen, Leistungs„werte" oder Preise
  6. Die Vorrangverhältnisse, insbesondere der Vorrang der Ziele vor den Mitteln, der Mittel vor den Leistungsgrundlagen, der höheren Leistungen und Wirtschaftsstufen vor den niedrigeren, der Leistungen vor den Leistungsgrößen.
  7. Die Wirtschaftspolitik als Inbegriff von organisatorischen Maßnahmen zur Umbildung der Wirtschaft zwecks Effizienzsteigerung oder Festigung der Gesellschaft.

Nach ihren grundsätzlichen Absichten („Schlüsselbegriffen"), ist konservative Wirtschaftspolitik: Wirtschaftsausbaupolitik (z.B. Entwicklungspolitik, „Vollbeschäftigungspolitik"), Dezentralisationspolitik (z.B. Großstadtauflockerungspolitik); Struktur(krisen)politik, Stabilisierungspolitik (z.B. Konjunkturpolitik); Kreativitäts(anregungs)politik (z.B. Innovationspolitik).

Konservative Ordnungspolitik erschöpft sich nicht in Wettbewerbspolitik oder Marktordnung: Im Vordergrund steht nicht die „Konkurrenz", sondern die Förderung der Zusammenarbeit oder „Kooperation" der einzelnen Wirtschaftsgebilde nach den Prinzipien Selbsthilfe (solidarische Hilfe), Selbstverwaltung (Subsidiarität) und Gemeinwohlwahrung (Gesamtwohlfahrt, bonum commune, sittliche Bindung). Ihr regulatives Prinzip ist nicht die Konkurrenz, sondern die Gerechtigkeit (Angemessenheit, Entsprechung, iustitia commutativa et distributiva).[xxiv]

Durch die Politik der Zusammenarbeit wird die Wirtschaft „formiert" oder „durchorganisiert", d.h. verbandlich gegliedert. Je kräftiger die Verbände entfaltet und hierarchisch gegliedert sind, desto besser funktioniert die Selbstverwaltung, der Interessenausgleich zwischen den Verbänden und die Zusammenarbeit mit dem Staat.

Verband schluckt Staat

Der Staat kann sich auf seine eigentlichen Hoheitsaufgaben zurückziehen und die wirtschafts- und sozialpolitischen Angelegenheiten der (sozial-)partnerschaftlichen Regelung der Wirtschaftsverbände weitestgehend überlassen, die, im Gegensatz zur Staats- und EU-Bürokratie, den zu solchen Regelungen gemeinsamer Angelegenheiten notwendigen Sachverstand besitzen. Hoheitliche Eingriffe sind dann nur erforderlich, wenn der Interessenausgleich versagt oder das Gemeinwohl verletzt wird.

Je nach geschichtlicher Situation wurden von praktisch allen westlichen Industriestaaten ordnungspolitische Maßnahmen gesetzt und Einrichtungen geschaffen, durch welche die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung angetrieben und die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft verbessert und geregelt wurde.

Erinnert sei hier nur an den „Reichswirtschaftsrat" der Weimarer Republik (wegen seiner Zusammensetzung ein Fehlschlag), an die heutige relativ geordnete „Repräsentation organisierter Interessen" in der BRD, an das schweizerische „Vernehmlassungsverfahren" und die „Friedensabkommen", an die österreichische „Sozialpartnerschaft", an den „Sozialökonomischen Rat" in den Niederlanden, an die „Planification a la franVaise", an die „Camera Corporativo" in Portugal (unter Salazar eingerichtet), an das wenig nachahmenswerte System des „Lobbying" in den USA, das jedoch ergänzt wird durch die „Hearings".

Immerhin zeigen diese wie auch andere, zum Teil äußerst erfolgreichen Ansätze, dass kein Staat allein auf den „Marktmechanismus" vertraut. Allzu viele Wahlmöglichkeiten hat der Staat ja heute nicht mehr: Entweder überlässt er die Kontrolle des „Marktes" den Großunternehmungen mit allen Nachteilen für das Gemeinwohl, die im ersten Abschnitt beschrieben wurden; oder er kommt seiner Gemeinwohlaufgabe nach und fördert die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung nach den oben beschriebenen Prinzipien. Die dritte Möglichkeit: Sozialisierung und zentrale Planung, wird nach dem Scheitern der realsozialistischen Experimente heute ja kaum noch jemand in Betracht ziehen.

Die neoklassische Theorie hat zu den Verbänden und ihren Funktionen praktisch keinen Zugang.  Für sie sind Verbände Träger von privater Macht, welche die Märkte kontrollieren und die Konkurrenz fernhalten wollen (also Kartelle oder Monopole). Um ihr Ideal von der möglichst vollständigen Konkurrenz- und Marktfreiheit durchsetzen zu können, würden die Vertreter der Neoklassik daher am liebsten alle Verbände auflösen, womöglich auch die Gewerkschaften. Alles, was sie damit erreichen, ist die Kontrolle der Märkte durch jene Mammutunternehmungen, die übrig bleiben, wenn die Konkurrenz ihre Auslesefunktion erfüllt hat.

Die Ziele konservativer Wirtschaft

Jede Gesellschaft ist umso lebendiger und reicher, je mehr die kleinen Gemeinschaften und Verbände entwickelt und differenziert sind. Daher Dezentralisationspolitik, Auflockerung, Betonung der Unterschiedlichkeit, „Spezifizität" statt Gleichheit und Uniformierung.  Daraus ergibt sich als anzustrebendes Bild konservativer Wirtschaft:

  1. Humane Arbeits- und Konsumwelt: Förderung von Klein- und Mittelbetrieben („small is beautiful"), Dezentralisation von Großbetrieben (Werkaussiedelung, Gruppenarbeit, Vollfertigung statt Fließbandarbeit, Automation zwecks Entlastung von stumpfsinniger Repetitivarbeit), Förderung gediegener, gesunder und dauerhafter Produkte und des persönlich geprägten Bedarfes, Zurückdrängung der Massenproduktion und Massenunterhaltung, des Massentourismus etc.
  2. Humane Wohnwelt: Förderung der Großstadtauflockerung, Eigenheim- und Gartenstadtbewegung, Zurückdrängung der Mietskasernen und Slums, Förderung der Nachbarschafts-, Dorf-, Bezirks- und Heimatkultur.
  3. Bändigung von Wissenschaft und Technik: Auflösung der militärisch-technisch-industriellen Superstrukturen, Förderung naturnaher und humaner Wirtschaftstechniken, regenerativer Kreisläufe, intermediärer Techniken.
  4. Schutz der Natur, sorgfältiger Umgang mit den Naturgrundlagen; Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Schonung der Bodenschätze und Energiereserven, Bekämpfung des Waldsterbens und der Großrodungen, Reinhaltung der  Seen, Flüsse, Meere und Grundwasserreserven; Erhaltung der Tier- und Pflanzenarten, naturnahe Züchtungsmethoden, tiernahe Stallhaltung, Bekämpfung der Klimaverschlechterungen (Ozonbelastung, Treibhauseffekt) und der Luftverschmutzung.
  5. Umfassende Förderung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen (betrieblich, regional, national, international), zwischen allen Leistungsträgern, Klassen und Schichten, ihren Verbänden und Vertretungen. Zurückdrängung der überbordenden Konkurrenz, des Klassenkampfes, der Interessenkonflikte, der Machtkonzentrationen, des Wirtschaftsimperialismus.
  6. Zusammenwachsen und „Formierung" der Verbände zu einem ideellen „Wirtschaftskörper", der die gegenseitige Abhängigkeit und Aufeinanderangewiesenheit aller am Wirtschaftsleben partizipierenden Glieder bewusst, überschaubar und gestaltbar macht und hierbei Eigeninitiative (Selbsthilfe, Eigenvorsorge, Privateigentum) und Selbstverwaltung (Selbstbestimmung, Freiheit) mit Gemeinwohlorientierung (Sozialprinzip) verbindet.

Die Bausteine aus der Tradition

Die Tradition der konservativen Wirtschaftsauffassung[xxv] reicht bis in die Antike zurück. Sie hat ihre Vertreter und Schulen in jeder geistesgeschichtlichen Epoche und findet in der Gegenwart immer mehr Freunde. Die Beiträge von tausenden Verfassern müssten genannt werden, doch mögen hier einige Andeutungen genügen:

Grundlegend ist Platons „Staat" mit seiner Lehre von der Einheit oder Ganzheit der Seinsordnung, Staatsordnung (= Ständeordnung) und Tugendordnung.
Die Summen des Hl. Thomas v. Aquin mit ihrer Lehre vom  „gerechten Preis" und der Güterlehre. Auf Thomas fußt weitgehend die Katholische Soziallehre mit den Enzykliken der Päpste.
Fichtes „Geschlossener Handelsstaat", der in seiner Stringenz den Gegensatz der konservativen Auffassung zur „offenen" oder „freien" Markt- oder Konkurrenzwirtschaft ganz deutlich macht.
Adam Müllers „Elemente der Staatskunst" mit ihrer Lehre vom „idealischen" oder geistigen Kapital der Nation.
Friedrich Lists „Nationales System der politischen Ökonomie" mit der für alle Wirtschaftspolitik bis heute unverlierbaren „Lehre von den produktiven Kräften".
Die ältere und jüngere historische Schule (Roscher, Knies, Hildebrand, Schmoller) mit ihrer Abkehr von jedem Modelldenken und der Betonung des „geschichtlichen Wachstums der Ordnungen" in Abwehr konstruktivistischer und funktionalistischer Ordnungsversuche der Wirtschaft.
Die soziologische Richtung der Nationalökonomie mit Werner Sombart und Max Weber, an der Spitze Othmar Spanns und Walter Heinrichs „universalistische" oder „ganzheitliche" Schule, die das am gründlichsten durch gearbeitete System der konservativen Wirtschaftstheorie bisher geliefert hat.
Die „institutionelle" Richtung, die vor allem in den USA vertreten ist (Th. Veblen, J. K. Galbraith).
Die auf J. M. Keynes zurückgehende, jedoch weiterentwickelte „strukturanalytische" Schule mit ihrer Input-Output-Rechnung (W. Leontief).
Die kulturmorphologische Schule (E. Egner, B. Laum, F. Perroux), die grundlegende Einsichten in nichtmonetäre Transaktionen (Stichwort: „Schenkende Wirtschaft") gebracht hat.
Die ökologische Richtung mit der Lehre von den „sozialen Kosten" (W. K. Kapp). Die „gemeinwirtschaftliche Schule" mit der Untersuchung von Kommunalbetrieben (G. Weisser, H. Ritschl).
Die "Raumwirtschaftslehre" mit ihrer Betonung von Standortfaktoren und „zentralen Orten" (A.  Lösch).

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Autoren, die sich intensiv mit Spezialfragen und wirtschaftspolitischen Problemen befassen (z. B. Internationale Organisationen, Währungs- und Kreditpolitik, Agrarpolitik, Marketing, Unternehmungsführung, Haushaltswirtschaft usw.), allein schon vom Sachgehalt ihrer Arbeiten her, sich vielfach konservativen Auffassungen nähern. So verfügt etwa die Betriebswirtschaftslehre über ihre eigene konservative Tradition, die sie heute ganz bewusst und mit äußerster Schärfe der auf der neoklassischen Mikroökonomie fußenden Privatwirtschaftslehre (E. Gutenberg) gegenüberstellt (H.  Nicklisch, K. Oberparleiter, E. Schäfer, F. Schönpflug, J. Kolbinger, R. Fürst, R.-B. Schmidt, H. Ulrich, H. A. Simon). Ähnliches ließe sich wohl aus jedem Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft berichten.

Paradigmenwechsel?

Durch ihre ganz bewusste Unterordnung unter die geistig-kulturell-sittlichen Dimensionen der Gesellschaft stellt sich die konservative Wirtschaftsauffassung der wichtigsten Aufgabe unserer Zeit: Der „Versittlichung" von Wirtschaft und Gesellschaft oder, um es mit den Worten von Johannes Paul II. auszudrücken, der „Überwindung der Strukturen der Sünde", zu denen der Liberalismus und die liberalkapitalistische Marktwirtschaft samt der sie begleitenden neoklassischen Theorie zweifellos gehören[xxvi].

Im Westen ist sie weithin herrschend geworden, ihre geistigen Wurzeln hat diese Struktur in der Aufklärungsphilosophie. Auf den Denkeinstellungen der „Aufklärung" (Verneinung der Transzendenz, Nichtunterscheidung von Sein und Seiendem, Ablehnung jeder Metaphysik), ihren Denkmustern (Individualismus, Hedonismus, Utilitarismus, Rationalismus) und ihren Denkmethoden (naturwissenschaftlich-technisch-mathematisches Verfahren –Positivismus, kritischer Rationalismus) beruht die „Krise der Neuzeit"[xxvii] mit ihren geradezu lebensbedrohenden Zerstörungen und reduzierten Zukunftserwartungen.[xxviii]

In der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft sind es vier Momente, die auf eine Ablösung der liberalkapitalistischen Marktwirtschaftstheorie hoffen lassen:

  1. Die ganzheitliche Sicht: Es besteht heute in der Theorie ein Zug zur Totalanalyse, zur Erfassung der allseitigen („interdependenten") Bezogenheit aller Einzelerscheinungen und Nebenerscheinungen des wirtschaftlichen Prozesses, so heute vor allem die Beachtung ökologischer, landschaftlicher, sozio-kultureller und technischer Aspekte und Folgen von wirtschaftlichen Projekten und Entscheidungen.
  2. Die Bildung „ganzheitlicher" Institutionen: Schon durch ihre Zusammensetzung schaffen sie die Voraussetzung dafür, dass Projekte oder wirtschaftspolitische Maßnahmen nach allen Seiten und Interessengesichtspunkten hin abgewogen werden (sozialökonomische Räte, sozialpartnerschaftliche Beiräte, Kammern, Körperschaften öffentlichen Rechts usw.)
  3. Die Entwicklung ganzheitlicher Methoden der Wirtschaftsanalyse: Der Bedarf dieser Institutionen wie auch die ganzheitliche Sicht fordern Methoden, die den All-Zusammenhang der einzelnen Wirtschaftszweige und Haushalte sichtbar und die quantitativen Wirkungen von Maßnahmen der Wirtschaftspolitik abschätzbar machen (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Systemanalysen, Input-Output-Tabellen u.a m.)[xxix]
  4. Die Abwertung des Ökonomischen: Es treten heute immer mehr Bewegungen auf, welche die Ansprüche der „Industriegesellschaft" in die Schranken weisen (Naturschutz, Greenpeace, biologisch-dynamischer Land- und Gartenbau, Gartenstadtbewegung, Aktion ziviler Ungehorsam, Besetzung von Kraftwerksbaugelände, Verhinderung von Straßenprojekten, Bürgerinitiativen u.v.a.). Solche Bewegungen sind Symptome dafür, dass immaterielle, soziale und kulturelle Werte wie Gesundheit, Lebensqualität, „Selbstverwirklichung", persönliche Freiheit und Würde gegenüber Einkommen und Konsum von materiellen Gütern an Bedeutung gewinnen[xxx].

Im gleichen Ausmaß, in dem diese konservativ-ganzheitlichen Denkweisen und Methoden sich durchsetzen, verdrängen sie „Marktwirtschaft" und Neoklassik. Der Paradigmenwechsel, von der „Aufklärung" zum „Konservativismus", scheint sich langsam zu vollziehen. Wie lange der Prozess der Ablösung dauern und von welchen Rückschlägen er betroffen werden wird, kann heute niemand sagen. Eines aber wissen wir heute ganz sicher: „Aufklärung" und Liberalismus, konsequent zu Ende gedacht, führen zu Chaos und Anarchie[xxxi], zur Zerstörung der Natur,[xxxii] zur Auflösung der Ordnungen und letzten Endes zur „Abschaffung des Menschen".[xxxiii] [xxxiv]

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

Endnoten

[i]Die gründlichste Klärung dieses Zusammenhangs von sozialer Marktwirtschaft, (Neo-)Liberalismus und Aufklärung findet sich  bei E. E. Nawroth: Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, Heidelberg 1961. N. kommt zu dem Schluß, daß es sich beim Neoliberalismus nicht um eine Neuschöpfung, sondern um die Renaissance altliberaler Konzepte handelt, die in keiner einzigen Grundfrage über das geistige Niveau der Aufklärungsphilosophie hinausgekommen ist (S 425). N. setzt sich mit den deutschen Vätern des Neoliberalismus  auseinander (F.  A. v. Hayek, A. Müller-Armack, W. Eucken, W. Röpke, F. Böhm). Im angelsächsischen Bereich firmiert der Neoliberalismus unter "Neoklassik". Die Schlußfolgerungen N's. gelten in gleicher Weise wie für den Neoliberalismus und die "soziale Marktwirtschaft" (social market economy) auch für die "neoklassische Nationalökonomie".  Vgl. dazu: F. Romig: Die ideologischen Elemente in der neoklassischen Theorie - Eine kritische Auseinandersetzung mit Paul A. Samuelson, Berlin 1971, insbes.  S 10; unabhängig kommt zu gleichartigen Aussagen jetzt H. Arndt: Irrwege der Politischen Ökonomie, München 1979. A. behandelt das Schrifttum in seiner ganzen Breite.

[ii]Vgl. Stichwort: "Aufklärung", in: H. Schmidt: Philosophisches Wörterbuch, 20.  Aufl. (neu bearb. v. G. Schischkoff), Stuttgart 1978, S. 45f. Dort bes. zu beachten die Hinweise auf "Rationalismus" und "Liberalismus", die mit der "Aufklärung" untrennbar zusammenhängen. Einen guten und ausführlicheren Überblick bietet F.Schalk: Die europäische Aufklärung, in: Propyläen Weltgeschichte, Bd. 7, Frankfurt 1986 (Neudruck), S. 469-512.

[iii] Vgl. Stichwort: "Rationalismus", in: Phil.  W. B., a. a. O. (FN 2), S 551: "Der Rationalismus ist die Denkweise der Aufklärung … "

[iv] Lustmaximierung (Hedonismus) als letztes Ziel des Rationalismus folgt aus seiner sensualistischen (materialistischen) Geisteslehre: Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu (J. Locke) Dieser Grundsatz zieht sich von Hobbes über  Marx bis zu den Evolutionisten durch die gesamte Aufklärung. Vgl. O. Spann: Philosophenspiegel-Die Hauptlehren der Philosophie begrifflich und geschichtlich dargestellt, 3. Aufl. (mit einem Nachwort von G. Schischkoff), Bd. 13 der Othmar Spann-Gesamtausgabe, Graz 1970, S 35.

[v] Die Reduktion des "rationalen" Denkens auf das "ökonomische Kalkül" von "pleasure and pain" (Jevons) läßt sich über A. Smith bis zum neo-epikuräischen Eudämonismus des Th. Hobbes zurückzuverfolgen.  Vgl.  K. Muth: Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, Bd. 2, S. 221, S. 400, S. 421.  Die gesamt neo-klassische "Mikroökonornie" ist in ihrem Kerne nichts anderes als "Nutzenkalkül" von Tausch- oder "Substitutions-Möglichlkeiten ("Optionen", Wahlhandlungen). Politisch begründet das Offenhalten der Substitutionsmöglichkeiten die Forderung nach Erwerbsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Gewerbefreiheit, "offene" Märkte, "freie" Marktwirtschaft sowie die Abwesenheit von "Macht" und "Zwang". Auf die Tautologie, die dadurch entsteht, ein machtfreies Marktmodell zu konstruieren und dann, um des Funktionierens willen, politisch die Elimination der Macht zu fordern, hat nachdrücklich hingewiesen K. W. Kapp: The Social Costs of Private Enterprise, Cambridge, Mass. 1950, S. 240

[vi] Johannes Paul II: Enzyklika über die soziale Sorge der Kirche "Sollictudo rei socialis", Rom 1987 (abgek.  SRS) n. 37: Zwei Verhaltensweisen kennzeichnen die heutigen "Strukturen der Sünde": "die ausschließliche Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht" die beide "unauflöslich verbunden sind" und "die wahre Natur des Bösen" ausmachen.

[vii] Der Zusammenhang von "Marktwirtschaft" und Demokratie" wird gerade von Neoliberalen oder "Ordo"-Liberalen ("freiheitliche" Wirtschaftsordnung - "freiheitliche" Gesellschaftsordnung) immer wieder betont.  Doch auch hier wirkt so etwas wie die "Dialektik der Aufklärung": In der neoliberalen Konzeption wird aus "Wettbewerbsfreiheit" "Wettbewerbszwang", daher das Verbot von Kartellen, Zusammenschlüssen und anderen Verbänden als Formen "privater Macht". F. Ottel: Wirtschaftspolitik am Rande des Abgrundes, Frankfurt 1957, ist diesem Sachverhalt nachgegangen.

[viii] J. Robinson: The Economics of Imperfect Competition, London 1933 (repr. 1948).

[ix] Vgl.  K. W. Rothschild: Preistheorie und Oligopol, in: A. E. Ott (Hrsg.), Preistheorie, Köln 1965, S. 360.

[x] H. Albert: Modell-Platonismus. Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens in kritischer Beleuchtung, in: Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgestaltung. Festschr. f. G. Weisser, Berlin 1963,  S 45.

[xi] Wie ein roter Faden zieht sich die Sorge um den Realitätsbezug durch die "Presidential Addresses", die von den bekanntesten Wirtschaftswissenschaftern aus dem angloamerikanischen Bereich jeweils zu Jahresende an die American Economic Association gerichtet und anschließend in The American Economic Review veröffentlicht werden.  Gegen die zunehmende Spezialisierung und Trivialisierung werden "Economics of economics" gefordert, also die Anwendung des ökonomischen Kalküls von Nutzen und Aufwand auch auf die Theorienproduktion der Nationalökonomen. Das erinnert an die J. Schumpeter zugeschriebene Bemerkung, von der Arbeit der Nationalökonomen entfielen 10 Prozent auf die Aufstellung neuer Theorien, 90 Prozent auf ihre Widerlegung, das Ergebnis nähere sich Null.  Heute stimmt das sicher nicht mehr: mindestens 50 Prozent ist für das gedankenlose Wiederkäuen von unbewiesenen Grundtheoremen in Lehrveranstaltungen und Textbüchern anzusetzen. "Papageiengeschwätz" nennt das eine der berühmtesten Nationalökonominnen, J. Robinson. Um diesen  Tendenzen - Realitätsferne, Trivialisierung, Verschwendung von Ressourcen -   gegenzusteuern, wäre es marktwirtschatlich konsequent - wenn auch eine kleine Revolution  auslösend -  nicht nur "Economics of economics" zu fordern, sondern Wissenschaft und Forschung samt Lehrbetrieb und Universitäten zu privatisieren und die staatliche Subventionierung einzustellen. In diese Richtung gehen die Vorschläge zweier so bedeutender Kritiker am heutigen "Wissenschaftsbetrieb" wie E. Chargaff und P. Feyerabend (vgl. E. Chargaff: Kritik der Zukunft.  Stuttgart 1983, S 35ff; P. Feyerabend: Irrwege der Vernunft (engl. Farewell to Reason), Frankfurt 1989, bes.  S 381 ff. Wie immer, so ist es auch hier mit marktwirtschaftlichen Prinzipien" zu Ende, wenn "vested interests" betroffen sind.

[xii] Zu diesen, aus der Tatsache des Wirtschaftskreislaufes und der Interdependenzen abgeleiteten und auf den ersten Blick nicht gleich plausiblen Sätzen sowie zu den folgenden Beispielen: F. Romig, a.a. O. und H. Arndt, a. a. O. ( beide FN 1).

[xiii] J. Robinson: Doktrinen der Wirtschaftswissenschaft - Eine Auseinandersetzung mit ihren Grundgedanken und Ideologien (engl.  Economic Philosophy), München 1965,S 118.

[xiv] So der führende deutsche Kostentheoretiker und -praktiker P. Riebel: Das Rechnen mit Einzelkosten und Deckungsbeiträgen, in: Zeitschrift. f. handelswissenschaftliche  Forschung, Köln schon 1959, S.  237: "Es gibt in jeder Wissenschaft Fragen. die aus der Natur der Sache heraus nicht beantwortet  werden können.  Dazu gehört die naheliegende, aber laienhafte Frage: Was kostet die Leistungseinheit?"

[xv] J. Robinson a.a.O. (FN 13), S. 169.  Der Sarkasmus ist nicht zu übersehen.

[xvi] Vgl.  H. v. Stackelberg: Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Tübingen 1951, S. 220f.

[xvii] H. Sanmann: Marktform, Verhalten, Preisbildung bei heterogener Konkurrenz, in: Jb. f. Sw., Bd. 14, Göttingen 1963, S 59. Ganz folgerichtig verwendet die konservative Wirtschaftstheorie den Begriff "Leistungswechsel" für "Markt" und nimmt die Funktionen in den Blick, die mit diesem verbunden werden.

[xviii] J. Robinson, a. a. O., (FN 13), S 118

[xix]Überaus anschaulich dargestellt durch J. K. Galbraith: Die moderne lndustriegesellschaft (engl.  The New lndustrial State), München 1968.

[xx] Hierzu noch immer grundlegend H. Marcuse: Der eindimensionale Mensch. Studien zur fortgeschrittenen Industriegesellschaft (engl. One-Dimensional Man), Berlin 1968, 3. Aufl.  Ihn zitiert  Paul Vl. in seiner "Ansprache an die Internationale Arbeiterorganisation (ILO)" in Genf, am 10.  Juni 1969, n. 20, in: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.): Texte zur katholischen Soziallehre, 8. Aufl., Bornheim 1992, S 451

[xxi]Pius XI.: Enzyklika über die gesellschaftliche Ordnung, ihre Wiederherstellung und Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft "Quadragesimo anno".  Rom 1931, n. 88 und 105-109.

[xxii] Hirtenbrief der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika über den marxistischen Kommunismus vom Nov. 1980 (dtsch.), Bonn 1980, Anm. 3. Verdienstvollerweise hat A. Mohler  wieder in Erinnerung gerufen, wo der eigentliche Feind des Konservativen zu finden ist: im Lager der Liberalen. Hier gilt es sich zu absoluter Klarheit durchzuringen und jeden Kompromiß zu vermeiden (vgl.  A. Mohler: Liberalenbeschimpfung.  Sex und Politik, Der faschistische Stil, Gegen die Liberalen - Drei Politische Traktate, Essen 1989, S. 132).

[xxiii]      Wir folgen hier der universalistisch-konservativen Theorie 0. Spanns und seiner Schule, von der Armin Mohler meint, sie habe der Konservativen Revolution "das durchgearbeitetste Denksystem geliefert" (A. Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932, Darmstadt 1972 (2. Aufl.), S 203. Als Standardwerk konservativer Wirtschaftspolitik darf gelten: W. Heinrich: Wirtschaftspolitik, 2 Bde., Berlin 1964-1967 (2.  Aufl.); eine kurze Gesamtübersicht bietet F. Romig: Wirtschaft der Mitte.  Eine Einführung in die "Wirtschaftspolitik" von Walter Heinrich, Stifterbibliothek, Bd. 72, Salzburg 1955.  Eine populäre Einführung in das Spannsche System wurde vorgelegt von W. Becher: Der Blick aufs Ganze - Das Weltbild Othmar Spanns, München 1985; in den "Monographien zur österreichischen Kultur und Geistesgeschichte" liegt als Bd. 4 jetzt vor: J. H. Pichler (Hrsg.): Othmar Spann oder Die Welt als Ganzes, Wien 1988.  Dort auch eine Bibliographie der wichtigsten Arbeiten aus der Spann-Schule (S 279-285).  Eine Othmar Spann-Gesamtausgabe in 21 Bänden ist erschienen In der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt in Graz, 1963-1979.

[xxiv] Vgl. F. Romig: Theorie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Berlin 1966. Dort auch eine Tabelle als Überblick über das ganzheitliche System von Gesellschaft und Wirtschaft (S 92).

[xxv] In der Iehrgeschichtlichen Darstellung schließen wir uns weitgehend an: 0. Spann: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage. In einem Nachwort weitergeführt v. W. Heinrich. (Bd. 2 der Othmar Spann-Gesamtausgabe), 28. Aufl.,Graz 1969 .

[xxvi] Johannes Paul II. benennt als "Strukturen der Sünde" für den Westen den liberalistischen

Kapitalismus und für den Osten das "System, das sich am marxistischen Kollektivismus orientiert".  Vgl. Enzyklika SRS (FN 6), n. 20.

[xxvii] Für die Aufhellung der geistigen Hintergründe dieser Krise noch immer lesenswert: René Guénon: Die Krise der Neuzeit (franz. La Crise du Monde Moderne), Köln 1950

[xxviii] Aus dem bereits uferlosen Schrifttum seien zwei Hauptwerke hervorgehoben: Bericht an den Präsidenten: "GLOBAL 2000", Frankfurt 1981 (12.  Aufl.); World Comission on Environment and Development: Our Common Future (abgek.  Brundtland-Bericht), Genf 1989 (12.  Aufl.). In beiden Berichten umfangreiche Literaturangaben.  Der letztgenannte Bericht klingt wie ein Verzweiflungsschrei (bes.  S. X f).  Die Zerrüttung der Umwelt schreitet seit Jahren fort und beschleunigt sich ständig.  Effektive Maßnahmen, die geeignet wären, die Entwicklung einzubremsen oder gar zu stoppen, scheitern zumeist an den unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Länder.

[xxix] Die Nichteinbeziehung des Verzehrs an natürlichen Ressourcen (z.  B. Erdöl) oder der Beeinträchtigung der Lebensqualität, ferner die Nichtberücksichtigung von marktvermeidenden Leistungen (z.  B.  Haushaltsarbeit) in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen führen zu falschen Aussagen (etwa über die "Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts"), Fehlschlüssen und Fehlmaßnahmen. Zum Teil werden solche Rechnungen angestellt, um Projekte plausibel zu machen, die auf Widerstand stoßen. Die Rede ist dann von "Umwegrentabilität" (z.B. von "Weltausstellungen"), "Spin-off-Effekten (bei der Raumfahrt und Rüstung). Intangible Kosten bleiben dabei meist unberücksichtigt, im Gegensatz zu den intangiblen Erträgen.

[xxx] Vgl. K. Lehmann: Gesellschaftlicher Wandel und Weitergabe des Glaubens, Bonn 1989, S 8

[xxxi] Sobald nicht Gott, sondern der "Mensch das Maß aller Dinge" ist, führt der Weg, einem Diktum F. Grillparzers zufolge, "von der Humanität  über die Nationalität zur Bestialität". Der Emanzipation von Gott entspricht die Emanzipation des Menschen von (den "Zwängen") der Gemeinschaft, die Auflösung der Familie, das Absterben des Staates, die klassenlose und herrschaftsfreie Gesellschaft, die Anarchie.Geistesgeschichtlich konsequent folgte auf Rousseau, Feuerbach, Marx, Bakunin und Kropotkin. Radikal gedacht, endet aller Liberalismus in Anarchismus. Dazu: K. Muth: Die Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, insbes. Bd. 2, Kap.  VII: "Die Doktrin der Anarchie", S 283 ff. Das Ziel der Anarchie: die "herrschaftslose Gesellschaft", findet sich heute in allen "emanzipatorischen" Bewegungen der Gegenwart. so bei den "Grün-Alternativen" den "Basisdemokraten", den "Feministinnen", den "Revolutionären Marxisten", Kommunisten und Sozialisten. Ebenso bei den Liberalen (A.  Rüstow), Linksliberalen und Sozialdemokraten. Die Umsetzung folgt der  "Strategie des Kulturkampfes", von der vor allem Schulen, Universitäten, Kirchen, Massenmedien, Kunst und Unterhaltungsindustrie betroffen sind.  Ausführlich behandelt in: F. Romig: Der neue Kulturkampf - zur Strategie der Linken: Die "Revolution ohne Revolution", in: Neue Ordnung, H. 4-6, Graz 1988.

[xxxii] Vgl. F. Romig: Erwin Chargaff: Ein Monument des Widerstandes gegen die Dehumanisierung der Welt, - eine Hommage, in: Neue Ordnung , H. 4, Graz 1989, S. 9 f: Naturwissenschaft erforscht nicht die Natur, sie sprengt sie; sie löst keine Probleme, sie schafft sie. Dem Wissenschaftsbetrieb geht es nicht ums Wissen, sondern ums Geld. Hauptfunktion der Wissenschaft ist die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen für Wissenschaftler, die von den Universitäten ohne Rücksicht auf den Bedarf produziert werden. Die Wissenschaft wurde zu einer Ersatzreligion hochstilisiert, Forscher zu Quasi-Priestern geweiht, die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit, "und bestünde diese auch nur darin, eine Gesteinsprobe vom Mars zu holen", gilt als Tabubruch und Sakrileg. Eine kräftige Lobby sorgt dafür, daß dem Staat immer größere Geldmittel entrissen werden, die der Selbsterhaltung der Forschungsindustrie und ihrem krebsartigen Wachstum dienen. Zusammen mit der von ihr getriebenen Industrie ist sie dabei, die Erde unbewohnbar zu machen und alles Leben auszulöschen . Sie ist zur größten Bedrohung der Menschheit geworden.  Sie entstammt dem Ungeist der "Aufklärung", der dafür gesorgt hat, daß  "seit fast zweihundert Jahren ein Frösteln durch die Weit geht" (Warnungstafeln, Stuttgart 1982, S. 184). Ganz in diesem Sinn auch P. Feyerabend: a.a.O.  (FN 11): dort reiche Literaturangaben.

[xxxiii]J. Kardinal Ratzinger : Wider die Abschaffung des Menschen - Antwort zur Krise der Werte und der Moral, in: DIE PRESSE, Beilage SPECTRUM, Wien 5./6. Dez. 1987, S 1: "Der Prozeß, der... den Menschen zerstören wird, spielt sich unter Kommunisten und Demokraten ebenso auffällig ab wie unter Faschisten… Die entgegengesetztesten modernen Weltanschauungen haben den Ausgangspunkt der Leugnung des natürlichen Sittengesetzes und der Reduktion der Welt auf "bloße" Tatsachen gemein. … Es herrscht das Kalkül und es herrscht die Macht. Die Moral ist abgetreten, und der Mensch ist abgetreten".Ähnlich F. H. Tenbruck: Die unbewältigten  Sozialwissenschaften oder die Abschaffung des Menschen, Reihe "Zukunft und Herkunft", Bd. 2, Graz 1984, Abschnitt "Über die Abschaffung des Menschen", S 230ff.

[xxxiv] Die vorgetragene konservative Wirtschaftsauffassung steht in engster Verbindung mit der konservativen Bild vom Menschen. Vgl. F. Romig: Das Wesen des Konservativismus, CRITICON, H. 119, München  1990, 135ff

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Die Regierungen, nicht die Banken haben uns hineingelegt

20. November 2012 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war eine mehr als verräterische Aussage: Die Euro-Länder würden Griechenland zumindest bis 2014 das finanzielle Überleben sichern wollen: „Darum geht es im Augenblick“. So lässt es uns nun der mächtigste Finanzminister Europas, Wolfgang Schäuble, wissen. Verräterisch daran ist erstens, dass anstelle der einstigen „Rettung“ neuerdings plötzlich nur noch von einem befristeten Überleben der Griechen die Rede ist. Verräterisch ist zweitens der genannte Zeitpunkt, bis zu dem Schäuble den Griechen das Überleben sichern will.

Denn während ringsum eigentlich schon seit Monaten eine weitere Verlängerung des griechischen Aufenthalts in der Intensivstation mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts als unvermeidlich dargestellt wird, gibt der Schäuble-Ausspruch plötzlich indirekt eine Änderung der Strategie zu: Es geht nicht mehr um eine Rettung Griechenlands (und anderer Länder), sondern nur noch darum, die gesamte Schulden-Überbrückungs-Konstruktion samt ihren ständig wachsenden Kosten noch etwas mehr als ein Jahr in Funktion zu halten.

Diese Zeitspanne schließt aber ganz, ganz zufällig auch die nächsten deutschen Wahlen ein. Diese werden nämlich (spätestens) im September 2013 stattfinden. Der von Schäuble angesprochene Zeitpunkt bedeutet also in Wahrheit das Eingeständnis eines recht zynischen Politik: Bis zu den Bundestagswahlen darf nichts passieren, danach aber kann die immer höher aufgestaute Sintflut losbrechen.

Ähnlich ist es ja auch im vergangenen Winter darum gegangen, Nicolas Sarkozy über den französischen Wahltag zu helfen. Das war freilich eine vergebliche Liebesmüh, wie wir heute wissen. Wird im Falle der deutschen Koalition die selbe Taktik am Ende auch vergeblich gewesen sein? Wird es auch für Schwarz-Gelb heißen: Außer Spesen nichts gewesen? Durchaus möglich, auch wenn Spekulationen viel zu früh sind, und auch wenn Rot-Grün natürlich noch viel mehr Spesen bedeuten würde.

Niemand glaubt mehr an eine Rettung

Unabhängig von dieser Frage ist jedenfalls klar: Auch Schäuble glaubt insgeheim nicht mehr, dass Griechenland noch zu retten ist. Gleichgültig, welche der Hunderten derzeit durch die Luft schwirrenden „Hilfs“- und „Rettungs“-Varianten auch immer realisiert werden sollte. Eine Bankrottvermeidung wird schon bei den anderen schwer verschuldeten Ländern und Banken schwierig genug.

Was wird nun passieren, wenn Resteuropa im nächsten Winter das Hunderte Male angedrohte Nein zu weiteren Zahlungen für Griechenland endlich auch realisieren sollte? Legitim wäre das ja jedenfalls, nachdem dieses Land in den letzten drei Jahren noch nach jeder Vereinbarung die Durchführung eines Gutteils der hoch und heilig versprochenen Reformen unterlassen hat.

Ein solches Nein bedeutet nicht automatisch einen Hinauswurf aus dem Euro-Raum. Ein solcher Hinauswurf ist ja rein vertragsrechtlich gar nicht möglich. Diesen kann nur das betroffene Land selbst beschließen. Ein Ausscheiden aus der gemeinsamen Währung wäre jedoch ab dem Stopp weiterer Euro-Hilfen wohl die beste Entscheidung der Griechen selber. Voraussetzung ist freilich, dass bis dahin zwischen Athen, Berlin, Frankfurt und Brüssel alle technischen Details einer notwendigerweise schlagartigen Währungsumstellung gut vorbereitet sind – was freilich noch immer nicht sicher ist.

Bei einer Rückkehr zu einer eigenen Währung könnten die Griechen durch deren Abwertung jedenfalls die eigenen Exporte wieder wettbewerbsfähig machen und die Importe fast unerschwinglich teuer machen.

Ausgegeben kann nur noch werden, was eingenommen wird

Aber selbst ohne Rückkehr zur Drachme tritt bei einem Stopp der Hilfen automatisch und in noch viel schärferem Ausmaß das ein, was die griechischen Regierungen immer als unmöglich dargestellt haben: Das Land könnte dann nur noch das ausgeben, was es einnimmt. Das Land müsste dann Beamten- und Pensionsbezüge weiter senken – notfalls sogar auf jenes Niveau, wie es in etlichen anderen EU-Ländern (etwa auf dem benachbarten Balkan) ohne lautes Murren hingenommen wird. Es müsste endlich die Beamtenzahlen reduzieren, Investoren mit Freude statt mit Bürokratie begrüßen, Pseudo-Behinderte und Bezieher der Renten Verstorbener bestrafen, Steuerhinterziehungen unterbinden, Staatsunternehmen (und eventuell auch Inseln) privatisieren und jedenfalls kräftig deregulieren.

Jedenfalls kann Griechenland nach einer Einstellung der ständigen Hilfen kein Primärdefizit mehr bauen. Was Athen in den letzten Jahren nie gelungen ist. Lediglich im letzten Monat soll jetzt dieses Ziel plötzlich erreicht worden sein – was aber wahrscheinlich wieder nur ein statistischer Trick ist, stehen doch die Verhandlungen mit der Troika gerade wieder auf des Messers Schneide. Dabei bedeutet ein ausgeglichener Primärhaushalt nur: Ein Land gibt nicht mehr aus, als es einnimmt, selbst wenn es keinen einzigen Euro mehr für Kreditrückzahlungen und Zinsendienst zahlen würde.

Die Schocktherapie

Die Nicht-mehr-Bedienung aller Kredite dürfte im Fall eines Versiegens der europäischen Hilfsgelder jedenfalls sofort passieren. Kein Cent flösse dann mehr an die Gläubiger Griechenlands. Bankrott ist ja nur ein anderes Wort dafür, dass man Schulden nicht mehr bedient. Das hätte zwar für Athen die Konsequenz, auf Jahre keinen Kredit mehr zu bekommen. Selbst Treibstoff-, Medikamenten- oder Lebensmittelimporte wären nur noch mit Vorauskasse möglich. Das wäre aber zweifellos auch die einzig wirksame Therapie für jenes Land.

Zu dieser Schocktherapie wird es aber erst kommen, wenn Griechenland endgültig den Glauben aufgeben muss, dass das ewig gleiche Gejammere „Mehr Sparen geht nun wirklich nicht mehr“ noch irgendeine Wirkung erzielt. Solange hingegen diese Behauptung auch von vielen westlichen Korrespondenten voller Empathie verbreitet wird, und solange immer wieder über weitere Hilfsprogramme verhandelt wird, werden die Griechen weiterhin glauben, dass sie mit der Mitleidsmasche um eine echte Sanierung herumkämen.

Dabei würde eine echte Sanierung mit Sicherheit nach etwa zwei – freilich sehr harten – Jahren einen steilen Aufschwung einleiten, wie wir es schon in vielen anderen Ländern nach dem Bankrott gesehen haben.

Eine Bankrotterklärung Griechenlands wäre natürlich auch für das Ausland ein schwerer Schlag. Dort müsste man ja alle Forderungen gegen Griechenland sofort abschreiben. Die Vermeidung dieses Schlages wird von den anderen Euro-Regierungen daher immer als Grund angegeben, weshalb man Griechenland ständig weiter helfen müsse.

Die europäische Angstpropaganda

Nüchterne Menschen sollten sich aber davor längst nicht mehr fürchten. Da steckt viel Angstpropaganda drinnen. Denn:

Erstens hat die angebliche Griechenland-Rettung in den letzten drei Jahren viele andere undisziplinierte Staaten von einem wirksamen Sparkurs abgehalten. Das hat die europäische Schuldenkatastrophe natürlich weiter verschlimmert. Schlechte Beispiele verderben die Sitten. Wenn man Betrug nicht mehr bestraft, wird es viel mehr Betrugs-Versuche geben. Wenn das EU-rechtliche Verbot der Rettung eines verschuldeten Landes durch die Zentralbank und andere Staaten zugunsten der Griechen aufgehoben worden ist, dann muss es ja wohl auch bei uns (Spaniern, Portugiesen usw.) aufgehoben werden.

Zweitens hat die Griechenland-Hilfe jetzt schon weit mehr gekostet, als es gekostet hätte, wenn die anderen EU-Länder 2010, vor den ersten Hilfsmaßnahmen und an deren Stelle, ihren eigenen Banken sämtliche Forderungen gegen Griechenland abgegolten hätten. Nach seriösen Schätzungen hielten Auslandsbanken damals höchstens 160 Milliarden Euro an griechischen Papieren.

So viel Geld in die Hand zu nehmen wäre im übrigen gar nicht nötig gewesen. Denn die meisten Banken – bis auf etliche französische – hätten einen Ausfall Griechenlands vermutlich schon damals tragen können. Und auch die wirklich gefährdeten Banken hätte man nur soweit absichern müssen, dass Einleger und Sparer nicht zu Schaden kommen. Das heißt: Bilanzen herunter bis aufs regulatorische Mindestkapital; zuerst werden die Aktionäre geschoren; dann sind auch Kündigungen beim Bankpersonal sinnvoll; erst dann darf der Steuerzahler drankommen.

Drittens ist inzwischen ohnedies schon der Großteil der Forderungen gegen Griechenland in Händen der Europäischen Zentralbank beziehungsweise einzelner Staaten. Die Kommerzbanken und andere privaten Gläubiger Griechenlands hingegen sind ja schon beim „Hair-Cut“ um einen Großteil ihrer Forderungen umgefallen; etliche griechische Anleihen sind inzwischen überdies schon abgereift; und viele weitere sind an die EZB weitergegeben worden.

Eine bloße Bankenrettung wäre billiger gewesen

Die unter „Zweitens“ und „Drittens“ genannten Punkte widerlegen auch ein in den letzten beiden Jahren von vielen verbreitetes Märchen: Die Hilfsaktionen würden ja nur den Interessen der Banken dienen. Wenn das wahr wäre, wäre uns die Schuldenkrise viel billiger gekommen.

Die Wahrheit sieht anders aus:

Die Hilfsgelder für Griechenland und andere Schuldenländer flossen zwar zum Teil zweifellos sofort an Gläubiger-Banken weiter. Das war aber voll beabsichtigt, denn ein Krachen von Banken löst immer einen gefährlichen Dominoeffekt aus. Dadurch würde unweigerlich ein Banken-Run ausgelöst, also der kollektive und gleichzeitige Versuch, alle Einlagen bei Geldinstituten abzuheben. Das würde das gesamte Wirtschaftsleben zum Einsturz bringen. Dadurch würden nicht nur Serienkonkurse von Finanzinstituten, sondern auch von all jenen Unternehmen der Realwirtschaft mit all ihren Arbeitsplätzen ausgelöst, die nicht schnell genug auf die Bank gelaufen sind.

Es geht nie primär darum, Banken zu retten. Und es ist wohl auch primär nie darum gegangen. Jedoch hätte etwa Österreich die Hypo Alpen-Adria unter Schonung der Einleger viel schneller abwickeln sollen, statt sie vorerst formal voll weiterzuführen, um die Bank-Arbeitsplätze zu retten. Dennoch ist auch in diesem Fall klar: Hauptzweck von Bankenrettungen ist immer nur die Vermeidung eines Dominoeffekts. Eine Überschuldung wird nicht kleiner, wenn man einen maroden Laden weiterführt.

Die Rettung der Bankkunden würde jedenfalls viel billiger kommen als Rettung ganzer Länder. Das war schon 2010 der Fall und gilt für heute erst recht, da fast alle Banken – unter Druck, aber auch aus eigenem Antrieb – ihren Sicherheitspolster deutlich vergrößert haben.

Auch Euro-Staaten können untergehen

Die Rettungsaktionen hatten jedoch einen ganz anderen Hauptzweck, auch wenn Politiker und deren Ideologen gerne davon ablenken. Der wahre Zweck lautete: Die Regierungen wollten um jeden Preis den Eindruck vermeiden, dass auch ein Staat des Euro-Raumes bankrott gehen könnte. Dabei hat dieses Schicksal davor schon Hunderte Male Staaten ereilt, ist also an sich so logisch wie gewöhnlich.

Eine solche Bankrotterklärung Griechenlands wäre jedoch erstens das Ende des großen Selbstbetrugs gewesen, dass der Euro eine Zauberwährung wäre, bei der vieles Logische wie durch ein Wunder nicht mehr passieren kann. Zweitens haben viele EU-Länder gefürchtet, dass nach einem griechischen Bankrott die Geldverleiher auch die Kreditwürdigkeit der anderen Schuldenländer genau überprüfen würden.

Solche Prüfungen von Euro-Staaten hatten die Geldverleiher ja im Jahrzehnt davor grob fahrlässig unterlassen. Auch sie haben an den Euro-Zauber geglaubt und es dadurch den Regierungen ermöglicht, sich durch eine ständige Schuldenpolitik wohlfahrtsstaatlicher Wählerbestechung die Macht zu erkaufen.

Umso genauer prüfen Geldverleiher aber seit 2010 die Kreditwürdigkeit. Trotz der Rettungsaktionen stoßen jetzt viele Euro-Staaten und Euro-Banken bei Geldgebern auf verbreitetes Misstrauen. Damit aber ist klar: Der Hauptzweck der Griechenland-Rettung ist völlig verfehlt worden.

Viele Staaten können sich heute nur noch deshalb finanzieren, weil die Europäische Zentralbank Geld praktisch unlimitiert druckt und zu Billigstkonditionen verleiht. Dieses Geld hält die Krisenstaaten weiter am Überleben.

Die Sparer als Zahler

Wer aber glaubt, dass das Gelddrucken jetzt ohnedies eine brauchbare Lösungsstrategie wäre, der irrt neuerlich kräftig. Denn die Zeche zahlen neben den Steuerzahlern alle Sparer, alle Inhaber einer Lebensversicherung. Noch nie lagen als Folge der EZB-Politik die für Einlagen jeder Art gezahlten Zinsen so weit unter der Inflationsrate (wobei wir gar nicht die Debatte beginnen wollen, ob die nicht in Wahrheit noch viel höher ist, als offiziell angegeben wird). Damit werden Sparer und Steuerzahler kräftig enteignet. Eine solche Politik kann so wie in der Zwischenkriegszeit sowohl zu sozialen wie politischen Explosionen führen.

So weit so schlecht. Das absolut Faszinierende aber ist: Die Regierungen verstehen es noch immer, diese ganze Fehlkonstruktion als alternativlos, als ein Werk im Interesse ihrer Bürger darzustellen. Und viele Medien plappern das nach. Das bestätigt wieder einmal: Mundus decipi vult, ergo decipiatur. Die Menschen wollen offenbar hineingelegt werden, daher werden sie auch hineingelegt.

Zumindest bis 2014 dürfte das nun so weitergehen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Fußnote 377: ORF zwischen Unfähigkeit und Unverschämtheit

18. November 2012 21:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wieder einmal hat an diesem Sonntagabend die linke ORF-Mafia ihre Umtriebe eskalieren können: von der Zeit im Bild bis zur Ankündigung der Teilnehmer an der langweiligsten Diskussionsrunde des deutschen Sprachraums.

Die ZiB-Schlagzeile lautet: „Luftangriffe gehen weiter“. Also: die bösen Israelis. Erst viel später wird eingestanden, dass auch die Raketenangriffe der Islamisten ununterbrochen weitergegangen sind. Und ganz unter den Tisch fällt, dass Israel seine Angriffe unterbrochen hat, als ausländische Politiker in Gaza waren, während die palästinensischen Raketen dennoch weitergeflogen sind. Ebenso manipulativ und linkslastig war die Ankündigung der Zusammensetzung der abendlichen Diskussion unter Leitung eines ehemaligen AZ-Redakteurs. Sie lautete: „Maria Vassilakou (Vizebürgermeisterin Wien, Die Grünen); Michael Pisecky (Obmann Immobilien-Treuhänder, Wirtschaftskammer Wien); Georg Niedermühlbichler (Mietervereinigung); Detlev Neudeck (Hausbesitzer); Markus Reiter (Sozialökonom).“  Kein Ton davon, dass der Herr Reiter ein grüner Funktionär ist, dass also die Grünen zu zweit dasitzen, während kein einziger echter Wirtschaftsexperte eingeladen worden ist. Der hätte ja die katastrophalen Auswirkungen des von den Grünen und manchen Roten neuerdings angestrebten Miet-Kommunismus und die katastrophale Wohnungsnot darlegen können, in der die grünen Pläne unweigerlich münden würden. Und auf ORF-Online ließ man Zehntausende Franzosen gegen die Pläne zur Einführung einer Homoehe demonstrieren. Bei Spiegel-Online waren es jedoch Hunderttausende. Gäbe es beim ORF eine Rücktrittskultur wie bei der BBC, wären da schon wieder ein paar Schreibtische frei.

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Wie man Immobilienblasen schafft

17. November 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast immer, wenn die Politik scheinbar Gutes tun will, kommt etwas Falsches und Teures heraus. Das zeigt sich etwa bei den Themen Energieeinsparung und Behindertengerechtigkeit. Beides ist ja sehr populär. Aber in beiden Fällen hat die Politik Wirkungen ausgelöst, die an ganz anderer Stelle Schäden verursachen: nämlich beim Wohnbau. Dieser wird dadurch massiv verteuert.

Das führt zu einer österreichweiten Reduktion der Wohnbauleistung. Das erhöht wiederum den Druck auf die ohnedies durch Inflationsflüchtlinge nach oben getriebenen Preise  von Eigentumswohnungen. Und die katastrophalen Spätfolgen einer Immobilienblase hat man ja in Amerika und Spanien genau beobachten können.

Wie kommt es zu diesen schädlichen Nebenwirkungen? Mehrere Bundesländer – Bauen ist ja Landessache – haben es zur unabdingbaren Pflicht gemacht, dass jede Wohnung in jedem neuen Bau behindertengerecht sein muss. Das hat von den Türen über die Aufzüge bis zu den Gangbreiten eine Reihe kostentreibender Folgen. Das ist auch in der Sache wenig sinnvoll. Wenn man Rollstuhlfahrer im siebenten Stock unterbringt und wenn dort ein Brand ausbricht, sind sie absolut hilflos. Dürfen doch dann keinesfalls die Lifte benutzt werden. Es wäre klüger und sparsamer, für den zum Glück sehr kleinen Prozentsatz an Rollstuhlfahrern Wohnungen mit sicheren Ausgängen anzubieten, statt 99 Prozent aller Wohnungswerber mit höheren Kosten zu belasten (Ein ähnliches Thema sind übrigens die gewaltigen Kosten für die Behindertengerechtheit öffentlicher Bauten, wo es oft viel billiger gewesen wäre, für die nächsten Hundert Jahre eine Hilfskraft anzustellen, die jeden Behinderten durchs ganze Gebäude bringt).

Den gleichen kostentreibenden Effekt hat der Zwang zur Gebäudedämmung. Denn mittlerweile stellt sich heraus, dass die versprochene Verbesserung der Energiebilanz niemals eintritt. Das wagen nun sowohl rote Wohnbau-Genossenschafter in Wien wie auch blaue Landesräte in Oberösterreich kritisch zu beklagen. Thermische Sanierungen bringen zwar dem Baugewerbe hohe Umsätze, dem Nutzer aber nicht die gewünschten und kalkulierten Verbesserungen. Viele – teure – Einsparungs-Versprechungen erweisen sich als falsch. Etwa weil übersehen wurde, dass die Mauerdämmung die Aufnahme der auch im Winter des öfteren scheinenden Sonne verhindert (die in der kalten Jahreszeit auch in viel flacherem Winkel und daher wirksamer einstrahlt).

Sind diese Energieeinsparungs-Ankündigungen deshalb falsch gewesen, weil sich die Techniker geirrt haben? Oder sind solche Studien von der interessierten Bau- und Dämmstoffindustrie forciert worden? Das wird sich wohl nur schwer klären lassen.

Tatsache ist, dass die Politik – von der EU bis zu den Bundesländern – durch gut gemeinte Regelungen Schaden anrichtet und zugleich die angestrebten Ziele verfehlt. Das Schlimme: Gesetzgeber sind unglaublich träge, wenn sie Fehler eingestehen und Vorschriften wieder abschaffen müssten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Handelsbilanz Frankreichs seit 2001

16. November 2012 19:21 | Autor: Andreas Unterberger

Handelsbilanzsaldo Frankreichs seit 2001 in Milliarden Dollar

 

Anmerkung: Französische Produkte haben im letzten Jahrzehnt stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren.

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Die Frauenquote: eine europäische Selbstbeschädigung

15. November 2012 02:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hurra. Europa kann aufatmen. Die EU-Kommission hat es geschafft. Die Quotenrichtlinie kommt. Und wenn das nicht reichen sollte, um alle Europäer in Jubelstimmung zu versetzen, dann sollten diese hören, was ihnen ausgerechnet der kolumbianische Staatspräsident zu sagen hat.

Juan Manuel Santos hat nämlich feierlich versprochen, Europa bei der Überwindung seiner Wirtschaftsprobleme zu helfen. Kein Scherz. Das einstige Krisenland Kolumbien ist dazu sogar – in Maßen – imstande: Es steht nämlich heute durch einen betont marktwirtschaftlichen Kurs viel besser da als noch vor einem Jahrzehnt.

Während Kolumbien weitgehend auf die Knebelung der Wirtschaft durch sozial- und wohlfahrtsstaatliche Abenteuer verzichtet, stürzt die EU-Kommission Europa in ein weiteres Abenteuer dieser Art: Künftig soll es bei börsennotierten Aktiengesellschaft sowohl bei Aufsichtsräten wie auch bei nicht geschäftsführenden Direktoren einen gesetzlichen Zwang zu einer 40prozentigen Frauenquote geben.

Da kann man ja noch froh sein, dass der Quotenzwang nicht auch auf die geschäftsführenden Direktoren ausgedehnt wird. Freilich zeigt diese erstaunliche Einschränkung besonders deutlich, worum es der Viviane Reding geht. Die ehemalige Journalistin hat sich gezielt jene Jobs für die Frauen ausgesucht, wo nur die Bezahlung, aber nicht die Verantwortung wirklich groß ist. Offenbar hält sie – ebenso wie die Mehrheit der anderen Kommissare – die Frauen für andere Spitzenjobs noch nicht so geeignet. (Reding hat übrigens früher für jene Luxemburger Zeitung gearbeitet, für die ich Anfang der 90er Jahre aus Österreich berichtete. Aber das nur am Rande.)

Jedenfalls wird diese Richtlinie – sofern sie angenommen wird – Investitionen von den europäischen Börsen abziehen. So ist es ja auch in Norwegen passiert, wo es die Frauenquote für bestimmte Aktiengesellschaften schon länger gibt. Und wo es den betroffenen Firmen nach einer amerikanischen Studie signifikant schlechter geht als den nicht betroffenen. Das gilt sowohl in Hinblick auf die Bilanzen wie auch die Börsenkurse.

Warum ist eine Quotenregelung so übel?

Zum Glück stehen die Chancen für eine Annahme der Reding-Visionen nicht allzu gut. Vor allem Angela Merkel hat sofort kritisch reagiert. Schließlich will  sie demnächst Wahlen gewinnen. Ob das auch die ÖVP will, muss man noch abwarten. Denn dort hat es in den ersten Stunden wieder einmal sowohl positive (=negative) wie auch negative (=positive) Reaktionen gegeben. Und einen schweigenden Parteiobmann.

PS.: Auch die europäische Statistik von Frauen als Vorstandsvorsitzende spricht die gleiche Sprache (wenngleich es bei der Reding-Richtlinie nicht um diese Funktionen geht). Da gibt es in Österreich und Deutschland, also in zwei nicht ganz erfolglosen EU-Ländern, derzeit keine einzige weibliche Vorsitzende. Zu den Ländern mit dem höchsten Anteil von weiblichen Vorstandschefs gehören Rumänien, die Slowakei, Litauen und Bulgarien. Wenn das kein zwingender Beweis ist . . .

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Die eingestandenen und die heimlichen Schulden

13. November 2012 00:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Deutschland und Österreich sonnen sich. Sie haben derzeit relativ hohe Steuereinnahmen, relativ niedrige Arbeitslosenzahlen und eine Staatsverschuldung, die deutlich unter der griechischen oder italienischen liegt. Freilich: Die über 70 Prozent Staatsschulden im Falle Österreichs und die über 80 Prozent im Falle Deutschlands liegen immer noch weit über der in den 90er Jahren beschworenen Maastricht-Grenze von 60 Prozent. Doch das ist der geringste Teil ihrer Probleme.

Denn auch diesen beiden Staaten steht das nächste tiefe Konjunkturtal bevor. Denn und vor allem: Die offiziellen Schuldenquoten stimmen überhaupt nicht. Deren Wert ist in Wahrheit viel höher. Dazu tragen vor allem zwei Phänomene bei.

Das erste ist die gewaltige Bedrohung auch scheinbar stabiler Staaten durch die falschen Reaktionen in der europäische Schuldenkrise. Deren Auswirkungen sind nämlich derzeit nur zum kleinsten Teil schon in den offiziellen Staatsschuldenquote berücksichtigt. Dort wo man zur vermeintlichen Rettung von Griechenland&Co vorerst „nur“ Haftungen eingegangen ist, sind diese noch keineswegs darin enthalten.

Die EZB als unkontrollierbares Fass ohne Boden

Insbesondere fehlen die Haftungen jedes Euro-Staates für die Geschäfte der EZB. Von dieser fließen nämlich über die sogenannte Target-2-Schiene fast unkontrolliert Gelder in die Schuldenstaaten. Diese Schiene war zwar eigentlich nur zum technischen Ausgleich von täglichen Schwankungen der wechselseitigen Forderungen und Zahlungsströme zwischen den Nationalbanken in so großzügiger Weise gelegt worden.

Sie wird aber längst zur ständigen Finanzierung des krachenden griechischen Bankensystems verwendet. Zumindest ein wichtiger Teil der unabhängigen Finanzwissenschaftler sieht das als sehr bedrohlich an, auch wenn offizielle Stellen beschwichtigen. Alleine bei Target 2 geht es jedenfalls um Größenordnungen, die jene der vieldiskutierten Hilfsplattformen EFSF und ESM in den Schatten stellen.

Noch dramatischer ist der Zustand des Pensionssystems der einzelnen Staaten. Diese haben darin zum Teil sehr großzügige Zusagen für die Zukunft gemacht. Sie haben aber kein Geld dafür bereitgestellt. Sie haben jahrzehntelang zwar die Beiträge für die künftigen Leistungen kassiert, stehen aber ausgerechnet jetzt, da die Babyboomer-Generation ins Pensionssystem wechselt und da die Arbeitskräfte knapp werden – zumindest die qualifizierten –, mit leeren Kassen und den höchsten Schulden der Nachkriegszeit da. Zu den explodierenden Pensionslasten der Zukunft kommt auch noch die zusätzliche und ebenfalls durch nichts gedeckte Belastung des Gesundheits- und Pflegesystems, wenn die Bevölkerung rasch altert.

Dass diese Pensions-Zusagen nichts anderes als Staatsschulden sind, sieht man im Vergleich zu jenen Staaten, die die Pensionsverpflichtungen ausgelagert haben. Die ausgelagerten Pensionskassen müssen naturgemäß zur Absicherung ihrer Versprechungen für spätere Pensionskassen Geld ansammeln, sie tun dies meistens in Form von Anleihen oder auch Aktien. Wenn eine Pensions-Zusage durch ein normales Unternehmen erfolgt, dann muss dieses Unternehmen dafür Rückstellungen bilden, die das Eigenkapital belasten. Das schmälert den Gewinn oder erhöht unmittelbar den Verlust. Daher kann man aus den Bilanzen sofort erkennen, wenn allzu leichtfertige Zusagen gemacht werden. Weil dann eben immer mehr Geld als Rücklage zurückgelegt werden muss.

Österreich: 300 Prozent Staatsschuld

Die deutsche „Stiftung Marktwirtschaft“ hat mit Hilfe von Zahlen der EU-Kommission diese Verpflichtungen, die man auch „implizite Staatsschuld“ nennt, für zwölf Euro-Länder zu berechnen versucht. Sie ist dabei für Österreich auf den kaum noch vorstellbaren Wert von 226 Prozent des BIP, also der gesamten Wertschöpfung eines Jahres gekommen. Dieser Wert kommt wohlgemerkt noch zur offiziell berechneten und eingestandenen Staatsschuld hinzu, woraus sich dann eine Gesamtlücke von rund 300 Prozent ergibt.

Diese kann naturgemäß nur noch mit einer Fülle von drastischen Maßnahmen geschlossen werden, wenn der Staatsbankrott verhindert werden soll (denn Hilfszahlungen aus Griechenland oder Spanien scheinen eher unwahrscheinlich): Notwendig sind also massive Erhöhungen des Pensionsantrittsalters, Pensionskürzungen, Beitragserhöhungen, andere Abgabenerhöhungen und Einschränkungen der Staatsausgaben auf ganzer Linie. Nirgendwo aber werden diese Maßnahmen auch nur in voller Dimension diskutiert.

Deutschland steht ein wenig besser da. Hat das Land doch sein Pensionssystem insbesondere durch eine beschlossene Erhöhung des Antrittsalters schon signifikant verschlechtert – in Wahrheit natürlich: verbessert. Dort beträgt das implizite Defizit „nur“ rund 110 Prozent. Die Gesamtlücke ist damit kleiner als 200 Prozent. Was freilich ebenfalls noch immer einen heftigen weiteren Reformbedarf bedeutet.

Italien steht überraschend gut da

Unter den untersuchten zwölf Ländern stehen aber dennoch nur zwei besser als Deutschland da. Fast sensationell ist, welches Land zumindest nach dieser Studie an der – positiven – Spitze steht: Es ist Italien, das zwar unter der nach Griechenland höchsten offizielle Staatsschuld laboriert, aber laut dieser Studie die weitaus geringste implizite Staatsschuld hat, nämlich nur 28 Prozent des BIP. Dabei wurde in dieser Studie noch gar nicht der jüngste Anlauf der Regierung Monti zu einer weiteren Pensionsreform berücksichtigt. Das lässt vermuten, dass Italien vielleicht zu Unrecht ins schiefe Licht der Märkte gekommen ist. Seine Nachhaltigkeitslücke wird jedenfalls mit bloßen 146 Prozent angegeben.

Dieser Wert verschwindet im Vergleich zu den Zahlen am anderen Ende der Liste. Am übelsten steht derzeit Irland mit einer Nachhaltigkeitslücke (diese ist die Summe aus expliziter und impliziter Staatsschuld)  von fast 1500 Prozent des jährlichen BIP da. An zweitschlechtester Stelle steht ein Überraschungskandidat: nämlich Luxemburg. Das von einer großen Koalition aus linken Christdemokraten und Sozialisten geführte Land weist zwar eine extrem kleine explizite Staatsschuld von 19 Prozent aus. Die gesamte Lücke beträgt jedoch 1115 Prozent.

An dritter Stelle – wieder viel weniger überraschend – findet sich Griechenland mit ebenfalls über 1000 Prozentpunkten. Alle anderen untersuchten Staaten haben Lücken, die kleiner sind als 600 Prozent.

Viele Stellschrauben sind blockiert

Nun ist klar: Die implizite Staatsschuld lässt sich leichter verändern als die explizite. Kaum werden ein paar Schrauben vor allem im Pensionssystem kräftig gedreht, kann sie sich kräftig verändern. Jedoch wird das politisch immer schwieriger: Denn die Zahl der Pensionisten steigt in allen Ländern kräftig an, so dass Einschnitte in die Pensionen für die jeweils verantwortlichen Parteien katastrophale Rückschläge am Wahltag auslösen würden. Umgekehrt ist eine drastische zusätzliche Belastung der Arbeitseinkommen wirtschaftlich schwer selbstbeschädigend. Denn dadurch vertreibt man besonders die qualifizierten Arbeitskräfte aus dem Land.

Daher bleibt die politisch am leichtesten bedienbare Stellschraube zweifellos jene des Pensionsantrittsalters. Dessen Veränderung kostet keinem Pensionisten etwas. Sie entspricht auch der rasch steigenden Lebenserwartung. Und sie löst auch keinen wirtschaftlichen Schaden aus.

Dennoch verteidigen wichtige politische Gruppen etwa in Österreich das noch auf Jahrzehnte niedrigere Frauenpensionsalter und die sogenannte Hacklerregelung mit Zähnen und Klauen. Dennoch wollen in Deutschland die großen Parteien die Sozialleistungen erhöhen: durch niedrigere Beiträge, durch höhere Mindestpensionen oder durch bessere Familienleistungen. Sie wollen die gegenwärtig noch kräftig sprudelnden Steuereinnahmen gleich wieder verputzen und ignorieren alle Zahlen, die schon für 2015 eine dramatisch schlechtere Situation ankündigen.

Man kann es auch so formulieren: Was halten wir von einem Kaufmann, der der Bank zwei Drittel seiner Schulden verschweigt, sich aber Geld für ein neues Luxusauto ausborgt? Wohl jedem fällt da der Ruf nach dem Strafrichter ein.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Unisex: der neueste europäische Unsinn

10. November 2012 01:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ab 21. Dezember ist es soweit: Versicherungen dürfen europaweit nur noch geschlechtsunabhängige Preise und Tarife anbieten. Das klingt harmlos und konsumentenfreundlich. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Diese Unisex-Tarife werden Versicherungen für den Konsumenten teurer machen. Und sie sind ein weiteres drastisches Beispiel für überflüssige Regulierungen durch die EU und ihre schädlichen Einmischungen in das Wirtschaftsleben.

Denn Männer und Frauen stellen in den einzelnen Lebensphasen sehr unterschiedliche Risken dar: Junge Frauen werden – wenn auch immer seltener – schwanger, junge Männer nicht. Junge Männer neigen im Gegensatz zu jungen Frauen zu riskanterem und damit unfallträchtigem Autofahren. Frauen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als Männer.

All das war zu Recht bisher in unterschiedlichen Versicherungstarifen abgebildet. Junge Frauen zahlen mehr für Krankenversicherungen. Junge Männer zahlen mehr für Unfallversicherungen. Ältere Frauen zahlen weniger für Ablebensversicherungen, aber mehr für lebenslange Rentenversicherungen als Männer des gleichen Alters.

Nur ganz naive EU-Bürokraten und zynische Politiker können davon ausgehen, dass Unisex-Tarife nun einen Mischtarif bringen würden, der in der Mitte zwischen den bisher unterschiedlichen Tarifen der einzelnen Geschlechter liegen wird. Die Tarife werden in Wahrheit nahe bei den bisher höheren liegen. Was dem einen Geschlecht massiv schaden, dem anderen nur marginal nutzen wird.

Das sollte man nicht der Bösartigkeit der Versicherungskonzerne in die Schuhe schieben. Sondern ihrer Verpflichtung zur vorsichtigen Kalkulation und zur Logik. Denn wenn Kfz-Versicherungen für junge männliche Autofahrer signifikant billiger werden, wird nach allen Erfahrungen und Marktgesetzen die Nachfrage männlicher junger Autofahrer nach solchen Versicherungen signifikant anwachsen. Während die jungen Frauen, die (noch?) vorsichtiger fahren, durch die Tariferhöhung eher abgeschreckt werden.

Um diese Zusammenhänge zu begreifen, muss man weder Versicherungsmathematik noch Statistik oder Wahrscheinlichkeitsrechnung studiert haben. Sondern man müsste nur logisch denken können.

Was manche prinzipiell nicht tun. Daher werden dank der EU und einiger Gleichheitsfanatiker etliche Versicherungstarife bis zu 40 Prozent teurer – vor allem für Frauen; eine Studie spricht sogar von 55 Prozent. Ablebensversicherungen für Frauen könnten sogar um bis zu 80 Prozent teurer werden.  Die bisher größten bekannten Verbilligungen machen 22 Prozent aus. Offizielle Zahlen kommen freilich erst im Dezember heraus. Gut kommt nur davon, wer sich noch schnell vor dem 21. Dezember zu den alten Konditionen versichert.

Nachher wird bei den Versicherungen die große Ebbe eintreten. Was nicht nur deren Aktionäre treffen wird, sondern auch die Staaten. Den denen können dann die Versicherungen weniger Anleihen abkaufen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Damit Geld, Ideen und Leistung zusammenfinden

08. November 2012 01:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Der Staat braucht höhere Steuereinnahmen, damit er Arbeitsplätze und Wachstum sichern und schaffen kann.“ Fast würde man glauben, diese Behauptung könnte stimmen, so oft hört man sie derzeit. Dennoch bleibt sie absoluter Unsinn. Das Gegenteil ist wahr: Höhere Steuern zerstören Arbeitsplätze und Wachstum; und der Staat hat sich als unfähig erwiesen, Arbeitsplätze zu schaffen, die auch einen positiven Beitrag zum Wachstum leisten. Er produziert nur in einem einzigen Bereich dauerhafte Jobs: in der Bürokratie. Aber die kostet Wachstum. Sie behindert produktive Tätigkeiten.

Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand entstehen immer nur in privaten Unternehmen. Dort wo jemand eine kreative, eine geniale, eine witzige Idee hat, die auf dem Markt nachgefragt werden könnte. Dort wo jemand eine tolle Erfindung macht, mit der Produkte billiger erzeugt werden können. Dort, wo sich Fleiß, und Verlässlichkeit einen Kundenstock schaffen. Dort wo jemand im Glauben an eine Innovation ein Risiko eingeht.

Nichts davon kann der Staat. Er handelt ja nur durch Beamte oder Politiker. Beamte sind niemals kreativ, witzig, genial, sondern immer nur vorsichtig auf Einhaltung jeder Vorschrift und Vermeidung jedes Risikos bedacht, um ihre eigene Karriere nicht zu gefährden. Und Politiker gehen erst recht kein Risiko ein, das ihre Wiederwahl bedrohen könnte. Sie geben das den Steuerzahlern abgenommene Geld immer nur in Perspektive auf die nächste Wahl aus. Und die ist fast immer gleich ums Eck. Politisch ausgegebenes Geld fördert Parteizwecke oder gar Parteifreunde, oder es fließt an medial gepushte Modezwecke.

Weder Politiker noch Medien noch Beamte hingegen hätten vorher auf jene Produkte gesetzt, mit denen österreichische Firmen heute besonders erfolgreich sind. Ob das nun ein Koffein-Getränk mit Himbeergeschmack, geschliffene Glasscherben, Feuerwehrautos, Gleisstopfmaschinen, Feuerfest-Artikel, Kraftwerksturbinen oder Beschläge sind.

Kurzer Wechsel in einen anderen Bereich, zur modernen Kunst. Ich schätze sie und gehe gerne in Museen und Galerien. Vor einiger Zeit geriet ich daher in eine Ausstellung der Nachkriegs-Ankäufe der Republik: Es war die langweiligste Ansammlung von unverkäuflichem, ideenarmem Epigonentum, die ich je gesehen habe. Jedes einzelne erworbene „Kunst“-Werk roch nach einem Gefälligkeits- oder Wohltätigkeits-Werk.

Oder blicken wir auf die Verstaatlichte Industrie: Jahrzehntelang brauchte man politische Protektion oder Schmiergeld für einen Post-Beamten, um wenigsten nach ein paar Monaten einen Telephonanschluss zu bekommen. Sonst dauerte es Jahre. Heute geht das sofort.

Auch bei den oft als angebliches Gegenbeispiel zitierten britischen Eisenbahnen hat sich die Privatisierung als Erfolg erwiesen. Mit ihnen fahren heute viel mehr Briten mit viel weniger Unfällen als vor der Privatisierung. Und auch während der langen Labour-Jahre wurde diese wohlweislich nicht zurückgenommen. Lediglich in einem einzigen Teilbereich gab es Probleme: bei den Geleisen. Hier funktionierte das Konkurrenzprinzip als Kern der Marktwirtschaft nicht. Hier hatte der Staat vorher jahrzehntelang alle Investitionen unterlassen, sodass die Käufer scheiterten und die Schienen wieder an den Staat zurückgeben mussten.

Beispiele für die Überlegenheit von privatem Unternehmertum ließen sich lange fortsetzen. Dabei müsste etwa unbedingt auch auf die Voest im Vergleich Einst-Jetzt eingegangen werden. Oder auf das Schicksal der einstigen Staatsbanken und jenes der privat geführten. Der Vergleich macht objektive Beobachter sicher.

Die in jeder Hinsicht überlegene Privatwirtschaft hat nur zwei Probleme: Wie bringt man der Politik endlich bei, dass sie nicht durch Förderungen und Regeln, sondern nur durch einen Abbau von Steuern und Gesetzen das Wachstum fördert? Und zweitens: Wie finden die tollen Ideen mit dem notwendigen Kapital zusammen? Wer finanziert den Aufstieg eines familiären Klein- oder Mittelbetriebs zu einem großen Industrie-, Handels- oder Finanzunternehmen? Wo kommt das Geld für Kauf und Erneuerung eines privatisierten Staatsunternehmens her? Wie fließt das auf Sparbüchern schlummernde Geld in die produktive Realwirtschaft?

Der Begegnungsort ist der Kapitalmarkt. Und in seiner idealen Form die Börse. Dort kann auch der kleine Mann sein Geld genauso sinnvoll investieren wie die großen Fonds. Dort sind Heerscharen von Analysten und Anlagespezialisten unterwegs, um die spannendsten, zukunftsträchtigsten Investitionsobjekte mit jenen Menschen zusammenzubringen, die einen sinnvollen und möglichst gewinnbringenden Arbeitsplatz für Familienvermögen, für ihre Altersvorsorge, für ererbtes Geld suchen.

Börse-Veranlagungen sind gerade in Zeiten sinnvoll, da man bei Anleihen real viel Geld verliert – wenn man nicht zum nervenzerfetzenden Hochseil-Akt eines Kaufs griechischer Papiere bereit ist. Umgekehrt braucht auch der große Markt der Ideen und kapitalbedürftigen Unternehmen gerade heute die Börse nötiger denn je, da die staatlichen Regulatoren Bankkredite massiv verknappen.

Es ist absolut unverständlich, dass ausgerechnet jetzt das Verständnis von Politik und Medien für den Wert der Börse drastisch abnimmt. Nachdem man ihr in Österreich am Beginn des letzten Jahrzehnts noch einen gewaltigen Boom versetzt hat, sehen populistische Politiker in Börsen und Anlegern heute nur noch eine Melkkuh und beschimpfen sie als Spekulanten. Ständig erfinden sie neue Steuern, welche die Transmission-Funktion der Börsen behindern.

Das Ergebnis: Zwar sind die Börsenkurse dennoch gestiegen, aber in Österreich hat das Volumen des über die Börse in die Wirtschaft fließenden Geldes dramatisch abgenommen. Wem auch immer das nützen soll: den Arbeitsplätzen, dem Wachstum, dem künftigen Wohlstand gewiss nicht.

Aber manche Politiker glauben ja ohnedies, dass das Geld aus der Druckmaschine oder dem Kopierer kommt.

Dieser Beitrag deckt sich weitgehend mit einem Text für die große Jubiläumsnummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier", die 90 Jahre alt wird.

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Was für Amerika wichtiger ist als Barack vs. Mitt

04. November 2012 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ganz Europa hat bis zuletzt atemlos das Rennen Obama-Romney verfolgt. Warum eigentlich? Primär weil das weltweite Mediensystem in jeder Frage stark amerikalastig ist. Das sieht man etwa an den riesigen Berichten über die Hurrikan-Schäden in den USA, während das schwerer getroffene Haiti nur einspaltig behandelt worden ist. Dazu kommt, dass amerikanische Präsidentenwahlen dramaturgisch sehr spannend aufgebaut sind; sie eskalieren von den ersten Wahlkämpfen für Primaries bis zur Analyse jedes einzelnen „Swing“-Staates über ein Jahr. Dennoch ist die in Europa erfolgende Überbetonung dieses Wahlgangs eine Verzerrung der wirklich Wichtigkeiten.

Denn erstens ist ein amerikanischer Präsident gegenüber dem US-Kongress erstaunlich schwach, also gar nicht so mächtig, wie wir glauben. Zweitens sind die sachlichen Entscheidungen, vor denen die USA stehen, viel wichtiger und spannender als jede Personalfrage. Und drittens sind wir im 21. Jahrhundert angekommen: Amerika war zwar „die“ Supermacht des 20. Jahrhunderts; Jetzt steht ihm jedoch – so wie Europa – mit hoher Gewissheit eine Epoche des ständigen Abstiegs bevor, während Asien zum Zentrum des Globus wird.

Gewiss: Dieser amerikanische Abstieg findet auf einem vorerst noch immer sehr hohen Niveau statt. Aber sowohl wirtschaftlich wie demographisch wie außenpolitisch stehen die USA und damit auch ihr nächster Präsident vor in Wahrheit nicht bewältigbaren Problemen – egal wie der Präsident nun heißt. Daher ist es auch viel wichtiger, sich mit diesen Problemen zu befassen als mit irgendwelchen Versprechern oder auch Versprechungen der Kandidaten während des Wahlkampfs. Oder mit deren Religion, oder ihrem privaten Reichtum.

Welcher der beiden auch immer es wird: Er ist mit einem Parlament konfrontiert, in dem zumindest derzeit in jeder Kammer eine andere Partei die Mehrheit hat. Und selbst wenn die Partei des Präsidenten überall die Mehrheit hätte, kann die Opposition ihr und dem Präsidenten vor allem durch Filibustern – also durch ein die Abstimmung verhinderndes Dauerreden – das Leben weit schwerer machen, als es je eine österreichische Oppositionspartei gegen die Regierungsmehrheit könnte. Lediglich beim Kriegführen ist ein Präsident erstaunlich frei.

Eine Außenpolitik voller Herausforderungen

Amerika und sein Präsident stehen in den nächsten Jahren vor einer Fülle außenpolitischer Herausforderungen, die kaum zu bewältigen sind. Die da im Wesentlichen sind:

  1. Wie organisiert man den – aus finanziellen und innenpolitischen Gründen unvermeidlichen – Rückzug aus Afghanistan so, ohne dass dort binnen kurzem die radikalen Taliban mit ihrer Nähe zum Terrorismus die Macht übernehmen? Von deren Frauenhass und sonstigen steinzeitlichen und menschenrechtswidrigen Vorstellungen gar nicht zu reden. Diese Perspektive erinnert stark an die Machtübernahme der Kommunisten nach dem amerikanischen Abzug aus Südvietnam, der nicht nur alle Anstrengungen des Vietnamkrieges zunichte gemacht, sondern auch die USA selber in die jahrelange Depression der Carter-Ära gestürzt hat.
  2. Wie geht man mit dem bedrohlichen und aggressiv antiamerikanischen Iran um? Israel meldete zwar zuletzt von dort ein überraschendes Einschwenken. Langfristig bleibt die Lage aber weiterhin explosiv.
  3. Wie reagieren die Amerikaner auf den immer mehr eskalierenden Bürgerkrieg in Syrien, der auch etliche Nachbarländer zu involvieren droht? Sie haben bisher zwar klare Sympathien für die Aufständischen gezeigt, sich aber sonst herausgehalten. Was aber immer schwerer wird. Interessanterweise rufen vor allem jene nach einem Eingreifen der USA, die sonst immer heftig gegen amerikanischen Interventionismus protestieren.
  4. Wie geht man mit dem vorstoßenden Islamismus um? Schaffen es die Amerikaner, insbesondere das strategisch wichtige Ägypten weiterhin durch viel US-Steuergeld zu einem verantwortungsbewussten Verhalten zu bewegen?
  5. Gelingt es, den sich steigernden Antagonismus zwischen Arabern und Israel noch unter Kontrolle zu halten? Ein neuer Konflikt würde die USA geradezu unweigerlich massiv involvieren.
  6. Wie entwickeln sich die völlig unberechenbaren Atombombenbastler in Nordkorea mit ihrem Terror- und Hunger-Regime weiter? Dort stehen amerikanische Soldaten so unmittelbar wie nirgendwo sonst an einer Grenze, die durch einen kleinen Funken zu einer heißen Front werden könnte.
  7. Kann man den zunehmend auf Antiamerikanismus setzenden russischen Machthaber Putin wieder zu Kooperation und einer Rückkehr zu Demokratie und Rechtsstaat motivieren?
  8. Und noch heikler: Wie wird das Verhältnis zur rapide nach oben strebenden Weltmacht China? Etliche Anzeichen deuten darauf hin, dass China zunehmend zu Konfrontationen mit seiner Umgebung bereit ist, etwa im Streit um angeblich ölreiche Inseln. Chinas Nachbarn Taiwan, Südkorea und Japan haben aber amerikanische Sicherheitsgarantien. Zugleich ist fast die gesamte amerikanische Industrie durch den Eroberungsfeldzug chinesischer Imitatoren und die Billigarbeitsplätze in ganz Ostasien bedroht.

Europa ist nicht mehr so wichtig

Das sind die zentralsten Probleme und Herausforderungen des bisherigen Weltpolizisten im Bereich der Außenpolitik. Es ist kein Zufall , dass die beiden für die USA lange dominierenden Regionen in dieser Liste gar nicht vorkommen: Europa und Lateinamerika. Diese sind für Washington einfach nicht mehr so wichtig, wie sie früher stets waren.

Das muss man langsam auch in Europa begreifen. Wenn an den Rändern Europas Konflikte auflodern, verlangen die USA zunehmend, dass sich Europa selbst darum kümmert, siehe Balkan, siehe Tunesien. Seit sich die Amerikaner kaum noch vor den Russen fürchten, wollen sie sich in regionalen Fragen selber nicht mehr wirklich engagieren. Diese Aufmerksamkeits-Verschiebung zeigt den Europäern aber auch ihre eigene wirtschaftliche und militärische Schwäche sowie das Fehlen eines politischen Gewichts.

Eine kluge europäische Sichtweise sollte jedenfalls etwa dem bevorstehenden Machtwechsel in Peking ähnlich viel Aufmerksamkeit widmen wie den US-Wahlen – auch wenn dort die Vorgänge viel intransparenter sind. Aber dort werden jedenfalls entscheidende Weichen gestellt.

Innenpolitik zwischen Schulden und Immigration

Wenn wir zu den die innenpolitischen Sorgen und Herausforderungen wechseln, zeigt sich, dass es da für den nächsten US-Präsidenten noch weniger Aussichten auf leichte Lösungen gibt als in der Außenpolitik.

  1. Die größte und eigentlich nicht bewältigbare Herausforderung ist zweifellos die enorm gestiegene Staatsverschuldung. Diese ist schon unter George W. Bush steil nach oben gegangen und dann unter Obama endgültig explodiert. Die amerikanische Schuldenquote liegt ja mit über 110 Prozent des BIP weit über jener der Eurozone – und sogar über jener der Krisenstaaten Portugal und Irland. Und wenn man die Staatsschulden pro Einwohner berechnet, sind sie sogar doppelt so hoch wie in der Eurozone. Als europäischer Staat hätten die USA daher schon längst ihre Kreditfähigkeit verloren. Sie stehen nur aus folgenden drei Gründen noch nicht so im Scheinwerferlicht.
    - Ihre Notenbank druckt hemmungslos inflationsförderndes Geld, während die EZB durch vertragliche Stabilitätsregeln dabei noch etwas gebremst wird.
    - Der Dollar dient weiterhin als Weltreservewährung Nummer eins (da China&Co ihre Währungen nicht konvertibel machen). Das bedeutet, dass all die weltweiten Notenbanken, die Dollar-Pakete in ihren Tresoren haben, den USA damit automatisch einen zinsenlosen Gratiskredit geben;
    - Die USA haben lange nicht so viel versteckte („implizite“) Schulden wie die Europäer, weil der Staat sich strikt aus der Wirtschaft fernhält; und weil das amerikanische Pensionssystem weitgehend privat ist. Für die Altersversorgung der Amerikaner wurden in zahllosen Fonds von den künftigen Pensionisten Milliarden angespart. In den meisten europäischen Ländern wurde hingegen gar nichts angespart – und dennoch wurden zu Lasten künftiger Budgets üppige staatliche Pensionsversprechen abgegeben.
  2. Die finanzielle Ungewissheit wird dadurch vergrößert, dass am 31. Dezember ein ganzes Paket von befristeten Steuer- und Abgaben-Senkungen aus der Bush-Zeit abläuft. Die beiden einander unversöhnlich gegenüberstehenden Parteien haben sich in keiner Weise über die Frage angenähert, wie es damit weitergehen soll. Seit drei Jahren liegt zwar der sogenannte Simpson-Bowles-Kompromiss auf dem Tisch des Kongresses. Dieser sieht eine breitangelegte Mischung aus Steuerreformen und Ausgabenbeschränkungen vor. Nur gibt es bis heute keine politische Einigung dazu.
  3. Zahllose Regierungsprogramme sind eigentlich außer Kontrolle geraten und dringend erneuerungsbedürftig. Nur gibt es auch dazu keinen Kompromiss. Ein Beispiel sind etwa die vielen lebenslangen Sozialleistungen für Armee-Veteranen, die immer mehr kosten.
  4. Zugleich beginnen mit 2013 die Zwangsabgaben für Obamas allgemeine Gesundheitsversicherung. Das löst eine weitere Abgabenbelastung und Verunsicherung für Investoren aus.
  5. Auch das Pensionssystem bräuchte eine Reform – in den USA verlangen die Experten dringend, das Antrittsalter von 67 auf 68 Jahre zu erhöhen. Das wäre notwendig, auch wenn in Europa das Antrittsalter fahrlässigerweise nicht einmal noch überall bei wenigstens 60 Jahren liegt. Und gerade macht sich das griechische Verfassungsgericht daran, die dortige – erzwungene – Erhöhung auf 67 Jahre wieder zu annullieren.
  6. Ein besonders heißes Thema ist die Einwanderungspolitik. Als Reaktion auf den Terroranschlag vom 11. September 2001 wurden die Visa für Fachkräfte von 200.000 auf 65.000 pro Jahr heruntergefahren. Das wirkt sich negativ auf etliche Branchen aus. Es gibt auch fast keine Verbleibe-Möglichkeit für die rund 300.000 ausländischen Studenten in den USA nach Absolvierung ihres Studiums, obwohl die sehr teuer ausgebildet worden sind. Zugleich drängen aber weitere illegale Immigranten aus Lateinamerika in die USA, die fast alle wenig Ausbildung hinter sich haben. Das alles steht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Nachfahren europäischer Einwanderer dabei sind, zur Minderheit in den USA zu werden. Daher sind einerseits in großen Teilen der Bevölkerung Anti-Immigrations-Maßnahmen sehr populär. Auf der anderen Seite dürften die Stimmen vieler nichteuropäischer Zuwanderer mit Staatsbürgerschaft (etwa durch Geburt auf US-Boden) schon den Wahlsieg Barack Obamas entscheiden. Wird dieser doch unter den weißen Amerikanern nur von 30 Prozent unterstützt.
  7. Ebenso heiß wird die Energiepolitik. Gewaltige Funde von Ölschiefer-Gasen könnten Amerika zum Export-Land machen. Nur kämpfen immer mehr Umweltgruppen gegen die dabei notwendigen aggressiven Abbaumethoden. Gewinnen die Demokraten die Wahlen, werden sie auch neuerlich versuchen, wieder das Kyoto-Protokoll zu pushen, das den Klimawandel beeinflussen soll. Und last not least wird auch die Atomenergie ein umstrittenes Thema bleiben.

Ob es der Sieger schaffen wird oder überhaupt kann, in all diesen Herausforderungen zu bestehen? Es ist jedenfalls schade, dass sie im amerikanischen Wahlkampf weitgehend untergegangen sind. Diese Themen wurden in der europäischen Berichterstattung noch viel mehr vernachlässigt, die sich wie bei einem Sportereignis auf den Wettkampf an sich konzentriert. Die sich lieber für einzelne verbale Hoppalas der Kandidaten oder für die Frage interessiert, welcher First-Lady-Typ einem sympathischer wäre: die emanzipierte und politisch ambitionierte Frau Obamas oder die sich ganz auf ihre Aufgabe in der Familie konzentrierende Frau Romneys . . . 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Die vergessenen guten Nachrichten: Gas und Dritte Welt

01. November 2012 00:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ja, es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Nur gehen sie in der medialen Jagd nach immer neuen Katastrophenmeldungen meist unter. Sie haben es insbesondere dann schwer, wenn sich auch kein Politiker ihrer rühmen kann.

Dennoch sind zwei Entwicklungen für die Zukunft der Welt wohl wichtiger als alles, was da tagtäglich gemeldet wird. Die eine ist der steile Fall der globalen Gaspreise. Die andere ist der ebenso dramatische Zuwachs des Mittelstandes in der dritten Welt. Beide Entwicklungen widersprechen nicht nur den ewigen Untergangs-Propheten. Sie sind auch absolut erfreulich für Investoren, die längerfristig denken.

Die Mittelstands-Vergrößerung bedeutet nach einer HSBC-Studie, dass 2050 fast drei Milliarden Menschen ein mittleres Einkommen haben werden. Das zeigt ebenso wie schon viele aktuelle Daten, dass die Entwicklung der einstigen Dritten Welt signifikant vorankommt und keineswegs nur ein paar Superreichen nutzt. Diese Mittelstands-Milliarden werden die entscheidenden Konsumenten der Zukunft sein: Sie werden in großem Umfang auch europäische Hochqualitäts-Produkte und Tourismus-Angebote kaufen. Diese Milliarden werden viel jünger und dynamischer sein als die Europäer, womit sie auch konsumfreudiger sein werden – aber natürlich ebenso beinharte Konkurrenten für die europäischen Arbeitsplätze.

Auch der Fall des Gaspreises ist erfreulich. Er hängt nur ganz am Rande mit der Konjunkturflaute zusammen. Diese zeigt sich eher am – deutlich langsameren – Sinken der Ölpreise. Der Gaspreis fällt hingegen vor allem wegen vieler neuer Funde und Abbautechniken. Die USA sind Selbstversorger geworden, dennoch kostet Gas dort nur noch ein Viertel dessen, was Gazprom von seinen Kunden in Europa verlangt.

Dies ist freilich der schlechte Teil der Nachricht. Der niedrige Gaspreis kommt noch nicht bei uns an. Einerseits weil in Europa (bis auf das sehr dynamische Polen) der Widerstand gegen die neuen Techniken zum Abbau der auch hier entdeckten großen Gasvorräte zu groß ist, während diese Methoden in den USA und anderswo breitflächig eingesetzt werden. Andererseits ist Europa durch langfristige Verträge an Russland und der Gaspreis an den Ölpreis gekettet. Die Russen zeigen wenig Lust, diese Bindungen aufzugeben. Leben sie doch in hohem Ausmaß von den Energieexporten; ist doch Gazprom zuletzt das gewinnträchtigste Unternehmen der Welt gewesen.

Aber auch hier wird sich in absehbarer Zeit der Markt durchsetzen. Gazprom täte im eigenen Interesse gut daran, die Gaspreise zu senken, bevor seine Verträge auslaufen – denn sonst fliegt es ganz aus dem Geschäft. Und auch wenn die Europäer ihr eigenes Gas ungenutzt lassen sollten, wird doch viel von dem ursprünglich für die USA bestimmten Flüssiggas nach Europa drängen und die Preise drücken.

Hoffentlich rechtzeitig und tief genug, bevor allzuviele Industriebetriebe wegen der hohen Energiekosten abwandern.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wie groß ist die Wirtschaftskraft der Staaten?

31. Oktober 2012 12:05 | Autor: Andreas Unterberger

Entfernung aller Staaten zum langfristigen Optimum der Wettbewerbsfähigkeit gesamt

 

Die "Grenze" ist der höchste jemals für den jeweiligen ökonomischen Indikator (hier: Gesamtwert) gemessene Wert. Dieser wird als = 100 angenommen, der in der Tabelle angegebene Wert gibt die Entfernung zu diesem Wert an; je näher bei 100, umso besser die Wirtschaft.

Quelle: http://doingbusiness.org/data/distance-to-frontier

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Das Internet und die böse Klassengesellschaft

27. Oktober 2012 00:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Arbeiterkammer ist in ihrem ideologischen Fanatismus nichts zu blöd: Jetzt erregt sich der üppig von Zwangsgebühren lebende Verein sogar schon über eine Zweiklassengesellschaft im Internet. Da hätte ich viele gute Tipps, wo sich diese Kammer sonst überall noch über eine Klassengesellschaft erregen könnte.

Der Anlass der Erregung: Internet-Provider wollen im Internet teurere Tarife anbieten, wofür im Gegenzug die Daten dieser Kunden schneller übertragen werden als bei den heute marktbeherrschenden Billigst-Angeboten. In diese Frage hat sich schon völlig überflüssigerweise die regulierungswütige EU-Kommission eingeschaltet; jetzt beklagt nun auch die Arbeiterkammer einen „Trend zu einem Zweiklasseninternet“. So als ob es irgendjemandem verboten werden sollte, den besseren und schnelleren Zugang zum Netz zu mieten. Er muss halt nur, wenn er das will, sein Geld dafür ausgeben und nicht für etwas anderes.

Was daran eigentlich böse sein soll, erkenne ich nicht. Mehr Leistung, mehr Kosten: Das ist das logischste und gerechteste Prinzip der Welt. Denn warum soll umgekehrt eine Telekom-Firma schnellere Zugangsmöglichkeiten entwickeln und anbieten, wenn sie eh nicht mehr Geld dafür verlangen darf?

Aber wenn Arbeiterkammer und EU-Kommission solche Unterschiede ernsthaft für böse erklären und verbieten wollen, dann mögen sie doch bitte auch die Klassengesellschaft auf allen anderen Gebieten beenden:

Der Phantasie für dümmliche Arbeiterkammer-Stellungnahmen sind keine Grenzen gesetzt. Dann weiß man endlich, wozu jener Verein gut ist, der jedem Arbeitnehmer monatlich in aller Heimlichkeit ein halbes Prozent seines Gehalts stiehlt, ohne dass das auch nur auf dem Lohnzettel vermerkt wird.

Und dass die EU-Kommission, die sich ebenfalls um die Regulierung solcher Fragen annimmt, immer mehr zur Fünfjahresplan-Behörde nach Muster der einstigen Ostblockstaaten verkommt, ist leider auch nichts ganz Neues mehr.

Vielleicht sollten sich beide wirklich über den einstigen Ostblock informieren und darüber, was dort die klassenlose Gesellschaft anrichtete: Es gab im Kommunismus in der Tat oft keine Preisunterschiede – aber die erhältlichen Waren und Dienstleistungen waren dafür halt alle nur aus  der untersten Qualitätsklasse. Wenn überhaupt noch welche erhältlich waren. Warum hätte sich auch irgendjemand noch anstrengen sollen, etwas Besseres zu produzieren, wenn man fürs Geld eh nichts mehr bekommt? Und die wenigen noch vorhandenen Spitals-Einbettzimmer und Großwohnungen gab es im Osten halt nicht für Geld, sondern für die Funktionäre.

Aber vielleicht ist es ohnedies das, was die Funktionäre in Arbeiterkammer und EU-Kommission wollen. Oder sind sie einfach gar schon wieder dem alten linken Denkfehler verfallen, dass es besser wäre, alle hätten gleich wenig, als wenn ein Teil mehr hätte? Hunderte Millionen Menschen mussten schon wegen dieses Denkfehlers darben. Dennoch taucht er jetzt wieder unter der verlogenen neuen Tarnbezeichnung „Gerechtigkeit!“ auf.

 

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Ihre Gier kennt keine Grenzen mehr

25. Oktober 2012 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Spar- und Reformbereitschaft der Politik ist am Nullpunkt angekommen. Dafür erreicht ihre Gier nach ständig noch mehr Abgabeneinnahmen einen neuen Höhepunkt. Die Österreicher werden derzeit mit einer solchen Fülle von Steuererhöhungsideen zugeschüttet, dass sie am Ende wohl froh sein sollen, wenn nur ein Teil verwirklicht wird. Motto: Gut, wenn der Schmerz kleiner wird. Auch wenn er vom Phantom- zum echten Schmerz wird.

Siehe etwa die Grundbuchs-Eintragungsgebühr bei Schenkungen und Erbschaften: Hier plant die Koalition eine Erhöhung der Gebühr auf etliche Tausende Euro pro Eintragung. Zwar hat die Justizministerin ihren ersten Plan ein wenig abgemildert. Die Menschen sollen offenbar froh sein, wenn die Eintragung für Familienangehörige erschwinglich bleibt, und nur die anderen abgecasht werden.

Das ist aber dennoch weder sozial noch gerecht noch familienfreundlich. Denn warum soll die eine junge Familie, die eine Wohnung erbt, wenig zahlen? Und warum soll die andere, die leider keine Erbschaft macht und daher die Wohnung auf dem Markt kauft, für die Eintragung ein Vielfaches zahlen?

Es ist verlogen zu behaupten, dass da keine versteckte Steuer abkassiert wird, sondern nur eine Eintragungsgebühr: Warum soll die in bestimmten Fällen zehnmal höher sein, selbst wenn der Wert des Grundstücks gleich bleibt?

Genauso erweist sich bei näherem Hinschauen auch jede andere Steueridee als ungerecht und schädlich. Ob das nun der rot-grüne Plan einer Vermögens- und Erbschaftssteuer ist. Oder die schon realisierte Kursgewinnsteuer und Bankensteuer. Oder das großkoalitionäre Projekt einer Finanztransaktionssteuer. Oder die Idee einer Zwangsanleihe; diese empfehlen unsere Politiker zwar vorerst nur den Griechen – sie wollen damit aber zweifellos den Boden bereiten, wenn sich auch unsere Schuldenlage leider, leider wieder einmal schlechter entwickelt als behauptet.

Besonders übel ist auch die Idee einer ORF-Haushaltsabgabe. Da immer mehr Menschen – vor allem junge  – keinerlei Bedarf mehr an Fernsehen haben und daher auch keine Gebühren zahlen, soll künftig automatisch jeder Haushalt oder Computer zu einer ORF-Gebühr gezwungen werden. Samt den dabei jetzt schon mitkassierten zwei Bundesabgaben und – bis auf die lobenswerten Ausnahmen Oberösterreich und Vorarlberg – fetten Landesabgaben.

Aber auch im restlichen Europa kursiert jede Menge weiterer Steuerideen. So will das linke Frankreich jede Suche auf Internet-Suchmaschinen besteuern. So bricht das rechte Ungarn eiskalt sein Versprechen, die Bankenabgabe nur bis heuer zu befristen.

Das Ergebnis sieht man in Griechenland: Reihenweise fliehen jetzt große internationale Firmen angesichts der explodierenden Steuersätze (was naturgemäß die Steuereinnahmen weiter reduziert, statt sie zu erhöhen). Aber das Land beschäftigt weiter überflüssige Beamte, unterhält eine hochgerüstete Armee und zahlt Renten an Zehntausende längst verstorbene Pensionisten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Fußnote 368: Griechenlands zweijähriger Wahlkampf

24. Oktober 2012 15:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Griechen bekommen nun definitiv einen weiteren zweijährigen Aufschub für die Erreichung der ersten(!) Sanierungsziele. War alles für die Katz?

Griechenland darf sich nun noch zwei Jahre mit der Erreichung jenes Ziels Zeit lassen, auf das es eigentlich schon seit dem Maastricht-Vertrag 1992, also seit zwanzig Jahren verpflichtet ist: nämlich das staatliche Defizit unter drei Prozent zu drücken (was ohnedies eine sehr großzügige Vorgabe ist). Seit zweieinhalb Jahren nimmt Griechenland zur Erreichung dieses Ziels überdies satte europäische Hilfen in der Höhe seines gesamten Budgets in Anspruch. Als einzige Begründung wird den europäischen Steuerzahlern erklärt, dass die Griechen halt durch Wahlkämpfe Zeit verloren hätten. Zwei Jahre Wahlkampf? Nicht zeigt klarer als diese Zeitvergleiche, dass die Griechenland-Hilfe absolut für die Katz gewesen ist. Und dass sich viele Länder zugunsten Griechenlands schwerst verschuldet haben – ohne dass dieses Land auch nur mit der Sanierung begonnen hätte: Griechenland gibt nämlich noch immer mehr Geld aus, als es einnimmt, selbst wenn man die Zahlungen für Zinsen und Kapitalrückzahlungen beiseite lässt. Es konnte nun sogar das Verlangen der Troika abschmettern, durch Reformen der wohlfahrtsstaatlichen Arbeitsmarkt-Gesetze, die nichts gekostet hätten, die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder ein wenig zu erhöhen. Statt dessen müssen halt neuerlich sogar solche Länder für Griechenland zahlen, die einen weit weniger freizügigen Sozialstaat haben . . .

Nachträgliches PS.: Die Meldung über den zweijährigen Aufschub kommt aus mehreren deutschen wie griechischen Quellen. Offiziell wird freilich beteuert, dass die Entscheidung noch nicht definitiv sei. Man wird es ja anfang November sehen.

 

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Spindelegger: Wunderbar – aber sechsmal Aber

24. Oktober 2012 12:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele starke, richtige Worte hat Michael Spindelegger da gefunden. Wenn man ihm so zuhörte, dann hat in Sachen Wirtschaftskompetenz niemand auch nur die geringste Chance gegen die Volkspartei. Wenn da nicht auch sechs große Aber wären.

Der Grundakzent des ÖVP-Obmannes, den er in seiner großen Herbstrede vor dem Nationalfeiertag in vielen Punkten dargelegt hat, ist absolut richtig und erfreulich: Weniger Staatsquote, niedrigere Steuern, also auch weniger Staat; ein familienfreundliches Steuersystem; Ermöglichung eines Gründerbooms; Privatisierungen bis hin zu Teilen der ÖBB (was sich auf Grund der internationalen Erfahrungen vor allem auf die Züge aller Art, weniger die Schienen-Infrastruktur bezieht); demonstrative Rückenstärkung für Maria Fekter und deren Temperament; und so weiter.

Super, begeisternd. Gegen kaum einen Satz gab es etwas zu sagen.

Wäre da nicht die Realität, die halt eine Partei mit Regierungsverantwortung und vor allem mit vielen anderen Spitzenpolitikern nicht beiseite schieben kann. Denn dadurch entsteht ein etwas anderes Bild. Denn diese Realität zwingt dazu, einige große Aber zu formulieren, die Spindeleggers Glaubwürdigkeit reduzieren:

 

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Europäische Fata Morgana: das deutsche Rettungskonzept

23. Oktober 2012 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Im europäischen Schulden- und Finanzdschungel nimmt sich die deutsche Regierung als einsame Lichtung der Vernunft aus. Dieser Eindruck entpuppt sich aber zunehmend als Fata Morgana. Auch die Politik der Angela Merkel bietet nämlich in Wahrheit längst keinen Ausweg mehr als dem Krisendickicht. Und das macht bange. War doch Deutschland die letzte Hoffnung im Euroraum.

Die deutsche Strategie scheint auf den ersten Blick klar und logisch. Komprimiert lautet sie: Da ein Auseinanderbrechen des Euro-Raumes schlimme Folgen hätte, und ein Bankrott von Euro-Staaten noch viel mehr, wird Ländern wie Griechenland oder Portugal weiterhin mit viel Geld geholfen, wofür diese im Gegenzug zu einem straffen Sanierungs- und Reformprogramm gezwungen werden.

An dieser Strategie klingt vieles richtig. Sie kann aber dennoch nicht funktionieren, weil sie absolut weltfremd ist. Natürlich stimmt es, dass ein Zerbrechen des Euro-Raums oder Staatsbankrotte sehr unangenehm und schmerzhaft wären. Nur kann es nicht funktionieren, Länder auf diesem Weg zu einer Reform- und Sanierungspolitik zu zwingen. Und nach einem Scheitern der diversen Rettungsversuche wird der Schaden noch viel größer sein und dann ganz Europa erschüttern.

Europas neue Kolonialpolitik

Der deutsche Versuch ähnelt den einstigen Bemühungen der französischen Kolonialpolitik, aus den Untertanen in Übersee Franzosen wie alle anderen zu machen, die sich höchstens durch die Hautfarbe unterscheiden. Das ist zwar in vereinzelten Fällen geglückt, an der großen Masse der kolonialen Bevölkerung jedoch ohne Hinterlassung von Spuren vorbeigerauscht. Dabei hat sich Frankreich durchaus bemüht (mehr als andere Kolonialmächte). Es wurden Schulen, Universitäten und Verwaltungsbehörden eingerichtet. Viele Franzosen übernahmen Verantwortung in den Kolonien. Aber eine kulturelle Verhaltensänderung in der breiten Masse konnte dennoch nie erzielt werden.

Ähnliches spielt sich derzeit – von der Außenwelt kaum noch beachtet – in Bosnien ab. In einer komplizierten Verfassungskonstruktion versuchen nun schon seit fast zwei Jahrzehnten internationale Truppen, viele Hilfsorganisationen und ein vom Ausland eingesetzter Diktator (der österreichische Diplomat Valentin Inzko), aus drei Landesteilen, die am Beginn der 90er Jahre  gegeneinander Krieg geführt haben, eine Einheit zu schmieden. Und dennoch weiß heute jeder, der es wissen will: Der Versuch ist missglückt. Kaum sind eines Tages die ausländischen Truppen abgezogen, wird es den fiktiven bosnischen Staat wieder zerreißen.

Vor allem die bosnischen Serben werden sich wieder aus der verordneten Einheit lösen und sich direkt oder indirekt an Serbien anschließen. Auch bei den bosnischen Kroaten wird vermutlich ein ähnlicher Anschluss Richtung Zagreb stattfinden. Und die moslemischen Bosnier werden das hinnehmen – oder wieder Krieg führen müssen. Der würde aber ebenso blutig wie vergeblich sein, wie einst der Krieg der jugoslawischen Volksarmee zur „Rettung“ der jugoslawischen Einheit.

Ebensowenig wird und kann der Versuch gelingen, aus Griechen nette Mittelmeer-Germanen zu machen, die so effizient, fleißig, korrekt und technisch begabt sind wie Bayern oder Oberösterreicher, wie Schweizer oder Schwaben. Solche Zivilisations-Mutationen gelingen bestenfalls nach Jahrhunderten, nicht aber binnen der knappen Zeit, die noch zur Verfügung steht, damit der deutsche Rettungsweg zum Ziel führt.

Dies sieht man schon daran, dass von Griechenland bis Portugal die Sanierungsetappen regelmäßig verfehlt werden, dass immer wieder eine Lockerung der Vorgaben hingenommen werden muss, weil diese nicht erreicht worden sind. Zwar erwecken die regelmäßigen Kontrollen der sogenannten Troika einen strengen Eindruck, zwar sind die Folgen der Schuldenpolitik für die betroffenen Bürger überaus hart – aber dennoch kann dieser Weg nicht zum Ziel führen.

1. Ein fremdes Diktat wird ignoriert

Denn zum ersten werden die Sanierungsbemühungen von der betroffenen Bevölkerung als ausländisches Diktat und nicht als zwangsläufige Folge der eigenen Schuldenpolitik und des Zurückgehens der eigenen Wettbewerbsfähigkeit verstanden. Das zeigt sich am deutlichsten an den regelmäßigen Generalstreiks und aggressiven Demonstrationen. Dadurch wird nämlich in Wahrheit nur das eigene Bruttoinlandsprodukt weiter reduziert, dessen Schrumpfen freilich gleichzeitig als Schuld der anderen lauthals beklagt wird. Das, was man den Deutschen oder der Troika in die Schuhe schiebt, verursacht man dadurch neuerlich höchstselbst.

2. Die Deutschen bluffen

Zweitens haben Griechen&Co längst die Überzeugung gewonnen: Die Deutschen, die EZB und der Währungsfonds drohen zwar, aber sie werden ihre Drohungen letztlich nie wahrmachen. Auch wenn sich die Schuldnernationen mit dieser Überzeugung langfristig täuschen könnten, so haben sie kurz- und mittelfristig zweifellos recht: die Deutschen bluffen. Zumindest bis zu den Bundestagswahlen werden sie die Griechen und deren Schuldengenossen nicht fallenlassen.

Denn damit würden ja Angela Merkel und Wolfgang Schäuble eingestehen, dass ihre Politik der letzten drei Jahre abgrundtief falsch war, die inzwischen den Deutschen an Krediten und Haftungen in der Summe eine runde Billion Euro gekostet hat, also tausend Milliarden. Da schieben sie diesem verlorenen Geld lieber noch weitere Summen nach, bevor sie ihren Fehler eingestehen.

Und die Linksparteien könnten in diesem Fall triumphieren – obwohl sie in diesen drei Jahren eigentlich noch viel mehr Geld noch viel schneller verbrennen wollten als die schwarz-gelbe Koalition.

3. Die nationale Souveränität gewinnt am Ende immer

Zum dritten kann das Merkel-Schäuble-Rezept auch deshalb nicht funktionieren, weil Griechenland ein souveräner Staat ist und bleiben wird. Solange er nicht von fremden Truppen besetzt ist, würde ein EU-Staat niemals zustimmen, dass die EU bei ihm so durchgreifen könnte wie etwa in Bosnien. Dort kann der Hohe EU-Repräsentant Inzko Gesetze suspendieren und Minister feuern – und selbst das hat nicht funktioniert. Denn nach Hinauswurf eines Ministers übernehmen halt andere den Job – und verhalten sich genauso wie ihre Vorgänger (nachdem sie ein paar Monate lang einen anderen Eindruck zu erwecken versucht haben).

4. Eigenverantwortung als europäisches Fremdwort

Denn zum vierten – und am wichtigsten: Das Merkel-Rezept verkennt die zentrale Bedeutung des Begriffs Eigenverantwortung. Damit zeigt auch die CDU, dass sie in Wahrheit an sozialistische Rezepte der kollektivierten Verantwortungslosigkeit glaubt.

Dazu sei noch ein historischer Vergleich gestattet: nämlich mit Österreich nach 1945. Das Land war damals das ärmste Europas. Es hat aber gewusst, dass es auf sich selbst gestellt ist. Die Stabilisierung hat viele Jahre gedauert, ziemlich genau ein Jahrzehnt. In dieser Zeit haben sich alle Österreicher angestrengt, ohne eine Sekunde an Streiks zu denken oder Dritten die Schuld an der eigenen Not in die Schuhe zu schieben. Als kommunistische Gruppen (zum Zwecke eines politischen Putsches) zu streiken begannen, bereiteten dem die anderen Gewerkschafter selbst handgreiflich ein rasches Ende.

Zwar hat Österreich mit dem Marshall-Plan damals auch etliches an Hilfe von außen bekommen. Aber diese war in Relation verschwindend klein gegen die Summe der Hilfsprogramme, die jetzt schon im Süden der EU wirkungslos versickert sind. Das österreichische wie deutsche Wirtschaftswunder der 50er Jahre ist ganz eindeutig primär durch eigene Disziplin, durch Fleiß und Anstrengung erzielt worden; es ist den Arbeitern und Unternehmern genauso zu danken wie der liberalen Politik der Minister Kamitz und Erhard.

Die Griechen sind von diesem Geist meilenweit entfernt. Es ist müßig nachzudenken, ob Klima, Gene, Kultur oder Geschichte die Schuld daran tragen. Es ist jedenfalls Tatsache, dass sich ein solcher Geist nicht erzwingen oder verordnen lässt.

Daher werden auch alle deutschen Lösungsmodelle scheitern, etwa die Idee, dass ein Brüsseler Kommissar ein Eingriffsrecht in nationale Budgets bekommen sollte. Das wird mit Sicherheit keinen Konsens finden. Keine Regierung, keine Nation stimmt der Selbstkastration freiwillig zu. Und selbst wenn es diesen Kommissar eines fernen Tages doch gäbe, könnte er die griechischen, portugiesischen, süditalienischen, spanischen oder gar französischen Realitäten niemals ändern. Ein solcher Kommissar würde zwar wie ein knapp vor der Niederlage stehender Kriegsherr Befehle ausschicken – mit dem Verhalten an den fernen Fronten werden diese Befehle aber keinen Bezug mehr haben.

Der Gedanke, die Europäer auf diese Weise ändern zu können, ist so abstrus, dass man ihn besser gleich bleiben lassen sollte, um nicht noch mehr Schaden anzurichten.

Aufsicht über 6000 Banken

Er ist ebenso realitätsfremd wie ein anderer aktueller Schwerpunkt der europäischen Politik, der ebenfalls von Berlin forciert wird: Es ist der Versuch, eine zentrale Bankenaufsicht über – mindestens – 6000 Geldinstitute zu schaffen. Das, woran nationale Notenbanken und Aufseher scheinbar gescheitert sind, soll nun eine ferne Zentrale erreichen, welche die näheren Verhältnisse nicht kennt: ein seltsamer Gedanke. Man glaubt aber ernstlich, auf diese Weise den Crash von Banken verhindern zu können. Das wird aber nur als müder Scherz in die Bücher der Wirtschaftsgeschichte eingehen.

Denn erstens wird es immer Crashs geben. Das ist in der Welt der Banken so natürlich wie in jener der Baufirmen oder Computerhändler. Solange es kein Mittel gibt (und es gibt keines), beispielsweise den Verfall von Immobilienpreisen auf ein Viertel des einstigen Wertes oder noch weniger zu verhindern, werden Banken gegen die Wand donnern.

Denn zweitens gibt es nach wie vor keinen Konsens, wer im Fall eines Bankencrashs zumindest zum Teil gerettet werden soll. Konsens herrscht nur, dass die Eigentümer der Bank nicht gerettet werden. Aber das ist nur der kleinste Teil der Antwort.

Gegen einen sofortigen Jobverlust für alle Angestellten empören sich hingegen die Gewerkschaften und Parteien; daher sind auch in Österreich alle Dienstverträge bei der Hypo Alpen-Adria oder der Volksbank weitergelaufen. Genauso fragwürdig ist aber auch die sogenannte Einlagensicherung. Warum soll jemand, der Zinsen für sein Geld kassiert, im Gegenzug nicht auch ein Risiko tragen? Und warum soll er auf Kosten der anderen Sparer und Steuerzahler voll gesichert werden?

Der Hauptgrund, warum Banken „gerettet“ werden, sind aber die Großeinleger. Das sind nämlich meistens Unternehmen, die bei einem Platzen ihrer Einlagen selber konkursreif wären. Was wiederum Tausende Arbeitsplätze kosten würde. Und das wollen wiederum die Parteien ganz und gar nicht.

Von der Regulierung zur Verwirrung

Seit 2008 liegen diese Fragen auf dem Tisch. Und bis heute gibt es keine Antwort. Statt dessen werden ständig neue und widersprüchliche Regulierungs-, also vor allem Eigenkapitalanforderungen an die Banken formuliert. Einmal von der EZB, einmal von der Basler BIZ, einmal von den nationalen Aufsehern, einmal von Zentralbanken, einmal von Gesetzgebern.

Damit erreicht man nur eines: Verwirrung und eine enorme Bürokratie zur Administration all dieser Regulierungen. Denn in Wahrheit sind erhöhte Eigenkapitalanforderungen sehr zweischneidig: Sie erhöhen zwar die Sicherheit einer Bank (ohne jemals einen Crash ganz verhindern zu können). Sie schaden aber andererseits der Wirtschaft.

Denn logischerweise müssen die Banken bei strengeren Eigenkapitalregeln auf die Finanzierung von so manchen spannenden Investitionen verzichten. Denn jede Investition hat ein Risiko, ist also spekulativ. Jede Investition aber, die ausbleibt, reduziert die Zahl der Jobs. Daher will die Politik einen weiteren Rückgang der Investitionen in Zeiten wie diesen um jeden Preis vermeiden. Regulierung kostet Arbeitsplätze. Mit anderen Worten: Wer ist stärker? Ich oder ich?

Außerdem müsste eine Risikoreduktion bei den Banken noch ein weiteres Element beinhalten: eine Reduktion der Gelder, die an Staaten verliehen werden. Das Schicksal der griechischen Anleihen hat ja bewiesen, dass auch Staatsanleihen alles andere als sicher sind. Diesen logischen Aspekt einer Regulierung will aber europaweit überhaupt niemand ernstlich angreifen.

Sicherheit ist teuer und letztlich unerreichbar

Konklusion: Wir sollten endlich begreifen, dass absolute Sicherheit gegen Krisen und Banken-Zusammenbrüche nicht möglich ist. Je mehr man diese Sicherheit erhöhen will, umso teurer wird es für uns alle. Daher führt das ganze Gerede um die Herstellung von Sicherheit durch Regulierung und Aufsicht entweder zu neuen Schäden, oder es ist ohnedies nur leeres Gerede für die Galerie.

Auf dieser Galerie sitzen wir Bürger Europas. Freilich nur solange bis sie einstürzt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 362: Es war mutig – und sonst?

16. Oktober 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein Mann hat den höchsten Fallschirmsprung der Geschichte gewagt.

Das ist sicher eine mutige Leistung. Mich kann sie aber weder besonders erregen noch in irgendeiner Weise ärgern, wie das jedoch angesichts der Aufregungen der letzten 36 Stunden offensichtlich weltweit der Fall ist. Es gibt doch wirklich keinen Grund, sich über eine Aktion zu ärgern, für die kein Groschen Steuergeld aufgewendet worden ist. Der Sprung war eine perfekt inszenierte, gut organisierte und sauber vorbereitete technische und Marketing-Leistung, noch dazu mit einem Österreicher im Zentrum, die weltweite Aufmerksamkeit erregte. Also soweit alles sehr okay. Und dass eine zur Hälfte österreichische Firma dadurch etliches an Marketing eingefahren hat, ist ebenfalls durchaus erfreulich. Dennoch kann ich mich nicht wirklich in die offenbar landesweit angesagte Begeisterung hinein erregen. Denn der Fortschritt für die restliche Menschheit durch diesen Sprung hat sich in extrem engen Grenzen gehalten. Dass Männer durch immer extremere Mutproben regelmäßig ihre einschlägigen Hormonausschüttungen steigern wollen, ist auch nichts wirklich sensationell Neues. Und das hat bei jungen Männern im Straßenverkehr viel zu oft durchaus unerfreuliche Konsequenzen. Und wenn der ORF zur Kommentierung ausgerechnet einen Niki Lauda aus der Mottenkiste holt, wage ich sogar anzunehmen, dass der Fortschritt nicht größer ist, als wenn jemand ständig im Kreis mit dem Auto fährt. Gegenprobe: Wer hat bis vor kurzem gewusst, wer davor den einschlägigen Weltrekord gehalten hat?

PS.: Diese Fußnote nur deshalb, weil manche meine lichtvollen Ausführungen zu diesem Fallschirmsprung vermisst haben. Ich wollte sie eigentlich weglassen, wurde zu diesem Sprung doch schon wirklich von allen alles gesagt.

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Sie drehen uns den Strom ab

15. Oktober 2012 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ihre jüngsten Beschlüsse werden bald ebenso in die Liste peinlicher Fehlleistungen der EU eingehen wie etwa das Glühbirnenverbot. Denn eine nun fixierte EU-Richtlinie verpflichtet die Energieversorger, dafür zu sorgen, dass ihre Kunden künftig jedes(!) Jahr 1,5 Prozent weniger Strom verbrauchen.

Skurriler geht’s nimmer. Das ist ungefähr so, wie wenn man Bier- oder Schnaps- oder Zigaretten-Produzenten alljährlich zu einem Rückgang ihres Absatzes verpflichten würde. Sind doch deren Produkte zweifellos schädlicher als Strom.

Nun kann man ja zynisch sein und davon ausgehen, dass die Schuldenpolitik von EU, EZB und Mitgliedsländern ohnedies auf viele Jahre ein nennenswertes Wachstum verhindern wird. Da aber der Stromverbrauch wie durch ein Naturgesetz eng mit dem BIP-Wachstum verbunden ist, wird er daher auch auf ganz natürlichem Weg stagnieren.

Aber seien wir nicht zynisch, sondern halten nüchtern fest: Es ist schlicht widersinnig, irgendein Unternehmen zum kontinuierlichen Rückgang des Absatzes zu verpflichten. Das was man durch Propaganda, Glühbirnenverordnung, Emissions-Handel und vieles andere bei den privaten und industriellen Konsumenten nicht geschafft hat, soll nun durch Vergewaltigung der Stromversorger geschehen.

Diese neue Richtlinie ist in den Medien bisher kaum beachtet worden. Sie muss ja auch noch durch nationale Gesetze umgesetzt werden. Dieser Umsetzungsakt wird dann sicher wieder für lauten Aufschrei sorgen. Das wird aber zu spät sein, haben doch die nationalen Parlamente kaum noch Spielraum. In Österreich kümmert man sich dennoch nur um Schlammschlachten in Untersuchungsausschüssen und nicht um neue EU-Richtlinien, die die gesamte Marktwirtschaft auf den Kopf stellen.

Die Richtlinie bringt uns zurück in die Nachkriegsjahre. Auch damals war nicht der Konsument König, sondern jeder, der Ware zu verkaufen hatte. So herrschte beispielsweise lange Papiermangel. Daher konnte die Regierung jahrelang das Erscheinen unliebsamer Zeitungen verhindern oder behindern.

Wie wird das beim Strom enden? Wird man so wie einst bei Telefonanschlüssen wieder Beziehungen brauchen, um Kunde eines Stromanbieters werden zu dürfen? Oder wird den Konsumenten einfach der Strom abgedreht, wenn sie beispielsweise am 23. Dezember ihr Plansoll – eigentlich: Planminus – erreicht haben? Oder kommen die E-Werke künftig regelmäßig in den Haushalt und plombieren alle Geräte mit einer Sperre, die als überflüssig eingestuft werden?

Die Politik scheitert derzeit daran, erstens die nötigen Stromleitungen zu bauen, zweitens genügend Speicherkapazität für den am falschen Ort zur falschen Zeit produzierten Wind- und Sonnenstrom zu schaffen, sowie drittens den (vorhandenen, aber stillstehenden) Gaskraftwerken den Kauf des reichlich vorhandenen Erdgases zu Weltmarktpreisen zu ermöglichen. Aber dafür will sie nun Wirtschaft und Konsumenten solcherart vergewaltigen. Vom Aktienkäufer, der das alles in hohem Ausmaß finanziert hat, gar nicht zu reden.

PS.: Und falls es wirklich einmal zu wenig Strom geben sollte, gibt es ein altes Geheimmittel, die Nachfrage zu bremsen, das noch dazu automatisch wirksam wird: der Preis.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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SN-Kontroverse: Vermögenssteuer

12. Oktober 2012 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist der SPÖ-Plan einer Vermögensbesteuerung sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden. 

Gerechtigkeit wagen

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Der Plan ist nicht nur sinnvoll, sondern ausgewogen und fair. Wenn Erbschaften und Vermögen ab einer Million Euro (netto) besteuert werden, könnte es in einem der reichsten Länder gerechter zugehen. Das ist bei uns derzeit nicht der Fall, denn Vermögen und Steuerlast sind extrem ungleich verteilt. Die Schieflage bei der Vermögenskonzentration zeigt eine vor Kurzem von der Österreichischen Nationalbank (OeNB) veröffentlichte Studie. Sie ist Teil einer europaweiten Untersuchung über Vermögensverteilung im Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB). Wobei sowohl OeNB als auch EZB alles andere als "linke Organisationen" sind. Zudem geht es nicht um Reichen-Bashing, wie stets unterstellt wird, wenn der Ruf nach mehr Steuergerechtigkeit kommt. Jedem und jeder seien Millionen und Milliarden vergönnt, wenn sie ehrlich erarbeitet wurden und fair besteuert werden. Beim Ruf nach Steuergerechtigkeit geht es darum, die aus dem Lot geratene soziale Balance wieder herzustellen. Denn keine Gesellschaft kann auf Dauer funktionieren, wenn immer weniger immer mehr besitzen. Das aber ist in Österreich der Fall.

Die Vermögenskonzentration ist enorm: Nur ein Prozent hat ein Vermögen über einer Million Euro. Auf ein Prozent der Haushalte entfällt fast ein Drittel des Vermögens und 90 Prozent der Unternehmensbeteiligungen. Die obersten zehn Prozent besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens, das in Österreich insgesamt rund 1.300 Milliarden Euro ausmacht. Bei Sachvermögen besitzt die Hälfte der Haushalte nicht mehr als 50.000 Euro, darunter meist der eigene PKW. Nur zehn Prozent besitzen Sachvermögen von mehr als 500.000 Euro. Von einer Vermögenssteuer ab einer Million Euro wäre also der viel zitierte Mittelstand bei weitem nicht betroffen. Die Einnahmen von geschätzten 2,5 Milliarden Euro könnten überaus sinnvoll verwendet werden, um die Lohnsteuer in Österreich zu senken. Denn Arbeit ist im Gegensatz zum Vermögen hierzulande leider extrem hoch besteuert. 


Die rote Amüsiernummer

Andreas Unterberger

Gewiss wäre es in mancher Hinsicht amüsant, wenn das Vermögen des Gewerkschaftsbundes offengelegt und durch eine alljährliche Steuer weggeschmolzen würde. Besteht doch das Vermögen des ÖGB im Gegensatz zu jenem der restlichen Bürger nicht aus schon längst versteuertem Geld.

Dennoch: sechs Mal Nein zu den roten Steuerplänen.

Erstens eben, weil beim Normalbürger in der Regel ehrlich erworbenes Geld doppelt besteuert würde. Zweitens weil dadurch viele Investoren vertrieben würden; es nützt Österreich wenig, wenn die Mateschitzs oder Swarovskis als Folge ins Ausland übersiedeln sollten. Drittens weil die meisten Vermögen aus Betrieben bestehen. Viertens weil die Vorstellung widerlich und abstoßend ist, dass Finanzbeamte in Privatwohnungen nach Banknoten, Schmuck, Kunstwerken oder Pelzmänteln fahnden. Fünftens weil die durch die Schuldenpolitik ausgelöste Inflation bald auch jene Menschen vermögenssteuerpflichtig machen wird, die sich heute noch keineswegs als vermögend ansehen.

Man denke nur 20 Jahren zurück: Damals galten Schilling-Millionäre als ebenso reich wie heute Euro-Millionäre. Aber inzwischen gehört schon die Mehrheit der Österreicher zu den Schilling-Millionären! Und sechstens ist die Gesamtsteuerbelastung in Österreich längst schon in der absoluten Weltspitze, insbesondere durch einen 50-prozentigen Grenzsteuersatz. Daher ist der unanständigen Geldgier der Politik nur ein entschiedenes Nein entgegenzusetzen. Es ist eine unverschämte Zumutung, dass jener Partei nichts anderes als ständig neue Steuern einfallen, die hauptverantwortlich dafür ist, dass in Österreich seit Ausbruch der Krise weniger gespart worden ist als in jedem anderen Land Europas, und dass der längst unfinanzierbare Wohlfahrtsstaat nicht einmal ansatzweise reformiert wird.

Irgendwie amüsant, wenn sich diese Partei darüber aufregt, dass man sie für ihre Geldgier als Diebe bezeichnet.

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Woraus setzte sich das BIP 2010 & 2011 zusammen?

10. Oktober 2012 12:08 | Autor: Andreas Unterberger

Zusammensetzung des BIP und Beitrag zum Wachstum der unterschiedlichen Arten von Ausgaben im Vergleich 2010 & 2011

 

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Wirtschaftsentwicklung im Vergleich zur Budgetprognose

10. Oktober 2012 11:45 | Autor: Andreas Unterberger

Wirtschftliche Prognosedaten für das Budget 2011 im Vergleich zur tatsächlichen Entwicklung

 

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Zinsaufwand und -einnahmen Österreichs

09. Oktober 2012 13:23 | Autor: Andreas Unterberger

Aufwand und Einnahmen aus Zinsen und Währungstauschverträgen in Mrd. € 2010 & 2011 im Vergleich

 

Quelle: Rechnungshof: Bundesrechnungsabschluss 2011

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Alles wird liberaler!

06. Oktober 2012 05:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der austro-kanadische Selfmademan Frank Stronach präsentierte am 4. 10. einem interessierten Publikum im Club Unabhängiger Liberaler seine ungefähren Vorstellungen davon, welche Art von Politik er im Falle eines Erfolges seiner neu gegründeten Partei zu machen gedenkt.

Seine wirtschaftlichen Leistungen sind beeindruckend: Er hat es – aus eigener Kraft – vom mittellosen steirischen Arbeiterkind zum Milliardär gebracht. Gegenwärtig beschäftigt der von ihm in Kanada gegründete, auf die Zulieferung von Fahrzeugkomponenten spezialisierte, Magna-Konzern weltweit rund 108.000 Mitarbeiter, 13.000 davon in Österreich. Der Jahresumsatz der Firmengruppe beläuft sich auf über 30 Mrd. €. Auf eine vergleichbare Erfolgsbilanz können nicht allzu viele Zeitgenossen verweisen.

Was treibt einen solchen Mann, der es mit international bekannten Persönlichkeiten, mit Staatspräsidenten, gekrönten Häuptern („die Englische Königin ist eine wirklich nette Frau, sie versteht viel von Pferden“) und anderen Wirtschaftskapitänen zu tun hat, im Herbst seines Lebens in die dumpfen Niederungen der kakanischen Politik?

Diese Frage stellt er selbst seinem Vortrag voran, um sie so zu beantworten: Er sehe, dass „…in der Regierung vieles schief läuft … und diese seit Jahrzehnten „Verluste“ macht.“ Er kritisiert den Umstand, dass die Regierenden zwar viel vom Geldausgeben, aber nichts vom Geldverdienen verstehen, was er darauf zurückführt, dass kaum einer von ihnen je in der Wirtschaft gearbeitet hat. Er sehe schlimme Zeiten auf uns zukommen und, da er selbst Kinder und Enkel habe, meine er, seine Fähigkeiten und Erfahrungen in die Politik einbringen zu müssen, „um zu helfen“. Das Leben sei gut zu ihm gewesen und er wolle sich auf diese Weise revanchieren.

In Österreich hätten wir es mit einer „Scheindemokratie“ zu tun. Keiner der politischen Verantwortungsträger (Kanzler, Minister) wäre vom Volk gewählt, sondern von Parteigremien und Kammern ins Amt gehievt worden. Wenn dann noch Häupl und Pröll zustimmten, wäre die Sache gelaufen – und das dürfe so nicht sein. In der Wirtschaft garantiere Konkurrenz – die es in der Politik in vergleichbarer Weise nicht gäbe – für Fortschritt und Effizienz.

Wirtschaftsprogramm

Bis März 2013 wolle er sein Programm vorlegen. Im Zentrum dieses Programms werde ein solides Budget stehen. Er wolle damit beginnen, die in der Vergangenheit aufgenommen Schulden abzutragen. Durch eine „zivilisierte Verwaltungsreform“ und die „Stimulierung der Wirtschaft“ sollte es möglich sein, die Steuerlasten binnen fünf Jahren um „20 bis 25 Prozent“ zu senken. Das Steuersystem müsse vereinfacht und für jedermann „transparent“ werden, „Grauzonen“ seien zu beseitigen.

Nach diesen vage gehaltenen Positionen wird es beim Thema Unternehmenssteuern konkreter: Nicht entnommene Gewinne sollen steuerfrei bleiben, da diese „Innovation und Arbeitsplätze schaffen“ würden. Zu versteuern seien nur Auszahlungen – sei es in Form von Löhnen oder Gewinnausschüttungen.

Seine vehemente Kritik an der geringen Steuerleistung von Großbetrieben (die er im Zusammenhang mit dem Engagement österreichischer Banken in den vormaligen Ostblockstaaten äußert) läuft – falls diese Aussage nicht missverständlich angekommen ist – faktisch auf ein Ende der derzeit gültigen Gruppenbesteuerung hinaus. Das wäre – angesichts der mutmaßlichen Auswirkungen auf die Magna-Gruppe – doch recht erstaunlich.

Die Wirtschaft müsse funktionieren, da sonst gar nichts gehe. Eine prosperierende Wirtschaft bedürfe dreierlei: „Tüchtiger Manager, fleißiger Arbeiter und Investoren.“ Die Arbeiter hätten ein „moralisches Recht“ auf einen Anteil am Unternehmensprofit. Allerdings dürfe sich die Regierung in die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen nicht einmischen, da damit lediglich „Bürokratie und Kosten“ verbunden sind. In einer konzernweiten „Firmenverfassung“ habe er Magna dazu verpflichtet, seinen Mitarbeitern Anspruch auf zehn Prozent des erwirtschafteten Gewinns einzuräumen. Bildung wäre ein zweites Anliegen, das ihm wichtig sei.

Als „zentrale Werte“ seiner Partei sehe er „Wahrheit, Transparenz und Fairness“. Wichtig sei es ihm, den untadeligen Ruf, den er sich als Geschäftsmann erworben habe („Ich bin nie jemandem etwas schuldig geblieben und habe immer mein Wort gehalten!“), auch als Politiker zu bewahren. Er sehe viel zu viele Leute, die nur ans Verteilen denken und zu wenige, die erkennen würden, dass zunächst etwas produziert werden müsse. Das gelte es zu verändern.

Europapolitik

Die Euro-Einführung sei ein Fehler gewesen, weil dadurch die Gegensätze zwischen Nord- und Südeuropa verschärft worden seien. Der bevorstehenden Etablierung des ESM stehe er kritisch gegenüber, da damit „Billionenverpflichtungen“ verbunden seien, an denen noch die Enkelkinder zu tragen hätten. Keine Regierung dürfe das Recht haben, Verbindlichkeiten einzugehen, die einen Zeitrahmen von fünf Jahren überschreiten.

Angela Merkel habe dem Ruf der Deutschen in der Welt massiv geschadet, indem sie anderen vorgeschrieben habe, wie diese zu leben hätten. „So etwas tut man nicht“. An dieser Stelle kommt es zu einem kleinen Widerspruch, als Stronach einerseits meint, man solle „…die einzelnen Völker allein ihre Probleme bewältigen lassen“, andererseits aber von „Hilfen für die Griechen“ spricht. Die Politik Merkels jedenfalls habe „Hass auf die Deutschen“ geschürt – entweder weil sie dumm sei, oder weil sie im Auftrag der Banken agiere.

Etwas unausgegoren scheinen Stronachs Vorstellungen von der künftigen Währungspolitik der EU zu sein, als er einmal von „Nord- und Südeuro“ spricht, dann aber die Variante „nationaler Eurowährungen“ aufs Tapet bringt. Flexible Wechselkurse zwischen den Ländern seien erforderlich, da die Währungskurse einen Spiegel der Wirtschaftsleistung der Länder darstellten, was nicht von einer Zentrale unterbunden werden solle. Geldpolitik, soviel scheint sicher, zählt nicht zu den größten Stärken des Tycoons.

Mit einem Bekenntnis zur „sozioökonomischen“ Ausrichtung des „politischen Managements“ schließt er seinen Vortrag.

Die Antworten bleiben vage

In der anschließenden Diskussion fällt auf, dass Stronach nicht gerne konkret auf eine der ihm gestellten Fragen antwortet, sondern dazu neigt, sich in wolkigen Allerweltsformulierungen und etwas eingelernt wirkenden Floskeln zu ergehen. So bleibt die Frage, wie er denn die angepeilte Steuerreduktion von 20-25 Prozent zu bewerkstelligen gedenke, offen. Allein mit einer „zivilisierten Verwaltungsreform“, die wohl darauf hinausläuft, keinem Beamten weh zu tun, und mit der „Zusammenlegung der 22 (sic!) Sozialversicherungsanstalten“ würde es damit wohl nichts werden.

Auf die Frage, welche eingängige Botschaft er für den Wahlkampf wählen wird, antwortete er, dass er mit „Herz, Hirn und Hand“ zur Sache gehen wolle.

Als einer der Anwesenden feststellt, leider keinen essentiellen Unterschied Stronachs zu seinen politischen Mitbewerbern feststellen zu können, da am Ende ja alle für Fairness, mehr Bildung und weniger Armut seien und auch er diese Trommel rühre – noch dazu ohne konkret sagen zu wollen, wo und wie der den Hebel (etwa zur Verwaltungsreform) ansetzen wolle, reagiert er gekränkt. Dass jemand seine ehrlichen Absichten und die Tatsache, dass er „viel Geld da hineingebe“ nicht angemessen würdigt, quittiert er mit spürbarer Entrüstung.

Als der Fragesteller dann nachsetzt und meint, Stronach habe schließlich nur mit dem (Personal-)Aufbau im Zuge der Expansion seiner Betriebe Erfahrung, jetzt aber werde es darum gehen, massiv Personal (Staatsdiener) abzubauen – und da sei es interessant zu wissen, wie er das angehen wolle, greift – und das ist der vielleicht bemerkenswerteste Aspekt des Abends – das Publikum ein und nimmt Partei gegen den Fragesteller. Es bleibt Stronach daher erspart, die Nachfrage zu beantworten. Auch keine der übrigen Fragen wird von ihm klar beantwortet. In einem Punkt allerdings ist er erfreulich direkt: Auf die Frage, was denn im Falle seiner Regierungsbeteilung nun liberaler werde, antwortet er kurz und bündig: „Alles!“

Fazit

Frank Stronach ist ein interessanter Mann, dem eines nicht unterstellt werden kann: mangelndes Selbstbewusstsein. Die mehrfach wiederkehrende Betonung seiner – unstrittig vorliegenden – wirtschaftlichen Erfolge lässt sogar die Einschätzung zu, es mit einer recht selbstverliebten Persönlichkeit zu tun zu haben.

Bezeichnend allerdings ist die bereits geschilderte Reaktion des Publikums, die nur eine Interpretation zulässt: Die von den „Altparteien“ derzeit gelegten Offerten werden als derart miserabel empfunden, dass offenbar jedes neue Angebot, wohl nach der Überlegung: „schlechter als die anderen kann er es gar nicht machen“, dankbar angenommen wird. Der messianisch anmutende Charakter von Stronachs Präsentation, der weitgehende Mangel an Preisgabe konkreter Programmpunkte – vor allem aber das Schweigen über die voraussichtlich an seiner Seite handelnden Personen (die bloße One-man-show eines älteren Herrn sollte es ja doch nicht sein!) – scheinen kaum jemanden zu stören.

Man kann daher mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, Frank Stronachs Partei im kommenden Jahr im Parlament zu sehen. Dies u. a. auch deshalb, weil mit einer wohlwollenden Berichterstattung durch den linken Medienhauptstrom zu rechnen ist, der darauf setzen wird, dass den größten Schaden durch ihn die „rechten Parteien“, ÖVP, FPÖ und BZÖ, erleiden würden. Die „Piraten“ werden auf eine derartige Wahlhilfe aus exakt umgekehrten Gründen wohl verzichten müssen. Für das BZÖ könnte ein Erfolg Stronachs durchaus zum letzten Nagel im Sarg werden.

Sollte der Fall eintreten, dass der Austro-Kanadier für seine Equipe wirklich gute Leute findet (was gegenwärtig einigermaßen zweifelhaft erscheint), wäre das hocherfreulich. Schließlich belebt Konkurrenz das Geschäft und rechts der politischen Mitte ist der Wähler in Österreich ja wahrhaft nicht mit einem Überangebot attraktiver Angebote konfrontiert.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Unsere tapferen Krisenregulierer

04. Oktober 2012 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Europäische Union glaubt, nun endlich die Ursache der Finanzkrise erkannt zu haben: Nach dem heldenhaften Kampf gegen die sogenannten Leerverkäufe verbietet nun eine Richtlinie den schnellen Online-Handel mit Finanzprodukten. Diese müssen künftig wenigstens 500 Millisekunden lang gehalten werden.

Die Politik klopft sich gegenseitig auf die Schultern. Und ignoriert die Anmerkungen von Ökonomen. Markus Fichtinger, einer der brillantesten jungen Österreicher aus dieser Branche, hat die EU-Aktion im Internet treffend wie zynisch so kommentiert: „Das Hauptproblem der Finanzlage Griechenlands, Portugals, Spaniens oder Irlands war sicher bisher, dass deren Anleihen in 499 Millisekunden weiterverkauft wurden. Die Idiotie in der Bürokratie kennt offenbar wirklich keine Grenzen (frei nach Einstein).“

Wie Don Quijote reiten diese Politbürokraten aber gleich gegen weitere imaginäre Windmühlen an: Besonders populäres Angriffsziel ist das Universalbanken-Modell. Die Regulierwütigen träumen davon, dass man das Bankgeschäft in gute, risikolose Aktionen und in böses, spekulatives Investmentgeschäft trennen kann. Schön wäre es, wenn man solcherart Krisen verhindern könnte. Aber der Vorschlag zeigt nur totale Ahnungslosigkeit.

Denn erstens ist die Krise zu 90 Prozent politisch verursacht (zu hohe Staatsdefizite, zu viel Geldproduktion, zu starke Eingriffe ins Wirtschaftsleben wie etwa durch die Anordnung der amerikanischen Regierung, auch Nichtkreditwürdigen satte Hypothekenkredite zu geben). Denn zweitens sind etwa in Deutschland und Österreich überwiegend staatlich oder politisch geleitete Banken ins Schleudern gekommen (insbesondere die von Provinzkaisern kontrollierten Landesbanken), kaum die bösen Kommerzbanken. Denn drittens ist die Krise fast jedesmal aus dem ganz simplen Retailbank- und nicht dem Investment-Geschäft entstanden.

Dabei scheint es für Laien keine solidere Sache als die Entgegennahme von Spareinlagen zu geben und im Gegenzug die Verleihung von Geld, mit dem sich jemand ein Haus kaufen oder bauen kann.

Jedoch sind genau bei diesen simplen Retail-Geschäften die Katastrophen passiert: Wenn die Immobilienpreise plötzlich nicht mehr ständig hinauf, sondern steil hinuntergehen, dann passiert es eben. Dann platzen reihenweise die Kredite, dann werden die immobilen Pfänder in den Händen der Bank plötzlich wertlos. Das war bei der amerikanischen Subprime-Krise so, wo niemand mehr eine Hütte in Unterschicht-Bezirken kaufen wollte. Und das ist derzeit in Spanien so, wo zu Zehntausenden Appartments an den spanischen Küsten ohne jede Chance auf Abnehmer dastehen. Ähnliches passiert in einer Rezession mit allen Gewerbe- und Industrie-Krediten gleichzeitig.

Nichts davon kann durch irgendeine politbürokratische Regulierung künftig verhindert werden. Es sei denn: Es bekommt nur noch der einen Bankkredit, der ihn gar nicht braucht, weil er eh genug Geld hat.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Anzahl und Vermögen der Finanzinstitute der EU

03. Oktober 2012 13:20 | Autor: Andreas Unterberger

Gesamtzahl der Finanzinstitute der EU-Länder sowie ihr Vermögen in Mrd. Euro

 

Land Anzahl der Institute Gesamtvermögen
Deutschland 1.893 8.522,7
Österreich 765 1.011,1
Italien 740 4.158,1
Polen 699 334,8
Frankreich 656 8.454,3
Irland 479 1.250,2
Ver. Königreich 373 9.933,1
Spanien 334 3.732,3
Finnland 323 641,6
Niederlande 284 2.480,3
Ungarn 189 115,3
Schweden 174 1.160,0
Dänemark 161 1.115,1
Portugal 155 580,7

Luxemburg

142 1.040,7
Zypern 141 130,4
Belgien 108 1.161,7
Litauen 91 24,2
Tschechien 57 192,9
Griechenland 54 435,2
Rumänien 41 90,6
Bulgarien 31 42,8
Lettland 30 28,3
Slowakei 30 59,7
Malta 26 51,1
Slowenien 25 53,7
Estland 17 19,1
EU-27 8.018 46.820,0

Quelle: EU-Kommission

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Vermögensverteilung der österreichischen Haushalte

03. Oktober 2012 12:59 | Autor: Andreas Unterberger

Nettovermögen österreichischer Haushalte: Sach- & Finanzvermögen/Schulden in Euro, Anteil in Prozent

 

Vermögen (Schulden) Bevölkerungsanteil

> 500.000

11,3

400.000 – 500.000

3,5

300.000 – 400.000

6,0

200.000 – 300.000

10,3

100.000 – 200.000

15,0

50.000 – 100.000

9,0

0 – + 50.000

39,5

0 – -50.000

4,6

-50.000 – -100.000

0,3

< -100.000

0,4

Quelle: OeNB

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Der Staat und das Gold

03. Oktober 2012 06:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der Besitz von Gold garantiert die persönliche Freiheit, während deren größte Bedrohung vom Staat ausgeht. Gold bedeutet deshalb Unabhängigkeit, weil sein Wert nicht vom Gutdünken Dritter – etwa einer Regierung – abhängt.

Das ist eine der zentralen Erkenntnisse des deutschen Ökonomen Guido Hülsmann. Er unterrichtet an der Universität von Angers Volkswirtschaftslehre. Hülsmann skizzierte diese Erkenntnisse dieser Tage auf einer Konferenz der von Hans-Hermann Hoppe ins Leben gerufenen „Property and Freedom Society“ in Bodrum.

Geld besitzt – vor allen anderen Gütern – die höchste Form von Liquidität. Besonders wichtig ist der Aspekt seiner „Mobilität“. Wer sein Vermögen z. B. in Grundstücken oder Fabriken angelegt hat, kann diese – im Gegensatz zu Geld – nicht einfach davontragen. Gold und Silber sind „natürliches Geld“, das ohne Zutun einer Regierung zustande kommt. Ihr Wert liegt in der inhärenten „physischen Qualität“, der Edelmetalle, nicht aber in einer Verpflichtung durch Dritte. Seltenheit, nicht beliebige Vermehrbarkeit, und hohe Kosten zur Förderung dieser Elemente stellen deren dauerhafte Werthaltigkeit sicher. Unsere heute gebräuchlichen Banknoten dagegen sind von den Notenbanken ausgegebene Schuldtitel, die – bei Wegfall des in sie gesetzten Vertrauens – augenblicklich wertlos werden. Dass die EZB den auf Euro lautenden Geldbestand in einem einzigen Jahr (2011) um ein Drittel erhöht hat, sollte zu denken geben.

Das Geschäft des Staates besteht in der Ausübung von Zwang. Etwa im Zwang, ihm, dem Staat, Geld zu für ihn günstigen Bedingungen zu leihen. Das dazu eingesetzte Mittel ist das der „Finanziellen Repression“ [was künstlich niedrig gehaltene Zinsen bei gleichzeitigen Kapitalmarktrestriktionen bedeutet, wodurch „Fluchtbewegungen“ der Sparer und Anleger verunmöglicht werden sollen, Anm.].

Schon früh erkannten die Herrschenden, dass das Eintreiben von Steuern aufwendig, personal- und kostenintensiv ist. Es lag also nahe, sich zur Staatsfinanzierung zunehmend des Mittels der Kreditfinanzierung durch das aufkommende Bankenwesen zu bedienen. Auf der ständigen Suche nach Möglichkeiten, die Staatseinnahmen zu erhöhen, finanzierten die regierenden Häuser bis zum 18. Jahrhundert Alchemisten, die Gold aus unedlen Metallen herstellen sollten. Mit der Erfindung papierener Banknoten, die einfach und zu geringen Kosten herzustellen waren, stand den Herrschern plötzlich eine bis dahin unbekannte, neue Option offen: Die Schaffung von Geld aus dem Nichts. Das „Fiat Money“ war erfunden. Während Besteuerung und Konfiskation Widerstände und erhebliche Kosten verursachten, war und ist die Geldherstellung nun so billig wie nie zuvor.

Papier statt Gold – Inflation statt Wert

„Geldverdünnung“ – also eine Inflationierung der Währung, ging ab diesem Zeitpunkt wesentlich einfacher vonstatten, als zu Zeiten der Metallwährung – als der Aufwand, den eine Münzverschlechterung (eine Reduktion des Edelmetallanteils der Münzen) bedeutete, recht erheblich war.

Mit der Einführung von Papierwährungen ging der Erlass von „Zahlkraftgesetzen“ Hand in Hand, die das staatlich erzeugte Papiergeld monopolisierten und damit vor der Konkurrenz durch echtes Geld bewahr(t)en. Mit dieser Maßnahme verbanden sich zwei bedeutsame Konsequenzen:

Zum einen ein Geldmengenwachstum, relativ zum Nationalprodukt [durch den Wegfall jeder technischen Restriktion, wie im Falle einer Metallwährung, Anm.], wodurch der Geldwert abnimmt. Die bis dahin übliche Form des „hortenden Sparens“ ist damit, wie Hülsmann es ausdrückt „suizidal“: Über längere Zeiträume hinweg verringert sich, selbst bei relativ moderaten Inflationsraten, die Kaufkraft von Ersparnissen deutlich. Die Folge ist eine verringerte Spar- und eine erhöhte Konsumneigung, wodurch das Preisniveau weiter steigt.

Zum anderen, dass es für die Regierung leichter wird, Zugriff auf privates Geld zu erlangen – etwa indem dem Publikum „sichere“ Staatsanleihen verkauft werden. 2010 beliefen sich die Anteile privater „Investitionen“ in Staatsanleihen in England auf 26 Prozent, Deutschland 35 Prozent, USA 27 Prozent und Japan 46 Prozent der privaten Geldvermögen.

Historisch lassen sich folgende vier Phasen der Währungspolitik abgrenzen: Zunächst wird Gold zum alleinigen Zahlungsmittel erklärt. Das hat zur Folge, dass Geschäfte des täglichen Bedarfs aufgrund der hohen Werthaltigkeit des gelben Metalls nur schwer abzuwickeln sind. An dieser Stelle kommen die Banken ins Spiel, die im Staatsauftrag als Goldsubstitute fungierende Banknoten herausgeben.

Darauf folgt eine „Verdünnung“ des Goldstandards. Weg von einer 100-prozentigen Deckung der Goldsubstitute – hin zum System Bretton Woods mit indirekter Goldbindung.

Danach wird eine völlige Trennung der Währung vom Gold vollzogen und damit ein vollständiges Fiatsystem geschaffen [das war am 15. 8. 1971 der Fall, als US-Präsident Nixon den bis dahin garantierten Umtausch des US-Dollar gegen Gold aufkündigte. Eine Feinunze Gold kostete zu diesem Zeitpunkt 35 US-Dollar].

In der letzten Phase schließlich (von 1971 bis heute) wird von den Staaten ein erbitterter Kampf gegen den unabhängigen „Geldkonkurrenten“ Gold geführt – und dessen Wechselkurs mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gedrückt. Der Grund dafür ist weniger darin zu suchen, dass steigende Goldkurse ein Spiegelbild der frivolen Geldpolitik der Notenbanken darstellen, sondern vielmehr darin, dass Gold dem Bürger ein Mittel in die Hand gibt, dem staatlichen Zugriff auf sein Vermögen auszuweichen…

Kollektive Korruption

Auch Thorsten Polleit, Chefvolkswirt des deutschen Goldhandelshauses Degussa, widmete sich dem Thema Geld. Der Titel seines Vortrags: „Was wissen Banker über Geld und Bankwesen?“

Der Ökonom stellte ein Zitat des Gründers des Bankhauses Medici an den Beginn: „Halte dich stets außerhalb des Auges der Öffentlichkeit!“ Unsere Zivilisation ist dadurch bedingt, dass die zwischen den Individuen bestehenden Unterschiede im Können und Wollen zur Basis der freiwilligen Kooperation, Arbeitsteilung und des Austauschs werden. Die Entstehung von Geld bedeutet eine wesentliche Verbesserung der Tauschmöglichkeiten. Nach Carl Menger entsteht Geld „spontan“, verfügt selbst über Warencharakter und ist grundsätzlich ein Gut wie jedes andere.

Als das Bankwesen entstand, waren seine Aufgaben klar voneinander getrennt: In Depositen- und Investmentfunktion. Der für Ausleihungen verlangte Zins bildete die kumulierte Zeitpräferenz der Bankkunden ab. In einer freien Marktwirtschaft sind die beiden Bankfunktionen stets streng voneinander getrennt.

Nach Franz Oppenheimer gibt es nur zwei Arten, sich Einkommen zu verschaffen: Durch Produktion oder durch Raub. Produktion ist das „wirtschaftliche Mittel“, Raub, das „politische“. Räuber können zum einen als „Roving Bandits“, d. h. mobil agieren. In diesem Fall ist ihnen das weitere Schicksal ihrer Opfer egal, da sie diese mutmaßlich nie wieder sehen. Ihre hohe Zeitpräferenz (jetzt oder nie!) veranlasst sie daher zu deren maximaler Ausplünderung.

Ein Räuber kann zum anderen „stationär“ agieren. In diesem Fall gedenkt er wiederzukehren und ein dauerhaftes Einkommen aus seinen Opfern zu pressen. Er wird daher weniger brutal vorgehen, da er diese nicht vollständig ruinieren will. Seiner niedrigeren Zeitpräferenz entspricht eine geringere Plünderungsintensität. Es kommt ihm darauf an, den Wohlstand der Beraubten nicht zu zerstören, sondern möglichst in einem Ausmaß zu erhalten, dass auch künftige Raubzüge ertragreich bleiben. Um wen es sich bei diesem „stationären Banditen“ handelt, ist klar.

Die Schaffung „öffentlicher Güter“ bedeutet die Berufung des Staates (der Regierung) zu deren Verwalter. Banker, als die natürlichen Verbündeten der Regierung, haben ihr Ziel – die Aufhebung von Depositen- und Kreditfunktion ihrer Unternehmen – längst erreicht. Da nach Einführung des Teilreservesystems keine Bank mehr vor einem „Run“ sicher sein konnte, war die Schaffung einer Zentralbank als „lender of last ressort“ die logisch folgende – ebenfalls längst verwirklichte – Forderung. Die Zentralbank dient in diesem System als „Sicherungsinstrument“. Nun bedurfte es nur noch des staatlichen Geldmonopols, um ein 100-prozentiges Fiat-Geldsystem zu schaffen.

Die einzige Erklärung, weshalb gegen dieses Geldsystem nicht revoltiert wird, ist die „kollektive Korruption“ unserer Gesellschaft. Den Bankern fällt beim Prozess der Korrumpierung eine entscheidende Rolle zu. Durch die Erzeugung der Illusion, Geld – und damit vermeintlich Wohlstand – aus dem Nichts schaffen zu können, stellen sie allerdings die Weichen in Richtung Inflation. Einmal auf diesen Pfad eingeschwenkt, gibt es faktisch keine Umkehr. Die Dosis der ständig neu zu schaffenden Geldmenge muss ständig weiter erhöht werden. Am Ende steht die Hyperinflation.

Der Weg dahin ist leicht nachzuvollziehen: Die Massendemokratie zieht die Einführung von Fiat Money nach sich. Und ein Fiat-Money-System endet letztlich in der Hyperinflation. Wie genau die Menschen darauf reagieren werden, ist schwer zu sagen. Deshalb wiederholte Polleit am Ende seines Vortrags das an den Beginn gestellte Medici-Zitat: „Halte dich stets außerhalb des Auges der Öffentlichkeit!“

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Jagt die Reichen: Jeder zweite ein Millionär!

03. Oktober 2012 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Nationalbank ist zum voll schuldigen Mittäter an der ständigen Eskalation der Schuldenkatastrophe geworden. Was tut sie in dieser Situation, statt endlich zu bremsen zu beginnen? Sie gibt eine aufwendige Studie über die privaten Vermögen der Österreicher in Auftrag. Die damit verbundene Absicht ist leicht zu erkennen, wird diese doch ohnedies bei jeder zweiten Wortmeldung eines linken Politikers offengelegt. Und auch die überall mitgelieferte, jedoch falsche und einseitige Interpretation dieser Studie macht die Absicht noch deutlicher.

Österreich sei ja gar nicht wirklich ernsthaft verschuldet, wird da immer öfter von linken Politikern und Ökonomen beteuert. Die offengelegten wie auch die versteckten Verbindlichkeiten und Haftungen von Bund, Ländern, Sozialversicherungen, ÖBB, Asfinag seien gar nicht so beängstigend, wie es auf den ersten Blick scheint: Stehen ihnen doch die ansehnlichen Privatvermögen der Österreich gegenüber.

Alles klar? Die Täter rechnen also schon mit dem nächsten Raubzug auf das, was trotz konfiskatorischer Einkommensteuern und Abgaben den Österreichern noch an privatem „Reichtum“ verblieben ist. Dieser Raubzug wird generalstabsmäßig vorbereitet: Ganz „zufällig“ nur elf Tage vor dem SPÖ-Parteitag wird diese Nationalbank-Studie – in Wahrheit eine bloße Meinungsumfrage – hinausgespielt, die sofort von allen linken Medien mit dem erwünschten aggressiven Unterton verbreitet wird: „Die Vermögen sind ungleich verteilt“. Offenbar wünscht man sich eine gleiche Verteilung wie einst im Kommunismus - wo dann nur noch die Funktionäre ein wenig gleicher waren.

Wie schön passt diese Inszenierung in einen Parteitag, der von den Regisseuren unter das Motto „Mehr Gerechtigkeit!“ gestellt worden ist. Natürlich beteiligen sich wie fast immer auch Linkskatholiken und -protestanten an der Gehirnwäsche. Den Österreichern soll eingehämmert werden: Gerechtigkeit gibt es erst, wenn alle gleich viel haben und verdienen. Wenn der Parteitag ruft, kann man doch nicht bis März warten, also bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem die EZB diese Studie eigentlich erst haben will.

Damit tritt die Nationalbank würdig an die Seite von ÖBB, Arbeiterkammer und Asfinag, die ebenfalls gesetzwidrig die Propaganda der SPÖ erledigen. Man kann der Notenbank einzig zugute halten, dass es keinen Beweis für die direkte Bestimmung ihres Handelns durch die Partei gibt. Sie tut das möglicherweise durchaus freiwillig.

Denn würde sie wirklich die Interessen Österreichs und seiner wirtschaftlichen Stabilität vertreten, dann hätte sie – wenn sie schon eine solche Vermögensverteilungs-Studie macht – an Stelle des allgemeinen Jammerns gejubelt:

Gott sei Dank haben wir etliche Reiche in diesem Land! Was wäre es für eine Katastrophe, gäbe es nicht die Mateschitzs oder Swarovskis, die Wlascheks oder Benkos! Ihre Existenz beweist, dass man in Österreich durch Leistung und Geschick reich werden kann (ja, auch mit dem nötigen Glück, wie immer im Leben)! Wir werden alles tun, um sie hier zu halten! Denn sie tätigen die spannendsten Investitionen und schaffen die meisten Arbeitsplätze! Wir ignorieren daher auch das läppische Arbeiterkammer-Argument, dass die Reichen einen viel kleineren Teil ihres Geld für Lebensmittel- und Kleidungseinkäufe ausgeben als die Wenigverdiener!

Aber nein. Nichts davon ist zu hören. Die Nationalbank fügt sich schmiegsam in die Parteitags-Regie ein. Offenbar ist das auch jene der EZB, die ihre wahnwitzige Gelddruck-Politik nun auf Kosten der Bürger kompensieren will. Die daher sehr an deren Vermögen interessiert ist.

Warum steht eigentlich auch sonst niemand auf und verteidigt unser Menschenrecht auf Privatsphäre und den Datenschutz dort, wo er wirklich zu verteidigen ist (also nicht beim Geburtsdatum eines 90-Jährigen!)? Es geht die SPÖ wie auch die EZB wie auch die OeNB einen feuchten Dreck an, wie viel seines versteuerten Einkommens jeder gespart hat. Oder ob er es im Nachtlokal, im Wettlokal oder durch Spenden ans Rote Kreuz und die Kirche ausgegeben hat.

Dazu kommt, dass die Studie bei genauer Betrachtung ohnedies das Gegenteil von dem zeigt, was ringsum die redaktionellen Spin-Doctoren schreiben. Eigentlich müssten selbst jene Menschen, die Neid als oberste politische Maxime haben, über diese Umfrage erstaunt sein, würden sie diese offenen Auges lesen.

Denn der Studie zufolge sind nur ganz wenige Haushalte in Österreich überschuldet. Denn ihr zufolge haben 48 Prozent ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung. Denn ihr zufolge ist mehr als die Hälfte in alter Schilling-Währung gerechnet sogar ein Millionärs-Haushalt: Liegt doch der Median, also jene Grenze, wo die Hälfte aller Haushalte ein noch größeres Vermögen hat, bei einem Vermögen von 76.500 Euro. Erinnert sich noch jemand an die Aufregung, als ein Hannes Androsch erklärt hat, kein (Schilling-)Millionär zu sein? Seine damalige Antwort: „Leider nein.“

Dabei kann man sicher sein: Die Österreicher sind noch deutlich reicher, als irgendeine Umfrage zeigen kann. Bei solchen Umfragen vergisst man nicht nur auf viele Besitztümer wie Schmuck oder ähnliches; vor allem verschätzt man sich heftig beim Wert des eigenen Hauses. Denn viele haben noch gar nicht mitgekriegt, wie steil in den letzten drei Jahren der Marktwert vieler Immobilien in die Höhe gestiegen ist.

Daher ist es mehr als legitim, die von den Linksparteien geplanten Vermögens- und Erbschaftssteuern als flächendeckenden Angriff auf die Österreicher zu empfinden. Viel mehr Familien, als diese selbst glauben, sind durchaus schon in der Nähe der Million Euro an akkumulierten Besitztümern.

Und wenn man jetzt immer öfter hört, dass eigentlich schon ab einer halben Million an Vermögen zugeschlagen werden soll, dann hat zu Recht der ganze Mittelstand Angst. Denn selbst, wer auch nach dem Stöbern von Finanzbeamten in den Schmuckschatullen, Wochenendhäusern und Kindersparbüchsen noch nicht ganz vermögenssteuerpflichtig wäre, wird das mit Sicherheit nach der unvermeidbaren Inflations-Explosion sein, nach der ja alles viel mehr "wert" ist. Deren Lunte brennt ja schon. Und ausgerechnet die auf das Vermögen der Österreicher so neugierigen Nationalbanker halten noch ein heißes Zündholz in der Hand.

Statt über eine angeblich ungerechte Verteilung zu jammern, könnte und sollte man sich eigentlich über den Reichtum so vieler Österreicher freuen. Anstelle der nun vielerorts ausgerufenen Hetze „Jagt die Reichen“ (fehlt nur noch, dass man den zu jagenden Reichen auch noch ein religiöses Bekenntnis als Adjektiv anhängt) könnte man eigentlich innehalten und sagen: Ja, super. Die Menschen haben es in diesem Österreich in ihrer großen Mehrheit zu etwas gebracht. Darauf können wir stolz sein. Man vergleiche den heutigen Zustand doch mit 1945, als Österreich das ärmste Land Europas war.

Dann müsste man auch noch etwas zweites dazusagen: Da wir uns dem österreichischen Souverän, also diesen zu einem so hohen Anteil wohlhabenden Bürgern verpflichtet fühlen, werden wir jetzt alles tun, um deren Wohlstand nicht zu gefährden. Immerhin haben sie ja ohnedies schon einen Gutteil des Geldes bei dessen Erwerb gleich an den Staat abgeliefert. Wir werden den Österreichern daher kein zusätzliches Geld mehr abnehmen, um weniger fleißige Völker zu finanzieren. Wir werden bis zuletzt für die Stabilität der Währung kämpfen.

Wir werden ebenso das Erbrecht verteidigen, strengen sich doch viele erfolgreiche Österreicher  primär in Hinblick auf ihre Nachkommen, also die Erben so an. Was dem Bruttosozialprodukt sehr nützt. Was die künftigen Erblasser nicht in diesem Ausmaß täten, wenn sie wüssten, dass sie noch mehr für die Steuer arbeiten müssten und noch weniger für ihre Kinder. Wir wissen ja, dass 1945 praktisch alle mit Null angefangen haben, dass nur ganz wenige der heutigen Vermögen aus früheren Zeiten stammt. Keine der genannten vier reichen Österreicher etwa hatte 1945 irgendeinen Reichtum in der Familie. Daher stimmt auch die Behauptung nicht, die Reichen würden immer reicher. Reicher werden vor allem die Fleißigeren.

Das heißt nun nicht, dass jener Teil der Österreicher unwichtig wäre, der im Verhältnis dazu relativ arm ist. Aber mit Sicherheit  würde es diesen Menschen noch viel schlechter gehen, wenn wir die Reichen verjagen und den Mittelstand demotivieren.

Ja, das müsste man alles sagen. Es tut nur niemand.

SPÖ und Grüne sind sowieso zur Partei der diebischen Neidgenossen geworden. Die ÖVP traut sich zwar einmal im Jahr, ihren Koalitionspartner Dieb zu nennen, ist aber ansonsten durch Affären, Amok laufende Bundesländer-Kaiser, eine ständig querschießende Wirtschaftskammer, strategische, taktische und Führungs-Schwächen wie gelähmt. Auch bei Blau und Orange sind viele Lähmungserscheinungen zu konstatieren, wenn auch aus meist anderen Gründen. Und wer nach den jüngsten demaskierenden Auftritten des total substanzlosen Phrasendreschers Frank Stronach noch immer auf den steirisch-kanadischen Exindustriellen setzt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

PS.: Es ist wohl auch kein Zufall, dass diese Studie an alle möglichen Medien gespielt worden ist, von denen man sich die „richtige“ Interpretation erwartet und jedenfalls durchwegs erreicht hat. Auf der Homepage der Nationalbank ist die Studie jedoch interessanterweise bis zur Stunde nicht veröffentlicht worden. Daher bleibt jede Menge methodischer Fragen offen. Was vielleicht auch beabsichtigt sein könnte. Es wäre ja auch peinlich, wenn unabhängige Wissenschaftler (die paar, die es außerhalb von Wifo und anderen Subventionsvereinen noch gibt) die Seriosität der Erhebung nachprüfen könnten . . .

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Gas: Russen geben nach – Sind Pumpspeicher unrentabel?

01. Oktober 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Auch wenn noch weitgehend der Mantel des Schweigens darüber gebreitet wird, es tut sich etwas bei den zu hohen Gaspreisen, die in Österreich gezahlt werden müssen. Das Problem sind die Langfristverträge mit den Russen, die an den Ölpreis gekoppelt sind und weit über jenen Preisen liegen, die am Spotmarkt erzielt werden. Das bedeutet, dass in Österreich jährlich um rund 600 Millionen Euro zu viel für Gas bezahlt werden muss. Dies trifft vor allem die privaten Gaskonsumenten, die von den Gasversorgern mit hohen Gaspreisen gequält werden – Industriekunden können sich wehren, sie zahlen den üblichen Spotmarktpreis.

Aber nicht nur die private Gaskundschaft muss blechen, auch die Stromkonzerne können ihre Gaskraftwerke nicht mehr gewinnbringend führen. Dies trifft vor allem die Wiener Stadtwerke, die 90 Prozent ihres Stroms und ihrer Fernwärme auf Gas-Basis erzeugen. Andere Stromkonzerne, wie Verbund oder EVN, können dagegen ihre Gaskraftwerke einfach abstellen und kaufen den Strom billig am Weltmarkt zu.

Blöd läuft es allerdings, wenn ein neues Gaskraftwerk eröffnet wird (Verbund in Mellach), das mit teurem Russengas (bezogen von Econgas) gespeist wird. Lässt man Gaskraftwerke laufen (derzeit steht es still) verliert man Geld, verzichtet man auf den Gasbezug, muss man Pönale zahlen (Take-or-Pay-Verträge). Daher wurde das neue Werk bereits wertberichtigt. Blöd auch, wenn man dafür eine eigene Gaspipeline (Südschiene) um 400 Millionen Euro gebaut hat, die man im Moment gar nicht brauchen kann. Die Kosten dafür zahlen die Gaskunden über das Netzentgelt.

Aber es bewegt sich etwas beim teuren Russengas. In Deutschland hat Gazprom die Preise bereits ordentlich korrigiert, in Österreich heißt es nach wie vor „es wird verhandelt“. Erste Erfolge gibt es aber bereits. Die Steirische Gas-Wärme, die nicht über die OMV-Tochter Econgas, sondern direkt von der Gazprom-Tocher GWH beliefert wird, hat bereits einen Preisnachlass bekommen und kann zusätzlich Teile ihres Gasbezugs auf Spotmärkten einkaufen. Im Gegenzug haben die Steirer eine Klage gegen Gazprom beim heimischen Kartellgericht zurückgezogen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass der Großkunde Econgas nicht auch eine ähnliche Vereinbarung treffen kann. Bei den Großabnehmern Verbund und Wiengas ist allerdings noch nichts angekommen.

Probleme bei den Reserven für erneuerbare Energie

Die umstrittene deutsche Energiewende mit ihrem überproportionalen Ausbau von Wind und Solar braucht Backup-Systeme für jene Zeiten, wo diese erneuerbaren Energien nicht zur Verfügung stehen. Das wären an und für sich Gaskraftwerke. Die laufen aber nicht, wegen der  – siehe oben – Gaspreise. Marc Hall, der neue Energievorstand der Wiener Stadtwerke, merkt dazu an: „Eigentlich müsste die Photovoltaik die Gaskraftwerke subventionieren, denn die ergänzen sie zu einem marktfähigen Produkt“.

Übrigens hat der deutsche Netzbetreiber Tennet, wie im Vorjahr, wieder rund 900 Megawatt „Kaltreserve“ aus Österreich gebucht. Der zweite Backup-Baustein sind Speicherkraftwerke. Wenn der Wind bläst kann billig Wasser in die Speicher hoch gepumpt werden, bei Mangel kann dann Wasser abgelassen werden. In Österreich wird auf Teufel komm raus die Pumpspeicherkapazität ausgebaut. Für ein geplantes weiteres Kraftwerk in Kaprun müsste eine neue Stromleitung gebaut werden. Die Branche rechnet damit, dass Pumpspeicherstrom einen zumindest 15 Prozent höheren Preis erzielen muss. Ob all diese Projekte auch wirklich einmal Früchte tragen, ist gar nicht mehr so sicher, wenn man deutschen Betreibern von Pumpspeichern zuhört.

Die deutsche Vattenfall betreibt die Hälfte der Pumpspeicher-Kraftwerke in Deutschland und das Geschäft boomt keineswegs. Im Gegenteil. Die Wirtschaftlichkeit hat sich dramatisch negativ entwickelt. Es ist eine paradoxe Situation entstanden, sagt man bei Vattenfall. Wir brauchen Speicher, um die Fluktuationen der erneuerbaren Energien ausgleichen zu können. Aber das heißt noch lange nicht, dass sich der Betrieb lohnt. Früher haben Pumpspeicher nachts billigen Strom genutzt, um Wasser nach oben zu pumpen und es bei höheren Preisen zur Mittagszeit aus den Speicherseen abzulassen und damit Strom zu produzieren.

Jetzt lohnt sich das immer weniger, denn Solarstrom kommt zur Mittagszeit ins Netz und drückt die Preise. Bei kräftigem Wind ist die Situation ähnlich.

„Ich sehe derzeit nicht, wie wir vor dem Hintergrund dieser Entwicklung längerfristig die Wirtschaftlichkeit aus eigener Kraft wieder herstellen können. Modernisierungen, größere Investitionen und Reparaturen – das alles kostet viel Geld. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob und wie wir alle unsere Pumpspeicher weiter betreiben können", meint der Vattenfall-Chef Hatakka.

In Österreich ist die Lage noch nicht so dramatisch. Die Speicherkraftwerke werden auch für Regelenergie gebucht, und der Preis für Regelenergie ist viermal so hoch wie in Deutschland.

Trotzdem gibt es erste Auswirkungen, wie etwa bei der oberösterreichischen EAG. Diese hat derzeit das Problem, dass die Stromerzeugung mit Gas 80 Euro je Megawattstunde kostet, aber nur 50 Euro auf dem Markt bringt. Bauabsagen gibt es aber noch nicht. Alle Kraftwerke, die in Bau sind, werden fertig gestellt. Neue Bauentscheidungen hängen aber mit den Marktverhältnissen zusammen, etwa bei einem geplanten Projekt in Bad Goisern. Das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee wird bis zur Baureife vorbereitet, dann „wird man schauen, wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind".

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Maastrichtkriterien & Staatsquote 2010 & 2011

25. September 2012 14:55 | Autor: Andreas Unterberger

Defizit, Staatsverschuldung & Abgabenquote 2010 & 2011 in Prozent

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Wirtschaftliche Kennzahlen 2011 & 2010

25. September 2012 14:47 | Autor: Andreas Unterberger

Vergleich ausgewählter Kennzahlen 2010 & 2011 in Prozent

 

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Fußnote 353: Neuer Medizin-Mist

24. September 2012 04:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Wiener Medizin-Uni baut den nächsten Skandal – und jetzt hilft dabei auch der Wissenschaftsminister mit.

Die MUW hat durch die gezielte Diskriminierung männlicher Studenten bei den Aufnahmsprüfungen Riesen-Mist produziert. Praktisch alle unabhängigen Experten sind inzwischen sicher, dass die dadurch benachteiligten jungen Männer beim Verfassungsgericht gewinnen werden und anschließend gewaltige Schadenersatzforderungen stellen können. Daher versucht die MUW, die Fronten zu begradigen – und schafft 60 zusätzliche Studienplätze. Aber statt diese nur den Geschädigten, also Männern, zu geben, wird verkündet, dass die Plätze auch an Frauen gehen werden. Womit allem Anschein nach schon wieder die nächste Gleichheitswidrigkeit stattfindet. Aber was will man von einer Uni, deren Spitze Freimaurer-verseucht ist, und deren Universitätsrat von einem Erhard Busek geleitet wird? Was freilich wirklich wundert, ist, dass die MUW jetzt für ihren Unsinn vom Wissenschaftsminister auch noch extra Geld bekommt. Der Mann ist doch bisher durch Mut und Vernunft aufgefallen. Hält er es für nachvollziehbar, wenn die einen ideologisch motivierten Schwachsinn bauen, und die anderen, in diesem Fall die Allgemeinheit, zahlen müssen?

 

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EU-Kommissar fordert Eurobonds und damit das Ende der EU

22. September 2012 23:42 | Autor: Elisabeth Hennefeld
Rubrik: Gastkommentar

Es gibt viele Arten, sich einen Tag so richtig zu vermiesen. Man könnte aus dem Bett fallen und sich den Fuß brechen. Man könnte seine Steuererklärung machen. Oder man liest das Interview mit dem EU-Kommissar für Beschäftigung und Soziales, Laszlo Andor, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Der Text fängt schon mal damit an, dass der Berater der ehemaligen sozialistischen Regierung in Ungarn Deutschland die Schuld an der Krise in die Schuhe schiebt, weil dieses sich erdreistet, zu wettbewerbsfähig zu sein. Der sprichwörtliche Fleiß der Deutschen verstärke die Ungleichheiten in der Eurozone. Darum bräuchten wir unbedingt „Eurobonds“, also EU-weite Staatsanleihen.

Staatsanleihen (Government Bonds) wurden erstmals ausgegeben von der Bank of England Ende des 17. Jahrhunderts. Die Regierung brauchte kurzfristig viel Geld für einen Krieg mit Frankreich, das sie sich von ihren Bürgern über Anleihen ausborgte und Jahrzehnte später, wenn der Krieg vorbei ist, mit Zinsen zurückzuzahlen gedachte. In der Zwischenzeit können die Bürger diese Anleihen an der Börse nach Herzenslust kaufen und verkaufen. Die Zinsen errechnen sich versicherungsmathematisch nach dem Ausfallsrisiko – sprich je höher das Vertrauen, dass diese Schulden nach Ablauf der Anleihe tatsächlich bedient werden, desto niedriger die Zinsen.

Dieser Zusammenhang ist für den Ausgang von Kriegen und als Auslöser von Revolutionen weitaus entscheidender, als Historiker gemeinhin annehmen. Aber bleiben wir bei der Gegenwart. Seit dem zweiten Weltkrieg haben moderne Staaten die völlig neue Angewohnheit, in Friedenszeiten neue Schulden zu machen – besser bekannt als „Wohlfahrtsstaat“ –, statt nur die vom letzten Krieg zu bezahlen. Die Staatsanleihen finanzieren also nicht mehr das kurzfristige Engagement eines Krieges, das im Frieden über Steuern zurückbezahlt wird. Sie füllen die Lücke zwischen Steuereinnahmen und den allseits beliebten Beglückungen des auf Ewigkeit angelegten Sozialstaates.

Für die Zinsen ist es nun entscheidender denn je, wie ein Staat strukturell aufgestellt ist. Unsere Sorgenkinder im Süden zahlen etwa doppelt so viel wie wir, weil ihre Steuereinnahmen niedriger sind, ihre Sozialsysteme defizitärer laufen, ihre Staatsverschuldung höher ist und ihre Wirtschaft weniger wettbewerbsfähig ist. Was tun? Man könnte sich nun die „reicheren“ Länder im Norden zum Vorbild nehmen. Oder man führt erst mal Eurobonds ein, damit alle Staaten von Deutschland bis Griechenland gleich viel Zinsen zahlen und es am Kapitalmarkt wurscht ist, ob ein Staat sich ernsthaft bemüht, seinen Haushalt halbwegs in Ordnung zu halten.

Griechenland und Konsorten sind mit dem ESM fürs erste aus dem Schneider. Jedes Wirtschaftswunder braucht seinen Marshall-Plan. Profitieren wir nicht letztlich alle, wenn stabile Volkswirtschaften ihren Nachbarn kurzfristig unter die Arme greifen, damit sie wieder auf die Füße kommen? Mit den Eurobonds könnten sie auch wieder billiger Kredite aufnehmen.

Aber: Würden sie dieses Kapital nützen, um ihre strukturellen Probleme zu lösen, Reformen durchführen, um langfristig wettbewerbsfähiger zu werden?

Nicht die Spur! Die tun nicht mal als ob! Stattdessen „empfiehlt“ die EU-Kommission Deutschland de facto, seine Wirtschaftsleistung zu drosseln. Damit es die anderen nicht so schwer haben. Und sollte sich Deutschland nicht an wirtschaftspolitisch grandiose Vorschläge der Kommission halten, wünscht sich der ungarische Kommissar wörtlich „die nötigen Mittel, um gegen die Staaten vorzugehen, die nichts gegen die Ungleichheit im Euroraum unternehmen“.

Dieses Mittel will nicht im gesamteuropäischen Interesse Staatshaushalte genauer kontrollieren, damit die Gemeinschaft früher einschreiten kann, wenn Griechenland mit den Budgetzahlen mogelt. Nein, es soll den Deutschen auf die Finger klopfen, dass diese bitte ihre Wirtschaft an die Wand fahren sollen.

Die EU sollte den Frieden sichern, indem sie Wohlstand fördert und nicht vernichtet. Wenn sie diesen Pfad verlässt, verliert sie ihre Existenzberechtigung.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz). 

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Das staatliche Geldmonopol

21. September 2012 02:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das Urteil der Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe fiel erwartungsgemäß aus. Wer gemeint hatte, dass ein paar deutsche Staatsdiener es wagen würden, gegen den Zeitgeist aufzubegehren, der gnadenlos in Richtung Zentralisierung und Kollektivierung Eurolands weht, wurde herb enttäuscht. Es ist allerdings offensichtlich, dass diese Entscheidung lediglich eine Facette auf dem Weg in einen immer wahrscheinlicher werdenden, weltweiten Finanzkollaps darstellt.

Wie die Bank of England setzt auch die US-Fed seit Jahren – (beide übrigens ohne jeden erkennbaren Erfolg) die Geldpresse zur Staatsfinanzierung ein. Außer Spesen nichts gewesen (von exorbitanten Schulden abgesehen). Die EZB ist mit ihrer jüngst proklamierten Absicht, unbegrenzt Staatsanleihen der üblich verdächtigen Pleitekandidaten aufkaufen zu wollen, auf den nämlichen Pfad eingeschwenkt; und die Bank of Japan hat soeben bekannt gegeben, weitere (umgerechnet) 127 Mrd. Dollar an Anleihen anzukaufen und damit die Billionengrenze ihres „quantitative easing“ zu sprengen. In Nippon sind die Entscheidungsträger also wild entschlossen, auch noch die letzten unberührten Grundstücke im Land einzubetonieren. J. M. Keynes hätte seine helle Freude.

Die Zeichen stehen – wer wollte davor, angesichts dieser Entwicklungen, noch die Augen verschließen – auf Geldentwertung. Inhaber von auf Nominalwerte lautenden Anlagen (z. B. festverzinsliche Sparbücher und Lebensversicherungen) sind nicht zu beneiden. Ihre Zukunftsvorsorgen werden in den kommenden Jahren kräftig an Wert verlieren. Die „finanzielle Repression“ der Staaten macht das Sparen zu einer Liebhaberei für Masochisten. Die Zukunft gehört den Schuldenmachern. Das ist auch gut so, denn wie wir ja gelernt haben, ist die Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand schließlich der unbeschwerte Konsum und nicht etwa spießig-freudloser Verzicht.

In einer Zeit, in der nur wenige es wagen, sich kritisch zur weltweit betriebenen, inflationistischen Geldpolitik zu äußern, ist es besonders bemerkenswert, wenn ausgerechnet ein Systeminsider mahnende Worte im Hinblick auf die aktuelle Geldpolitik findet. Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank, zitierte anlässlich eines Kolloquiums des Instituts für Bankhistorische Forschung ausgiebig aus Goethes Faust II, um vor den fatalen Konsequenzen einer hemmungslosen Geldproduktion zu warnen.

Mephisto schlüpft an der betreffenden Stelle in die Rolle eines (Papier-)Geldproduzenten, der dem klammen Kaiser ein scheinbar wunderbares Zaubermittel zur Wohlstandsproduktion andient. Der Kaiser jammert: „Ich habe satt das ewige Wie und Wenn; Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff’ es denn.“ Mephisto antwortet darauf: „Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr.“ Das tut er dann auch – mit der finalen Konsequenz einer totalen Zerstörung des Geldwertes.

Alchemie mit anderen Mitteln

Weidmann zeigt sich in seinem Vortrag beeindruckt von der Hellsichtigkeit Goethes, der den unheilvollen Zusammenhang von „Papiergeldschöpfung, Staatsfinanzierung und Inflation – und somit ein Kernproblem ungedeckter Währungsordnungen…“ so klar erkannt hat. In der Tat gerät dabei sofort die verhängnisvolle Entwicklung in Deutschland zu Beginn der Zwanzigerjahre ins Bild, als sich im Zuge einer Hyperinflation sämtliche Geldvermögen (namentlich die des Mittelstandes) in Rauch auflösten – mit allen politischen Konsequenzen, die dann folgten. Weniger weit zurückliegende Beispiele afrikanischer oder südamerikanischer Bananerepubliken zeigen dieselben Ergebnisse. Prof. Binswanger habe, so Weidmann, bereits Mitte der 80er Jahre festgestellt, dass Papiergeldschöpfung eine Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln darstelle.

Bleibt zu anzumerken, dass der einzige Unterschied darin besteht, dass Zentralbanker nicht Blei in Gold verwandeln, sondern weiße in bunte Zettel, die sie dann Geld nennen. Auch sie transformieren somit etwas Unbedeutendes in etwas Wertvolles. Nicht ohne gehörige Ernüchterung muss festgestellt werden, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen, besonders aber die politische Klasse und die ihr in einem symbiotischen Verhältnis verbundenen Banker und Zentralbanker, offensichtlich davon überzeugt sind, den seit dem Mittelalter gesuchten Stein der Weisen gefunden zu haben: Die Schaffung von Geld aus dem Nichts.

Weidmann: „Durch den staatlichen Zugriff auf die Notenbank in Verbindung mit großem staatlichem Finanzbedarf wurde die Geldmenge jedoch häufig zu stark ausgeweitet, das Ergebnis war Geldentwertung durch Inflation.“ Seiner zweifellos zutreffenden Diagnose folgt allerdings lediglich die Forderung nach einer Respektierung der Unabhängigkeit der Notenbanken und deren Schutz vor politischen Zugriffen. Das greift in mehrfacher Hinsicht zu kurz. Die Unabhängigkeit von Notenbanken wird ewig eine Illusion bleiben. Außerdem würde sie nichts am zweiten zentralen Problem unserer Geldwirtschaft ändern – dem Teilreservesystem der Geschäftsbanken.

Um vom staatlich zwangsverordneten Schwundgeld wegzukommen und – wieder – eine dauerhaft werthaltige Währung zu etablieren, reicht kein halbherziger Versuch, die (scheinbare) Unabhängigkeit eines Geldmonopolisten von Leviathans Gnaden herstellen zu wollen. Dazu bedarf es der „Denationalisierung des Geldes“, wie F. A. Hayek sie bereits vor Jahrzehnten gefordert hat, eine Abschaffung von planwirtschaftlichen Inflationierungsbehörden (Zentralbanken) und einer hundertprozentigen Reservehaltungsverpflichtung durch die Geschäftsbanken.

Jens Weidmann hat, im Zusammenhang mit der Geldmengenausweitung leider nur die Rolle der Zentralbanken, nicht aber jene der Geschäftsbanken beleuchtet. Die spielen dabei nämlich eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Den wenigsten Zeitgenossen dürfte klar sein, dass im Moment einer Kreditgewährung durch eine Geschäftsbank (Giral-)Geld entsteht, das bis zu diesem Moment noch nicht existiert hat. Denn das von den Geschäftsbanken verliehene Geld stammt nur zu einem kleinen Teil aus den Einlagen von Sparern. Der Großteil der Kredite wird dagegen aus dem Nichts geschaffen – so wie die Notenbanken Geld aus dem Nichts schaffen. Im Endeffekt läuft das allerdings auf dasselbe – die Verringerung des Wertes des bereits vorhandenen Geldes – hinaus.

Dem folgenden Zitat des Bundesbankchefs ist vollinhaltlich zuzustimmen: „Der beste Schutz gegen die Versuchungen in der Geldpolitik ist eine aufgeklärte und stabilitätsorientierte Gesellschaft.“ Wo und wie diese „aufgeklärte Gesellschaft“ allerdings entstehen soll, wenn bereits Kleinkinder zu Konsumtrotteln erzogen und auf Verzichtsverweigerung konditioniert werden, bleibt Herrn Weidmanns Geheimnis…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Überraschung: Die Reichen wehren sich

20. September 2012 00:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Frankreich erlebt eine ökonomische Lehrstunde erster Güte. Der Irrglaube, durch noch höhere Steuern Löcher in der Staatskasse füllen zu können, erleidet dort soeben dramatischen Schiffbruch.

Francois Hollande erhöht zur Finanzierung seiner Wahlversprechungen die Einkommensteuer für Jahreseinkommen über einer Million Euro von bisher maximal 50 auf stolze 75 Prozent. Da sich von dieser Einkommensgrenze kaum jemand betroffen fühlte, schadete ihm das bei der Wahl nicht. Da davon in der Tat kaum jemand betroffen ist, wird diese neue Steuer aber auch nichts bringen, wie jetzt klar wird. Hollande muss zugeben, dass nur ein „symbolischer“ Beitrag herauskommen wird. Es gehe lediglich um 2000 bis 3000 Personen.

Freilich ist auch diese Zahl mehr als fraglich. Denn fast jeder Betroffene überlegt nun intensiv, ob er ins Ausland übersiedeln soll. Damit verlöre Frankreich nicht nur deren Einkommensteuer zur Gänze, sondern auch deren Investitionen und Ausgaben.

Als Ziel ist die Schweiz mit ihren besonders niedrigen Steuern attraktiv. Und auch Großbritannien erweist sich als beliebte Variante. Premier Cameron hat den Zuziehenden sogar schon einen Roten Teppich versprochen. In der französischen Elite kann heute so gut wie jeder Englisch. Lediglich das britische Klima ist ein wenig abschreckend.

Freilich werden die ersten abreisenden Investoren vom französischen Boulevard öffentlich beschimpft. Folglich übersiedeln viele eher heimlich. Besonders leicht können Künstler und Individual-Sportler das tun, unter denen etliche sehr gut verdienen, wenn auch meist nur wenige Jahre lang. Die Stars reisen ja ohnedies ständig durch die Welt, um an Turnieren teilzunehmen oder in großen Opernhäusern zu singen. Daher ist es für sie persönlich weitgehend egal, wo sie pro forma ihren Hauptwohnsitz haben. So hat ja einst etwa auch ein Thomas Muster lieber im freundlichen Monaco Steuern gezahlt, obwohl er sportlich immer als Österreicher aufgetreten ist.

Die französische Regierung hat in diesem Dilemma schon überlegt, Ausnahmebestimmungen für Künstler und Sportler zu beschließen. Dagegen haben aber wieder sofort jene Medien protestiert, die bei der Reichenjagd begeistert mitgemacht haben und die nun enttäuscht sind, dass die Beute so mager ist.

Die französischen Erfahrungen beweisen, dass es überhaupt nur noch zwei Steuern gibt, die man mit nennenswerten Ertrag erhöhen könnte, weil es keine Fluchtmöglichkeiten gibt: Erstens die Mehrwertsteuer; das aber scheint bei den Wählern unbeliebt, weil dann alles teurer wird. Und zweitens die Grundsteuern, sofern man keine Ausnahmen macht. Deren Erhöhung würde jedoch das Wohnen teurer machen, die Kosten für die ohnedies schwer ächzende Wirtschaft erhöhen und insbesondere die ohnedies nicht allzu reichen und jedenfalls militanten Bauern treffen.

Nüchterne, wenn auch nicht ganz neue Erkenntnis: Es führt letztlich kein Weg ums Sparen und unpopuläre Maßnahmen herum, wenn man griechische Verhältnisse vermeiden will.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Größe durch Kleinheit: von Kolumbus und Schiller lernen

18. September 2012 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie wünschen wir uns Europa eigentlich? Hinter allen Stürmen der Finanzkrise scheint jede vernünftige Überlegung zum weiteren Zusammenleben auf dem Kontinent verschwunden. Es gibt anscheinend nur noch die radikalen Utopisten auf beiden Seiten, die jedoch keine sinnvollen Perspektiven anzubieten haben.

Auf der einen Seite stehen die Vergangenheits-Nostalgiker, die meinen, vor der EU wäre alles gut und wunderbar gewesen. Sie sind aber genauso realitätsfremd wie die Zukunfts-Nostalgiker, die meinen, zentralistische Vereinigte Staaten von Europa wären eine funktionierende Utopie. Beide Visionen sind realitätsfremd und damit gefährlich.

Die Vergangenheits-Nostalgiker übersehen, dass die gegenwärtigen Probleme Europas nicht mit der Tatsache einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an sich zusammenhängen. Ganz im Gegenteil: Deren Auseinanderbrechen wäre eine absolute Katastrophe. Denn schon ab den 80er Jahren hat sich gezeigt, dass der Standort Österreich alleine zum Untergang verurteilt wäre.

Ohne den Zugang zum großen gemeinsamen Binnenmarkt Europa würde sich für niemanden mehr eine Betriebsansiedlung in der kleinen Alpenrepublik lohnen. Zusammen mit der für Österreich enorm hilfreichen Ost-Wende hat die EU-Mitgliedschaft dem Land im letzten Vierteljahrhundert dann wider alle Wahrscheinlichkeit doch noch eine sensationelle Fortsetzung des Wirtschaftswunders der Nachkriegsjahre erlaubt. Österreich hat fast als einziges Land Europas die zwei Generationen seit dem Kriegsende ohne eine größere Rezession überstanden. Das wird zwar als selbstverständlich empfunden, ist es aber keineswegs.

Der Binnenmarkt als großer Triumph der EU

Die großen, völlig ungelösten Probleme im gegenwärtigen Europa stammen auch keineswegs von Wirtschaftsunion und Binnenmarkt, wenngleich auch dort viele ärgerliche Überregulierungen zu beobachten sind. Die Ursachen der Krise sind viel mehr die schwere Überschuldung fast aller europäischer Staaten, die von deren Politikern zu verantworten ist, ob es nun direkte staatliche Schulden oder die durch eine verantwortungslose Geldpolitik der EZB ermöglichten privaten Schulden sind.

Die EU hingegen hat kein Land zur Schuldenexplosion gezwungen, sie hat vielmehr oft genug davor gewarnt.

Eine solche Schuldenexplosion hat auch in Deutschland und Österreich stattgefunden. Siehe etwa Österreich: Das Land hat Ende der 60er Jahre eine Staatsschuldenquote von deutlich unter 20 Prozent gehabt, heute aber eine solche von offiziell 73 Prozent. Österreich würde mit dieser Quote ohne den Rückhalt in EU und Euro von schwersten Stürmen heimgesucht; es hätte Riesenprobleme, neue Geldgeber zu finden. Dazu kommt, dass nicht nur diese „explizite“ Staatsverschuldung auf historischer Rekordhöhe steht, die implizite ist noch viel höher. Diese inkludiert auch alle versteckten Haftungen und ungedeckten Pensionsversprechungen. Österreich steht so wie Deutschland, Finnland und die Niederlande nur deshalb scheinbar so gut da, weil fast alle anderen Euro-Staaten noch viel schlechter dastehen. Das erinnert an das alte Sprichwort vom Einäugigen unter den Blinden.

Ein Ausscheiden aus dem gemeinsamen Währungsraum oder gar dem Binnenmarkt wäre also ein geradezu selbstmörderisches Abenteuer.

Genauso weltfremd sind aber auch die Zukunfts-Nostalgiker, die sich selbst an ihren Europa-Phrasen begeilen. Sie sehen nicht die schweren Fehlentwicklungen innerhalb der EU, die jenen innerhalb Österreichs gleichkommen. Sie begreifen nicht, dass ein noch engerer Zusammenschluss zu einer Katastrophe führen muss.

Analysieren wir ganz ohne Blick auf die Euro-Krise die Idee der Umwandlung der Union in einen Staat. Die sprachliche, historische, kulturelle, ökonomische Diversität Europas würde diesen auch ohne die Schuldenkrise zerreißen. Man schaue nur auf die vielen Antagonismen zwischen den EU-Staaten.

Man sollte sich aber auch bewusst machen, dass alle früheren Großimperien der Geschichte wieder zerfallen sind. Dass die heute noch existierenden Großmächte Russland, China und die USA durchwegs nur mit kriegerischer Gewalt und brutaler Unterdrückung eines Teils der Bevölkerung zusammengezwungen werden konnten. Auch die USA sind ja letztlich Produkt eines Bürgerkriegs wie auch der Oktroyierung der englischen Sprache auf die deutsch, französisch, niederländisch, italienisch oder sonstwas sprechende Mehrheit. Und China wie Russland werden bis heute überhaupt nur mit der Macht der Gewehre in den jeweiligen Grenzen zusammengehalten.

Das kann wohl niemand ernsthaft als europäische Perspektive wollen.

Zynische Reaktion auf die Schuldenkrise

Noch weniger kann es gelingen, Europa auf dem Schlachtfeld der Schuldenkrise zu einer echten staatlichen Einheit zu zwingen. Dieser zynische Gedanke ist ja in der europäischen Elite durchaus verbreitet:  Zwar geben nun immer mehr zu, dass Europa nach Ausbruch der Schuldenkrise fast alles falsch gemacht hat – aber dennoch sehen sie die Krise trickreich als Chance an, um diesem Europa noch mehr Macht zu geben.

Die Schuldenkrise hat aber die emotionalen Antagonismen zwischen den Völkern in Wahrheit massiv vertieft. Daran kann auch die realitätsfremde Rhetorik der Politik nichts ändern. Die Griechen sehen die Aufforderungen der Troika zu sparen als willkürliches deutsches Spardiktat und graben als Revanche alte Weltkriegsverbrechen aus. Die Deutschen sehen die Griechen als grenzenlos faule Parasiten. Um nur eine konkrete Folge der Schuldenkrise zu nennen.

Gewiss erscheint es fast jedem, der in Brüssel auch nur als kleiner Korrespondent eine Rolle spielt, sehr verführerisch, dieses Europa zentralistisch zu führen. Letztlich ist dort ja jeder ein wenn auch noch so kleiner Teilhaber der Macht – weit mehr als es die anderen 500 Millionen draußen in den Mitgliedsländern sind. Genau dasselbe passiert innerhalb Österreichs mit jedem, der in Wien eine wichtige Rolle spielt. Letztlich geht es immer um Macht, zumindest um das Gefühl, dem Zentrum der Macht nahe zu sein.

Der theoretische Plan, jetzt durch strikte Kontrolle der nationalen Budgets von oben Disziplin zu erzwingen, kann nicht funktionieren. Es gelingt nicht einmal der Republik Österreich, die Bundesländer zu Budgetdisziplin zu zwingen, die sich in den letzten Jahren viel übler verhalten als der Bund. Dieser machiavellistische Plan kann nur funktionieren, wenn man in allen Mitgliedsstaaten, Provinzen und Gemeinden die Demokratie und Eigenständigkeit abschafft. Und wenn man ein zentrales Heer zur Durchsetzung dieser zentralen Disziplin einsetzt.

Die Menschen gehen nicht mit

Die Menschen gehen bei solchen Projekten einfach nicht mit, zumindest nicht im gewünschten Tempo. Mit gutem Grund.

Dazu ein Zitat das früheren Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Naturwissenschaftlers Peter Schuster, aus Science-Blog.at: „Die Aussage, dass eine zentrale Kontrolle großer, komplexer Einheiten zum Scheitern verurteilt ist, stellt eine Binsenweisheit dar. Wirtschaft und Gesellschaft untermauern die Gültigkeit dieser Aussage durch zahllose Beispiele in der Vergangenheit und Gegenwart, welche beweisen: Systeme werden ineffizient, sobald sie eine kritische Größe überschreiten.“

Schuster beweist das mit den neuesten Erkenntnissen der Genforschung. Schon länger bekannt sind die Beispiele aus Politik und Gesellschaft, die zum gleichen Schluss führen.

Erfolgsmodelle von Singapur bis zur Slowakei

Zwar hat man immer in den Zentralen des jeweiligen Reiches geglaubt, dass ein Zerfall die ultimative Weltkatastrophe bedeuten würde. Aber letztlich waren Strukturen schlussendlich viel lebensfähiger, sobald die Menschen nur jenen Machtgebilden unterworfen sind, zu denen sie auch gehören wollen. Diese Legitimität liegt meist bei den kleineren Einheiten, kann aber in Einzelfällen wie bei der deutschen Einheit bisweilen auch zu größeren führen. Aber das ist dann eben eine demokratisch gewollte Einheit.

Das Ergebnis kann natürlich auf Grund der Migration und unterschiedlicher demographischer Geburtenfreudigkeit bisweilen auch eine Änderung der Identität sein. So ist etwa aus dem serbischen Kosovo durch die Zuwanderung der Albaner ein zu 90 Prozent albanischer Staat geworden, dem sich freilich wiederum verständlicherweise die rund zehn Prozent serbischer Gemeinden nicht unterordnen wollen. Das lässt sich heute nicht mehr ändern, das ist aber eine massive Warnung an jene, die blind der Massenmigration zuschauen.

Kolumbus hätte im Zentralstaat kaum Chancen gehabt

Auf dem Papier scheint es ja so, dass ideale Regelungen am besten funktionieren, wenn sie auch überall gelten. Nur weiß leider niemand so genau, was denn eigentlich jeweils die ideale Regelung ist. Und selbst wenn man die gefunden zu haben glaubt, ist es halt nicht so, dass gleiche Regelungen für alle gleich sinnvoll sind.

Man denke nur an die Stichworte Wassersparen, Tagesarbeitszeit oder Solarenergie: Eine lange Siesta, die in Spanien oder Italien sinnvoll ist, ist es in Deutschland oder Österreich in keiner Weise. Wassersparrichtlinen der EU sind im regenreichen Norden sinnlos oder gar schädlich, weil Leitungssysteme bei reduziertem Durchsatz verschlicken. Solaranlagen sind im Norden sinnlos, weil dort viel zu wenig Sonne scheint. Genausowenig wäre es sinnvoll, im Süden Lawinenhunde zu halten (das ist zum Glück aber noch niemandem eingefallen).

Noch wichtiger ist eine weitere geschichtlich bewiesene Erkenntnis: Die Vielfalt kleiner Einheiten kann nie durch eine einzige Fehlentscheidung eines einzigen Machthabers aus der Balance gekippt werden. Wenn sich in einer kleinen Einheit ein Fehler ereignet, wird man diesen durch den Vergleich zu den Nachbarn bald entdecken und korrigieren. In solchen System kann jeder von jedem lernen. Sie regulieren sich dadurch selbst.

Wenn Christoph Kolumbus nur eine zentrale europäische Entscheidungsebene vorgefunden hätte, hätte er nicht zwischen Genua, Frankreich, Portugal und Spanien hausieren gehen können, bis ein Machthaber sein Abenteuer finanziert. Wenn Friedrich Schiller bei dem einen Fürsten unterdrückt worden ist, konnte er zu einem anderen weiterziehen und sich dann ungehindert dem Schreiben hinzugeben.

Unter den Historikern herrscht verbreitetet Konsens, dass überhaupt der Erfolg Europas im letzten halben Jahrtausend entscheidend auf seine staatliche, religiöse, kulturelle Vielfalt zurückzuführen ist. Dadurch fand der wissenschaftliche und kulturelle Fortschritt immer Plätze, wo er sich ungehindert entwickeln konnte. Und die größten Katastrophen haben Europa heimgesucht, wenn ein Diktator seine Herrschaft kontinental ausweiten wollte. Ob das nun Napoleon, Hitler oder Stalin war.

Von der Familie bis zu den Schulen: Vielfalt funktioniert

Der Vorteil kleiner Einheiten zeigt sich natürlich auch im gerade wegen seiner Kleinheit allergrößten Erfolgsmodell der Geschichte: der Familie. Sie hat sich besser als Tausende andere Modelle bei den Aufgaben bewährt, Kinder heranzuziehen, Alte und Kranke zu betreuen, gesellschaftliche Stabilitätsanker zu entwickeln. Natürlich gibt es auch arg versagende Familien – aber deren Auswirkungen waren relativ wie absolut nie so schlimm wie etwa jene der Heimerziehung mit all ihren Auswüchsen. Von den Anti-Familien-Projekten totalitärer Regime ganz zu schweigen.

Dasselbe kann man an der Schule zeigen. Länder wie Deutschland oder Österreich mit ihren vielfältigen Schulmodellen, mit der dualen Ausbildung direkt in den Betrieben, können den Jugendlichen, der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt viel erfolgreicher helfen als zentralistische Einheitsmodelle, wie wir sie in allen Ländern mit katastrophaler Jugendarbeitslosigkeit finden.

Natürlich heißt das kein Plädoyer für ordnungsfreie Anarchie. Auch jeder funktionierende Markt hat eine Marktordnung. Diese legt fest, wo und wann die Marktfahrer ihre Stände aufstellen können und dürfen. Aber jede einzelne dieser Regeln muss extrem gut überlegt sein. Wenn sie an den Bedürfnissen der Marktteilnehmer zu sehr vorbeigeht, wird sie ignoriert oder der Marktplatz geht kaputt. Und es entsteht ein Schwarzmarkt.

Daher kann auch für die EU nur gelten: Ja zu einer gemeinsamen Markt- und Rahmenordnung für den Binnenmarkt, zur zumindest europaweiten Freiheit für Menschen, Dienstleistungen, Geld und Waren (wofür noch viel zu tun ist). Aber Nein zu jedem Modell, das glaubt, wenn man den Wettbewerb unter den Europäern durch Zentralisierung bremst oder gar verbietet, dass dann dieses Europa gegenüber Asien oder Amerika wettbewerbsfähig bleiben kann.

Eine Schuldenunion kann nicht funktionieren

Dass diese Überlegungen auch die einzige richtige Analyse der Schuldenkrise ermöglichen, braucht wohl keine lange Argumentation mehr. Die scheinbare Stärke der zentralen Währung – verkörpert durch niedrige Zinsen – hat in vielen Ländern des Südens zu Verantwortungslosigkeit geführt. Kein Land sorgte sich ab diesem Zeitpunkt ernsthaft um die Stabilität der eigenen Währung. Das geschah dann noch viel weniger, als die eigentlich gegen solche Verantwortungslosigkeit eingezogenen Schutzwälle mit einem politischen Federstrich beiseitegeschoben worden sind: die Maastricht-Kriterien und das No-Bailout-Verbot vor allem.

Daher mutet es wirklich grotesk an, wenn jemand ernsthaft glaubt, ausgerechnet eine zentralistische Aufsicht für gleich 6000(!) Banken, eine gemeinsame Einlagenhaftung, eine Schuldenunion und so weiter können wieder mehr Verantwortungsbewusstsein schaffen. Und diese Aufsicht soll ausgerechnet durch jene EZB erfolgen, welche ihre einzige vertraglich festgehaltene Aufgabe, die Sicherung der Geldstabilität, durch leichtfertiges Gelddrucken massiv verletzt.

Europa kann nur durch Vielfalt und Offenheit, durch freien inneren Wettbewerb und möglichst nahe bei den Akteuren angesiedelte Verantwortung, durch Subsidiarität und Föderalismus die großen Herausforderungen bestehen. Viele Politiker wollen aber von diesem richtigen Weg Europas auf einen falschen abbiegen. Weil er scheinbar bequemer ist.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Wie links muss Kirche sein?

15. September 2012 23:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Die Caritas fordert die höhere Besteuerung von Vermögen, weil sie Ungerechtigkeit und Armut steigen sieht. Für Religionslehrer ist die Welt oft nur ein Hort von Ausbeutung, Armut und globaler Ungerechtigkeit. Im Rahmen des informellen Lehrplans schüren sie mit Propaganda-Filmen á la „Let`s make money“ die Wut der Jugend auf „das System“. Und in kaum einem Kirchensaal warnte Christian Felber noch nicht vor der Verschwörung von Kapital und Spekulanten.

Wenn junge Menschen unser Schulsystem verlassen, dann sind sie zornig auf „unser System“ – das sie persönlich gar nicht kennen. Es soll die Armut hierzulande und global verschlimmern – obwohl sie laut EU-Armutsbericht noch nie geringer war als heute. Der Anteil Hungernder sinkt ohnedies seit vielen Jahren - von 33 Prozent (1970) auf 16 Prozent (2011). „Pax Christi“ (die katholische Organisation der Friedensbewegung) lastet dem Kapitalismus an, den Wohlstand auf immer weniger Reiche zu konzentrieren – tatsächlich ist Österreichs Einkommensverteilung seit 50 Jahren aber unverändert (der Gini-Koeffizient liegt stets bei etwa 0,26). Einzig beim Kauf „fair“ gehandelter Produkte sieht die Kirche über unser sündiges, auf Gier und Materialismus aufgebautes Wirtschaftssystem hinweg.

Warum ist die Kirche konservativ, wenn es um alte Männerbräuche geht, aber so links beim Thema Wirtschaft?

Katholizismus vs. Marxismus

Marxisten wie Theologen (aller Fraktionen) behaupten, dass unser Wohlstand auf der Ausbeutung von Menschen und Rohstofflieferanten fußt. Kein Wunder, unterliegen sie doch alle dem antiken General-Irrtum vom „Nullsummenspiel“: Jemand kann nur reicher werden, wenn dafür ein anderer ärmer wurde (Bertolt Brecht: „Wärst du nicht reich, wär´ ich nicht arm!“) – in Summe wäre der Wohlstandszuwachs also immer Null.

Über 3000 Jahre lang traf dies auch zu, weil es mangels Erfindungen und Technik kein Wirtschaftswachstum gab. Die Weizenerträge stagnierten über Tausende Jahre hinweg bei 400 Kilo je Hektar. So konnte der Bauer seinen Gewinn nur vermehren, indem er eine Furche vom Nachbar-Acker auf die eigene Seite pflügte. Und was ein Kaufmann mehr haben wollte, musste er dem Kunden durch Betrug wegnehmen.

Diese unmenschliche und brutale Zeit hat die damaligen Gesellschaften – Judentum, Christentum und Islam – zutiefst geprägt. Alle drei kennen das Gleichnis vom Kamel:  „Eher käme dieses durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel“. Vor 2.000 Jahren einleuchtend: Da es kein Wachstum gab, musste der Reiche sein Geld ja jemandem gestohlen haben. Und so einen wollte man nicht in einer netten Gemeinschaft wie jener im Himmel.

Seit 250 Jahren gibt es aber sattes Wachstum: Heute erntet man 3.000 Kilo Weizen pro Hektar und eine Maschine produziert um 500.000 Prozent mehr als ein Handwerker im 18. Jahrhundert. Wer heute Geld hat, der hat produziert: Wenn ein findiger Unternehmer aus Altmetall zehn neue Pumpen baut und sie um 100 Euro verkauft, dann bemerkt die Notenbank das Wirtschaftswachstum. Sie druckt (vereinfacht gesagt) 100 Euro und bringt sie über Beamtengehälter in Umlauf. Eine Gesellschaft hat nun mehr Vermögen (in Form der Pumpen) und mehr Geldscheine. Die Rohstoffe der Lieferanten haben plötzlich einen Wert und Hungerleider ihre ersten Jobs. Alle wurden reicher – und niemand ärmer oder ausgebeutet.

Sag mir, wo die Armen sind!

Christentum wie Judentum (Marx entstammte einer Rabbinerfamilie) haben diese epochale Änderung unseres Daseins nie nachvollzogen. In ihrer antiken Gedankenwelt finden sie für den heutigen Massenwohlstand keine Erklärung, für jeden „Reichen“ suchen sie nach jemandem, der entsprechend ärmer wurde. Und weil man den nicht findet, dreht man an den Zahlen. Man erklärt Familien mit 2.165 Euro monatlich für „armutsgefährdet“. Und weil man „wirklich Arme“ erst in Afrika findet, reimt sich Caritas-Chef Küberl hier ein Verteilungsproblem zusammen: „Die da unten hungern, weil wir hier zu viel haben“. Doch das Problem liegt ganz wo anders.

Ehemals sozialistische Länder wie China, Indien oder Vietnam waren in den 1970igern mit 250 Dollar BIP pro Einwohner viel ärmer als etwa die Elfenbeinküste mit 1.000 Dollar. Den materialistischen und technikverliebten Gesellschaften Asiens war aber immer klar, dass nur die Produktion von Gütern Wohlstand schafft. Als man dies dann durfte, gründeten Millionen Asiaten über Nacht Produktionsbetriebe. Heute kochen unzählige Vietnamesen Schokolade und rösten Kaffee mit primitivsten Mitteln. Dabei gab es dort vor 15 Jahren noch nicht einmal Kaffeeanbau. In (West-)Afrika hingegen hat sich auch bis heute noch niemand gefunden, der mit einer 5-Dollar-Pfanne Kaffeebohnen rösten oder Schokolade schmelzen will.

Heute liegt das BIP pro Kopf in China bei rund 3.000 Dollar, in der Elfenbeinküste aber immer noch nur bei etwa 1.000 Dollar. Die asiatischen Staaten sind aber nicht auf Kosten der Elfenbeinküste gewachsen – ihre Menschen haben nur produziert. Weil es in Afrika aber nie Erfinder oder Unternehmer gab, gibt es dort auch keine Güter. Damit kann Afrika am Welthandel nicht teilnehmen und es bleibt arm.

Gebt den Armen … Eure Eigenjagden!

Arbeitsloses Einkommen sei verwerflich, meinte Salzburgs Caritas-Chef Kreuzeder, bei den Vermögen sieht er eine große Schieflage. Dabei ist die vermögendste Organisation Österreichs die Kirche selbst. Tausende Mietshäuser oder Wohnungen in besten Innenstadtlagen, Firmenanteile, Hunderttausende Hektar Grundbesitz – ja, ganze Täler mitsamt Eigenjagd für eine klerikale Jagdelite – sind Milliarden Euro wert.

„Leere Kirchen – volle Kassen!“, titelte „Der Spiegel“ einst. Von einem erdrutschartigen Verlust von Gläubigen gelähmt, klammert sich die Rumpf-Kirche verzweifelt an den Grashalm einer Wertediskussion, die eine über fünf Jahrzehnte von Wirtschaftswissen befreite Gesellschaft weit nach links schwenken ließ.

In Wahrheit braucht nicht die Gesellschaft, sondern die Kirche eine Wertediskussion. Beide, Kirche wie Marxisten, lehnen Kapitalismus aus den gleichen Gründen ab. Nur ist der Marxismus hier bei weitem konsequenter: Was er nicht versteht, will er zerstören. Die Katholiken belassen es beim Klagen – leben sie doch viel zu gut vom inkriminierten System. Wie glaubwürdig ist eine Kirche, die für „andere“ Menschen höhere Steuern fordert, obwohl diese nicht einmal über den Bruchteil des Vermögens der Kirche verfügen?

Die Kirche sollte entweder ihren salbungsvollen Worten Taten folgen lassen und ihre Milliarden mit „vermeintlich Armen“ teilen. Dann wäre sie glaubwürdiger – und für neue Mitglieder attraktiv. Oder sie sollte das theologische Studium um wirtschaftswissenschaftliche Elemente ergänzen – und ihren eigenen Wertehaushalt ordnen.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Österreich. Vor kurzem erschien sein neuestes Werk, „Die Gemeinwohl-Falle“. Es ist eine Antwort auf die globalisierungskritischen Thesen Christian Felbers oder Jean Zieglers. 

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Das IHS und die Alten

06. September 2012 00:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das IHS, das Wiener Institut für Höhere Studien, gilt als beinahe einziger Hort der wirtschaftlichen Vernunft in diesem Land. Andere Häuser sind ja bekannt dafür, dass man sich dort jede gewünschte Meinung kaufen kann. Seit kurzem hat das IHS einen neuen Chef. Dieser Christian Keuschnigg versucht nun, mit Vorschlägen die lahmende Wirtschaftsdebatte zu beleben.

Was lobenswert ist. Lobenswert und richtig ist auch, dass er vor allem nach einer Reduktion der Steuerbelastung auf Arbeit, also der Einkommensteuer ruft. Lobenswert, richtig und gerecht ist auch, dass er dabei besonders die Steuerlast für Familien mit schulpflichtigen Kindern zu reduzieren vorschlägt. Schließlich sind Kinder die weitaus dringendste Zukunftsinvestition. Schließlich werden Eltern nach wie vor massiv gegenüber kinderlosen Paaren gleichen Einkommens diskriminiert. Und auch der Akzent auf schulpflichtige Kinder hat viel für sich (zumindest wenn diese ihre Schulpflicht in Österreich erfüllen): Hat sich doch die politische Diskussion rätselhafterweise seit Jahren immer nur um Kinder in den allerersten Lebensjahren gekümmert.

Völlig unverständlich, ja geradezu skurril ist aber, dass Keuschnigg auch noch eine andere Gruppe steuerlich bevorzugen will: nämlich die über 55-Jährigen. Dafür gibt es keinerlei soziale Gründe. Haben doch Menschen in diesem Alter deutlich abnehmende Sorgepflichten. Haben doch 55-Jährige meist schon das Haus gebaut, in dem sie ihr Alter verbringen wollen.

Der neue IHS-Chef wird entgegnen, dass es ihm nicht um diese Fragen ginge, sondern um den rasch schrumpfenden Anteil älterer Menschen in Beschäftigung. Dieser ist in der Tat angesichts der rapide steigenden Lebenserwartung eine dramatische Herausforderung. Länder wie Deutschland oder Schweden haben bei den Älteren ein Vielfaches der österreichischen Beschäftigungsquoten. Diese Arbeitsabstinenz der Älteren sollte daher viel mehr im Fokus der Politik stehen als etwa die Abschaffung des Wehr- und Zivildienstes.

Aber sie hat ganz andere Ursachen als die Steuerlast! Erstens ist es in Österreich nach wie vor viel zu leicht, in eine frühe Pension zu gehen. Rapide zugenommen haben zu diesen Zweck die plötzlichen psychischen Leiden wie ein Burnout-Syndrom ob des beruflichen Ärgers. Zweitens: Ältere Arbeitskräfte sind für die Arbeitgeber ohne Grund viel zu teuer. Wegen der aberwitzigen Kollektivverträge und Gehaltsschemata verdienen nämlich 60-Jährige des Zwei- bis Dreifache eines 30-Jährigen. Auch wenn sie nicht mehr leisten als die Jungen; auch wenn sie auf keiner höheren Hierarchieebene arbeiten: auch wenn ihre Erfahrung nicht mehr imstande ist, die größere Dynamik und Innovationsbereitschaft der Jungen zu kompensieren. Diese Vorrückungen einzig auf Grund des Lebens- oder Berufsalters werden freilich von der Gewerkschaft vehement verteidigt. Nicht ganz grundlos: Dominiert doch dort genau die davon profitierende Altersgruppe.

Offenbar hat der neue IHS-Boss zu lange im Ausland gelebt, um diese heimischen Skurrilitäten zu begreifen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Der Hunger in der Welt und seine wahren Ursachen

04. September 2012 00:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hunger ist eine der schlimmsten Plagen der Menschheit. Daher hat jeder, der ruft „Ich kämpfe gegen den Hunger!“ jedes moralistische Match schon gewonnen. Auch wenn er die wahren Probleme des noch immer in der Welt existierenden Hungers nicht versteht. Auch wenn er für Maßnahmen kämpft, die den Hunger nicht verringern, sondern vergrößern. Dieses seltsame Paradoxon kann man in diesen Wochen wieder genau beobachten.

Derzeit kursiert weltweit, und von den vielen sofort ungeprüft nachgeplappert, die Behauptung: „Die Lebensmittelpreise steigen als Folge von Finanzspekulationen rapid; daher nimmt der Hunger in der Welt zu.“ Jene Ökonomen, die beweisen können, dass die Preise aus ganz anderen Faktoren steigen, und dass die sogenannten Spekulationen, mit denen Termingeschäfte gemeint sind, eher preisglättend als preistreibend wirken, werden totgeschwiegen.

Was viele einfach nicht begreifen: Steigende Preise sind nicht die Ursache, sondern die Folge einer Knappheit eines bestimmten Gutes im Verhältnis zur Nachfrage. Fieber ist nicht die Krankheit, sondern eine Folge der Krankheit. Auch staatlich verordnete Billigstpreise können den Hunger nicht einmal geringfügig mildern, sie schaffen ja nicht mehr Brot in die Regale. Im Gegenteil: Sie führen zu einer Verschärfung der Knappheit und leeren die Regale.

Bei verordneten Niedrigpreisen geht automatisch auch die Produktion und damit die Versorgung zurück. Das hat das kommunistische Massenexperiment jahrzehntelang mehr als anschaulich bewiesen. Nicht einmal mit brutaler Gewalt gelang es, Menschen zur Produktion solcher Billigstprodukte in ausreichenden Mengen zu zwingen.

Die gute Nachricht

Faktum ist: Die Preise für manche Nahrungsmittel steigen steil. Ebenso Faktum ist, dass weltweit in den letzten Jahrzehnten der Anteil der Hungerleider an einer rasch größer(!) werdenden Menschheit relativ zurückgegangen ist.  Die Landwirtschaft hat die Erträge pro Hektar dramatisch steigern können. Moderne Lagerhaltung hat überdies einen gewissen Puffer für schlechte Ernten geschaffen.

Hunger bedeutet heute in der Regel zwar grobe Fehlernährung und auch Hungern im wörtlichen Sinn, aber fast nie mehr massenweises Verhungern, wie es noch vor wenigen Jahrzehnten rund um den Globus regelmäßig passiert ist. Malthus ist längst widerlegt, der am Beginn des 19. Jahrhunderts behauptet hatte, die Welt könne die wachsende Bevölkerung nicht mehr ernähren. Dabei betrug die Weltbevölkerung zu seinen Zeiten knapp mehr als eine Milliarde, während wir heute schon die Sieben-Milliarden-Marke überschritten haben. Dennoch sind an den Stammtischen die Malthus-Thesen auch heute noch sehr populär (auch wenn kaum jemand dabei seinen Namen zitiert).

Aber sind nicht die jetzigen Preissteigerungen doch ein Indiz, dass uns jetzt das Essen auszugehen beginnt? Dass die Nachfrage stärker wächst als das Angebot? In der Tat: Ein das Angebot übersteigende Nachfrage wird durch steigende Preise natürlich bewiesen. Denn wenn jemand nicht das Gewünschte bekommt, bietet er logischerweise einen höheren Preis. Was  eine Spirale in Gang setzt. Und jene, die den dabei entstehenden Preis dann nicht mehr bezahlen können, gehen leer aus und müssen auf andere Produkte umsteigen.

Für ein plötzliches Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage gibt es fast immer sehr aktuelle Ursachen: Missernten, Überschwemmungen, Dürren, Kriege. In den letzten Monaten haben sich tatsächlich global etliche Naturkatastrophen ereignet, welche die Preise in die Höhe getrieben haben.

Die Nachfrage nimmt steil zu

Wir haben jedoch nicht nur unter solchen aktuellen Versorgungskrisen zu leiden. Diese wären ja meist ein Jahr später vergessen. Auf dem globalen Lebensmittelmarkt finden auch einige grundlegende strukturelle Entwicklungen statt, die man sich viel genauer anschauen muss.

Ein wichtiger Faktor der Preissteigerungen ist die Steigerung der Nachfrage. Ein rapider wachsender Teil der Chinesen und Inder, aber auch Milliarden außerhalb dieser beiden Bevölkerungsgiganten (von Südostasien bis Lateinamerika, und sogar in einigen Teilen Afrikas) wollen und können sich heute mehr an Essen leisten als nur einmal am Tag gerade so viel, dass man nicht verhungert. Die Menschen konsumieren nicht nur drei Mahlzeiten pro Tag, sondern in wachsender Menge auch Fleisch. Zu dessen Produktion müssen aber deutlich mehr Kalorien auf den Feldern angebaut werden, als dann im Magen der Konsumenten landet.

Das wird von all diesen Völkern als dramatischer Fortschritt empfunden, als Produkt von Kapitalismus, Neoliberalismus, Globalisierung und was es sonst noch alles an Tabu-Wörtern für unsere Pseudo-Intellektuellen gibt. Hingegen sind die Versuche grüner und religiöser Gutmenschen, den Menschen das Fleischessen zu verbieten, ungefähr so demokratisch, realistisch und ethisch wie die aus den gleichen Ecken lange propagierte klassenlose Gesellschaft.

Die wahren Probleme der Welternährung liegen aber auf der Angebotsseite.

Angebotsverknappung (1): Europas und Amerikas Agrarpolitik

Eine Hauptursache der gegenwärtigen Preiserhöhungen sind vor allem die jahrzehntelang niedrig gewesenen Weltmarkt-Preise. Das klingt frappierend und bedarf daher einer Erläuterung. Durch die Mega-Subventionen der europäischen und der US-Agrarpolitik ist der Weltmarktpreis für viele Produkte lange gedrückt worden. Europäische und amerikanische Überschussprodukte haben die Märkte der Dritten Welt zu (von Steuerzahlern subventionierten) Billigstpreisen überschwemmt.

Mit diesen Preisen konnten die Bauern der Dritten Welt nicht mithalten. Ihnen fehlt Knowhow, modernes Saatgut, effizienter Dünger, Landmaschinen, Energie und nicht zuletzt die Transport- und Handelswege in die Metropolen. Um all das in nennenswertem Umfang zu entwickeln, braucht es viele Jahre und vor allem die Erwartung stabil hoher Weltmarktpreise.

Auch in vielen afrikanischen Hauptstädten waren daher Produkte aus dem Norden oft einfacher und billiger erhältlich als die aus dem eigenen Hinterland. Trotz oft günstiger klimatischer Bedingungen konnte so in vielen Drittwelt-Ländern keine Landwirtschaft wachsen. Die Dritte Welt konnte zwar industriell mithalten – von der Textil-Branche angefangen mittlerweile bis zu Hightech-Produkten; denn dort wird die europäische Konkurrenz nicht subventioniert. Bei der Landwirtschaft hingegen konnte sie das unter dem Druck der europäischen und amerikanischen Agrarpolitik  nicht.

Diese ist zwar gut für die zu rund zwei Drittel von Subventionen aus Steuermitteln lebenden Bauern Europas und Amerikas. Sie ist aber schlecht für die eigentlich notwendige und jedenfalls mögliche langfristige Erhöhung der globalen Agrarproduktion. Die Dritte Welt wird in Jahren guter Ernten mit europäischen Überschüssen überschwemmt, während bei schlechten Ernten die Preise in den Himmel schießen. Bemerkung am Rande: Bessere Verdienstmöglichkeiten für die Bauern der Dritten Welt würden übrigens auch den Migrationsdruck Richtung Europa reduzieren.

Auch das Gegenargument geht ins Leere, dass die heruntersubventionierten Preise für Europäer und Amerikaner aus sozialen Gründen notwendig wären. Das ist reinste Propaganda. Denn nach seriösen Schätzungen wird in Europa rund ein Drittel der Lebensmittel nicht konsumiert, sondern weggeworfen. Längst sind Semmel-, Milch- oder Brotpreise kein wichtiges Gesprächsthema für die Europäer mehr – während in den Fünfziger Jahren schon die Erhöhung eines einzigen dieser Preise wochenlange politische Krisen ausgelöst hatte.

Angebotsverknappung (2): Die diversen Gentechnik-Verbote

Noch auf einer weiteren Ebene wird der Hunger in der Welt durch eine Reduktion des möglichen Angebots entscheidend vergrößert: durch die Beschränkungen des Einsatzes von genetisch modifizierten Pflanzen. Dürften diese überall angebaut werden, wären die Ernten auf jedem Landwirtschaftshektar des Globus deutlich größer. Interessanterweise wird aber dieser Faktor gerade von jenen, die sich ständig als Anti-Hunger-Kämpfer profilieren, überhaupt nicht erwähnt. Sie übertreffen einander vielmehr in düsteren, aber nie bewiesenen Spekulationen, was eventuell eines Tages durch die Gentechnik an Üblem passieren könnte. Obwohl noch nie etwas Übles dadurch passiert ist.

Es sind übrigens auch die gleichen Untergangs-Propheten, die vor den Folgen einer globalen Erwärmung warnen. Aber gerade eine wirkliche globale Erwärmung, also ein weiteres Voranschreiten der gegenwärtigen Zwischeneiszeit würde die Lebensmittelversorgung der Welt positiv beeinflussen. Riesige Territorien von Sibirien bis Kanada wären dann landwirtschaftlich nutzbar. Eine echte Katastrophe wäre nur ein (gegenwärtig eher nicht wahrscheinlicher) Beginn einer neuen Eiszeit. Aber das nur am Rande, da ja das Klima ohnedies nicht in relevantem Umfang von Menschen beeinflusst werden kann.

Angebotsverknappung (3): Die Agrotreibstoffe

Sehr wohl menschlich beeinflusst ist aber die aktuellste Ursache der Lebensmittelverteuerung: Das ist die Forcierung des sogenannten Biotreibstoffs. Dieser wird vielfach – vor allem außerhalb Europas – auf Flächen angebaut, auf denen bisher Lebensmittel wuchsen. Oder auf Flächen, auf denen bisher ökologisch wertvolle Urwälder standen.

Diese Mode der Bioenergie-Erzeugung ist natürlich Folge der unbewiesenen Global-Warming-Doppelthese: Erstens wäre der Mensch die Ursache der vielerorts vermutlich (auch das ist nicht unumstritten) leicht ansteigenden Temperaturen. Zweitens wären diese schlecht für die Welt und die Menschheit.

Ohne den Druck dieser derzeit noch dominierenden Lehre könnte die Menschheit noch auf viele Jahrhunderte ihren Energiebedarf mit den schon heute bekannten Öl-, Gas- und Kohlevorräten sowie durch die Nutzung der Nuklearenergie decken. Überdies werden jährlich weitere Energie-Vorräte entdeckt.

Angebotsverknappung (4): Große Stauseen

Umgekehrt ist auch die einzige der Alternativenergien, die auch ergiebig und verlässlich ist, also die Wasserenergie, zumindest für die Nahrungsversorgung problematisch: Werden doch derzeit gerade in der dritten Welt gewaltige Anbauflächen durch neue Staudämme überflutet.

Die Rolle der „Spekulanten“

Aber was hat es nun mit den sogenannten Agrarspekulationen auf sich? Kurze Antwort: Nichts, was den Hunger in der Welt erhöhen würde. Denn wären diese „Spekulationen“ wirklich die Ursache der Preiserhöhungen, dann hätten die höheren Preise ja sogar eine positive Bedeutung: Höhere Preise motivieren Bauern und Investoren, für die nächste Ernte mehr anzubauen.

Kern der angeblichen Spekulationen ist eine De-Facto-Versicherung für die Bauern, also eine von diesen erwünschte Dienstleistung. Durch einen sogenannten Terminkontrakt vereinbaren Bauer und Finanzinvestor, zu welchem fixen Preis die oft erst in etlichen Monaten anstehende Ernte verkauft wird. Damit machen sich die Bauern unabhängig von Weltmarktpreisen, die durch gute wie schlechte Wetterlagen ja noch in jede Richtung ausschlagen können. Die Agrarinvestoren hoffen wiederum auf steigende Preise.

Nichts ist jedenfalls besser für die Bauern, wenn die bei solchen Terminkontrakten erzielten Preise etwa für eine Tonne Getreide steigen. Und keinen Bauern stört es, dass auf der Gegenseite des für sie wichtigen Geschäfts Finanzinvestoren, also die jetzt publizistisch verdammten „Spekulanten“ sitzen.

Am Nutzen der Agrar-Terminmärkte ändert es auch nichts, wenn für die gleiche Ernte – je nach sich ändernden Preis-Erwartungen – im Laufe der Zeit oft mehrere solcher Termingeschäfte abgeschlossen werden. Daran ändert es auch nichts, wenn viele dieser Geschäfte nicht mehr die Preisentwicklung einer Getreidelieferung eines einzelnen Bauern vorwegnehmen, sondern die Entwicklung der gesamten Produktion.

Freilich klingt es für Laien furchtbar, wenn dieses Absicherungs-Geschäft denunziatorisch „Index-Wette“ genannt wird. Und wenn zugleich verbreitet wird, dass diese Wetten angeblich Hunger in der Welt auslösen. In Wahrheit aber geht es dabei neben der Versicherungsfunktion darum, den künftigen Kurs frühzeitig durch gute Analysen vorherzusagen. Genau das macht jeden Markt transparenter und vorhersehbarer, als wenn Bauern, Müller, Agrargenossenschaften, Großhändler bei ihren Kalkulationen einen absoluten Blindflug unternehmen müssten. Ohne Terminkontrakte hätten diese Marktteilnehmer nur einen einzigen Fixpunkt: nämlich die dertzeit überall grassierende Inflationserwartung.

Diese Zusammenhang wird auch durch viele empirische Daten bestätigt: Bei jenen Agrarprodukten, wo man in der Vergangenheit solche "Spekulationen", also Terminkontrakte, verboten hat, haben die Preise viel wildere Auf- und Abwärtsbewegungen gemacht als bei jenen Produkten, wo spekuliert werden durfte.

Es gibt nur einen einzigen Mechanismus, mit dem Agrar-Investoren und genauso Bauern, Lebensmittelindustrie usw. von sich aus die Preise treiben könnten: nämlich wenn sie riesige Lagerbestände anhäufen sollten. Damit würde eine zumindest zeitweise Verknappung des Angebots ausgelöst. Diese müsste freilich notwendigerweise irgendwann kollabieren. Denn irgendwann muss man ja  mit der Erhöhung der Lagerbildung aufhören, worauf die Preise abstürzen. Was noch dadurch verstärkt wird, dass die Produzenten, also die Bauern, in der Zwischenzeit ihre Produktion deutlich erhöht haben.

Aber für eine solche signifikante Erhöhung der Lagerhaltung gibt es ohnerdies Null Anzeichen oder Beweise. Es gibt auch unter den Kritikern der Finanzinvestoren niemanden, der das auch nur behauptet. Lager kann man ja nicht insgeheim errichten und in großem Umfang vermehren. Das wäre sofort weltweit bekannt. Außerdem sind solche Lager technisch teuer und riskant. Gelagerte Lebensmittel laufen immer Gefahr zu verderben. Und jedenfalls binden große Lager viel Kapital.

Die richtige Strategie

Konklusion: Kein vernünftiger und anständiger Mensch will die Nachfrage reduzieren, also die Menschheit gewaltsam dezimieren oder ihr das Essen von Fleisch und Fisch verbieten. Daher ist eine Steigerung des Angebots die einzig richtige Strategie. Daher sind alle Maßnahmen der Politik, welche das Angebot reduzieren,  – in all den genannten Punkten – umzukehren, wenn der Kampf gegen den Hunger ehrlich gemeint sein swollte..

Und ganz sicher sind alle Versuche einer planwirtschaftlichen Preisregulierung im Kampf gegen den Hunger schädlich. Denn damit würde die wichtigste Funktion eines Preises zerstört: nämlich die Information, ob ein Produkt knapper wird, ob sich seine Herstellung in größerer Menge rentiert oder nicht.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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EVN-Gewinnsteigerung auf Kosten der Eigentümer

31. August 2012 23:42 | Autor: Reinhard Bimashofer
Rubrik: Gastkommentar

Sensationell: Gewinnsteigerung der EVN – 226 Millionen Euro (in Schilling waren das 3,11 Milliarden) in nur neun Monaten. Skandalös: Dieser Gewinn wurde auf Kosten der Eigentümer (!) erzielt. Denn die Mehrheit der EVN steht im Eigentum der Niederösterreicher. Diese zahlen – so lange sie von einem Wechsel zu günstigeren Anbietern nicht Gebrauch machen – so hohe Energiepreise, dass diese astronomischen Gewinne möglich sind. 

„EVN unter Strom: 226 Millionen Euro Gewinn“, betitelte das Wirtschaftblatt am 30.8.2012 seinen Bericht über den in nur neun Monaten erzielten Gewinn. Famose Nachrichten für Anteilseigner würde man meinen. Doch das ist leider nur die halbe Wahrheit.

Denn dieser Gewinn wurde über höchste Energiepreise erzielt. Als ich mir einmal erlaubte zu fragen, was der Unternehmensauftrag durch die Eigentümer (die Mehrheit liegt beim Land Niederösterreich) sei, hätte ich gehofft zu hören: Die bestmöglichen Preise bei höchster Versorgungssicherheit.

Mitnichten. Meine Anfrage an Landeshauptmann Erwin Pröll wurde an einen Landesrat weitergeleitet, der ausweichend antwortete. Bei einem hohen Gewinn wandert nämlich die Hälfte der Ausschüttung ins Landesbudget. Das bedeutet: Über die überhöhten Energiepreise wird eine versteckte Landessteuer eingehoben.

Was der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes schadet und die Konsumenten über viel zu hohe Energie- und Netzpreise teuer zu stehen kommt. Was völlig grotesk ist, da diese Energieabnehmer in der überwiegenden Mehrheit auch Miteigentümer der EVN sind.

Hohe Gewinne führen zu hohen Ausschüttungen und Prämien an die EVN-Vorstände, deren treue Verbundenheit zur Politik, die für ihre Bestellung zuständig war, zusätzlich zu den ohnedies rekordverdächtigen Gagen noch einmal belohnt wird.

Die Gleichschaltung der Medien, die nicht hinterfragen, wie solche Rekordgewinne erreicht werden, wird durch Werbeeinschaltungen in Millionenhöhe erzielt. So werden mögliche Kritiker ruhig gestellt und die bei der EVN Energie beziehenden Miteigentümer (also alle Niederösterreicher) sind die Dummen.

Mein Vorschlag: Der Unternehmensauftrag an die EVN ist dahingehend zu modifizieren, dass die Niederösterreicher einen Eigentümer-Rabatt beim Energiebezug bekommen. Das würde eine vorsichtig geschätzte Reduktion der Jahresrechnung der Eigentümer um fünf bis zehn Prozent bedeuten.

Alles andere ist ein Affront gegenüber den Mehrheitseigentümern. Eine Situation, die in Österreich natürlich nicht auf Niederösterreich beschränkt ist. Durch den Wildwuchs an Landesgesellschaften und Stadtwerken und darüber noch dem Verbund, der aus unserem Wasser Energie gewinnt, gibt es zwar dort die bestbezahlten Jobs Österreichs, aber die wahren Eigentümerinteressen werden durch die Zwischenschaltung der Politik verraten. Die Politik, die Eigentümer nicht nur in diesem Fall wohl kaum im Sinne von Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit vertritt, sollte längst gegensteuern.

Doch dieses Thema ist so brisant wie aktuell. Aber die durch Werbemillionen ruhig gestellten Medien werden das nicht aufzeigen. Und die mit Brot und Spielen halbwegs befriedigten Wähler realisieren anscheinend nicht wirklich, was da vor sich geht. Noch nicht!

Reinhard Bimashofer ist freier Journalist und im Vorstand des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie.

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Buchrezension: Jesus, der Kapitalist

30. August 2012 04:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Betrachtet man die hierzulande von christlichen Organisationen zu Phänomenen wie Privateigentum, Zins und Profit, oder ganz allgemein zu Fragen der Wirtschaft, abgegebenen Stellungnahmen, so kann einen leicht der Verdacht beschleichen, bei dem aus Nazareth stammenden Religionsstifter und dessen Gefolge habe es sich um die ersten Sozialisten der Menschheitsgeschichte gehandelt. Die bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Caritas, Diakonie oder Katholischer Sozialakademie formulierte Kapitalismuskritik könnte gar nicht schärfer ausfallen, würde sie von Aktivisten der Roten Falken abgesondert werden. In verteilungspolitischer Hinsicht stehen die Kirchen oft links vom sozialistischen Meinungshauptstrom.

Umso erstaunlicher – ja geradezu provokant – mutet daher der Titel des vorliegenden Buches an. Der Autor, Robert Grötzinger, ein deutschstämmiger Ökonom, der als Übersetzer in England lebt und sich zur anglikanischen Kirche bekennt, durchforstet sowohl das Alte wie auch das Neue Testament und kommt daraufhin zum Schluss, dass die Bibel zu nichts weniger taugt, als zur Apologie des Sozialismus – also zur Legitimierung hoheitlich erzwungener Einkommens- und Vermögensumverteilung. An keiner Stelle des Bibeltextes werde explizit die Verfügung über Besitz und Eigentum (z. B. Geld) angegriffen – sofern dessen Erwerb auf redliche Art erfolgt sei. Nach Paulus wäre lediglich die „Liebe zum Geld“, nicht aber das Geld selbst „die Wurzel allen Übels“ (1 Timotheusbrief 6, 10).

An keiner Stelle der Heiligen Schrift würde demnach die Verfügungsgewalt eines rechtmäßigen Herrn über sein Eigentum, das Erzielen von Profit, oder das Nehmen von Zins kritisiert. Das Gegenteil sei richtig, wie der Autor z. B. anhand des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Matthäus 20, 1-16) und des Gleichnisses von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25, 14-30) belegt. Unmissverständlicher könne die unumschränkte Verfügungsmacht des Eigentümers über seine Habe und die Rechtmäßigkeit und Vorteilhaftigkeit des Erzielens von Profit gar nicht gutgeheißen werden.

Die immer wieder gerne als Belege für die antikapitalistische Überzeugung des Gottessohnes ins Treffen geführten Textstellen (wie etwa die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel, oder das Gleichnis vom Nadelöhr, anlässlich der Bergpredigt) verlören augenblicklich die unterstellte, antimarktwirtschaftliche Bedeutung, wenn man den jeweiligen Kontext berücksichtigte, in dem sie stehen.

Der Hinauswurf der Tempelhändler lässt sich nach Meinung Grötzingers so erklären, dass Jesus mit deren unlauteren Geschäftpraktiken nicht einverstanden war – nicht jedoch mit dem bloßen Umstand ihrer Anwesenheit im Tempel. Im Gleichnis vom Nadelöhr indes, sei die Person des Adressaten von entscheidender Bedeutung: Nach dem Evangelisten Lukas handle es sich dabei um einen „Vorsteher“ (im Original „archon“, d. h. „Herrscher“). Der Mann habe sein Vermögen also offensichtlich nicht durch eigene Arbeit (durch „wirtschaftliche Mittel“) sondern durch Vorteilsnahme, Diebstahl oder Raub (also durch „politische Mittel“), auf unlautere Weise und damit unter Bruch der Gebote Gottes erworben. Deshalb sei ihm der Eintritt ins Himmelreich verwehrt – nicht, weil er „reich“ ist.

Es ist gleichermaßen erhellend wie kurzweilig, zu lesen, wie Grötzinger die von ihm zitierten Bibelstellen unter einem marktwirtschaftlichen Blickwinkel deutet und interpretiert. Als gelernter Ökonom verfügt er dazu auch über ein intellektuelles Rüstzeug, das der Mehrzahl der Kleriker leider vollständig fehlt – was erklärt, weshalb die Heilige Schrift mitunter auf haarsträubende Weise sinnentstellende Auslegungen erfährt, sobald die Sphäre des Wirtschaftens berührt wird.

Ob man dem Autor auch dann noch folgen möchte, wenn er schließlich zu der Erkenntnis kommt, dass Kapitalismus und Christentum einander gegenseitig bedingen würden (immerhin heißt der Untertitel des Buches „Das christliche Herz der Marktwirtschaft“), sei dahingestellt. Auch wird es wohl von der Beantwortung der „Gretchenfrage“ abhängen, wie der Leser das noch grundsätzlichere, seit der Aufklärung debattierte Problem, ob es in einer „gottlosen“ Welt überhaupt so etwas wie allgemein gültige, verbindliche, universale Werte geben kann, beurteilt.

Beachtung verdient jedenfalls die gegen Ende zitierte Aussage des (atheistischen) US-Ökonomen Walter Block, der meint: „Der Hauptgrund, weshalb Religion den säkularen Führern gegen den Strich geht, ist, dass diese Institution moralische Autorität definiert, die nicht von ihrer Macht abhängt. (…) Wer sich den etatistischen Plünderungen widersetzen will, kann dies ohne Unterstützung der Religion nicht tun.“

Da ist einiges dran!

Jesus, der Kapitalist
Robert Grötzinger
Finanzbuchverlag, Edition Lichtschlag 2012
ISBN 978-3-89879-711-5
192 Seiten, broschiert
€ 12,99,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Die Krise macht weise

30. August 2012 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn man von Griechenland und Frankreich absieht, dann zeigt die Beobachtung der europäischen Schuldenstaaten Erstaunliches: Sie sind durch die Krise weise geworden, ziehen eine ganze Reihe sinnvoller Reformen durch, die nur deshalb (noch?) nicht greifen, weil sie viel zu spät gekommen sind. Das sollte auch den scheinbar stabilen Nordländern eine Lehre sein: Rechtzeitige Reformen könnten viel Leid ersparen.

Die Griechen hingegen versprechen in vielen Schlüsselfragen nur die Durchführung von Reformen. Und die Franzosen machen überhaupt das Gegenteil.

Auf den Kern gebracht geht es bei den Sanierungsmaßnahmen immer um folgende Grundideen: Abbau von Beamten; Durchforstung der Sozialleistungen; Privatisierungen; Deregulierungen. Irland, Portugal und – in ersten Ansätzen – auch Spanien haben das erkannt. Italien könnte überhaupt bald zum Musterland werden. Das wäre für Österreich besonders erfreulich, sind die Italiener doch der zweitwichtigste Handelspartner der Alpenrepublik. Ihr Zusammenbruch wäre daher fatal.

Dabei werden die Nachbarn freilich auch zur Konkurrenz: Rom kämpft nun mit allen Mitteln darum, zur Drehscheibe für den Zufluss von Erdgas aus Zentralasien und Nordafrika nach Europa zu werden. Genau dasselbe soll aber auch die Pipeline-Idee Nabucco für Österreich erreichen. Nur wird dieses Projekt leider von der österreichischen Politik nicht ausreichend energisch unterstützt. Die Wiener Regierung muss endlich lernen, dass sich Außenpolitik – von der Regierungsspitze bis zu den zuständigen Ministerien – weltweit heute primär um nationale Wirtschaftsinteressen zu kümmern hat. Österreichs Diplomatie ist dazu offenbar zu nobel oder ahnungslos.

Auch in anderer Energie-Hinsicht kommt ein lauter Weckruf aus Italien: Die Gewinnung von Öl und Gas auf eigenem Territorium wird dort massiv gefördert. Das Verbot von Bohrungen vor der Küste wird stark gelockert. Das lockt einerseits Investitionen an und verbilligt andererseits die künftige Energierechnung. Was hat Österreich gleichzeitig getan? Es hat Gesetze beschlossen, welche die Nutzung der großen Gasfunde unter dem Weinviertel so gut wie unmöglich machen.

Ebenso vorbildlich ist, dass Rom jede Menge an Staatsbeteiligungen verkauft. Das bringt erstens direkt Geld in die Kassa, und zweitens machen Privatisierungen in 90 Prozent der Fälle sieche Unternehmen profitabel.

Das alles geht freilich erst, seit jeder Italien begriffen hat, wie sehr der Hut brennt: In den letzten zwei Jahren sind Eintausend Milliarden Euro aus Italien abgewandert. Bankkonten wurden trotz überhöhter Zinsen abgeräumt; italienische Staatsanleihen verramscht. Italien muss also noch wirklich hart arbeiten und den Gürtel enger schnallen, bis das Vertrauen in seine Papiere wieder hergestellt ist. Das bedeutet viele dürre Jahre. Aber die Italiener haben wenigstens mit den Aufforstungsarbeiten begonnen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Normalfall Staatsbankrott

28. August 2012 00:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nichts ist normaler als das Bankrott-Gehen eines Staates. Lediglich in Europa tun heute manche so, als ob das ein Weltuntergang samt Rückkehr der Weimarer Republik und Adolf Hitlers wäre. Die einen tun so aus Eigeninteresse, weil sie weiter schmerzfrei vom Geld anderer leben wollen. Die anderen verwechseln aus historischer Ahnungslosigkeit die rund um den Euro entfachte Propaganda-Versprechungen ewiger Stabilität mit den Fakten. In Wahrheit hat die Welt nämlich in den letzten zwei Jahrhunderten weit mehr als 300 Staatsbankrotte hinnehmen müssen.

Der letzte Bankrott, der wirklich globale Wellen auslöste, passierte vor genau zehn Jahren in Argentinien. Auch Tausende Österreicher verloren damals viel Geld, das sie in die – theoretisch – hoch verzinsten argentinischen Staatspapiere gesteckt hatten. Für die Argentinier selber war der Beginn des Jahrtausends noch viel dramatischer: Nach dem Zusammenbruch der Staatsfinanzen wurden Supermärkte und Geschäfte geplündert; mehr als die Hälfte der Bevölkerung stürzte in fundamentale Armut; jeder vierte Job ging verloren.

Vom reichsten Land der Welt ins Armenhaus

Der Bankrott des Landes war umso erstaunlicher, als Argentinien nach dem letzten Weltkrieg in etlichen Vergleichsstudien als reichstes Land der Welt eingestuft worden war. Andererseits hatte das Land in den noch nicht ganz zwei Jahrhunderten seiner Unabhängigkeit nicht weniger als sieben Mal schon Bankrott anmelden müssen. Und der nationale Hang zu leichtfertigen Versprechungen, also zum Populismus, wurde insbesondere in der Peron-Ära wieder offenkundig.

Was war geschehen? Nun, die Parallelen zu aktuellen Krisen sind keineswegs zufällig. Buenos Aires hatte in den Jahren vor dem letzten Kollaps 2001/02 die nationale Währung, den argentinischen Peso, in einem fixen Verhältnis an den Dollar geknüpft. Das schien Politik und Bürgern eine Zeitlang sehr vorteilhaft, weil das Geld endlich seinen Wert behielt.

Gleichzeitig hatten sich aber alle staatlichen Kassen wie ein Stabsoffizier verschuldet, sodass das Land am Ende mit fast 170 Milliarden Euros belastet war. In den letzten Wochen vor dem Zusammenbruch wechselten einander dann 2001/02 im Staccato gleich vier Staatspräsidenten mit verzweifelten, aber scheiternden Versuchen einer Sanierung im letzten Augenblick ab. Eine besonders üble Rolle spielten dabei Provinzen und Verfassungsgerichte. Beide weigerten sich zu sparen. Bis zuletzt wurden Spardekrete von den Höchstrichtern als Eingriff in wohlerworbene Rechte von Vorteilsnehmern abgeschmettert. Zugleich stürmten die Menschen, solange man für Pesos noch Dollar bekam, die Banken – sowie die Fähren und Busse zum Nachbarn Uruguay, wo sie ihr Geld in Sicherheit zu bringen versuchten. Der nächste Schritt war daraufhin geradezu zwingend: Alle noch verbliebenen Bankguthaben wurden eingefroren; und die Menschen konnten nur noch geringfügige Beträge wöchentlich abheben.

Mindestens ebenso interessant und lehrreich ist aber auch der Weg der überraschend schnellen Erholung: Die Bindung an den Dollar wurde aufgegeben; der Peso wurde dramatisch abgewertet; damit gab es kaum noch Konsum von Importprodukten; und das Land konzentrierte sich wieder auf den Ausbau seiner Wettbewerbsfähigkeit: Die Exporte boomten, vom traditionellen Fleisch bis hin zur neu aufgebauten Autoindustrie. Dadurch konnte Argentinien bis 2005 schon wieder seine gesamten Schulden an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen (die privaten ausländischen Gläubiger blieben hingegen unbefriedigt).

Und heute? Da beginnt sich das Land schon wieder wie in den 80er Jahren übermütig und nationalistisch mit Großbritannien wegen der Falkland-Inseln anzulegen.

Die Vergesslichkeit der Menschen

Die dramatischen Parallelen der argentinischen Entwicklung bis zum Jahr 2002 mit jener des heutigen Griechenland brauchen wohl nicht mehr in jedem einzelnen Punkt gesondert aufgezeigt  zu werden. Das was für die Argentinier die Bindung an den Dollar war, ist für die Griechen die Bindung an die D-Mark, auch Euro genannt. Beides ist für traditionell undisziplinierte Länder nicht zu stemmen gewesen. Übrigens haben auch die Griechen – die so wie die Argentinier am Beginn des 19. Jahrhunderts unabhängig geworden sind – eine sehr innige Langzeit-Liaison mit der Institution Bankrott: Der griechische Staat ist seit 1829 nicht weniger als fünf Mal bankrott gegangen.

Offenbar braucht der Homo sapiens regelmäßige schmerzhafte Lehrstunden, weil er die Lektionen der Wirtschaftsgeschichte allzu rasch vergisst. Denn anders als durch Vergesslichkeit kann man es nicht erklären, dass vernünftige Menschen Argentinien oder Griechenland jemals Geld geborgt haben. Wie es auch bei anderen Staaten schwer verständlich erscheint, dass sie ihre Anleihen meist sehr leicht an die Geldgeber verkaufen können.

Das hat freilich außer der Lernunfähigkeit der Menschen noch einen weiteren Grund: Die Staaten zwingen durch eine Vielzahl von Regulierungen Banken und Versicherungen, einen guten Teil ihrer Gelder bei staatlichen Institutionen anzulegen (Weshalb weise Ökonomen auch heftig vor den Folgen der gegenwärtigen Modewelle warnen, Versicherungen und Banken immer noch mehr zu regulieren).

Zuerst der Krieg, dann der Bankrott

Blickt man in die Geschichte der Staatsbankrotte, dann gibt es neben dem Ursachen-Komplex „Schuldenmacherei populistischer Regierungen sowie Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit“ noch einen zweiten häufig vorkommenden Typus: verlorene Kriege.

Einige Beispiele besonders markanter Staatsbankrotte:

Das waren nur die historisch spektakulärsten Staatsbankrotte. Diese Liste wird mit großer Sicherheit im zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends durch interessante Exempel verlängert werden. Und auch nach diesen noch ausstehenden Beispielen wird sich wohl die Geschichte wiederholen: Dann werden Politik und Bevölkerung wieder einmal Dinge hinnehmen müssen, die ihnen vorher selbst in abgeschwächter Form völlig unzumutbar erschienen waren.

Denn natürlich bedeuten Staatsbankrotte für viele Menschen, Institutionen und „soziale Errungenschaften“ eine Katastrophe. Deswegen wurde ja immer versucht sie hinauszuschieben. Aber das hat in keinem der Exempel funktioniert – und die Folgen der Katastrophe immer nur noch mehr verschlimmert.

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Wie entwickelte sich die Rohölnachfrage?

26. August 2012 15:03 | Autor: Andreas Unterberger

Globale Nachfrage in Millionen Barrels pro Tag 1980-2011

 

Quelle: IEA 2011, OMV

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Was sind die größten Gefahren für den Wohlstand?

26. August 2012 14:32 | Autor: Andreas Unterberger

Worin bestanden die größten Ärgernisse bzw. Gefahren für den Wohlstand – gesamt sowie nach Zuversicht bezüglich der Entwicklung

 

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Spielerisch die Schuldenkrise begreifen lernen

26. August 2012 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Erstaunlich, wie schon alte Monopoly-Spielanleitungen die Schuldenkrise vorhergesehen haben. Und wie Cartoonisten besser als jeder andere den Kern der Krise auf den Punkt bringen können.

Zuerst die Monopoly-Anleitung. Man muss praktisch nichts an dem Text ändern. Wahrscheinlich haben ja die Spiel-Banken (im wörtlichen wie übertragenen Sinn) immer schon von den Notenbanken gelernt. also auch von jenen, die - theoretisch - für den Euro und den Dollar verantwortlich sind.

Aber nicht nur zwischen alten Monopoly-Anleitungen und dem Verhalten der politisch gelenkten Notenbanken gleichen sich die Bilder. Auch zwischen den politisch gelenkten Sozialversicherungen und dem größten Betrüger der amerikanischen Geschichte gibt es frappierende Ähnlichkeiten, wie diese geniale Karikatur zeigt:

 

 PS.: Wieder einmal besonderen Dank an die vielen Anregungen und Zusendungen, aus denen ich heute diese zwei besonders faszinierenden Gustostücke herausgesucht habe

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Buchbesprechung: Das Ringen um die Freiheit

23. August 2012 03:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der spätere Nobelpreisträger Friedrich August v. Hayek erlangte mit seinem populären, 1944 erschienenen, Bestseller „Der Weg zur Knechtschaft“ Weltruhm. Seine 1960 publizierte „Verfassung der Freiheit“, weist ein in jeder Hinsicht anderes Format auf. Darin fasst der große Universalgelehrte seine Gedanken zu Fragen des Wesens und des Erhalts der individuellen Freiheit zusammen, deren Bewahrung er als entscheidendes Element einer freiheitlich verfassten Zivilisation betrachtet.

50 Jahre nach Erscheinen des Werkes ist es erstaunlich, wie hochaktuell es anmutet. Einige Passagen, wie etwa das Kapitel „Der Währungspolitische Rahmen“, sollten – nicht nur angesichts der Finanzkrise – eine Pflichtlektüre der politischen Klasse, von Bankern und Führungskräften der Wirtschaft darstellen.

Das besprochene Buch enthält eine Sammlung von Aufsätzen, die sich von unterschiedlichen Positionen aus mit den von Hayek behandelten Gedanken auseinandersetzen. Als Autoren fungieren Journalisten (zwei davon aus Österreich – der Betreiber dieser Plattform, Andreas Unterberger, und der Leiter des Wirtschaftsressorts der Wiener Tageszeitung „Die Presse“, Franz Schellhorn), aber auch Wirtschaftswissenschaftler und Protagonisten der liberalen Idee.

Wer Hayeks über 500 Seiten starkes Opus Magnum nicht gelesen hat, wird hier mit dessen zentralen Inhalten bekanntgemacht – so etwa mit der „negativen“ Definition von Freiheit als „Abwesenheit von Zwang“. Oder seiner vehementen Kritik an der „Anmaßung von Wissen“ durch die Machthaber, die immer wieder dem Größenwahn verfallen, der Gesellschaft jene Idealvorstellungen oktroyieren zu wollen, die sie am Reißbrett konstruiert haben – und damit regelmäßig scheitern. Wissen entsteht und entwickelt sich, nach Hayek, durch den Wettstreit der Ideen in den Köpfen aller Bürger – nicht nur in denen einer kleinen (selbsternannten) Elite.

Der vielfach übersehene Gegensatz von Demokratie und Liberalismus wird von Hayek durch die Benennung der jeweiligen Gegenteile beider Ordnungsprinzipien klargemacht: „Das Gegenteil der Demokratie ist eine autoritäre Regierung; das Gegenteil eines liberalen Systems ist ein totalitäres System.“ (…) Eine Demokratie kann totalitäre Gewalt ausüben, und es ist vorstellbar, daß eine autoritäre Regierung nach liberalen Prinzipien handelt.“ Diese Erkenntnis sollten sich alle jene hinter den Spiegel stecken, die eine Demokratie unkritisch in den Rang eines Heiligtums erheben. Demokratie bleibt stets ein Mittel, wird aber niemals selbst zum Ziel.

Auch dass Freiheit und (materielle) Ungleichheit wie siamesische Zwillinge zusammengehören, mag für manchen eine unangenehme Botschaft sein: „Freiheit erzeugt notwendig Ungleichheit und Gleichheit (materielle Gleichheit) notwendig Unfreiheit.“ Größte Vorsicht ist also gegenüber jenen Gesellschaftsklempnern geboten, die „Gerechtigkeit“ ausschließlich durch materielle Gleichheit verwirklicht sehen wollen – nicht aber durch Gleichheit vor dem Gesetz – die „Rule of Law“.

Wer materielle Gleichheit zu verwirklichen trachtet, dem steht als Mittel am Ende nichts weiter als Freiheitsberaubung zur Verfügung. Hayeks lebenslängliche Opposition zum „Sozialen“ wurzelt in dieser Erkenntnis. Dass er damit zum Feindbild von linken Gleichmachern und den Gewerkschaften wurde, macht seine Theorie für den überzeugten Liberalen nur umso attraktiver…

Hayeks Präferenz für die unter der Bezeichnung „Flat Tax“ besser bekannte Proportionalsteuer erklärt sich ebenfalls aus seinem Eintreten für die „Gleichheit vor dem Gesetz“. Jeder einkommensabhängig progressive Steuertarif ist notwendigerweise ein Produkt politischer Willkür – in der demokratischen Praxis schlichtweg die Konsequenz des Neides vermeintlich unterprivilegierter Mehrheiten.

Hayek, vielfach als „Konservativer“ eingeschätzt, begegnet diesem Missverständnis mit einer fulminanten Kritik am Konservativismus. Da es ihm an eigenen Zielvorstellungen mangle, würde er sich permanent von seinen (sozialistischen) Herausforderern vor sich hertreiben und in faule Kompromisse drängen lassen. Die ausschließliche Bewahrung des Überkommenen könne kein Programm sein. Lediglich Entwicklungen bremsen zu wollen, sei eine zu armselige Strategie, um für wache Geister attraktiv zu erscheinen. Seine langfristige Marginalisierung oder die völlige Verwässerung seiner Ideale sei die logische Konsequenz. Den Liberalismus sieht Hayek nicht auf einem linearen Schema in der Mitte zwischen Konservativismus und Sozialismus, sondern als einen der Eckpunkte eines (ungleichseitigen) Dreiecks.

Der in Philip Plickerts Beitrag thematisierte Unterschied zwischen der französischen und der englischen Version der Aufklärung ist für das Verständnis der Politik der EU im Zuge der aktuellen Krisenbewältigungsmaßnahmen sehr erhellend. Der „spekulative und rationalistische“, französische Ansatz hat offensichtlich vollständig über den englischen, „empirisch-unsystematischen“, triumphiert.

Die unterschiedliche Gartenarchitektur in Frankreich und England des 17. und 18. Jahrhunderts, spiegle die Differenzen in den beiden Denkansätzen wider: Am Reißbrett entworfene Künstlichkeit auf der einen und zurückhaltend geformte, am Ende aber sich selbst überlassene Natürlichkeit auf der anderen Seite. Der aus den Naturwissenschaften auf den Bereich der sozialen Interaktionen und des Wirtschaftens übertragene „französische“ Ansatz wurde von Hayek, der sich selbst in der Tradition der britischen „Old Whigs“ („Betonung auf old!“) sieht, stets heftig als „Anmaßung von Wissen“ kritisiert.

Ein „mechanistisches“, „szientistisches“ Weltbild führt zu konstruktivistischen, zentralistischen – ja größenwahnsinnigen – Utopien, die gegenwärtig auf das Narrenprojekt „Vereinigte Staaten von Europa“ hinauslaufen. Dass dies eine Entwicklung darstellt, die Hayek (wie auch große Ordoliberale wie Röpke oder Erhard) vehement abgelehnt haben würde, liegt auf der Hand.

Die Lektüre der „Verfassung der Freiheit“ kann durch das besprochene Buch nicht ersetzt werden. Immerhin aber bietet es eine hochinteressante, zeitgenössische Auseinandersetzung mit den Ideen eines der führenden Liberalen des 20. Jahrhunderts. Lesenswert!

Das Ringen um die Freiheit
Gerhard Schwarz, Michael Wohlgemuth, Hg.
Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2011
222 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-03823-712-9
€ 42,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Eine Nation der Heuchler

23. August 2012 00:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Geld und Besitz ist den Österreichern nicht so wichtig.“ So lautete dieser Tage die Schlagzeile der renommierten Salzburger Nachrichten unter Zitierung einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Diese Aussage steht freilich im Gegensatz zur realen Welt: zum Gedränge in den Einkaufszentren, zum Gewerkschaftsgefeilsche um Lohnerhöhungen oder zu jener Frage, die mir nach Vorträgen ständig gestellt wird (egal was das Thema war): „Was soll ich mit meinem Geld in Zeiten wie diesen nur tun?“ Alles zeigt die Bedeutung von Geld und Besitz.

Auch sonst spiegeln Umfragen oft ein realitätsfremdes Bild. So sprechen sich große Mehrheiten immer für Bio-Produkte und gegen Kinderarbeit in der Dritten Welt aus. Sobald die Befragten aber einkaufen gehen, handeln sie meist nicht mehr gutmenschlich-modisch, sondern rational-vorteilsorientiert.

Ganz ähnlich verhalten sich Grünpolitiker, die lautstark Tempo 30 für ganz Wien fordern, die aber dann mit Geschwindigkeiten jenseits von Gut und Böse unterwegs sind. In die gleiche Kategorie zählen Finanzminister, die von den Steuerzahlern Ehrlichkeit verlangen, die dann selbst wie ein billiger Balkan-Schmuggler im Plastiksackerl große Geldmengen über die Grenze schleusen. Dazu zählen Priester, die es mit der Enthaltsamkeit nicht so ernst meinen, Ehemänner, die fleißig „Überstunden“ machen, oder Verleger, die sich maßlos erregen, wenn ein Politiker mit einem Billigticket in der ersten Klasse fliegt, selber aber über ihre Auflagezahlen so lügen, dass die Druckerschwärze rot werden müsste.

Irgendwo sind wir wohl alle Heuchler. Besonders gefährlich wird das Heucheln aber, wenn Umfragen auch zu der Forderung führen: Wir wollen kein Wirtschaftswachstum. Da wird das Heucheln brandgefährlich. Denn Verzicht auf Wachstum bedeutet wachsende Arbeitslosigkeit, wachsende Not. Natürlich kann man subjektiv ein Leben des Verzichts führen – wovon Menschen abgesehen von Klöstern freilich meist nur auf einem sehr hohen Wohlstandsniveau reden. Eine Gesellschaft als Ganzes darf daran aber sicher niemals denken. Denn nur Wachstum ermöglicht gesellschaftlichen Frieden ohne brutale Verteilungskämpfe. Diese brechen unweigerlich aus, wenn neue Generationen keinen anderen Weg zum Wohlstand finden, weil die Alten schon alles besitzen. Noch weniger kann Wachstumsverzicht ein Rezept für Europas Schuldenstaaten sein. Denn nur Wachstum schafft zumindest eine kleine Chance, dass die gewaltigen, in den letzten Jahrzehnten aufgebauten Schulden nicht zu einer Katastrophe führen.

„Aber die Umwelt!“, werfen da manche ein. Und liegen total falsch. Denn gerade das Wirtschaftswachstum und die ebenfalls gerne verteufelte Technik haben ermöglicht, dass etwa in Österreich die Seen wieder sauber sind, dass es kaum noch stinkende oder vergiftete Industrieregionen gibt, dass auch in den Städten die Luft viel besser als in den 70er Jahren ist. Nichts davon wäre bei Stagnation erreichbar gewesen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Führen ohne Kompetenz: Österreichs Polit-Elite hat keinen Tau von Wirtschaft

20. August 2012 03:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Haben Sie sich nie gefragt, wie Bundeskanzler Faymann sein Land durch die stürmischen Zeiten der Finanzkrise führen will – und vor allem: kann? Mit Hilfe welches Wirtschaftsverständnisses ordnet er komplexe Entwicklungen ein und auf welche Fährte setzt er die Experten an?

Worüber will er mit internationalen Wirtschaftsprofessoren diskutieren? Über seine Zeit als Kinderbetreuer bei der Sozialistischen Jugend? Über ein paar Semester (vermutete) Anwesenheit am Juridikum? Oder über die jahrelangen Lücken in seinem Lebenslauf, die er auch nur verbummelt haben könnte (Stichwort „Mut zur Lücke“)?

Als Wirtschaftskompetenz ein paar Semester Publizistik

Salzburgs ASKÖ (sozialistischer Sportverband)-Präsident Franz Karner musste nach Korruptionsvorwürfen abtreten, ein weiterer Grund war, dass der mit Steuergeld subventionierte „Sportbauernhof“ schlecht vermarktet worden war. Sein Nachfolger ist Gerhard Schmidt. Er kommt aus der Arbeiterkammer, und war nie mit Marketing befasst – schon gar nicht in der Privatwirtschaft.

In den 1990ern brachte Beppo Mauhart das Kunststück zuwege, die Austria Tabak – die als Staatsbetrieb in einem Monopolmarkt (!) quasi die Lizenz zum Gelddrucken hatte – derart an die Wand zu fahren, dass man sie schnell verkaufen musste. Seine Wirtschaftskompetenz hatte sich der Gymnasiast durch ein paar Semester Publizistik und als Sekretär bei Hannes Androsch geholt. So nebenbei war Funktionär Mauhart noch Chef des Österreichischen Fußball-Bundes und ORF-Publikumsrat. Zuletzt stand sein Name auf einer Liechtensteinischen Steuer-CD, die Staatsanwaltschaft ermittelte.

Politiker sind keine Wirtschaftsexperten. Und wenn sie das von sich glauben, vernichten sie stets Staatsvermögen. Alfred Gusenbauer studierte nach dem Gymnasium Philosophie und Politik. Statt Bilanzen oder Management: Karl Marx und Jürgen Habermas. Um bei seiner Klientel zu punkten, verhinderte Gusenbauer (SPÖ) den Verkauf der AUA, als man noch Geld bekommen hätte. „Luftfahrtexperte“ Michael Häupl (SPÖ-Biologe) sah gar „große Chancen für eine österreichische Lösung“. Dafür bekamen beide großes Lob von Fellners „Österreich“ und Dichands Kronenzeitung. Die AUA blieb also österreichisch – und ging dermaßen Pleite, dass die Republik dem Käufer, der deutschen Lufthansa, sogar 500 Millionen Euro bezahlen musste, damit sie die AUA überhaupt noch nahm.

Funktionärsfilz beenden: Firmen und Vereine demokratisieren 

Wieso sollen Fluglinien, Flughäfen oder Staudämme in Staatshand sein? Um alte Politiker mit frischen Jobs zu überraschen? Um die höchsten Managergehälter unseres Landes auszuzahlen? Warum sollten deutsche Pensionsfonds nicht Aktien des landeseigenen Energieversorgers „Salzburg AG“ im Portfolio haben? Oder des Flughafens Wien? Weil dann nicht mehr heimische Parteiritter versorgt werden könnten? Man muss keine Angst vor Fremden haben. Der Strompreis wird nicht steigen, solange der Wettbewerb frei bleibt. Und wegtragen kann man Kraftwerke selbst heute noch nicht.

Tausende Vereine gibt es nur, um unser Land „durch-zu-politisieren“ – und seine Funktionärsschicht „durch-zu-versorgen“. Der künstlich am Leben gehaltenen Schattengesellschaft ist der öffentliche Geldhahn abzudrehen, wenn ihr Zweck die Versorgung abgehalfterter Politiker, Funktionäre und Schmarotzer ist. Wollen Vereine unser Steuergeld, dann sind sie wie private Firmen zu führen. Und deren Spitzen sind jeweils mit einem Fachmann zu besetzen. Funktionen in politischen Vereinigungen sollten bei Bewerbungen für Abzugspunkte sorgen.

Akademikersteuer falscher Weg

Geht es nach der SPÖ, so sollen Akademiker mit höherem Jahresgehalt noch zusätzliche Steuern zahlen. Doch würde diese „Strafsteuer für Bildungsehrgeiz“ vor allem die (durchschnittlich besser verdienenden) Absolventen von technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten diskriminieren. Und damit Österreichs Grundproblem noch weiter verschärfen: Die Inkompetenz seiner (Unter-, Mittel- und insbesondere) Führungsschicht.

Österreich braucht Wirtschaftsbildung. Das ist zumindest so wichtig wie die Klima- und die Korruptionsdebatte. Noch heute verlässt ein Gymnasiast die Schule ohne die geringste Ahnung, wie die Wirtschaft läuft. Die AHS braucht schleunigst Betriebswirtschaftslehre als eigenes Fach – unterrichtet von echten Wirtschaftsakademikern. BWL soll es künftig auch an geisteswissenschaftlichen Fakultäten geben – von Experten vorgetragen (und das sind sicher keine ehemaligen Politiker).

Und es sollen wieder Studiengebühren eingeführt werden (allerdings nicht 363 Euro, sondern nur 200 Euro pro Semester). Aber nur für Fächer, die der Markt (also die Menschen) nicht braucht und deren Absolventen der Allgemeinheit ein Leben lang auf der Tasche liegen werden – denn Minijobs erwirtschaften keine Lohnsteuer. Wenn es schon Bildungs-Strafsteuern geben soll, dann für Akademiker, die weniger als das Durchschnittsgehalt verdienen – denn sie zahlen ihre Bildungskosten dem Staat ansonsten nicht wieder zurück.

Wer seine Jugendzeit nicht zukunftsorientiert, sondern mit Philosophie oder Soziologie verschwenden will (und damit nicht auf die Pension warten konnte), soll dafür bezahlen. Österreich braucht Fachleute, und nicht noch mehr Träumer, Sozialromantiker und „Wirtschafts-Autodidakten“ (Christian Felber über sich selbst). Und es braucht die Einsicht, dass nicht die ideologische Gesinnung für die Führung eines Vereines oder einer Firma qualifiziert, sondern eine wirtschaftliche oder technische Ausbildung – oder die Professionalität der Erfahrung in einem Privatbetrieb.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg und hat gerade sein neues Buch herausgegeben, „Die Gemeinwohl-Falle“. Es ist die Antwort auf Globalisierungskritiker wie Jean Ziegler oder Christian Felber.

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Privatisieren wir die ÖBB!

16. August 2012 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das klingt erfreulich: ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker will die Staatsbahn binnen zwei bis vier Jahren kapitalmarktfähig machen. Das Ziel ist jedenfalls edel und gut. Schon deshalb, weil dann viele Schweinereien nicht mehr möglich sind, wie etwa die Bestechung von Medieneigentümern durch von Politikern bestellte Inserate zu Lasten der ÖBB. Oder die menschenleeren und nur wegen des Drucks von Landeshauptleuten und Bürgermeistern betriebenen Geisterbahnen. Oder die Bezahlung von weit über dem Marktniveau liegenden Gehältern (etwa bei Bus-Chauffeuren: Die Tätigkeit in privaten und ÖBB-Fahrzeugen ist völlig gleichwertig, bei den Gehältern jedoch keineswegs).

Aber: Werden die ÖBB auch für Investoren eine gute Geldanlage sein? Oder müssen diese fürchten, nur abgecasht zu werden? Bei Privatisierungen gibt es ja gute wie schlechte Erfahrungen. Die guten reichen von der Voest bis zur Post (obwohl bei dieser die Republik noch immer beteiligt ist); während sich bei Telekom und etlichen Energieversorgern die Parteipolitik auch nach einer Teilprivatisierung heftig bedient hat.

Problematisch bleibt aber eine hohe regulatorische Abhängigkeit eines Unternehmens von der öffentlichen Hand. Die Republik braucht nur ein paar Gesetze zu ändern und schon sind die ÖBB bankrott. Ob das nun Sicherheitsvorschriften, das Enteignungsrecht (beim Bau neuer Strecken) oder die milliardenschweren Subventionen betrifft. Diese wackeln bei einem Eigentümerwechsel natürlich sofort: Nimmt doch der Steuerzahler der ÖBB sämtliche Pensionskosten ab. Kommen doch die ÖBB nur dank zahlloser Zuschüsse für ihre Verkehrsleistungen überhaupt in die Nähe einer Marktfähigkeit.

Interessant ist die Ankündigung des Sozialdemokraten Pöchhacker aber noch aus einem anderen Grund: Jahrelang wurde von Linken mit Nachdruck die Mär verbreitet, die Privatisierung der britischen Bahnen wäre ein Flop gewesen. Das hat aber nie gestimmt: Die privatisierten Bahnunternehmen haben weit mehr Passagiere, weit weniger Unfälle als je zuvor. Zugleich hat sich freilich eines gezeigt: Während beim rollenden Betrieb (Personen- wie Güterverkehr) die Privatisierung exzellent funktioniert, schaut es mit der Infrastruktur, also den Schienenstrecken anders aus. Nachdem der britische Staat jahrzehntelang nichts in deren Modernisierung investiert hatte, sind angesichts der hohen Kosten die Privaten dabei gescheitert. So wie bei den Straßen ist bei den Schienen eine echte Privatisierung jedenfalls viel schwieriger als sonstwo.

Umso richtiger war – wider alle Polemik – die gesellschaftsrechtliche Aufspaltung der ÖBB auf Infrastruktur, Personenverkehr und Gütertransport. Bei den letzten beiden könnte eine echte und volle Privatisierung sinnvoll werden, sofern sich die Unternehmen rechtlich gegen plötzliche Änderungen der politischen Rahmenbedingungen gut absichern können. Und mit einer alle Privilegien verteidigenden Gewerkschaft müssen ja ohnedies auch andere Arbeitgeber fertig werden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Die Krise, ihre Konsequenzen und unser Hang zum Verdrängen

14. August 2012 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Dass die jahrzehntelange Eskalation staatlicher Verschuldung, und insbesondere die seit mehr als zwei Jahren anhaltenden „Rettungsaktionen“ zugunsten südeuropäischer Staaten unausweichlich verheerende Konsequenzen haben müssen, ist hierorts schon mehrfach ausgeführt worden. Erstaunlich ist jedoch: Warum wird dieses Faktum so stark verdrängt? Warum können Politik und Mainstream-Medien noch immer jede weitere Schuldenaufnahme und Haftungsübernahme, jedes weitere Drucken von Euro-Scheinen als Erfolg, als erleichternd und positiv darstellen? So wie es in diesen Augusttagen nach der Erlaubnis der EZB an die griechische Nationalbank geschehen ist, ungedecktes Geld auszugeben.

Diese Rettungsaktionen erhöhen ja jedesmal nur den längst schon unüberwindlichen Berg an Schulden und Haftungen. Sie müssten zwangsläufig  in einer Mischung aus konfiskatorischen Steuern und Inflation enden. Die Anzeichen dafür sind inzwischen schon zum Greifen nah. Um nur die zwei neuesten zu nennen: Die von manchen Linken und kirchlichen Kreisen hochgejubelte Attac-Bewegung fordert bereits 20- bis 80-prozentige Vermögensabgaben. Zugleich wird die Flucht in den Schweizer Franken immer schneller: Allein im Juli haben sich die Euro-Bestände in den Kellern der Schweizer Nationalbank um 41 Milliarden Franken erhöht. Das sind mehr als zehn Prozent ihrer bisherigen Euro-Schätze – und das binnen eines Monats. Das ist in Wahrheit der Beweis reinster Panik.

Zugleich steigen die Immobilienpreise in guten Lagen ins Unermessliche. In Kitzbühel haben sie sich vor allem durch den Ansturm Deutscher binnen vier Jahren verdoppelt. Auf der Insel Sylt kostet ein Quadratmeter laut dem Magazin „Focus“ schon bis zu 35.000 Euro. Das alles ist Inflation in Reinkultur, wenn auch in bestimmten Blasen konzentriert, die im klassischen Verbraucherkorb kaum vermerkt werden.

Warum aber dominiert in den Aussagen der meisten Politiker und vieler Medien nach wie vor die Begeisterung über Rettungsaktionen?

Verdrängung

Der erste Grund ist zweifellos der allgemeine menschliche Hang zur Verdrängung. Solange man Unangenehmes beiseiteschieben kann, tut man es. Sonst würde wohl niemand mehr zu einer Zigarette greifen, um ein Beispiel aus einem ganz anderen Zusammenhang anzusprechen.

Beharren auf den eigenen Fehlern

Der zweite Grund: Wer gesteht sich schon ein, in wichtigen Fragen völlig falsch gelegen zu sein? Wenn man jahrelang immer davon geredet hat, dass man den Euro rette, tut man sich schwer zuzugeben, dass man ihn durch die Rettungsaktionen eigentlich erst beschädigt hat, während es ursprünglich in Wahrheit nur um die „Rettung“ einiger Staaten gegangen ist, als diese auf Grund ihrer Verschuldung immer höhere Zinsen zahlen mussten.

Selbst bei diesen Staaten war und ist die Notwendigkeit der Rettungsaktionen durchaus zweifelhaft: Wohl sind die von Geldgebern verlangten höheren Zinsen schmerzhaft. Aber es ist absurd zu sagen, sie wären untragbar: Nach Berechnungen der OECD werden die höheren Zinsen etwa Spanien im Jahr 2013 mit 2,9 Prozent des BIP belasten. Aber im Jahr 1995 betrug die Belastung dieses Landes durch den Zinsendienst sogar 4,7 Prozent des damaligen BIP! Dennoch hat damals niemand davon geredet, dass Spanien untergehen werde, hat niemand nach Rettungsaktionen gerufen. Die Spanier haben sich nur inzwischen an das – im Grund durch einen Irrtum der Märkte im Gefolge der Euro-Einführung – bequeme niedrige Zinsniveau gewöhnt.

Bequemlichkeit

Die zuletzt steil gestiegenen Zinsen sind eigentlich das richtige, wenn auch verspätete Signal, dass die Staaten sparen müssen, weil die Geldverleiher das Vertrauen in sie verlieren. Genau das verlangte Sparen aber ist unbequem. Genau das tun weder die Bevölkerung noch die diversen Regierungen gerne. Und daher umgeht man die Sparnotwendigkeit halt so lange, so lange es irgendeinen Umgehungsweg gibt. Und die Hilfsaktionen haben eben diesen Weg geöffnet, den es in Wahrheit nie geben hätte dürfen. Daher dramatisiert man halt heftig weiter, um weiter an diese Hilfsgelder zu gelangen. Dieser Umweg ist bequemer als wirkliches Sparen.

Gewerkschaftslogik

Hinter dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Staaten steht in hohem Maß das Selbstverständnis der Gewerkschaften. Diese halten sich für umso erfolgreicher, ja steilere Lohnzuwächse sie erkämpfen. Das war in jenen Zeiten relativ egal, da die Wirkung der nicht durch Produktivitätszuwächse gedeckten Lohnerhöhungen dann ganz automatisch über höhere Preise wieder egalisiert werden konnte. In einem gemeinsamen Währungsraum, in dem Abwertungen nicht mehr möglich sind, führt das hingegen zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und damit von Arbeitsplätzen. Dennoch waren die südeuropäischen Gewerkschaften, aber auch Unternehmer lange nicht bereit, ihr Verhalten zu ändern. Freilich: Wenn es keine zumindest auf dem Papier stehenden Lohnerhöhungen mehr gibt, verlassen viele Menschen die Gewerkschaft.

Wahlpopulismus

Politiker denken, planen und agieren immer nur bis zum nächsten Wahltag. Und der ist im Schnitt maximal zwei Jahre weit entfernt. Daher setzen sie keine Maßnahmen, die sich erst danach positiv auf die Wähler  auswirken würden. Daraus folgt mit anderen Worten: Nach dem Wahltag die Sintflut. In den Politikern ist dabei tief die Erfahrung verankert, dass man Wahlen nur gewinnen kann, wenn man den Menschen nach dem Maul redet. Sie glauben vielleicht sogar zu Recht, dass die Wähler den bestrafen, der ihnen die Wahrheit mit allen Konsequenzen sagt und nichts verspricht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Wähler gleichzeitig den Politikern immer besonders vorwerfen, dass sie die Wähler anlügen.

Glaube an die Wohlfahrtsstaats-Ideologie

All diese Wählerbestechungsaktionen haben sich längst zu einer Ideologie verfestigt: zum Glauben an den Wohlfahrtsstaat. Dieser ist jahrzehntelang als eine immer bessere, immer schönere, immer sicherere Sache verkauft worden. Das geschah solange, bis viele Politiker wie Wähler nun schon selbst daran glauben, dass dieser Wohlfahrtsstaat irreversibel und absolut sicher wäre.

Der Hang zum Allmachtsgehabe

Dass sich dieser Glaube überhaupt halten kann, hängt wiederum mit dem Allmachtsgehabe der Politik zusammen. Während 1945 ein österreichischer Bundeskanzler noch offen zugegeben konnte, dass er den Bürgern nichts zu bieten habe, nicht einmal Glas für deren zerbombte Fensterscheiben, dominiert jetzt weltweit der politische Slogan „Yes, we can“.

Eine Spezialform des Allmachtsgehabes praktizieren viele Notenbanker, einschließlich jener der österreichischen Nationalbank: Sie verkünden, dass das zusätzlich gedruckte Geld problemlos wieder eingesammelt werden könnte, wenn es eine Inflation auslöst.

Was aber nicht stimmt. Denn erstens gibt es längst schon inflationäre Blasen und dennoch wird nicht einmal der Versuch eines Einsammelns gemacht, sondern das Drucken ungedeckten Geldes fortgesetzt. Zweitens ist die Einsammel-Ankündigung auch deshalb „leichtfertiges Gerede“, wie es der aus Protest abgetretene Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, nun formuliert, weil es eine solche Einsammelaktion in der Geschichte noch nie gegeben hat, geschweige denn eine erfolgreiche. Denn dabei droht genau jener katastrophale Crash einzutreten, zu dessen vermeintlicher Vermeidung die ganze Hilfsaktion gestartet worden ist. Daher sagt auch Issing: „Die Geldwertstabilität ist mittelfristig massiv gefährdet.“ Ganz ähnlich argumentiert das frühere EZB-Ratsmitglied Jürgen Stark und der deutsche Spitzenökonom Hans-Werner Sinn.

Nur die Haupttäter in EZB und Wissenschaft tun alles, um nicht ihren katastrophalen Irrtum eingestehen zu müssen und sich weiter als allmächtig aufspielen zu können.

Misstrauen gegen den Markt

Eng mit dem Allmachtsgehabe ist der Glaube verbunden, dass der Staat alles besser regeln kann als der Markt. Was sich freilich immer noch als völlig falsch herausgestellt hat. Denn der Markt ist ja die Summe der  Entscheidungen aller Menschen, in die damit deren millionenfaches Wissen einfließt. In die Entscheidungen der Staaten fließt hingegen nur das Wissen einiger weniger Politiker und Beamter, die noch dazu neben dem vorgeblichen Gemeinwohl immer auch sehr egoistische Interessen verfolgen (also etwa die Sicherung der eigenen Wiederwahl). Daher gehen auch alle Versuche der Politik ständig schief, durch noch mehr Regulierung, also Einengung der Märkte, zu besseren Ergebnissen zu kommen. Das Geheimnis einer erfolgreichen Marktwirtschaft liegt genau darin, dass alle Menschen selber entscheiden und dann aber auch selber die Folgen ihrer Entscheidungen zu tragen haben.

Der Irrglaube des Neokeynesianismus

Dieses Allmachtsgehabe wird auch durch die dominierende Wirtschaftstheorie des Neokeynesianismus befördert. Nach der Theorie des John Maynard Keynes sollten die Staaten in den Konjunktur-Jahren eigentlich Überschüsse anhäufen, damit sie in schlechten Jahren durch zusätzliche Ausgaben den Wirtschaftsmotor wieder ankurbeln können. Unabhängig davon, ob diese Theorie wirklich funktionieren würde, wenn sie einmal angewendet würde, ist sie im real angewandten Neokeynesianismus völlig pervertiert worden: Die meisten Regierungen haben nämlich immer nur durch Defizite angekurbelt, aber nie ein Geld zurückgelegt.

Etwa seit 1970 hat sich dieser Prozess mit wenigen Ausnahmen weltweit beschleunigt. Der Neokeynesianismus eskaliert in der unfassbaren Ankündigung eines amerikanischen Notenbankchefs, Dollarscheine notfalls mit dem Hubschrauber abwerfen zu wollen. Viele Studien zeigen, dass der Ankurbelungseffekt längst abgenützt ist und nicht mehr funktioniert. Die Wirtschaft wächst nur noch im Ausmaß des zusätzlich gedruckten Geldes, aber nicht mehr darüber hinaus. Gelddrucken löst keinen Kreislauf mehr aus, der die Ankurbelungs-Investition wieder zurückverdienen würde. Das zusätzlich gedruckte Geld bedeutet aber automatisch Inflation oder massenweise Enteignung. Siehe oben.

Die vielen keynesianischen Wissenschaftler – die Österreichs Universitäten fast zur Gänze beherrschen – geben aber noch immer ungern zu, dass sie auf ganzer Linie falsch gelegen sind. Sie erinnern an die Wissenschafter des 16. Jahrhunderts mit ihrem Glauben an die Erde als Mittelpunkt des Alls. Sie erinnern an die Mediziner des 18. Jahrhunderts, die Blutegel als Haupttherapie eingesetzt haben.

Begrenztes Erinnerungsvermögen

Die Menschen verlieren erstaunlich rasch die Erinnerung an die für ganze Generationen verheerenden Folgen inflationärer Politik (siehe die 20er Jahre) oder eines dominierenden Eingreifen des Staates in die Ökonomie (siehe den Zusammenbruch der kommunistischen Planwirtschaften, aber auch der überregulierten und -besteuerten nordeuropäischen Ökonomien in den 90er Jahren).

Nationaler Egoismus

Vielfach war auch nationaler Egoismus die Ursache für die Eskalation der Schuldenkrise. Es liegt natürlich in Griechenland & Co im nationalen Interesse, Deutschland & Co ständig für ihre Ausgaben zahlen zu lassen. Um die Deutschen dazu zu bringen, wurde und wird immer wieder in mieser Weise im Süden Europas die Nazi-Keule gegen Deutschland eingesetzt. Und die Deutschen haben nach wie vor Angst vor dieser Keule.

Gutmensch-Denken

Letztlich schaffen es die hemmungslosen Schuldenmacher auch immer, die geschickteren emotionalen Phrasen zu finden. Man denke nur an das ständige Getrommel „Solidarität mit Griechenland, der Wiege Europas“. Man denke an die Phrase eines Caritas-Direktors: „Geld nicht nur für die Banken, sondern auch für die Armen!“ (Dabei gibt etwa Österreich mit einer Sozialquote von mehr als 28 Prozent des BIP alljährlich weit mehr für soziale Zwecke – also die soziale Umverteilung zugunsten Ärmerer – aus als jemals für die Bankenhilfe. So problematisch die an sich auch ist). Man denke an die Universalphrase jedes Politikers: „Aber dafür (Hier bitte beliebig Worte einsetzen wie Bildung, Europa, Gesundheitssystem, Lawinenschutz, Sporthilfe, Straßenbau, Entwicklungshilfe und so weiter) muss in einem der reichsten Staaten doch noch Geld dasein.“

Alle diese an den emotionalen Unterleib appellierenden Argumente sind meist wirksamer als die Gegenargumente, die immer nur über das Hirn und über Zahlen gehen können.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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The Price of Civilization: Buchrezension

12. August 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Jeffrey Sachs, Hochschulprofessor, Buchautor und umtriebiger Multifunktionär, erhebt in diesem Werk, wie schon zuvor in „The End of Poverty“, nicht nur die Forderung nach einer besseren Welt, sondern liefert zum Glück auch gleich das Rezept mit, wie diese zu schaffen wäre.

Schon auf den ersten Seiten erklärt er dem Leser, worin die drei Hauptaufgaben einer Wirtschaft nach seiner Meinung bestehen, nämlich in „Effizienz, Fairness und Nachhaltigkeit“. Von Produktion und Innovation, der Schumpeter´schen „kreativen Zerstörung“: Kein Wort.

Seine sich durch den gesamten Text ziehende Begeisterung für demokratische Entscheidungsprozesse erinnert an Publikationen linker europäischer Autoren, wie Christian Felber, Sahra Wagenknecht oder Margrit Kennedy, deren Analysen allerdings kaum von ökonomischem Sachverstand getrübt sind. Dass Sachs in den USA eine „Mehrheit für eine stärkere Besteuerung der Reichen“ ortet, ist keine besonders originelle Enthüllung, die zudem weder über Rechtmäßigkeit, noch Zweckmäßigkeit einer solchen Maßnahme etwas aussagt. „Eat the rich“ scheint übrigens eine der fixen Ideen des engagierten Weltverbesserers zu sein…

Sachs konstatiert einen „Rechtsdrift“ – sowohl bei Demokraten wie Republikanern – der sich in der Realverfassung einer „Corporatocracy“ manifestiere. Darunter versteht der Autor, dass nicht das Volk, sondern die Konzerne die großen Linien der Politik bestimmen. Barack Obama sei – trotz seiner vollmundig angekündigten Sozialinitiativen im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfs – ebenso eine Kreatur des „Big Business“ wie sein republikanischer Gegenspieler. Während Republikaner allerdings traditionell auf die Unterstützung seitens der Rüstungs- und Ölindustrie zählen könnten, wären es bei den Demokraten eher Banken und das Wallstreet-Establishment. Da mag was dran sein.

Der Autor lässt deutlich seine Sympathie für „Occupy-Wallstreet“ erkennen und mag die Tea Party nicht. Letztere würde von Angehörigen der „älteren, weißen Mittelschicht“ getragen, denen es an jeder Einsicht in das segensreiche Wirken eines starken Staates mangle. Sachs setzt seine Hoffnungen für eine bessere Zukunft daher auf die jugendliche „Milleniumsgeneration“, die erfreulicherweise für jede Form von Staatsinterventionismus und Planwirtschaft offen sei.

Immer wieder zitiert er das „Erfolgsmodell“ der skandinavischen Staaten, die eine prosperierende Wirtschaft trotz einer hohen Steuerbelastung realisieren könnten. Ohne massive staatliche „Investitionen“ ins „Gemeinwohl“ (namentlich in Bildung, Infrastruktur, Gesundheits- sowie Pensionsvorsorge und in „nachhaltige“ Energieversorgungstechnologien) wäre dem Zerfall der US-Gesellschaft und der dräuenden globalen Klimaapokalypse nicht wirksam zu begegnen.

Erheblichen Raum widmet der Autor der Frage, in welchen Bereichen der Staat sein Engagement drastisch zu verstärken habe – überall dort nämlich, wo auch die bewunderten sozialistischen Vorbilder der Alten Welt ihr Geld versenken – und woher die Mittel dafür zu nehmen seien: Von den „Reichen“ nämlich, denen er erhebliche zusätzliche Lasten aufzuladen gedenkt.

Auch wenn der Satz ironisch gemeint sein mag, charakterisiert er doch präzise die Mentalität des Autors: „Yes, the federal government is incompetent and corrupt – but we need more, not less of it.“ So unfähig kann eine Regierung gar nicht sein, dass sie nicht dennoch – ganz im Gegensatz zu privaten Akteuren – das Glück der Bürger mehren würde. Darauf folgt die rührend naive Forderung: „We need (…) a much more competent and honest government.“ Selbst wenn man einräumt, dass die Politik in den USA besser qualifiziertes Personal zu rekrutieren imstande ist, als das in Europa gelingt (immerhin können in den USA viele Funktionäre auf eine erfolgreiche Tätigkeit in der produktiven, privaten Wirtschaft zurückblicken und nicht ausschließlich auf steuerfinanzierte Beamten- und Parteikarrieren), zieht es wohl immer eine Negativauslese in den Dunstkreis der Macht. Woher in aller Welt das „honest government“ kommen soll, verrät Sachs dem neugierigen Leser leider nicht.

Dass ein für hoheitliche Machtkonzentration eingenommener Autor „langfristige Ziele“ besser beim Staat als in privaten Händen aufgehoben sieht, verwundert nicht. Sein Eintreten für die rigorose Verfolgung einer zwangsbewehrten, „klimagerechten“, Energiepolitik verblüfft ebenso wenig, wie sein Eintreten für hohe Steuern und die Ausweitung der Staatsquote.

Wer einen Kontrapunkt zu libertären Analysen sucht: Hier werden Sie geholfen!

The Price of Civilization
Geffrey Sachs
Verlag “The Bodly Head”, 2011
Englisch, 326 Seiten, broschiert
€ 19,99,-
ISBN 9781847920928

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 326: Ein österreichischer Triumph

11. August 2012 13:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Mitt Romney hat nun seinen Vize-Präsidentschaftskandidaten fixiert. Und der dafür ausgewählte Paul Ryan ist ein Grund zu großer Freude: Denn er ist ein echter „Österreicher“.

„Österreicher“ heißt in den USA: Er ist ein Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, wie sie insbesondere durch Friedrich Hayek und Ludwig von Mises, zwei gebürtige Österreicher, verkörpert wird. Die beiden und alle übrigen „Austrians“ finden in Zeiten wie diesen weltweit von Monat zu Monat mehr Anerkennung. In ihrer Heimat werden sie freilich weniger geschätzt, wo ja an vielen Universitäten und Wirtschaftsforschungsinstituten wie auch in SPÖ und Nationalbank die gescheiterte Schuldenphilosophie des Briten Keynes nach wie vor dominiert. Ryan kämpft im US-Kongress auf dieser geistigen Basis seit Jahren für das radikalste Reformprogramm der jüngeren Wirtschaftsgeschichte: Schuldenstopp, Zurückdrängen des Staatseinflusses, niedrigere Steuern, weniger Beamte, weniger Gesetze, Abbau des auch in Amerika immer stärker wuchernden Sozialstaates. Mit anderen Worten: Das ist ein Programm, das Amerika ungeheuer beleben würde, das dem Land wieder eine Blüte wie in den Jahren nach Ronald Reagan bescheren würde, bevor Bush junior und Obama auf die Verführungen des starken Staates hineingefallen sind. Ebenso sicher ist freilich auch, dass die Demokraten und linke Journalisten ab sofort ständig zur Verteidigung der Schuldenpolitik und zur Sicherung der Obama-Wiederwahl einen sozialen Kahlschlag bejammern würden. Als ob nicht gerade durch die staatsorientierte Obama-Politik die Arbeitslosenzahlen explodiert sind.

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Die Macht der Gläubiger

09. August 2012 01:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Krisenzeiten wird oft die Erkenntnis bemüht, dass Gläubiger Geiseln ihrer Schuldner seien. Das stimmt auch in etlichen Fällen, wie etwa jenem Griechenlands.

Dennoch sollte man sich im Klaren sein: Im Normalfall liegt die Macht bei den Gläubigern. Diese haben eine bei Staatsanleihen für Regierungen besonders unangenehme Eigenschaft: Man kennt sie nicht. So weiß die Republik Österreich nur, dass rund 80 Prozent ihrer Anleihen in ausländischen Händen sind. Aber zu welchen Körpern diese Hände gehören, ist weitgehend unklar. Ausländische Zentralbanken? Amerikanische Pensionsfonds? Ölscheichs? Chinesische Staatsfonds? Russische Oligarchen? Kommerzbanken? Private Anleger?

In der gleichen Situation befindet sich der scheinbar mächtigste Staat Europas, die Bundesrepublik. Sie wird zwar von aller Welt derzeit als der bequemste Geldautomat behandelt. Aber zugleich steht Deutschland selbst mit gewaltigen 1,1 Billionen Euro in der Kreide. Das ist mehr Geld, als für den so umstrittenen Rettungsfonds ESM vorgesehen ist. Aber wer hält diese Forderungen?

Das ist keineswegs irrelevant. Denn auch bei festverzinslichen Papieren mit fixen Rückzahlungsdaten können Gläubiger die Zinsen gewaltig in die Höhe treiben, wenn sie die Papiere vorzeitig massenweise auch zu einem schlechten Preis verkaufen. Höhere Zinsen für alte Obligationen erhöhen automatisch auch jene für neue. Zum Glück sind Gläubiger meist nicht daran interessiert, ihre Forderungen mit Verlust zu verkaufen. Sie schaden sich ja selber, wenn sie gezielt einem anderen Staat schaden. Dennoch sollte man auch diese Möglichkeit nicht ganz ausschließen: Sollte etwa China einmal ob allzu scharfer Kritik eines anderen Staates an seiner Menschenrechtspolitik zürnen, dann könnte man das sehr bald an den Anleihen-Kursen ablesen. Viel häufiger kommt mit ähnlicher Wirkung vor, dass ein großer Gläubiger oder viele kleine gleichzeitig Bargeld brauchen. Oder dass sie das Vertrauen in einen Schuldner verlieren und lieber schnell mit Verlust verkaufen, als das eigene Risiko noch weiter zu erhöhen.

Jede Angabe, wer die deutschen oder österreichischen Anleihen hält, ist aber auch deshalb unzuverlässig, weil sie im Schnitt jährlich mehr als fünf Mal den Besitzer wechseln. Einem Schweizer Politiker ist nun dieser Tage die Information entschlüpft, dass die Schweizer Nationalbank rund 100 Milliarden an deutschen Anleihen halte, womit sie vermutlich Deutschlands größter Einzelgläubiger sein dürfte. Das klingt auf erste beruhigend. Sind doch die Schweizer seriöse Partner. Aber selbst da ist die Machtfrage relevant: Kämpfen doch Bern und Berlin ganz heftig wegen des Ankaufs gestohlener Schweizer Bank-Daten durch deutsche Steuerfahnder. Wenn deren Methode Schule machen sollte, bedeutet sie zweifellos Großalarm für die Schweizer Banken. Was natürlich auch der Notenbank nicht egal wäre.

Man sieht: Nicht einmal die Schweiz ist ein perfekter Gläubiger. Perfekt ist es nur, gar keine Gläubiger zu haben . . .

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wer zahlt, schafft an!

08. August 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

„Alternativlos“, so trommeln es nicht nur die Granden der EU, sondern auch großmannsüchtige Politiker und Kommentatoren in den Nationalstaaten der Gemeinschaft, sei die „Rettung“ Griechenlands und anderer finanziell angeschlagener Mitgliedsstaaten. Das krampfhafte Festhalten am Projekt „Vereinigte Staaten von Europa“ rechtfertigt am Ende doch jede Torheit. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, tönt selbst die deutsche Kanzlerin, einer der wenigen Bremser im Prozess der Kollektivierung von Staatsschulden zum Zwecke einer weiteren Gleichschaltung der Alten Welt.

Konsequenz: Die in Fässer ohne Boden geworfenen Geldmengen werden immer größer, ohne auch nur die geringste Veränderung zum Besseren zu bewirken. Denn in den Nehmerländern besteht natürlich keinerlei Veranlassung zur Umsetzung der mit der Kreditgewährung verbundenen Auflagen, da sich ja an der „Alternativlosigkeit“ zu weiteren Hilfen nichts ändert, auch wenn diese einfach ignoriert werden.

Entsprechend verhält sich die Regierung Griechenlands. Sparzusagen werden serienweise gebrochen, da die EU ja trotzdem gar nicht anders kann, als weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Soeben erfolgte, „zufrieden stellende Verhandlungen“ der „Troika“ mit der Regierung Griechenlands sind bezeichnend. Was, in aller Welt, gibt es da jetzt noch zu verhandeln?

Im sicheren Vertrauen auf den unbedingten Wunsch des europäischen Establishments, den in Richtung Zentralisierung eingeschlagenen Weg fortzusetzen – und angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat – sieht man – nicht nur im Lande der Phäaken – keinerlei Grund für einen Politikwechsel. Die Target2-Schuldnerstaaten verfügen dort über 17 Stimmen, während die Gläubigerstaaten über nur 6 Stimmen gebieten. Der größte davon, Deutschland, hält allein rund 700 Mrd. € von am Ende wohl mehrheitlich uneinbringlichen Forderungen.

Griechenland & Co. können auf die Kumpanei anderer Debitoren zählen, die eher dazu neigen, die Sparkonten der ungeliebten Teutonen abzuräumen, als eigene Anstrengungen zu einer unpopulären Reformpolitik ins Werk zu setzen. An kaum einer anderen Stelle zeigt sich der systembedingte Irrsinn der Demokratie deutlicher: Was soll wohl vernünftiges dabei herauskommen, wenn man es einer Mehrheit von unverantwortlichen Spielern und Prassern überlässt, über das Eigentum einer Minderheit von Sparern abzustimmen?

Kein Recht ohne Verantwortung! Die in jeder Aktiengesellschaft geltende Regel „wer zahlt schafft an“, sollte immer und überall – auch im EZB-Rat – gelten. Gleiche Stimmrechte, ohne Berücksichtigung der jeweiligen Kapitaleinsätze, werden am Ende zu einer kollektiven Finanzkatastrophe führen.

Die finanzmaroden Südländer – Hand in Hand mit dem sich ebenfalls im steilen Sinkflug befindlichen Frankreich – werden alles tun, um die keineswegs ohne interne Probleme dastehenden Deutschen, Holländer und anderen „Nordländer“ bis auf den letzten Cent auszuplündern. Denn kommt es, angesichts der Wirkungslosigkeit des bisher entfalteten Aktionismus, so weit, dass eine ungebremste Finanzierung nationaler Politiken mittels der Notenpresse ermöglicht wird – und genau das würde die vermutlich bevorstehende Ausstattung des EZB mit einer Banklizenz bedeuten – wäre der Weg in die Hyperinflation kaum mehr umkehrbar. Der Fluch der bösen Tat: Dem ungenierten Bruch bestehender Verträge folgt weiteres Unrecht. Wir haben es mit dem klassischen Fall einer kaum noch zu stoppenden Interventionsspirale zu tun.

Die bisher vergeblichen „Rettungsaktionen“ von IWF, EZB und EU-Kommission machen einmal mehr deutlich, dass strukturellen Problemen von Volkswirtschaften mit (zentral gesteuerter) Geldpolitik nicht beizukommen ist. Das exakte Gegenteil ist richtig – wie es z. B. der seit Jahren anhaltende Niedergang der französischen Industrie zeigt. Der Anteil der Industrieproduktion an der gesamten Wertschöpfung des Landes ist auf nur noch 13 Prozent gesunken (1970 waren es immerhin noch 26 Prozent) – Tendenz weiter fallend.

Viel Urlaub, früher Pensionsantritt, hohe Löhne und niedrige Produktivität sind eben denkbar schlechte Voraussetzungen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Radikale interne Maßnahmen wären notwendig, um den Abwärtstrend zu stoppen. Indes wird sich aber jeder einzelne der genannten Parameter durch Haftungsübernahmen und die Kollektivierung der Staatsschulden weiter verschlechtern – indem die Notwendigkeit, strukturell wirksame Reformen durchzuführen (etwa unternehmerische Aktivitäten attraktiver zu machen, die Industrieproduktivität durch Lohnkürzungen zu steigern und die Zahl unproduktiver Staatsbediensteter substantiell zu reduzieren) einfach ausgeblendet wird. Stattdessen sollen die „reichen Deutschen“, die angeblich einzigen Profiteure des Europrojekts, zu immerwährenden, gegenleistungsfreien Transferzahlungen verpflichtet werden.

Ist es auch Wahnsinn, so hat er doch Methode: Wer meint, dass ein paar Volkswirtschaften mit rund 100 Millionen Einwohnern imstande wären, den bis zu den Achsen im Dreck steckenden, mit 500 Millionen Bürgen besetzen Eurokarren, nicht nur kurzfristig wieder flottzukriegen, sondern vielmehr dauerhaft zu ziehen, lässt Zweifel an seiner Urteilsfähigkeit aufkommen.

Ohne die Wiederbelebung des Subsidiaritätsgedankens; ohne eine Rückbesinnung auf finanzielle Verantwortlichkeit auf kleinster politischer Ebene, wird Europa auf Dauer im Chaos versinken.

Nur Sparen schafft Wachstum

Ein weiterer, für die Entwicklung des Wohlstands in der Alten Welt entscheidender Aspekt, wird bei den kopflosen Aktivitäten der Politeliten bisher völlig ausgeblendet: Es handelt sich um die mit der schleichenden Zerstörung der Kaufkraft des Euro verbundene Einsicht breiter Kreise der Bevölkerung in die Unsinnigkeit des Sparens. Die von Horden beamteter Desinformanten gestreuten Zahlen im Hinblick auf die allgemeine Teuerung stimmen nicht. Wir halten bei gegenwärtig zwischen sechs und sieben Prozent Teuerung, der keine annähernden Einkommenszuwächse gegenüberstehen. Hinz und Kunz fühlen, dass ihnen ihr Geld zwischen den Fingern zerrinnt.

Einzige Profiteure der Inflation: Regierungen und Banken. Warum aber sparen, wenn man für sein Geld bald nichts mehr bekommt? Da erscheint es doch gescheiter, auf Teufel komm raus zu konsumieren! Die Hersteller von Kraftfahrzeugen im oberen Preissegment melden folgerichtig Absatzrekorde und die Immobilienpreise (außerhalb Spaniens) explodieren geradezu.

Zwar handelt es sich beim Kauf langlebiger Konsumgüter angesichts der prekären Lage des Euro um rationale Handlungen der einzelnen Konsumenten. Auf Dauer sind damit aber dennoch fatale Konsequenzen verbunden. Denn Sparen – die Akkumulation von Kapital durch Konsumverzicht – bildet die unabdingbare Voraussetzung für eine künftig positive Einkommensentwicklung. Aus dem Nichts geschaffener Kredit ist eben am Ende nicht dasselbe wie erspartes Vermögen.

Derzeit erleben wir allerdings keinen Vermögensaufbau, sondern einen nie da gewesenen Kapitalverzehr. Auf breiter Front sinkende Sparquoten sind der schlagende Beweis dafür. Weder ein schickes Auto, noch eine Luxusimmobilie werden jemals Werte produzieren. Ohne Investitionen – also Anlagen im produktiven Bereich einer Volkswirtschaft – ist aber eine langfristige Verarmung programmiert.

Man kann sich nicht aus der Krise konsumieren. Man kann auch nicht durch unkontrollierte Schuldenmacherei reich werden. Binsenweisheiten. Die Politbüros Eurolands haben den dräuenden Niedergang nicht nur nicht verhindert, sondern sind im Begriff, ihn durch jede einzelne ihrer Maßnahmen weiter zu verstärken. Die Bürger Europas sollten ihnen das nie vergessen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Von der Schuldenkrise zur Rechts- und Demokratiekrise

07. August 2012 01:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Europas Bürger erkennen zunehmend, dass in den nächsten Jahren ein gewaltiger Raubzug auf ihr Erspartes stattfinden wird, sei es durch konfiskatorische Steuern, sei es durch Inflation. Tertium non datur, sagen die Lateiner. Eine dritte Möglichkeit ist denkunmöglich. Etwas noch viel Schlimmeres haben die Bürger aber noch nicht erkannt: Es läuft gleichzeitig auch eine Attacke auf Demokratie und Rechtsstaat. Mit dieser Attacke werden noch viel wertvollere Güter zerstört als „nur“ jene Ersparnisse, mit denen die Babyboomer-Generation ihr eigenes Alter finanzieren wollte.

Diese Generalattacke ist zuletzt etwa in unverblümten Forderungen des italienischen Ministerpräsidenten Monti offenkundig geworden. Er verlangt öffentlich, dass sich die Regierungen der EU-Staaten nicht mehr „vollständig durch die Entscheidungen ihrer eigenen Parlamente binden“ lassen. Die Regierungen müssten vielmehr „Handlungsfreiheit“ gewinnen.

Das ist nun ebenso ungeschminkt wie skandalös. Diese Aussagen sind umso bedenklicher, als sie von einem Mann kommen, den man bisher für integer und korrekt gehalten hat. Wenn schon ein Monti so offen autoritär spricht, wie viel intriganter und undemokratischer muss dann der Geist bei den vertraulichen Diskussionen der EU-Regierungschefs sein, wo beispielsweise auch Putschisten wie der rumänische Ministerpräsident mit am Tisch sitzen!

Was Monti verschweigt: Wenn die Regierungen nicht mehr “vollständig“ an die Parlamente gebunden sind, dann sind sie auch nicht mehr an die Wähler gebunden. Und dann sind sie auch nicht mehr an die Gesetze gebunden, welche die Parlamente beschlossen haben. Sie wollen „legibus solutus“ sein – um noch ein letztes Mal zur Sprache der alten Römer zu greifen –, also frei von der Bindung an Gesetze. So wie einst die römischen Cäsaren waren. Oder so wie die Herrn Haider, Martinz und Scheuch glaubten zu sein.

Diese Freiheit für die Regierungen heißt freilich nicht, dass sich parallel auch die Freiheit der Bürger erhöhen würde. Diese wird ganz im Gegenteil von einer immer enger werdenden Diktatur der Politischen Korrektheit eingeschnürt. Die pikanterweise ebenfalls von der EU ausgeht.

So hat eine von allen guten Geistern verlassene Staatsanwaltschaft jetzt einen Salzburger unter anderem deshalb angeklagt, weil er bei Facebook zu islamkritischen Äußerungen ein „gefällt mir“ angeklickt hat. Zum Glück wehren sich so wie in diesem Fall häufig noch unabhängige Richter gegen diese Attacken auf die Meinungsfreiheit und die universelle Anwendung des Strafbestands der „Verhetzung“.

Vor dessen Verschärfung ist ja gerade in diesem Tagebuch intensiv gewarnt worden. Sie ist aber dennoch unter Verweis auf EU-Entscheidungen weitgehend in die Gesetzesbücher aufgenommen worden. Schuld daran war primär die linke Sozialistin Maria Berger, die in der EU der Beschneidung der Meinungsfreiheit zugestimmt (und in Österreich die Sache geheimgehalten) hat. Mitschuld sind aber auch die beiden folgenden schwarzen Ministerinnen, die der Übernahme dieses Knebelungsparagraphen keinen merkbaren Widerstand entgegengesetzt haben.

Zurück zu Montis Forderung: Auch in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre sind von faschistischen, kommunistischen, nationalsozialistischen Bewegungen die Parlamente als „Quatschbuden“ hinweggefegt worden. Das hat in der Folge Demokratie und Rechtsstaat vernichtet. Und nichts anderes steht jetzt in diesen Wochen auf dem Spiel – auch wenn uns allen die Ablenkung durch olympische Spiele viel sympathischer erscheint.

Schuldengemeinschaft schaltet nationale Parlamente aus

Eine Sprengung von Demokratie und Rechtsstaat bedeuten aber auch die in auffälligem Gleichklang dieser Tage von den Chefs der deutschen und österreichischen Sozialdemokraten erhobenen Forderungen nach einer radikalen Vergemeinschaftung der nationalen Schulden. Sigmar Gabriel verlangt diese Schuldenunion auf direktem Weg (und lässt sich dabei vom „Finanzexperten“ Jürgen Habermas unterstützen); Werner Faymann tut dies auf einem substanziell nicht sehr unterschiedlichen Weg, indem er unbegrenzte Kreditmöglichkeiten des „Rettungsfonds“ ESM bei der Europäischen Zentralbank verlangt. Was genauso eine Vergemeinschaftung der Schulden bedeutet.

Gabriel träumt davon, dass man die einzelnen Staaten im Gegenzug zu einer strengen Haushaltsdisziplin zwingen  könnte. Nur: Diese Disziplin stand schon in den Maastricht-Kriterien festgeschrieben und wurde fast ständig und fast von allen Mitgliedsstaaten ignoriert. Das wird mit absoluter Sicherheit auch in Zukunft geschehen. Denn keine Regierung Europas lässt sich die politische Gestaltung entwinden. Aber ohne direkten und brutalen Eingriff einer solchen Schuldengemeinschaft bei Schlüsselfragen wie Pensionsalter, Studiengebühren, Sozialleistungen, Förderungen usw. (also praktisch allen Themen, welche die nationale Politik bewegen) kann sich keine Haushaltsdisziplin ergeben.

Die von Gabriel&Co vorgeschlagene paneuropäische Haftung für all diese Geldverschwendung bedeutet eine völlige Ausschaltung der Budget- und Steuer-Hoheit der nationalen Parlamente. Sie bedeutet eine ebenso gravierende wie stillschweigende Gesamtänderung der österreichischen Verfassung. Eine solche wäre eigentlich nur auf dem Weg einer Volksabstimmung möglich. Interessanterweise verschweigen sich dazu die sonst so mediengeilen Mainstream-Juristen komplett, die sogar bei der harmlosen Einführung von verpflichtenden Volksabstimmungen nach Volksbegehren vor einer Gesamtänderung gewarnt haben.

EU-Krise macht mehr Sorgen als Korruption

Die Politiker erkennen, dass sie den Schuldenkurs nur noch bei einer weitgehenden Ausschaltung der Demokratie realisieren können. Die Bürger in Europas Nordländern spielen nämlich nach drei Jahren Verwirrungspolitik nicht mehr mit. Das zeigte etwa die jüngste Repräsentativumfrage von Imas: Denn bei dieser nannten die Österreicher unter jenen Punkten, die sie besonders beunruhigen, eine Sorge deutlich am häufigsten: „die Folgen der EU-Krise (Griechenland etc.) für Österreich“. Diese verängstigt sie weit mehr als die Stichworte „Korruption“ oder Dutzende andere Besorgnisse. Dabei widmen die Mainstream-Zeitungen seit Monaten der Korruption viel mehr Platz als der Schuldenkrise.

Die Bürger haben erkannt, warum es geht. Die Politik will aber dennoch auf ihrem Kurs weiterfahren und umgeht dabei zahllose Rechtsvorschriften.

So hat sie die präzisen Maastricht-Regeln mit ihren Defizit- und Schuldengrenzen ständig und brutal verletzt. So haben die EU-Regierungschefs schon das auf allerhöchstem Rechts-Level einbetonierte No-Bailout-Verbot einfach ausgehebelt (es hatte die Übernahme von Schulden einzelner Mitgliedsstaaten durch andere Staaten, EU oder EZB strikt verboten). So hat sich die Zentralbank wider ihrem diesbezüglich eindeutigen Statut um Hunderte Milliarden wackelige Anleihenpapiere aus südeuropäischen Staaten andrehen lassen.

Wie pleite ist die EZB?

Bei all diesen durch die faktische Macht der Politik ignorierten Rechtsregeln geht es aber genau um den Kern jener Bedingungen, die Länder wie (vor allem) Deutschland zur Vorbedingung eines Beitritts zur Währung gemacht haben. Dass diese glasklar verankerten Bedingungen einfach durch die Hintertür entsorgt wurden, ist der schlimmste politische und rechtliche Betrug der Nachkriegszeit.

Alle Finanzexperten wissen, dass die EZB bei korrekter Bilanzierung und Offenlegung aller Risken eigentlich pleite wäre. Aber korrekt bilanzieren muss ja nur der kleine Kaufmann, nicht die mächtigste Finanzinstitution des Kontinents. Dort wird vieles geheimgehalten.

Das alles ist wirtschaftlich verheerend, auch wenn es Regierungen, Mainstream-Medien und interessierte Kreise immer als Erfolg darstellen, sobald durch neue Schaffung von Papiergeld der akute Ausbruch der schon längst gegebenen Insolvenz wieder ein paar Wochen hinausgeschoben wird. Aber die Tatsache, dass all diese Rechtsbrüche noch nie von einem europäischen oder österreichischen Höchstgericht auch nur behandelt worden sind, ist noch viel übler. Wenn einmal das Vertrauen ins Rechtssystem zertrümmert worden ist, dann ist eine Gesellschaft auf viele Jahrzehnte kaputt.

Die Richter werden vielfach oft vor vollendete Tatsachen gestellt. In Österreich kann der Verfassungsgerichtshof etwa über den verantwortungslosen ESM-Beitritt überhaupt erst dann zu beraten beginnen, wenn dieser schon Realität ist, wenn er aber auf Grund des internationalen Rechts gar nicht mehr gekündigt werden kann. Und der Europäische Gerichtshof kann in den heikelsten Fragen nur dann aktiv werden, wenn ihn eine Regierung einschaltet. Aber keine Regierung wird gegen das klagen, was ihr Regierungschef oder ihre Minister selbst mitbeschlossen haben.

Karlsruhe als einzige Hoffnung

Die Richter sind aber ohnedies froh, nicht entscheiden zu müssen. Wird ihnen doch von Regierungen und Mainstream-Medien ständig Angst eingejagt, dass ein Veto gegen das ständige Nachschütten von Geldern in das bodenfreie Schuldenfass schlimme Folgen hätte. Was ja an sich auch stimmt: Denn bei einem Griechenland-Bankrott müsste die EZB von den Mitgliedsstaaten viele Milliarden einfordern, weil sie dann die Wertlosigkeit der griechischen Anleihen in ihren Tresoren endlich eingestehen müsste. Verschwiegen wird freilich, dass das ständige Nachschütten beziehungsweise Verschweigen noch viel dramatischere Folgen haben wird. Wenn auch erst einige Monate, im besten Fall zwei oder drei Jahre später.

Einzig das deutsche Oberstgericht in Karlsruhe hat nun die Möglichkeit, sich mit einiger Wirksamkeit der fundamentalen Zerstörung von Demokratie und Recht entgegenzustellen. Der parteiunabhängige deutsche Bundespräsident hat – im Gegensatz zum österreichischen – mutigerweise mit der Unterzeichnung des irreversiblen ESM-Vertrags zugewartet, bis die Richter dazu grünes Licht geben. Das hat die Berliner Regierung natürlich erzürnt. Das gibt aber Hoffnungen.

Ohne Recht keinen Frieden

Allerdings hat sich auch Karlsruhe schon mehrfach den von der Politik hergestellten faktischen Zwängen gebeugt. Mehrfach haben die dortigen Richter schon bei Änderungen des EU-Rechts gesagt: Bis hierher und nicht weiter! Weiter dürfe die Einschränkung der nationalen und parlamentarischen Rechte nicht gehen. Und dann ging es beim nächsten Mal halt doch wieder ein großes Stück weiter. Die Richter haben in ihrer Ängstlichkeit nie das große Nein gewagt.

Also überwiegt auch diesmal die Skepsis. Dabei müssten intelligente Richter zweifellos wissen, dass es längst um Demokratie und Rechtsstaat und nicht mehr „nur“ um den Euro geht.

Da kann man dem deutschen Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof nur zustimmen, wenn er jetzt schreibt: „Die EU steckt in der Krise, weil Recht missachtet wurde. Und wir spielen weiter mit dem Feuer: Eine Instabilität des Rechts wiegt schwerer als eine Instabilität der Finanzen.“ Deutlich weist er auch alle jene Sonntagsredner zurück, die die Schuldenpolitik als Friedenswerk verteidigen. Das Gegenteil ist wahr: „Ohne Recht gibt es keinen Frieden.“

PS: Bezeichnendes Detail am Rande: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben auch anderswo ein gebrochenes Verhältnis zum Recht. Sie nehmen in diesen Tagen sogar den Putsch im Mitgliedsland Rumänien weitestgehend tatenlos hin. Bis auf ein paar lendenlahme Erklärungen zeigt man sich gegenüber den rumänischen Putschisten hilflos. Dort hat die Regierung den Präsidenten einfach suspendiert. Sie setzt Höchstrichter massiv unter Druck und will nun im Nachhinein ein von ihr selbst durchgeführtes und dann verlorenes Referendum über die Präsidentenabsetzung für ungültig erklären. Sie will die von der Regierung selbst erstellten Wählerlisten nachträglich ändern. Solche Methoden und deren Ziele sind seit dem Berliner Reichstagsbrand allzu gut bekannt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Nur Gold ist Geld

01. August 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Es ist schwierig geworden, den Überblick über die unermüdlich auf den Weg gebrachten „Rettungspakete“ für Banken, überschuldete Staaten, vor allem aber die Mutter aller Probleme – den Euro – zu behalten. Täglich neue Katastrophenmeldungen von der Krisenfront haben zudem eine abstumpfende Wirkung. Immerhin ist die Zähigkeit erstaunlich, mit der sich das verquere Projekt einer zum Zwecke der Schaffung eines europäischen Superstaats eingeführten Kunstwährung am Leben erhält. Viele Skeptiker hatten mit einem wesentlich zügigeren Ableben des von den Bürgern ungeliebten Elitenprojekts „Vereinigte Staaten von Europa“ gerechnet. Eine Fehleinschätzung.

Zwar legt die Nomenklatura eine bemerkenswerte Beharrlichkeit im Ignorieren von Wählerwünschen an den Tag (zuletzt der Deutsche Bundestag in Sachen „Rettung spanischer Banken“), doch die Vorstellung, dass es der unheiligen Allianz von Politkommissaren und Bankstern gelingen könnte, das Wirtschafts- und Währungssystem auf Dauer vor dem Kollaps zu bewahren, ist eine bloße Illusion. Wie die russisch-amerikanische Philosophin und Autorin Ayn Rand („Atlas Shrugged“) einst treffend feststellte: „Du kannst die Realität ignorieren, aber du kannst die Konsequenzen dieser Ignoranz nicht ignorieren.“ Grundgesetze der Ökonomie können eben auch von noch so ambitionierten Bürokraten nicht aufgehoben werden. Zum „Triumph des Willens“ ist es – wir erinnern uns – schon einmal, trotz allen heißen Bemühens, nicht gekommen…!

Die in finsteren Niederungen der Unterwelt stattfindenden Machenschaften dilettierender Geldfälscher, die sich – anders als die der Profis in ihren lichtdurchfluteten Notenbanken (planwirtschaftlichen Inflationierungsbehörden) – bevorzugt auf die Produktion kleiner Scheine konzentrieren, sind völlig harmlos. Dagegen übersteigen die von den hoheitlich autorisierten Geldproduzenten seit Ausbruch der Finanzkrise in Form von frisch gedruckten Noten und Krediten ins System gepumpten Geldmengen jede Vorstellungskraft.

Selbst die als solide geltende Schweizer Zentralbank hat (zwecks Verhinderung einer drastischen Aufwertung des Franken) die Geldmenge seit 2008 gewaltig ausgeweitet. Es wäre naiv zu glauben, dass diese Papiergeldinflation nicht früher oder später auch auf die Güter des täglichen Bedarfs durchschlagen und einen allgemeinen Kaufkraftverlust der gesetzlichen Zahlungsmittel bewirken wird. Dann allerdings werden auch Krethi und Plethi begreifen, zu welchen Konsequenzen das staatliche Geldmonopol führt – und dass Regierungen und Zentralbanken, nicht aber private „Spekulanten“, für die Zerrüttung unseres Geldwesens die Verantwortung tragen.

Die Zahl der Möglichkeiten, die Kaufkraft seiner Ersparnisse nachhaltig abzusichern, ist recht überschaubar – speziell dann, wenn in immer kürzer werdenden Abständen unverhüllte Drohungen gegen die Sparer ausgestoßen werden (Stichwort Zwangsanleihen!). Dass diese gefährliche Drohung zuallererst nicht etwa aus dem Dunstkreis von Gewerkschaften und/oder einer ultralinken Partei kam, sondern vom Ökonomen eines „wissenschaftlich“ arbeitenden Wirtschaftsforschungsinstituts ausgestoßen wurde, ist ein schlagender Beweis für den intellektuellen Bankrott der Hauptstromökonomie. Wie weiland Keynes, träumen diese „Experten“ von einer „Euthanasie des Rentiers“ – wobei als Rentier heute bereits gilt, wer mietfrei im eigenen, schuldenfreien Reihenhäuschen lebt. Die brutale Pönalisierung des Kapitalaufbaus kann, da die Größe des Kapitalstocks letztlich alles entscheidet, langfristig keinen anderen Effekt, als den einer kollektiven Verarmung nach sich ziehen.

Wie dem auch sei – „klassische“ Anlagevarianten, wie Sparbücher oder (Staats-)Anleihen sind in Zeiten künstlich niedrig gehaltener Zinsen selbst für den bloßen Kapitalerhalt untauglich. Sie bringen Nettoverluste. Papiergeld, daheim unter der Matratze gelagert, ebenso. Langlaufende Lebensversicherungen bedeuten im Falle einer galoppierenden Inflation schlichtweg Kapitalvernichtung. Immobilien wiederum üben auf den Fiskus – besonders im Fall einer Währungsreform – magische Anziehungskraft aus (man denke an die Ereignisse von 1922 und 1948). Schneller als man „Grundrecht auf Eigentum“ sagen kann, hat man – unter dem frenetischem Applaus der Neidgenossenschaft – auf seiner bis dahin lastenfreien Liegenschaft eine „sozial gerechte“ Zwangshypothek eingetragen. Verbleiben diverse spekulative, hochriskante Anlageformen, die allerdings die Gefahr eines Totalverlustes bergen und für den langfristigen Substanzerhalt daher ungeeignet sind.

Gold ist die einzige Wertanlage

Die Alternative zu alldem liegt auf der Hand: Gold ist stabile, unvergängliche, pure Liquidität – der Inbegriff von Geld. Physisches Gold (am besten in Form von weltweit bekannten Bullionmünzen) ist ein universelles Tauschmittel, dessen Wert nicht vom Gutdünken der Politbüros oder korrupter Zentralbanker bestimmt wird. Gold kann man – anders als Papiergeld – nicht beliebig produzieren. Der Besitz von Gold bedeutet – anders als der von Papiergeld – keine Verbindlichkeiten Dritter. Es verkörpert – anders als Papiergeld – einen inneren Wert – keine bloße Hoffnung und kein möglicherweise uneinlösbares Versprechen.

Eine bewährte Investorenregel besagt, dass es in Krisenzeiten angezeigt ist, seine Bargeldbestände zu erhöhen, um für Eventualitäten (z. B. einen „Bankrun“) gewappnet zu sein. In Zeiten ungedeckten Papiergeldes, wird man daher an physischem Gold als einzig „echtem“ Barmittel als zunehmend wichtigem Teil seiner Vermögenswerte schwer vorbeikommen. Es ist allerdings wichtig, zu verstehen, dass der Besitz physischen Goldes kein „Investment“ bedeutet! Es ist „gehortetes“ Vermögen – eine unzerstörbare Absicherung der Zukunft. Wer investieren will und an die Bedeutung des Goldes glaubt, sollte allenfalls daran denken, Goldminenaktien ins Portfolio zu nehmen. Das aber ist ein anderes Paar Schuhe und hat mit Kaufkraftabsicherung nichts zu tun.

Physisches Gold zahlt keine Zinsen – aber es bietet die Möglichkeit, sich abseits des staatlich zwangverordneten Schuld- und Schwundgeldes – eine Wertbasis zu schaffen, deren Stabilität seit Jahrtausenden erprobt und erwiesen ist. Während noch jedes Papiergeld dieser Welt im Laufe der Zeit drastisch an Wert verloren hat oder völlig gescheitert ist, hat Gold, gemessen an seinem Tauschwert, langfristig keine Einbußen erlitten. So erhält man für eine Unze Gold heute, wie schon vor 2000 Jahren, etwa eine komplette, hochwertige Ausstattung an Herrenbekleidung, oder die nahezu gleiche Menge an Rohöl wie vor 100 Jahren (um zwei beliebige Beispiele zu nennen). Der Papierdollar dagegen hat seit 1913 (dem Jahr der Gründung des FED-Systems) rund 97 Prozent seiner Kaufkraft verloren.

Jemand, der hierzulande regelmäßig einkaufen geht, weiß, dass die „gefühlte Inflation“ von jährlich etwa sieben Prozent, seit Einführung des Esperantogeldes, deutlich näher an der Realität liegt, als die mit allerlei Tricks geschönten Werte der beamteten Desinformanten, die von rund zwei Prozent phantasieren. Mittel- und langfristig gehört man als Papiergeldbesitzer jedenfalls zu den Verlierern…

Zum Abschluss die Einleitung des lesenswerten „Goldreports“ des Goldanalysten der österreichischen „Erstebank“, Ronald Stoeferle, eines im Bankwesen seltenen „Austrians“:

„Das Fundament für neue Allzeithochs ist gelegt. Kurzfristig scheint die Saisonalität für eine weitere Seitwärtstendenz zu sprechen, ab August beginnt jedoch bereits die saisonal beste Phase. Als nächstes 12-Monats-Ziel sehen wir die Marke von USD 2.000. Wir erwarten, dass die parabolische Phase noch bevorsteht. Im Zuge dieser Trendbeschleunigung sollte zumindest unser Langfrist-Ziel von USD 2.300 erreicht werden. Einige historische Vergleiche lassen sogar deutlich höhere Preis-Sphären realistisch erscheinen.“

Zum 122 Seiten umfassenden Goldreport 2012 von Ronald Stoeferle/Erstebank: https://produkte.erstegroup.com/Retail/de/ResearchCenter/Overview/Research_Detail/index.phtml?ID_ENTRY=15345

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Italien 2012: Ein naher Nachbar wirkt seltsam fern

01. August 2012 00:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein paar italienische Tage im Krisensommer 2012 zeigen ein verändertes Land – mit den selben alten Eigenschaften. Einige kurze Impressionen.

Noch im Vorjahr sind die angeblich oder wirklich kriminellen beziehungsweise erotischen Eskapaden von Silvio Berlusconi scheinbar das einzige Problem des Landes gewesen, wenn man den dortigen Zeitungen glauben durfte. Heute ist alles anders – obwohl die Schuldenquote des Landes nicht höher ist, als sie es schon vor zwei Jahrzehnten war. Aber heute ist im Zug der europäischen Krise das Vertrauen weg. Und dann wird aus dem Normalzustand plötzlich Panik.

Die Medien überbieten sich derzeit täglich mit neuen Schreckensmeldungen. Wie hoch ist heute der „Spread“? Können die Schulen im Herbst noch geöffnet werden? Vorzeitige Neuwahlen? Geht Sizilien als erstes bankrott, für das nicht einmal mehr Ratings erstellt werden? Dann findet sich aber doch wieder eine altvertraute Meldung, die freilich auch viel über die Ursachen der Krise sagt: Die Eisenbahnergewerkschaften streiken.

Wenn man die Stimmung der Menschen zusammenfasst: Depressiv, aber gefasst. Man bekommt in einst überfüllten Lokalen leicht einen Platz. Die extrem hohen Benzinpreise machen klar, warum alle grenznahen Autofahrer in Österreich noch volltanken. Und noch anschaulicher sind die Angebote der Banken: Diese werben groß mit vier Prozent Zinsen, die sie für einjährig gebundenes Geld zu zahlen bereit sind. In Österreich bekommt man nur die Hälfte.

Der Tourismus scheint im Gegensatz zu Griechenland noch halbwegs zu halten, hat es doch in Italien keinerlei ausländerfeindliche Signale gegeben. Bisweilen wird einem sogar mit vielen Dankesworten die Hand gedrückt, weil es als Zeichen der Solidarität aufgefasst wird, dass man auch in Zeiten wie diesen ins Land kommt.

Durch eine in ganz anderem Zusammenhang stehende Maßnahme ist Italien freilich gerade dabei, Touristen zu vertreiben: In vielen Städten wurde nämlich in jüngster Zeit ein Einfahrverbot für „nichtautorisierte“ Fahrzeuge verhängt. Das ist so großflächig angesetzt worden, dass man es keineswegs mit innerstädtischen Fußgängerzonen vergleichen darf. Dadurch werden Besuche vieler schöner Städte des Landes unmöglich oder kräftig erschwert.

Alles ist noch dazu mit totaler Verwirrung und Unklarheit umgeben, ohne dass es irgendeine Hilfe für ortsunkundige Autofahrer gäbe. Sämtliche Stadtpläne, GPS-Hilfen und Wegweiser führen zu Parkplätzen innerhalb dieser verbotenen Zone, wo dann aber ausdrücklich steht, dass man hier nicht parken darf. Erkundigungen, wie man sich da eigentlich als Ausländer richtig verhalten soll, führen zwar zu etlichen langen Gesprächen mit netten Informationsbeamten. Klarheit erhält man aber keine, außer dass man am besten einige Tage vorher anrufen hätte sollen, um registriert zu werden. Zugleich hat sich jede Stadt ein anderes System der Fahrrestriktionen zurechtgelegt. Es gibt nur eine einzige Gemeinsamkeit: totale Unklarheit. Das alles ist mit Sicherheit geeignet, Städtetouristen zu vertreiben – obwohl die eigentlich die bestzahlende Klientel eines Touristenlandes sind.

Die Italiener haben damit wieder einmal ihren Hang zu überbürokratischem und überschießendem Aktionismus demonstriert, der nur zweierlei bewirkt: Chaos und zusätzliche Beschäftigung für viele Beamte, die zu dessen Administration nötig sind.

Freilich ist durchaus möglich, dass auch dieses Fahrverbotssystem nur selektiv ernstgenommen wird, so wie viele andere italienische Regelungen. Denn man bekommt sogar schon komplizierte Tipps, wie man sich an den elektronischen Kontrollen des Fahrverbots vorbeischwindeln kann.

Nicht ernst genommen werden von den italienischen Behörden jedenfalls auch Schengen und alle sonstigen Zuwanderungsrestriktionen Richtung Europa. Noch nie jedenfalls waren – alle besuchten – italienischen Städte so voller Schwarzafrikaner. In großer Zahl trifft man sie in jeder Innenstadt. Sie sind gut gekleidet, aber bis auf einige Schwarzmarkt- und Bettel-Aktivitäten nie in irgendeinen Arbeitsprozess involviert.

Italienische Grandezza mit ihrem Hang, jedes Problem erst dann zur Kenntnis zu nehmen, wenn es zur großen Katastrophe ausgewachsen ist, zusammen mit katholischem Gutmenschentum und linkem Hass auf die Gesellschaft: Mit diesen drei Faktoren hat man wohl am besten die Ursachen der italienischen Probleme angesprochen – gleichgültig, ob es um die Staatsfinanzen oder die illegale Immigration geht.

Und so liebenswert die Italiener auch sind, so ist doch klar: Irgendwann werden ihre Probleme dann immer auch die unseren.

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Die Manipulationen der Arbeiterkammer

31. Juli 2012 23:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Verdienen Österreichs ATX-Vorstände wirklich das 48fache ihrer Angestellten, wie die Arbeiterkammer suggeriert und alle Medien brav abschreiben? Oder doch nur das 11fache?

Regelmäßig lässt Österreichs oberster Arbeiterkämmerer Werner Muhm einen Bericht herausgeben, der die Einkommen der obersten drei Dutzend ATX-Vorstände herauspickt und ins Verhältnis zu Millionen Normaleinkommen stellt. Er soll die Verkommenheit des Kapitalismus herausstellen. Warum stellt die Wirtschafskammer nicht ein paar Dutzend Schwarzarbeiter ins Verhältnis zu Millionen Steuerzahlern, um die Verkommenheit des Wohlfahrtsstaates anzuprangern? Warum vergleicht niemand die Gagen unserer Fußball-Trainer mit denen von Millionen kickenden Österreichern? – Weil es manipulativ und unfair ist.

AK-Studie 2008: Trotz Börsenkrise erneut Rekordgagen für ATX-Manager? – ATX-Manager verdienen im vergangenen Jahr 1,300.426 Euro pro Kopf (+14 Prozent), während die Personalkosten auf 27.349 Euro brutto pro Beschäftigten (- 5 Prozent) gesenkt wurden. ?(Arbeiterkammer.at, 23.5.2008)

Bei der Errechnung ihrer Zahlen kann die Arbeiterkammer seit Jahren darauf vertrauen, dass sie niemand nachrechnet oder gar unangenehme Fragen stellt. Der Autor tat es dennoch und kam zu erstaunlichen Ergebnissen: Die Zahlen sind (wohlwollend formuliert:) „grob manipulativ (und) konstruiert“. Personalkosten von 27.349 Euro bedeuten einen Monatslohn von nur 1.953 Euro brutto im Monat − in einem Konzern? Wer schon einmal eine Konzernbilanz gelesen hat, der weiß, dass dieser Wert um mindestens 50 Prozent höher liegen müsste.

Zu ähnlichen Zahlen kommt auch die Statistik der „Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung“, kurz ÖGPP[1]. So hätten die Vorstände etwa des „Raiffeisen International“-Konzernes 2007 im Schnitt eine Million Euro brutto verdient. Den eigenen Mitarbeitern habe man gemäß Bilanz jedoch nur 14.795 Euro brutto zugestanden[2]. Damit habe „der“ „Raiffeisen International“-Manager das 68fache eines Angestellten verdient. Unglaublich – Zu Recht.

Raiffeisen-Top-Manager mit 924 Euro Brutto im Monat?

Denn von den 58.365 International-Giebelkreuzlern arbeiteten 2007 gerade einmal 256 (!) Personen in unserem Land! Und das waren ein paar Spitzenleute in der Wiener Konzernzentrale, die den Megakonzern steuern. Die restlichen 58.100 beziehen ihre Löhne in Osteuropa.[3] Weil sie dort auch leben. Das durchschnittliche Einkommen des „Raiffeisen International“-Mitarbeiters hat man bei der ÖGPP 2008 mit 15.730 Euro brutto jährlich berechnet. Bei 16 Gehältern im Jahr wären das für einen Top-Mitarbeiter in der Konzernzentrale gerade einmal 924,69 Euro brutto im Monat!

Glauben Österreichs Journalisten denn wirklich, der oberste „Risk-Manager“ eines internationalen Bankkonzerns würde sich mit 924,69 Euro brutto im Monat abspeisen lassen? Mit einem Stundenlohn von 5,40 Euro?

Eine andere Studie der AK kommt schon bei einem durchschnittlichen Filialangestellten auf ein Monatsgehalt von etwa 2.200 netto[4]. Macht bei 16 Gehältern also gut und gerne 60.000 Euro jährlich. Und weil wir die Zahlen mit denen einer Konzernzentrale vergleichen wollen, rechnen Sie getrost noch einmal 50 Prozent dazu, macht also 90.000 Euro. DAS ist das realistische Jahresgehalt eines österreichischen (!) Bankers in der Konzernzentrale von „Raiffeisen International“. Als Untergrenze. Der Vorstand kriegt 990.000. Macht also ein Verhältnis von 1:11 – und nicht eines von 1:48 – oder gar 1:68!

AK-Behauptung: „ATX-Manager kürzten die Löhne eigener Mitarbeiter“

Raffgierige Manager steckten sich die Taschen immer voller, während man den eigenen Leuten die Gagen kürze, suggeriert die AK-„Propaganda“. Alleine 2007 „zahlte man den eigenen Mitarbeitern um fünf Prozent weniger“. Wer glaubt denn so einen Unsinn?“ Noch nie seit 1955 wurden in Österreichs Wirtschaft „großflächig“ Löhne gekürzt.

Die Wahrheit: Mit ihrer erfolgreichen Expansion nach Osteuropa konnten Österreichs Firmen den Standort in der Heimat sichern. 2007 beschäftigte man bereits 523.000 Mitarbeiter im Ausland, davon ca. 200.000 in Osteuropa. Weil im Zuge der Finanzkrise 2007 und 2008 die Ostwährungen gegenüber dem harten Euro aber um bis zu 50 Prozent gefallen waren (die ukrainische Hryvna 2008 um -46%!), waren die Löhne osteuropäischer Arbeiter bei der Umrechnung auf dem Papier in Euro nun weniger wert. Je höher der Anteil osteuropäischer Angestellter einer Firma war, desto geringer war folgerichtig die gesamte Lohnsumme in Euro wert. Gleichzeitig stieg damit die Kluft zu den Vorstandsbezügen, die ihr Gehalt in Euro bezogen.

Österreichs Firmen hatten die Löhne nicht gekürzt, auch nicht in Osteuropa. Ganz im Gegenteil: Alleine Raiffeisen International hatte 2007 um elf Prozent mehr Leute in Zentraleuropa aufgenommen und hatte ihnen 27 Prozent in regionaler Währung mehr bezahlt[5]! – Nur in Euro umgerechnet war es halt weniger wert.

Wenn man das Verhältnis der Top-Manager zu ihren Angestellten vergleichen wollte, müsste man die Löhne osteuropäischer Angestellter mit den viel kleineren Bezügen ihrer osteuropäischen Manager vergleichen. Das Ergebnis läge irgendwo bei 1:11. Soll aber die Spreizung österreichischer Löhne verfolgt werden, haben osteuropäische Gehälter dort nichts verloren. Die Gehälter österreichischer Top-Manager dürfen nur ins Verhältnis zu den Gehältern ihrer österreichischen Angestellten gesetzt werden. Dabei kommt man auf Werte von etwa 1:11. Da hilft es auch nichts, wenn die AK im (eher klein gehaltenen) Fließtext auf die Osteuropäer in den untersuchten Firmen hinweist.

AK 2012: ATX-Manager verdienen das 48fache „von Österreichern“?

Via ORF ließ Werner Muhm die Österreicher (wie erwartet) wissen, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander gehe. Und dass Österreichs Vorstände im Jahr 2008 das 48fache „ihrer österreichischen Mitarbeiter“ verdient hätten. Der ORF hatte die vermeintliche Skandal-Meldung (wie erwartet) ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt über alle zur Verfügung stehenden Kanäle verbreitet[6].

Wer genau liest, der hat es bemerkt: AK-Direktor Muhm verglich die Manager-Gagen plötzlich nicht mehr mit denen von Konzernangestellten, sondern mit einem nebulosen „österreichischen Durchschnittsgehalt“. Auf Anfrage ließ die Arbeiterkammer 2012 wissen, dass man die Berechnungsbasis geändert habe und die Managergehälter nun mit dem Durchschnittsgehalt von 27.437 Euro vergleiche. Diese stammten also vom (SPÖ-nahen) Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, welches sich wiederum bei der Statistik Austria bedient hatte, die von einem SPÖ-Mann geleitet wird.

Damit kommt die AK auch 2011 wieder auf ein Verhältnis von 1:48 – „Uff!“

Konzern

Angestellter

(brutto)[7]

Vorstandsbezug[8]

Verhältnis

AUA

€ 48.542

€ 465.333

1:10

BWIN

€ 53.409

€ 550.000

1:10

Raiffeisen Int.

€ 90.000

€ 990.000

1:11

Telekom Austria

€  64.998

€ 860.000

1:13

Generali

€  52.274

€ 458.000

1:9

Verbund

€  91.297

€ 831.000

1:9

AK

€  27.349

€ 1.300.000

1:48

Lesen ORF-Journalisten keine Bilanzen? Wahrscheinlich gibt es keinen einzigen österreichischen Konzern, dessen österreichische Mitarbeiter nur 27.437 Euro brutto jährlich verdienen. So bekommt man bei Schöller-Bleckmann oder der „Voest Alpine AG“ in Österreich heute etwa 45.000 Euro im Jahr, bei der Telekom Austria 66.000 – immerhin das Zweieinhalbfache des AK-Bezugswertes.

Bei der Generali AG verdienen Österreicher jährlich 55.000 – das Doppelte des AK-Wertes. Bei der AUA sind es heute etwa 48.000 Euro, bei Intercell sind es 56.000, beim Verbund sogar über 90.000 Euro − mehr als das Dreifache des Arbeiterkammer-Wertes. Beim Maschinenbauer Andritz waren es 42.000, bei Zumtobel ebenso – und selbst bei der Post verdiente man noch knapp 33.000 Euro.[9]

Die 27.437 Euro Jahresgehalt sehen eher nach dem Durchschnitt aller 3 Millionen heimischen Gehälter aus. Folglich wären da aber auch Hunderttausende (kleiner) Handwerkerlöhne wie die von Friseurinnen, Schuhmachern und Zimmermädchen eingeschlossen. Eine entsprechende Anfrage an die Arbeiterkammer blieb unbeantwortet.

Wer den Menschen suggeriert, eine abgehobene Manager-Kaste würde sich 48 Mal so viel ausbezahlen wie den eigenen Mitarbeitern, spricht nicht die Wahrheit. Aber er schürt die Wut und den Hass auf „das System“. Die Manager-Vergleiche der Arbeiterkammer machen deutlich, wie dringend Österreich den „Wirtschaftsjournalisten“ braucht – er soll ausschließlich auf wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten angeboten werden und auf dem BWL-Bachelor aufsetzen.

Und es zeigt schonungslos, wie schlecht Österreichs Mainstream durch seine Medien kontrolliert wird. Denn Österreich hat ein veritables Demokratieproblem.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Soeben ist sein neues Werk erschienen: „Die Gemeinwohl-Falle". Das Buch ist die Antwort auf die globalisierungskritischen Thesen eines Christian Felber („Attac Österreich“), eines Jean Ziegles oder einer Arbeiterkammer.

Endnoten

[1] Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2006-2010 sowie 2002-2010, Hauenschild/Höferl, ÖGPP, 2011

[2] 2008 waren 20.763 Euro Personalaufwand pro Mitarbeiter angegeben. Bei 32 Prozent Lohnnebenkosten kommt man auf 15.730 Euro Jahresgehalt.

[3] Raiffeisen International, Geschäftsbericht 2008, „Human Ressources“, Entwicklung des Personalstandes

[4] „Wir sind keine Berater, wir sind Verkäufer - Probleme von Beschäftigten im Finanzdienstleistungsbereich Banken“, AK Salzburg, 2008

[5] www.ri.co.at, 6.1.2010

[6] (kaernten.orf.at, 29.2.2012)

[7]„Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2004-2008“, ÖGPP, Oktober 2009

[8] „Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2004-2008“, ÖGPP, Oktober 2009

[9] Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2006-2010 sowie 2002-2010, Hauenschild/Höferl, ÖGPP, 2011

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Bevor Deutschland zu Griechenland wird

31. Juli 2012 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In stürmischen Zeiten wie diesen zeigt sich das wahre Gewicht der Souveränität von Kleinstaaten. Es ist gleich Null. Sämtliche Entscheidungen in der europäischen Schuldenkrise laufen völlig an Österreich vorbei. Nicht einmal in den Diskussionen über ein zweifellos gewaltiges Problem ist das Land durch relevante Beiträge präsent gewesen. Dabei stimmt das verbreitete Vorurteil keineswegs, dass die EU-Institutionen ohnedies über die Mitgliedsstaaten drüberfahren würden. Denn in Wahrheit sind in den letzten zweieinhalb Jahren alle wichtigen Entscheidungen nicht in Brüssel, sondern in einem Mitgliedsland, nämlich Deutschland gefallen.

Lediglich in der Sarkozy-Periode hat noch ein zweites Land den Eindruck einer Mitsprache erwecken können. Der Rest war Deutschland. Dort hat 2010 Finanzminister Wolfgang Schäuble als erster die – problematische, aber wirksame – Parole ausgegeben, dass Griechenland nicht fallengelassen werde. Und nur dort werden im Herbst auch die nächsten Entscheidungen fallen.

Die werden in jedem Fall wieder gravierend sein. Nachdem sich die Hilfspolitik gegenüber Griechenland als reine Geldverbrennung erwiesen hat, werden nun die Stimmen immer lauter, das Land an der Ägäis doch fallenzulassen. Wobei es fast gleichgültig ist, ob das nun als Staatsbankrott im Euro oder als Ausscheiden aus dem Euro dargestellt wird.

Während etwa in Österreich selbst die kleinsten Andeutungen einer solchen Möglichkeit durch die Finanzministerin dieser sofort breiten Tadel in Politik und Medien einbringen, wird in Deutschland das Aus für Griechenland in aller Breite und Offenheit diskutiert. Schon an dieser Debatte – von der Politik bis zur Wirtschaftswissenschaft – sieht man das Selbstbewusstsein eines Landes, auf das es eben ankommt.

Warum hat Deutschland eine viel fundiertere Debatte?

Dahinter stehen zweifellos auch Qualitätsunterschiede im politisch-medial-wissenschaftlichen Personal. In Deutschland findet – und hört – man Hunderte Ökonomen, die tiefer analysieren als alle heimischen Experten. In der österreichischen Politik hat außer der Finanzministerin eigentlich niemand auch nur eine Ahnung über alle Aspekte und Zusammenhänge der Finanzkrise. Auch auf Beamtenebene finden in Wien einzig im Finanzministerium (zum Teil halböffentlich) spannende und substanzielle Diskussionen statt. Im Parlament, in Talkshows oder auf Professorenebene gibt es nur billige EU-Apologetik oder ebenso billige Anti-Aggression.

In Deutschland sind es vor allem CSU und FDP, die sich derzeit mutig in Richtung auf ein Aus für Griechenland positionieren. Dabei sind das in der Koalition jene Parteien, die sich bisher häufig duelliert haben, was wiederum Angela Merkel lange ermöglicht hat, den ruhenden und souveränen Pol zu spielen. Aber beide Parteien spüren jetzt offenbar stärker als Merkel oder Schäuble, wie unpopulär die Rettungspolitik ist. Und sie sehen daher angesichts schlechter Umfragen eine Profilierungschance.

Verdrängung ist ein Wert aus Österreich

Die deutsche Eskalation in Sachen Mut ist aber zweifellos auch durch die – erste – Verschlechterung des deutschen Ratings ausgelöst worden. Die Ratingagentur hat dabei im Grund jedoch nur logisch gehandelt: Wenn all die Haftungen schlagend werden, die Deutschland schon eingegangen ist beziehungsweise noch eingehen wird (sofern das deutsche Verfassungsgericht den „Rettungsschirm“ ESM erlaubt), und wenn der Großteil des verliehenen Geldes nie zurückgezahlt wird, dann ist auch Deutschland de facto pleite. Es gibt wenig Zweifel, dass diese Wenns von Monat zu Monat an Wahrscheinlichkeit zunehmen.

Dagegen verliert der Merkel-Spruch, dass die Hilfspolitik alternativlos wäre, rasch an Überzeugungskraft. Wenn das Ergebnis ihrer alternativlosen Politik ist, dass aus Deutschland Griechenland wird – und nicht wie versprochen umgekehrt –, dann wäre jede andere Alternative besser.

Das gilt natürlich genauso auch für Österreich. Nur wird das hier von keinem großen Medium, von keinem Minister, von keinem staatstragenden Ökonomen so artikuliert und analysiert. Die Österreicher feiern offenbar lieber so wie 1914 den wenn auch verregneten Sommer, während ringsum alles ins Zusammenbrechen kommt. Verdrängung ist ein Wert aus Österreich.

In Deutschland hingegen ist die Debatte so hart, dass auch schon manche von vorzeitigen Neuwahlen reden. Was natürlich der absolut falsche Weg wäre. Denn Neuwahlen lösen die Krise nicht, sondern machen nur jede Entscheidung noch schwieriger, wie Griechenland gezeigt hat.

Die anderen Schuldenstaaten schauen genau auf Griechenland

Eigentlich braucht es längst keine Debatte und kein Nachdenken mehr, ob man weiteres Geld nach Griechenland schicken oder ob man diesmal Nein sagen sollte. Denn: Auch wenn der Bericht der sogenannten Troika (EU, EZB, IWF) über die Hellenen noch aussteht, ist inhaltlich das Ergebnis völlig klar. Griechenland hat wieder nicht die versprochenen Reformen umgesetzt. Um das zu erkennen, muss man nur die Beschlüsse von Regierung und Parlament in Athen beobachten. Wenn die Troika keine Halluzinationen hat, kann auch sie nur zu einem negativen Urteil kommen.

Mit anderen Worten: Wenn Deutschland, wenn Europa wenigstens halbwegs glaubwürdig bleiben wollen, dann müssen sie jetzt einfach ihre Ankündigungen einhalten. Die haben Hunderte Male klar gelautet: Keine Reformen, kein Geld.

Bei dieser Glaubwürdigkeit geht es keineswegs nur um einen abstrakten Wert, um eine wählerwirksame Tugendbolderei. Es geht vor allem um die Beispielswirkung. Denn wenn Griechenland noch einmal mit seinen Schmähs durchkommen sollte, dann hat das verheerende Konsequenzen in vielen anderen Ländern. In Italien und Spanien werden die Gewerkschaften noch viel heftiger gegen die Sparversuche der jeweiligen Regierungen kämpfen. Und auch Portugal wie Irland werden ihre Sparanstrengungen einstellen, wenn aus Berlin und Brüssel das Signal kommt, der – scheinbar – reiche Onkel zahle ohnedies weiterhin alle ungedeckten Schecks. Dabei haben diese beiden Krisenländer zumindest bisher recht ordentlich ihre zugesagte Sanierungspolitik umgesetzt, sind aber noch lange nicht am rettenden Ufer.

Das Dilemma der Angela Merkel

Der Kein-Geld-mehr-für-Griechenland-Mut von CSU und FDP wird aber auch in Deutschland keineswegs von allen geteilt. Rot und Grün treten mit Ausnahme von Exminister Steinbrück ständig für weitere Hilfen ein; die beiden Parteien haben sogar große Sympathien für Eurobonds und andere Formen einer fortgesetzten Schuldenübernahme.

Und Angela Merkel ist völlig verunsichert. Sie weiß: Wenn sie diesmal konsequent bleibt, werden von Helmut Kohl bis zu den vielen linken Medien, von der Brüsseler Kommission bis zu einer Vielzahl ausländischer Regierungen alle über sie herfallen und sie als Mörderin Europas geißeln, samt den üblichen Anspielungen auf die deutsche Kriegsschuld. Diese Rolle ist halt so gar nicht nach Merkels Charakter. Sie weiß aber auch, dass die gegenwärtige Stabilität selbst in Deutschland durch heftige ökonomische Turbulenzen bedroht ist, wenn wirklich ein erster EU-Staat fallengelassen wird. Das wird einen unberechenbaren Tsunami auslösen. Einen sanften Krisenausklang kann es nämlich gar nicht mehr geben.

Merkel ist vor allem in Hinblick auf die deutsche Volksseele unsicher: Werden ihre Landsleute begreifen, dass die bei einem Nein zu weiteren Griechenland-Geldern ausbrechenden Turbulenzen harmlos sind gegen das, was droht, wenn man noch einmal nachgegeben hätte? Wähler denken oft nicht über die Alternativen zu einer unangenehmen Entscheidung nach. Sie reagieren einfach empört, wenn ihnen die in jedem Fall unvermeidliche Rechnung präsentiert wird. Auch wenn sie ein paar Wochen davor noch ganz anders gedacht und nach einem Aus für die Griechenland-Hilfe gerufen haben.

Schmerzfreie Alternativen wird aber auch Merkel keine mehr finden. Dazu ist in Europa und in fast jedem einzelnen Land schon viel zu viel schief gelaufen.

Die Wagenknecht-Illusion

Eine schmerzfreie Alternative stellen auch die jüngsten Ideen der linken Sahra Wagenknecht nicht dar, auch wenn diese derzeit in Deutschland weithin als eine liberale Wende der Salonkommunistin gefeiert werden. Wagenknecht verlangt nämlich eine Ende der ständigen Rettung von Staaten und Banken. Das ist sicher richtig und ein klares liberales Prinzip. Alle anderen linken Politiker haben in den letzten Jahren hingegen ständig nach immer noch mehr „Solidarität“, also teuren Rettungsaktionen gerufen.

Wagenknecht schlägt aber zugleich vieles sehr Problematische vor. Sie will, dass den Staaten sofort alle 60 Prozent des BIP übersteigenden Schulden gestrichen werden. Und sie will auch, dass sich die Staaten künftig gleich direkt bei der Europäischen Zentralbank finanzieren können. Das wäre eine endgültige Katastrophe. Dann wäre jede Bremse für die Geldverbrennung durch die Regierungen beendet. Dann könnte niemand mehr darüber entscheiden, welches Land noch kreditwürdig scheint und welches nicht. Dann hätten die Staaten zugleich die Kontrolle über praktisch alle Banken.

Denn die wären alle bankrott, wenn kein Staat mehr Anleihen zurückzahlen würde (Sind doch fast alle Euro-Staaten mit mehr als 60 Prozent verschuldet). Mit einem Bankencrash wären natürlich auch die dort liegenden privaten Vermögen kaputt, die über eine Mindestsicherung hinausgehen. Nach einer Verstaatlichung der Banken würden Politiker bei der privaten Kreditvergabe heftig mitentscheiden. So wie sie es jahrzehntelang in Kärnten und bei fast allen anderen Landesbanken oder bei den einstigen Staatsbanken getan haben. Mit katastrophalen Folgen.

Aber dennoch zeigt die Wagenknecht-Diskussion eines: In Deutschland wird von allen Seiten wenigstens heftig diskutiert und nachgedacht. Worauf Österreich konsequent verzichtet.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Welche PKW kauften die Österreicher 2012?

29. Juli 2012 13:04 | Autor: Andreas Unterberger

PKW-Neuzulassungen Jänner bis Juni 2012 nach Marken und Typen

 

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Wie entwickelten sich Konsumausgaben & Einkommen?

29. Juli 2012 12:56 | Autor: Andreas Unterberger

Einkommen in Österreich nach Quellen, brutto & netto, absolut sowie in Relation zum Vorjahr 2003-2011

 

 

Entwicklung der Konsumausgaben nominell bzw. Veränderung real 2003-2011

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Die Faustregel

28. Juli 2012 03:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Wie einst in Delphi Pythia
sind heute Agenturen da,
die Zukunft zu erraten –
und wenn der Pleitegeier ruft,
wird eben flott herabgestuft,
ob Banken oder Staaten.

Italien betraf’s zuletzt,
und manche fragen nun entsetzt:
Wie konnte das passieren,
denn sorgt dort nicht seit letztem Jahr
als Goldmann-Sachsen-Kommissar
der Monti für Manieren?

Doch seht nur, gar nix ist passiert:
Die Kurse hat es nicht tangiert,
und Großkredit gibt’s weiter,
sind Investoren ja perfekt
durch Schirme aller Art gedeckt –
da bleibt man froh und heiter!

Alsbald schon winkt noch mehr an Glück,
denn Berlusconi kehrt zurück,
wie Meldungen besagen:
Gebräunt, verschlankt und durchtrainiert,
so quasi generalsaniert,
will er es nochmals wagen.

Auf dass sie besser sich verkauft,
hat die Partei er umgetauft,
der Adler wird zum Wappen,
und mit genügend Rauch und Schall,
wie altbewährt auf jeden Fall,
könnt’s wirklich wieder klappen.

Wer Sieger wird das nächste Mal,
ist aber ohnehin egal –
wie überall bei Wahlen,
denn nach dem kurzen Gaudium
ist stets das Volk genauso dumm,
und muss die Zeche zahlen…

Pannonicus

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Die Kuschelökonomie

28. Juli 2012 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Im Grund ist alles Psychologie. Das wissen Börseprofis. Sie versuchen bei jeder kleinen Nachricht zu ahnen, wie die anderen – der „Markt“ – reagieren werden, und handeln dementsprechend.

Auch in der Erziehung ist die eigene psychologische Glaubwürdigkeit zentral. Wenn Eltern Kindern ständig etwas androhen (à la: „Dann darfst du nicht fernsehen“), das aber aus Angst vor einem Konflikt nie realisieren, dann verlieren sie jede Glaubwürdigkeit. Sie ernten im Lauf der Zeit die Verachtung ihrer Kinder und das Risiko viel ärgerer Konflikte. Die Kuschelpädagogik der 68er Generation ist aus diesem Grund gescheitert.

Nur die europäische Politik handelt noch nach deren Regeln, vor allem rund um den Euro. Sie hat damit die eigene Glaubwürdigkeit verspielt. Statt konsequent zu sein, hat sie sich lächerlich gemacht.

Sie hat aus Weichheit Länder in den Euro aufgenommen, welche die eindeutigen Aufnahmekriterien bei weitem verfehlt haben. Es gab nie Konsequenzen gegen jene Staaten, die dann nach Einführung des Euro die Regeln verletzt haben. Es gab keinerlei Strafmaßnahmen wegen betrügerischer Manipulationen volkswirtschaftlicher Daten; Kommissionspräsident Barroso ist noch immer im Amt, der die Griechen 2004 in aller südländischen Grandezza von diesem (vielleicht sogar mit Wissen Brüssels passierten!) Betrug pardoniert hat. Europa hat die hoch und heilig auf höchster EU-Verfassungsebene einbetonierte No-Bailout-Regel gebrochen und entsorgt (also das Verbot, andere EU-Länder aus einer Pleite herauszuboxen). Griechenland hat jedes Mal die detailliertesten Reformzusagen gebrochen und dennoch jedes Mal nach einigem Zetern immer das benötigte Geld bekommen.

Wer soll heute noch diese EU, diese EZB ernst nehmen? Auch die Griechen tun das nicht. Sie haben nur solange ernsthaft gespart, als sie mit einer Pleite rechnen mussten. Sobald die ersten Hilfsgelder da waren, tun sie nur noch so als ob. Was aber noch schlimmer ist: Die mangelnde Konsequenz gegen Griechenland wirkt sich auch in allen anderen Ländern aus. Niemand nimmt Drohungen aus Brüssel weiter ernst. Man beklagt zwar wie ein professioneller Friedhofsredner tränendrüsendrückend ein „Zu Tode sparen“, aber dennoch gibt es auch heute nur ein einziges EU-Land, das weniger ausgibt, als es einnimmt. Das ist Estland . . .

Aber man würde doch das große „Friedensprojekt Europa“ gefährden, so heißt es von den Fans dieser Kuschelökonomie, wäre man wirklich konsequent! Deshalb sei der „Vorrang der Politik“ über alle Ökonomie so wichtig! Wahr ist freilich das Gegenteil. Zwar hat man sich – wie Eltern, die dann halt doch immer das Fernsehen erlauben, – kurzfristig einen Konflikt erspart. Langfristig wird es dafür umso sichererer umso größere Konflikte geben.

Hätte man die Griechen 2000 nicht in den Euro gelassen oder sie seit 2010 nicht durchgefüttert, hätten sie selbstverantwortlich handeln müssen. Jetzt aber sind an jedem Übel in Griechenland die Deutschen schuld und an allen deutschen Problemen die Griechen. Hass ist nie gut für den Frieden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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UVP: Der Megaschaden durch grüne und provinzielle Dummheit

25. Juli 2012 01:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In aller Stille wurde im Trubel des politischen Saisonschlusses ein neuer schwerer Anschlag auf die wirtschaftliche Zukunft Österreichs Realität. Aber niemand hat sich aufgeregt. Denn wieder einmal haben grüne und provinzielle Borniertheit einen Schulterschluss geübt. Und in diesem Fall ist in Österreich jede Dummheit mehrheitsfähig. Besonders dann, wenn einer der Haupttäter hinter den Kulissen Erwin Pröll heißt.

Es geht um die Neuregelung der Umweltverträglichkeitsprüfung UVP. Diese verzögert jede relevante Investitionen um Jahre, meist sogar Jahrzehnte. Dabei gäbe es für diese Projekte oft durchaus das notwendige und sonst oft fehlende Geld, weil sie wirtschaftlich häufig sinnvoll sind. Dabei sind solche Investitionen der beste Anschub für neues Wirtschaftswachstum, das ja derzeit von allen Seiten als dringend notwendig in Zeiten der Krise erkannt wird. Denn nur mit einem nicht durch neue Schulden erkauften Wachstum könnte es vielleicht doch noch möglich sein, den größten Schuldenberg der Menschheitsgeschichte abzubauen.

Dennoch hat man die UVP dramatisch verschärft. Der Gesetzgeber – Hauptverantwortlicher wieder einmal Nikolaus Berlakovich – sorgte dafür, dass künftig in noch viel mehr Fällen eine solche UVP stattfinden wird. Womit noch viel mehr Investitionen als bisher auf unendlich lange Bänke verschoben werden. Womit diese Investitionen noch viel teurer werden. Womit viele von ihnen künftig nicht mehr in Österreich, sondern im Ausland getätigt werden.

Denn künftig werden 25 grüne Privatvereine, die sich großspurig NGO – Nichtregierungsorganisationen – nennen, ein Antragsrecht haben, um eine solche UVP durchzusetzen (Genauer gesagt: sie können jeden Bescheid beeinspruchen, der ein Projekt als nicht UVP-pflichtig eingestuft hat). Damit droht jedes über die Dimension einer Schrebergartenhütte hinausgehendes Projekt via UVP erstickt zu werden. Denn zumindest einer dieser Vereine wird mit Sicherheit einen solchen Antrag stellen. Schon um die eigene Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen.

Gleichzeitig hat der niederösterreichische Populist Erwin Pröll Hand in Hand mit den grünen Wirtschaftsgegnern noch etwas ähnlich Wahnwitziges durchgesetzt: Aus lauter Angst, dass sich die Erdgasschätze unter dem Weinviertel als so groß wie vermutet erweisen könnten, ist nun nicht nur deren eventuelle Nutzung (wie bisher) UVP-pflichtig, sondern auch schon jede Probebohrung. Was natürlich jede Probebohrung verhindert. Angesichts der Tatsache, dass die Energieknappheit neben der Schuldenkrise und dem demographischen Kollaps das größte Zukunftsproblem Europas ist, ist das vorsichtig ausgedrückt extrem kurzsichtig.

Diese prohibitiv wirkende UVP-Pflicht trifft freilich nicht nur Probebohrungen nach Gas oder Öl, sondern auch jene nach warmen Quellen oder anderen Nutzungsformen der Geothermie. Man weiß ja bei einer solchen Bohrung vorher nie, auf was man stößt. Diese Erdwärme ist eine derzeit sehr viel versprechende Quelle der alternativen Energiegewinnung und noch nicht als so unsinnig entlarvt wie Solarenergie-Investitionen nördlich der Alpen. Aber Pröll fürchtet, dass einige Niederösterreicher ihn beim nächsten Mal nicht wählen werden, wenn irgendwo am Horizont ein Bohrturm auftaucht. Also dürfen die nicht auftauchen.

Pröll hat sich übrigens im Zusammenhang mit der UVP-Novelle noch in einem weiteren Punkt durchgesetzt, der aber wenigstens keinen wirtschaftlichen Schaden anrichtet. Der gleichsam ein Gegengeschäft mit den Grünfreaks darstellt: Die dritte Piste für den Flughafen Schwechat darf gebaut werden. Diese wäre wichtig für Tourismus und den Konferenzstandort Wien, sie würde zur Entlastung der bisherigen zwei Pisten beitragen, und dürfte auch die Lärmbelastung mancher Regionen im Großraum Wien reduzieren. Das wäre also positiv.

Freilich: Ob diese Piste überhaupt jemals benötigt wird, ist nach dem von Politik und Gewerkschaft verschuldeten und von den neuen Eigentümern bisher keineswegs aufgefangenen Sinkflug der AUA noch keineswegs sicher. Einzige Hoffnung ist der Umstand, dass in Frankfurt wie München die Flughafengegner die Oberhand haben, sodass Wien doch noch ein wenig Bedeutung zurückerobern könnte.

Noch einmal zurück zur UVP. Manche werden einwenden, im Gesetz stehe doch eine knappe zeitliche Begrenzung der UVP-Verfahren. Daher sei das alles doch nicht so schlimm. Liebe Träumer, bitte aufwachen: Das ist doch eine rein theoretische und völlig konsequenzenlose Bestimmung. Eine Lex imperfecta, wie das die Juristen nennen. Oft dauert ja schon die Suche nach einem Sachverständigen länger, als die im Gesetz stehenden Fristen betragen . . .

PS.: Dass in früheren Zeiten die Industriellenvereinigung bei solchen Dummheiten laut aufgeschrien hätte, ist ferne Vergangenheit. Denn diese Vereinigung ist nun „sozialliberal“ und nur noch an der Zerstörung des Gymnasiums und der Familie interessiert, und nicht mehr am Industriestandort Österreich.

 

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Dummheit, nicht Armut macht krank

24. Juli 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Gesundheitssystem mit seinen explodierenden Kosten zählt neben Pensionen, Schulden und Demographie zu den gefährlichsten Zeitbomben, auf denen die Europäer sitzen. Und in keinem Bereich wird so emotional und gutmenschlich, aber in Wahrheit untergriffig argumentiert. Wie: „Gesundheit darf keine Frage des Geldes sein.“ Oder: „Es ist ein Skandal, dass Armut krank macht“.

Solche Sätze werden ständig wiederholt. Und dennoch sind beide Sätze falsch. Denn: Wenn Gesundheit keine Frage des Geldes sein darf, müssen dann etwa Ärzte, Krankenschwestern, Pharmaforscher, Rettungsfahrer und viele andere umsonst arbeiten? Nein, nein, das sei natürlich nicht gemeint. Also geht es doch um Geld.

Aber woher soll es kommen? Früher oder später wird natürlich der Staat als Lösung des Problems präsentiert. Aber wo nimmt dieser das Geld her? Durch noch mehr Schulden? Durch noch mehr Steuern und Sozialabgaben in einer der schon jetzt höchstbesteuerten Regionen des Globus? Obwohl dies mit großer Wahrscheinlichkeit zu noch mehr Steuerflucht und Steuervermeidung, also in der Summe zu Mindereinnahmen führen würde?

Der Staat muss Vieles reformieren, kann aber nicht alles finanzieren

Wer ehrlich ist – was nicht allzu viele Teilnehmer an der Gesundheitsdebatte sind –, der muss letztlich zugeben, dass auch der Staat keine Antwort auf die ständig steigenden Gesundheitskosten bedeutet. Die Staaten sind jedoch in ganz anderer Rolle gefragt: Sie könnten und müssten jene Einsparungen organisieren, die nicht auf die medizinische Qualität gehen. Und da gibt es viele Möglichkeiten, nein Notwendigkeiten.

Der Staat, wenn wir jetzt einmal nur von Österreich reden, müsste endlich Konkurrenz zwischen den Krankenkassen schaffen. Er müsste die absurden geographischen wie medizinischen Überkapazitäten der vielen aus Steuergeldern finanzierten Spitäler beenden. Hat doch Österreich so viele Betten und so viele Spitalsaufenthalte wie kein anderes europäisches Land. Werden doch wegen der Eitelkeiten von Landeshauptleuten und Bürgermeistern viel zu viele Spitäler betrieben, werden doch viel zu viele Patienten in teuren Spitalsbetten behandelt, nur weil das gratis ist, nur weil es keinen Altersheimplatz gibt.

Der Staat müsste die Spitäler zur Spezialisierung zwingen, sind doch in vielen Land-Krankenhäusern bestimmte, nur selten anfallende Operationen ein lebensgefährliches Gesundheitsrisiko. Er müsste durch Vorantreiben der Privatisierung von Spitälern für einen Qualitäts- und Kostenwettbewerb sorgen. Er müsste die leistungsfeindliche Macht der Schwestern-Gewerkschaft in vielen öffentlichen Spitälern einschränken. Er müsste insbesondere dafür sorgen, dass für jeden einzelnen Patienten der Hausarzt als einzige Drehscheibe alle jene Behandlungen koordiniert, für die öffentliche Gelder fließen, was viele Doppelbehandlungen und -diagnosen beenden würde.

Die ToDo-Liste ließe sich noch lange erweitern und sieht für jedes EU-Land im Detail anders aus. Mit solchen Maßnahmen ließe sich zweifellos vieles ohne medizinischen Verlust sinnvoller machen. Diese Maßnahmen sind aber bisher immer an Eitelkeiten, verheimlichten finanziellen Interessen und – zum Teil auch parteipolitisch fundierten – Machtkämpfen zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialpartnern, privatwirtschaftlichen Anbietern, Schwesterngewerkschaften und Ärzten gescheitert.

Trotz allem: Medizin wird immer teurer

Dennoch sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Langfristig werden die Gesundheitsausgaben dennoch europaweit weiter steigen, selbst wenn – unwahrscheinlicherweise – all diese Sparpotenziale genutzt werden sollten, die in jedem einzelnen Staat anders aussehen.

Das Steigen der Gesundheitskosten ist aus mehreren Gründen gewiss: Wir leben alle viel länger als frühere Generationen; daher fragen wir im Lauf der Jahrzehnte viel mehr medizinische Leistungen nach als frühere Generationen. Die Fortschritte der Medizin machen ständig mehr Leiden therapierbar, die bisher einfach tatenlos und damit in der Regel kostenlos hingenommen werden mussten. Unsere Ansprüche an einen problemlosen körperlichen Zustand werden immer höher.

Und all diese Entwicklungen werden durch die Demografie noch potenziert: Der Anteil der alten und daher krankheitsanfälligeren Menschen an der Gesamtbevölkerung wird immer größer. Und zugleich nimmt der ungesunde Lebensstil vom Übergewicht bis zum Missbrauch problematischer Substanzen ständig zu.

Krankheit ist immer das Risiko des Patienten

Was also tun? Irgendwann werden wir ein von allen involvierten Parteien bisher wie die Pest gemiedenes Tabuthema ansprechen müssen: Das ist der Patient selber. Immerhin ist letztlich jede Krankheit einzig und allein das existenzielle Risiko des Patienten. Das wird oft verdrängt. Er ist aber in vielen Fällen nicht nur für die Folgen, sondern auch für die Ursachen der Krankheit verantwortlich. Es gibt daher überhaupt keinen Grund, dass der Patient nicht auch in irgendeiner Form finanziell an seiner Krank- oder Gesundheit beteiligt wird.

An diesem Punkt einer Debatte wird einem meist sofort das populistische Argument entgegengeschleudert: „Soll der Kranke jetzt auch noch finanziell für seine Krankheit bestraft werden? Der ist eh schon bestraft genug. Das ist doch unmenschlich.“ Nein, das ist es nicht. Denn dadurch würde im Gegenteil das Interesse der Menschen an der eigenen Gesundheit deutlich erhöht werden.

Es kann doch nicht sein, dass die Bürger teuflisch auf ihr Auto aufpassen, weil sie jede Reparatur selber teuer zahlen müssen. Dass viele (natürlich keineswegs alle) Mitbürger ihren Körper aber skandalös vernachlässigen, schlecht behandeln oder gefährlichen Risken aussetzen: aus Ignoranz und weil die Reparatur ohnedies die Allgemeinheit zahlt.

Ärzte denken an den Geldbeutel der Patienten, nicht jenen der Krankenkassen

Interessanterweise beginnen auch Ärzte unabhängig von ihren eigenen Interessen kostenbewusster zu denken, wenn sie wissen, dass der vor ihnen sitzende oder liegende Mensch einen Teil der Kosten selber tragen muss. Das ist eine unterschwellig sehr wirksame Bremse gegen überflüssige Therapievorschläge. Da gibt‘s dann kein „Zahlt eh die Krankenkassa“ mehr.

Heute wissen wir, in welch hohem Ausmaß der eigene Lebensstil und das eigene Risikobewusstsein die eigene Gesundheit beeinflussen. Von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebsformen bis zu Diabetes ist unglaublich viel durch Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel signifikant (mit)ausgelöst. Dazu kommen die schweren Verletzungen und bisweilen lebenslangen Behinderungen durch Extremsport oder auch durch die riskante Ausübung harmloserer Sportarten.

Gewiss wäre es jetzt falsch und übel, wenn jeder Kranke mit dem Vorwurf „Selber schuld“ leben müsste. Gewiss kann und soll nicht in jedem Einzelfall gemessen werden, ob und zu wie viel Prozent Selbstverschulden vorliegt. Bei genetischen, infektions- oder umweltbedingten Erkrankungen ist das natürlich Null. Aber in jedem Fall wäre eine spürbare, wenn auch niemanden finanziell ruinierende Beteiligung an den Behandlungskosten ein starker Antrieb zu einem sinnvolleren Lebensstil. Das wirkt zehnmal besser, als es alle staatlichen Propagandaaktionen allein könnten.

Desinteresse und Bildungsmängel

Wichtig ist aber auch ein viel besseres Wissen um die eigene Gesundheit und ihre Bedrohungen. Da gibt es zweifellos gewaltige Mängel im Schulsystem, in dem Gesundheit nicht gerade einen Schwerpunkt bildet. Das wäre auch eine sinnvolle Realisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des Gebührenfernsehens und -radios. Denn nirgendwo anders werden die Menschen mehr desinformiert als im Bereich Gesundheit: Denn hier sind viele Magazine und Beilagen rein inseratengesteuert. Es werden von den Medien also überwiegend jene Produkte und Therapien vorgestellt, die heftig und teuer beworben werden. Das sind aber in aller Regel weder die sinnvollsten noch die billigsten.

Denn nicht Armut macht krank, wie linke Ideologen behaupten, sondern Dummheit. Oder präziser formuliert: Wissensmängel, Desinteresse und Bildungsdefizite machen sowohl arm wie auch krank.

Das Gratis-Gesundheitssystem fördert aber Wissensmangel und Desinteresse. Denn wer glaubt, ohne Eigenleistung nur bisweilen den Körper bei Arzt oder Spital abgeben zu können und ihn gratis topfit zurückzubekommen, der hat natürlich auch kein Interesse an mehr Wissen oder gesünderem Leben.

Von der Pflichtschule zum Herzinfarkt

Das lässt sich auch durch erschreckende Statistiken beweisen. Männer, die nur eine Pflicht- oder Realschule besucht, aber keine sonstige Berufsausbildung haben, haben ein mehr als dreifach so hohes Herzinfarktrisiko wie jene mit Matura oder höheren Abschlüssen. Sie werden aber sicher nicht einer Armut wegen krank, auch wenn das noch so oft behauptet wird, auch wenn Pflichtschulabsolventen im Schnitt weniger verdienen als Akademiker. Denn Rauchen beispielsweise, um ein Hauptrisiko zu nennen, ist sicher weit teurer als Nichtrauchen. Und auch Wandern oder Laufen ist meines Wissens nach billiger als Bier, Stelze und Junk-Food vor dem Fernseher.

Es geht also um Motivation, um Einstellungsänderungen, um Bewusstseins- und Wissensaufbau. All das wird ebenso wie die Bereitschaft, bei Extremsport eigene Versicherungen abzuschließen, für den einzelnen viel wichtiger, wenn er selber finanzielle Auswirkungen einer Krankheit zu spüren bekommt. Wenn einer aber dennoch an allem desinteressiert ist, dann ist es erst recht legitim, dass er sich nicht auf Kosten der Allgemeinheit durchsetzen kann.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Die Reichen-Abgabe als neues Modegift

19. Juli 2012 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die neueste Idee zur Milderung der europäischen Schuldenkrise klingt aufs erste durchaus plausibel. Sie ist auch in vielen Medien wohlgefällig aufgenommen worden: Es ist der Vorschlag einer Zwangsabgabe für reiche Bürger der Schuldenstaaten. Das scheint harmlos. Es trifft ja eh nur die Reichen; es geht eh nur um Griechen & Co; und es ist eh nur ein Kredit, muss also zurückgezahlt werden.

In Wahrheit jedoch sollte dieser von einem deutschen Wirtschaftsforscher ausgebrütete Plan sofort wieder in den Giftschrank absolut tödlicher Ideen versperrt werden.

Kein Wunder, dass das deutsche Finanzministerium den Vorschlag sofort als „interessant“ bezeichnet hat, obwohl die Idee nur von einem einzigen Ökonomen kommt. Während die Regierung die Warnungen von 200 anderen, seriösen Ökonomen ignoriert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Grüne Abenddämmerung

18. Juli 2012 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was für eine Partei sind eigentlich die Grünen des Jahres 2012? Sie versuchen ja derzeit alles, um endlich einmal in eine Regierung zu kommen. Ein solches Bestreben ist in einer Demokratie nicht nur durchaus legitim, sondern auch normal. Aber was bedeutet eine grüne Regierungsbeteiligung eigentlich für dieses Land? Und was für eine Partei sind diese Grünen?

Auf Grund ihrer inhaltlichen Nähe zu vielen Journalisten sind die Grünen medial sehr präsent und werden dennoch kaum jemals kritisch durchleuchtet. Sie werden dort höchstens mit der immer gleichen Frage konfrontiert: Warum seid ihr Grünen denn nicht erfolgreicher, damit ihr endlich (unsere gemeinsamen) linken Inhalte durchsetzen könnt?

Auf der Seite der Pluspunkte steht gewiss, dass sie als Partei mit sehr geringer Regierungserfahrung in Sachen Korruption am relativ saubersten dastehen. Das wird aber seit zwei Jahren dadurch massiv konterkariert, dass sie in einem der Brennpunkte der Korruption, dem Wiener Rathaus, als billige Mehrheitsbeschaffer für die dortigen Netzwerke fungieren, ohne da irgendwie als Saubermacher aufzutreten. Obwohl von der Inseratenbestechung über die Postenvergaben in Rathaus, Gemeindebetrieben und Spitälern bis zu den extrem bestechungsanfälligen Baubehörden ein weites Tätigkeitsfeld vorzufinden wäre.

Soziologisch sind die Grünen im letzten Jahrzehnt rasch gealtert. Sie haben weitgehend den frischen Mythos als Jugendpartei verloren. Sie sind zur Gruppierung der altgewordenen, dogmatischen und verbitterten Oberlehrer der Intoleranz geworden, die lediglich für Zuwanderer, Schwule und Feministinnen ein offenes Herz haben. Die im Zeichen einer Diktatur der Political correctness jede Meinungsfreiheit bekämpfen.

Das aber nimmt ihnen automatisch jede Wachstumsperspektive. Für die Jungen sind die Piraten als jugendlich-anarchistische Spassgruppierung viel attraktiver. Die Grünen haben mit der Piraten-Klientel als Interessenpartei der etablierten Künstler eigentlich Interessengegensätze in Sachen Urheberrecht und Online-Diebstahl. Da sie aber andererseits nicht als Law-and-Order-Partei erscheinen wollen, fehlt ihnen überhaupt eine erkennbare Linie.

Selbst bei den von ihnen so geförderten Moslem-Zuwanderern können die Grünen nicht wirklich punkten, sind doch für diese sowohl Feminismus wie auch Schwulenfreundlichkeit absolut rote Tücher. Da hilft selbst der Zufall nichts, dass Grün auch die Farbe des Islams ist. Bei den inländischen Jugendlichen wiederum stellt die Zuwanderungsfreundlichkeit der Grünen eine weitgehende Unberührbarkeit her. Und bei den Schülern verscherzen sie sich wiederum mit ihrem Gesamtschul-Fanatismus fast jede Sympathie.

Gewiss können die Grünen als Interessenvertreter der Radfahrer bei all jenen punkten, bei denen das Radfahren die zentrale politische Kategorie ist. Diese Positionierung schafft aber wiederum bei einer wachsenden Anzahl von Fußgängern und Autofahrern große Aversionen, haben doch die Grünen den Radfahrern de facto das Privileg eines gesetzfreien Raumes erkämpft. Kein Polizist, keine Stadtverwaltung wagt etwas Wirksames gegen nächtens lichtlose oder Ampeln ignorierende Radfahrer zu unternehmen oder gegen die vielen rücksichtlos „Jetzt komm ich“-Radler am Wiener Ring oder auf anderen von Fußgängern genutzten Flächen. Sie alle fürchten die Grünen und ihre Journalisten als die Paten dieser Rad-Rowdys.

Aber der Umweltschutz! So werden nun manche einwerfen. Gewiss ist das bei den Grünen ein ganz wichtiges Thema. Aber auch das nutzt nichts mehr.

Erstens hat das Thema bei allen Umfragen sehr stark an Wertigkeit verloren; zweitens ist der Umweltschutz mehr oder weniger auch von allen anderen Parteien besetzt worden; das führt drittens zu einer hohen und in Zukunft noch stark wachsenden Stromkostenbelastung für jeden Haushalt und Arbeitsplatz, was in Zukunft zweifellos die Anti-Grün-Aversionen steigern wird.

Ebenso tut das die Verschandelung der Landschaft durch die hässlichen und ineffizienten Windräder. Die Grünen, die sich einst fast als Aufsummierung aller Bürgerinitiativen dieses Landes verstanden haben, sind nun zunehmend hilflos. Denn immer mehr Initiativen wenden sich genau gegen grüne Projekte wie diese Windräder oder die Ausdehnung der Wiener Parkpickerl-Pflicht (was unabhängig davon gilt, dass ich selbst Letztere für gut halte).

In Zeiten wie diesen ist aber ein ganz anderes Thema noch viel wichtiger als Gesellschafts- oder Umweltpolitik: Das ist die Sorge um die Stabilität von Wirtschaft und Finanzen. Und das ist der allergrößte Schwachpunkt der Grünen.

Ihr Abstimmungsverhalten in den letzten Jahren hat eine zwar klare, aber katastrophale Linie gezeigt: Sie kämpfen als unliberale Staatsfetischisten für fast alles, was das Defizit vergrößert oder die Steuern erhöht (wobei bekanntlich auch Steuererhöhungen auf Grund des Laffer-Effekts nur noch scheinbar eine Defizitreduktion bewirken, sondern oft zu einer Einnahmenreduktion führen). Nur in einem einzigen Punkt haben sie sich als Vertreter der Sparsamkeit und Vernunft etabliert: Sie sind gegen den Bau dreier gigantischer Bahntunnel. Dafür wollen sie beispielsweise Gratisunis für alle ohne jede Zugangsbeschränkung und glauben ernsthaft, dass dort Qualität produziert werden kann..

Die Grünwähler sind zwar die reichsten aller Parteien, sie malen aber dennoch zusammen mit der Arbeiterkammer und naiven Kirchenfunktionären ständig das linksradikale Grotesk-Bild von der immer größer werdenden Armut an die Wand. Was national wie global einfach nicht stimmt. Aber mit dieser Projektion begründen die Grünen ihre Forderung nach ständig noch mehr Sozialausgaben, bedingungslosem Grundeinkommen und dergleichen.

Am absurdesten aber ist das Verhalten der Grünen in der Währungskrise. Sie haben zwar für den neuen 700-Milliarden-(oder-mehr)-Fonds des ESM gestimmt, nicht aber für den Stabilitätspakt. Dabei sind beide Pakte von der europäischen wie ökonomischen Logik her engst verbunden. Mit diesem Ja-Nein sind die Grünen nur noch skurril.

Denn man kann mit guten Gründen gegen beide Pakte sein, wie es Blau und Orange tun. Man kann, wie die Regierungsparteien, auch mit einem ernsthaften Grund für die beiden Pakte sein (der etwa so lautet: „Es bleibt uns ja nichts anderes über, solange die Deutschen dafür sind.“) Man kann notfalls auch nur für den Stabilitätspakt sein, der die Defizite der einzelnen Staaten stark reduzieren soll, und den ESM ablehnen, der Österreich und Deutschland zu extrem hohen Haftungen für noch stärker verschuldete andere Länder zwingt. Denn Zwang zum Sparen (also der ohnedies viel zu sanfte Stabilitätspakt) ist jedenfalls gut; die EFSF- und EZB- und ESM-Haftungen würden hingegen  für die Nordländer den Staatsbankrott bedeuten, sollten sie schlagend werden.

Aber die grüne Linie ist verantwortungsloser Schwachsinn: Sie sind gegen eine Schuldenbremse, jedoch für die österreichische Mega-Haftung zugunsten der Schuldnerländer! Damit haben die Grünen jenseits aller vorgeschobenen juristischen Formalargumente gezeigt, dass der alte linksextremistische Kern in ihnen nach wie vor bestimmend ist: Man ist für alles, was diese Gesellschaft, dieses Land ruiniert und gegen alles, was sie noch stabilisieren könnte.

 

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Die geheimen Tricks der staatlichen Bankräuber

17. Juli 2012 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein griechischer Unternehmer – der aber lange in Deutschland gelebt hat – hat es in einem wunderschönen Gleichnis auf den Punkt gebracht, das ich in einer Schweizer Zeitung gefunden habe: Die Griechen seien von der EU zehn Jahre gleichsam in ein Aquarium gesetzt worden; sie hätten dort nur den Mund öffnen müssen und schon sei ihnen ein Fisch hineingeschwommen. Jetzt in der allgemeinen Krise entdecken die Menschen voll Panik: „Wir haben ja nie zu angeln gelernt.“

Mit anderen Worten: Europa hat mit all dem vielen Geld für Griechenland nicht dessen Wettbewerbsfähigkeit erhöht, sondern gesenkt. Was auch in vielen anderen Ländern zutrifft. Wettbewerbsfähig wird man nämlich nicht durch Überflutung mit Geld – das schon lange vor der Schuldenkrise über zahllose Kanäle nach Griechenland geschwappt ist –, sondern nur durch die Konfrontation mit der Realität. Durch das Wissen, auf sich selbst gestellt zu sein.

Hilfsgelder helfen nicht

Freilich muss man der EU selbst zugute halten: Die Forderung nach ständig mehr Geld ist primär von den Empfängerstaaten selbst ausgegangen. So wie in Italien seit Generationen jede Regierung von den Abgeordneten des faulen und entwicklungsresistenten Südens erpresst worden ist, so haben die Südländer jedesmal ihre Stimme – für ganz andere Themen wie etwa die Osterweiterung – erpresserisch gegen noch mehr EU-Geld verkauft. Und die Deutschen als Hauptzahler haben immer zugestimmt, weil sie ja nie die Bösen sein wollten und auch viel Geld hatten. Heute wissen wir, dass das den Südländern langfristig mehr geschadet als genutzt hat, kurzfristig haben aber die dortigen Regierungen immer einen Gewinn gesehen.

Die wettbewerbsfähigsten Staaten der Welt sind heute etwa die Schweiz, Singapur oder Hongkong: Sie sind im Gegensatz zum Großseins-Fimmel der EU klein. Sie haben keine Kohäsions-, Struktur-, EFSF-, ESM-, EZB-Gelder bekommen. Sie haben auch alle keine Rohstoffe. Sie haben aber in einer harten Geschichte über Generationen gelernt, dass sie nur von ihrem eigenen Fleiß, ihrer eigenen Tüchtigkeit abhängig sind.

Das hat auch die österreichische und deutsche Nachkriegsgeneration aus dem Jahr 1945 gelernt. Dementsprechend hat sie sich vom Armenhaus der Welt mit Erfolg emporgearbeitet. Doch jetzt wird die nächste Generation offenbar vom Virus der ständig nur fordernden und nie etwas leistenden Wohlfahrtsstaats-Krankheit infiziert. Der in Südeuropa nie ausgerottet worden ist.

Es kann kein Zufall sein, dass selbst in Osteuropa heute die südlichen Staaten viel schlechter dastehen als die nördlichen. Polen, Tschechien, die Slowakei und die baltischen Staaten sind trotz der historischen Altlast der kommunistischen Destruktion heute sehr erfolgreich unterwegs. Während Rumänien und Bulgarien weder funktionierende Demokratien noch Ökonomien haben.

Slowenien, der nächste Pleitenkandidat

Wir sollten uns aber auch um ein weiteres Mittelmeerland große Sorgen machen, dass bisher noch kaum ins Blickfeld unserer Aufmerksamkeit gerückt ist, das aber an Österreich angrenzt: Slowenien. Denn dieses Land hat sich seit der Wende jahrzehntelang nur auf seinen Lorbeeren ausgeruht (als einst relativ erfolgreichste Teilrepublik des jugoslawischen Selbstverwaltungs-Chaos).

Wer sich aber 20 Jahre lang nicht weiterentwickelt, der fällt dramatisch zurück. Slowenien hat völlig unzureichend privatisiert. Seine Banken und große Teile der Industrie sind in einem maroden Zustand. Das Land ist daher mit Sicherheit der nächste Anwärter auf europäische Hilfen – auch wenn das in üblicher Art und Weise derzeit noch dementiert wird.

Gewiss, Slowenien ist ein kleines Land. Und bei der Großzügigkeit der europäischen Schuldenmacherei werden daher wohl auch die Fische für dieses Land als kleine bezeichnet werden. So wie jene für Griechenland, wo sich offenbar nur Kleingeister über die Tausenden Pensionen für schon jahrelang Tote oder die Unterstützungen für sehende Blinde ereifern.

EU-Gelder für spanische Fußballmillionäre

Viel größer sind aber jedenfalls die Fische, die nach Spanien zu liefern sind. Und da liest man über die verstaatliche Bank Bankia geradezu Unglaubliches, obwohl diese derzeit in Spanien bei weitem an der Spitze der Hilfsbedürftigkeit steht: Sie erlässt dem Fußballklub Valencia CF mitten in der eigenen Pleitesituation einfach 250 Millionen Euro an Schulden. Und gibt ihm noch 100 Millionen frisches Geld als Darlehen. Und baut das halbfertige Superstadion von Valencia fertig.

Kann man eigentlich noch provozierender mit dem Geld der deutschen, niederländischen und österreichischen Steuerzahler umgehen? Wundert da noch der im Norden täglich anwachsende Zorn?

Der wohl noch größer werden wird: Sollen doch die spanische Fußballklubs der obersten Liga insgesamt mit nicht weniger als 3,5 Milliarden verschuldet sein. Die werden wir wohl auch noch zahlen müssen. Sonst würde ja Spanien vielleicht nicht ein weiteres Mal Europa- und Weltmeister. Sonst müssten am Ende die Stars bei Barcelona oder Real Madrid anderswo ihre Millionen verdienen oder sich gar mit deutlich weniger Cash zufriedengeben.

Was hilft es da, dem die positive österreichische Praxis entgegenzustellen, wo immer wieder Klubs wegen ihrer Schulden die Lizenz entzogen wird? (vom Rapid-Skandal sollten wir freilich auch nicht reden: Hat doch der Klub von der Eurofighter-Firma ganz ohne Gegenleistung vier Millionen Euro entgegengenommen, wohinter sich mit Wahrscheinlichkeit die Bestechung einer Partei verbirgt).

Der Trick hinter den niedrigen Anleihe-Zinsen

Die österreichische Beschwichtigungs-Industrie will das alles aber nicht wahrhaben. Jetzt hat sie ein neues Argument: Das mache doch alles nichts. Die Zinsen für österreichische (und deutsche und niederländische) Anleihen seien doch so niedrig wie noch nie. Das sei doch ein klares Zeichen von Vertrauen.

Unter normalen Verhältnissen wäre diese Aussage auch durchaus richtig. Nicht aber angesichts der miesen Tricks der Staaten, welche die Öffentlichkeit kaum durchschaut. Denn die Staaten zwingen die Banken mit raffinierten Methoden, ihre Anleihen massenweise zu kaufen und halten nur dadurch ihre Zinsen niedrig.

Das geht so: Zuerst stempelt der Propagandaapparat von Staaten und praktisch allen Parteien mit Hilfe dummer oder ideologischer Journalisten die Banken zu den Hauptschuldigen der Krise. Was sie – trotz aller Fehler und Gaunereien – aber nicht sind. Denn im Vergleich zur Schuld der Regierungen, der staatlich gelenkten Notenbanken und der von Politikern in den Abgrund gefahrenen Staatsbanken steht die kommerziell geführte Bankenwelt relativ harmlos und sauber da.

Denn selbst beim Libor-Skandal der letzten Tage stellt sich nun heraus, dass die kriminelle Hinunter-Manipulation der Libor-Zinssätze nicht nur mit Wissen, sondern auch auf Wunsch von Notenbanken und Staaten passiert ist. Davon haben zwar auch viele normale Kreditnehmer profitiert (ohne natürlich mitschuld zu sein), aber insbesondere war die künstliche Senkung der durch den Libor bestimmten Zinsen im politischen Interesse. Daher ist es aber auch durchaus möglich, dass die Erhebungen in Sachen Libor-Manipulation eines Tages sanft entschlafen werden.

Sobald aber einmal in der öffentlichen Meinung die Banken als die Hauptverbrecher identifiziert waren, konnten dann die diversen Aufseher und Regulatoren den Banken mit Leichtigkeit höhere Eigenkapital- und höhere Liquiditäts-Quoten aufzwingen. Sie wurden dafür sogar als stabilitätsbewusst gelobt.

Auch mir schien das lange durchaus richtig zu sein. Und auch heute noch bin ich von der Richtigkeit und Wichtigkeit des Prinzips überzeugt: „Höheres Eigenkapital und mehr Liquidität erhöhen die Stabilität und Sicherheit, auch wenn sie die Ertragskraft reduzieren.“

Hinter diesem Prinzip versteckt haben die Staaten aber eine ganz andere Agenda betrieben, eine Agenda, die die Stabilität reduziert und nicht erhöht: Denn sowohl bei den Eigenkapital- wie auch bei der Liquiditäts-Vorschriften haben die Staaten und Notenbanken die eigenen Staatsanleihen privilegiert! Diese Staatsanleihen gelten auf Befehl der Staaten als genauso sicher wie Bargeld. Das sind genau solche Papiere, die wie im Fall Griechenland über Nacht nur noch einen Bruchteil wert waren. Das muss man sich erst einmal durch den Kopf gehen lassen. Betrügerischer geht’s wohl nimmer.

Scheinbare Bankenregulierung zur geheimen Staatsfinanzierung

Den Banken bleibt also bei der angeordneten Aufstockung ihrer Reserven nur die Wahl: Entweder tonnenweise Banknoten im Tresor zu stapeln oder wie wild Staatsanleihen zu kaufen. Logischerweise stapeln sie nicht, sondern kaufen (freilich nur noch Papiere der Nordländer und nicht mehr solche der Südländer – zumindest solange sie die Wahl haben und einigermaßen bei Sinnen sind). Denn auch Anleihen-Zinssätze unter der (offiziellen, also die wahre Geldentwertung ohnedies ignorierenden) Inflationsrate sind immer noch deutlich mehr als die Null Prozent Zinsen, die gehortetes Bargeld abwirft. Von Irgendetwas müssen ja auch Banken ihre Angestellten und Steuern zahlen.

Die Banken tun das zähneknirschend, aber schweigend. Denn würden sie laut protestieren, würden die Menschen den Skandal in breiter Front durchschauen und erst recht ihr Vertrauen in - die Banken verlieren.

Eine raffinierte Doppelmühle: die Staaten haben die Banken zum europäischen Sündenbock Nummer eins gemacht und zwingen sie gleichzeitig, die eigene Schuldenpolitik zu finanzieren. Einen der leider öffentlich so schweigsamen wirklichen Finanzexperten dieses Landes erinnert das im Privatgespräch an den März 1938: Damals haben die Nazis die stolzen Goldvorräte des österreichischen Ständestaates geplündert und damit eine Zeitlang ihre Aufrüstungspolitik finanziert, ohne dass das wer durchschaut hat.

Auch wenn dieser Vergleich wohl nicht in jedem Detail stimmt und natürlich auch nicht politisch korrekt ist (was mir freilich ziemlich egal ist), zeigt er doch, wie unglaublich der Vorgang ist. Das wird die Politik aber nicht hindern, die Banken wieder zu Schuldigen zu erklären, wenn dann wieder unter staatlichem Zwang für absolut sicher erklärte europäische Staatsanleihen in die Klasse von Altpapier abrutschen. Und die Staaten werden dann noch "strengere" Bank-Regulierungen beschließen, welche die Banken dann noch mehr zwingen, die Anleihen eigentlich längst nicht mehr kreditwürdiger Staaten zu kaufen.

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Können‘s die Freiheitlichen besser?

16. Juli 2012 00:12 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Während sich die Regierungsparteien durch Fehler und viele schwache Persönlichkeiten in ihren Imagewerten immer tiefer hinunterhanteln, wird es dringend, auch etwas schärfere Blicke auf die Opposition zu richten. Denn auch da ist vieles erstaunlich und deprimierend. Denn auch da fehlen weit und breit geeignete Persönlichkeiten. Den ersten Blick hat sich heute die FPÖ als größte Oppositionspartei verdient.

Sie ist trotz aller Mordversuche der Konkurrenz und trotz aller Medienkampagnen in der Wählergunst nach wie vor gut unterwegs. Sie profitiert vor allem davon, dass sie als DIE Alternative zur rot-schwarzen Verbindung erscheint. Und Demokratie bedeutet halt einmal vor allem anderen, dass man eine Regierung bisweilen auch abwählt.

Die FPÖ erringt aber auch noch durch weitere Effekte Sympathiepunkte: Das sind die Gewalttaten der Linken gegen FPÖ-nahe Organisationen und Veranstaltungen. Das ist die inszenierte Skandalisierung fast jedes Auftritts im FPÖ-Dunstkreis, etwa eines ganz normalen Faschingsballs, durch die überwiegend linke Medienszene. Jedes natürliche Fairness-Gefühl nimmt die FPÖ da automatisch in Schutz.  

Auch wenn man so manche Geschichtsauffassung im FPÖ-Umkreis keineswegs teilt, so zeigen doch die Fakten klar: Übergriffe und Gewalt gehen heute eindeutig von der Linken aus und nicht von Freiheitlichen. Und mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte übrigens auch die gerichtliche Klärung der Stiftungsaffäre rund um den dritten Parlamentspräsidenten Graf diesen rechtlich unbefleckt lassen. Das wird dann in diesem Fall freilich von den Kampagne-Medien im Gegensatz zu den einstigen Spitzenmeldungen und Doppelseiten wohl nur mit kleinen Einspaltern gemeldet werden (so wie man es dieser Tage bei den vielen rechtlichen (Teil-)Erfolgen der Herrn Grasser und Meinl beobachten konnte).

Das darf aber die Frage nach der politischen Substanz nicht überdecken. Und da sieht es bei der FPÖ in allem, was Wirtschafts- und Sozialpolitik anbelangt, katastrophal aus. Die FPÖ versucht sogar allem Anschein nach ganz bewusst, allzu vieler inhaltlicher Programmarbeit aus dem Weg zu gehen. Erstens ist das mühsam, zweitens führt jede Konkretisierung des allgemeinen „Nein zu allem“ sofort zu Debatten und Polarisierung. Was der Partei nur schaden kann, weil eine Positionierung immer manche Gruppen verärgert.

Die FPÖ von 2012 ist jedenfalls eine ganz andere als jene von 1999, wo ein Jörg Haider durchaus zu substanziellem volkswirtschaftlichem Denken imstande war. Den Eindruck einer solchen Fähigkeit erweckt aber kein einziger der heutigen Freiheitlichen. Dabei sind Wirtschafts- und Währungsfragen heute noch viel dominanter als damals. Kaum ein Österreicher würde jedoch heute die Frage „Glauben Sie, dass die FPÖ Österreich gut aus der Wirtschaftskrise steuern könnte?“ mit einem „Ja“ beantworten. Selbst wenn er überlegt, diese Partei zu wählen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die FPÖ zu den schärfsten Kritikern des ESM gehört. Diese berechtigte Ablehnung ersetzt aber noch keine glaubwürdige finanzwirtschaftliche Perspektive. Denn das demagogische Zetern gegen „Banken und Spekulanten“ mag zwar auf der Tribüne gut ankommen, aber dahinter steht nackte wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit. Die wirklichen Zusammenhänge werden elegant übergangen, etwa dass die Hauptschuld an der Krise wie auch der drohenden Inflation eindeutig bei den Staaten und deren Schulden- und Wohlfahrtspolitik liegt. Das total toxisch gewordene und nicht nachhaltig aufrechterhaltbare Sozial- und Wohlfahrtssystem ist für die FPÖ absolut tabu, weil zu dessen Hauptnutznießern viele freiheitliche Wähler zählen.

Wer den Eindruck erweckt, mit einem Raubzug auf „Banken und Spekulanten“ die Zahlungsfähigkeit des Landes wiederherstellen zu können, der ist entweder ahnungslos oder ein Betrüger. Natürlich wird von der FPÖ auch nie konkretisiert, wer die gehassten Spekulanten eigentlich sind, würde sie doch überall sofort auf konkrete Wählergruppen stoßen: auf Häuslbauer mit einem Frankenkredit; auf Besitzer eines Pensionssparvertrags; auf Käufer von Staatsanleihen.

Oder sind auch für die Freiheitlichen die Bösewicht nach SPÖ-Art einfach die Reichen? Sollen halt die Mateschitzs und Piechs und Swarovskis und Stronachs und Wlascheks geschröpft werden (damit sie möglichst bald alle Investitionen und Gelder aus Österreich abziehen)? Sollen die Banken, die alle nur knapp das Mindest-Eigenkapital aufbringen, von einem blauen Finanzminister ausgeraubt werden? Sollen bei einem Konkurs der Banken auch all die Klein- und Mittelbetriebe in Konkurs gehen, die dort ihre Firmenkonten haben?

Während man hier nur auf lauter unbeantwortete Fragen stößt, ist in der Vergangenheit das direkte Mitverschulden des dritten Lagers an den exorbitanten Defiziten eindeutig nachweisbar: Von der Hacklerregelung bis zur Abschaffung der Studiengebühren war es stets auf der Seite der Verursacher eines noch größeren Staatsdefizits zu finden.

Die FPÖ zeigt auch heute noch fast in jeder Parlamentssitzung, dass sie selbst bei lächerlichen Kleinigkeiten die Notwendigkeit des Sparens nicht begreifen will. So stimmte sie dieser Tage sogar gegen die Zusammenlegung der Bezirksgerichte Purkersdorf und Hietzing, obwohl diese nur zehn Autominuten voneinander entfernt liegen und auch öffentlich exzellent verbunden sind (diese Fusion musste, weil bundesländerübergreifend, im Parlament extra genehmigt werden. Und sie ist – wenn auch erst in zwei Jahren wirksam – ein zweifellos sinnvoller Beschluss).

Die FPÖ ist auch sonst so durch und durch als Neinsager-Partei strukturiert, dass man sich den Wechsel auf die Regierungsbank viel schwerer vorstellen kann als 1999/2000. Obwohl diesmal die internationale Aufregung viel geringer wäre, obwohl Strache&Co in bezug auf Korruption und Nazi-Sager höllisch aufpassen.

Natürlich kann die Partei bei etlichen Bürgerinitiativen punkten, wenn sie etwa gegen den Ausbau des Wiener Flughafens ist. Aber sie zeigt halt gleichzeitig, dass ihr die damit verbundenen Chancen auf Firmenansiedlungen und vor allem zusätzliche Touristenumsätze, also Jobs, egal sind.

Irgendwie ins Stocken gekommen sind die Freiheitlichen auch bei ihrem bisherigen Hauptthema: bei der Kritik an der starken Zuwanderung der letzten Jahrzehnte und deren Folgen. Das hat wohl mehrere Ursachen: Erstens haben manche administrative Bremsversuche wirklich genützt; zweitens hat die positive wirtschaftliche Entwicklung der Türkei die massenweisen "Familienzusammenführungen" reduziert; drittens hat der ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz das Thema geschickt besetzt: Er findet eine Sprache und setzt Maßnahmen, die sowohl bei den Gutmenschen wie auch den Zuwanderungskritikern gut ankommen, nämlich durch die Betonung von Sprache und Leistung, während er die problematischen Seiten relativ unbemerkt ausklammert. Das ist vor allem die Frage: Was tun wir mit  jenen Zuwanderern, die sich weder durch Leistung noch Spracherwerb noch Anpassung an den Wertekanon integrieren wollen? Daher geht der FPÖ derzeit eher die Luft aus. Es kann aber auch nur sein, dass sie nur ihr Pulver für die Wahlkampfwochen sammelt und das Thema nicht abnutzen will.

In anderer Hinsicht hat die FPÖ im Vergleich zur Haider-Zeit sicher eine positive Entwicklung genommen. Sie besetzt konsequent einige der von der ÖVP in den zwei Pröll-Jahren leichtfertig geräumten wertkonservativen Positionen, welche Spindelegger jetzt mühsam zurückzuerobern versucht. Die FPÖ spielt damit jedenfalls gesellschaftspolitisch – von der Schule bis zur Familie – eine wertvolle Rolle, indem sie die Repositionierung der ÖVP diesbezüglich zweifellos beeinflusst.

Dieser Rolle wegen erscheint die FPÖ auch in Zukunft wichtig und unverzichtbar. Was nichts daran ändert, dass ein unter Einfluss der heutigen FPÖ erstelltes Budget eine ziemliche Schreckensvorstellung für jeden Steuerzahler und erst recht für die verbal von der FPÖ so verteidigten Familien ist, deren Kinder die Schuldenwirtschaft ausbaden werden müssen.

PS: Vieles von dem hier Gesagten trifft auch fürs BZÖ zu. Da dieses aber zumindest derzeit noch viel unklarer in seiner inneren Identität ist – es verbindet ja sehr rechte mit sehr linken Positionen –,  und da es ohne Haider ohnedies kaum Chancen auf einen Wiedereinzug ins Parlament hat, verzichte ich vorerst auf eine ausführliche Analyse des BZÖ. Statt dessen werde ich mich in den nächsten Tagen mit der zweiten Oppositionspartei befassen, die sicher im nächsten Parlament sitzen wird: mit den Grünen.

 

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Ist der ÖVP noch zu helfen?

14. Juli 2012 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Volkspartei hat zuletzt gleich doppelt Aufmerksamkeit erregt: Erster Anlass war ein scharfer,  prinzipiell dringend notwendiger, aber recht unprofessionell gemachter Text gegen die beängstigende Perspektive einer rot-grünen Koalition. Zweiter Anlass war ein Papier, das aus dem Ideenkompott einer auf Einladung von Michael Spindelegger eingesetzten Unternehmergruppe stammt. Beide Papiere zusammen erzielen strategisch eine verheerende Gesamtwirkung: Jedes geht nämlich in seiner jeweiligen Tendenz in eine so fundamental unterschiedliche Richtung, dass man schwindlig wird. Da stecken weder Strategie noch Koordination dahinter. Widersprüchlichkeit aber ist keine sonderlich erfolgversprechende politische Kategorie.

Das eine Papier signalisiert eine klar bürgerliche antilinke Position entsprechend der Mehrheit der ÖVP-Wähler. Das andere eine gesellschaftspolitisch klar linke, antibürgerliche Position entsprechend der aktuellen Mehrheit unter etlichen österreichischen Unternehmern (die interessanterweise anders denken als die Mehrheit der deutschen Unternehmer). Da weiß die eine schwarze Hand nicht, was die andere macht. Und der Parteiobmann selbst schweigt zu beiden Papieren.

Aber auch jede der beiden Initiativen für sich gesehen entbehrt dessen, was man politische Professionalität nennen könnte. Was hat man sich etwa beim Start des „Unternehmens Österreich 2025“ gedacht? Da wurde einer Gruppe von Unternehmern freie Hand gegeben, an Ideen zu produzieren, was sie wollen. Dieser Ideenproduktion wurde aber dennoch schon von Beginn an  mit dem Gütesiegel „im Auftrag von Michael Spindelegger“ versehen. Das ist eine automatische Selbstbeschädigungsanlage mit Zeitzünder. Das mach Spindelegger zur Geisel einiger politischer Amateure.

Die schwarze Selbstbeschädigung ist auch schon auf Grund der personellem Zusammensetzung der Gruppe vorhersehbar gewesen. Sie erinnert sehr an die Industriellenvereinigung, die im vergangenen Jahr dem liberalkonservativen und leistungsorientierten Bürgertum dieses Landes den Krieg erklärt hat. Noch leichter prognostizierbar war der Schaden, seit man weiß, dass sich unter den führenden Proponenten des „Unternehmen Österreich 2025“ gleich zwei deklariert SPÖ-nahe Frauen befinden.

Hat sich bitte dabei auch nur irgendjemand irgendetwas gedacht? Glaubt wirklich irgendjemand in der ÖVP, dass ein weiterer Aufguss von Ideengut des Liberalen Forums plötzlich zu einem Erfolgsrezept werden könnte? Begreift man denn nicht, dass man Wirtschaftskompetenz selber haben muss (die man zumindest in der Person von Maria Fekter ansatzweise auch hätte) und dass man diese nicht einfach bei unpolitisch denkenden oder gar linken Unternehmern bestellen kann?

Bei so unprofessionellen Konzeptionen überrascht es auch nicht weiter, wenn jetzt aus diesem Haufen gezielt Papiere an gewisse Medien gespielt werden. Diese sollen offenbar den Linkskurs in einem Überraschungsschlag so richtig fest einzementieren, bevor das noch jemand verhindern kann.

Die Medien stürzen sich natürlich mit Begeisterung darauf und ignorieren weitgehend die Beteuerungen, dass das alles noch „verfrüht und unsachlich“ sei. Schon kursieren zusammen mit reichlich patscherten Formulierungen einige Ideen als Festlegungen des „Unternehmens 2025“. Dazu zählen etwa eine indirekte Unterstützung für die bildungsfeindliche Gesamtschule und die halblustige Idee, dass sich Schüler – und Lehrer – auch während des Schuljahres Urlaub nehmen können sollen. Offen ist nur, ob hinter diesem Urlaubs-Vorschlag die Interessen der Tourismus-Industrie stecken oder eher jene unternehmerischen Müttern und Vätern, die gerne halt auch einmal außerhalb von Schulferien eine Woche nach St. Moritz düsen wollen.

Durch all diese Entwicklungen hat sich das „Unternehmen Österreich 2025“ im Do-it-yourself-Verfahren zu einem „Unternehmen Skurrilitätenreich 2012“ verwandelt.

Ähnlich unprofessionell geht es aber auch rund um ein ÖVP-Papier zu, dass aufzulisten versucht, was eine rot-grüne Regierung eigentlich so alles bedeuten würde. Unprofessionell ist dabei nicht nur der verwirrende Gegensatz zu den Intentionen der 2025-Projekts. Einmal für, einmal gegen Gesamtschule. Vielmehr lässt auch beim Rot-Grün-Papier das Wie staunen.

Da werden nämlich durchaus legitime Befürchtungen durch marktschreierische Übertreibungen unglaubwürdig gemacht. Rot-Grün heißt sicher nicht "grenzenlose Zuwanderung", aber zweifellos eine bedenklich verstärkte Zuwanderung auch von Minderqualifizierten und von fragwürdigen Asylwerbern. Das kann man jedoch nicht mehr drüberbringen, wenn man in FPÖ-Manier übertreibt und sich damit angreifbar macht. Auch die "Abschaffung" der Matura oder der Ehe ist einfach nicht richtig. Richtig wäre nur, dass bei beiden eine deutliche Ent- und Abwertung droht. Ebensowenig kann man explizit eine "Verstaatlichung" der Familie prophezeien, diese Übertreibung überdeckt jedoch die Wahrheit, dass unter Rot-Grün Familiengelder sehr wohl Richtung Kindergärten usw. umgelenkt werden. Und wenn macht sich auch nicht sonderlich glaubwürdig, wenn man ganz unprofessionell elf Jahre alte Belegstellen zitiert und vielfach ganz auf Belege verzichtet.

Noch schlimmer ist, dass man nun keineswegs zum eigenen Werk steht, sondern herumeiert, dass das ja ohnedies nur eine Funktionärsinfo und keine Presseunterlage sei. Wie bitte? Glaubt man wirklich, dass man den Funktionären etwas anderes sagen kann als der Öffentlichkeit?

Glaubt man ernsthaft, dass eine an Hunderte Mitarbeiter verteilte Unterlage nicht den Weg an die Medien findet? Warum fürchtet man sich offenbar davor, auch medienöffentlich die Konsequenzen von Rot-Grün zu thematisieren, polemisieren doch die Linksparteien und die zugehörigen Medien ständig gegen Schwarz-Blau? (Und am Rande: Warum weist man nicht darauf hin, dass Rot-Grün zwar weniger Aussichten auf eine Mehrheit hat denn je, dass aber die Warnung davor aus einem anderen Grund sehr legitim ist. Kann Rot-Grün doch mit Sicherheit auf die Piraten zählen und eventuell auch die Orangen, wenn diese doch den Wiedereinzug ins Parlament schaffen sollten. Die Orangen werden jedenfall von den Linksparteien keineswegs so zurückgewiesen wie die Blauen.)

Mit dem Verkorksen der Rot-Grün-Kampagne zerstört die ÖVP eine ihrer letzten Argumentationsebenen selber. Dabei zeigen die unfreundlichen Reaktionen der linken Medien und von Rot und Grün, dass man damit eigentlich einen wunden Punkt getroffen hätte. Aber man fürchtet sich schon wieder vor der eigenen Courage.

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Die Gemeinwohl-Falle

12. Juli 2012 23:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Wie ein Lauffeuer entflammen Globalisierungskritik und Antikapitalismus heute unsere Gesellschaft – nicht weniger radikal als in den 1920ern. Das braucht niemand zu verwundern: Über 50 Jahre hinweg hatte Europa seinen Bürgern jede Wirtschaftsbildung verweigert. Dieses gefährliche Vakuum füllen heute die Kinder dieser (Nicht-)Politik – mit ihren „neuen“ Ideen aus alten Zeiten.

Wer in Europa heute über Wirtschaft spricht, hat nur ausnahmsweise schon einmal im Wirtschaftsunterricht gesessen. Die meisten Globalisierungskritiker haben (wie schon damals Marx) alle den gleichen Bildungshorizont: Zuerst Gymnasium (keimfrei von wirtschaftlichem Hausverstand gehalten) – und dann geisteswissenschaftlicher (Flower Power-)Fächermix.

Marx war Philosoph, Ziegler Soziologe und Philologe, ATTAC-Chef Felber gar gelernter Tänzer. Wer heute aber nie professionell erklärt bekommen hat, wie Wirtschaft funktioniert, der reimt sie sich durch Verschwörungstheorien zusammen: Durch die (angedeutete) Verschwörung des Kapitals, die der Spekulanten und die der Großkonzerne (die die Weltherrschaft anstreben).

Die geschürte Abstiegsangst

Europas Mainstream bedient sich heute altbewährter Mittel: Er schürt soziale Abstiegsangst. Angeblich würde die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werden, die Armut würde steigen und nur einige Wenige würden auf Kosten aller profitieren. Liest man aber die (unbehandelten) Primärdaten selber, stellt sich gern das Gegenteil heraus.

So sank etwa die Quote der Armutsgefährdeten nach offiziellem EU-Armutsbericht von 14% (1993) bis auf 12% (2011). Bei Österreichern sind es überhaupt nur 10%. Und selbst auf die 10 % kommt man nur, wenn man vierköpfige Familien mit weniger als 2.165 Euro netto monatlich mitzählt. Und selbst dann sind die 10% noch zu viel: Denn darin sind auch die enthalten, die auch nur einmal einen einzigen Monat unter die 2.165 Euro gerutscht waren. Dauerhaft gefährdet sind nur 6%.

Wirklich arm waren in Österreich in den letzten 30 Jahren immer zwischen 3 und 4% der hier Lebenden – im EU-Deutsch nennt man sie „manifest depriviert“. Doch im Gegensatz zu früher besitzen sie heute Farbfernseher, Waschmaschine und Telefon.

Christian Felber: „Drehen an den Zahlen“

Die Grundaussage aller Globalisierungskritiker ist klar: Globalisierung und Kapitalismus machen (fast) alle ärmer – und die Welt schlechter. Um diese „hohen“ ideologischen Zielvorgaben zu erfüllen, steht man unter permanentem Druck, die Erfolge der beiden letztgenannten Bösewichte mathematisch kleinzurechnen.

So beklagte Christian Felber 2008, das durchschnittliche Weltwirtschaftswachstum der 90er Jahre wäre wegen Kapitalismus und Globalisierung nur bei 1,1% gelegen (die fetten 2000er Jahre hatte er gleich gar nicht angeführt). Je liberalisierter die Weltwirtschaft, desto niedriger sei ihr Wachstum (2007). Die offiziellen Zahlen des IWF kommen allerdings zu einem dreimal so starken Wachstum wie Herr Felber – alleine 1999 lag es bei fast 5%. Und die hohen Reallohnsteigerungen von über 10% gibt es in Indien oder China erst, seit man Märkte und Wirtschaft liberalisiert hat.

Jean Zieglers falsche Zahlen

Jean Ziegler behauptet, die Länder der Dritten Welt hätten 54 Milliarden Euro an Entwicklungshilfegeldern erhalten, während sie im gleichen Zeitraum 436 Milliarden für Kredite geleistet hätten. Die Zahl von 436 Milliarden Euro gibt es zwar – doch betraf sie die Zahlungen von Ländern wie Polen, China oder Russland. Und die hatten keinen einzigen Cent Entwicklungshilfe bekommen.

Den 18 ärmsten Ländern hingegen sind die Schulden hingegen sogar erlassen worden – 2000 um 47%, fünf Jahre später um den Rest. Die meisten afrikanischen Länder erhalten heute durchschnittlich 40% ihrer jährlichen Budgets vom „Norden“ geschenkt. So finanziert (im Sinne permanenter Geldgeschenke) die BRD in Kenia 96 Ministerien – kommt selber aber schon mit 16 aus.

AK-Irrtum: ATX- Manager bekommen nicht das 48fache ihrer Mitarbeiter

Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine „auf Untergang und Ungerechtigkeit“ getrimmte Meldung die AK verlässt– und ohne Prüfung oder gar Kritik den Weg in Österreichs Medienlandschaft findet. So behauptete die Arbeiterkammer Wien im Jahr 2008, Österreichs Vorstände würden das 48fache der Österreicher verdienen, während sie die Löhne der eigenen Mitarbeiter um 5% gesenkt hätten. Dabei vergleicht die AK die Konzern-Vorstandseinkommen aber nicht mit Konzern-Löhnen, sondern mit einem nebulos definierten „österreichischen Durchschnittsgehalt“, das vor allem niedrige Handwerkerlöhne beinhalten dürfte. Konzernangestellte verdienen auch schon mal das Doppelte.

Und die 5%ige Lohnsenkung resultiert alleine aus den Wechselkursverlusten der Ostwährungen im Zuge der Finanzkrise 2007/2008. Beim Umrechnen der Gehälter ihrer osteuropäischen Angestellten in Euro waren diese plötzlich insgesamt um 5% weniger wert, die Lohnsummen österreichischer Bilanzen schrumpften damit entsprechend. Die Andeutung, Österreichs Führungskräfte würden die Löhne ihrer Angestellten kürzen, während sie ihre eigenen Rekordgagen weiter erhöhten ist nicht nur falsch und manipulativ, sie stachelt eine ganze Gesellschaft zu Wutbürgern auf.

Das (fair gerechnete) Verhältnis österreichischer Vorstände zu österreichischen Mitarbeitern liegt bei etwa 1 zu 11.

Gemeinwohl-Ökonomie konkret durchgedacht

Die Vertreter einer politischen „Gemeinwohl-Ökonomie“ schwärmen von der Neuigkeit ihrer Ansätze. Blickt man aber in die jüngere Geschichte, dann muss man nicht erst auf Lenins „Neue ökonomische Politik“ zurückgreifen, um ein „Deja-vu“ zu haben.

So hatte Indien bis 1991 einen „Dritten Weg“ verfolgt, der dem Felbers mehr als ähnlich war. Dort hatte man Konzerne verstaatlicht, vom neoliberalen Weltmarkt war man abgeschottet, „Profite“ duldete man nur bei Genossenschaften oder kleinen Handwerkern – und auch nur, solange sie sich keine Maschinen leisten konnten. Patente wurden nicht geschützt – wie Felber dachte man, Erfinder würden „aus purer Lust am Forschen und ganz ohne Absicht auf Profit“ das Land technologisch nach vorne bringen. Außerdem würde man durch Patentschutz andere von der Produktion ausschließen.

1991 stand das Land dann vor der Pleite, 40% der Armen weltweit lebten in Indien. Stichwort „Mutter Teresa“.

In Österreich würde der Umbau zu einer „demokratischen Gemeinwohl-Ökonomie“ zur Verstaatlichung der letzten freien Medien und aller größeren Unternehmen führen – die Aktionäre würden enteignet, die Sparvermögen zwangsweise umgeleitet werden. Firmen wie SPAR und BILLA würden zwangsweise verstaatlicht und in Genossenschaften umgewandelt werden.

Felbers Angst vor dem Monopol-Kapitalismus

Karl Marx verbalisierte als erster die Angst vor unkontrolliert wachsenden Konzernen. Doch gibt es von allen Firmen, die zu Zeiten Marx´ am Kurszettel der Londoner Börse gestanden hatten, keine nennenswerte überlebende mehr – geschweige denn, dass diese die Welt kontrollieren würde.

Menschen, die die Ängste anderer Menschen (etwa vor dem unkontrollierten Wachstum der Konzerne) schüren, haben selber Angst. Und dagegen hilft nur Bildung. Wirtschaftsbildung.

Von den 15 weltgrößten Konzernen aus dem Jahre 1970 sind heute nur mehr drei unter den „Top 15“. Viele Firmen gingen Pleite (Stichwort „GM“ oder „LTV“), manche wurden übernommen („Chrysler“), viele waren aber nur langsamer gewachsen als das BIP der restlichen Welt – und so verloren sie an Bedeutung.

Was ist zu tun?

Dass das Klima wärmer und der Meeresspiegel höher wird, ist tragisch – aber es ist „beherrschbar“. Geht Europas Jugend aber wieder Populisten auf den Leim, werden „zwei Grad mehr“ noch unser kleinstes Problem sein. Europa braucht Bildung – und vor allem Wirtschaftsbildung! Im Gymnasium muss schleunigst BWL eingeführt und von echten Wirtschaftsakademikern unterrichtet werden. In mindestens vier Jahrgängen mit mindestens zwei Wochenstunden. Religion hat in acht Jahrgängen die gleiche Wochenstundenzahl – hier schult man Österreichs Jugend aber eher im Sinne Felbers oder Zieglers.

Wer wie Marx und Ziegler oder Felber nie in einer Firma war, geschweige denn in leitender Position, der stellt sich das fremde Wesen Wirtschaft so vor, wie er es einst im Gymnasium gehört hat – dort unterrichtet von ehemaligen Gymnasiasten, die vor ihrem Studium nur ausnahmsweise in der Wirtschaft gewesen waren. Deshalb müssen wir unsere Wirtschaft in die Schulen holen! In Form von Vorträgen und als Praktikum im Sommer. Wer schon einmal dort gearbeitet hat, der hat vielleicht bemerkt, dass dort nicht ausschließlich Menschenfresser werken.

Österreich muss schnellstens pluralistische Medienstrukturen aufbauen. Dazu soll die Ausbildung von Betriebswirten zu Wirtschaftsjournalisten dienen. Österreichs staatliche Fernseh- und Radiokanäle sind zu demokratisieren; das kann die Privatisierung bedeuten – aber in jedem Fall die Vorgabe, mindestens ein Viertel der politisch wertenden Berichte aus konservativer oder wirtschaftsliberaler Sicht darzustellen.

Wenn es Europa nicht schleunigst gelingt, seine Jugend bildungspolitisch im 19. Jahrhundert abzuholen, dann braucht es sich nicht zu wundern, wenn uns „neue Wirtschaftsmodelle“ wieder dorthin zurückführen wollen!

Der Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge MMag. Michael Hörl hat 2011 Europas erstes „Globalisierungskritik-kritisches“ Buch veröffentlicht: „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“. 2012 folgt jetzt sein Fortsetzungsbuch „Die Gemeinwohl-Falle – Wie man mit Halb- und Unwahrheiten eine Gesellschaft aufwiegelt“.
Es hat 432 Seiten und 120 Bilder und Tabellen und wird in Österreich von Morawa vertrieben.

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Fußnote 318: Die Geschäfte bleiben geschlossen

12. Juli 2012 01:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Niemand hat sich von dem stark parteipolitisch dominierten Verfassungsgericht etwas anderes erwartet.

Laut VfGH ist es kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot der Verfassung, wenn Geschäfte an Bahnhöfen rund um die Uhr geöffnet sein können, Geschäfte außerhalb des ÖBB-Einflusses jedoch an Sonntagen geschlossen sein müssen. Zumindest wenn der jeweilige Landeshauptmann es so will. Jeder nicht parteipolitisch, gewerkschaftlich oder kammermäßig denkende Mensch würde zwar Gleichheit und Erwerbsfreiheit ganz anders interpretieren. Aber solchen Menschen sind halt im VfGH rar. Eines heißt dessen Erkenntnis freilich dennoch nicht: dass es verfassungsrechtlich verboten wäre, wenn sich die Gesetzgeber oder ein Landeshauptmann einmal für die am Sonntag zum Bahnhofsbesuch gezwungenen Konsumenten und zugleich auch für die durch eine Sonntagsöffnung höheren Steuereinnahmen entscheiden sollte. Aber diesen Entscheidungsmut der Politik wird es wohl erst dann geben, wenn schon (wie in Griechenland) die Konkursverwalter des Internationalen Währungsfonds vor der Tür stehen. Oder hilft uns da vielleicht schon vorher ein internationaler Gerichtshof?

 

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Das Nein zu Acta schadet Europa schwer – so wie das Ja zum ESM

10. Juli 2012 02:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Einmal wirft die Linke den Rechten Populismus vor, dann wieder geht der Vorwurf den umgekehrten Weg. In den vergangenen Tagen haben beide jedenfalls gemeinsam kurzsichtigen Populismus praktiziert. Mit überwältigender Mehrheit haben sie im EU-Parlament das sogenannte Acta-Abkommen gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsdiebstahl verworfen. Damit hat Europa einen weiteren ganz entscheidenden Beitrag zu seinem eigenen wirtschaftlichen Untergang gesetzt. Mit ähnlichen Folgen, wie es die gemeinsame Schuldenhaftung durch den ESM haben wird.

Der Unterschied ist nur ein marginaler: Beim ESM marschieren – um in der österreichischen Farbenterminologie zu reden – Rot, Schwarz und Grün Hand in Hand auf einem üblen Weg. Bei Acta sind es primär Rot, Grün und Blau/Orange.

Im Grund haben sie alle hosenfüllende Angst vor einem Haufen postpubertärer Chaoten, die unter dem an Kinderfaschings-Verkleidungen erinnernden Namen Piraten bei ein paar Landtagswahlen Erfolge erzielt haben. Diese Piraten sind freilich für die Gesellschaft ungefähr genauso nützlich wie jene, die die Weltmeere unsicher machen, die etwa vor Afrikas Ostküste seit Jahren Schiffe kapern und Geiseln jahrelang entführen. (Tödlich können Piratenschiffe aber übrigens auch sein, wenn sie als Kinderspielplatz auf einem flachen Strand der wunderschönen Nordsee-Insel Amrum stehen, wie der tragische Tod eines zehnjährigen Wieners gezeigt hat.)

Nur Kreativität und Innovation sichern Vorsprung

Warum wäre Acta so wichtig gewesen? Das Abkommen hätte genau jene Berufe und Erwerbsformen geschützt, denen Europa in hohem Ausmaß die Reste seines (wenn auch sehr wackelig gewordenen) Wohlstands verdankt. Bei den meisten industriellen Massenproduktionen kann Europa ja angesichts seiner hohen Gehälter, Sozialabgaben und Steuern längst nicht mehr mit den Billigindustrien Asiens und Lateinamerikas mithalten. Aber bisher hat es zusammen mit Amerika in Sachen Kreativität und Innovation noch immer die Nase weit vorne gehabt.

Das brachte viel Geld nach Europa. Selbst wenn diese Kreativität „nur“ darin bestanden haben sollte, einem französischen Duft, einem italienischen Kleid, einem deutschen Auto, einem österreichischen Koffeingetränk mit Himbeergeschmack oder einem spanischen Rotwein einen großen Imagevorsprung zu erarbeiten. Für diesen Imagevorsprung, diesen Markenwert zahlen Käufer weltweit viel Geld, obwohl sie den Unterschied zu einem Billigprodukt bei einer Blindverkostung (also ohne das Markenlogo sehen zu können) gar nicht feststellen würden.

Umso größer ist der Schaden, wenn diese Markenprodukte durch Piraten aller Art gefälscht, kopiert, nachgemacht werden. Die Konsumenten zahlen dann auch weiterhin für das von den Erzeugern teuer und mühsam aufgebaute Image. Aber bei den Fälschungen tragen eben nicht diese, sondern asiatische Werkstätten den Gewinn davon. Und diese Fälscherwerkstätten haben nun de facto die offizielle Unterstützung des Europaparlaments bekommen. Absurderweise unter lautstarker Führung der Europa-Sozialisten, die sonst so tun, als ob sie für die europäischen Arbeitsplätze kämpfen würden.

Zwar heißt das natürlich noch nicht, Fälschungen wären künftig straffrei. Es wird nur ohne ein globales Abkommen, wie es Acta gewesen wäre, viel schwieriger, sie weltweit zu verfolgen.

Elektronische Piraterie auf Knopfdruck

Noch wichtiger ist die Kreativität bei Kulturerzeugnissen, bei Filmen, bei Musik, bei Texten, bei Computerprogrammen. Der einzige Unterschied: Hier ist das Fälschen und Kopieren noch viel leichter als bei Parfums, Kleidern oder Getränken. Hier genügen meist nur ein paar Tastendrucke und schon kann das Werk, an dem der Schöpfer oft sehr lange gearbeitet hat, mühelos vertausendfacht werden. Und der Schöpfer bekommt für seine Mühe 999 Mal kein Entgelt. Sondern jemand anderer profitiert, entweder wieder ein Kopist oder in diesen Fällen auch der Konsument.

Wer bitte wird da noch Zeit, Mühe und Geld in die Entstehung eines aufwendigen Werkes stecken?

Nun werden manche Wirklichkeitsferne einwenden: Dann wird halt die Öffentlichkeit einspringen müssen. Offenbar sind Europas Staatskassen so gefüllt, dass das kein Problem wäre. Da hat die linke Geldproduktions-Illusion wieder einmal ihre volle Wirkung erzielt. Wenn einem das Geld fehlt, druckt man sich halt neues. Dazu hat man ja die Gelddruckereien. Eigentlich könnte man aber auch gleich DKT-Geld nehmen . . .

Andere versuchen, ein wenig schlauer zu sein und sagen: Na, dann machen wir halt das Kopieren gleich legal und belegen dafür jeden Computer, jeden Festplattenspeicher, jeden CD-Rohling mit einer saftigen Abgabe. Das sind ja die Speichermedien, auf denen die Kopien landen. Von diesen Abgaben könnten dann die Kreativen bezahlt werden.

Kollektivstrafen gefährden auch andere Jobs

Wäre das wirklich schlauer? Nein, keineswegs. Solche Abgaben sind erstens einmal Kollektivstrafen. Man belastet ja auch nicht Kühlschränke mit einer saftigen Abgabe, weil darin auch illegal gebrannter Wodka oder gewildertes Fleisch aufbewahrt werden kann. Diese Kollektivstrafen belasten zweitens auch jene Europäer, die Computer in internationalem Wettbewerb für ganz andere Dinge als illegale Kopien benutzen. Die Strafen gefährden damit weitere Arbeitsplätze.

Und diese Idee würde drittens eine totale Verstaatlichung von Kunst und Kultur bedeuten. Denn dann würde nie mehr ein Konsument, ein Filme-Herunterlader, ein Musik-Hörer mit seinem Entgelt entscheiden, ob Filmemacher, Komponisten, Buchautoren, Sänger, Orchester etwas verdienen oder nicht.

Dann würde entweder jeder dieser Künstler gleich viel (=wenig) verdienen. Oder aber Politiker oder politisch eingesetzte Kommissionen würden entscheiden. Das würde mit Sicherheit zu ideologischer Staatskunst führen, zum Kauf von politischer Unterstützung durch nett-dumme Schauspieler, Maler, Autoren im Gegenzug für staatliche Förderung – und zwar noch viel, viel mehr, als wir es gerade in Österreich schon erleben. Das Ergebnis wird dann nur noch mit dem kommunistischen Osten und seinen Staatskünstlern vergleichbar sein.

Schreiben wird zum brotlosen Hobby

Wenn es keine Unterhaltungsfilme, sondern nur noch jene Produkte gibt, die bei Festivals von sogenannten Experten auserkoren werden, dann werden viele Kinos schließen müssen. Kaum jemand wird weltweit noch einen europäischen Film anschauen wollen. Und noch schlimmer wäre es für die geistige Vielfalt, wenn nur die von einem Politiker beziehungsweise seinen Vertrauensleuten für würdig gehaltenen Autoren zum Zuge kämen.

Eine Förderung aller Künstler nach dem Gießkannensystem wiederum würde fast jede Spitzenleistung zertrümmern. Wenn die Wiener Philharmoniker nur noch so viel verdienen wie das Eisenbahnerorchester, dann werden sie bald auch nur noch genauso gut musizieren. Ebenso wird das Schreiben von Büchern oder Zeitungen zum brotlosen Hobby werden. Wenn jeder Autor gleich viel aus der staatlichen Gießkanne bekommt, wird keiner davon leben können.

Noch mehr Macht für den Staat

Jetzt mögen nun mache meinen, dass Konsumenten-, also Markt-Entscheidungen bei der Entschädigung von kreativen kulturellen Leistungen problematisch seien. Selbst wenn das wahr wäre, gibt es aber eben nur die beiden anderen Möglichkeiten: gar keine Entschädigungen für Kreativität oder solche durch den Staat. Beides ist noch viel ungerechter, problematischer und leistungsfeindlicher als die Entscheidung durch die Kulturkonsumenten.

Ob irgendeiner der Anti-Acta-Abgeordneten all diese Folgen bedacht hat? Ob diese wenigstens rot werden, wenn sie morgen wieder – je nach politischer Färbung – vom Wert der Kultur, von der Bedeutung des Rechtsstaats, von leistungsgerechter Entlohnung und dem Wert der Kreativwirtschaft im internationalen Wettbewerb reden?

Vorleistung für Koalitionen mit den Piraten

Mitschuld an der Katastrophe sind freilich auch alle jene Autoren, Filmemacher, Musiker, Journalisten, die nun Opfer dieser Entscheidung werden: Sie haben in den letzten Jahren und Monaten fast alle opportunistisch zu dem Thema geschwiegen und gehofft, dass die Politik für sie die Kastanien aus dem Feuer holt. Und irgendwie haben sie ja perverserweise auch Sympathien für die chaotischen Piraten. Man glaubt irgendwie, eigentlich aus dem gleichen Stall zu kommen.

Ähnlich denken rote und grüne Parteien: Man könnte die Piraten ja eines Tages als Koalitionspartner brauchen. Für diese Option verraten die Sozialdemokraten auch hier die Interessen der einst von ihnen vertretenen Werktätigen, so wie sie diese schon bei ihrem Er-Grünen in den 70er Jahren verraten haben. Hat doch auch die - von anderen Parteien oft geteilte - grüne Politik viele Arbeitsplätze gekostet.

PS: Die Kritik an der von den Piraten ausgelöste Diebstahlsbegeisterung ändert übrigens nichts am Respekt für den zweiten erkennbaren Schwerpunkt dieser neuen Gruppierung. Das ist ihr Engagement für mehr direkte Demokratie und für den Einsatz des Internets bei Bürgerentscheidungen.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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In Österreich investieren? Nein, danke

09. Juli 2012 00:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manche Medien können aus jeder Katastrophenmeldung einen Jubel produzieren. Da las man doch dieser Tage in mehreren Zeitungen ein Hurra: Österreich war 2010 erstmals Nettodirektinvestor. Dieses kompliziert klingende Wort heißt nichts anderes als: Österreicher haben erstmals viel mehr im Ausland investiert als Ausländer in Österreich.

Schlimm? Ja, das ist schlimm. Denn das heißt nichts anders: Österreich verliert rapid an Attraktivität als Platz, Geld anzulegen, egal ob in der Real- oder der Finanzwelt. Dabei wäre durch das Gelddrucken der EZB durchaus genug Geld da. Die Investitionen von Österreichern im Ausland haben dementsprechend um nicht weniger als um 17 Prozent zugenommen. Doch die ausländischen in Österreich sind gleichzeitig zurückgegangen, nominell und erst recht real.

Die Nationalbank, von der diese Statistik stammt, fügt trocken hinzu: 2011 (für das die Zahlen noch nicht endgültig vorliegen) haben sich all diese Trends noch verstärkt. Es gab also noch mehr Investitionen im Ausland und noch weniger im Inland.

Die Ursachen werden von der ideologiebraven Nationalbank zwar nicht genannt, sind aber eindeutig: Investoren zweifeln an der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs; Österreicher bringen lieber ihr Geld ins Ausland; und immer mehr Menschen mit Geld zweifeln, ob Geld in Österreich sicher angelegt ist. Sie lesen fast täglich irgendeinen rotgrünen und bisweilen auch blau-orangen oder schwarzen Dummkopf, der nach höheren Steuern auf Vermögen oder Einkommen ruft, der die Stiftungen abschaffen will, der nicht begreift, dass nur Kapital Arbeitsplätze schaffen kann.

Geld ist eben wie ein scheues Reh. Es flieht, noch bevor eine Bedrohung ganz konkret geworden ist.

Der einzige Vorteil dieser Malaise: Jetzt können die Linken nicht mehr schreien: „Skandal, das Land werde ausverkauft“, wenn sich ein ausländischer Investor, eine Stiftung oder sonst jemand hier niederlässt. Was diese zwischen 1995 und 2006 in für Österreich sehr nützlichem Ausmaß getan haben.

PS: Aber Rettung Trost ist nahe: Ministerin Bures hat die Geschäftsführung der AWS mit einer Frau besetzt, die vor allem im Wiener Rathaus Erfahrungen gesammelt hat. Na, dann wird ja alles wieder gut. Wir wissen, ja, was für Investoren das Wichtigste ist, nämlich Frauenquoten mit parteipolitischem Hintergrund. Und der AWS wurde genau zu dem Zweck geschaffen, bei Investoren Vertrauen zu schaffen und sie anzulocken. Was ja politisch korrekte Quoten in hohem Ausmaß tun . . .

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Die nächste Katastrophe lässt sogar den ESM als Bagatelle erscheinen

08. Juli 2012 00:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manches Mal muss einem wirklich die Zornesader platzen. Und man braucht alle Zurückhaltung, um nicht in Kraftausdrücke zu verfallen oder zum Amokläufer zu werden. Denn der extrem riskante ESM ist nicht einmal noch in Kraft getreten, schon wird von starken Kräften die Forderung nach einem europäischen Schuldentilgungsfonds erhoben. Mit dem trostreichen Zusatz: Dieser solle ohnedies nur für die 60 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung übersteigenden Staatsschulden gelten. Was nicht verbergen kann, dass damit die endgültige Katastrophe eingeläutet wird. Und wer findet sich unter den Fordernden? Natürlich ein gewisser Werner Faymann.

Das muss man sich absolut auf der Zunge zergehen lassen: Ein amtierender österreichischer Bundeskanzler spricht sich dafür aus, dass die Republik eine kollektive Haftung für 2,6 Billionen Euro übernimmt, genau: für völlig unvorstellbare 2659 Milliarden! Ach ja, im Gegenzug würde auch Österreich Schulden in diesen Fonds einbringen: nämlich genau 37 Milliarden. Ein wirklich tolles Geschäft, das der Bundeskanzler dieser Republik vorschlägt.

Und er wird nicht entmündigt oder zumindest abgesetzt.

Im Vergleich zu diesem Wahnsinnsprojekt geht es beim vielumstrittenen ESM nämlich noch um fast – fast! – überschaubare Beträge. Außerdem ist beim ESM die Haftung zumindest prinzipiell noch auf die einzelnen Länder aufgeteilt. Beim nun geforderten Schuldentilgungsfonds haftet hingegen jeder für alles!

Nun, man muss Faymann zugute halten, dass er mit seiner Haltung nicht alleine steht. Fast alle Sozialisten und Grünen Europas sind dafür, und erstaunlicherweise auch etliche Liberale. Da die ÖVP schweigt und Blau/Orange noch gar nicht begriffen haben, dass hinter dem ESM ein noch viel ärgeres Projekt in den europäischen Pipelines steckt, sind wieder einmal Angela Merkel und Europas Mutige Zwei (also die Niederlande und Finnland) die einzigen, die noch Hoffnung geben, dass der Wahnsinn nicht Wirklichkeit wird.

Angesichts der wachsenden Erpressungsmacht von Rot-Grün im deutschen Bundesrat, der Länderkammer, und angesichts von Merkels Angst, nur ja nicht als antieuropäisch dazustehen, ist zu befürchten, dass sie in ein paar Monaten auch gegenüber diesem Projekt nachgibt. Wie immer: um des lieben Friedens willen.

Fast amüsant ist ja derzeit, wie die Haupttäter aus den romanischen Ländern, die Merkel beim letzten Gipfel nächtens so brutal weitere Konzessionen entlockt haben, der deutschen Kanzlerin nun wieder mit Papagallo-Charme schöntun. Eigentlich hätte man nie geglaubt, dass das bei der so nüchtern wirkenden Frau wirkt.

Die europäischen Sozialisten tun nun so, als ob dieser Schuldentilgungsfonds ohnedies nur ein Kompromiss gegenüber der zuletzt so laut diskutierten Eurobonds-Idee sei. Dass man ihnen also geradezu dankbar sein müsse, dass sie die Eurobonds-Ideen durch diese Fonds-Idee ersetzt hätten.

In Wahrheit aber wären Eurobonds noch geradezu harmlos gegen diese Schuldentilgungsfonds. Bei Eurobonds würde es nämlich nur um die Haftung für neuaufzulegende Anleihen gehen. Beim Fonds würden hingegen sofort alle alten, die 60 Prozent BIP übersteigenden Schulden vergemeinschaftet werden! Italien könnte dann 949 Milliarden in diesen von uns allen zu tragenden 2659-Milliarden Rucksack füllen und wäre so der größte Profiteur.

Die relativ größten Draufzahler wären gar nicht die Deutschen. Die haben ja selber schon ganz ordentlich viele Schulden auf dem Buckel und wären als größtes EU-Land sogar zweitgrößter Einbringer von Schulden in diesen Rucksack. Das wirkliche Opfer wären kleine Länder wie Finnland, Slowenien, die Slowakei oder Estland. Deren Staatsschulden liegen nämlich unter der 60 Prozent-Grenze. Diese Länder würden damit gar keine Schulden in den gemeinsamen Topf einbringen und nur draufzahlen. In den Augen der Sozialisten sind das aber offenbar superreiche Ostländer. Und von denen kann man doch verlangen, dass sie jetzt in eine solche Solidarhaftung eintreten.

Womit sich ja zugleich auch die Perversion der ganzen Schuldentilgungsfonds-Logik zeigt: Es wird von den Sparsamen und Armen zu den Ländern des Dolce far niente umverteilt. Sozialismus auf europäisch halt. Beschämend ist aber auch, dass sich dieser Tage auch die europäische Bischofskonferenz für solche „Solidarität“ ausgesprochen hat. Wenn sie wenigstens schweigen würden, wenn sie schon nichts davon verstehen . . .

Das Allerschlimmste an ihrer Idee begreifen die Faymanns und Van Rompuys Europas wohl nicht einmal: Das sind nämlich die automatischen Vorwirkung dieser Idee, seit sie so konkret geäußert worden ist. Denn damit entsteht nun für jede der Schuldner-Regierungen Europas ein klarer Nutzen, schnell noch mehr Schulden zu machen. Diese werden ja dann eh im gemeinsamen Topf der „gemeinsamen Schuldenbewirtschaftung“ verrührt werden! Von dieser Idee profitiert man umso mehr, je mehr man gesündigt hat. Die Lehre: Sparen lohnt nicht, sondern schadet. Also auf Teufel komm raus noch einmal Geld ausgeben. Denn am Schluss wird man ja als Folge der Schuldengeilheit der Linken und der Schwäche der deutschen Regierung ohnedies wieder gerettet.

Jahrtzehntelang haben die nach dem Krieg Geborenen ihre Eltern vorwurfsvoll gefragt, warum sie das Hitlersche Unheil nicht gesehen haben, obwohl es sich doch so deutlich angekündigt hatte. Heute glauben wir, dass sich solches Unheil nicht mehr wiederholen kann, haben wir doch das Hakenkreuz verboten. Dabei steuern wir in ein ähnlich großes, wenn auch hakenkreuzfreies Unheil. Und fügen uns wehrlos darein. Und sind offenbar genauso hilfslos wie unsere Väter und Großväter. Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie erspart der Menschheit offenbar nie Katastrophen.

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Griechenland ist „entgleist“ – das muss uns schon was wert sein

07. Juli 2012 00:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Worte, Worte, Worte. Das war es, was dem neuen griechischen Ministerpräsidenten eingefallen ist. Und, ach ja, noch eine Kleinigkeit: Das Sparprogramm sei leider „entgleist“.

Das Wort des Jahres. Irgendwie ist man, wenn man dem neuen Premier Samaras so zugehört hat, auch sicher, dass die Deutschen daran schuld sein müssen. Wer sonst? Griechenland selbst, blöde Geschichte, habe zuletzt ja zwei Wahlkämpfe führen müssen (Dass Herr Samaras selbst an diesen Wahlkämpfen schuld ist, weil er unbedingt an die Macht wollte, verschweigt er elegant). Ja, natürlich, jetzt werde man wirklich daran gehen, zu sparen und Ämter zusammenzulegen. Und, gewiss, auch privatisieren wolle man nun. Nur gehe das halt natürlich nicht, solange da in Europa irgendwer davon rede, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden werde. Selbstverständlich sei er, Samaras, auch für den Abbau von Beamten. Aber natürlich doch nicht jetzt, wenn die Arbeitslosigkeit so hoch ist.

Und so weiter und so fort (Nach seiner Leichenbittermienen-Rede hat Samaras hinter den Kulissen wahrscheinlich mit seinen Mitarbeiter angestoßen und mit ihnen hellauf über seine tragische Inszenierung gelacht).

PS.: Wie es jetzt weitergeht? Na, so wie immer. 14 Tage werden die internationalen Kontrollore schimpfen und sagen, jetzt gebe es wirklich kein Geld mehr. Bis sich dann die übliche Solidaritäts-Internationale durchsetzt – „man könne doch nicht . . .“ –, und es erneut Geld für Griechenland gibt. Aber natürlich nur gegen das ausdrückliche Versprechen der Griechen, jetzt aber wirklich alle Verpflichtungen einzuhalten. Und da behaupte noch wer, das Perpetuum mobile sei noch nicht erfunden.

 

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Großer Erfolg mit kleinen Trittbrettfahrern

05. Juli 2012 17:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Vortrag von Thilo Sarrazin vor den Abonnenten des Tagebuchs und Mitgliedern des Hayek-Instituts war ein großer Erfolg. 430 Zuhörer folgten dichtgedrängt in einem TU-Hörsaal mehr als zwei Stunden lang diszipliniert dem Vortrag des deutschen Ökonomen und Buchautors und stellten ihm viele Fragen. Das Tagebuch dankt den vielen Spendern und dem Hayek-Institut für die erfolgreiche Kooperation. Und es amüsiert sich über die Hochstapelei einiger Trittbrettfahrer, die sich an diesen Erfolg anzuhängen versucht haben.

Sarrazin analysierte in großer und anschaulicher Breite die Fehler rund um den Euro. Er ging dabei vor allem darauf ein, wie sehr in den letzten drei Jahren die Regeln und Voraussetzungen einer erfolgreichen Umsetzung einer gemeinsamen Währung verletzt worden sind. Und wie diese Verletzung nun durch den „Rettungsschirm“ ESM fortgesetzt wird.

Besonders intensiv wies er die Behauptung zurück, dass Länder wie Deutschland von der gemeinsamen Währung besonders profitiert hätten. In Wahrheit haben das – bis zum Ausbruch der Krise – die Südländer auf Grund der billigen Euro-Kredite getan, wie er auch in seinem Buch „Europa braucht den Euro nicht“ mit vielen Daten nachweist. Die deutschen Exporte in die Südländer hätten sich hingegen seit Euro-Einführung deutlich reduziert. In fast allen Aspekten deckten sich Sarrazins Ausführungen übrigens mit vielen Analysen, die in den letzten Monaten im Tagebuch zu lesen waren.

Sarrazins Besuch in Österreich war komplett auf Einladung und Kosten des parteiunabhängigen Hayek-Instituts und des ebenso parteiunabhängigen Tagebuchs erfolgt. Viele Besucher des Vortrages haben durch ihre Spenden zu diesen Kosten beigetragen. Umso so skurriler ist der Akt von Hochstapelei, der in einer Reihe von Medien zu lesen war: Dort fand sich die Behauptung,  dass Sarrazin auf Einladung von BZÖ-Chef Bucher nach Wien gekommen wäre. Das ist eine mehr als üble Trittbrettfahrerei.

Sarrazin hat in Wahrheit sogar ausdrücklich erklärt, dass er Bucher vor seiner Ankunft in Wien gar nicht gekannt hat, sondern ihm erst hier bei einer Fernsehdiskussion begegnet ist.

Während sich auch einige andere Parteien an Sarrazin anhängen wollten, hat dieser kategorisch zurückgewiesen, irgendeine Partei zu unterstützen. Ihm liegt vielmehr daran, so betonte er bei seinem Vortrag, dass sich die von ihm vertretenen Inhalte durchsetzen. Das sei viel wichtiger als die Gründung oder Unterstützung einer neuen oder alten Partei.

 

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Süßes Gift Subvention

05. Juli 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alle wollen sie haben. Und dabei sind sie fast reines Gift – das freilich aufs erste sehr süß schmeckt. Die Rede ist von staatlichen Subventionen.

Die Geschichte ist immer dieselbe: Am Anfang beklagen – meist von PR-Agenturen munitionierte – Medien Missstände und Defizite: die armen Bergbauern, die notleidende Forschung, die benachteiligten Südeuropäer usw. Dann verlangen einschlägige Lobbies Subventionen. Dann werden diese von Politikern beschlossen, wollen diese doch immer als Macher und nicht als Nichtstuer erscheinen (oder aber Zielgruppen bedienen). Dann fließt das Steuergeld. Und am Schluss bleibt der Katzenjammer.

Reden wir aber einmal nicht über den unfinanzierbaren Wohlfahrtsstaat, die teure Agrarpolitik oder die Geldverschwendungen bei Bildung und Forschung. Reden wir ganz aktuell über Spanien und die EU: Das Land kassiert nämlich nicht erst jetzt viel Geld von seinen Miteuropäern, wie uns die EU glauben macht. In Wahrheit haben Europas südliche Regionen in den letzten Jahrzehnten schon Hunderte Milliarden kassiert. Denn die betreffenden Staaten sind die Hauptprofiteure der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds. So heißt die europäische Form von Subventionen.

Mit diesem Geld sollte ein Aufholen der armen Regionen erreicht werden. Aber in Wahrheit sind diese immer weiter zurückgefallen. Und zwar wegen und nicht trotz der Subventionen! Diese Gelder haben bequeme Regionen noch bequemer gemacht. So wie ein Mensch, der Monate nur in Bett oder Lehnstuhl verbringt, das Gehen und Laufen verlernt, wurde jenen Regionen jede Eigenverantwortung abgewöhnt.

Der Schaden besteht aber nicht nur in falschen Anreizen. Überdies wurden mit diesen Geldern oft Dinge subventioniert, die nachträglich statt Erträge zu bringen, nur weitere Kosten verursachen.

Ein Musterbeispiel sind die mit viel EU-Geld gebauten spanischen Mautautobahnen. Diese stehen derzeit nach den spanischen Banken nämlich als zweite große Branche vor der Pleite. Viele dieser Autobahnen waren von Anfang an schlicht überflüssig. Selbst in besseren Zeiten floss lange nicht so viel Verkehr wie prognostiziert über die Betonbänder. Und in Zeiten der Krise wird noch viel weniger gefahren – schon um Mautgebühren zu sparen.

Diese nur zum Zweck der Abholung von Subventionen gebauten Autobahnen waren aber nur zum Teil EU-finanziert. Sie mussten zur anderen Hälfte durch konventionelle Kredite finanziert werden. Und nun werden diese Kredite nach der Reihe notleidend. Während die Tausenden spanischen Ferienwohnungen vielleicht irgendwann einmal – nach einem kräftigen Preisverfall – doch alle einen Abnehmer finden könnten, wird das bei einer nicht benutzten Autobahn hingegen nie der Fall sein.

Eine ziemlich paradoxe Situation: Hätte die EU Spanien nicht jahrzehntelang geholfen, wäre Spanien heute viel weniger hilfsbedürftig. Und die Moral der Geschichte: Wo nicht ein Unternehmer eigenes Geld investiert, sondern (europäische, spanische, österreichische . . .) Politiker und Beamte das Geld der Steuerzahler, ist die Fehlinvestition fast schon programmiert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 313: Die Genossen bedienen sich

04. Juli 2012 13:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist absolut abenteuerlich, wie sich die Genossen bedienen: Jetzt haben sie sich still und heimlich eine Arbeitszeitverkürzung für die ÖBB-ler ausgeschnapst.

Kein Mensch kann das objektiv erklären. Der Betrieb hängt uns alles in allem alljährlich mit mindestens fünf Milliarden Euro in der Tasche, zeigt hinten und vorne keine Sanierungsbereitschaft und macht der Gewerkschaft jetzt ein solches Geschenk auf unser aller Kosten. Kann man das anders als Untreue gegenüber dem Steuerzahler nennen? Noch dazu ist die ÖBB-Führung dazu gar nicht legitimiert. Denn eine solche Vereinbarung müsste eigentlich vom zuständigen Fachverband der Wirtschaftskammer abgeschlossen werden. Immerhin hat sie ja auch Folgewirkungen für viele andere Verkehrsunternehmen. Es gibt nur eine Erklärung: Der Wahlkampf rückt näher. Und da greifen die Genossen wie beim letzten Mal zum Zweck der Wählerbestechung wild in die öffentlichen Kassen. Und was sagt dazu der einstige Raiffeisenboss Scharinger, der sich in seiner Eitelkeit und seiner Angst vor dem Pensionsschock als sogenannter Bürgerlicher von der SPÖ soeben in den ÖBB-Aufsichtsrat nominieren hat lassen? Am liebsten wohl nichts. Denn mit geradem Rückgrat müsste er sofort wieder zurücktreten.

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Der nächste große Schritt zum europäischen (und österreichischen) Debakel

04. Juli 2012 03:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nun wird also der berüchtigte Europäische Stabilitätsmechanismus von Rot, Schwarz und Grün im Wiener Parlament durchgeschleust.

Was aus mehreren Gründen ein trauriger Tag ist.

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Vertrauensbildende Maßnahmen

03. Juli 2012 01:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Frage: Woran erkennt man, dass ein Politiker lügt? Antwort: Daran, dass er den Mund aufmacht!

Mit diesem alten Kalauer wird all das kurz und bündig zusammengefasst, was uns seit dem Beginn der Aktivitäten zur Schaffung einer europäischen Währungsunion von den politischen Eliten aufgetischt wurde – und zwar unabhängig von deren Parteizugehörigkeit.

Einer der vielen Belege für diese These: Zum Standardrepertoire der Regierenden zählt im Zusammenhang mit dem Management der Staatsschuldenkrise das Mantra von der Notwendigkeit einer „Wiederherstellung des Vertrauens der Finanzmärkte in die Bonität der Debitoren”. Dass dieselben Akteure mit ebensolcher Regelmäßigkeit eben diese Finanzmärkte als den Hort des Bösen schlechthin denunzieren (was eine Verkennung des Wesens dezentral erfolgender Marktentscheidungen einerseits, und einen – trotz aller gegenteiliger Erfahrungen – absurden Glauben an die Überlegenheit zentraler, zwangsbebewehrter politischer Verordnungen andererseits belegt) – passt nicht zusammen. Weshalb sollte man um das Vertrauen von als verderblich erkannten Institutionen buhlen? Unschuldig in Not geratene Staaten sollen (wie weiland der klamme Fürst in Goethes „Faust”) einen Pakt mit dem Teufel eingehen?

Inwiefern soll der fortgesetzte Bruch bestehender Verträge dazu angetan sein, verlorenes Vertrauen zurückzubringen? Wer gestern selbst eine Verschuldungsgrenze von drei Prozent nicht einhalten wollte, dem soll man abnehmen, morgen ausgeglichen bilanzieren zu können? Schlimmer noch: Wer ernsthaft behauptet, eine Kette würde dadurch an Qualität einbüßen, indem man ihr schwächstes Glied eliminiert (und genau das bedeutet das zwanghafte Festhalten am Verbleib Griechenlands in der Währungsunion), erwartet dadurch einen Zuwachs an Glaubwürdigkeit gegenüber potentiellen Kreditoren?

Selbstverständlich handelt es sich bei alledem um pure Spiegelfechterei – um eine durchsichtige haltet-den-Dieb-Taktik. Denn natürlich haben die ominösen Märkte zu keiner Zeit je einen Staat zur exzessiven Schuldenmacherei genötigt. Die politisch Verantwortlichen haben die Staaten – ohne Not und aus freien Stücken – an den Rand des finanziellen Abgrunds geführt. Nun über die angebliche Unerbittlichkeit der Gläubiger zu jammern (die sich unterstehen, Risikoaufschläge von dubiosen Kunden zu fordern!) ist lächerlich. Und dass Gläubiger dazu neigen, die von ihnen verliehenen Mittel auch wiedersehen zu wollen, sollte selbst Politikern einleuchten.

In der Tat blieb seit dem Beginn der Vorbereitungen zur Einführung einer Europäischen Währungsunion kein Register ungezogen, um der Öffentlichkeit in den Hartwährungsländern die Illusion zu vermitteln, dass es sich beim Euro um ein stabiles, hartes Geld nach Art der D-Mark handeln würde. Niemals hätten die durch Hyperinflation und Währungsreform geschädigten Deutschen jemals die D-Mark aufgegeben, hätten sie absehen können, zu welch kostspieligem – am Ende womöglich sogar friedensgefährdendem – Debakel sich das Elitenprojekt Euro entwickeln würde.

Die unbedarfte Masse – und viele naive Intellektuelle – gingen der politischen Elite auf dem Leim. Diese betrachtete das Kunstgeld niemals als etwas anderes, als ein Vehikel zur Verwirklichung einer politischen Union (die heute – vermutlich mehr als je zuvor – von den Bürgern zwischen Lissabon und Tallin entschieden abgelehnt wird).

Dass die seinerzeit von den deutschen Verhandlern fünf vor zwölf in das einschlägige Vertragswerk reklamierten „Maastrichtkriterien” niemals eingehalten oder sanktioniert werden würden, musste klar sein. Wie hätte denn eine allenfalls nötige „Strafexpedition” nach Athen, Paris oder Rom aussehen sollen? Die „Stabilitätskriterien” dienten zu keiner Zeit einem anderen Zweck, als den Deutschen Michel einzulullen.

Die dafür Verantwortlichen (namentlich Kanzler Kohl und Finanzminister Waigel), waren bereits lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass ihre famosen Stabilitätskriterien niemals würden durchgesetzt werden könnten, sollte es zu Verletzungen durch große Mitgliedsländer der Union kommen. Dass es dann – neben dem notorischen Weichwährungspatienten Frankreich – am Ende ausgerechnet die Deutschen selbst waren, die die von ihnen erfundenen Stabilitätskriterien (unter einer rotgrünen Regierung) als erste brachen, ist als Treppenwitz der Geschichte zu verbuchen.

Wie auch immer – die Zeit läuft ab. Kein einigermaßen mit den Fakten Vertrauter kann annehmen, dass die von den im Fokus der bösen „Spekulanten” stehenden Staaten ihre Verbindlichkeiten jemals – ohne Rückgriffe auf private Eigentumsrechte brutal verletzende Methoden der monetären Repression – werden abtragen können.

Ohne eine tiefe Einsicht in die der Schuldenkrise zugrundeliegenden Ursachen (im Besonderen die hemmungslose Geld- und Kreditschöpfung ex nihilo) wird eine nachhaltige Sanierung der verschuldeten Volkswirtschaften allerdings nicht gelingen. Ohne eine entschlossene Abkehr vom herrschenden Geldsystem, das auf dem Bruch von über Jahrtausende hinweg tradierten Rechtsgrundsätzen beruht; ohne eine Rückkehr zu „echtem” Geld, scheint eine Heilung unmöglich – und zwar unabhängig davon, ob das Geld am Ende Drachme, D-Mark oder Euro heißt.

Ein das im letzten Absatz angerissene Problem erschöpfend darstellendes Buch eines in der Tradition der „Österreichischen Schule" stehenden Gelehrten habe ich bereits in einem meiner letzten Beiträge genannt. Dies sei hier nochmals getan:  http://www.buchausgabe.de/public_products/geld-bankkredit-und-konjunkturzyklen-jesus-huerta-de-soto-1090

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Von Gipfel zu Gipfel zum Abgrund

03. Juli 2012 00:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt beginnt jenes Giftkraut aus dem Boden zu kommen, dessen Samen im Mai 2010 gesät worden sind: Schon eine Reihe von internationalen Großinvestoren hat in den letzten Tagen signalisiert, kein weiteres Geld in Europa zu verleihen oder anzulegen. Und zwar geht es dabei nicht nur um die nun schon im Monatstakt länger werdende Liste Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Italien, Zypern ff.  Vielmehr werden nun langsam auch Deutschland oder Österreich für langfristige Anlagen zunehmend als fragwürdig empfunden. Und die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels machen klar, dass die Investoren guten Grund für ihre Haltung haben.

Das heißt natürlich noch keineswegs, dass Berlin & Co demnächst auf ihren Anleihen sitzen bleiben werden. Aber ich bin überzeugt, dass auch sie für langfristiges Geld am Ende dieses Jahres schon deutlich höhere Zinsen zahlen müssen als derzeit. Und vor allem wird bei ihrer Refinanzierung ein höherer Anteil als früher aus Geldern kommen, die nur dank der Europäischen Zentralbank überhaupt existieren.

Denn längst kann Europa nur noch dadurch seine Stabilität aufrechterhalten, dass die Notenbank halt wie in einer Bananenrepublik das Geld einfach druckt, wenn es der Staat braucht. Das war nach dem letzten Krieg in den sogenannten Nordländern völlig undenkbar, was deren Stabilität und Wachstum ermöglicht hat. Die Staaten mussten sich vielmehr selbst um ihre Kreditwürdigkeit bei unabhängigen Geldverleihern bemühen.

Dass das neu geschöpfte EZB-Geld pro forma nicht direkt an den Staat geht, sondern dazwischen über Banken geschleust wird, ist nur ein kleines Feigenblatt, um die Blößen der öffentlichen Finanzen in Europa noch ein wenig zu tarnen. Denn alle scheinen vergessen zu haben, dass am Ende alle Euro-Staaten für die EZB haften. Und die wäre ohne die Lizenz zum Gelddrucken längst insolvent.

Spekulation auf einen Euro-Bruch hilft den deutschen Zinsen

Manche werden mir nun entgegnen, dass Deutschland zuletzt ja nur extrem niedrige Zinsen zahlen musste. Dafür gibt es eine logische Erklärung: Die europäischen Anleger müssen das Geld ja irgendwo anlegen – gleichzeitig befürchten sie aber mit einem Auseinanderbrechen des Euro. Im Zeitpunkt dieses Auseinanderbrechens würde jeder katastrophale Verluste machen, der sein Geld im Süden angelegt hat. Hingegen geht es dann allen zumindest relativ gut, die ihr Geld in deutschen Staatspapieren investiert haben.

Doch das Auseinanderbrechen des Euro steht nicht auf dem Programm – obwohl vieles dafür spräche. Doch alles, was dafür spricht, sind Zwangsläufigkeiten der ökonomischen Logik. Dagegen sprechen jedoch die Zwangsläufigkeiten der politischen Logik. Und die laufen halt total konträr.

Zwar kann die Politik weder die physikalischen Gesetze noch jene der ökonomischen Grundrechnungsarten außer Kraft setzen. Aber sie kann sich lange weigern, sie zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie ihr nicht passen. So wie sie es etwa einst auch in der Frage getan hat, ob die Erde um die Sonne oder die Sonne um die Erde kreist.

Damals war der Schaden nur einer für das Tempo des wissenschaftlichen Fortschritts. Im 21. Jahrhundert wird das Ignorieren wirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten schwere Schäden für Wohlstand, soziale und damit auch politische Stabilität bringen. So wie das schon im 20. Jahrhundert einmal der Fall war.

Crash oder Inflation

Eine der wichtigsten Grundregeln der Ökonomie lautet: „Es gibt nichts umsonst. Ob es nun die Kosten eines Krieges (anschauliche Beispiele waren der erste Weltkrieg in Europa und die amerikanischen Kriege in Vietnam sowie Irak) oder die Kosten einer weit über die Produktivitätszuwächse hinausgehenden Wohlstandsvermehrung sind (wie der Ausbau des europäischen Wohlfahrtssystems seit den 70er Jahren). Am Schluss zahlt jemand die Rechnung. Durch Steuern, durch Wohlstandsverlust, durch Ausbeutung. Und wenn man glaubt, die Rechnungen einfach durch Gelddrucken bezahlen zu können, dann endet das in einer Megainflation oder im Staatscrash, also dem Ausbleiben von Beamten- oder Pensionszahlungen.“

Der jüngste EU-Gipfel hat dennoch so wie schon eineinhalb Dutzend Vorläufer einen Triumph der politischen Mechanik über die wirtschaftlichen Zwänge gebracht.

Der dumme Satz vom notwendigen "Vorrang der Demokratie über die Märkte" ist eine der besten Waffen der Politik. Denn er suggeriert mehrheitsfähig, dass es um eine Auseinandersetzung zwischen den braven und fleißigen Bürgern und irgendwelchen bösen „Banken und Spekulanten“ ginge. In Wahrheit aber sind gerade die Bürger langfristig das Opfer des Erfolgs der Politik über die Märkte. Der Ruf nach dem Vorrang der Demokratie über die Märkte hat aber ungefähr die gleiche Intelligenz wie die Aussage: „Die Demokratie muss Vorrang über das Gesetz der Schwerkraft haben.“

Eine weitere Waffe der Politik, um die Ökonomie zu knebeln, ist das, was man nur noch als Hetze gegen Deutschland beschreiben kann. Für Spanien, Italien, Frankreich & Co ist es kurzfristig viel angenehmer, sich durch Drohungen weiteres Geld aus Deutschland zu erpressen, statt mit unpopulären Maßnahmen die Staaten zu sanieren. Das ist psychologisch verständlich – auch wenn theoretisch allen klar sein müsste, dass das langfristig nicht funktionieren kann.

Das eigentlich Verblüffende ist, dass Deutschland diesem Druck regelmäßig nachgibt. Vor jedem EU-Gipfel verkündet Angela Merkel noch, hart zu bleiben. Nachher aber hat die vermeintlich starke Bundeskanzlerin doch wieder nachgegeben. Warum eigentlich?

Notfalls die Nazi-Keule

Nun, ein entscheidender Faktor liegt zweifellos darin, dass es sehr schwer ist, ganz alleine in einem Gremium von 27 Regierungschefs gegen den Rest zu stehen. Irgendwann knickt die ostdeutsche Pastorentochter dann eben doch wieder ein. Nie ganz, aber jedes Mal ein Stück mehr.

Wenn einem eine ganze Nacht lang südeuropäische Regierungschefs anschreien, dass man die Totengräberin Europas sei; wenn daheim die linke Opposition in die gleiche Richtung argumentiert; wenn selbst der außerhalb der EU stehende US-Präsident Druck auf Merkel ausübt (weil natürlich auch Amerikaner Forderungen an Spanien & Co haben); wenn als letztes Totschlagsargument gegen Deutschland die Nazi-Keule bereitliegt; wenn ein Scheitern eines EU-Gipfels kurzfristig von den Märkten garantiert als Schock empfunden würde (dessen Heilsamkeit erst später offenkundig würde): Ja, dann lässt sich auch eine Angela Merkel doch wieder auf einen faulen Kompromiss ein. Obwohl man weiß, dass es den nationalen Interessen Deutschlands schadet. Obwohl Merkel bei einem Hartbleiben die deutliche Mehrheit der deutschen Bürger hinter sich hätte.

Zumindest ein Land beugte sich beim jüngsten Gipfel jedoch nicht dem allgemeinen Druck – auch wenn das erst Tage danach klar wurde. Es sind die Finnen, die immer sehr ruhig, aber umso konsequenter agieren. Sie erklärten drei Tage nach dem Gipfel, dass sie ein Veto gegen Staatsanleihenkäufe durch den Rettungsfonds ESM einlegen werden. Dabei hat das Gipfel-Kommunique noch in Hinblick auf die nur noch schwer verkäuflichen Anleihen Italiens und Spaniens angekündigt, dass man künftig bei Anleihenkäufen „flexibler und effizienter“ sein werde.

Auch etliche andere Nationen wie die Briten, Tschechen oder Schweden haben an sich eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Sie sind aber nicht im Euro. Sie haben daher jedes Interesse, nicht in dessen Strudel hineingezogen zu werden und verhalten sich daher bei Gipfeln eher ruhig. Die ebenfalls auf Stabilität bedachten Niederländer haben wiederum eine Wahl vor sich und sind daher ebenfalls zurückhaltend.

Österreich lässt Merkel im Stich

Die größte Enttäuschung bei diesem Gipfel war das Verhalten des österreichischen Bundeskanzlers. Er hat zwar seit seinem Amtsantritt nie außenpolitisches Gewicht erlangt. Es ist deshalb unbemerkt geblieben, dass er mit seinen Äußerungen in letzter Zeit zunehmend der französischen und italienischen Schuldenpolitik nahegerückt ist. Dabei sind Österreichs Interessen zweifellos in hohem Ausmaß identisch mit den deutschen. Also müsste sich eigentlich auch Österreich mit Händen und Füßen dagegen wehren, ständig noch mehr für die Schulden fremder Länder zu haften. Das tut aber Faymann nicht. Lediglich die Finanzministerin traut sich, die österreichischen Interessen zu vertreten, während sich ihre Parteifreunde im Außen- und Wirtschaftsministerium peinlich ruhig verhalten.

Nun kann man durchaus meinen, dass auch der jüngste Gipfel an sich nicht die ganz große Katastrophe darstellt. Die wurde vielmehr schon 2010 ausgelöst, als entgegen dem EU-vertraglichen(!) Verbot Griechenland von den EU-Partnern zum ersten Mal gerettet wurde. Damals hat Merkel nach wochenlangem Zögern zum ersten Mal dem französischen Präsidenten Sarkozy nachgegeben. Alle weiteren Folgefehler haben sich dann fast zwangsläufig aus diesem ersten Fehltritt ergeben.

Das Ergebnis: Würden alle Haftungen und Kredite, die via EZB-Geldschöpfung, Target-2-Kredite, EFSF, ESM, Währungsfonds oder bilateral an die Krisenstaaten vergeben wurden, schlagend, dann wäre selbst Deutschland bankrott.

Es ist in hohem Ausmaß wahrscheinlich, dass Deutschland sogar jetzt schon überfordert ist. Das werden auch immer mehr potenzielle Kreditgeber in den nächsten Monaten erkennen. Das hat man nur eine Zeitlang dadurch verbergen können, dass die Haftungen und Kredite für die Schuldenländer in so vielen komplizierten, für den Laien kaum durchschaubaren, aber in Wahrheit immer auf dasselbe hinauslaufenden Instrumenten verborgen sind.

Einige wenige positive Signale

Gewiss darf man auch die wenigen positiven Signale aus Europa nicht ignorieren: Irland hat sich durch braves Sparen weitgehend wieder erholt; Portugal hält tapfer sein Sparprogramm ein; Italien hat zumindest einen Primär-Überschuss (es gibt also als eines der wenigen Krisenländer weniger aus, als es einnimmt, wenn man die Bedienung der Kredite ignoriert).

Aber das deutet noch auf keine echte Wende. Das zeigt noch nicht, dass die Rettungs-Idee funktioniert. Deren Kern lautet ja: Die Anderen schießen Geld zu, um Zeit zu kaufen, in der sich die Schuldenländer sanieren können. Länder wiue Griechenland haben die Zeit in keiner Weise genutzt. Spätestens seit auch ein Schwergewicht wie Frankreich ganz auf Schulden setzt, ist diese Zeitkauf-Idee wohl weitgehend gescheitert.

Zu diesem Scheitern hat noch mehr beigetragen, dass in diesen beiden Jahren allen die Botschaft vermittelt wurde: Die Deutschen als Chefs der kleinen Gruppe, die noch ein bisschen kreditwürdig ist, machen am Ende doch nie wirklich ernst mit ihren Drohungen. Sonst wäre ja etwa Griechenland schon lange das Geld ausgegangen.

Schon wieder eine neue Bankenaufsicht

Signifikant für das peinliche Herumdoktern der EU-Chefs ist die Ankündigung einer neuen europäischen Bankenaufsicht durch den jüngsten Gipfel. Das klingt gut. Nur hat man schon im Vorjahr haargenau dasselbe getan: nämlich eine Europäischen Bankenaufsicht (EBA) geschaffen. Diese hat damals mit ihren Stresstests für die Banken viel Aufsehen erregt hat. Diese EBA hat freilich den spanischen Banken ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt – und zwar knapp bevor da einige davon in Konkursgefahr geraten sind und vom Staat gerettet werden mussten.

Daher weiß jetzt kein Mensch, wie künftig diese beiden Aufsichten miteinander und mit den zahllosen sonstigen nationalen und internationalen Bankenaufsehern (für Österreich etwa OeNB, FMA, BIZ, IWF, OECD) harmonieren werden. Auch die Regeln und Konsequenzen der neuen Bankenaufsicht sind völlig unklar. Denn eigentlich will ja gar niemand größere Banken in die Insolvenz schicken. Vor allem will aus Eigeninteresse kein Staat, dass die Banken damit aufhören, die Staaten weiter zu finanzieren. Dabei ist die Staatsfinanzierung – neben den Immobilienkrediten – zur größten Risikoquelle des Finanzsystems geworden und müsste eigentlich als erstes eingeschränkt werden. Also ist das ständige Gerede „Noch mehr Aufseher!“ nur ein Mittel zur Wählertäuschung.

Diese Bankenaufsicht Nr. 227 (oder so) dient nur dazu, den eigentlichen Trick des jüngsten Gipfels zu tarnen: Künftig sollen die diversen europäischen Fonds auch Banken direkt „retten“ können (die eben zur Rechtfertigung dieses Schritts künftig auch von der EZB beaufsichtigt werden). Selbst wenn dazu kein neues Geld in die Rettungsfonds gepumpt werden sollte, ist diese scheinbar harmlose Maßnahme gefährlich: Erstens zählen diese Kredite nicht zur nationalen Staatsverschuldung, gefährden also scheinbar nicht die ohnedies labile Kreditwürdigkeit der Südstaaten und deren Maastricht-Kriterien. Und zweitens bekommen die Rettungsfonds solcherart nicht die Möglichkeit eines direkten Drucks auf die Staaten, mehr zu sparen.

Ebenso ärgerlich ist, dass der ESM (in dem also ein Gutteil der deutschen und österreichischen Haftungen stecken wird) gegenüber Spanien den Status als bevorrechteter Gläubiger verliert. Womit die Hoffnungen auf einen Rückfluss der Gelder weiter reduziert worden sind.

Das mag die Wall Street und einige andere Gläubiger Spaniens freuen. Für die mitteleuropäischen Steuerzahler ist das eine schlechte Nachricht.

"Schuldenbewirtschaftung" statt Sanierung

Statt von Sparen und Sanierung redet daher die Politik neuerdings lieber von einer „Schuldenbewirtschaftung“. Wenn dieses Wort überhaupt irgendetwas heißt, dann eines: Niemand denkt daran, jemals die Schulden wirklich zurückzuzahlen.

Das Konzept „Zeitgewinn zur Sanierung“ scheitert vor allem deshalb, weil die Nationalstaaten nie und nimmer die wirkliche Gesetzgebungs-Autorität an übergeordnete Institutionen abgeben. Aber selber sind die meisten Staaten unter dem Druck der Wähler offenbar zu keiner echten Sanierung imstande. Jedoch nur durch einen nicht vom Populismus der nationalen Parlamente und Regierungen abhängigen Insolvenzverwalter könnten die meisten Staaten saniert werden: Dieser müsste selbst Beamtenkündigungen durchsetzen, das Pensionsantrittsalter erhöhen, die Urlaube verkürzen, unproduktive Subventionen streichen und vieles andere ebenso Notwendige wie Unpopuläre tun können. Das wird ihm keine Regierung erlauben.

Statt die Einsetzung solcher Sparbevollmächtigter zur Bedingung zu machen, hat Europa den Schuldenstaaten immer weitere Schecks geschickt und nur dazu gesagt: „Wenn ihr nicht spart, gibt es aber beim nächsten Mal wirklich kein Geld mehr“. Das aber wird zunehmend zur europäischen Lachnummer.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Alle wollen regulieren – aber wie?

01. Juli 2012 00:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Seit vier Jahren wird der Satz von allen Politikern und Journalisten nachgebetet: Die Finanzwelt muss strenger reguliert werden! Aber kaum jemand versteht, worum es dabei geht.

Erstens sollen höhere Eigenkapitalquoten vorgeschrieben werden. Das ist auch in Ordnung. Es ist jedoch reine Schikane, dass zu dieser Quote zwar Partizipationsscheine in staatlichen, aber nicht solche in privaten Händen zählen. Dabei sind rechtlich beide völlig gleich: Wenn es gut geht, fließen Erträge, wenn es schlecht geht, ist die ganze Einlage weg. Nicht anders ist ja auch das Los von Aktionären. Schon diese Bestimmung zeigt eine einseitige Staatslastigkeit der Regulierer.

Noch absurder ist der zweite Bereich, die Liquidität. Natürlich ist es gut, wenn Banken und Versicherungen liquide sind. Am liquidesten sind sie freilich dann, wenn sie das gesamte eingelegte Geld im Safe horten. Kleines Problem: Sie können dann keine Zinsen zahlen, sondern müssen umgekehrt Verwahrungsgebühren für Safe- und Personalkosten verlangen.

Daher will man doch auch andere Werte als Liquidität gelten lassen. Obwohl diese Werte oft keineswegs liquide sind. Absurd aber ist, was den Regulierern bisher als einziges mit Bargeld jedenfalls Gleichwertiges eingefallen ist: Das sind Staatsanleihen! Jawohl, Anleihen dieser bankrotten Gebilde.

Natürlich wissen die Regulatoren – und das nicht erst, seit griechische oder argentinische Papiere nur noch zum Tapezieren gut waren, – dass die Liquidität von Staatsanleihen eine Fiktion ist. In Wahrheit geht es ihnen aber gar nicht um Liquidität, also die Sicherheit der Anleger, sondern um die Angst der Staaten, sonst kaum noch Kredite zu bekommen. Selbst Deutschland hat ja schon – bei zunehmender Überalterung – eine sehr hohe Staatsverschuldung. Daher könnte man selbst beim starken Mann Europas zweifeln, ob seine Papiere wirklich auf Dauer werthaltig bleiben. Aber da ja Banken und Versicherungen einen Teil des eingelegten Geldes „liquide“ halten müssen, kaufen sie halt weiter deutsche Anleihen (und mit schon etwas geringerer Begeisterung auch österreichische oder niederländische). Immerhin bekommt man da im Gegensatz zum Bargeld wenigstens noch ein paar Zerquetschte als Zinsen. Und jedenfalls sind Papiere dieser Länder weit sicherer als jene vom Mittelmeer.

Erst seit den allerletzten Tagen will man nach jahrelangen Verhandlungen nun auch Gold und Aktien als Liquidität einstufen. Zwar gibt es auch hier große Fragezeichen – aber so „liquide“ wie ein griechisches oder spanisches Staatspapier sind die meisten Aktien allemal. Und Gold sowieso. Der Grund dieser Erweiterung des Liquiditätsbegriffs: Sonst hätten die Banken kaum noch Spielraum, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Was die Arbeitslosigkeit explodieren ließe.

Diese beabsichtigte Milderung der Regeln macht aber wiederum die Finanzminister nervös: Denn dadurch wird das Interesse der Anleger an Aktien steigen und an Staatsanleihen sinken. Das heißt aber: Die Schlacht um die Regulierungsregeln wird wohl weitergehen.

Und erst in vielen Jahren wird man erkennen: Trotz allem Politikergerede kann es die absolut sichere Geldanlage nicht geben.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Was war denn das für ein Gipfel?

29. Juni 2012 14:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alter Wein in neue Schläuche. Oder: Schon wieder ist Angela Merkel eingeknickt. Beide Reaktionen waren in den ersten Stunden nach dem Gipfel zu hören.

Und seltsamerweise sind beide Sichtweisen zum Teil richtig. Rechtskräftig ist vorerst noch gar nichts. Die wirklichen Folgen werden noch von der detaillierten Ausarbeitung der Gipfelbeschlüsse abhängen. Aber dennoch ist jetzt schon klar: Die deutsche Bundeskanzlerin ist in einigen Punkten eingeknickt. So soll es künftig entgegen dem vor dem Gipfel beschworenen deutschen Standpunkt auch direkte Stützungskredite an Banken geben, womit insbesondere die spanische Regierung etliches an Verantwortung Richtung Europa los wäre. So ist offenbar die Kontrolle für Schuldenregierungen gemildert, nicht verschärft worden.

Damit hat sich erneut gezeigt: Die deutsche Regierungschefin hält Druck nicht gut aus, wenn sie von fast allen anderen Kollegen eine Nacht lang belagert wird. Das ist deprimierend. Denn schließlich ist sie der einzige europäische Außenposten der Vernunft. Die Front der südeuropäischen Schuldenländer und der erstarkenden Linksregierungen hat daher einen Punktesieg verzeichnen können. Besonders ärgerlich ist dabei, dass auch Österreich in diese Front eingetreten ist – obwohl Bundeskanzler Faymann ohne Sanktus der ÖVP dort eigentlich keine Position beziehen dürfte.

Auf der anderen Seite hat Merkel in der wichtigsten Frage gehalten: Es gibt keine Eurobonds (auch wenn der schon bei früheren Gipfeln beschlossene und in den nächsten Tagen durch das Berliner und Wiener Parlament gehende Stabilitätsmechanismus ESM diesen Eurobonds verdammt ähnlich schaut).Damit fließt nur alter Wein, also schon früher zugunsten von Staats-Hilfen beschlossenes Geld an die Banken.

Bezeichnend ist die Reaktion der Märkte (die ja alle heftig auf das deutsche Geld gieren): Zuerst stiegen sie steil, aber schon Stunden später fielen sie wieder, als sie das Ergebnis genauer analysiert hatten. Womit die Halbwertszeit des Gipfels ein absolutes Rekordniveau erreicht hat. Hatten doch die „Durchbrüche“ auf den 18 bisherigen Krisengipfeln in der Regel wenigstens ein paar Tage lang die Märkte beruhigen können.

 

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Strom: Blackouts kommen auf uns zu

29. Juni 2012 02:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Bei der Energiewende in Europa droht einiges schief zu laufen. Insbesondere bei den Kosten ist mehr Realismus nötig: So darf es etwa keine ungehemmte Ökostrom-Förderung geben, denn irgendwann stößt die Belastbarkeit der Verbraucher an Grenzen. Die seit gut einem Jahr in Deutschland laufende Debatte über die Energiewende hat exemplarisch eine Reihe von Problembereichen aufgezeigt, für die eine wirkliche Lösung fehlt.

Das gilt etwa für den fehlenden Stromnetzausbau, aber auch einen suboptimalen Kraftwerkseinsatz, bei dem im Süden Deutschlands zu viel abgeschaltet worden ist, während der Norden von Windkraft-Strom überschwemmt wird. Der Netzausbau könnte den Nachbarn 57 Mrd. Euro kosten, mehr als die deutsche Griechenland-Hilfe. Das Stromnetz steht schon ziemlich unter Druck: Experten hoffen, dass es die nächsten zwei, drei Jahre zu keinen Stromausfällen kommt. Aber deren Wahrscheinlichkeit ist deutlich gestiegen.

Pro Jahr gibt es in Österreich 10.000 kleine und mittlere Stromausfälle. Im vergangenen Jahr musste der österreichische Übertragungsnetzbetreiber APG 2.500 Mal stabilisierend ins Netz eingreifen. 2009 war dies nur 1.900 Mal notwendig. Laut APG hat es heuer durch hohes Windaufkommen in Deutschland hierzulande bereits einige Beispiele kritischer Netzsituationen gegeben.

Das viertägige Blackout in Teilen der USA und Kanada im Sommer 2004 hat schätzungsweise wirtschaftliche Verluste in der Höhe von sechs Mrd. US-Dollar (4,7 Mrd. Euro) verursacht. Ein totaler Stromausfall in Deutschland würde pro Stunde 0,6 bis 1,3 Mrd. Euro kosten. Am teuersten wäre ein Stromausfall für die Finanz, Telekom- und Halbleiterindustrie. Den letzten großen Blackout in Europa gab es 2003, als das ganze Stromnetz in Italien für 18 Stunden zusammenbrach. Technische und menschliche Fehler sowie mangelhafte Instandhaltung sind die Hauptursachen von Blackouts. Sonnenstürme und Terroranschläge sowie Cyberattacken rücken aber immer mehr in den Fokus der Energieversorgungssicherheit.

Die österreichische Energiewirtschaft sieht auch eine steigende Gefahr von Blackouts. Derzeit liegt Österreich mit im Schnitt rund 30 Minuten an ungeplanten Stromausfällen pro Jahr noch an dritter Stelle in Europa. Durch den steigenden Stromverbrauch und die Energiewende würden die Stromnetze in Spitzenzeiten aber an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Es steht zu befürchten, dass es in Europa zur Bildung von teuren „Kapazitätsmärkten" für nicht laufende Gaskraftwerke in Warteposition kommt, deren Kosten die Stromverbraucher dennoch berappen müssten. Einen solchen Ausgleich von Marktmängeln benötigt Österreich gar nicht, dennoch könnte die Belastung hierzulande 50 bis 150 Mio. Euro ausmachen. Vor allem in Deutschland sind solche Kapazitätsmärkte schon länger in Diskussion, nachdem mit Erdgas befeuerte Kraftwerke derzeit relativ unrentabel sind, aber als Reserve-Kraftwerke für Ökostrom benötigt werden.

Es geht nicht an, Erneuerbare Energien ungehemmt zu fördern, denn dann wird die Stromerzeugung für andere Marktteilnehmer unattraktiver. Endlich wird auch auf EU-Ebene darüber diskutiert, dass man Elektrizität aus Renewables nicht um jeden Preis ins Netz einspeisen lassen kann, wenn kein Bedarf danach gegeben ist. In Deutschland sind die Ökostrom-Zuschläge mit 4,6 bis 5,3 Cent je kWh schon fast so hoch wie die eigentlichen Stromkosten von 5 bis 6 ct/kWh, in Österreich liegen sie bei einem Drittel. Schrittweise müssten die Erneuerbaren von der „Förder-Infusion" gelöst und in den Wettbewerb gebracht werden, also sich nach einer gewissen Phase einer Anschub-Investitionsförderung selbst finanzieren können.

Die deutsche Energiewende kostet Österreich schon jetzt 200 Mio. Euro im Jahr, da durch die AKW-Abschaltungen die auch für uns relevanten Strom-Großhandelspreise nach oben getrieben worden sind. Die bisherigen preisdämpfenden Effekte im deutschen Strom-Großhandel für Österreich fielen damit weg, die Strompreise werden auch bei uns in den nächsten Jahren kräftig steigen.

Wie soll das Energiesystem der Zukunft aussehen?

Die Politik muss sich entscheiden, ob sie den Sektor regulieren will, oder dem freien Wettbewerb überlassen möchte. Im Energiebereich gilt es zwei zentrale Fragen zu beantworten: Zum einen, ob Lösungen auf nationaler oder europäischer Ebene erfolgen sollen. Und zum anderen, ob es Regulierung oder Wettbewerb geben soll.

Die Antworten sind klar. Man müsste konsequent auf Wettbewerb setzen und Abstand von Regulierung nehmen. Die Spielregeln für den Wettbewerb müssten allerdings sehr wohl die Politik festlegen, besonders beim Ausgleich unerwünschter externer Effekte, etwa beim Thema Umwelt.

Im Kampf gegen den Klimawandel gilt es dennoch auf erneuerbare Energien zu setzen. Welche Technologie allerdings an welchem Standort zum Einsatz kommt, muss der Markt entscheiden. Nicht jeder Standort bietet dieselben Voraussetzungen. Windenergie in Schottland ist marktfähig, Photovoltaik in Deutschland dagegen nicht. Die Politik könnte eine Quote für erneuerbare Energien vorgeben, die Anbieter in ihrem Portfolio erfüllen müssen.

Die Entscheidung über die konkrete Technologie ist allerdings Sache der Unternehmen. Wie schwierig diese Entscheidung oft ist, zeigt sich bei den deutschen Offshore-Windparks. Versicherungen können sich beispielsweise bei derartigen Projekten nicht engagieren, denn die deutsche Finanzmarktaufsicht betrachtet derartige Engagements so, wie wenn man in Hedgefonds investieren würde.

Energiepolitik muss künftig auf europäischer Ebene erfolgen, über nationalstaatliche Grenzen hinweg. Bisher gibt es zwar einen gemeinsamen Binnenmarkt für den Großhandel. Die konkrete Energiepolitik ist aber von Land zu Land unterschiedlich. Es zeigen sich hier Ähnlichkeiten zur Euro-Krise: Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Fiskalpolitik funktioniert nicht.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Parlament diesmal hui – rote Personalpolitik immer mehr pfui

28. Juni 2012 17:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast täglich liefert die heimische Politik Ärgerliches und Provozierendes. Dennoch sei heute einmal primär das Positive hervorgehoben: die – einstimmige! – Einigung in einem Parlamentsausschuss, dass die Causa Kampusch neu untersucht werden soll. Das ist ein Anlass zu großer Freude. Die kann sogar den Zorn darüber dämpfen, dass die SPÖ gleichzeitig in ihrer Personalpolitik auf „Stalinismus Volle Kraft Voraus“ geschaltet hat. Offenbar geht die Partei davon aus, schnell unabhängig von jeder Qualifikation noch möglichst viele Genossen versorgen zu müssen, bevor ihr der nächste Wahltag einen Dämpfer versetzt.

Aber zurück zu Kampusch: Natürlich ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass heute, so viele Jahre nachher, noch wirklich restlose Klärung in den Fall gebracht werden kann. Aber es ist jedenfalls in einer verfahrenen Situation die beste Idee, dass sich einmal ausländische Experten alles anschauen können. Und dass da nicht ständig nur ein Staatsanwalt anderen Staatsanwälten Persilscheine ausstellt.

Ebenso erfreulich ist, dass nun offenbar ein Verfahren gegen Staatsanwälte wegen Nötigung in Gang kommen dürfte, die offenbar eine Zeugin unter Druck gesetzt haben, wunschgemäß auszusagen. Der tragische und höchstwahrscheinlich in direktem Zusammenhang mit der Affäre stehende Selbstmord eines Kriminalbeamten kann ohnedies nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Mann war etlichen Indizien zufolge unter massiven Druck geraten, nachdem er die Dinge ganz anders gesehen hat als die Staatsanwälte,

Was auch immer herauskommt: Rätselhaft bleibt, warum sich gleich drei Ministerinnen da nicht getraut haben, selbst ihrer Aufsichtspflicht über die Staatsanwälte nachzukommen, die sie ständig als so wichtig bezeichnen. Sind die Herren in Rot (was bei vielen in mehrfacher Hinsicht zutrifft) wirklich zu einem unangreifbaren Staat im Staat geworden? Ideal ist es nämlich keinesfalls, dass Abgeordnete nun anfangen, wider die Gewaltentrennung die Justiz zu kontrollieren. Dies ist vor allem angesichts des in den diversen Untersuchungsausschüssen gezeigten Rechtsverständnisses mancher Abgeordneter problematisch, das ja mit serienweisen Vorverurteilungen und Unterstellungen heftig an die Methoden der Französischen Revolution erinnert (um nicht gar spätere Geschichtsepochen bemühen zu müssen).

An dunkle Epochen erinnern auch die Personalmaßnahmen der SPÖ. Da feuerte die Infrastrukturministerin Bures in einer Handstreichaktion den Industriellen Peter Mitterbauer als Aufsichtsratsvorsitzenden der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Und gleichzeitig wurde dort die in Nationalbank ausscheidende Genossin Gertrude Tumpel-Gugerell inthronisiert, die zufällig auch Ehefrau des Arbeiterkammer-Chefs ist.

Tumpel hat gewiss in der Europäischen Zentralbank etliche Erfahrungen in internationalen Finanzfragen gesammelt. Freilich ist sehr negativ aufgefallen, dass sie dort ohne irgendeinen erkennbaren Widerstand allen Geldverbrennungen zugunsten der reformunwilligen Schuldenstaaten zugestimmt hat. Aber ganz sicher hat sie Null Erfahrung mit industriell angewandter Forschung. Und einzig um diese Forschung geht es in der FFG. Bezeichnend und trotz aller Vorbehalte für Tumpel geradezu kränkend ist der Umstand, dass Bures als einziges Argument für den handstreichartigen Wechsel das Geschlecht Tumpels zu nennen wusste. Da hätte doch selbst einem drittklassigen Pressesprecher Besseres einfallen müssen.

Natürlich geht es nicht um das Geschlecht, sondern um Parteiloyalität. Die ist in der Faymann-SPÖ zum einzigen Maßstab geworden. Das kann man auch daran ablesen, dass am gleichen Tag auch Sozialminister Hundstorfer eine massiv parteipolitische Personalentscheidung getroffen hat, deren Opfer eine Frau ohne rotes Parteibuch wurde (zugunsten einer anderen Frau mit heftigem roten Stallgeruch).

Es geht um die Leitung des Wiener Arbeitsmarktservices. Hier war die im letzten Moment abservierte Kandidatin bisher stellvertretende Geschäftsführerin gewesen und von einem Personalberater als bestqualifizierte bezeichnet worden. Was offenbar egal ist, wenn jemand Gewerkschaft und Rathaus ein Dorn im Auge ist. Statt ihr wurde eine gehorsame Frau aus dem Hundstorfer-Ministerium ins AMS platziert, also noch dazu jemand ohne unmittelbare AMS-Erfahrung.

Das reiht sich in die skandalöse Personalauswahl bei den beiden zuletzt neu besetzten „roten“ Posten im Verfassungsgericht. Auch dort sind nicht etwa die Besten (in diesem Fall: Verfassungsjuristen) gesucht und auserkoren wurden, sondern jene Genossen, die unmittelbare Vasallendienste für rote Spitzenpolitiker geleistet haben. Dabei hätte es durchaus auch gute sozialdemokratische Juristen gegeben. Das sind freilich solche, die selber denken und nicht nur die Parteimeinung duplizieren (gar nicht zu reden davon, dass die rot-schwarze Privatisierung des VfGH überhaupt ein Skandal ist und schlimmer als alles, was man den Ungarn zuletzt vorgeworfen hat).

Dazu kommt, dass auch im Burgenland der Landesrechnungshof künftig von einem langjährigen Kofferträger des amtierenden Landeshauptmannes besetzt wird. Was bei den Aufgaben eine Rechnungshofs ungefähr die schlechtestmögliche Qualifikation ist.

Man darf gespannt sein, ob das alles in jenen angeblich unabhängigen Medien auch so laut kommentiert wird wie vor einigen Wochen die Nichtverlängerung des Arbeiterkämmerers Muhm in einem Nationalbankgremium. Da haben diese Medien nämlich alle tagelang aufgeheult – obwohl die Finanzministerin im gleichen Zug auch einen bekannt bürgerlichen Ökonomen abserviert hat.

Diese Personalentscheidungen erinnern lebhaft an die letzten Monate des Jahres 1999: Auch damals hat die SPÖ in breitester Front ihre Parteigänger versorgt. Was natürlich die Frage aufwirft: Wird sich 2013 auch das wiederholen, was als Folge der Wahl 1999 in den ersten Wochen des Jahres 2000 passiert ist?

 

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Schulzeugnis des Versagens und Manipulierens

28. Juni 2012 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nirgendwo klaffen bei dieser Regierung Propaganda und Realität so weit auseinander wie bei Gesundheit und Bildung. Zum Schulschluss hat vor allem das Schulthema große Chance auf unkritischen medialen Widerhall. So wie zu Allerheiligen Friedhofsthemen. Das nutzt die verantwortliche Ministerin prompt dazu, sich derzeit selbst tagtäglich Zeugnisse auszustellen. Diese bestätigen Claudia Schmied aber in Wahrheit nur in einem einzigen Gegenstand ein gutes Abschneiden: nämlich in Sachen Manipulation und Dialektik. Ansonsten schaut es rund um die Schulpolitik derzeit nämlich extrem traurig aus.

Die neuesten Einträge ins Klassenbuch des Versagens und Manipulierens:

Wie die Gesamtschulen hochgejubelt werden

Erstens: Der Schmiedsche Propagandaapparat verbreitete diese Woche Statistiken, denen zufolge die „Neuen Mittelschulen“ zu einem weit höheren Prozentsatz den 14-Jährigen AHS-Reife verschaffen, als es die Hauptschulen tun. Das hätten (schon im März!!) die ersten Jahrgänge gezeigt, die in fünf Bundesländern nun gerade die NMS hinter sich bringen. Klingt doch toll – aber leider nur für total Ahnungslose.

a.      Die ersten Zweifel an der Schmiedschen Behauptung kommen einem beim Vergleich der Bundesländer-Ergebnisse. Denn im seit Jahrzehnten stramm sozialistisch beherrschten Burgenland soll die AHS-Reife gar bei vier von fünf NMS-Absolventen vorliegen. Hingegen scheint in den weniger von linken Kadergehorsam beherrschten Ländern Oberösterreich, Steiermark und Vorarlberg jeweils nur rund die Hälfte der NMS-Absolventen reif fürs Gymnasium zu sein. Ziemlich seltsam, um wie viel klüger die Burgenländer dieser Propaganda zufolge sein sollen. (Aus Höflichkeit erspare ich mir hier alle Burgenländer-Witze).

b.     Was die ministeriellen Spin-Doctoren in ihrem Propaganda-Feldzug verschweigen: Die AHS-Reife wird nicht etwa von AHS-Lehrern festgestellt, welche die Absolventen der NMS übernehmen sollen. Vielmehr erfolgt die Bewertung durch die NMS-Lehrer selbst. Diese bewerten damit den Erfolg der eigenen Anstrengungen. Was vielleicht kein ganz objektiver Maßstab sein dürfte (und schon gar nicht dann,wenn die Lehrer unter Druck eines militant ideologischen Landesschulrats wie im Burgenland stehen). Wäre die Selbstbewertung ein legitimer Maßstab, würde sich dieses Modell wohl auch für künftige Wahlrechtsreformen nach sozialistischer Art eignen: Da werden dann nicht mehr die Wähler, sondern die Parteien selbst sich die Zeugnisse in Form von Wahlergebnissen ausstellen. Die wohl nicht mehr sehr überraschend wären.

c.      Verschwiegen wird von den Schmied-Propagandisten auch, dass die Hauptschulen wie auch die AHS-Unterstufen gesetzwidrig mit viel größeren Schülerzahlen in den Klassen fertig werden müssen als die Gesamtschulen.

d.     Verschwiegen wird weiters, dass für jede einzelne dieser kleineren NMS-Klassen überdies noch viel mehr Lehrerstunden bezahlt werden als für die größeren Klassen anderen Schulen.

e.      Verschwiegen wird auch, dass bisher alle objektiven Vergleiche von Gesamtschulen (etwa in Wien gibt’s die ja schon viel länger als die Schmied-NMS) mit den ersten beiden Klassenzügen der Hauptschulen für die Gesamtschulen vernichtend ausgefallen sind. Und dass sich das Ministerium bis heute krampfhaft bemüht, alle echten Vergleichsstatistiken vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.

f.       Und last not least bestätigen alle befragten Lehrer von AHS, dass im Schnitt Schüler, die von Gesamtschulen kommen, schlechter sind als jene von Hauptschulen. Was auch kein Wunder ist: Denn in der Hauptschule wird nach Leistung getrennt unterrichtet, während in den Gesamtschulen vom Gescheitesten bis zum Blödesten alle den gleichen Unterricht erhalten. Wobei es wenig nützt, dass in den NMS statt einem meist zwei Lehrer gleichzeitig in der Klasse stehen. Die Schüler fühlen sich durch diese Vielfalt oft mehr verwirrt als gefördert.

Selbst die Oberstufe wird ausgehungert

Zweitens: Die AHS werden zugunsten der NMS nicht nur in der Unterstufe ausgehungert. Dasselbe Schicksal erleiden auch reine Oberstufenrealgymnasien – obwohl diese eigentlich (noch?) nicht auf der Abschussliste linker Schulklassenkampf-Pläne stehen. Ein Direktor eines solchen BORG hat mir die Daten seines Investitionsbudgets gezeigt, also jener Geldmittel, die er für Computer, Beamer und ähnliches ausgeben kann: Waren das 2009 noch 22.000 Euro, so sank der Wert dann alljährlich: 17.000, 13.000 und zuletzt 10.000 Euro. Und das nennt sich dann „Bildungsoffensive“ . . .

Nur Placebo-Therapien gegen die Schwänz-Epidemie

Drittens: Ein wirklicher Skandal ist auch die institutionalisierte Untätigkeit der Unterrichtsbehörden beim Thema Schulschwänzen. Denn das nach langen Aufregungen nun mit dem Innenministerium vereinbarte Antischwänz-Paket ist geradezu lächerlich. Damit ist weniger die vordergründige Debatte um die Höhe von Geldstrafen gemeint, sondern vielmehr die Tatsache, dass überhaupt erst nach dem zehnten(!) Schwänztag die ersten Konsequenzen vorgesehen sind. Und die sind peinlich harmlos: Man redet halt einmal mit den Eltern über das Problem.

Dazu kommt ja, dass ohnedies ein Gutteil der Schulschwänzer nicht erwischt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Eltern irgendwie aus Dummheit oder Solidarität mit dem Schwänzen ihrer Kinder mitspielen.

Aber warum bitte gibt’s diese Konsequenz nicht wenigstens gleich beim ersten Tag, an dem ein Schüler beim Schwänzen erwischt wird? Und warum werden die Schwänzer nicht beispielsweise verpflichtet,  an Nachmittagen Versäumtes nachzuholen? Statt dessen hört man von der Ministerin nur den hohlen Newspeak der Linken: Es brauche statt Konsequenzen „Prophylaxe“, „Jugendwohlfahrt“ und „Vereinbarungskultur“.

Lehrerausbildung wird nach unten nivelliert

Viertens: Während Schmied und ein Gutteil der Politiker derzeit davon schwätzen, dass die Lehrerausbildung verbessert werden müsse, geht der Zug in die andere Richtung: Zumindest nach den Plänen der Linken sollen die Pädagogischen Hochschulen künftig auch AHS-Lehrer ausbilden.

Was in vielen Fächern ein absoluter Wahnsinn wäre: Denn an diesen PH unterrichten überwiegend avancierte Pflichtschul- und AHS-Lehrer, keineswegs Universitätsprofessoren. Wie diese Menschen Lehrer wissenschaftlich ausbilden sollen, die dann Schüler zur Universitätsreife heranzuführen hätten, bleibt ein absolutes Rätsel. Außer man verwendet jenen Erklärungsschlüssel, der letztlich hinter so viele rot-grünen (Anti-)Bildungs-Aktionen steht: „Matura, Bachelor und Master für jeden! Und zwar ohne altmodischen Leistungsfimmel, weil sonst wären ja bildungsferne Schichten benachteiligt!“

Ein ganz anderes Thema ist freilich, dass sowohl nach einer PH wie bisweilen auch nach einer Uni die Absolventen oft nicht einmal die deutsche Rechtschreibung oder die (theoretisch) studierte Fremdsprache beherrschen. Dennoch wurde ihnen die Unterrichtsfähigkeit attestiert.

Tägliche Schulgewalt lässt Mittelstand in AHS flüchten

Fünftens: Soeben ist eine hochinteressante Statistik veröffentlicht worden („Gewalterfahrungen von Jugendlichen: Prävalenzen und Risikogruppen“, HG Strohmaier u.a.). Sie sagt, dass es an maturaführenden Schulen deutlich weniger Gewalt unter Schülern gibt als an Pflichtschulen. Das ist zweifellos einer der vielen Gründe, warum immer mehr Schüler wie Eltern trotz aller ministeriellen Aushungerungsaktionen in die AHS drängen.

Die Linken hingegen begründen sogar mit dieser Statistik den Vorteil von zwangsweisen Gesamtschulen. Das Warum ist nicht so klar. Vielleicht damit in diesen dann die schon vom Elternhaus durch Gewalt geprägten Kinder in den zur Gewaltlosigkeit erzogenen Mittelschichtschülern Prügelopfer in ausreichender Zahl finden.

Das Kuscheln hat das Niveau gesenkt

Sechstens: Eine andere Studie („Schulqualität und Befinden in der Schule“, Eder, Haider) zeigt, dass der Leistungsdruck in den Schulen nachgelassen hat. Auch fühlen sich die Schüler zunehmend wohl in den Schulen.  

Hochinteressant – und ehrlich – ist der Schluss des Autors Ferdinand Eder: „Wir haben oft die Erwartung, dass ein besseres Wohlfühlen in der Schule zu mehr Lernerfolg führe. Und diese Verbindung, die lässt sich nicht nachweisen.“ Und weiter: „Wenn Leistungsdruck deshalb geringer wird, weil die Herausforderungen weniger geworden sind, dann ist das zwar auf den ersten Blick positiv. In Bezug auf die Schule ist das keineswegs positiv, dass nicht nur der Leistungsdruck zurückgegangen ist, sondern auch das, was von den Schülern verlangt wird.“

Vielleicht denken an Hand solcher Studien auch die mit dem Bildungssystem so unzufriedenen Industriellen einmal wirklich über die Ursachen des Bildungsverfalls nach? Das wäre jedenfalls viel sinnvoller, statt sich weiter mit den Propagandisten linker Kuschelpädagogik ins Bett zu legen. Die ist nämlich eine Hauptursache des Verfalls.

Die Chancen, dass unsere Industriellen klüger werden, sind freilich gleich Null, seit in der Industriellenvereinigung ein blauäugiger Sozialliberaler regiert, der all diese linken Sprüche nachplappert. Übrigens sind die deutschen Unternehmerverbände vehement für ein differenziertes Schulsystem. Aber die sind halt neoliberal und nicht sozialliberal.

Mehr Nachhilfe bringt Pisa-Erfolge

Siebtens: Die Intelligenzprobleme linker Bildungspolitiker zeigten sich auch bei der Präsentation einer Arbeiterkammerstudie über Nachhilfe. Diese ergibt zwar viel höhere Nachhilfe-Ausgaben als eine ähnliche Studie der Statistik Austria. Aber auch nach der AK-Studie sind die Ausgaben für Nachhilfe binnen eines Jahres von 127 auf 107 Millionen Euro gesunken. Das heißt logischerweise: Entweder sinkt der Leistungsanspruch in den Schulen dramatisch oder die Schulen sind plötzlich viel besser geworden.

Arbeiterkammerchef Tumpel hat freilich eine dritte Erklärung: Die Menschen können sich plötzlich die Nachhilfekosten nicht mehr leisten. Die Tatsache, dass im gleichen Jahr die Konsumausgaben gestiegen sind, deutet freilich nicht wirklich auf eine Verarmung der Österreicher hin. Solche Tatsachen können aber ganz offensichtlich die Klassenkampf-Logik eines Arbeiterkammer-Bonzen nicht beeinträchtigen.

Besonders heiter ist auch, wie die ÖGB-Vizepräsidentin Oberhauser auf die gleiche Statistik reagierte. Obwohl die Höhen der Nachhilfeausgaben zwischen der von den Linken gehassten Hauptschule und der mit gigantischen Budgetmitteln subventionierten Neuen Mittelschule nicht einmal um zehn Prozent auseinanderliegen, leitet sie daraus den endgültigen Beweis für die Gesamtschule ab. Dabei sind die Mehrausgaben für die Gesamtschule immer damit begründet worden, dass dann die Nachhilfeausgaben wegfallen würden. Dabei sind Gesamtschulen viel häufiger Ganztagsschulen als die Hauptschulen.

Verschwiegen wird natürlich auch, dass in den Pisa-Siegerländern in Asien der Anteil der Schüler mit Nachhilfe ein Vielfaches des österreichischen Wertes beträgt; dass dort die besten Nachhilfeinstitute sogar Wartelisten führen; dass es dort einen gewaltigen Wettlauf um Plätze in den besten Schulen gibt, die gute Karrierechancen versprechen. Und all das ist der Fall, obwohl jene Länder theoretisch reine Gesamtschulländer sind. Oder vielleicht gerade deshalb?

Aber Gewerkschaftsbosse und andere Linke wissen ohnedies immer das Ergebnis jeder Studie voraus. Ist das Wetter schlecht, beweist das die Notwendigkeit der Gesamtschule. Ist das Wetter gut, beweist das die Notwendigkeit der Gesamtschule. Ist das Wetter wechselhaft natürlich ebenso.

Und schnell noch ein paar Zeitungen bestochen

Achtens: Die hemmungslose Charakterlosigkeit dieser Ministerin hat sich in den letzten Wochen noch an etwas ganz anderem gezeigt: Sie hat seit 1. Mai über 200.000 Euro für Inserate an Wiener Medien verschoben, die wie immer vor allem an die drei übelsten Boulevard-Medien gingen. Der Inhalt:Meist ihr Bild und schwachsinnige Werbesprüche wie "Die Neue Mittelschule - ein Meilenstein für Österreich". Das wirklich Grausliche daran: Sie macht diese schmierige Aktion noch ganz knapp, bevor das Medientransparenzgesetz in Kraft tritt. Nach diesem sind nämlich ab 1. Juli sowohl Inserate mit Ministerphotos wie auch mit solchen Werbesprüchen verboten.

Diese charakterlose Person setzt also noch schnell und bewusst um unser Geld solche Sauereien, bevor diese - endlich - verboten werden, sie nützt noch rasch Gesetzeslücken, um käufliche Blätter zu bestechen. Was ist das nur für ein Land, in dem so jemand die Erziehung unserer Kinder anvertraut ist?

PS.: Ausnahmsweise einmal an dieser Stelle ein Buchtipp für alle, die sich ernsthaft mit Bildungsfragen befassen wollen: Dieter Grillmayers „Schule zwischen Anspruch und Zeitgeist“ analysiert die letzten 50 Jahre ununterbrochener Bildungsreformen. Und der Autor wagt sogar herauszuarbeiten, dass gute Bildung absolut keine Frage von mehr Geld (des Staates oder der Eltern) ist. Zugleich ist – wäre – der Buch auch ein Steinbruch für die Suche nach wirklich sinnvollen Bildungsideen.

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Die ÖBB und ihre Senioren – ein persönlicher Erfahrungsbericht!

27. Juni 2012 23:42 | Autor: Günter Frühwirth
Rubrik: Gastkommentar

Als langjähriger Fahrgast der Wiener BIM (= Straßenbahn) und U-Bahnen merkt man erst, wie hervorragend und unkompliziert das Kundenservice in Wien ist, sobald man als Reisender mit den ÖBB zu tun hat.

Für die Wiener BIM gibt es für Senioren verbilligte Einzelfahrscheine und Jahreskarten. Ohne irgendeinen weiteren BIM-Ausweis. Soferne man das Alter nicht ohnedies in den Gesichtsfalten und den grauen Haaren weithin sichtbar zeigt, genügt ein Lichtbildausweis in dem das Geburtsdatum vermerkt ist.

Die Jahreskarte wird gegen den Altersnachweis erstmalig ausgestellt und kann jährlich ganz einfach verlängert werden: entweder mit Zahlschein oder gegen Bezahlung bei jedem Fahrkartenschalter der Wiener Linien. Das Ganze dauert keine drei Minuten!

Die endliche Geschichte beginnt

Ganz anderes erlebt der Fahrgast bei den Österreichischen Bundesbahnen!

Um für Senioren ermäßigte „Tickets“ kaufen und benützen zu können braucht der reiselustige Senior eine besondere „Seniorenvorteilscard“. Diese Karte gilt ein Jahr und kostet EUR 26,90. Bei einer Verlängerung dieser Seniorenvorteilscard will die innerhalb der EU pünktlichste Eisenbahn (Eigenwerbung!) anscheinend beweisen, dass Tempo nur für das fahrende Personal zu gelten hat…

Wie in einer Moebius-Schleife sieht sich der verlängerungswillige Senior im Hightechbetrieb ÖBB gefangen. Angefangen hat die unendliche Geschichte mit einer schriftlichen Warnung, dass es heuer bei der Verlängerung der Vorteilscard technische Probleme gibt.

Da die Senioren-Vorteilscard am 25.3.2012 abläuft, wird vorsorglich eine neue Card am 14.3.2012 am Wiener-Westbahnhof persönlich beantragt und bezahlt. Dafür erhält man eine „vorläufige Vorteilscard Senior“ in Form eines Papiertickets – gültig bis 26.6.2012.

Keine Nummer passt

Im Mai möchte der Senior ein ÖBB-Onlineticket zu kaufen. Aber, oh Schreck: Alle vorhandenen und irgendwo vermerkten Vorteilskartennummern werden nicht akzeptiert – der vorläufige Schein berechtigt nicht zum Online-Ticketkauf.

Zum Glück ist auf dem ÖBB-Bestellschein eine ServiceLine Tel.Nr. fett gedruckt.

Ein freundliches Tonband erklärt, dass diese Nummer nicht mehr existiert und eine andere Nummer gewählt werden muss.

Nach schier endlosen Tonbandansagen, zu denen sich der Senior den good old Bundesbahnblues von Helmut Qualtinger pfeift, meldet sich endlich ein realer ÖBB-Mensch mit Trost und einem Geheimnisverrat: Für „vorläufige Vorteilscard Inhaber“ gibt es eine besondere 16-stellige Nummer für Online-Ticketbestellungen!

Senior fragt sich, wieso diese „Geheimnummer“ nicht gleich auf die Vorläufige Vorteilscard gedruckt wird – aber er kann endlich sein Ticket online erwerben.

Nochmals von vorne

Die Freude wird jedoch bald getrübt durch einen Blick auf den Kalender: Drei Monate nach der Bestellung  ist die Jahreskarte NOCH IMMER NICHT im Briefkasterl…

Nur keine Panik – die ÖBB hat auch für diesen Fall vorgesorgt: Auf dem Bestellformular wird der Kunde eingeladen, die Vorteilscard-Serviceline anzurufen oder mit dieser Durchschrift persönlich zu einer ÖBB-Verkaufsstelle zu kommen, falls 10 Tage vor Ablauf der „Vorläufigen Vorteilscard“ noch immer keine echte Vorteilscard angekommen ist.

Also nochmals die – inzwischen bekannte neue – Service-Callcenter Nummer der ÖBB angerufen.

Jetzt gibt’s auch eine freundliche Erklärung für diesen Dauerlauf: „Irgendetwas muss bei der Bearbeitung schief gelaufen sein“, was durch die Systemumstellung leider kein Einzelfall sei…

Am besten, das Formular an das Servicecenter faxen. Da kein Faxgerät im Seniorenhaushalt, besser gleich persönlich zur ÖBB-Verkaufsstelle. Dann wird die Sache umgehend bearbeitet…

Gesagt – getan: Wieder zum Westbahnhof und endlich hat der Senior sie in Händen! Nein, nicht die Senior-Vorteilscard – eine NEUE „Vorläufige Vorteilscard Senior“ in Form eines Papiertickets – drei Monate ab Ausstellung gültig…

Da möchte man doch wirklich alle Direktorinnen und Direktoren der Wiener Linien mit Küssen und Blumen beschenken, nur so aus Dank für einfaches und rasches  Verlängern der Senioren-Jahreskarten in Wien.

In der BIM, im Kino, im Museum – aber nicht bei der ÖBB

Schlussendlich hat der noch im Besitz seines Verstandes denkende Senior zwei Fragen an die ÖBB:

  1. Wieso geht das bei den Wiener Linien so unkompliziert und ohne zusätzliche „Senioren-Vorteilscard“? Wieso bekommen Senioren auch in Museen und Kinos verbilligte Seniorenkarten – ohne besondere Museums- oder Kinoseniorenkarten?
    Den Entgang der EUR 26,90/Karte können die ÖBB doch leicht durch den Wegfall weiterer „Systemumstellungen“ und den damit verbundenen Personaleinsparungen mehr als wettmachen – oder?
  2. Wieso können in Ungarn alle Senioren – Ungarn und EU-Staatsbürger – alle öffentlichen Verkehrsmittel GRATIS benützen? Nur mit irgendeinem Lichtbildausweis mit Geburtsdatum…

Dr. Günter Frühwirth ist Jurist und begeisterter Bahnfahrer. Die gesellschaftspolitische Entwicklung Österreichs verfolgt er mit aktivem Interesse.
„Schönschreiben“ und „Schönreden“ sind für ihn kein Weg um Herausforderungen zu meistern.
 

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Schwarze Watschentänzer

24. Juni 2012 00:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die ÖVP streitet wieder einmal. Diesmal über die Pensionen und die ÖIAG. Steirische Schwarze empfahlen, das gesetzliche Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen – so wie es schon viele andere Länder in den letzten Jahren getan haben. Worauf der Obersenior Andreas Khol den Steirern empört die Bedeutung eines Salzamtes zugeschrieben hat. Was wiederum diese zum Auspacken des jenseits des Semmerings mehr als eindrucksvollen Arsenals an Verbalinjurien veranlasst hat.

Und der Parteiobmann? Der ist wie so oft freundlich beschwichtigend ohne klar erkennbare eigene Meinung. Dabei haben die Steirer – unabhängig von allen Stilfragen – einfach recht. Punkt.

Denn das Gerede, zur Rettung des Pensionssystems genüge es, das faktische Antrittsalter anzuheben, ist längst als hilflos entlarvt. Das Sozialministerium sabotiert vielmehr die diesbezüglichen Bemühungen bei der Detailarbeit immer wieder. Aber selbst wenn Genosse Hundstorfer zielstrebig an diesem Ziel arbeiten würde, reicht es längst nicht mehr aus, nur an den Schrauben der diversen Frühpensionsarten herumzudrehen. Denn die Lebenswartung steigt weiterhin ständig.

Was man ja auch in anderen Ländern – bis auf das neuerdings in den Steinzeitsozialismus zurückgekehrte Frankreich – ganz deutlich erkennt, weshalb reihum das Pensionsalter trotz aller populistischer Widerstände auf 67 erhöht wird.

Was an Andreas Khol besonders erstaunt: Schon in den Zeiten Wolfgang Schüssels und Martin Bartensteins hat die ÖVP trotz aller Querschüsse immer wieder für eine Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters gekämpft. Immer wieder wurde damals sogar eine Automatik zu verankern versucht: Höhere Lebenserwartung sollte ohne weitere Gesetzesbeschlüsse zu höherem gesetzlichen Antrittsalter führen. Das ist freilich bisher immer am Widerstand der anderen Parteien gescheitert.

Tatsache ist aber, dass seit den ersten Vorstößen, das gesetzliche Pensionsalter zu erhöhen, die Lebenserwartung schon wieder um mehr als jene zwei Jahre gestiegen ist, welche die Steirer jetzt vorschlagen. War vielleicht auch Schüssel für Khol nur ein Salzamtsvorstand?

Oder hat der schwarze Obersenior halt bloß durch das neue Amt eines Pensionisten-Vertreters die Perspektive und damit die Interessenlage geändert? Wenn dem so ist, dann verkennt er aber gewaltig die Interessen gerade der Pensionisten: Diese wollen sichere und wenigstens halbwegs wertbeständige Pensionen. Aber genau dieses Ziel ist gefährdet, wenn der Pensionskuchen mit Massen an Neupensionisten geteilt werden muss, die eigentlich noch durchaus ein paar Jahre arbeiten könnten. Khol handelt also genau gegen die Interessen aller Menschen, die eine Pension beziehen.

Unpopulär ist das Anliegen einer wirklichen Pensionsalterserhöhung nur bei einer einzigen Gruppe: der Generation der Fünfzigjährigen mit Gewerkschaftsmentalität (also der typischen Betriebsräte und ÖGB-Funktionäre). Die denken ja in der Tat an nichts anderes als an eine jugendliche Pension zum baldigen Golfen, für Mallorca-Reisen und die geplante Drittehe.

Die Stärke der Schüssel-ÖVP war es hingegen – fast – immer gewesen, gegen den Populismus aller anderen Parteien die Vernunft des Gemeinwohls und der Grundrechnungsarten hochzuhalten zu versuchen. Nicht immer, aber eben häufiger als alle anderen. Das aber ist offenbar nur noch eine vage Erinnerung, die erstaunlicherweise ausgerechnet in der Steiermark lebendig ist. Obwohl man dort in der Vergangenheit von den (vorletzten) Abfangjägern bis zur Zwangsgesamtschule eigentlich selbst primär für möchtegern-populistische Originalität bekannt gewesen war.

Selbst wenn die Kholsche Pensionsalter Politik eine Mehrheit der Österreicher hinter sich hätte, wäre es dennoch die richtige Nischenpositionierung für die ÖVP, als einzige Partei jenen Menschen ein Angebot zu machen, die über den Tagespopulismus hinauszudenken gewillt sind.

Noch absurder ist der zweite VP-interne Streit, jener um die Zukunft der ÖIAG. Dass die Roten deren Zerschlagung wollen, ist wenig überraschend. Träumen sie doch von einer Wiederkehr der Zeiten eines direkten Parteizugriffs auf die Verstaatlichte. Dass aber auch der schwarze Wirtschaftsminister Mitterlehner davon redet, ist unfassbar.

Da schlägt offenbar der alte Wirtschaftskammer-Funktionär in Mitterlehner durch. Fällt doch die WKO den Gewerkschaften gegenüber jedesmal um, noch bevor die nur bei der Tür hereingekommen sind. Und sowohl die Kammer-Seele wie auch sein nicht gerade bescheidener persönlicher Ehrgeiz führen zu einem weiteren Motiv Mitterlehners: Er mag die ÖIAG auch deshalb nicht, weil dort politisch und kammermäßig unabhängige Industrielle die Vorstände bestellen und nicht die Sozialpartner oder die Regierung.

Mitterlehner fürchtet aber wohl auch um seinen persönlichen Machtdurchgriff auf die Verbundgesellschaft. Denn nach den Reformvorschlägen der Finanzministerin und seines eigenen Parteiobmannes soll auch der Verbund dem direkten politischen Zugriff entzogen und der ÖIAG überantwortet, also trotz Staatseigentums unabhängig werden. Was beim Verbund genauso klug wäre wie bei Bahn oder Asfinag. Freilich würde dann der Wirtschaftsminister entmachtet werden.

Wie auch die Verkehrsministerin. Was den für den Steuerzahler erfreulichen Effekt hätte: Dann würden keine ÖBB- oder Asfinag-Inserate mehr auf ihre Kosten an die Faymann-freundlichen Medien fließen. Was aber wiederum die Chancen auf eine Zustimmung der SPÖ zu einer Zusammenfassung aller Staatsbetriebe in der ÖIAG nicht gerade erhöht. Das aber macht die Haltung Mitterlehners umso absurder.

 

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Die Lügen einer Krise

23. Juni 2012 00:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Archiv ist der größte Feind der Politiker. So sagen viele Journalisten und haben recht damit. Sie vergessen nur, dass es auch ihr größter Feind ist.

Journalisten glauben deshalb geschützt zu sein, weil sie auch lange selbst exklusiv die Kontrolle über die besten Archive hatten. Im Zeitalter der Elektronik erweist sich diese Selbst-Kontrolle aber oft als eine unfromme Täuschung. Da regen sich etwa die selben Kommentatoren über die Hilfen für Griechenland&Co auf, die noch vor zwei Jahren heftigst danach gerufen und jeden zögernden Politiker als unsolidarisch verdammt haben.

Durch absolut nichts zu übertreffen ist aber wohl, was man vor rund zwei Jahren auf standard.at lesen konnte: Dort wurden von einem der bekanntesten Redakteure der Zeitung Griechenland und Ungarn verglichen. Der ungarische Regierungschef wurde als der „Böse“ charakterisiert und der griechische als der „Gute“.

Man muss aber wirklich wörtlich lesen, was das Blatt im Juli 2010 über den damaligen Athener Machthaber schrieb: „Georgos Papandreou ist das Paradebeispiel für Verantwortlichkeit. Er legt alle Missstände offen, sagt seinen Leuten die volle Wahrheit und bemüht sich, allen Forderungen aus den Ausland – der Märkte und der Institutionen – gerecht zu werden. Er will durch musterhaftes Verhalten den Ruf seines Landes reparieren und so die griechische Wirtschaft sanieren.

Dabei fordert er seinen Bürgern gewaltige Opfer ab, legt sich mit so ziemlich allen Interessengruppen im Land an und geht dadurch ein großes innenpolitisches Risiko ein. Aber er kann es sich leisten, weil er eine starke Mehrheit im Parlament hat und erst in drei Jahren wieder vor die Kamera treten muss.“

Und so weiter und so fort. Das ist bitte alles wirklich so geschrieben worden und keine Erfindung eines bösartigen Kabarettisten. Wer zweifelt, sollte selber nachlesen. Man sollte auch selber nachdenken, wie viel das damit zu tun haben mag, dass Papandreou ein Linker ist, und dass Linke im Standard halt immer nur heroisiert werden.

Großartig ist aber auch, was das renommierte asiatische Wirtschaftsmagazin IFRAsia so an Politikeräußerungen in den letzten beiden Jahren zusammengetragen hat. Daraus könnte man ganze neue Landkarten zimmern. Ohne weitere Kommentare: Bitte lesen, amüsieren und nicht verzweifeln.

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Thilo Sarrazin kommt zu den Tagebuch-Abonnenten

21. Juni 2012 04:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wieder kann das Tagebuch seinen Partnern einen interessanten Vortragenden mit internationalem Format präsentieren: Thilo Sarrazin wird für sie am Abend des 4. Juli – ein Mittwoch – in Wien ein Referat mit anschließender Diskussion halten.

Wer daran teilnehmen will, möge sich bitte über „Kontakt“ (unter „Drumherum“) formlos anmelden. Wir nehmen auch Ihre Ehepartner gerne auf die Warteliste und werden rechtzeitig mitteilen, ob auch für diese noch Platz ist. Wir werden trotz des zu erwartenden Andrangs unser Möglichstes tun, alle unterzubringen, können aber vorweg keine Garantie geben.

Einen Tag vor der Veranstaltung werden wir allen Angemeldeten den endgültigen Veranstaltungssaal mitteilen. Die Teilnahme ist für angemeldete Partner frei, auch wenn wir uns am 4. Juli über eine Spende als Beitrag zu den Kosten freuen würden.

Noch offen ist, ob wir nach der Veranstaltung auch für einige Interessierte ein gemeinsames Abendessen veranstalten werden (das wird aber keineswegs gratis sein!).

Der Vortrag wird einen brandaktuellen Titel haben: „Der ewige Abstieg: von Rettungsgipfel zu Rettungsgipfel“. Er wird die Sorgen vieler Europäer um die Stabilität des Kontinents, um die Zukunft des Euro und die eigenen Ersparnisse analysieren. Sarrazin hat dazu ja vor wenigen Wochen sein neuestes Buch herausgebracht: „Europa braucht den Euro nicht“. Es ist eine absolut ehrliche Auseinandersetzung mit den europäischen und auch den eigenen Fehleinschätzungen der letzten 20 Jahre und ihren Konsequenzen.

Sarrazin hat keine Scheu, schwierige oder unangenehme Fragen zu beantworten. Das haben Hunderte Veranstaltungen in den letzten Jahren gezeigt.

Als langjähriger Berliner Finanzsenator, Finanzexperte in mehreren deutschen Ministerien und Bundesbankvorstand ist Sarrazin zweifellos sehr gut für das Thema qualifiziert. Seine Unabhängigkeit von allen Machtgruppen und gegenüber allen politisch korrekten Denkverboten hat er ja schon mit seinem vor zwei Jahren erschienenen Werk über die Folgen der Massenmigration „Deutschland schafft sich ab“ bewiesen. Dieses Buch wurde mit seiner Millionenauflage das weitaus am meisten verkaufte politische Sachbuch der gesamten Nachkriegszeit.

Seine nunmehrige Einladung nach Wien danken wir einer Kooperation mit dem befreundeten Hayek-Institut, über die wir uns sehr freuen.

Bitte rasch anmelden – spätestens am 2. Juli – und nicht beunruhigt sein, wenn Sie erst am 3. Juli die Information über den Veranstaltungsort und die Verfügbarkeit eines Platzes für Ihren Partner bekommen. Leider keinen Zutritt gibt es für Nichtabonnenten und alle jene, die mit ihren Zahlungen im Rückstand sind. Aber beides kann sich ja in den nächsten Tagen noch ändern . . .

 PS.: Wichtig: Wer eine Begleitung voranmelden will, ist gebeten, unbedingt auch deren Namen anzugeben.

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Geld verträgt keine Kompromisse

21. Juni 2012 00:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Die Franzosen werden keinen Souveränitätstransfer mitmachen.“ Mit diesem – richtigen – Satz eines sehr hohen EU-Beamten ist das ganze Dilemma der europäischen Krise auf den Punkt gebracht.

Die Grundintentionen der europäischen Akteure gehen diametral auseinander. Frankreich und viele andere Länder – von Griechenland bis zu den USA – wollen, dass sich Deutschland und Länder wie Österreich weiter schwer verschulden. Dieses Geld soll Franzosen& Co in doppelter Form zugute kommen: Erstens als direkte Hilfe für notleidende Staatsbudgets und Banken; und zweitens indirekt, indem die anderen Länder durch erhöhte Nachfrage mehr Waren und Dienstleistungen verkaufen können.

Deutschland hingegen hat nun endlich erkannt, dass weitere Hilfen, Kredite und Haftungen höchstens bei einem echten Souveränitätstransfer sinnvoll wären. Also wenn man bei den Hilfsempfängern direkt in die Budgetpolitik eingreifen kann. Bloße Versprechungen hingegen haben in den letzten beiden Jahren jede Glaubwürdigkeit verloren. Die Griechen etwa haben in regelmäßigen Abständen den Geldgebern ganz konkrete Maßnahmen zugesagt (wie Beamtenabbau, Privatisierungen, Verwaltungsreformen) und daraufhin weiteres Geld bekommen – aber immer nur einen kleinen Teil der Zusagen erfüllt.

Die von der Schuldenkrise anfangs deutlich überforderte deutsche Bundeskanzlerin will da nicht mehr mitmachen. Dafür sorgt auch der Druck von Basis, CSU und FDP. Umgekehrt fordern aber andere starke Kräfte, auch in Deutschland, dass Merkel „weiter europäische Verantwortung“ zeige. Im Klartext: Das Land soll sich noch mehr zu Lasten von Griechenland, Frankreich & Co verschulden.

Merkel versucht diesem doppelten Druck mit einer Vorwärtsstrategie zu entkommen: Wir werden nur dann noch mehr tun, wenn es dafür zu einer echten politischen und fiskalischen Union kommt. Diese würde einen  echten europäischen Durchgriff gegen Ausgaben der einzelnen Länder bedeuten, um weitere Schuldeneskalationen zu vermeiden.

Die Strategie ist an sich nicht unlogisch. Sie hat dennoch keine Chance, sie kommt zu spät und ist unglaubwürdig. Nicht nur in Frankreich ist ein automatischer Eingriff der EU in die nationale Souveränität undurchsetzbar. Dies schon deshalb, weil das als ein Eingriff der Deutschen verstanden würde.

Außerdem hätte es eine solche Verbindung von gemeinsamer Währung, politischer und fiskalischer Union schon vom ersten Euro-Tag an geben müssen, um sinnvoll zu funktionieren. Und endgültig hat Merkel die Chance auf Durchsetzung einer solchen großen Konstruktion verspielt, als sie sich vor zwei Jahren von Frankreich zwingen ließ, zugunsten Griechenlands in die Kassa zu greifen. Was eine üble Dominowirkung an weiteren nun schon in die Billionen gehenden Hilfen auslöste. Bis hin zum neuen Stabilitätsmechanismus ESM.

Künftige Geschichtsbücher werden daraus eine klare Lehre ziehen: In Sachen Krieg und Frieden sind Kompromisse immer gut. Bei Fragen von Finanzen und Währung sind sie immer von Übel.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 309: Weg mit der ÖIAG

19. Juni 2012 11:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die SPÖ will die ÖIAG abschaffen. Klingt irgendwie super.

Die komplette Privatisierung der Reste der verstaatlichten Industrie wäre nämlich ebenso sinnvoll wie notwendig. Diese war ja jahrzehntelang eine Zumutung für die Steuerzahler, sie hat Österreich in den 80er Jahren an den Rand des Staatsbankrotts geführt und war bloß ein Machtimperium der Parteisekretariate, die dort Posten vergeben konnten. Doch halt! Die SPÖ will ja jene Restbestände gar nicht verkaufen, sondern diese wieder so wie in der ganz schlechten alten Zeit an die kurze politische Leine nehmen. Die SPÖ stört vor allem maßlos, dass die ÖIAG-Konstruktion jeden parteipolitischen Durchgriff verhindert. Dort wird der Vorstand eben nicht durch ein Regierungsmitglied bestimmt (wie sogenannte Qualitätszeitungen seitenweise schreiben), also de facto durch koalitionäre Kuhhändel, sondern seit Schwarz-Blau durch einen aus unabhängigen Unternehmern bestehenden Aufsichtsrat, der sich bei Ausscheiden eines Mitglieds selbst erneuert. Und der weder auf Parteizuruf reagiert noch sich fürchtet, wenn Parteiintriganten (wie die Herren Schieder und Kräuter) Geschichten in Zeitungen streuen. Das muss natürlich totalitäre Apparatschiks total ärgern. Das hat aber den österreichischen Staatsfinanzen gewaltig geholfen.

 

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Wachsen und Schrumpfen

19. Juni 2012 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Menschen können ihren eigenen Wohlstand auf zwei Weisen vermehren (wenn man einmal von kriminellen Methoden und von Glücksfaktoren wie Erbschaften oder Lottogewinnen absieht): entweder durch erfolgreiche Arbeit und ertragsreiche Investitionen, oder indem sie heftig Schulden machen. Jeder kennt Beispiele für beide Methoden. Die zweite wird etwa durch Menschen verkörpert, deren Villa, deren Luxusautos, deren Drittfreundin eigentlich zur Gänze der Bank gehören, was sie aber nicht hindert, sich an diesen schönen Dingen zu erfreuen.

Diese zweite Methode der Wohlstandsvermehrung hat nur eine unangenehme Eigenschaft: Sie endet mit ziemlicher Sicherheit in einer steilen Abwärtskurve . An deren Ende versteigert dann die Bank Haus und Autos; und die Freundinnen haben plötzlich überhaupt keine Zeit mehr, wenn Schecks und Geschenke ausbleiben. Ein solcher Abstieg ist keine angenehme Erfahrung – weshalb Menschen zu seiner Abwehr beginnen, ins Casino zu gehen oder kriminelle Methoden anwenden. Was aber in aller Regel den Abstieg nur noch arg beschleunigt.

Haargenau dasselbe passiert auch Staaten. Viele, ja fast alle west- und südeuropäischen Staaten haben in den letzten 40 bis 50 Jahren ihr Konsumniveau nicht nur durch Arbeit und Wohlstand, sondern auch durch eine rasch steigende Verschuldung erhöht. Manche Länder haben nur den Weg über Schuldenakkumulation gewählt.

Wählerbestechung auf Pump

Staaten handeln durch Politiker. Diese haben in Demokratien ein logisches Hauptziel: wiedergewählt zu werden. Und das gelingt offensichtlich dann am besten, wenn man den Menschen beispielsweise Pensionen in einer so großen Höhe und ab einem so frühen Zeitpunkt zahlt, dass das nur noch mit massiven alljährlichen Schuldenaufnahmen finanziert werden kann. Das verschweigt man aber den Menschen. Diese halten ihre Pensionen und zahllose sonstige Sozialleistungen in der Tat oft für selbstverdient oder gar für eine Leistung der Politiker. Diese greifen daher von Jahr zu Jahr heftiger zur Methode der Wählerbestechung durch hohe Sozialausgaben. Nichts anderes sind ja Pensionen, für die nicht ausreichend Beiträge einbezahlt worden sind. Und noch ein paar Hundert weiterer Ausgabenposten.

Manche Philosophen und ökonomischen Denker prophezeien aus diesem Grund sogar ein Ende der Demokratie. Das hält die Mehrheit der Politiker aber nicht ab, nach dieser in ihrer kurzfristigen Sicht erfolgreichen Methode weiterzuarbeiten.

Sie tun das selbst dann, wenn der Exekutor schon vor der Tür steht. In diesem Moment versucht man verzweifelt, den Exekutor dazu zu bewegen, doch noch ein paar Tage Zeit zu lassen. Man versucht zugleich hektisch, noch einen neuen Geldgeber zu finden. Man versucht, noch rasch ein Grundstück zu verkaufen. Und man schimpft jedenfalls heftig auf die Bank, die am eigenen Unheil schuld sei.

Staaten gleichen den privaten Pleitiers

Was bankrotte Verschwender tun, tun auf europäischer Ebene die Staaten: Sie erwecken den Eindruck, dass die Banken die Hauptschuldigen an der Krise wären. Sie unterstreichen diesen Eindruck durch ständig neue Versuche, die Banken noch mehr zu regulieren. Was natürlich in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass tatsächlich die Banken die Hauptschuldigen wären. Sonst müsste man ja nicht ständig über deren angeblich unzureichende Regulierung reden.

Natürlich haben auch die Banken durch eigene Fehler zum Entstehen dieses Eindrucks beigetragen: durch Veranlagungsfehler oder durch die Präpotenz des Auftretens ihrer Spitzenmänner (siehe etwa Helmut Elsner). Das ändert aber nichts daran, dass nicht die Banken die Staaten zur Verschuldung gezwungen haben. Im Gegenteil: Bei allem Gerede von einer strengeren Regulierung achten derzeit die europäischen Regierungen und Nationalbanken sehr darauf, dass sie den Geldinstituten nicht wirklich das verbieten, was in Wahrheit das größte Risiko darstellt: die weitere Finanzierung von Staaten. Daher ist all das Regulierungsgerede Mumpitz für die Galerie.

Auch beim Stichwort Grundstücks-Verkauf gleicht das Verhalten von Staaten jenem eines privaten Pleitiers. Nur haben die Staaten damit noch weniger Erfolge als diese Pleitiers. Kaum jemand ist etwa derzeit gewillt, Griechenland etwas abzukaufen. Und wenn halb Spanien gleichzeitig seine auf Schulden gebauten Häuser und Urlaubsimmobilien verkaufen will beziehungsweise muss, dann finden sich logischerweise viel zu wenig Käufer dafür, was wiederum die Preise ständig weiter drückt. Wer in Hinblick auf Spanien einwenden sollte, dass an der Immobilienkrise doch eher die Einzelmenschen und nicht der Staat schuld wären, der übersieht, dass der spanische Immobilienboom vom Staat zum Zwecke der Ankurbelung (in Wahrheit: Überhitzung) der Konjunktur heftig gefördert worden ist. Statt angesichts des ungesunden Wachsens der Immobilienblase viel früher zu bremsen, hat sich Madrid über deren Aufblähen gefreut. Weil es die Wähler glücklich gemacht hat.

Auch die verzweifelte Suche der Staaten nach neuen Geldgebern gleicht dem Verhalten individueller Schuldner. Im Vorjahr sind die europäischen Machthaber fast alle nach China gepilgert, wo ja das meiste Geld gebunkert ist – und haben sich dort blutige Nasen geholt. Die Chinesen sind zwar an europäischen Unternehmen interessiert, aber nicht an Staatspapieren. Die haben sie den Regierungen nicht abgekauft.

Erfolgreicher waren die Schuldner eine Zeitlang mit ihren Bettelversuchen in Deutschland und bei der Europäischen Zentralbank. Aber beide scheinen inzwischen klüger geworden zu sein. Beide erkennen zunehmend, dass sie mit weiteren Krediten nur gutes Geld dem schon verlorenen nachwerfen; dass sie dadurch nur die eigene Stabilität aufs Spiel gesetzt haben; und dass ein Teil der Schuldnerländer wie Griechenland keineswegs eine straffe Reform begonnen hat.

Die dreifach Lüge der Moralkeule

Nun greifen die Schuldenfreaks zur Moralkeule. Sie reden von einem „Zu Tode sparen“. Und sie stottern herum: „Sparen ja, aber nicht auf Kosten des Wachstums“. Womit sie gleich ein paar infame Lügen versuchen.

Die erste Lüge: Fast kein Land spart wirklich. Heißt doch sparen allemal weniger ausgeben, als man einnimmt.

Die zweite Lüge: Es wird der Eindruck erweckt, als ob Wachstum nur durch neue Schulden möglich wäre. Dabei sind Schulden mittel- und langfristig im Gegenteil der größte Wachstumskiller, den es gibt. Das gilt vor allem dann, wenn wie in Europa die Staaten das Geld primär für Sozial- und Konsumausgaben verwenden und nicht für langfristig ertragreiche Investitionen. Dabei wäre Wachstum ohne Schulden nicht nur möglich, sondern sogar das einzige richtige Antikrisenrezept: Wenn Staatsbetriebe (zu denen übrigens auch solche der Gemeinden gehören) privatisiert werden, trägt das bei geringeren Kosten fast immer zu mehr Effizienz und größerem Wachstum bei. Wenn Gesetzgeber und Bürokratie ihren Wust an Vorschriften und Regeln halbieren, würde die Wirtschaft ganz ohne Schulden wieder so wachsen wie zuletzt in den 50er Jahren.

Und die dritte infame Lüge: Sparen wird gleich mit dem „Tod“ assoziiert. Als ob in einem der süd- oder westeuropäischen Länder die Menschen reihenweise verhungert oder sonstwie umgekommen wären, als das BIP pro Kopf 30 Prozent niedriger gewesen ist. Ganz im Gegenteil: Oft (also wenn die schuldenfreien Wachstumsrezepte nicht genug greifen) ist ein Schrumpfen sogar die beste Therapie, um eine Krise zu überwinden.

Vorbildländer im Norden und Osten

Den Sanierungserfolg einer Schrumpfungsphase haben uns einige nordeuropäische Länder sensationell vorgezeigt: Anfangs der 90er Jahre mussten Finnland oder Schweden zum Teil satte zweistellige Rückgänge des BIPs hinnehmen. Das hat diesen Ländern dann aber umso mehr Dynamik für einen neuen Aufstieg verschafft. Ohne dass sie versucht hätten, dem Ausland, den Deutschen oder sonst wem die Schuld an der eigenen Lage zuzuschieben, wie es jetzt Franzosen und andere machen.

Ähnlich haben sich auch etliche – bei uns leider viel zu wenig beachtete – osteuropäische Länder ohne faule Kompromisse durch die Krise und rasch aus dieser wieder herausgebracht. Lettland etwa hat im Jahr 2009 ein Schrumpfen der Wirtschaft von 18 Prozent erlitten und ist dem Staatsbankrott nahe gewesen. Das Land hat aber nicht gejammert, sondern alle notwendigen schmerzhaften Maßnahmen gesetzt. Prompt erzielt Lettland schon wieder alljährlich vierprozentige Wachstumszahlen.

Die osteuropäischen Staaten haben sich auch sonst fast alle gut durch die Krise gebracht. Weil sie nach den harten kommunistischen Jahren nicht mit einem so verwöhnten Anspruchsniveau, wie es die West- und Südeuropäer heute haben, fertig werden müssen. Weil sie (fast alle) ohne Euro flexibler auf eine Krise reagieren können. Und weil sie begriffen haben: Wachsen wie Schrumpfen sind nicht nur in der Natur ganz normale Entwicklungen. Unerschwinglich teuer wird es nur, wenn man sie zu verhindern versucht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Eurocrash voraus

18. Juni 2012 02:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Noch heuchelt die politische Elite der EU Optimismus hinsichtlich der Zukunft des von ihr verordneten, gemeinschaftlichen Zwangsgeldes. Indessen mehren sich die Signale, dass es – all ihrem kostspieligen Aktionismus zum Trotz – demnächst zum Untergang dieses historisch beispiellosen Währungsexperiments kommen könnte. Das ist durchaus kein Grund zur Panik, denn – anders als uns die Regierenden unter Beschwörung der behaupteten „Alternativlosigkeit“ des ungeliebten Esperantogeldes weismachen wollen – wird das weder ein Ende Europas, noch des Friedens daselbst bedeuten – eher im Gegenteil.

Es ist daher angebracht, sich langsam Gedanken über die „Zeit danach“ zu machen – auch wenn es den Regierenden und den Zentralbankern gelingen sollte, das zur Groteske entartete „Wir-retten-den-Euro-Drama“ noch eine Weile auf dem Spielplan zu halten. Wie soll es weitergehen? Kann Europa, nachdem das monopolisierte Schuldgeldsystem ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Trümmerfeld produziert hat, zu „echtem“ Geld zurückkehren? Und – wenn ja – wie sollte es beschaffen sein?

Antworten auf diese Fragen zu finden, ist deshalb so schwierig, weil auf dem Boden des real existierenden Wohlfahrtsstaates politisch durchsetzbare Lösungen keine nachhaltigen Ergebnisse zeitigen können, ökonomisch richtige Lösungen aber nicht mehrheitsfähig sind. Zu lange haben die führenden Köpfe in Banken und Regierungen das Volk darauf konditioniert, jederzeit auf Knopfdruck „billiges Geld“ zur Finanzierung schier jeden Unfugs abrufen zu können. Und Süchtige sind bekanntlich schwer zu entwöhnen.

Trotzdem sei hier der Versuch unternommen, ein nachhaltig funktionierendes Geldsystem – allerdings ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit seiner Umsetzung – zu skizzieren.

Die neoklassische Wirtschaftstheorie – insbesondere die bis heute tonangebende Fraktion der (Neo-)Keynesianer – hat das Fundament für die gegenwärtige Krise gelegt. Schließlich hat die von ihr propagierte Methode, Geld nach dem Gusto der Regierenden aus dem Nichts zu schöpfen, die Welt dahin geführt, wo sie heute steht: An den Rand des Abgrunds. Sparer als Volksschädlinge zu denunzieren, die durch ihr Verhalten die Wirtschaft ruinieren; kreditfinanzierten Konsum zur Kardinaltugend und den goldenen Weg zum Wohlstand hochzujubeln; das Auffressen der buchstäblich letzten Reserven zu propagieren, um die Illusion scheinbar mühelos zu schaffenden Überflusses aufrechtzuerhalten; das hat´s, wie Herr Hinz und Frau Kunz soeben auf die harte Tour lernen müssen, nicht gebracht. Zahltag!

Von den Protagonisten der beschriebenen Voodoo-Ökonomie – in welcher Bank oder geschützten (steuerfinanzierten) Werkstätte sie auch immer hocken mögen – ist daher keine plausible Antwort auf die Frage nach dem „richtigen“ Geldsystem zu erwarten. Denn sie alle gehören, dank des nach R. Cantillon benannten Umverteilungseffekts der monopolisierten Geldproduktion, zu den bis in die Haarspitzen korrupten Profiteuren dieses Systems. Fündig wird man dagegen bei der im Zuge des vollständigen Bankrotts der Mainstreamökonomie einen regelrechten Popularitätsschub erlebenden „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre.“

Ein Blick auf die Geschichte der Geldes zeigt, wo der Hase im Pfeffer liegt: Einerseits ist es die staatliche Monopolisierung der Geldproduktion, andererseits die den Regierungen, dank der Abkehr von jeglicher Warenbindung und die Einführung der Teilreservehaltung der Geschäftsbanken, in die Hand gegebene Möglichkeit zur theoretisch unbegrenzten Ausweitung der Geld- und Kreditmenge.

(Literaturempfehlungen:
http://www.amazon.de/Ethik-Geldproduktion-Edition-Sonderwege-H%C3%BClsmann/dp/3937801197
http://www.amazon.de/Die-Trag%C3%B6die-Euro-System-zerst%C3%B6rt/dp/3898796701
http://www.amazon.com/Money-Bank-Credit-Economic-Cycles/dp/0945466390 ).

Um zu einem soliden Geldsystem zu kommen, ist zweierlei unerlässlich: Eine „Entstaatlichung des Geldes“ (wie von F. A. Hayek 1990 gefordert) und/oder eine Gelddeckung durch eine allgemein begehrte, „werthaltige“ Ware (z. B. Gold). Papiergeld würde in diesem Fall (wieder) den Charakter eines „Depotscheines“ annehmen.

Die „Austrian School“ kennt also zwei Modelle: Einmal das Hayek´sche, das private, miteinander konkurrierende Währungen vorsieht (das in seinem Buch „Denationalisation of Money“ präsentiert wird. Gratisdownload: http://mises.org/books/denationalisation.pdf). Der auf dem Markt stattfindende „Entdeckungsprozess“ sorgt dafür, dass das beste Geld davon, dasjenige nämlich, dem die Geldbenutzer am ehesten vertrauen, sich am Ende durchsetzt, bzw. die größten Marktanteile erringt. Betrugsversuche, z. B. durch eine hemmungslose Herausgabe von Noten, würden vom Publikum nicht hingenommen werden, da – anders als im Falle eines zwangsbewehrten, staatlichen Monopolgeldes – jederzeit Alternativen zur Verfügung stünden.

Zum anderen das 1963 von Murray Rothbard präsentierte, einer zu 100 Prozent durch Gold gedeckten Währung, wie er es in seinem Buch „What has Government Done to Our Money?“ gefordert hat. (Gratisdownload: http://mises.org/books/whathasgovernmentdone.pdf.)

In beiden Fällen haben die Regierenden keine Möglichkeit, sich durch ungebremste Geldproduktion (Inflation) am Eigentum ihrer Untertanen, namentlich dem der Sparer, zu vergreifen. Beim Hayek-Modell würden nicht länger die Büttel des Leviathans, in Gestalt von Notenbankern, sondern der Markt die Geldmenge limitieren; Im Rothbard´schen das (Förder-) Potential der Goldminen.

Die „Stock to Flow-Ratio“ (das Verhältnis der bereits existierenden zur laufend geförderten Menge) von Gold würde das Geldmengenwachstum auf etwa 1,5 Prozent p. a. begrenzen. Das ist die jährlich geförderte Menge, gemessen am bereits vorhandenen Bestand. Dieser (50 Prozent davon wurden in den letzten 50 Jahren aus dem Boden geholt) beläuft sich gegenwärtig auf rund 165.000 Tonnen (was einem Würfel von etwa 20m Seitenlänge entspricht). Die Jahresproduktion beträgt gegenwärtig rund 2.500 Tonnen – Tendenz fallend. Gold ist rar und nicht beliebig vermehrbar. Eine galoppierende Geldentwertung, wie wir sie heute kennen, wäre daher unmöglich. Hyperinflationen würden der Geschichte angehören.

Die dadurch verlorene Möglichkeit zur (betrügerischen) Manipulation aber garantiert den erbitterten Widerstand der politischen Klasse, die, wie J. M. Keynes, goldgedecktes Geld gerne als „barbarisches Relikt“ verunglimpft. Da das Wesen moderner Demokratien in der systematischen Verletzung von Eigentumsrechten – der Umverteilung des Wohlstands von Produktiven zu Unproduktiven – besteht, ist deren Festhalten am beliebig produzierbaren, nur durch heiße Luft gedeckten Papiergeld, tatsächlich „alternativlos“.

An die Einführung eines von privaten Produzenten herausgegebenen, nichtmonopolisierten Fiat-Money, oder (die nach Meinung des Autors solideste aller Varianten) eines Warengeldes – am besten des Goldstandards mit 100prozentiger Notendeckung – ist ohne eine tiefgreifende Änderung des politischen Systems nicht zu denken. Solange Regierungen nicht von Bürgern bestimmt werden, die für die Gesellschaft die wertvollsten Leistungen erbringen, sondern von denjenigen Parteien, welche die größte Wählerzahl repräsentieren, ist eine Abkehr vom herrschenden Schwundgeldprinzip nicht durchsetzbar.

Je größer (und verantwortungsloser) der Kreis der Wahlberechtigten, desto mieser das Geld! Die langfristige Abwesenheit wertbeständiger Zahlungsmittel indes steigert die Zeitpräferenz, reduziert die Bereitschaft zu sparen, behindert die Kapitalakkumulation und reduziert damit den künftigen Wohlstand. Ohne radikalen Systemwechsel scheint die Tendenz zur langfristigen materiellen Verarmung demokratischer Gesellschaften folglich unvermeidlich…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Werft die Märkte doch ins Gefängnis

18. Juni 2012 01:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Griechen haben am Sonntag doch noch knapp am absoluten Wahnsinn vorbei gewählt; dennoch wird die Politik jenes Landes auch weiterhin wenig Sinn haben. Die Franzosen haben der Linken mit hoher Mehrheit die totale Macht überantwortet. Für beide Länder, für die siegreichen Parteien ist aber der totale Feind der selbe geblieben. Der lässt sich nicht mit dem Stimmzettel besiegen.

Denn das sind die „Märkte“. Sie werden auch in den nächsten Wochen weder zu Griechenland noch zu Frankreich Vertrauen aufbauen. Beide Länder fühlen sich daher ständig von ihnen verfolgt. Der Zorn auf die Märkte geht aber auch schon längst quer durch Europa.

Kaum ein Politiker, kaum ein Kommentator, der nicht in diesen Stunden genauso wie in den letzten Monaten gegen die Märkte gewettert hätte. Was mich angesichts all dieser Drohungen von Politik und Medien nur wundert: Warum hat man eigentlich diese Märkte nicht schon längst zu lebenslanger Haft verurteilt?

Selbst Karl Korinek, der österreichische Verfassungsexperte, schimpft voller Aggression auf sie. Im Wortlaut las man ihn dieser Tage in der „Presse“ so: „Diese unglaubliche Macht der Finanzmärkte ist weder national noch international demokratisch legitimiert und kontrolliert. Damit haben wir uns aber in einem Teilbereich der gesellschaftlichen Ordnung nicht nur von der Verfassung, sondern auch von der Staatsform gelöst. Die Demokratie wurde in einem sehr wichtigen Bereich durch eine Oligarchie abgelöst.“

Korinek deckt also einen uns unbemerkt gebliebenen Putsch auf!

In Wahrheit sind diese Klagen absoluter Unsinn. In Wahrheit treffen wir auf ein Muster, das in der ganzen bekannten Menschheitsgeschichte immer wieder auftaucht: Jemand lebt leichtsinnig, verschuldet sich – und beschimpft dann die Geldgeber, wenn diese anfragen, ob sie auch einmal ihr Geld zurückbekommen könnten. Oder wenn sie zumindest zögern, dem Mister Leichtsinn, der nie etwas zurückzahlt, weiter neues Geld zu borgen.

Das Schimpfen auf die Märkte ist also eine üble wie übliche Verkehrung der Rollen: Der Schuldige beschimpft das Opfer. Obwohl das Opfer sich nicht, wie Korinek glaubt, gegen die Demokratie verschworen hat, sondern nur auf sein verfassungsmäßiges Recht pocht, dass es sein Geld zurückbekommt. Was auch Verfassungsrechtler in aller Klarheit sagen sollten.

Das Schimpfen auf die „Märkte“ gleicht dem historischen Schimpfen auf Geldverleiher wie die Fugger. Oder jenem auf die Juden oder (in Asien) die Chinesen. Menschen, die durch Fleiß besonders erfolgreich sind und die weniger fleißigen Menschen deshalb Geld borgen können, bringt man nach Erhalt des Geldes am liebsten gleich um.

Heute stößt man dabei nur auf ein Problem. In der globalisierten Wirtschaft wohnen die Gläubiger nicht einfach ein paar Häuser weiter, so dass man sie dort attackieren könnte. Die Gläubiger sitzen vielmehr überwiegend im Ausland. Es sind Pensionsfonds, die die Altersvorsorge amerikanischer Lehrer verwalten. Es sind arabische Staatsfonds, die die Öleinnahmen wieder in europäische Staatsanleihen investiert haben. Es sind China und ein Dutzend weiterer asiatischer Staaten, die in den letzten Jahrzehnten alle Welt mit ihren Produkten beliefert haben und die Erträgnisse wieder in Europa oder Amerika angelegt haben. Es ist die ins Alter kommende europäische Babyboomergeneration, die ihre Altersvorsorge in Banken und Versicherungen deponiert hat, von wo sie wieder weiter in scheinbar sichere Staatsanleihen wanderte.

Irgendwie taten sich die Zahlungsunwilligen leichter, als sie einst für ihre eigenen Fehler einfach die Juden verantwortlich machen konnten. Mit allen bekannten Konsequenzen.

Es ist traurig, wenn einer der langjährigen Hüter der heimischen Verfassung da jetzt den dumpfen Vorwürfen populistischer Politiker folgt, statt die Wahrheit beim Namen zu nennen. Denn der Name der Krise sollte eigentlich jedem klar sein: Nicht der Gläubiger ist der Schuldige, sondern der leichtfertige Schuldner.

Schuldner sind an erster Stelle die Staaten, die ihre Schuldenquoten ein halbes Jahrhundert lang ständig gesteigert haben, ohne jemals die Schuldenquoten reduziert zu haben. (Das tat in Österreich einzig und allein die vielleicht gerade deshalb so hasserfüllt verfolgte Regierung Schüssel/Grasser.) Und das sind an zweiter Stelle jene vielen Privatmenschen und Firmen, die leichtfertig aufs Schuldenmachen gesetzt haben, die beispielsweise geglaubt haben, dass Immobilienpreise ständig nur nach oben gehen können, sodass man auf diese Weise seine eigenen Schulden automatisch in den Griff bekommt. Und die niemals damit gerechnet haben, dass Immobilienpreise auf ein Viertel oder Fünftel sinken können.

Die Infamie, mit der all diese Schuldenmacher nun aggressiv in den Gegenangriff gehen und weitere Mengen Geld wollen, lässt einem den Mund offen. Und noch mehr staunt man, dass sie immer wieder Erfolg haben damit.

Mancherorts wird schon mit dem Nichtzurückzahlen der Schulden spekuliert. Nur: Wenn das kommt, wird für das betreffende Land alles noch viel schlimmer. Es wird viele Jahre lang nur noch gegen bare Vorauszahlung – in echten Währungen, also keinem bloßen Papiergeld – sein Benzin, seine Lebensmittel, seine Autos einkaufen können. Es wird auf viele, viele Jahre von niemandem Kredit bekommen. Von der drohenden Prozessflut gar nicht zu reden. Eine solche Strategie taugt für Nordkorea. In Europa sollte man vorsichtiger sein.

Dennoch gibt es in dieser ganzen Krisenhektik doch auch Stimmen der Vernunft. Eine solche war unlängst in einer kleinen Runde erstaunlicherweise Ewald Nowotny. Der Nationalbank-Chef hat es auf den schlichten Satz gebracht: „Ein Land, das durch seine Schulden von seinen Gläubigern abhängig ist, verliert seine Souveränität.“

Vielleicht sind solche mutigen wie richtigen Sätze der Grund, weshalb ihn seine roten Parteifreunde rund um den großen Experten Werner Faymann und Arbeiterkammer-Apparatschiks abservieren wollen. Wenn man schon die Märkte nicht einsperren kann, kann man je wenigstens jene wegsperren, die die Wahrheit über die Märkte sagen.

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Schreckensidee Bankenunion

14. Juni 2012 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man könnte ein ganzes Lexikon mit jenen Ideen und Konstruktionen füllen, die alle auf das selbe hinauslaufen, es aber verschleiern sollen: Die Deutschen (und die Österreicher, Niederländer und Finnen) sollen möglichst tief in die Tasche greifen, um die nun auf dem Tisch liegende Rechnung für den südeuropäischen Karneval zu begleichen.

Bisher hat Berlin zuerst immer Nein zu solchen Ideen gesagt, um dann am Schluss doch weit nachzugeben. Das droht nun auch bei der Idee einer Bankenunion. Gewiss wäre da auch etwas Sinnvolles dabei, nämlich eine europaweite Angleichung der Einlagensicherung. Diese ist ja kein Wettbewerbsinstrument, sondern eine eher sozialpolitische Regulierung, welche die Folgen eines Bankencrashs mildern soll. Die Unternehmen – die meist ständig hohe Summen auf ihren Konten bewegen müssen – profitieren davon aber praktisch nicht. Aber gerade bei ihnen droht nach einem Bankencrash ein gefährlicher Dominoeffekt, also ein Zusammenbruch ganzer Industrien, deren Bankkonten plötzlich wertlos sind. Daher wird auch künftig jede Regierung versuchen, in Zeiten der Not über die Einlagensicherung hinaus „rettend“ einzugreifen. Solange sie noch selber Kredit bekommt.

Die restlichen Ideen lassen nur noch auflachen: Die Steuerzahler sollen künftig vor den milliardenschweren Rettungsaktionen verschont, Krisenbanken sollen mit dem Geld des Finanzsektors saniert werden. Das klingt harmlos, heißt aber: Die deutschen, österreichischen, niederländischen Banken (denen es offenbar toll geht, sind sie doch gerade reihenweise hinunter geratet worden!) und Sparer sollen künftig die Löcher der spanischen und griechischen, bald wohl auch italienischen und französischen Banken stopfen.

Und ansonsten sollen eben die Gläubiger der Banken (=Anleger) die Folgen eines Bankencrashs tragen. Wird das europaweit Recht, wird damit mit Sicherheit eines ausgelöst: ein Bankenrun samt darauffolgendem Stillstand der gesamten Wirtschaft! Wer lässt sein Geld schon gerne dort, wo er es zu verlieren droht. Genau um dies zu verhindern, hat man ja die Bankenrettungen gestartet. Man wusste, dass diese ordnungspolitisch falsch waren, aber man wollte Zeit gewinnen. Diese wurde jedoch nicht genutzt. Bis heute scheut Europa die Maßnahmen, die es wieder wettbewerbsfähig machen und die wahren Ursachen der Krise beseitigen würden. Sie sind durchaus bekannt: drastischer Abbau von Wohlfahrtsstaatsexzessen, Privatisierungen, Deregulierungen, Flexibilisierungen der Märkte.

Für große Banken sowie für die Staaten fehlt auch noch immer ein europaweites Insolvenzrecht: Wie können sie geordnet in Konkurs gehen?  Wie verhindert man Dominoeffekte? Kann man zwischen risikofreudigen und vorsichtigen Anlegern differenzieren, zwischen Spekulanten und seriösen Investoren? Aber all das ignoriert die EU, genauer: ein französischer Kommissar.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 307: Die gesunden Scherze der Planwirtschaftler

13. Juni 2012 15:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Da sage noch wer, die heimische Politik wäre humorlos. Lachen als beste Medizin wird insbesondere im Gesundheitssektor sehr handfest ermöglicht.

Dort wurde nämlich wieder einmal unter lauten Trompetenklängen die selbe Grundsatzeinigung verkündet, die man schon in den letzten zwanzig Jahren x-mal gehört hat: Es werde künftig eine gemeinsame Planung des Gesundheitswesens geben, es werden Doppelgleisigkeiten beseitigt und Kosten gespart. Irgendwo haben wir das alles schon ein paar Mal gehört. Ebenso die paar unbedeutenden Details, die auch jetzt offen geblieben sind: Wie die Entscheidungsmechanismen aussehen, und ob jetzt die Länder, die Sozialversicherungen oder gar der bisher entmachtete Bund das entscheidende Wort haben soll. Das hindert den obersten Chef der Sozialversicherer, einen Herrn Schelling, nicht, diese „Grundsatzeinigung“ zum „Tag des Patienten“ auszurufen! Was ja eine besondere Keckheit ist, denn der Patient kommt in dem ganzen Machtspiel nie vor. Keiner der Machtspieler denkt auch nur daran, dem Patienten ein Zipferl Mitsprache einzuräumen, etwa durch eine freie Versicherungswahl. Besonders heiter ist es aber auch, von einer Gesundheitsreform auch nur zu reden, wenn die Spitalsorganisation als ganzes aus der angeblich gemeinsamen Planung draußenbleibt (diese Kleinigkeit bleibt weiter Spielwiese der Landeshauptmänner und deren Parteisekretariate). Irgendwie sind sie schon sehr süß, unsere Gesundheitspolitiker. Und heiter.

 

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Bonne nuit Europe

12. Juni 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Frankreichs Linke wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im künftigen Parlament eine sichere Mehrheit haben. Die Franzosen geben traditionell einem neuen Präsidenten am Anfang auch eine parlamentarische Unterstützung. Ebenso groß wie die Wahrscheinlichkeit des Wahlausganges ist aber noch etwas anderes: Dass Frankreich in absehbarer Zeit neben Griechenland, Spanien & Co in der ökonomischen Intensivstation landen wird.

Denn die französische Linke ist zum Unterschied etwa von den deutschen Sozialdemokraten – die seit der Agenda 2010 relativ verantwortungsbewusst agieren – wirklich links. Und das ist in Zeiten wie diesen letal.

Das böse Exempel Mitterrand

Diese Politik erinnert lebhaft an die Zeiten des ersten (und vor François Hollande letzten) sozialistischen Präsidenten Frankreichs, nämlich François Mitterrand. Der hatte in dem bei seinem Amtsantritt blühenden Land binnen weniger Jahre eine finanzielle Katastrophe ausgelöst. Er führte Frankreich nach seinem Amtsantritt 1981 in ein Bündnis mit den Kommunisten und in eine deutliche Abwendung von der Marktwirtschaft.

Das Defizit wurde massiv erhöht; die großen Banken wurden verstaatlicht; dasselbe geschah mit 13 der 20 größten Industriekonzerne; die Arbeitszeit wurde bei vollem Lohnausgleich verkürzt; hohe Einkommen wurden stärker besteuert; und der Staatsdienst wurde um 100.000 Mitarbeiter ausgeweitet.

Die Folgen der ersten Mitterrand-Jahre waren klar und voraussagbar: Das Defizit wuchs immer weiter; das Kapital flüchtete im Expresstempo ins Ausland; die Staatsbetriebe fuhren enorme Verluste ein; die französische Währung stürzte ab; die Arbeitslosenzahlen schnellten in die Höhe; Frankreich musste einen Notkredit in Saudiarabien aufnehmen.

Zwar versuchte dann Finanzminister Jacques Delors die Notbremse zu ziehen. Aber Frankreich kehrte nie wieder zur alten Stabilität zurück.

Das Scheitern des Nicolas Sarkozy

Der bürgerliche Präsident Nicolas Sarkozy kündigte zwar anfangs an, Frankreich wieder marktwirtschaftlicher zu gestalten. Aber letztlich scheute auch der kleine Mann, der so gerne groß gewesen wäre, den Konflikt mit den aggressiven Gewerkschaften (und auch den in Frankreich besonders linken Medien). Bei seinem Abgang hat das Land ein bedrückendes Defizit von 5,2 Prozent des BIP. Während Frankreich vor zehn Jahren noch ebenso viele Autos erzeugte wie Deutschland, sind es jetzt bei den Franzosen zwei Millionen, bei den Deutschen über fünf - um nur ein Beispiel für den industriellen Niedergang eines Landes voller genialer Ingenieure zu nennen.

Zwar versuchte Sarkozy am Schluss wieder viele richtige Sanierungsansätze, aber es fehlte ihm schon jede Glaubwürdigkeit.

Nun aber droht die wirkliche Katastrophe. Denn die französische Linke hat nichts aus der Geschichte gelernt, sondern versucht wieder die Rezepte, mit denen schon Mitterrand wirtschaftspolitisch so heftig gescheitert ist (und viele andere in anderen Ländern).

Europa als Geisel Frankreichs

Eine französische Katastrophe kann nur heute keine reine französische mehr sein, sondern wird zu einer europäischen: Denn derselbe Mitterrand war außenpolitisch sehr erfolgreich. Er hatte Deutschland gezwungen, im Gegenzug für Frankreichs Plazet zur Wiedervereinigung die D-Mark in eine gemeinsame Währung einzubringen. Damit ist der frühere Ausweg einer Abwertung des Francs künftig versperrt und Deutschland zur Geisel Frankreichs geworden.

Umso ernster ist das Programm der neuen französischen Machthaber zu nehmen: Sie wollen (weitere) 60.000 Beamte aufnehmen. Sie erhöhen den Mindestlohn weit über die Inflationsrate um fünf Prozent. Sie verkürzen das Pensionsalter durch Einführung einer Hacklerregelung: Während in Österreich Männer aber dafür wenigstens 45 Beitragsjahre benötigen (Frauen allerdings 40), sind es in Frankreich künftig nur noch 41,5 Jahre. Und war das schon für Österreich ein schwerer finanzieller Ballast, ist es das in Frankreich mit seiner längeren Lebenserwartung noch viel mehr der Fall.

45.000 Franzosen gelten zur Stunde als unmittelbar kündigungsgefährdet. Und das bei einer Arbeitslosenrate, die bald zehn Prozent erreichen wird, und bei einer Jugendarbeitslosigkeit von fast 25 Prozent. In dieser Situation  wird nun auch für den Arbeitsmarkt statt echter Therapien ein ganzes planwirtschaftliches Paket geschnürt, das nur zur kurzfristigen Symptomlinderung imstande ist, aber mittelfristig das Leiden vor allem der Jungen massiv verschlimmert: Kündigungen sollen bewilligungspflichtig und gleichzeitig für Unternehmen so teuer werden, „dass sie sich nicht mehr lohnen“.

Das ist zwar zweifellos möglich, wird aber ebenso zweifellos klare Folgen haben: Fast kein Unternehmen stellt dann noch neue Mitarbeiter an, wenn man diese später nicht mehr los wird, sobald man sie nicht mehr benötigt; und Frankreich wird als Ort von Investitionen seinen letzten Reiz verlieren. Das wird wiederum die Staatseinnahmen weiter reduzieren. Zugleich werden schon jetzt Schweizer Banken von französischen Anlegern gestürmt. Das wird wieder Frankreichs Banken ins Schleudern bringen und vor allem die Zinsen für französische Anleihen in unfinanzierbare Höhen treiben.

Dann wird Frankreich verlangen, so wie Griechenland, Portugal, Irland, Spanien gerettet zu werden. Dann heißt es aber: Gute Nacht Europa. Und zwar in allen Sprachen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 306: Wo unser Geld versickert (nicht nur in Athen und Madrid)

11. Juni 2012 12:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Deutlicher als der jüngste Rechnungshof-Bericht kann man gar nicht exemplarisch klarmachen, wo das Geld der Steuerzahler und die aufgenommenen Schulden seit Jahr und Tag versickern.

Einzelbeispiele sind dabei wohl anschaulicher als die Milliarden-Verschwendungsbilanzen: Alleine wenn man nicht sowohl in Baden wie Mödling Standorte des selben Landesklinikums bauen würde, wären 34 Millionen einzusparen. Da sind die alljährlichen Betriebskosten von zwei Häusern statt einem noch gar nicht einberechnet, ebensowenig die Tatsache, dass das Spitalsgebäude in Baden durchaus erhaltenswert gewesen wäre – etwa als Pflegeheim. Die Tatsache, dass zentralisierte Standorte eine viel höhere medizinische Qualität als Einzelspitäler hätten, kann gar nicht berechnet werden. Genauso übel ist auch die vom Rechnungshof aufgezeigte Tatsache, dass jedes Bundesland seine Schulden nach ganz unterschiedlichen Regeln verbucht, sodass kein Mensch eine Ahnung über die echte Verschuldung aller vom Steuerzahler lebenden Institutionen hat. Tirol tut sich da überhaupt am leichtesten: Es berechnet seine langfristigen Verbindlichkeiten überhaupt nicht. Da kann man sich leicht als sparsam präsentieren. Wobei es unbestreitbar bleibt, dass Niederösterreich, Kärnten und Wien die ärgsten Schuldensünder der Republik sind. Wobei wiederum Wien seit Rot-Grün und unter der Finanzstadträtin Brauner seinen Bürgern die steilsten Verschuldungszuwächse aufbürdet.

 

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Die Retter sind wieder ausgerückt

10. Juni 2012 01:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt also auch Spanien. Immer mehr vermehren solche Rettungsaktionen einige fundamentale Sorgen – auch wenn man die Motive der Retter versteht.

Die Retter fürchten einen Bank-Run, also den Sturm aller Einleger auf die Banken, um ihre Guthaben bar abzuheben, wenn eine Bank kracht. Das könnte europaweite Beben auslösen. Daher wird alles getan, dass keine Bank pleite geht.

Nur lösen solche Rettungsaktionen eine Reihe anderer Probleme aus: Es wird dabei das Geld am Bankencrash völlig schuldloser Menschen verbrannt, was diese zunehmend erbittert und erzürnt; durch die ständige Eskalation der Rettungsausgaben könnten auch bisher gesunde Retter-Länder ins Schleudern kommen; die Dimensionen dieser Hilfe schaffen jedenfalls Inflationsgefahr; die Hilfe von außen nimmt den Druck von den Regierungen, selbst endlich kraftvolle Sanierungsreformen zu setzen, die als einzige die Krise wirklich beenden könnten; und es werden nicht nur die Ein- und Anleger gerettet, sondern auch die gesamte Bank-Mannschaft, statt dass diese ihren Job so wie die Aktionäre der Bank ihr Geld verlieren. Ein solcher Jobverlust ist ja bei anderen Firmen immer die automatische Folge eines Crashs, auch ohne dass die Mitarbeiter irgendeine Mitschuld haben müssen.

Ohne die Gefahr eines solchen Jobverlusts werden aber Bankmitarbeiter auch in Zukunft nicht sonderlich vorsichtig sein. Das bezeichnen die Ökonomen als Moral hazard: Wenn man weiß, dass man bei einem Misserfolg voll gesichert ist, handelt man viel riskanter, als wäre man ungesichert.

Dennoch sind die links- und rechtsradikalen Parolen falsch, dass die Banken die Hauptschuldigen wären, dass diese riskant gehandelt, also „spekuliert“ hätten. Die spanischen Banken haben in Wahrheit genau das getan, was altmodisches und klassisches Bankgeschäft ist: Häuslbauern gegen eine Hypothek Geld gegeben. Wenn aber diese Häuslbauer reihenweise ihren Job verlieren, wenn die Werte der spanischen Immobilien auf weniger als ein Viertel(!) sinken, dann ist es unausweichlich, dass alles ins Schleudern kommt. Auch wenn, wie im Falle Spaniens, die Staatsverschuldung keineswegs exorbitant ist.

Wenn man nach Schuldigen sucht, dann sind es (trotz der niedrigen Staatsverschuldung) die spanische Regierung, EU-Kommission und EZB, die ein Jahrzehnt lang tatenlos zugesehen haben, wie sich als Folge viel zu niedriger Zinsen die spanische Immobilienblase immer mehr vergrößert hat. Bis sie nun geplatzt ist.

PS.: Spanien hat auch noch aus anderen Gründen fahrlässig gehandelt, nämlich aus ästhetischen: Die mit den billigen Zinsen finanzierte Zubetonierung der andalusischen Küsten wäre auch ohne Crash ein Verbrechen.

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Die Auswirkungen des Polit-Aktionismus

08. Juni 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Der politische Aktionismus bei den Benzinpreisen, sowohl in Österreich als auch in Deutschland, gerät langsam zur Lächerlichkeit und bewirkt genau das Gegenteil des Erhofften. Sowohl heimische, als auch deutsche Wirtschaftsforscher bescheinigen der Politik in die Irre zu gehen, man sollte nicht, wie dies die Politiker tun,  auf die Stimme des Volkes hören, die jeden Benzinpreis als zu hoch und die Tankstellenbetreiber als Abzocker ansehen.

Schauen wir einmal auf die Faktenlage: Für den jüngsten Aktionismus von Minister Mitterlehner, dass vor den Feiertagen und vor Ferienbeginn die Preise nicht geändert werden dürfen, gibt es noch keine Erfahrungswerte, aber der Minister sagt selbst, dass seine Maßnahme keinesfalls die Preise senken werde. Wozu also das Ganze?

Über die im Vorjahr eingeführte Spritpreisdatenbank weiß man inzwischen, dass sie vor allem von den Tankstellenbetreibern abgefragt wird. In Kombination mit der unseligen Regelung, dass nur einmal am Tag (um 12 h mittags) die Preise erhöht werden dürfen, gibt es nun ein totales Preistohuwabohu. Jeden Tag, zur Mittagszeit, werden die Preise um bis zu 10 Cent erhöht, um dann im Stundentakt (meist computergestützt) bis zum nächsten Vormittag wieder gesenkt zu werden. Das hat mit den Preisen in Rotterdam, beziehungsweise am Ölmarkt, rein gar nichts zu tun, sondern ist Ausfluss dieser unsinnigen Regelung.

Dass die Mineralölindustrie sich in diese unverständliche Lizitationspolitik treiben lässt ist nicht nachvollziehbar und sorgt dafür, dass der Ruf der Branche noch mehr ramponiert wird. Man glaubt Wettbewerb vorgaukeln zu müssen. Das Resultat dieses Aktionismus lautet, dass es europaweit nirgends so viele tägliche Preisänderungen gibt wie in Österreich. Ich war gerade in Frankreich unterwegs, da gibt es tagelang keine Preisveränderungen an den Tankstellen. Trotz dieses heimischen Preisfeuerwerks ist die Verdienstspanne an Österreichs Tankstellen im Europavergleich rekordverdächtig niedrig.

Aber Österreichs Autofahrer sehen die Treibstoffpreise meist als kein wirkliches Problem an. Der ÖAMTC, Freund der Autofahrer und Meister einseitiger Argumentation, gab jüngst bekannt, dass fast 60 Prozent der heimischen Lenkraddreher die Treibstoffpreise nie oder nur selten vergleichen.

Also was wollen Österreichs Anlass-Politiker verändern? Die Preise an den heimischen Tankstellen sind real, also inflationsbereinigt, fast so niedrig wie in den Siebzigerjahren. Der Anteil von Öl und Ölprodukten am Bruttoinlandsprodukt hat sich seit 1980 fast halbiert. Die Autos verbrauchen weit weniger Treibstoff als in früheren Jahren. Die hohen Ölpreise haben nichts mit einer Verknappung (wie bei den Ölkrisen der letzten Jahrzehnte) zu tun, sondern es gibt einfach mehr Nachfrage von China & Co, was auf einen guten Zustand der Weltwirtschaft schließen lässt.

Für ein staatliches Einschreiten zugunsten eines niedrigeren Öl- und Benzinpreises gibt es keinen Anlass, außerdem sind die Möglichkeiten nationaler Politik ohnedies äußerst begrenzt. Eine Erhöhung der Pendlerpausche oder Absenken der Mineralölsteuer wird deshalb von den Wirtschaftsforschen abgelehnt.

Tatsache ist, je mehr Planwirtschaft um sich greift, desto mehr sind die Firmen gezwungen ihre Preispolitik zu optimieren. Das Resultat sind dann Auswüchse wie in Österreich. Das hat nichts mit Kartellabsprachen zu tun. Wifo-Mann Kratena: „Derartige Absprachen gibt es in Österreich nicht“. Mit dieser Erkenntnis könnten sich Minister und Bundeswettbewerbsbehörde viel Arbeit ersparen.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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SN-Kontroverse: Ladenschluss an Sonntagen

08. Juni 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Sonntagsöffnung: Soll sie dem Lebensmittelhandel gestattet werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Dem Götzen Konsum geschuldet

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Sonntagsöffnung für den Lebensmittelhandel gibt es doch längst. Wer in Tourismuszentren wohnt, wie z. B. die Bürgerinnen und Bürger der UNESCO-Weltkulturerbestadt Salzburg, der Wachau, in Tirol, Wien, dem Arlberg oder wo immer sich die Touristen gern und in Massen aufhalten, weiß das. Und er oder sie weiß ein Lied davon zu singen, welche Folgen die Rund-um-die-Uhr-Servicebereitschaft für die Menschen der Region bedeutet.

Die seinerzeit in der Alpen- und Donaurepublik so umstrittene ORF-Serie "Die Piefke-Saga" dokumentiert dies präzise und noch dazu wunderbar humorvoll. Die Realität ist viel schlimmer und härter. Die Genehmigung der Sonntagsöffnung an Großbahnhöfen ist irgendwie ein Zeichen des Konsumwahns. Es ist doch anzunehmen, dass Politiker, die solches genehmigen, genau um die Nöte von Menschen Bescheid wissen, die im Schichtdienst zur Verfügung stehen müssen.

Wobei es wirklich nicht "kleine Nöte" sind, die die Handelsangestellten (hauptsächlich Frauen) im Alltag dann plagen. Wohin mit den Kinder, oder werden gar die Kindergartenöffnungszeiten in den Konsumtempeln Österreichs jetzt auch an Sonn- und Feiertagen großzügig von 8 bis 23 Uhr mit einer Superqualitätsbetreuung und mit einem Betreuer je Kind aufsperren? Etwa in Rauris oder in Zell am See? Oder im Speckgürtel von Wien?

Und wer beteiligt sich an den Kosten von Burn-out-geplagten Lebensmittelverkäufern? Der "freie Markt" ist eine Fiktion. Er bedarf der strengen Reglementierung.

Beim Sprit wird eine solche Vorgangsweise, die Familienminister Reinhold Mitterlehner nach mühsamen Verhandlungen durchgesetzt hat, heiß bejubelt.

Wenn es um Menschen geht, offenkundig nicht.


 Kampf um ein Stück Freiheit

Andreas Unterberger

Selbstverständlich hatten meine Großeltern ihr Lebensmittelgeschäft und meine Schwiegereltern ihre Fleischhauerei an Sonntagen geöffnet. Ebenfalls noch lang in die Nachkriegszeit gab es Raiffeisenkassen, die überhaupt nur sonntags geöffnet hatten. Es ist daher Unsinn, eine Sonntagsöffnung als neumodische Entartung gottloser Liberaler darzustellen, die aus Geldgier jahrhundertealte familienfreundliche Usancen abschaffen wollen.

Die Möglichkeit, an Sonntagen im Handel zu arbeiten, wäre oft sogar familienfreundlicher als der Ist-Zustand: Dann könnten in vielen Familien Väter wie Mütter zumindest Teilzeit arbeiten, ohne ihre Kinder in Fremdbetreuung geben zu müssen, was der Großteil der Eltern ja keineswegs als ideal ansieht. Diese Möglichkeit wäre auch nicht kirchenfeindlich. Findet etwa die Ladenöffnung am Nachmittag statt, würde ein Messbesuch sogar harmonischer in Sonntagsplanungen passen als heute.

An Sonntagen einkaufen zu gehen (auch über Lebensmittel hinaus) ist mindestens so legitim wie der Besuch eines Sportereignisses, eines Kinos, eines Theaters oder der Bezug einer an Sonntagen produzierten Montagszeitung. Nichts davon ist überlebenswichtig. Und alles ist für viele Mitmenschen mit gut honorierter Sonntagsarbeit verbunden. Niemand kritisiert solche Sonntagsarbeit, die anderen Vergnügen und Freizeitgestaltung ermöglicht. Nichts anderes stellt aber für viele Menschen eben auch ein Einkaufsbummel dar. Eine Sonntagsöffnung würde das unwürdige und oft mehr als eine Stunde kostende Gedränge Tausender in den wenigen geöffneten Bahnhofsläden beenden. Sie würde viele Umsatzmillionen in Österreichs Steuerkassen spielen, die derzeit im grenznahen Ausland ausgegeben werden. Und sie wäre endlich wieder ein kleines Stück Freiheit, weg von der unerträglichen Bevormundung durch den Moloch Staat.

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Das Ländle gleicht sich Ostösterreich an

07. Juni 2012 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Früher waren die Vorarlberger dafür bekannt, dass sie am besten wirtschaften konnten. Zunehmend scheint aber auch dort diese Fähigkeit verloren gegangen zu sein.

Denn Landeshauptmann Markus Wallner wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass in seinem Land auch nur ein Bezirksgericht gesperrt wird (die Verfassung gibt ihm dabei ein Vetorecht). Die Logik ist zynisch, aber klar: Für Gerichte zahlt ja der Bund, und mit dem Bund hat Vorarlberg anscheinend nichts zu tun, den kann man hemmungslos bluten lassen. Für die Kosten der Bezirkshauptmannschaften zahlt hingegen das Land. Ganz zufällig hat das zur Folge: In Vorarlberg gibt es um 50 Prozent mehr Bezirksgerichte als Bezirkshauptmannschaften.

Aber die Vorarlberger haben das Rechnen und Wirtschaften auch dann verlernt, wenn es ihr eigenes Budget betrifft. Also wenn Vorarlberg Aufträge vergibt, oder wenn es etwas einkauft. Auch da kämpft Wallner mit voller Energie gegen die Interessen des Vorarlberger Budgets: Er will nicht, dass wie geplant ab Jahresende alle Aufträge ab 40.000 Euro öffentlich ausgeschrieben werden müssen (wie schon bis 2009). Dass also ab diesem Zeitpunkt endlich wieder der Bestbieter zum Zug kommen muss. Er will das lieber weiterhin freihändig – ehrlicher formuliert: unter der Hand – vergeben.

Wallners Motiv: Dadurch kommen fast nur Vorarlberger an die Aufträge. Was aber die verschwiegene Konsequenz hat, dass dann viel teurer eingekauft wird, als wenn man jeweils den Bestbieter suchte. Dass das zu Lasten des Vorarlberger Budgets geht. Dass das Korruption erleichtert. Ebenso logisch ist, dass ohne österreichweite Ausschreibungspflicht die selbe Freihändigkeit logischerweise auch in anderen Bundesländern praktiziert werden wird. Wo dann halt kein Vorarlberger Unternehmen zum Zug kommen wird. Ähnliches spielt sich auch gegenüber dem EU-Ausland ab.

Am Ende des Tages bringt die Freihändigkeit keinen Gewinn, sie ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern ein Minus für alle. Weil keiner beim Billigsten einkauft und weil alle zu viel an Auftragnehmer zahlen. Zum Schaden der Steuerzahler und Konsumenten. Oder muss man jetzt wirklich sogar in Vorarlberg die ökonomischen Grundrechnungsarten erklären? Weiß Wallner nicht, dass Wettbewerb immer zu besseren Ergebnissen führt als freihändige Freunderlwirtschaft? Weiß er nicht, dass uns die nationale und internationale Arbeitsteilung wohlhabend gemacht hat? Oder werden jetzt – um nur ein einziges Beispiel zu nennen – in Vorarlberg nur noch landeseigene Fernseh- und Computer-Erzeuger mit Aufträgen bedient (die man zuvor natürlich erst mühsam durch Förderungen hochpäppeln muss)?

Nun bin ich sicher, dass Vorarlberg auch unter einem Landeshauptmann Wallner ein relativ erfolgreiches Bundesland bleiben wird. Aber es ist einfach traurig, wenn künftig nicht nur in Wien, Niederösterreich und Kärnten die ökonomische Unvernunft regiert, sondern auch im einstigen Vorzeige-Ländle.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wie sicher ist das Land? Eine Frage, die weder Politik noch Medien schert

06. Juni 2012 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Rund um den Themenkreis Landesverteidigung, Wehrpflicht und Bundesheer ist ein seltsames Vakuum eingetreten. Dieses Vakuum steht ganz im Gegensatz zum starken Scheinwerferlicht der letzten beiden Jahre. Ausgelöst wurde damals die Debatte durch die plötzliche Abkehr der SPÖ vom Konzept der Wehrpflicht im Wiener Wahlkampf. Die Debatte drang aber über die Ebene von Wahltaktik und Intrigen nie zu den wirklich wichtigen Fragen vor. Dabei hat sich keine der Parteien verantwortungsbewusst verhalten. Dasselbe gilt für die Medien, welche hinter der Intrige vom Tag nie die wirklich entscheidenden Fragen gesehen haben. Was bedroht heute die Sicherheit Österreichs und seiner Menschen? Ignoriert wurden auch viele andere Fragen wie etwa: Wie soll das Verhältnis zwischen Beamten und Politik funktionieren?
(Eine grundsätzliche Analyse zur Landesverteidigung)

Eine umfassende Sicherheitsanalyse muss sich mit einer ganzen Fülle sehr konkreter Gefahren befassen, wobei die eines klassischen Krieges die kleinste geworden ist. Die wirklichen Herausforderungen reichen von der Drogenkriminalität bis zu einer weiteren Zunahme eines aggressiven Islamismus. Sie reichen von den Zerfallserscheinungen in der Europäischen Union bis zur Eskalation im Nahen Osten. Die allergrößte und zugleich wahrscheinlichste Sicherheitsgefahr für Österreich ist aber die einer Implosion der Staatsfinanzen als Folge des explodierenden Sozialsystems, vor allem der künftigen Pensionsverpflichtungen. Daraus drohen wieder Unruhen bis hin zu einem Bürgerkrieg zu entstehen. Gleichzeitig haben die Kosten dieses Systems die Budgetmittel für Investitionen und für polizeiliche sowie militärische Sicherheit drastisch dezimiert. Keines dieser Themen wird aber im politisch-medialen Dialog angesprochen, obwohl es dabei und nicht bei der Umverteilung um die obersten Zwecke der Existenz eines Staates geht.

Die Medien, die Parteien, die Beamten

Die mediale Kurz-Bilanz über den Zustand der österreichischen Sicherheitspolitik könnte man kaum besser ziehen, als es Wolfgang Sablatnig, einer der führenden Journalisten Österreichs, zum Nationalfeiertag 2011 getan hat: „Bundespräsident Heinz Fischer und Verteidigungsminister Norbert Darabos haben ihre gegensätzlichen Positionen gefestigt. Die Probleme des Heeres können sie damit nicht lösen. Was fehlt, ist vielmehr eine gesellschafts- und parteipolitische Übereinkunft, was das Militär können muss – und was es nicht mehr zu können braucht.“[1] Und er schließt nach kurzem Verweis auf einige dieser ungeklärten Grundsatzfragen der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit der Konklusion: „Ob das österreichische Militär nach Klärung all dieser Fragen aus Freiwilligen oder Zwangsrekrutierten besteht, ist zweitrangig.“

Damit kritisiert Sablatnig indirekt freilich auch die eigene Zunft. Denn nicht nur die Politik, sondern auch die Medien haben sich rund um die Sicherheitspolitik vor allem mit einem befasst: mit den personalisierbaren und parteipolitischen Konflikten rund um die Forderung nach einem Ende der Wehrpflicht.

Die SPÖ wechselte im Oktober 2010 über Nacht von einer axiomatischen Verteidigung der allgemeinen Wehrpflicht zu deren vehementer Ablehnung. Die frühere Pro-Wehrpflicht-Linie gründete vor allem auf dem SPÖ-Trauma der Zwischenkriegszeit, als ein Berufsheer an der Seite der Bundesregierung gegen den revoltierenden Republikanischen Schutzbund der Sozialdemokraten gekämpft hatte. Bis zum Oktober war daher für die SPÖ die Wehrpflicht Dogma, weil sich ein Wehrpflichtigen-Heer nicht so leicht wie eine Berufsarmee in einen Bürgerkrieg einmischen würde.

Die scharfe und völlig unerwartete Haltungsänderung hatte einen klaren Anlass: die Wiener Gemeinderatswahlen, also die Verteidigung des für die SPÖ weitaus wichtigsten Zentrums der Macht und Finanzierung zahlloser Organisationen. Umfragen vor der Wahl signalisierten den Verlust der absoluten Mehrheit. Daraufhin verkündete die Wiener SPÖ die plötzliche Abkehr von der Idee der Wehrpflicht. Dies sollte die Jungwähler wenigstens zum Teil zurückgewinnen (die sich vor allem wegen der Ausländerfrage in relativ hohem Ausmaß der FPÖ zugewandt haben) und in den letzten Wahlkampftagen vor allem eine stärkere Unterstützung der Kronenzeitung bringen.

Obwohl die Wahlen dennoch für die SPÖ wenig erfreulich ausgingen, behielt sie auch nachher ihren Kurswechsel bei.

Was bewegte dabei die einzelnen Akteure?

Die Kronenzeitung kämpft seit vielen Jahren gegen die Wehrpflicht. Hier sind drei Metamotive zu erkennen:

Die SPÖ übersah bei ihren parteitaktischen Überlegungen rund um die Kronenzeitung folgendes:

Die ÖVP wurde vom Wechsel der SPÖ völlig unvorbereitet getroffen.

Die FPÖ wiederum tat sich als Oppositionspartei am leichtesten, jeweils das abzulehnen, was der amtierende Minister will. Sie tat das ungeachtet der Tatsache, dass die FPÖ in schwarz-blauen Zeiten mit der ÖVP die Ablehnung von Neutralität und Wehrpflicht geteilt hat.

Fischer und Entacher: Die konsequenteste Linie fuhren zwei Sozialdemokraten, die sich gegen die eigene Partei stellten: Bundespräsident Heinz Fischer und der vom Verteidigungsminister abgesetzte Generalstabschef Edmund Entacher gaben zur allgemeinen Überraschung nach einem Leben der Anpassung an die Parteilinie nun ihrem Gewissen und der Verfassung Vorrang. Das hängt gewiss auch damit zusammen, dass beide den absoluten Gipfel ihrer Karriere schon erreicht hatten, dass Fischer sich auch keiner Wiederwahl mehr stellen kann, und dass die Weisungskette Kronenzeitung-Häupl-Faymann-Darabos die beiden Männer trotz ihrer wichtigen Funktionen total übergangen hat. Bei einer nachträglichen Zustimmung wären daher beide zur lächerlichen Figur worden.

Dennoch ist es für die Bürger und für die geistige Identität dieses Landes sehr wichtig, wenn es noch hie und da Funktionsträger gibt, die zumindest einmal im Leben eine wichtige Sache ohne Eigennutz über die Partei zu stellen wagen.

Das Verteidigungsministerium: Eine umso problematischere Entwicklung dieses Jahres war der Missbrauch von Beamten zur Erstellung sogenannter Gutachten, bei denen das Ergebnis schon vorgegeben war. Verschlimmert wurde dieses Vorgehen dadurch, dass die Berechnungen mehrfach geändert werden mussten, je nachdem, wie das Ergebnis aussehen sollte. Dabei ging es nie um das Funktionieren der Landesverteidigung, sondern immer nur um eines: Ein Berufsheer dürfe nicht mehr kosten, als die jeweilige Bundesbudgetplanung vorsah. Dementsprechend wurden die Geld-Entschädigungen für Heeres-Freiwillige ständig adaptiert, ohne dass es seriöse Untersuchungen gab, ob zu den jeweils geplanten Entschädigungen überhaupt noch genug Freiwillige zu finden sind. Geschweige denn eine Mannschaft, die nicht nur wie in anderen Ländern eine Ansammlung potenzieller Arbeitsloser ist.

Leider überhaupt nicht genutzt wurde die Darabos-Entacher-Krise zu einer grundsätzlichen Debatte über die Rolle von Spitzenbeamten. Dabei würden sich einige, auch durchaus widersprüchliche Fragen stellen, deren Bedeutung weit über das Bundesministerium für  Landesverteidigung und Sport hinausreicht:

Wie weit ist es einerseits richtig, dass Beamte – insbesondere jene in exponierten Führungspositionen – ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Meinungsfreiheit nutzen? Wie weit ist es glaubwürdig, wenn sich Minister auf Gutachten der eigenen Beamten berufen, solange sie deren Ergebnis vorgeben können? Was haben etwa auch Aussagen des Verfassungsdienstes noch für einen Wert, wenn dabei seit Jahren immer nur eine Bestätigung der Meinung des Bundeskanzlers herauskommt? Woher bekommt die oft schwer desorientierte Politik in einer schnelllebigen Zeit rasche faktenorientierte Orientierungshilfe? Was bedeutet es, wenn auch die Aussagen von Universitätsprofessoren in hohem Ausmaß von politischer Sympathie – oder Zahlungen eines Auftraggebers abhängig sind? Welcher Beamte ist mit seinen Aussagen noch als eigenständige Persönlichkeit ernstzunehmen, solange er damit rechnen muss, bei einer politisch „falschen“ Meinung am nächsten Morgen suspendiert zu werden, selbst wenn er noch so sehr im Recht sein sollte? Wird die gesamte Beamtenschaft nicht durch solche Vorgänge entweder zu lächerlichen Figuren degradiert oder in die innere Emigration samt passiver Resistenz getrieben? Wo aber bleibt umgekehrt der politische Spielraum eines Ministers, wenn mächtige Sektionschefs öffentlich signalisieren, dass sie die wahren Herren des Ressorts sind und dass sie schon viele Minister kommen und gehen gesehen hätten? Wie kann ein Minister eine Änderung der Gesetzeslage erreichen, wenn ihm seine Beamten Widerstand leisten? Wie geht die Republik künftig mit den abseits der Hierarchie und Verantwortung stehenden Ministersekretären um, die ohne jede verfassungsrechtliche Verantwortung sehr viel Macht haben, ohne die kein Minister überleben kann? Sind Kommissionen ein Ausweg, die sich aber oft als unfähig erwiesen haben, klare Entscheidungen zu treffen? War es wirklich ganz falsch, dass sich speziell in der schwarz-blauen Zeit manche Minister externe Berater und Rechtsanwälte geholt haben, weil sie mit ihren politischen Vorhaben oft auf eine Mauer entweder unfähiger oder anderen Ideologien anhängender Beamter gestoßen sind?

Bei diesen Fragen geht es um ganz wichtige Themen des Funktionierens der Republik , die weder durch ein Beamten- noch ein Politiker-Beschimpfen gelöst werden können, wie es bei den Medien sehr beliebt ist. Es ist für einen Staat vielmehr überlebenswichtig, ständig um ein besseres Funktionieren seines Räderwerks zu ringen. Zu einer ehrlichen Diskussion dieser Fragen ist aber in Österreich niemand bereit. Und den Medien sind sie zu langweilig.

Diese ergötzen sich zwar mit großer Freude an politischen Kämpfen, vor allem wenn sie sich personalisieren lassen. Und wenn sie sich über keinen Konflikt erregen können, geißeln sie den „Stillstand“. Sie bemühen sich aber nur selten um eine fundierte Analyse dessen, was eigentlich richtig wäre; oder wie das Mächtespiel Politik-Beamte künftig ausschauen soll; oder auf welche Bedrohungen sich Österreich besonders vorbereiten soll. Womit wir bei den nächsten Kapiteln sind.

Das sozial-ökonomische Bedrohungsbild

Ein immer größerer Teil der staatlichen Ausgaben wird für zwei Bereiche aufgewendet: Sozialsystem und Schuldendienst. Der Schuldendienst (eigentlich nur: die ständige Umschuldung und Neuverschuldung) ist in Wahrheit primär eine Bezahlung des Konsums der Vergangenheit. Und das Sozialsystem finanziert den Konsum der Gegenwart.

Durch die sich als sozial tarnenden und ständig wachsenden Konsumausgaben wird der Spielraum für Zukunftsausgaben immer geringer, also für Investitionen und für direkte Sicherheitsausgaben. Alleine die Kosten des Pensionssystems zeigen eine so explosive Dynamik, dass das wahrscheinliche Ende dieses System heute als größte Sicherheitsbedrohung Österreichs bezeichnet werden muss. Angesichts dieser Gefahr treten in Wahrheit sämtliche andere Sicherheitsbedrohungen in den Hintergrund.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich[3] rechnet, dass Österreich im Jahr 2040 vor allem der Pensionsausgaben wegen eine Staatsschuld von rund 300 Prozent des BIP haben wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die EU-Kommission. Das heißt auch: Zu diesem gar nicht so fernen Zeitpunkt steht längst kein Euro mehr für Sicherheits- oder Investitionsausgaben zur Verfügung. Die meisten Ökonomen sind überzeugt, dass schon Staatsschulden über 100 Prozent einem Staat jeden Spielraum nehmen, dass solche Schuldenquoten nur noch durch einen Staatscrash, also die Einstellung der Zahlung von Beamtengehältern und Pensionen, oder eine Megainflation beseitigt werden können. Die Beispiele Griechenland und Italien sind ein Beweis für die Richtigkeit dieser Annahmen.

Bei Staatscrash wie Megainflation werden alle finanziellen Sicherheiten zerstört, auf denen die Bürger ihren Wohlstand und insbesondere ihre Vorsorge für Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit aufgebaut haben. Solche Situationen sind durchaus mit den ökonomischen – wenn auch nicht physischen – Folgen eines Krieges vergleichbar. Ganze Lebensläufe enden durch solche Zusammenbrüche in menschlichen Katastrophen.

Diese Perspektive ist aber auch in unmittelbarer Hinsicht sicherheitsrelevant, also auch dann, wenn man Sicherheit nicht auch ökonomisch und sozial, sondern nur in Hinblick auf militärische und polizeiliche Aufgaben versteht. Die Geschichtsbücher sind voller Beispiele, in denen aus ökonomischen Krisen Unruhen und Bürgerkriege entstanden sind[4].

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in solchen Episoden die Jagd auf vermeintliche Sündenböcke beginnt, zuerst medial und in der politischen Rhetorik, die dann jedoch auch sehr konkret werden kann. Eine ganze Reihe von Gruppen kommt als solche Jagdobjekte in Frage: Zuwanderer, Politiker, Beamte, Bankmitarbeiter, die „Reichen“ – also meist die bisherigen Leistungsträger – oder religiös identifizierte Gruppen. Denkbar ist es aber auch, dass sich die Aggression pauschal gegen die Babyboomer-Generation richtet, also gegen die in den 40er, 50er und 60er Jahren Geborenen.

Diese Generation hat in der Tat kollektiv einen sehr großen Schaden angerichtet (während sie selbst lieber kritisch auf die NS-Sünden der Väter verwiesen hat): Sie hat selbst die Kinderproduktion in hohem Ausmaß eingestellt; sie hat auch in Jahren des Wachstums die Staatsschulden ständig vergrößert (die offiziellen und noch mehr die inoffiziellen); sie hat vier Jahre später zu arbeiten begonnen als ihre Vorfahren; sie geht im Schnitt zwei Jahre früher in Pension, obwohl sie weitaus länger lebt; und sie hat im staatlichen Pensionssystems keinerlei Reserven angespart, sondern sich selber ständig wachsende Pensionsansprüche verschafft, ohne dass denen ausreichende Einzahlungen gegenübergestanden wären.

Die internationalen Bedrohungen

Dieses wahrscheinliche Platzen der Blase des Sozial- und Wohlfahrtsstaates fällt zeitlich zusammen mit einer Phase der wachsenden internationalen Destabilisierung des europäischen Raumes. So dramatisch die Entwicklungen des Irak- und Afghanistan-Krieges auch gewesen sind, für Europa sind andere Entwicklungen heute deutlich riskanter:

  1. Die rasche Entwicklung atomarer Waffen in Iran und auch der Türkei[5];
  2. Die völlig ungewisse Entwicklung nach den Umstürzen in einigen arabischen Ländern: Wie aggressiv werden die dort an die Macht drängenden islamistischen Parteien sein? Können die Länder am Südrand des Mittelmeers die innere Stabilität aufrechterhalten oder werden Millionen in die Flucht getrieben? Wie wird sich der revolutionäre Geist auf andere Staaten der Region auswirken?
  3. Die Zuspitzung des Nahostkonflikts als Folge der Kompromissunwilligkeit beider Seiten;
  4. Das wachsende Desinteresse Russlands und der Ukraine am Ziel eines demokratischen Rechtsstaates;
  5. Dazu kommt, dass auch nach Jahrzehnten keine Lösung für die blutigen Konflikte auf dem Balkan gefunden worden ist, obwohl Resteuropa in Bosnien und im Kosovo teure Streitkräfte unterhält. Politik und Diplomatie haben sich opportunistisch um die heiklen Themen gedrückt oder sind auf Grund der innereuropäischen Uneinigkeit gelähmt. So notwendig das Eingreifen des Westens gegen den serbischen Balkan-Imperialismus und zugunsten des Selbstbestimmungsrechtes der betroffenen Völker gewesen ist, so unberechtigt ist es, wenn heute geschlossen serbischen Siedlungsgebieten in Bosnien und im Kosovo unter formaljuristischen Vorwänden das gleiche Selbstbestimmungsrecht verweigert wird.
  6. Last not least zeigen sich gefährliche innere Bruchlinien in der Europäischen Union als schädliche Folgen vieler fauler Kompromisse der letzten Jahrzehnte: Das Fehlen von Mechanismen, um undisziplinierte Länder aus dem Euro verabschieden oder zumindest unter Kuratell stellen zu können, macht sich besonders schlimm bemerkbar, ist aber keineswegs der einzige Konstruktionsfehler der Union, in der einander allzu viele Gremien und Machtträger gegenseitig blockieren, ohne dass die EU eine echte Demokratie wäre. Die Darstellung der EU als großes „Friedensprojekt“ ist heute mehr eine historisch-propagandistische Reminiszenz als eine Garantie für die Zukunft. Noch nie ist so offen über einen Zerfall der Union als Folge allzu vieler innerer Widersprüche diskutiert worden wie im Jahr 2011.

Österreichs Sicherheit im engeren Sinn

Neben all diesen Gefahren einer ökonomischen, sozialen und internationalen Destabilisierung erscheint die klassisch militärische Bedrohung Österreichs weiterhin recht gering. Seit Ende des Kalten Krieges sind Konflikte nur noch sehr schwer vorstellbar, die Österreichs Grenzen als solche in Frage stellen.

Es gibt aber eine Reihe globaler Entwicklungen, die Österreichs Sicherheit auch auf eigenem Boden direkt betreffen, ohne dass sie klassischen militärischen Bedrohungen gleichen. Jedes einzelne dieser Themen wäre eingehender Untersuchungen wert, mit welchen politischen und/oder juristischen Strategien, mit welchen polizeilichen und/oder militärischen Mitteln man eine Eskalation verhindern könnte.

Die Auflistung ist keineswegs umfassend:

Stichwort „Cyber war“: Fremde Geheimdienste und Armeen, aber auch durch politischen Radikalismus oder pure Abenteuerlust motivierte Jugendliche suchen zu Zehntausenden Programmierlücken, um für Wirtschaft, Sicherheitsbehörden und Staatsverwaltung lebenswichtige Computersysteme infiltrieren zu können. Dort, wo das gelingt, kann hemmungslos spioniert werden, dort können sensible Daten nach außen getragen werden, können ganze Industrieanlagen und Versorgungssysteme lahmgelegt werden, können selbst Staaten massivst manipuliert werden.

Stichwort Migrationsströme: Eine zu rasche und zu starke ethnische Verschiebung der Bevölkerungsstruktur führt nach allen historischen Erfahrungen sehr leicht zu inneren Turbulenzen. Eine auf sieben Milliarden gestiegene Weltbevölkerung umfasst auch eine wachsende Anzahl von Menschen, die ihr weiteres Leben in anderen Ländern verbringen wollen. Zwar zeigen alle seriösen Statistiken[6] einen relativen Rückgang von Armut und Hungerkatastrophen[7]. Jedoch hat gleichzeitig die Globalisierung den Migrationswillen stark erhöht. Während früher Milliarden Menschen trotz elender Lebensbedingungen nie ihr Dorf verlassen konnten, bekommen jetzt fast alle Drittwelt-Bewohner über Fernsehen und andere Medien ein Bild luxuriöser Lebensumstände in Europa und den USA ins Haus vermittelt. Und gleichzeitig bieten die modernen Verkehrsmittel Schlepperbanden viele Möglichkeiten, den Migrationswillen dieser Menschen zur Realität zu machen. Die extrem ausgebauten, wenn auch nur durch Schulden finanzierten Sozialstaaten in Europa sind Magneten für Schlepper wie Migranten.

Stichwort Drogenhandel: Das Beispiel Mexiko zeigt, wie sehr ein ganzer großer Staat durch die Drogenkriminalität destabilisiert, korrumpiert und in den Zustand totaler Anomie gestoßen werden kann. Längst ist der Kampf gegen die dortigen Banden nicht mehr bloß eine polizeiliche, sondern auch eine militärische Herausforderung.

Stichwort ABC-Gefahren: Es braucht keinen großen Krieg, sondern nur eine Handvoll aggressiver Wahnsinniger, die mit bakteriologischen, chemischen oder atomaren Waffen unermesslichen Schaden anrichten können.

Stichwort Islamismus: Im Islam gibt es starke Gruppen, die den gesamtheitlichen politisch-juristisch-gesellschaftlichen Anspruch der Religion auch totalitär umsetzen wollen. Große Teile der islamischen Theologie haben kein Konzept entwickelt, das die Trennung von Religion und Staat akzeptiert, wie das der Katholizismus und Protestantismus in der Aufklärung tun mussten[8]. Sie anerkennen wichtige Teile der in Europa geltenden Grundrechte nicht, weder die Meinungsfreiheit – siehe die erbitterte Verfolgung eines dänischen Karikaturisten – noch die Religionsfreiheit: Selbst als liberal geltende muslimische Exponenten sprechen einem Moslem nicht das Recht zu, die Religion zu wechseln. Ein solcher Wechsel wird in den meisten mehrheitlich islamischen Staaten von den Strafbehörden verfolgt. Dieser totalitäre islamistische Machtanspruch wird spätestens ab jenem Zeitpunkt zum Sicherheitsproblem, da Moslems regional oder gesamtstaatlich die Mehrheit bilden. Eine Hochrechnung der Trends der letzten Jahre lässt für Österreich noch in diesem Jahrhundert eine moslemische Mehrheit erwarten, für Wien sogar binnen weniger Jahrzehnte.
Zwar lässt die fast unvermeidliche wirtschaftliche Stagnation des nächsten Jahrzehnts ein massives Abflauen der Arbeitsmigration erwarten. Auf der anderen Seite wird Österreichs sozialstaatliche Attraktivität auch weiterhin für einen Zustrom von Nichtleistungsträgern sorgen.
Als Beweis seien Daten angeführt, die zeigen, in welch geringem Anteil die Zuwanderung aus dem wichtigsten Herkunftsland islamischer Zuwanderer, der Türkei, dem Arbeitsmarkt gegolten hat. Denn während von den 15- bis 64-jährigen Österreichern 75 Prozent erwerbstätig sind, sind es bei den Besitzern eines türkischen Passes in Österreich nur 62 Prozent[9]. Bei den Zuwanderern aus anderen europäischen Staaten ist die Erwerbsquote hingegen durchwegs viel höher – zum Teil sogar über jener der Österreicher. Das heißt, die Türken dürften sich zum Unterschied von anderen Migranten nicht durch eine wirtschaftliche Stagnation von der Migration abhalten lassen.

Schlussfolgerung

Eine verantwortungsbewusste Staatsführung müsste ebenso wie Medien, die sich ihrer Verantwortung als vierte Gewalt bewusst sind, ständig die hier skizzierten, aber sich in einem fortwährenden Fluss befindlichen Gefahren beobachten und analysieren. Davon ist aber weder bei Politik noch bei Medien etwas zu bemerken. Umso weniger findet dann der logische nächste Schritt statt: dass sich das Land möglichst effizient auf die möglichst frühzeitige Abwehr dieser Gefahren konzentriert. Dann aber erst wäre es überhaupt sinnvoll zu prüfen, ob eher eine Berufsarmee oder ein Bundesheer mit Wehrpflicht zur Gefahrenabwehr beitragen können. Dann wären auch viele andere Fragen zu prüfen, wie etwa jene nach einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen.

Dieser Beitrag gleicht weitgehend einem Text für den Sammelband "Strategie und Sicherheit 2012 -  Der Gestaltungsspielraum der österreichischen Sicherheitspolitik" (Böhlau-Verlag)


[1] „Tiroler Tageszeitung“, 27. Oktober 2011.

[2] Bei der Media-Analyse 2010/2011 hatte die einst über 44 Prozent der Österreicher erreichende Kronenzeitung eine Reichweite von 37,9 Prozent, das der Familie Dichand ebenfalls nahestehende Gratisblatt „Heute“ 22,3 Prozent, die Kleine Zeitung 11,3 und das Gratisblatt „Österreich“ 10,0.

[3] Die in Zürich sitzende BIZ kann als die Zentralbank aller Nationalbanken angesprochen werden.

[4] Von der Französischen Revolution bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten mit all ihren Folgen.

[5] Während von der iranischen Atomrüstung öffentlich sehr viel die Rede ist, wird die nukleare Aufrüstung der Türkei seltsamerweise nur von internationalen Nachrichtendiensten bestätigt.

[6] Siehe die Statistiken der UNDP.

[7] An der Verbreitung dieser Fakten haben freilich viele von Spendengeldern lebende Organisationen und die von negativen Nachrichten lebenden Medien kein Interesse.

[8] Die Orthodoxie hat das übrigens noch nicht wirklich akzeptiert.

[9] http://www.statistik.at/web_de/statistiken/arbeitsmarkt/erwerbsstatus/erwerbspersonen/index.html

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Wider den Fetisch Mehrheit

05. Juni 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Ein Sprichwort sagt: „Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen.“ Kürzlich war es beim Autor dieser Zeilen wieder einmal so weit. Also: Aufs Auto verzichtet und mit der Wiener U-Bahn gefahren (U6, abends). Schlagartig drang dabei sofort wieder ein höchst beunruhigender Gedanke ins Bewusstsein, der mir schon vor vielen Jahren – anlässlich des Besuchs einer Fußballveranstaltung – spontan durch den Kopf schoss: lauter Wahlberechtigte! Bereits damals wurde mir spontan klar, dass es sich beim allgemeinen, gleichen Wahlrecht um die Kopfgeburt eines Irrsinnigen handeln muss… !

Einer der vielen Beweise für die Fragwürdigkeit des dubiosen Charakters der modernen Massendemokratie ist folgendes Paradoxon: Kein Tag vergeht, an dem in Rundfunk und Printmedien nicht ausführlich über die zunehmende „Politikverdrossenheit“ lamentiert wird. Repräsentative Meinungsumfragen zeigen, dass die politische Klasse hinsichtlich ihrer Wertschätzung auf dem Niveau von Hutschenschleuderern, Hütchenspielern und Zuhältern rangiert. Selbst schlichtere Gemüter spüren, dass die „demokratisch legitimierte“ herrschende Elite sich aus einer konsequenten Negativauslese der Gesellschaft rekrutiert.

Rechtschaffenenen Menschen würde es nicht in den Sinn kommen, an die Politik auch nur anzustreifen: „Wer den Menschen nicht zu dienen in der Lage ist, will sie beherrschen“ (L. Mises, „Die Bürokratie“). Trotzdem erschallt, kaum dass ein Problem – gleich welcher Art und Größe – ins öffentliche Bewusstsein tritt, sofort der kollektive Ruf nach politischer Intervention. Mit der knappen Feststellung „Die Politik ist gefordert!“ erwarten Krethi und Plethi ausgerechnet von jener Personengruppe das Heil, der sie noch nicht einmal einen Gebrauchtwagen abkaufen würden. Ein unmissverständlicher Hinweis auf den Mangel an Urteilsfähigkeit der Wählermehrheit.

Bleiben wir bei populären Spruchweisheiten: „Wenn der Bettler aufs Ross kommt, so kann ihm kein Teufel mehr voreilen.“ Was ist zu erwarten, wenn man Menschen, die ihr eigenes Leben nicht zu meistern imstande sind, mittels eines Stimmzettels in die Lage versetzt, ins Leben anderer Menschen hineinzupfuschen? Der Stimmzettel bedeutet ja nicht etwa Selbstbestimmung! Er verheißt lediglich Mitbestimmung. Und die läuft faktisch auf eine Marginalisierung des einzelnen und die totale Politisierung und Verstaatlichung der Gesellschaft hinaus.

Die kritiklose Begeisterung aller Linken für die Demokratie ist verständlich: Der Stimmzettel bildet in der modernen Massendemokratie eine Legitimation für die Unterdrückung von Minderheiten und die (gewaltsame) Aneignung fremden Eigentums. Die auf diese Weise geschaffenen Anreize sind verheerend und müssen langfristig zur Selbstzerstörung der Gesellschaft führen.

Eine Gemeinschaft, in der sich jeder um sein eigenes Fortkommen bemüht, ist nachhaltig lebensfähig. Eine, in der jeder all sein Sinnen und Trachten auf die Erzielung von Vorteilen auf Kosten Dritter richtet, dagegen nicht. Je größer die politischen Entscheidungseinheiten und je zentralistischer deren Organisation, desto dramatischer die negativen Konsequenzen und desto rapider der Zerfallsprozess. Im Zuge der Verschuldungskrise der EU erleben wir soeben, welch zerstörerische Kraft der für den modernen Wohlfahrtsstaat typischen Entkoppelung von Recht und Verantwortung innewohnt.

Als Staat, so lesen wir im Internetlexikon „Wikipedia“, bezeichnet man im weitesten Sinne „…eine politische Ordnung, in der einer bestimmten Gruppe, Organisation oder Institution eine privilegierte Stellung (…) zukommt.“ Die „privilegierte Stellung“, so bleibt zu ergänzen, kommt jener – stetig wachsenden – Gruppe von Individuen zu, die dem Staat ihr Einkommen zu verdanken haben. Wenn also von einem fundamentalen Interessenskonflikt innerhalb einer Gesellschaft zu reden ist, dann ist es nicht der, von K. Marx & Genossen konstruierte, zwischen Kapital und Arbeit, sondern der zwischen denjenigen, die der Staat ausbeutet und denen, die von Staat leben (ein von Franz Oppenheimer in seinem 1914 erschienen Buch „Der Staat“ anschaulich dargestellter Sachverhalt).

Es liegt auf der Hand, dass die Systemprofiteure daran interessiert sind, die Staatsquote ständig auszuweiten. Anders als bei auf Märkten stattfindenden, freiwilligen Interaktionen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass alle Beteiligten davon profitieren, handelt es sich beim auf einseitigen, auf Gewalt und Zwang beruhenden Verhältnis von Staatsschergen zu Untertanen nämlich um ein Nullsummenspiel. Der Nutzen der ersteren ist der Schaden der letzteren. Dabei handelt es sich um eine Tatsache, die von staatsabhängigen Intellektuellen aus naheliegenden Gründen konsequent vernebelt und von der erschreckend staatsgläubigen Masse der Wahlberechtigten nicht erkannt wird. Selbstverständlich ist dieses Prinzip auch – sogar in verstärktem Maße – auf das in Brüssel beheimatete Politbüro anwendbar, von dem aus das europäische Imperium dirigiert wird.

Die politischen Eliten betreiben – eine bislang erfolgreiche – „Haltet den Dieb“- Kampagne. In der Wiener „Presse“ vom fünften Juni darf ein notorischer Herold des Staatsinterventionismus, der ultralinke Ökonom Stefan Schulmeister, von einer „Entmündigung der Politik zugunsten des Fetisch Markt“ phantasieren. Angesichts fortwährend wachsender Staatsquoten und beinahe zu Tode regulierter Unternehmen eine geradezu bizarre Diagnose. Allerdings bewegt sich der WIFO-„Experte“ damit auf sicherem Terrain: Eine überwältigende (Wähler-)Mehrheit ist – wie er – der Meinung, dass nicht etwa unfähige und korrupte Regierungen mit ihrer verantwortungslosen, kreditfinanzierten Bereitstellung von Brot und Spielen für die Plebs das herrschende Dilemma herbeigeführt haben, sondern vielmehr „unkontrollierte Märkte“ und gewissenlose „Spekulanten“.

Überlassen wir am Ende zur Bedeutung von Mehrheiten dem hellsichtigen Friedrich Schiller das Wort: „Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn; Verstand ist stets bei Wen'gen nur gewesen. Bekümmert sich um's Ganze, wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muss dem Mächtigen, der ihn bezahlt, Um Brot und Stiefel seine Stimm' verkaufen. Man soll die Stimmen wägen, und nicht zählen; Der Staat muss untergehen, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet."

Dem bleibt – 209 Jahre später – nichts hinzuzufügen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wie unmoralisch ist eine Koalition mit der SPÖ?

03. Juni 2012 00:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In dieser Republik passiert ununterbrochen Skandalöses. Aber niemand regt sich darüber auf. Doch wer sollte auch? Die Bürger erfahren von den meisten Sauereien nicht einmal irgendetwas. Vor allem dann nicht, wenn sie sich wie der Großteil der mir in den letzten Tagen untergekommenen Skandale im SPÖ-Dunstkreis abspielen. Der ORF als wichtigstes Medium ist überhaupt zu einer reinen SPÖ-Sektion geworden, in der höchstens ein paar extreme Altlinke noch Pseudo-Opposition spielen dürfen; die Boulevard-Medien sind gekauft und bestochen; und etliche der sogenannten Qualitätsmedien haben in ihrer innenpolitischen Berichterstattung anscheinend eine freiwillige Linkswende gemacht. Umso mehr hat dann das Tagebuch immer wieder an Ärgernissen abzuarbeiten, so wie heute. Das sich über diese Exklusivität eigentlich gar nicht freut.

Die jüngsten SPÖ-Sauereien im Detail:

Swoboda wirbt für die griechische Syriza-Partei!

Die wohl übelste Entwicklung in der Sozialdemokratie hat Hannes Swoboda zu verantworten: Der Österreicher (und Fraktionschef der EU-Sozialdemokraten) hat in Athen der linksradikalen Syriza-Partei knapp vor den zweiten Parlamentswahlen Wahlhilfe zuteil werden lassen! Einer Partei, die so radikal ist, dass sie vom neuen französischen Präsidenten Hollande nicht einmal empfangen wird; die für die Nichteinhaltung aller griechischen Verpflichtungen gegenüber der EU eintritt; die die Mehrwertsteuer senken und Betriebe verstaatlichen will; die das Mindesteinkommen um 50 Prozent erhöhen will.

Swoboda hat verlangt, dass diese - jede Chance auf eine Erholung Griechenlands und eine Rettung des Euro vernichtende Partei - unbedingt der nächsten griechischen Regierung angehören soll. Und er hat der Partei überdies öffentlich die Unterstützung der europäischen Sozialdemokraten zugesagt. Daran hat ihn auch die Tatsache nicht gehindert, dass die Syriza-Extremisten der eigentlichen sozialdemokratischen Partei Griechenlands (Pasok) noch mehr Stimmen abzujagen drohen.

Was tut da der ORF? Er verheimlicht den Österreichern einfach den hierzulande wohl nicht so gut ankommenden Ausritt Swobodas (und startet dafür eine neue Hetzkampagne gegen Wolfgang Schüssel, weil dieser die im Vergleich zu Syriza ungefähr zweitausendmal seriösere und europäischere ungarische Regierung unterstützt.)

Im roten Schwulen-Milieu kann man vier Jahre lang betrügen

Ein weiterer SPÖ-Skandal ist zwar von einigen Medien einen Tag lang sogar berichtet, dann aber sofort wieder schubladisiert worden: Im skandalgeschüttelten AKH hat sich eine Mitarbeiterin fast vier Jahre lang im Krankenstand befunden, aber daneben gleich zwei psychotherapeutische Praxen betrieben. Ohne dass das im Rathaus oder beim zuständigen Krankenanstaltenverbund irgendwen gestört hätte. Als einen Tag lang darüber berichtet wurde, wurde die Dame  halt kommentarlos ohne Bezüge beurlaubt.

Aber es gibt keine Strafanzeige, keine Rückforderung des betrügerisch erlangten Lohns. Nichts. Was selbst schon wieder ein neues Delikt ist, nämlich ein eklatanter Amtsmissbrauch. Damit signalisiert man solchen Menschen: Sie können vier Jahre lang die Steuerkassen schädigen, und wenn sie dann nach vier Jahren doch einmal öffentlich aufgeblattelt werden, hören sie halt auf damit.

Ein besonders pikanter Hintergrund der Affäre ist überhaupt noch nirgendwo berichtet worden: Die Dame ist SPÖ-Funktionärin im Milieu der Schwulen und Transvestiten. In diesem Eck ist man offenbar doppelt vor jeder Strafverfolgung geschützt.

Bei den Genossen gilt der Datenschutz nur für Schultypen, aber nicht für Menschen

Einer der besonders miesen Schmähs der Claudia Schmied ist die Begründung, warum sie bei allen Tests von Pisa bis zu den Bildungsstandards die wichtigsten Daten geheimhält (insbesondere die Ergebnisse der Gesamtschulen): Angeblich würde der Datenschutz eine solche Veröffentlichung verhindern. Der Datenschutz wird von den Genossen aber sofort vergessen, wenn es ihnen besser passt. Bei den Wiener Lesetests (die regelmäßig zeigen, dass fast ein Viertel der Wiener Kinder nicht sinnerfassend lesen können) gibt es nämlich interessanterweise keinen Datenschutz.

Die verantwortliche Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl kann vielmehr ungeniert sagen: „Der Vorteil der Lesetests ist die völlige Personalisierung.“ Die besteht darin, dass die nicht lesen Könnenden Schüler einem Sondertraining unterzogen werden. Was ja durchaus gut ist – zumindest wenn es zu einem Ergebnis führt. Aber soche Personalisierung samt Extra-Training wäre eben nicht nur beim Lesetest gut, sondern auch bei den Versagern bei den ohnedies „urleichten“ Bildungsstandard-Tests.

In einer anderen Hinsicht ist aber peinlicherweise auch Genossin Bransteidl geheimnistuerisch: Auch sie veröffentlicht keine getrennten Ergebnisse ihrer Lesetests für AHS, Hauptschulen und Gesamtschulen. Womit sie ebenso verlogen agiert wie ihre Parteifreundin im Unterrichtsministerium: Denn Datenschutz ist nur in Hinblick auf die Privatsphäre von Einzelpersonen relevant (wenn überhaupt); es gibt aber keinerlei rechtlichen Grund, die Daten von ganzen Schultypen oder Schulen oder Bundesländern geheimzuhalten.

Linke Bildungspolitik: einfach das Niveau senken

Die endgültige Bankrott-Erklärung für Schmieds Zentralmatura-Pläne hat nun der mit der Mathematik-Matura beauftragte „Didaktiker“ Werner Peschek abgegeben: Er empfiehlt, dass in Klassen mit besonders vielen „Nicht genügend“ der Beurteilungsmaßstab einfach so weit abgesenkt wird, dass maximal 30 Prozent negativ abschneiden. Der Vorschlag bringt eigentlich sämtliche linken Bildungs-Vorschläge auf den Punkt: Herunter mit dem Niveau, damit möglichst viele ein Zeugnis bekommen. Von der Volksschule über die Matura bis zum akademischen Abschluss. Und in ihrer Blödheit glauben zumindest die weniger zynischen Linken sogar noch, dass sie den Schülern damit etwas Gutes täten.Die Zyniker hingegen wollen das Schulsystem endgültig ruinieren.

Haltet den Mund, wir bestechen euch ja eh

Unglaublich frech waren Aussagen des roten Klubobmanns Josef Cap in einem „Presse“-Interview vor einigen Tagen. Aber auch die blieben sowohl in dieser wie auch in anderen Zeitungen völlig unkommentiert. Auf die Frage nach der geplanten deutlichen Erhöhung der Parteiförderungen hatte Cap ungeniert geantwortet: „Ich finde es immer sehr interessant, wenn sich Printmedien kritisch dazu äußern. Gerade sie profitieren mit Einschaltungen von der politischen Informationsarbeit.“

Mit anderen Worten: Haltet den Mund, wir bestechen euch ja eh mehr als genug. Deutlicher geht’s wohl nimmer.

Wie man sich Häupls Befehle schönrechnen kann

Die Wiener SPÖ wünscht, dass der ORF in ihr neues Medienzentrum St. Marx übersiedelt. Das hat sie nämlich schon im Wahlkampf angekündigt. Und daher rechnen die gehorsamen Genossen des Staatsfunks dieses teure Prestigeprojekt so lange schön, vergleichen immer mehr schrumpelige Äpfel mit immer weniger süßen Birnen, bis die gewünschte Variante endlich die billigste wird (da vergisst man halt etwa auf eigene Fernsehstudios für größere Veranstaltungen . . .). Womit sich wieder einmal die SPÖ durchsetzt und am Schluss der Steuerzahler wieder den Staatssender herauspauken muss (obwohl der ohnedies auch noch die Gebühren kassiert).

Eigentlich wäre es da absolut zwingend und logisch, dass Parteisoldat Wrabetz auch mit all seinem Privatvermögen die Haftung für seine seltsamen Rechenkünste übernehmen müsste. Wenn er es nun endgültig schafft, St. Marx durchzusetzen.

Und wieder neue Schikanen für alle Unternehmen

Fast keine Woche vergeht, ohne dass sich die Genossen neue Lasten für Österreichs Unternehmer ausdenken: SPÖ-Sozialminister Hundstorfer will nun allen Firmen die Verpflichtung zu einer „systematischen Erfassung von Stressoren und psychischen Belastungen in der Arbeit“ auferlegen. Das bedeutet jede Menge Aufträge für die (von den Unis in sinnloser Überzahl produzierten) Psychologen. Und für die Unternehmen bedeutet das jede Menge neue Auslagen.

Dahinter steht natürlich die Ideologie vom immer total furchtbaren Arbeitsleid, das eine kapitalistische Ausbeuterklasse den armen Werktätigen aufzwingt. Die Sozialisten genieren sich auch nicht, solche Schikanen gleichzeitig mit der lautstarken Forderung nach mehr Wachstum vorzuschlagen. Obwohl es der beste Beitrag zu mehr Wachstum wäre, wenn die Wirtschaft ein paar Jahre nicht durch solche neuen Ideologielasten beschwert würde.

Die Demokratie und der rote Bank-Austria-Betriebsrat

Das letzte Exempel in dieser heutigen Skandalreihe ist im Vergleich zu den bisher aufgeführten wohl nur eine Kleinigkeit. Es zeigt aber paradigmatisch, wie ungeniert Sozialdemokraten beziehungsweise rote Gewerkschafter überall mit den rein formalen Spielregeln der Macht umgehen, wenn es ihnen nutzt. Es geht um die Wahl einer „Behindertenvertrauensperson“ in der Bank Austria. Auch wenn ich bisher gar nicht gewusst habe, dass es diesen Job gibt, so erscheint die Vorgangsweise als milieutypisch grauslich.

Für diese vor wenigen Tagen durchgeführte Wahl gab’s nur eine einzige Liste, geführt von einer Silvia Pribek. Was ja durchaus vorkommen kann. Was aber keineswegs vorkommen dürfte: Auch die Briefe des Wahlvorstandes erfolgen  „z.H. Frau Pribek Silvia“. Und genau an diese Dame hat man auch seine Wahlkarten zuzustellen.

Noch provokanter ist, dass dieser von Frau Pribek vertretene Wahlvorstand als einziger über die Liste der Wahlberechtigten verfügt, die man aber gebraucht hätte, wenn man eine zweite Liste aufstellen will. Und überdies lagen zwischen der ersten Kundmachung dieser Wahl auf einer von den Mitarbeitern selten besuchten Homepage und der Möglichkeit, andere Wahlvorschläge einzubringen oder Wahlkarten zu beantragen, nur ganz wenige Stunden.

Irgendwie nähert sich der real existierende österreichische Sozialdemokratismus rasch dem einstigen real existierenden Sozialismus Osteuropas an. Wo man zwar „Wahlen“, aber keinerlei Chance auf eine Auswahl oder gar geheime Wahlen hatte.

Rot ist schlimmer als Blau oder Grün

Warum gibt es eigentlich in diesem Land zwar eine Diskussion, ob man mit Blau oder Grün überhaupt eine Koalition auch nur versuchen könne, während die Koalitionsfähigkeit dieser verkommenen Sozialdemokratie nirgendwo diskutiert wird? Wobei zu den hier aufgezählten weitgehend unbekannten Schweinereien ja noch die öffentlich bekannten kommen, wie beispielsweise:

Cap dürfte einfach recht haben: Die Medien sind ausreichend bestochen  worden, sodass kaum noch eines das wahre Bild der SPÖ zeichnet.

PS.: Eine weitere miese Affäre, auf die ich in den letzten Tagen gestoßen bin, kann man nicht direkt der SPÖ in die Schuhe schieben, sondern nur vorerst nicht näher definierten Feinden der Rechtsparteien. Diese im Dunklen arbeitenden Scherzbolde haben unter dem Namen von schwarzen und blauen Politikern, aber ohne deren Zustimmung oder Wissen Facebook-Konten angelegt. Das Absurde des Systems Facebook: Die Betroffenen können sich dagegen gar nicht wehren – oder höchstens mit aufwendigen Klagen, die über Irland oder Amerika gehen müssten. Diese Manipulationsmöglichkeiten sind jedenfalls ein weiterer Grund, um der Facebook-Aktie alles Schlechte zu wünschen.

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Fußnote 301: Die Schrebergartenprivilegien und die Schuldenkrise

31. Mai 2012 10:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alle jubeln: Die Forste auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig bleiben unter Heeresverwaltung. Nur zwei sollten nicht jubeln: der Steuerzahler und die Landesverteidigung.

Denn die vorgesehen gewesene Übertragung der dortigen Wälder an die Bundesforste hätte dem maroden Bundesheer drei Millionen eingespart. Aber Niederösterreichs Schwarze wie Rote haben selbst gegen diese wirklich harmlose Einsparung protestiert. Und der Sportminister, der im Nebenberuf auch fürs Heer zuständig ist, ist sofort eingeknickt. Das Heer hat‘s ja offenbar. Was steckt dahinter? Ein paar Posten, ein paar Geschäftemachereien, ein paar Möglichkeiten, billig auf die Jagd zu gehen. Die Bundesforste haben hingegen überall mit solchen Schrebergarten-Privilegien aufgeräumt, sind ein professioneller Forstbetrieb und hätten daher auch Allentsteig um drei Millionen billiger betreiben können. Freilich wissen wir: Schon Kreisky hatte seinen – richtigen – Spruch nie in die Tat umgesetzt: „Einen Tausender da, einen Tausender dort einsparen.“ Für einen Norbert Darabos gilt überhaupt die Devise: „Schaffen wir das Bundesheer ab, dann können wir all die Posten und Privilegien bewahren.“

 

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Wachsen, aber richtig

31. Mai 2012 00:48 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eine absurde Kontroverse, die da derzeit tobt: Wachsen oder Sparen? Jene, die die unfinanzierbar gewordene europäische Schuldenexplosion verursacht haben, agitieren nun gegen die (ohnedies nur in einer kleinen Reduktion der Neuverschuldung bestehenden) Sparversuche. Sie wollen die Schuldenkrise durch noch viel mehr Schulden bekämpfen. Wie ein Rauschgiftsüchtiger möchten sie die Schmerzen des Entzugs mit neuem Rauschgift loswerden. Neues Gift verdrängt ja kurzfristig tatsächlich die Probleme. Dass diese dann später umso schlimmer und mit häufig letalen Folgen auftreten, ist im Augenblick egal.

In der Theorie bekennen sie sich zwar auch zur Notwendigkeit eines Entzugs. Aber immer mit dem Beiwort „später“. In der Sprache der Schulden-Junkies heißt das: “Zuerst müssen wir wachsen, dann können wir die Schulden leichter abbauen.“

Der Satz hat sogar ein Restelement Wahrheit: Wenn Wirtschaft und damit Steuern wachsen, geht das Rückzahlen tatsächlich leichter. Wenn jedoch das Wachstum mit neuen Schulden erkauft wird, dann tritt der gegenteilige Effekt ein: Dann ist der abzubauende Schuldenberg noch viel größer. Dann endet das für die Staatsfinanzen letal. Dann können Beamtengehälter, Pensionen, Anleihen, Rechnungen nicht mehr bezahlt werden. Oder es kommt zur Megainflation wie in der Zwischenkriegszeit.

Fast völlig verschwiegen wird in der Debatte, dass es sehr wohl eine wirksame Wachstumspolitik gibt, die keine negativen Spätfolgen hat. Sie besteht freilich in einer totalen Umkehr dessen, was die Politik seit jeher tut. Statt ständig neue Regeln zu erfinden, die das Wachstum behindern, müssten täglich schädliche Gesetze entsorgt werden.

So haben Europas – im Alleingang ehrgeizigen – Kyoto-Regeln das Wachstum enorm behindert. Dadurch wurden viel mehr Arbeitsplätze zerstört als Green Jobs geschaffen, die ohnedies vor allem in Chinas Solarindustrie entstehen. So sind die Legalkosten, um ein Unternehmen zu gründen, in Griechenland rund siebenmal so hoch wie in der Schweiz. So sind viele Milliarden verfügbarer Investitionsmitteln lahmgelegt, weil jahrzehntelange Umweltverträglichkeitsprüfungen die Investition verhindern. So gibt es allein in Österreich Tausende durch den Zwang zum Ausfüllen von EU-Statistiken oder durch Gleichbehandlungs-Gesetze völlig unproduktive Arbeitsplätze. So werden derzeit allein in der Stadt Wien die Betriebe durch weitere 26 Millionen Kosten für die verpflichtenden Energie-Audits belastet. So dauern Betriebsgenehmigungen in Wien ein Vielfaches von Oberösterreich. Und um in der Stadt zu bleiben: Mit absoluter Sicherheit wäre es der größte Wachstumshammer, wenn die Gemeinde ihre Hunderten Betriebe zu privatisieren begänne, ist doch Wien heute die planwirtschaftlichste Stadt zwischen Atlantik und Ural überhaupt. Zugleich könnte Wien dadurch seine Schulden – die sich in zwei Jahren mehr als verdoppelt haben! – abbauen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Steuern zahlen!

30. Mai 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

IWF-Chefin Christine Lagarde ist eine Frau mit bemerkenswertem Sinn für Humor. Ihr vor nicht allzu langer Zeit an die Adresse Berlins gerichteter Vorwurf, dass die Deutschen mit ihrer Tüchtigkeit und Haushaltsdisziplin Mitschuld an der europäischen Schuldenkrise trügen, war der Beweis schlechthin. In einem Interview mit dem britischen „Guardian“ übermittelt sie nun dem Lande der Phäaken am 25. 5. einige Botschaften, die zum Teil etwas weniger witzig sind.

Wenn sie etwa meint: „Wir sind nicht mehr bereit, Geld in ein Fass ohne Boden zu kippen", ist das eine recht ernst zu nehmende, für die Nettofinanciers des schaurigen Griechenland- und Eurorettungsdramas sogar erfreuliche Botschaft. Auch, dass sie jedem Gedanken daran, dem Lande erteilte Sparauflagen zu lockern eine klare Absage erteilt, ist für die Steuerzahler in ordentlich haushaltenden Volkswirtschaften keine spaßige, sondern einfach eine gute Nachricht.

Sofort allerdings gleitet sie erneut ins scherzhafte ab, wenn sie den vermeintlichen Königsweg zur Beendigung der griechischen Tragödie präsentiert: Ihrer Meinung nach könnten die Griechen sich nämlich selber helfen, „… indem sie alle ihre Steuern bezahlen". Endlich ist die Katze aus dem Sack: Die Griechen – und vermutlich auch alle anderen Europäer, denn schließlich steht kein Staat der Eurozone ohne Schulden da – zahlen zu wenig Steuern! Steuern rauf, Steuervogt Marsch – und alles wird gut. Schade, dass darauf nicht schon früher eine(r) gekommen ist. Den schwer geprüften Bürgern des europäischen „Hartwährungsblocks“ wäre einiges erspart geblieben. Dutzende Milliarden Euro wären nicht nutzlos verbrannt worden!

Frau Lagarde ist indes nicht der einzige Spaßvogel aus den Reihen der Machtelite, denn sie steht mit ihren Kommentaren zur Lage keineswegs alleine da. Immer wieder lässt der eine oder andere Obertan mit dem originellen Bekenntnis aufhorchen „Ich zahle gerne Steuern!“. Dass exakt 100 von 100 dieser Personen von Steuergeldern leben (und daher keinen einzigen Cent an Steuern zahlen!), ist ein Beweis für die in den diversen Politbüros endemische Spaßhaftigkeit, die unter Normalsterblichen in dieser Form nicht zu finden ist.

Kürzlich etwa brach die österreichische Finanzministerin Maria Fekter für die Steuerehrlichkeit eine Lanze, weil der Staat das Geld ja ausschließlich in segensreicher und dem Nutzen des Volkes dienender Weise einsetze – etwa für „den Straßenbau und die Schulen“. Es erstaunt immer wieder, für wie verblödet die politische Klasse das Wahlvolk hält, wenn sie mit derart aufgelegten Schmähs hausieren geht. Denn dass nur der geringste Teil des Staatshaushalts auf Investitionen entfällt, der Löwenanteil aber für Umverteilung – also Konsumaufwand, Beamtenapanagen oder Schuldzinsen draufgeht – wird großzügig ausgeblendet.

Dan Mitchell vom US Cato-Institut bringt es auf den Punkt: „Steuern sind schlecht!“ Steuern bedeuten, dass dem produktiven Privatsektor Mittel entzogen werden, um sie an ebenso unproduktive wie korrupte Politiker und Bürokraten umzuverteilen. Wie kann erwartet werden, dass Geld, das Bürgern weggenommen wird, die dafür schwer arbeiten und deshalb um seinen Wert wissen, besser eingesetzt werden könnte, wenn es von an der Wertschöpfung unbeteiligten Akteuren ungestraft für alle möglichen Extravaganzen verbraten werden darf?

Gerade Griechenland ist ein in dieser Hinsicht besonders lehrreiches Beispiel: Würden die Griechen, wie die IWF-Chefin fordert „ihre Steuern zahlen“ – was wäre gewonnen? Die Regierung würde ihren Apparat noch weiter aufblähen und möglicherweise noch ein paar Hundert (amerikanische) Panzer kaufen. Denn dass eine Regierung – gleich ob auf dem Balkan oder anderswo – Geld vernünftiger eingesetzt hätte, als die Bürger, die es erwirtschaften mussten und denen es gewaltsam abgepresst wurde, war niemals und nirgendwo je der Fall.

Was also sollen die aktuellen Einlassungen der IWF-Chefin? Griechenland leidet an strukturellen Problemen, etwa an mangelnder Industrialisierung, flächendeckender Korruption, geographischer Randständigkeit, einem zu hohen Lohn- und Preisniveau und damit an beklagenswert niedriger Wettbewerbsfähigkeit. Kein einziges dieser Probleme ist durch höhere Steuern zu lösen – eher im Gegenteil: Die extreme Korruption zum Beispiel ist ja gerade dadurch bedingt, dass der Staat offensichtlich über zu viel Geld verfügt, um Riesenhorden begehrlicher Beamter zu beschäftigen. Den wenigen wettbewerbsfähigen Betrieben und fleißigen Werktätigen im Lande höhere Lasten aufzuerlegen, um den politischen Parteien des Landes zusätzliche Möglichkeiten zum Stimmenkauf zu eröffnen, wird keine Heilung bringen.

Faktum ist, dass auf europäischer Ebene Verträge existieren, die einzuhalten sind. Von – à fonds perdu – zu tätigenden Transfers an Griechenland ist darin mit keinem Wort die Rede. Frau Lagarde sollte ihr Augenmerk daher eher auf jene Vertragstreue richten, die für den Umgang zivilisierter Völker miteinander unabdingbar ist und weniger auf offensichtlich törichte Fiskalphantasien.

Die Bürger Griechenlands sind für die Sanierung der von ihnen und ihren Regierungen verschuldeten Fehler und Versäumnisse selbst verantwortlich. Wenn sie sich, wie zu erwarten ist, das Heil von einer radikal linken Regierung versprechen – nur zu! Ob diese dann mehr oder weniger Steuern erhebt – wen geht´s was an? Die deutschen und andere Nettozahler der EU nicht, denn die haben längst mehr als genug geblutet. Zeit umzudenken! Man lasse Griechenland endlich untergehen! Besser heute als morgen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Ein energieloses Europa

29. Mai 2012 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter den vier großen Herausforderungen, vor denen die Europäer heute stehen, ist sie wohl am wenigsten tief ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen: die Bedrohung der Energieversorgung des Kontinents. Dennoch ist sie, wenn sie nicht gelöst wird, genauso folgenreich wie die anderen drei.

Die da sind: die Schuldenkrise fast aller europäischer Staaten; die demographische Katastrophe des seit 40 Jahren anhaltenden Kindererzeugungs-Streiks; und die Zuwanderung von Millionen bildungsferner Menschen mit zum Teil aggressiven Ideologien aus Drittweltkulturen in das europäische Wohlfahrtsnetz.

Wenn die Energiefrage nicht gelöst wird, drohen den Europäern jedoch Schäden, welche die aktuelle Griechenlandkrise als harmlos erscheinen lassen. Fast kein Arbeitsplatz funktioniert ohne Strom, vom Gesundheitsbereich bis zum öffentlichen Verkehr hängt alles an Stromnetzen. Von der Heizung in kontinental kalten Wintern bis zum privaten Verkehr hängt alles an den Gas- und Ölnetzen. Nichts ist so eng mit dem Wohlstandszuwachs oder -rückgang korreliert wie der Energieverbrauch.

Schon in mehreren Wintern sind die Gaslieferungen aus Russland längere Zeit ausgeblieben oder deutlich zurückgegangen. Im letzten Winter haben nicht einmal mehr die russischen Lieferanten selbst jemand anderen für die Versorgungsunterbrechung verantwortlich zu machen versucht (meist die Ukraine). Sie haben vielmehr offen zugegeben, dass Russland in strengen Wintertagen das Gas selber braucht. Nur herrscht dann in der Regel halt auch im restlichen Europa ein strenger Winter. Also gerade dann würden auch die Menschen außerhalb Russlands das wärmende Gas besonders dringend brauchen. Österreich kann sich zwar glücklich schätzen – und man sollte in diesem Punkt auch einmal Politik und Industrie loben –, weil es für viele Wochen Gasvorräte in eigenen Speichern angelegt hat. Aber auch die werden einmal leer sein, wenn die Lieferungen längere Zeit ausbleiben.

Nabucco: Die Geschichte eines Scheiterns

Gleichzeitig sind in den allerletzten Tagen die von Österreich vorangetriebenen Bemühungen endgültig gescheitert, mit dem Projekt Nabucco eine Reserve-Gasleitung aus Aserbaidschan an Russland vorbei zu bauen. Zu viele unseriöse und labile Länder liegen auf dem Weg dieses Projekts; zu erfolgreich waren die russischen Intrigen und Querschüsse – will doch Moskau den westeuropäischen Gashahn unter exklusiver Kontrolle behalten.

Freilich scheint das Projekt auch eher amateurhaft vorangetrieben worden zu sein. Und von der heimischen Politik war es völlig unzureichend unterstützt worden. Nur ständig von einer Schwarzmeer-Politik zu reden ist zu wenig, wenn das Land keinen Spitzenpolitiker von Format und internationaler Bekanntheit hat, der die Sache mit Engagement vorantreiben könnte und wollte. Während sich die Russen für ihre Leitung quer durch die Ostsee mit Gerhard Schröder ein Großkaliber als Lobbyisten geholt hatten, hat Österreich Nabucco nie ein prominentes Gesicht gegeben. Wetten dass dort beispielsweise ein Wolfgang Schüssel mit mehr Nutzen als die gegenwärtigen No-Names lobbyieren hätte können?

Das größte Hindernis war aber offensichtlich das EU-Recht: Jetzt baut – vielleicht – die Türkei bis zur EU-Grenze eine Leitung. Aber Österreich wird dabei nicht mehr involviert.

Um beim Gas zu bleiben: Der Widerstand einiger heimischer Provinzpolitiker gegen die Nutzung der großen eigenen Gasvorräte, die in letzter Zeit gefunden worden sind, ist eine weitere Absurdität. Schon wieder werden dramatische ökologische Schauermärchen gegen deren Nutzung erzählt.

An sich gibt es ja heute weltweit durch den Fortschritt der Technik weit mehr Gas, als noch vor wenigen Jahren angenommen worden ist. Aber zugleich steigt auch die Nachfrage: Denn Gaskraftwerke sind zum großen Hit nun auch in der Stromerzeugung geworden.

Zu wenig Strom – aber wir setzen auf Stromautos

Womit wir voll beim Thema Strom gelandet sind, der größten Krisenzone der europäischen Energieversorgung. Auf der einen Seite werden neue Stromnutzungen propagiert – insbesondere durch die diversen Ideen von Elektroautos. Diese sind zwar alle noch nicht ausgereift. Aber eines ist sicher: Sie werden den Strombedarf in die Höhe schnellen lassen, wenn sie flächendeckend eingeführt werden.

Dem stehen auf der anderen Seite jetzt schon große Stromengpässe gegenüber. In den Kaltwochen des vergangenen Winters ist Deutschland mehrere Male nur noch haarscharf an einem flächendeckenden Blackout vorbeigegangen. Ein solches Blackout ist aber noch überhaupt nicht in der Vorstellungswelt der Europäer gelandet: Sie glauben nämlich, dass da in einer halben Stunde die Lichter wieder angehen werden; eine solche Kettenreaktion könnte aber in Wahrheit Teile des Kontinents über Tage lahmlegen.

Hauptursache war die von der Politik eingeschlagene Energiewende. Nach dem japanischen Tsunami und den schweren Schäden an einem dortigen Atomkraftwerk ist in Mitteleuropa die große Panik ausgebrochen. Die Regierung Merkel hat unter dem Druck der Medien und Opposition plötzlich Abschied vom Atomstrom genommen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Tsunami mitten in Europa gleich Null ist.

Zu wenig Wind und Sonne

Merkel & Co wissen nur nicht wirklich, wie diese Wende funktionieren soll. Die Alternativen für die Stromerzeugung sind nämlich absolut rar. Die Stromerzeugung aus Sonnenenergie ist zumindest nördlich der Alpen absolut unergiebig, unverlässlich und teuer. Die dafür ausgeschütteten Milliardenförderungen kommen heute vor allem den chinesischen Erbauern solcher Anlagen zugute. Und die sich wie eine Beulenpest ausbreitenden Windräder können, selbst wenn sie sich so rasch ausbreiten wie zuletzt, maximal den Zuwachs des Energiebedarfs decken (Es sei denn, es kommt zu einer neuen Konjunkturkrise, dann ginge der Energiebedarf zurück).

Die zwei größten unter den vielen mit den Windmühlen verbundenen Problemen: Gerade in den bevölkerungsreichen Industriezonen Europas geht wenig Wind. Und: So wie die Sonne nicht immer scheint, weht auch nicht immer der Wind. Man denke an die wochenlangen Nebelperioden ohne Sonne und Wind.

Jetzt baut man große Windräder in die windreiche Nordsee, was wenigstens die weitere Naturverschandelung etwas abbremst. Aber nun braucht man wiederum riesige, mehr als 4000 Kilometer lange Stromautobahnen in den Süden, wo die große Nachfrage besteht. Eigentlich bräuchte man sie sogar bis in die Schweizer und österreichischen Alpen: Denn dort ist der einzig sinnvolle Platz, wo man Wind- und Sonnen-Strom in Speicherkraftwerken bis zum Zeitpunkt des Bedarfs speichern kann (dort wird überschüssiger Strom zum Wiederhinaufpumpen des Wassers benutzt).

Das alles ist aber Theorie, denn entlang dieser geplanten Stromautobahnen gibt es jede Menge Widerstand gegen deren Bau. Dieser kann sich juristisch wie politisch in der Epoche der Bürgerinitiativen und der föderalistischen Machtteilung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Justiz sehr mächtig und wirkungsvoll niederschlagen. Auch in den Alpen selbst herrscht nicht mehr die Begeisterung über neue riesige Staumauern wie einst in den Kapruner Tagen. Dabei ist der Bevölkerung das Risiko solcher Mauern noch gar nicht voll bewusst: Denn ein Mauerbruch in Kaprun würde eine verheerende Flutwelle bis in die Stadt Salzburg auslösen.

Niemand investiert in Lückenbüßer

Eine andere Alternative ist der Bau vieler neuer Gas- und Kohlekraftwerke, die immer dann hochgefahren werden, wenn Sonne und Wind auslassen. Diese Kraftwerke sind aber wiederum das Gegenteil dessen, was die Politik (wieder einmal unter Druck der Medien) in der in Zeiten vor der Atompanik modischen Klimapanik angestrebt hat: nämlich weniger CO2-Emissionen. die Klima-Panik ist zwar deutlich schwächer geworden. Selbst im ORF können neuerdings Beiträge erscheinen, die sie zur Gänze als verfehlt erscheinen lassen.

Abgesehen von dieser Klima-Frage will noch aus zwei weiteren Gründen ohnedies niemand in Gaskraftwerke investieren: Erstens wegen der skizzierten Versorgungsunsicherheit; zweitens weil ein nur als Lückenbüßer gedachtes Kraftwerk niemals seriös kalkuliert werden kann. Jetzt dürfte also auch hier der Steuerzahler, so wie schon bei Sonne und Wind, kräftig zur Ader gelassen werden.

Angesichts all dieser Kalamitäten wird nun überall das Thema Energiesparen forciert. Auch das bringt dem Kontinent gewaltige Kosten – nämlich immer dann, wenn es über das wirtschaftlich Sinnvolle hinausgeht, das etwa in der Reduktion der Heizkosten liegt. Energiesparzwänge sind zugleich eine gewaltige Bedrohung für Europas schöne Gründerzeitstädte: Von Paris bis Wien lebt deren touristische Attraktivität nicht zuletzt von den prunkvoll gegliederten Fassaden der historischen Straßenzüge (in Wien etwa bis zum Gürtel, aber zum Teil auch darüber hinaus). Sollen die Häuser jetzt alle kahlgeschlagen werden, damit man Dämmstoffplatten anbringen kann?

Europa und Japan werden zurückfallen

Nichts deutet also auf eine gute Energiezukunft Europas hin. Während weltweit die Atomenergie aufblüht, wird sie in Europa und Japan zugedreht (auch in Frankreich ist die AKW-Zukunft angesichts einer möglichen Abhängigkeit des neuen Präsidenten Hollande von grünen Stimmen umwölkt).

Da die Europäer alles gleichzeitig tun und haben wollen – von der Atom- über die Klimapolitik bis zur oft jahrzehntelangen Dauer von Umweltverträglichkeitsprüfungen –, werden sie auch den Preis dafür zahlen müssen: Der besteht in einem weiteren Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit. Also in weniger Investitionen, weniger Arbeitsplätzen, weniger Wohlstand. Von Ost- und Südasien bis Lateinamerika können sich die aufstrebenden Schwellenländer freuen, die sich weder um Atom- noch Klima-Paniken scheren.

PS.: Natürlich ist auch die Versorgung mit dem hier kaum behandelten Öl trotz ständig neuer Funde fragil. Aber wenigstens kann sich in dieser FrageEuropa trösten, dass ein etwa im Gefolge eines Irankrieges eintretender Ausfall der Ölversorgung auch die Konkurrenten in Übersee treffen wird. Diese haben derzeit ja einen ständig steigenden Verbrauch von Treibstoff, während der Absatz in Europa stagniert. Ob das freilich ein echter Trost ist?

PPS.: Kein einziger österreichischer Politiker erweckt den Eindruck, sich ernsthaft und strategisch mit dem Thema Energie gesamthaft zu befassen. Weder in Opposition noch Regierung. Solange der Blackout nicht eintritt, solange die Öfen im Winter nicht kalt bleiben, ist Energie keine politische Kategorie. Was auch auf den zuständigen Minister Mitterlehner zutrifft. Der es maximal schafft, sich in von Boulevardzeitungen getriebene Lächerlichkeiten wie einer Benzinpreisregelung über Pfingsten zu verheddern.

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In welchen Staaten ist die Wirtschaft konkurrenzfähig?

24. Mai 2012 12:42 | Autor: Andreas Unterberger

Kennzahlen der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit unter Kennzeichnung europäischer Krisenstaaten

 

Anteil der durch das europäische Patentamt eingetragenen Patente ausgewählter Staaten 2009 in Prozent

 

Gründungsanteil neuer Gesellschaften, Unternehmen und Niederlassungen ausgewählter Staaten 2007 in Prozent

 

Rechtliche Kosten der Unternehmensgründung in Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens ausgewählter Staaten

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Wo geht’s da nach Europa?

24. Mai 2012 00:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Europa kommt es zum Finale. So wie in der Champions-League oder bei Dancing Stars ziehen sich die Dinge zuerst lange hin, bis dann schlagartig die Entscheidung fällt. Nun fallen auch für Europa die Würfel: Wohin geht der Kontinent?

Seit Jahrzehnten konkurrieren zwei Konzeptionen. Auf der einen Seite steht die Idee eines Europas der Vaterländer, in dem die Staaten Träger der Macht sind, von der sie nur im Falle konkreten Nutzens einen Teil an die EU delegieren. Auf der anderen Seite steht der Traum Vereinigter Staaten von Europa. Anders gesagt: Eine Konzeption, von der die Mehrheit der Europäer überzeugt ist, steht gegen ein Projekt der Eliten.

Fast jeder, der irgendeine noch so kleine Rolle in einer EU-Institution bekommt, wird über Nacht zum begeisterten Europäer. Siehe etwa die österreichischen Grünen:1994 noch vehement gegen die EU, sind ihre EU-Abgeordneten wenig später deren fanatische Anhänger. Das Motiv des Gesinnungswandels ist immer gleich: Man kann in der EU oft leichter Regelungen für 500 Millionen durchsetzen, als daheim solche für acht Millionen. Das verleiht ein Gefühl der Macht. Und Macht hat eine berauschende Wirkung. Man beobachte etwa die vollmundigen Politiker aus dem winzigen Luxemburg. Sie alle vergessen, dass der Erfolg Europas im letzten halben Jahrtausend ein Erfolg der Vielfalt, des Wettbewerbs und der Freiheit war.

Die Bürger aber sind der zentralistischen Ideen zunehmend überdrüssig. Sie empfinden Brüssel als regulierungswütigen Moloch. Sie sind ob des Bruchs vieler von der EU selbst gesetzter Regeln und Versprechungen frustriert.

Der Konflikt vertieft sich, obwohl beide Seiten in einem weitgehend übereinstimmen: Bei der Schaffung eines großen Binnenmarktes war die EU sehr erfolgreich. Der Binnenmarkt funktioniert und hat die Europäer reicher gemacht.

Mehr aber wollen diese meist gar nicht. Die Bürger Europas empfinden – im Gegensatz zu den polyglotten Eliten, die täglich durch den Kontinent düsen, – die kulturellen, sprachlichen und ökonomischen Unterschiede als zu groß, um sich als Einheit zu empfinden. Um diese Ablehnung wissend haben die Eliten versucht, ihr Projekt an den Bürgern vorbei so weiterzuentwickeln, dass es nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Nun zwingt aber die Schuldenkrise die Entscheidung herbei: Werden sich jene durchsetzen, die durch eine enge politische Union mit gleichen Steuern, gleichen Gesetzen, gleicher Justiz und gemeinsamen Schulden die Rettung versprechen? Oder aber jene, die überzeugt sind, gerade in stürmischen Zeiten ist der Nationalstaat die wahre Zuflucht, weil nur dort Identität und Solidarität zu finden sind?

Es gibt freilich auch noch eine dritte Möglichkeit: In chaotischen Zeiten könnte bei einem solchen Grundsatzstreit auch der Binnenmarkt selbst auseinander brechen, also der unbestritten nützliche Teil der EU. In der Fußballwelt nennt man das einen Spielabbruch.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Facebook: ein Zauberbuch?

23. Mai 2012 01:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ob ich Facebook-Aktien gekauft habe, will ein Partner des Tagebuchs wissen. Nun: Obwohl ich normalerweise keine Aktientipps geben will, nicht einmal indirekt, fällt mir hier die Antwort leicht. Sie lautet: Nein. Das heißt nicht, dass ich sicher bin, dass diese Aktien einen langfristigen Flop erleiden.

Denn bei Aktien kann man genausowenig einen Erfolg wie einen Misserfolg als sicher ansehen. Mit dem Kauf von Aktien verhält es sich nicht anders als mit sämtlichen anderen Entscheidungen im Leben. Man kann lediglich Einschätzungen der Wahrscheinlichkeit abgeben, ob sich eine Entscheidung am Ende als richtig, also sinnvoll, nützlich, ertragbringend erweisen wird. Wahrscheinlichkeit heißt damit aber immer auch, dass etwas ganz anders als erwartet ausgehen kann.

Und das trifft nun bei Aktienkäufen genauso zu wie bei der Investition in eine Würstelbude oder auch bei der Entscheidung für ein Studium. Zweifellos ist im Vergleich zu einem (in der Regel leichten) Publizistik-, Politologie- oder Psychologie-Studium die Wahrscheinlichkeit eines Lebens mit gutem Einkommen viel höher, wenn man Wirtschaft studiert (was in der Regel schwerer ist). Ich kenne aber durchaus auch exzellent verdienende Politologen und total erfolglose Studienabbrecher (insbesondere wenn sie über eine reine Parteikarriere zum Chef von Bundesbahn oder Bundesregierung werden), so wie mir Absolventen der Wirtschafts-Universität begegnet sind, die später in ihrem Leben keinen Job mehr finden und die in der notgedrungenen Selbstständigkeit frustriert an der ständigen Konkursgefahr entlangschrammen.

Nicht anders ist es bei Facebook. Ich schätze zwar die Wahrscheinlichkeit eines Flops – also eines zumindest teilweisen Verlustes der eingesetzten Gelder – bnoch immer ei Facebook gefühlsmäßig mit rund 80 Prozent an. Aber 20 Prozent Erfolgschance sind zweifellos deutlich besser als bei den diversen Lotto-Formen. Dennoch werden auch diese begeistert gespielt.

Die Argumente, die für einen Misserfolg der Aktien des – ziemlich unsozialen – „sozialen Mediums“ sprechen, sind deutlich größer:

Woher nehme ich aber dann überhaupt eine immerhin 20-prozentige Chance für Facebook-Aktionäre? Nun, es kann ja sein, dass es nochmals die nunmehr börsenotierte Aktiengesellschaft Facebook ist, bei der eine geniale Idee zum Durchbruch kommt. Da könnte der Aktienkurs doch noch einen Höhenflug erleben (bei dem dann der Ausstieg besonders empfehlenswert wird).

Überdies ist derzeit jedenfalls die Wahrscheinlichkeit größer, dass man mit Aktien welcher Art immer sein Geld sicherer angelegt hat als mit Staatsanleihen. Denn in Deutschland wie auch in etlichen anderen Ländern haben derzeit die schuldengierigen Linksparteien und Rechtspopulisten gewaltigen Auftrieb, die den Menschen eine schmerzfreie Therapie gegen die Folgen der finanzpolitischen Sünden der letzten Jahre vorgaukeln. Was nichts anderes heißt als noch mehr Schulden. Das wird die Anleihen eines Tages wie ein Pyramidenspiel zusammenbrechen lassen. Da ist dann eine Facebook-Aktie noch allemal besser als eine Staatsanleihe. Denn die wird nur noch zum Tapezieren der Wände gut sein.

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Europa hat drei Optionen und entscheidet sich für keine

22. Mai 2012 02:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alexis Tsipras hat absolut recht. Der Chef der linksradikalen Syriza-Partei Griechenlands – der beim nächsten Wahlgang noch weiter zulegen dürfte – hat nämlich selbstsicher verkündet: Niemand kann Griechenland aus dem Euroland werfen.

Ein Blick in die diversen europäischen Verträge bestätigt: Kein Land kann hinausgeschmissen werden, weder aus dem Euro-Raum noch aus der Europäischen Union. Damit haben sich EU wie Euro als Schönwetterprojekte entlarvt, die nun schon seit zwei Jahren völlig hilf- und schutzlos im Regen stehen. Damit machen sich auch alle jene Politiker in Österreich wie in Europa lächerlich, die den Griechen nun den Hinauswurf androhen. Das geht einfach rechtlich nicht.

Damit hat auch die EU-Kommission wahrscheinlich recht, die ständig beteuert, keine Vorbereitungen in diese Richtung zu treffen. Man kann nicht etwas vorbereiten, was man gar nicht kann und darf. Das andere Kommissare doch wieder von solchen Vorbereitungen reden, ist nur ein Zeichen des Chaos, das in Brüssel herrscht.

Ohne Griechen auch kein griechischer Austritt

Die Trennung der Griechen vom Euro können nur die Griechen selber beschließen. Und die wollen ganz und gar nicht. Würde doch damit tatsächlich jene gewaltige Verarmung des Landes eintreten, über die die Griechen schon derzeit sehr beredt jammern, ohne dass sie noch wirklich eingetroffen wäre. Außerdem können die Griechen nicht nur aus dem Euro allein austreten, sondern müssten auch gleich die EU verlassen. Was sie genauso wenig wollen – auch wenn man dann natürlich im gleichen Atemzug um Neuaufnahme in die EU ansuchen könnte.

Daher klingt die – sofort wieder dementierte – neueste Idee Angela Merkels zwar verzweifelt, aber doch glaubwürdig. Sie soll den Griechen empfohlen haben, jetzt doch die im vorigen Winter noch von ihr selbst und allen anderen verdammte Volksabstimmung über einen Euroverbleib PLUS Zustimmung zu allen Sparmaßnahmen abzuhalten. Aber genau dieses Plus will ja die Mehrheit der Griechen nicht.

Heißt das nun, Europa ist wirklich so hilflos, wie es jetzt dasteht? Heißt das, Europa muss wirklich alternativlos einfach immer neues Geld in die ausgebrannten Kessel Griechenlands & Co schaufeln? So wie es das ja schon seit zwei Jahren in Billionen-Dimension tut – von den ersten bilateralen Griechenland-Hilfen über die diversen Kommissions- und EZB-Aktionen, übers hemmungslose Gelddrucken, über die Finanzierungen auf kollektiven Pump via Währungsfonds und die komplizierte „Fazilität“ EFSF bis zu dem ebenso komplizierten und destabilisierenden „Stabilisierungsmechanismus“ ESM?

Ganz und gar nicht. Europa hat mindestens drei Optionen. Freilich ist es nicht so sicher, dass in irgendwelchen Staatskanzleien diese Optionen auch wirklich schon genau durchkalkuliert worden wären. Denn populär wird man auch damit nicht. Keine dieser Optionen ist schmerzfrei, jedoch ist jede sinnvoller als die gegenwärtige Schmerzbehandlung für die europäische Krankheit, die nur eine reine Symptomkur ist.

Über diese Optionen hätte man eigentlich schon in den 90er Jahren bei der Gründung des Euro entscheiden müssen. Was man aber nicht geschafft oder gewollt hat. Und man ist ihnen erst recht im Mai 2010 aus dem Weg gegangen, als Griechenland erstmals bankrott war.

1. Grünes Licht dem Bankrott

Die erste Option würde keiner neuen europäischen Verträge bedürfen. Sie bedeutet einfach: Man lässt Griechenland auch wirklich so wie im Vertrag vorgesehen bankrott gehen. Das wäre zwar ein Schock für das Land, aber die logische Konsequenz aus allen jenen Fehlern, die die Griechen selbst zu verantworten haben – in der lügenreichen Vergangenheit ebenso wie erst recht durch das jüngste Wahlergebnis. Dann könnte die griechische Regierung etwa den Beamten und Pensionisten höchstens die Hälfte des monatlichen Schecks zukommen lassen. Und so weiter.

Aber genau dieser Schock würde am ehesten das auslösen, worum sich die Griechen derzeit so klagenreich herumdrücken: Privatisierungen, Deregulierungen, Beamtenabbau, Abbau von Kündigungsschutz, echte Öffnung für ausländische Investoren usw. Ob die Griechen dann auch zur Drachme zurückkehren, ist da schon eine sekundäre Frage.

Freilich soll niemand glauben, dass dieser an sich logische Weg für das Ausland ein einfacher oder gar billiger wäre. Zahlreiche ausländische Banken und Versicherungen müssten dann durch die eigene Regierung vor den Auswirkungen eines Domino-Effekts geschützt werden. Denn sonst würden auch die jeweils eigenen Unternehmen des Landes mitgetroffen werden, wenn ihre Bankkonten plötzlich nichts mehr wert wären. Wobei es freilich nicht sein dürfte, dass bei der Bankenrettung Bankaktionäre und -mitarbeiter ungeschoren davonkämen. Sie müssten einen Teil des griechischen Ausfalls selber tragen. Nur die schuldlosen Kunden sollten geschützt werden.

Eine weitere Konsequenz einer griechischen Insolvenz würde viele europäische Regierungen treffen: Sie alle hätten dann noch viel größere Probleme bei der eigenen Refinanzierung. Denn jeder Geldgeber würde nach einem endgültigen Bankrott Griechenlands noch viel intensiver als schon jetzt nachdenken, bevor er Italien, Spanien, aber auch Frankreich und vielen anderen Staaten weiter gutes Geld zur Verfügung stellen würde. Das würde für diese Länder die Schuldenaufnahme zumindest neuerlich verteuern.

Allerdings: Dieser Effekt ist schon im Vorjahr bei der erzwungenen Umschuldung der privaten Inhaber griechischer Anleihen in hohem Ausmaß eingetroffen. Diese Umschuldung war eine besonders dumme Aktion: Das Ausland hat viele negativen Folgen getragen, ohne dass man die Griechen zu einer echten Reform zwingen hätte können.

Griechenland bankrott gehen zu lassen, kommt ganz Europa teuer. Aber es nicht bankrott gehen zu lassen, sondern weiter zu „helfen“, kommt noch viel teurer. Und es verhindert vor allem weiterhin, dass die Griechen endlich wirklich selber sanieren. Und auch kein anderes Land wird das dann tun. Sondern alle Bürger würden glauben, dass man nur links- oder rechtspopulistisch wählen, ein bisschen demonstrieren sowie „Occupy!“ rufen müsste. Und schon zahlt weiter ein anderer für sie.

2. Schaffung eines europäischen Konkursrechtes

Damit kommen wir zur zweiten Option: Die EU beschließt ein echtes Insolvenzrecht. Das erfordert eine Vertragsänderung, und dauert daher wahrscheinlich in einer akuten Notsituation zu lange. Aber jedenfalls gilt hier der Satz: Besser spät als gar nicht. Die Schaffung eines solchen Staateninsolvenz-Gesetzes wäre jedenfalls viel dringender als all die zahllosen Banken-Regulierungsversuche der letzten Jahre. Denn die Staaten sowie deren verlorene Wettbewerbsfähigkeit und nicht so sehr die Banken sind der zentrale Kern des europäischen Dilemmas.

Eines solchen Insolvenzrechts hätte es schon bei Fixierung des Euro zumindest für den Euro-Raum bedurft. So wie es ja auch innerhalb jedes Landes für zahlungsunfähige Firmen genau geregelte Abläufe gibt. Im Zentrum steht dabei immer ein sogenannter Masseverwalter. Der übernimmt in dem insolventen Land beziehungsweise in der insolventen Firma alle finanziell relevanten Geschäfte. Interessanterweise wird neuerdings in der Europäischen Zentralbank genau darüber nachgedacht.

Das bedeutet freilich eine vorübergehende Aushebelung der Verfassung und Demokratie. Das ist daher eine extrem heikle Operation. Das würde die Gefahr eines revolutionären Chaos verstärken. Das wäre aber wohl im Gegensatz zur ersten Option ein viel klarer geordneter Umgang mit der Zahlungsunfähigkeit eines Landes. Daher sollt unabhängig davon, wie es kurzfristig in Griechenland weitergeht, dieses Insolvenzrecht die erste Priorität auf der europäischen Agenda werden.

3. Europa neu gründen

Womit wir zur dritten Option kommen. Die heißt: Wenn die Griechen nicht aus dem Euro austreten wollen, können es ja die anderen tun. Das ist freilich eine gewaltige Vertragskonstruktion, die da geschrieben werden müsste. Denn so wie die Griechen nicht nur aus dem Euro austreten können, können es auch die anderen Länder nicht. Sie müssten formal auch die EU verlassen und EU wie Euro neu gründen. Dabei werden die Austretenden auch den Zurückbleibenden – also jedenfalls den Griechen – gegenüber schadenersatzpflichtig. Wobei man freilich auch alle von Athen verursachten Schäden gegenrechnen kann.

Eine solche Neugründung könnte natürlich auch genutzt werden, die vielen Fehler der EU-Konstruktion zu beseitigen. Da hat sich ja im Verlauf von mehr als einem halben Jahrhundert Vieles angesammelt oder als schädlich erwiesen: Vetorechte, Nichteinhaltung der eigenen Regeln, undemokratische Bevorzugung von Kleinstaaten gegenüber den Großen, der unheilvolle Drang zur Überregulierung, unklare Verhältnisse zwischen Nato- und neutralen Ländern, usw.

Mit anderen Worten: Es bräuchte wohl Jahre, um all das zu klären. Niemand hat einen besseren EU-Vertrag fertig in der Lade, der auf zumindest mehrheitliche Zustimmung stieße. Zugleich würde eine neue, bessere Union wahrscheinlich etliche Mitglieder verlieren, die auf dem Weg des Willensbildungsprozesses verloren gingen.

Erst recht würden solche Verluste an Mitgliedern auch bei einem neu zu zimmernden Euro-Raum der Fall eintreten. Denn während man die EU ja auch schlanker machen könnte und sollte, könnten an einem Euro-Neu zweifellos nur Länder teilnehmen, die sich einem klaren und zwingenden Regime unterwerfen würden (anstelle der skurrilen Maastricht-Kriterien, die vom ersten Tag an nie eingehalten worden sind).

Ein solcher Verlust wäre aber sicher kein großer Schaden. Hat man doch in dieses Europa immer wieder Länder aufgenommen, die (noch) gar nicht hineinpassen. Die man aber „aus politischen Gründen“ zu früh aufgenommen hat.

Der Hut brennt lichterloh

Über all diese drei Optionen muss – müsste – zum Beispiel der von Michael Spindelegger in der Vorwoche gegründete Kreis von reformwilligen Ministern intensiv nachdenken. Ob aus dem mehr wird als aus so vielen anderen Nachdenkrunden?

Das Teuflische ist: In Europa brennt der Hut so lichterloh, dass alle Entscheidungen binnen weniger Wochen getroffen werden müssten. Und dabei sollen gleichzeitig in diesen Wochen auch noch ganz schwierige Pakete durch die nationalen Parlamente beschlossen werden: neben der Verpflichtung zur Schuldenbremse auch der neue, viele weitere Hundert Milliarden teure Stabilisierungsmechanismus ESM.

Dieses Paket hängt freilich auch aus einem anderen Grund in der Luft. Denn sowohl die deutschen wie auch die französischen Sozialisten lehnen nun die Pflicht zu einer Schuldenbremse ab. Was zwar ein neuerlicher schwerer Stoß des sich breit machenden Populismus für die Stabilität Europas wäre. Was aber wieder leichte Hoffnung macht, dass damit wenigstens auch der ESM tot sein könnte (den aber wieder die Sozialisten gerne hätten!).

Heute hat Europa die Rechnung für Hunderte faule, den Grundrechnungsarten der Ökonomie widersprechende Kompromisse auf dem Tisch. Es ist dadurch selbst längst von arger Fäulnis befallen. Die proeuropäischen Sprüche mancher Politiker und EU-Journalisten gleichen daher längst nur noch dem Pfeifen im Walde.

 

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Raus aus dem Euro – geht das überhaupt?

21. Mai 2012 23:42 | Autor: Wolfgang Hoffmann
Rubrik: Gastkommentar

Alle reden davon, Griechenland solle sich gefälligst aus der Eurozone schleichen, oder „vertschüssen", wie unsere bundesdeutschen Nachbarn sagen. Sogar unsere Finanzministerin Maria Fekter hat das zuletzt den Griechen angedroht, und dafür einen Rüffel von Frau Merkel kassiert. Alle reden davon, aber erst langsam taucht die Frage auf: geht das überhaupt?

Egal ob Drachme, Lira oder Peso: Wer würde heutzutage freiwillig seine Euros in so eine Währung umtauschen, die noch dazu jeden Tag an Wert verliert? Wer würde nicht sofort zu seiner Bank rennen, und alles abheben, bis auf den letzten Cent?

Wenn Griechenland wieder die Drachme einführen will, dauert alleine schon das Drucken der neuen Scheine drei Monate. Und dann müssten rund 300 Tonnen Bargeld an die Banken verteilt werden. Sobald das nur irgendjemand mitbekommt, bricht sofort die Hölle aus. Jeder Grieche wird rasch seine letzten Euros einsammeln und nicht mehr hergeben. Genau wie am 11. Mai 1931, als die österreichische Creditanstalt zusammenbrach und damit die Weltwirtschaftskrise (mit-)auslöste.

Das ist natürlich alles nicht neu. Jeder Nationalökonom, jeder Wirtschaftswissenschafter und schließlich auch jeder Banker weiß das schon immer. Warum aber erzählen uns die Politiker noch immer das Gegenteil? Will uns da schon wieder jemand für dumm verkaufen? So wie beim „Transparenzpaket"?

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

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Stabile Säulen für sichere Pensionen – Stärkung der privaten, kapitalgedeckten Pensionsvorsorge

19. Mai 2012 23:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Das Pensionssystem ist in Österreich zu rund 90 Prozent umlagefinanziert (staatliche „1. Säule“) und unterliegt de facto dem Leistungsprimat* („defined benefit“; Höhe der Leistungen ist definiert). Mit dem vollständigen Übergang auf das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) oberhalb der Mindestpension wird das Prinzip der Versicherungsäquivalenz jedoch zunehmen. Pensionsleistungen aus den kapitalgedeckten Systemen (private „2. und 3. Säule“) von rund 10 Prozent unterliegen prinzipiell dem Beitragsprimat* („defined contribution“; Höhe der Beiträge ist definiert), wenngleich auch Zusagen im kapitalgedeckten System (alle direkten Leistungszusagen und etliche Pensionskassenzusagen) leistungsbezogen sein können (was allerdings Nachschusspflichten impliziert).

Gemäß langfristiger Projektion wird der Pensionsaufwand von 14,1 Prozent des BIP (2010) auf 16,7 Prozent (2030), die Pensionsbeiträge der Beschäftigten im selben Zeitraum hingegen nur von 8,4 Prozent auf 8,5 Prozent des BIP steigen. Dieser Anstieg des Bundesbeitrags (d.h. zusätzliche Budgetbelastung) um weitere 2,5 Prozent des BIP p.a. erhöht den Druck in Richtung weiterer und auch nachhaltiger Pensionsreformen.

Die EU weist in ihrem jüngsten „Weißbuch“ (Feb. 2012) auf die Notwendigkeit hin, dass deutlich mehr zusätzliches individuelles Ansparen notwendig sein wird, um den Erhalt des Lebensstandards in der Pension abzusichern.

Sie fordert eine regelmäßige und übersichtliche Information für jeden Anspruchsberechtigten ein, die Auskunft über die zu erwartende Höhe der Pension aus der 1. und 2. Säule gibt. Damit soll der Bedarf nach zusätzlicher Vorsorge wesentlich transparenter werden. Die Qualität der privaten Pensionsvorsorgeprodukte der 3. Säule soll verbessert werden, insbesondere durch regelmäßige übersichtliche Information für jeden Anspruchsberechtigten hinsichtlich Transparenz, Rentabilität, Kostensynergien und Sicherheit bei Kapitalmarktschwankungen.

Gefährden Finanzkrisen die private Pensionsvorsorge?

Die Finanzkrise hat das Vertrauen auch in die kapitalmarktbasierte Pensionsvorsorge erschüttert: Die Sinnhaftigkeit der Ausdehnung privater Altersvorsorge wurde in dem Ausmaß in Zweifel gezogen, in dem vergessen wurde, dass die Altersvorsorge eine Frage der langen Frist ist. In den meisten OECD-Ländern lag (in lokaler Währung) das in Pensionsfonds gemanagte Vermögen über den Beständen von 2007.

In umfangreichen Simulationen hat die OECD das Ausmaß der Risiken und Unsicherheiten von Anlagerenditen im Kontext der Altersvorsorge, d.h. über die Lebenszeit der Beitragszahler betrachtend, untersucht. Demnach liegen die zu erzielenden realen Renditen selbst bei konservativen Strategien (deutlich) höher als die in Zukunft zu erwartenden Pensionssteigerungen auf Basis der Berechnungen der Pensionskommission.

Neben dem Erhalt der Kaufkraft würde selbst die volle Einbeziehung von Lohnzuwachsraten – langfristig betrachtet – die Kapitalmarktrenditen nicht erreichen.

Verteilung der simulierten jahresdurchschnittlichen Anlagerenditen

Für ein „ausgewogenes“ Portefeuille unter Berücksichtigung von Verwaltungsgebühren, Kosten der Umwandlung des akkumulierten Kapitals in regelmäßige Rentenzahlungen usw. ermittelte die OECD folgendes Ergebnis:

Verteilung der simulierten künftigen Anlagerenditen und Ersatzquoten

Die in den Simulationen erhaltene Medianrendite von 5,0 Prozent liegt unter dem empirisch ermittelten Durchschnittswert der letzten 25 Jahre von 7,3 Prozent.

Ertrag und Risiko der staatlichen und privaten Vorsorgesäule – die Pensionsvorsorge als Portefeuilleproblem

Die Finanzkrise hat den Fokus in der Pensionsvorsorge auf das (kurzfristige) Veranlagungsrisiko gelegt, das (langfristige) politische Risiko in Form von Pensionsreformen (um die prognostizierten steigenden budgetären Belastungen zu senken) aber weitgehend ausgeblendet.

Bereits in den letzten Jahrzehnten ist aufgrund von Pensionsreformen – z.B. Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume von den besten fünf Jahren auf die gesamte Erwerbsphase, Reduzierung der Anrechnungen von Nichterwerbsphasen … – die Leistung des staatlichen Umlageverfahrens deutlich gesunken (ausgedrückt als Verzinsung der PV-Beiträge), trotz diverser „Verlust-Deckelungen“. Die notwendigen Pensionsreformen, die das System versicherungsmathematisch betrachtet „fairer“ gestalten, führen zu einem permanenten Verlust an Pensionsleistungen. Im Gegensatz dazu werden Vermögensverluste in diversifizierten Portefeuilles nach Finanzkrisen u.U. rasch wieder wettgemacht (wie etwa in der aktuellen Finanzkrise). Während ältere Generationen von der politikinduzierten „Blase der staatlichen Pensionsversprechen“ profitieren können, tragen jüngere Generationen die mit dem Platzen dieser Blase verbundenen Kosten in Form von Reformverlusten.

Nicht nur die Renditen auf Finanzmärkten, auch die impliziten Renditen des staatlichen Umlageverfahrens schwanken (je nach Annahme über die Zurechnung des Bundesbeitrags zur Pensionsversicherung und über den Abzug von Risikoanteilen vom Versichertenbeitrag) stark. Anzustreben wäre daher eine zwischen öffentlichen und privaten Systemen besser diversifizierte Altersvorsorge, als sie gegenwärtig in Österreich mit rund 90/10 herrscht, mittelfristig könnte der „optimale“ Anteil der privaten kapitalgedeckten Pensionsvorsorge rund 30 Prozent ausmachen.

Wahlfreiheit erfordert Forcierung der rein privaten Pensionsvorsorge (3. Säule)

Innerhalb der nicht-staatlichen, kapitalgedeckten Pensionsvorsorge sollte jedoch die betriebliche Altersvorsorge reduziert und private Vorsorgeformen forciert werden:

Die Nachteile der 2. Säule (geregelt im Betriebspensions-, Pensionskassen- bzw. im Betriebliche- und Selbstständigenvorsorgegesetz) sind:

Auch die aktuelle Novellierung des Pensionskassen- und des Betriebspensionsgesetzes (in Kraft tretend Anfang 2013) mit der neu geschaffenen Möglichkeit einer „Sicherheitspension“ (Angebot einer Sicherheits-Veranlagungs- und Risikogemeinschaft) und geringfügig flexibleren Anlagestrategien (konservativ, risikoreich) ändert an der grundsätzlichen Problematik nichts, auch wenn einige Nachteile reduziert wurden.

Nur im Rahmen der 3. Säule besteht für einzelne Anwartschaftsberechtigte die Freiheit, das Risiko-Rendite Profil optimal zu wählen (z.B. individuelles „Lifecycle Investing“) bzw. hat er die Freiheit der Wahl unter konkurrierenden Produkten.

Wesentlich ist dabei die Sicherstellung gleicher Besteuerung für alle Produktformen, d.h. durch unterschiedliche steuerliche Belastung soll keine verzerrende Wirkung entstehen. Anzustreben wäre daher ein persönliches Pensionskonto/-depot, das als solches definiert durchgängig der nachgelagerten Besteuerung unterliegt (Einzahlung und Veranlagung ohne steuerliche Belastung, Auszahlung hingegen mit Einkommensteuer belegt).

Intelligentes Design kapitalgedeckter Pensionsvorsorge am Beispiel Schweden

Das schwedische Pensionsmodell wurde in den 1990er Jahren entwickelt, als Schweden sich einer alternden Gesellschaft, einem vergleichsweise geringeren Wirtschaftswachstum und einem ausufernden Budgetdefizit gegenüber sah. Das alte Pensionssystem nach dem Leistungsprimat wurde ersetzt (mit Übergangsregelungen) durch ein stark auf Kapitaldeckung ausgerichtetes System, wobei in allen drei Säulen teilweise bis ausschließlich Beiträge am Kapitalmarkt veranlagt werden.

Die zugrundeliegende Idee des Systems beruht auf der Tatsache, dass die Höhe der Pension (in Form einer Annuität) vereinfacht ausgedrückt von der Höhe des Kapitals zum Pensionsantritt „dividiert“ durch die durchschnittliche Lebenserwartung zum Pensionsantritt abhängt:

Dem Problem der alternden Bevölkerung kann in dieser Logik vor allem mit einem späteren Pensionsantritt begegnet werden. Das Kapital hängt ab von der Höhe der Beiträge und deren Wertentwicklung über die Laufzeit und zeigt die Bedeutung von langfristigem regelmäßigen Sparen und dem Zinseszinseffekt.

Die erste Säule (laufender Beitrag 18,5 Prozent des Bruttogehalts) besteht aus drei Teilen:

Im Rahmen der zweiten Säule werden je nach Kollektivvertrag 3,5 – 4,5 Prozent des Bruttogehalts vom Arbeitgeber in ein vom Arbeitnehmer (!) auszuwählendes Versicherungsprodukt (va fondsgebundene Lebensversicherung) einbezahlt – auch dieser Teil ist beitragsorientiert und vor allem: individuell gestaltbar.

Für die dritte Säule – Private Pension – sind 3 Möglichkeiten vorgesehen:

Einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems leisten „Finanzielle Stabilisatoren“: Die jährliche Anpassung der Pension aus der 1. Säule berücksichtigt auch die Einkommensentwicklung und gewisse Abschlagsfaktoren und kann sich daher sowohl positiv als auch negativ entwickeln (letzteres 2010 und 2011).  Für die Bezieher niedriger Pensionen wird dies durch die Garantiepension ausgeglichen.

Kritiker von kapitalgedeckten Pensionssystemen weisen immer auf die Abhängigkeit von der Kapitalmarktentwicklung hin. Das schwedische System berücksichtigt kurzfristige negative Schwankungen insoweit, als jeder Einzelne bestimmen kann, wann sein in der 2. oder 3. Säule angespartes „Kapital“ in eine Verrentung übergeführt wird.

Um die Verwaltungskosten dieses Systems zu minimieren, hat man sich entschlossen, ein zentrales „Clearinghaus“ zu etablieren, das „Pensionskonten“ führt und wo man jederzeit umschichten bzw. sich informieren kann. Ebenso gibt es für die Fonds und Versicherungen Obergrenzen für deren verrechnete Kosten.

Politikempfehlungen für Österreich:

Unabhängig von ihrer jeweiligen beruflichen Funktion haben mehrere österreichische Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Uta Pock, Thomas Url) die Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die dieser Text verfasst wurde.

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Die 30-Euro-Impfung auf griechische Art

17. Mai 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Griechenland ist von der Größe her für dieses EU-Europa ein winziges Problem. Aber das Land ist ein exzellentes Paradigma für all das, was in so vielen europäischen Ländern falsch gelaufen ist.

Anstelle der üblichen Milliarden-Dimensionen ist es anschaulicher, sich in den ganz kleinen Zahlenregionen zu bewegen. Viele wundern sich etwa, warum in Griechenland ein Kaffee im Schnitt teurer ist als in einer italienischen Bar, obwohl doch die griechischen Kellner wie viele ihrer Landsleute so herzzerreißend klagen, wie schlecht es ihnen geht. Aber das mag eine Folge eines nicht funktionierenden Wettbewerbes oder von (anderswo verbotenen) Preisabsprachen sein.

Daher noch ein Beispiel aus einem sehr geregelten Umfeld: Schauen wir den Preis für das Verabreichen einer bestimmten Impfung an. Für diese bekommt ein österreichischer Arzt 7 Euro von der Sozialversicherung – ein griechischer hingegen 30 Euro. Diese Differenz erklärt eigentlich schon fast die ganze griechische Krankheit. Sehr anschaulich ist übrigens auch die Zahl der Apotheken: Bei annähernd gleicher Bevölkerungsgröße hat Griechenland zehn Mal so viele Apotheken wie Österreich.

Vor Einführung des Euros in Griechenland haben diese und einige Tausend andere griechische Seltsamkeiten die Inflation ständig angeheizt. Worauf dann beispielsweise die 30 Impf-Münzen des griechischen Arztes bald wieder nur noch genauso viel wert waren wie die 7 des Österreichers.

Der Euro und die gigantischen Hilfsaktionen der europäischen Steuerzahler haben aber dazu geführt, dass die Mehrzahl der Griechen glaubt, sie können beides haben: Die Kaufkraft des Euro einerseits und andererseits jemanden, der ihnen ständig genug Euro schickt. Das gleicht dem Glauben, zugleich abnehmen zu können und doch alles ungehemmt fressen zu können, was Mitteleuropas Küche an kalorischen Köstlichkeiten bietet. Nun gibt es in der Tat Scharlatane, die mit großem Erfolg solche Wunderdiät-Illusionen eines anstrengungsfreien Abnehmens wachrufen. Mit ähnlich großem Erfolg hat auch eine Reihe griechischer Parteien die Quadratur des Euro-Schulden-Kreises versprochen. Diese Schulden-Scharlatane haben sogar einen Beweis: die letzten zwei Jahre, als die EU-Partner diese Quadratur tatsächlich finanziert haben.

Ergebnis: Der Chef des österreichischen Staatsschuldenausschusses verkündet trocken, dass wir (im Gegensatz zu den Ankündigungen der Politik) die an Griechenland verborgten Milliarden niemals wiedersehen werden.

Wann wird Europa endlich einsehen, dass man nicht jemanden zum vernünftigen Haushalten (=Sparen+wettbewerbsfördernde Reformen) bringen kann, solange der auch nur einen Rest Hoffnung auf einen Big spender haben kann? Und die Vernunft wird schon gar nicht einkehren, solange etwa die deutschen Sozialdemokraten sagen, man sollte doch den Griechen noch viel mehr Geld borgen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Nabucco-Projekt vor dem Aus

16. Mai 2012 03:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Österreichs OMV versucht noch hinhaltenden Widerstand zu leisten. Sie betont, das Milliardenprojekt der Nabucco-Gaspipeline hätte tausend Leben. Aber alle Vorzeichen deuten auf einen baldigen Tod von Nabucco hin. Nicht nur, dass sich Aserbeidschan, als derzeit einziger Gaslieferant, bereits anders zu entscheiden scheint, so bröckelt auch die Front der Nabucco-Partner.

So wie es derzeit aussieht wird das Aserigas anfangs nach Italien fließen (über die TAP-Pipeline) und zu einem späteren Zeitpunkt wird das BP-Projekt der SEEP-Pipeline langsam Richtung Bulgarien vordringen. Der österreichische Gashub Baumgarten bleibt auf der Strecke. Erst in einem Jahrzehnt, falls der große Gasfund von OMV/Petrom hält was er verspricht, könnte dann eine Pipeline Richtung Österreich wieder spruchreif werden.

Nabucco hat derzeit einfach schlechte Karten. Es ist ein Projekt, das bereits rund um das Jahr 2005 geplant wurde, wo es einfach andere Voraussetzungen gab. Ausnahmegenehmigungen, wie sie Nabucco im Jahr 2009 von der EU zugestanden wurden, sind nicht mehr zeitgemäß. Sie basieren darauf, dass sich Shipper auf langfristige Verträge von 25 Jahren einlassen. Diese Zeiten sind vorbei.

Heute sind nur mehr Verträge mit einer Laufzeit von 10 Jahren unterzubringen, durch das dritte EU-Energie-Liberalisierungspaket wird es ab 2013 eine neue Gaswelt geben (etwa virtuelle Handelspunkte, mit denen der Gashandel erleichtert wird), in die Nabucco nicht mehr hineinpasst. Auch wenn noch versucht wird, das Nabucco-Schiff auf Kurs zu halten, die EU-Ausnahmeregelung läuft 2016 aus, wenn bis zu diesem Zeitpunkt nicht gebaut wird. Dann müsste wieder ganz neu angefangen werden.

Ein Teil der Nabucco-Partner hat dies auch bereits erkannt. Schon vor einigen Monaten hat die RWE (Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG)-Chefetage (RWE ist einer von sechs Partnern) verlauten lassen, dass man nicht unbedingt am Bau der milliardenteuren Gasleitung beteiligt sein müsse. Weit klarer hat dies Nabucco-Partner MOL (Ungarn) vor wenigen Tagen ausgedrückt: "Wir haben signalisiert, dass wir bereit sind, unsere Anteile wenn nötig zu verkaufen", sagte MOL-Aufsichtsratschef Zsolt Hernadi. "Wir mussten jetzt einfach ein sehr starkes Signal setzen, dass wir nicht mehr willig sind, das noch länger zu finanzieren".

Die Ungarn wollen nicht mehr länger Geld für das Gasprojekt verbrennen. Bisher habe man bereits 20 Millionen Euro gezahlt, das reiche, noch dazu wo die Betreiberfirma nicht angemessen geführt werde (federführend ist die OMV).

Selbst Österreichs Wirtschaftminister Mitterlehner scheint den Braten bereits zu riechen: „Ich glaube, dass es auf jeden Fall eine zeitliche Verzögerung geben wird." Und dann stelle sich die Frage, ob angesichts der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung der Türkei und des damit verbundenen Energiebedarfs noch genug Gas für die Weiterleitung nach Westen übrig sein werde.

Auch seitens Aserbeidschans steht die Ampel auf Rot. Im Moment gebe es für eine solche Leitung von Aserbaidschan nach Europa nur zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, hat der Chef der Investitionsabteilung von Socar (staatlicher Ölkonzern Aserbeidschans), Wagif Alijew, vor kurzem betont. Nötig sei aber die dreifache Menge. Nabucco sei für 31 Milliarden Kubikmeter Gas Jahresleistung geplant. Deshalb favorisiere sein Land gegenwärtig kleine Transportmöglichkeiten.

Statt Nabucco kommt TAP

Und diese kleinere Lösung heißt Trans-Adriatic-Pipeline (TAP), die von der Schweizer EGL, Norwegens Statoil und der deutschen E.ON geplant wird. Sie soll über Griechenland und Albanien nach Süditalien führen. Eine ähnliche Pipeline namens ITGI (Betreiber die griechische Depa und Edison aus Italien) wurde von den Aseris bereits ausgeschieden.

Das TAP-Projekt wird vor allem von der Schweiz äußerst heftig vorangetrieben, Schweizer Minister sind ständig auf Lobbyingtour. Die Schweiz muss nach ihrem Atomausstieg schauen, wo sie Gas für ihre künftigen Kraftwerke herbekommt. Und für Aserbeidschan ist der italienische Markt mit seinen hohen Preisen besonders attraktiv. Die Schweizer sind auch auf EU-Ebene heftig unterwegs, um eine entsprechende Genehmigung zu bekommen, die allerdings anders als jene von Nabucco ausschauen würde, nämlich an die neuen Verhältnisse am Gasmarkt angepasst.

Die TAP würde einmal die ersten Gasmengen aus dem neuen Fördergebiet aus Aserbeidschan absorbieren, weitere Mengen könnten dann von der South East Europe Pipeline (SEEP) übernommen werden, die Richtung Bulgarien gehen soll. Diese Pipeline steht unter der Federführung von BP und dieser Konzern ist auch einer der Betreiber des neuen Gasfeldes Shah Deniz 2, das bis 2017 erschlossen sein soll und woher das Gas für Europa kommen soll. Auch TAP-Partner Statoil ist vor Ort tätig.

Somit ist kein Platz mehr für Nabucco. Dabei haben die Nabucco-Betreiber ihre Pläne sowieso schon stark gekürzt. War ursprünglich von einer Länge von fast 4000 km die Rede, so will man sich nun nur mehr mit einer Gasleitung auf europäischem Boden bescheiden. Nicht ganz freiwillig. Aseris und Türken haben nämlich bereits bekannt gegeben, die Gasleitung auf ihrem Hoheitsgebiet selbst bauen zu wollen.

Die weit über 100 Millionen Euro bisheriger Projektkosten für Nabucco könnten vorerst einmal als Stranded investement abgebucht werden. Aber vielleicht kann die OMV doch noch einmal auf die Pläne zurückgreifen, wenn nämlich ihr neu entdecktes Gasvorkommen im Schwarzen Meer erhoffte neun Milliarden Kubikmeter Gas liefern sollte, wofür man dann eine Pipeline zum Abtransport benötigen würde.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Die armen ausgepowerten AUA-Piloten

15. Mai 2012 01:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

AUA-Piloten melden sich seit einigen Tagen reihenweise und immer knapp vor Abflug ihrer Maschinen krank. Viele Flüge sind ausgefallen. Zahlreiche sitzengebliebene Passagiere schwören sich „Nie wieder AUA“. Und das Defizit der maroden Linie steigt weiter. In unerträglicher Verbiegung der Wahrheit schwätzt der Piloten-Betriebsrat freilich davon, dass das Alles keine Arbeitsverweigerung sei; die Piloten fühlen sich vielmehr nicht fit zu fliegen, weil sie in den letzten Tagen ob ihrer hohen Bezüge so hart kritisiert worden sind.

Wie mir die Armen leidtun! Um ihr ganzes Elend ermessen zu können, vergleiche man sie einmal mit einem Abgeordneten: Dieser arbeitet stundenmäßig mindestens dreimal so viel wie ein Pilot, verdient aber kaum mehr als die Hälfte. Und kritisiert, attackiert, beschimpft wird jeder Politiker hundert Mal mehr als ein Pilot. Dennoch habe ich noch nie von einem Abgeordneten gehört, der sich nicht fit genug zum Dienstantritt gefühlt hat, weil er sich ob harter Kritik so gekränkt hat.

Irgendwann muss man eben auch Politikern ein wenig Ehre zugute kommen lassen, werden sie doch ohnedies ständig von allen Stammtisch-Experten geprügelt. Die Reverenz für die Politik fällt nicht allzu schwer, wenn man sie mit solchen Sauereien vergleicht.

Jetzt kann man nur hoffen, dass es der AUA-Führung wenigstens gelingt, einige Piloten ob der Arbeitsverweigerung fristlos zu entlassen. Das würde den widerlichen Gewerkschafts-Betriebsrats-Sumpf endlich ein wenig trockenlegen – mit Beispielswirkung in andere Betriebe hinein. Freilich ist die Hoffnung klein: Die Gewerkschaften haben mit Hilfe willfähriger Arbeitsrechts-Richter einen so weitgehenden Rechtsschutz aufgebaut, dass Arbeitgeber eigentlich nur noch ein Recht haben: zu zahlen.

Apropos zahlen: Fast hätte ich noch ein Privileg der Piloten vergessen: Sie haben auch Anspruch auf 39 Monatsgehälter Abfertigung.

Kein Zweifel: Die Herren (und auch einige Damen) in den feschen Uniformen haben zumindest ein Ziel erreicht – die Wahrscheinlichkeit eines AUA-Konkurses ist weiter gestiegen. Und dann darf wieder einmal die Allgemeinheit für die Lohnfortzahlung an die Piloten herhalten . . .

 

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Fußnote 297: Semperit – Continental: Wenn dein starker Arm es will, stehen alle Reifen still

14. Mai 2012 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vor etlichen Jahren hat es zu gewaltigen Erregungen geführt: Die Firma Continental hat die Reifenfabrik Semperit gekauft und dann sukzessive zugesperrt.

Nun, Jahre später, fällt einem eine Meldung über Continental in die Hände: Der deutsche Autozulieferer stellt noch heuer 5000 neue Mitarbeiter ein. Allerdings in China. Braucht es eigentlich noch ein anschaulicheres Beispiel, was in dieser Welt vor sich geht? In immer mehr Branchen wird die Produktion in Europa zu teuer. Die von Gewerkschaften und Betriebsräten – etwa auch im Fall Semperit besonders erfolgreich – hochgetriebenen Löhne sind nicht mehr konkurrenzfähig. Ganz Ähnliches spielte und spielt sich bei der AUA ab. Denn alle Welt kauft immer die kostengünstigsten Produkte. Nicht einmal die Österreicher selbst kaufen zu teure heimische Waren oder Dienstleistungen – ganz abgesehen davon, dass eine rationelle Produktion nur für den kleinen österreichischen Markt technisch völlig unmöglich wäre. Daher hilft auch das von Gewerkschaftern, Sozialisten und Freiheitlichen immer wieder empfohlene Konzept nichts, jede Fabrik notfalls mit Gewalt – also ständigen Defiziten – am Leben zu halten. Das hätte als einziges Ergebnis ein ständiges steiles Anwachsen der Defizite. Worauf jene Unternehmen und Arbeitsplätze, die – noch – konkurrenzfähig sind, immer mehr mit Steuern belastet werden. Bis sie auch konkursreif sind.

 

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Welche Unternehmen verloren am meisten durch Fehlspekulationen?

12. Mai 2012 17:35 | Autor: Andreas Unterberger

Verluste durch Fehlspekulationen ausgewählter Unternehmen in Milliarden Euro

 

Jahr Staat Unternehmen Verlust Branche
1988-2000 Ö BAWAG 1,2 Bank
1993 D Metallges. AG 1,5 Metall
1994 UK Kidder Peabody 0,1 Bank
1995 UK Barings Bank 1,4 Bank
1996 Jap Sumitomo 2,6 Handel
2000 Ö RBB Wolfsberg 0,02 Bank
2002 Irl Allied Irish Bank 0,74 Bank
2004 Ö Hypo Alpe Adria 0,33 Bank
2007 USA Sallie Mae 2,5 Bank
2007-08 Fra Societe Generale 4,9 Bank
2007 D LB Sachsen 0,5 Bank
2007 D WestLB 0,1 Bank
2008 Ö Kommunalkredit 2,0 Bank
2008 Fra Caisse d´Epargne 0,75 Bank
2008 Chn Citic Pacific 2,0 Mischkonzern
2008 USA Lehman Brothers 11,0 Bank
2008 D Merckle 1,0 Pharma
2008 Ch UBS 1,8 Bank
2000 USA MF Global 0,9 Bank
2012 USA JP Morgan Chase 1,5 Bank

Quelle: Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche WIIW

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Warum Rückkehr zur eigenen Währung? – Einige grundsätzliche Erwägungen

10. Mai 2012 23:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

„Währungspolitik bedeutet mehr als Gestalten, Beeinflussen und Regeln eines Sondergebietes marktwirtschaftlicher Technik. Im Geldwesen eines Volkes spiegelt sich alles, was dieses Volk will, tut, erleidet, ist.“ Im Zustand einer Währung „spiegelt sich das gesamte soziale und politische Leben … Aufschwung und Verfall, Revolutionen, außenpolitische Erfolge und Misserfolge, innerpolitische Konstellationen, Kraft und Schwäche von Regierungen… die geographische und politische Lage eines Volks; die objektiven und subjektiven Möglichkeiten seiner Wirtschaft, seine Einstellung zu wirtschaftlichen Dingen und zur Zukunft; seine Moral und Energie; alles das was die Worte `Volksgeist´ und `Volkscharakter´ decken. Nichts sagt so deutlich aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut”.

Diese goldenen Worte von Joseph Schumpeter, einem der größten Nationalökonomen, die unser Volk hervorgebracht hat, sollte sich jeder, der über Währung, Kredit und Bankensystem nachdenkt und schreibt oder als verantwortlicher Politiker an der Gestaltung mitwirkt, in sein Tagebuch eintragen. Die Kultur eines Volkes und seine Währung gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden!

Das hängt schon mit der Natur des Geldes und des Kredits zusammen. Seiner Natur nach ist Geld ein Produkt der Rechtsordnung des Staates. Der Staat erlässt als Gesetzgeber die Geld- und Kreditverfassung und bestimmt durch diese, was auf seinem Territorium als Geld „gilt”  und wer zur Geld- und Kreditschöpfung berechtigt ist. Die Währungshoheit gehört zu den unveräußerlichen und unaufgebbaren Rechten des Staates. Es stellt eine der Absurditäten unserer Zeit dar, wenn der  Staat diese „Majestätsrechte” nicht selbst ausübt, sondern diese Ausübung einer „privaten” oder „unabhängigen”, nichtstaatlichen Organisation überträgt, auf die er keinen Einfluss hat und die ihm nicht verantwortlich ist.

Die so genannte „Unabhängigkeit der Notenbank” ist und war stets nur eine relative. Fehlt der politisch-staatliche Wille zu sachgerechter Geld- und Kreditpolitik, ist eine auch noch so „unabhängige” Zentralbank machtlos. Die deutsche Bundesbank wehrte sich vergeblich gegen die Aufgabe der Mark. Und die Machtlosigkeit zeigt  sich  auch jetzt wieder bei der US-Notenbank FED oder der EZB,  die beide jedes von den politischen Entscheidungsträgern verordnete „Bail-out”, „Ankurbelungsprogramm” oder „Konjunkturpaket” absegnen und finanzieren müssen. Manchmal allerdings drängen sie sich der Politik als „Problemlöser“ oder „Retter“ geradezu auf, wie Jean-Claude Trichet bei der Griechenlandpleite im Frühjahr 2010.

Für die logisch unwiderlegbare und daher auch unwidersprochen gebliebene „Staatliche Theorie des Geldes” (G. F. Knapp, 1905) ist Geld im engeren Sinne das staatlich anerkannte Zahlungsmittel (Münzen, Banknoten). Die staatliche Anerkennung besteht in der Selbstverpflichtung des Staates, Zahlungen in Form der von ihm bestimmten „Währungseinheiten” mit schuldbefreiender Wirkung der Steuerverpflichtungen entgegenzunehmen. Dank der staatlichen Anerkennung wird dieses „Geld“ auch unter den Bürgern zum „Zirkulationsmittel“. Im allgemeinen sind es heute die vom Staat eingesetzten oder anerkannten Notenbanken, die entsprechend den Ermächtigungen und unter der Aufsicht des Staates Münzen und Bankennoten ausgeben und so Geld „schöpfen”.

Schöpfung und Wert des Geldes

Alles Geld – sowohl im engeren wie im weiteren Sinne – entsteht, oder wird „geschöpft” durch Kredit. Kredit bedeutet, wie der Name schon sagt, „Vertrauen”. Dank der von ihm geschaffenen und erhaltenen Rechtsordnung „ist der Staat das Geld”. Verfällt die Rechtsordnung und büßt der Staat das Vertrauen in ihren Erhalt ein, verliert Geld seinen Wert. Bricht gar die staatliche Ordnung zusammen, wird Geld als Zahlungsmittel von den Bürgern nicht mehr angenommen. Nach dem Zusammenbruch im Zweiten Weltkrieg galt in Deutschland und Österreich die „Zigarettenwährung”, der Tauschhandel feierte wenig fröhliche `Urständ´.

Es ist wichtig zu begreifen, dass an sich jede Störung der Ordnung und des sozialen Friedens durch Streiks, Ausstände. Aufstände, Aufruhr, Gewaltausbrüche, Straßenterror, Brandschatzungen, Korruption, Bankenskandale, Großbetrügereien usw. das Vertrauen in den Staat und seine Währung schädigen und zur Flucht in Sachwerte oder ausländische Währungen veranlassen, wodurch wiederum die Inflation angeheizt wird, der Außenwert der Währung („Devisenkurs”) fällt und notwendige Importe sich verteuern.

Die Stärke der deutschen Mark, des holländischen Guldens, des Schweizer Frankens oder des Schillings gegenüber den mediterranen Währungen (Italien, Portugal, Spanien, Griechenland) beruhte zu einem erheblichen Teil auf der Durchsetzung einer Ordnung des Friedens, der Politik des sozialen Ausgleichs, der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit und des Vorrangs der Sachautorität vor Parteiengezänk. In einer Währungsunion führen diskrepante Ordnungsauffassungen zu Wohlstandsverlusten und zu Spannungen zwischen den Staaten, die, wenn sie groß genug werden, die Währungsunion sprengen.

In den diskrepanten Ordnungsauffassungen sowie dem Souveränitätsverlust ist wohl auch der Grund zu finden, weshalb Großbritannien, Dänemark und Schweden, obwohl „reife” EU-Länder, von vorneherein der Währungsunion fernblieben und auf die Einführung des EURO trotz der mannigfach angepriesenen „Vorteile” verzichteten. Österreich hat das leider nicht getan, es wurde in die Währungsunion mit leeren Versprechung von Schüssel & Co. hineingetrickst, obwohl vor dem EU-Beitritt von Außenminister Mock die Beibehaltung des Schillings hoch und heilig versprochen wurde.

Geld ist nicht nur Wertaufbewahrungs-, Tausch-, Zahlungs- und Zirkulationsmittel, sondern ganz wesentlich auch „allgemeiner Wertmaßstab”, durch den alle Güter und Dienstleistungen „bepreist” und dadurch miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dieser Geldmaßstab wird selbst auf Personen und Personengruppen angewendet, deren Arbeitsleistungen oder Verrichtungen in Form von Löhnen, Gehältern, Honoraren, Vergütungen oder Prämien bewertet und bezahlt werden.

Der Staat ist für das Geld verantwortlich

Durch diese Einbeziehung von Personen und Personengruppen in die allgemeine monetäre Bewertung bekommt Geld gesellschaftlichen oder „sozialen” Charakter. Es wird zur verbindenden, oder, wie das einst Adam Müller befand, zur „geselligsten Sache”. Es ermöglicht nicht nur den ”Tausch von Ware gegen Geld”, ist also nicht nur „Tauschmittel”, sondern es erleichtert auf vielfältige Weise die  „Kommunikation” (N. Luhmann und J. Habermas) der Mitglieder der Gesellschaft untereinander im „Subsystem” Wirtschaft.

Gerade wegen dieses Beitrags zur Kommunikation ist es Aufgabe und Verantwortung des Staates, für die Stabilität, gleichbleibende Geltung oder „Währung” dieses Wertmaßstabes und damit für die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes zu sorgen. Wird der Staat dieser Verantwortung nicht gerecht oder schiebt er sie auf  nichtstaatliche Einrichtungen ab, eben die EU-Kommission, EZB, IWF, Troikas oder die EUROFIN-Gruppe, so drückt sich darin politisches Versagen aus. Er verliert den Einfluss auf seine Währung und seine Kreditpolitik.

Um den beträchtlichen Umfang dieser Verantwortung für die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes zu begreifen, ist es notwendig, sich vor Augen zu halten, dass Geld  heute in Form von Münzen und Noten für den Zahlungsverkehr nur noch eine geringe Bedeutung spielt. In modernen Volkswirtschaften erfolgen 80-95 Prozent der Zahlungen „bargeldlos”, d. h. sie geschehen durch Einbuchung von Überweisungen von Konten zu Konten, von Bank zu Bank.

Das ist ausschlaggebend für die „Kreditschöpfung“. Das Wesen der Kreditschöpfung ist leichter durch die Vorstellung zu verstehen, innerhalb der Volkswirtschaft gäbe es nur eine einzige Bank und alle Zahlungen erfolgten bargeldlos. Alles Geld wäre dann Buch- oder „Giralgeld”. Durch den Zwischenbank- oder „Clearingverkehr” kommt die Praxis dieser Vorstellung sehr nahe.

In einem solchen Wirtschaftssystem ist es ausschließlich das Banken- oder Kreditsystem, welches Kredit „schöpft”, und zwar durch Einräumung von Ziehungsrechten oder Kreditlinien, die von den Schuldnern (d. s. die Banken untereinander, die einzelnen Bürger, Unternehmer, Kommunen, der Staat) für Zahlungen an ihre Arbeitskräfte und Lieferanten in Anspruch genommen werden. Durch jeden in Anspruch genommenen Kredit wird das zirkulierende Geld- oder Kreditvolumen ausgeweitet. Es gilt sich von der naiven Vorstellung zu befreien, die Banken wären bloß  „Vermittler”, die im Umfang der Spareinlagen Kredite zur Verfügung stellen. Die eigentliche Aufgabe der Banken ist die Geld- und Kreditschöpfung, sie sind in wesentlichem Umfange Schöpfer des zu Unrecht denunzierten  „Fiat money”. Spareinlagen sind Folge der Kreditschöpfung, nicht Ursache des Kredits.

Diese Einsicht ist ganz wesentlich für die Bestimmung der Grenzen der Kreditschöpfung. Entspricht die Ausweitung des Kreditvolumens dem nachhaltigen Wachstum der Volkswirtschaft, so ist gegen die Kreditschöpfung durch die Banken nichts einzuwenden, sie ist, ganz im Gegenteil, positiv zu beurteilen. Geschieht die Kreditschöpfung im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum, dann wird der ausgeweitete Kredit durch die Kreditnehmer zwar verzinst oder „bedient”, aber als volkswirtschaftliches Aggregat nie zurückgeführt.

Solange Unternehmungen und auch Staaten gedeihen, werden Kredite nicht zurückgezahlt, sondern ausgeweitet. Das zeigt die Kreditstatistik praktisch aller modernen Staaten. Verminderung des Kreditvolumens ist regelmäßig Folge nachlassender Dynamik und Leistungskraft (Produktivität), von Fehlleitungen des Kreditstroms oder von unverantwortlichen Spekulationen, durch welche die Aktiva der Banken und damit Kreditgeld vernichtet wird. Geschieht die (Kredit-) Geldvernichtung in hohem Ausmaß oder nimmt sie gar die Form eines „Tsunami” an, kommt es zu Krisen und Zerrüttungen des Wirtschaftssystems, wie wir es in den letzten Jahren immer wieder erlebt haben.

Um Krisen und Zerrüttungen zu vermeiden, ist es von höchster Wichtigkeit, dass sich der Staat die Kontrolle über Volumina und Zwecke der Kreditschöpfung vorbehält und diese Kontrolle auch ausübt. Die Kontrolle kann erfolgen durch strikte Regulierung oder Verstaatlichung des Bankwesens, Beteiligung des Staates an Privatbanken oder durch  Einsetzung von Aufsichtsorganen, welche die Krediterteilung überwachen. Das hat mit „Bankenenteignung“ nichts zu tun.

Der derzeitige Zustand, in welchem der Staat die Kreditinstitute nach Willkür schalten und walten lässt und für ihre „faulen” Forderungen („bad debts”) oder fehlgeschlagenen Spekulationen und Derivatgeschäfte eintritt oder haftet, ist gegenüber der Gemeinschaft der Staatsbürger  und Steuerzahler unvertretbar. Der Staat hat vorbeugend und nicht erst nachträglich alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und Regelungen zu erlassen, die Bankpleiten verhindern. Nichts ist fataler für das Gedeihen der Wirtschaft als das Versiegen der Kreditströme wegen des Vertrauensverlustes der Banken ineinander und der Einleger in die Zahlungsfähigkeit der Banken.

Ist das Vertrauen erst einmal erschüttert, kann die Wieder-Ingangsetzung der Kreditströme für den Staat äußerst kostspielig werden. „Konjunkturpakete”, Vorziehen von Infrastrukturinvestitionen u. ä. m. sind mit Sicherheit die falsche Medizin, um systemische Fehler im Kreditwesen zu kurieren. Sie untergraben nur die Stabilität einer Währung und „verbrennen”,  wie der ehemalige deutsche Finanzminister Steinbrück es ausdrückte, die Mittel des staatlichen Haushalts. Noch unverantwortlicher ist es, konsumptive Staatsausgaben durch Kredite zu finanzieren. Es ist der sicherste Weg in die Pleite, wie das Beispiel Griechenland exemplarisch zeigt.

Wir brauchen Kapital-Protektionismus

Im Dienste der Wirtschaft des Landes sind Kredite durch die Banken ausschließlich an inländische Kreditnehmer zu vergeben und nur in Ausnahmefällen an das Ausland. Besondere Ausnahmefälle sind Länder wie die Schweiz oder Luxemburg, die als „Horte des Vertrauens“ den riesigen Devisenzufluss mangels Investitionsgelegenheiten nicht im Inland anlegen können. Für alle anderen Staaten aber gilt: Exportkredite, für die der Staat zuletzt (etwa im Wege der Kontrollbank oder der Notenbank) haftet, sind an Bedingungen und Kriterien zu binden, welche die Tilgung und Verzinsung sicherstellen. Exporte nur um der Beschäftigung willen, sind sinnlos, die Zeiten der „schenkenden Wirtschaft” (Bernhard Laum) sind vorbei. Immer ist zu bedenken: Jede Kreditgewährung an das Ausland bedeutet Absaugung der Leistungskraft der eigenen Volkswirtschaft.

Gemeinwohlschädigend ist ebenso der Verzicht des Staates auf die Kreditschöpfung bei der Finanzierung seines eigenen Haushalts. Wenn der Staat durch diesen Verzicht sich selbst zur Auflegung von  hochverzinslichen Anleihen womöglich noch im Ausland zwingt, die von den  Privatbanken gekauft werden, die sich zu niedrigen Zinsen, den sogenannten „Leitzinsen”, bei der Notenbank (oder der EZB) refinanzieren können, dann verschafft der Staat den Privatbanken einen Profit, der ihnen nicht zukommt, denn die Kreditschöpfung geschieht ja auch in diesem Falle durch den Staat bzw. seine Notenbank.

Der Staat ist „der Herr des Geldes” und des Kredits: „C´est au souverain à donner le crédit, et non à le recevoir!“ Nicht der Staat hat sich von den Finanzmärkten vorführen zu lassen oder sich den Banken zu „unterstellen“, sondern die Banken haben dem Staat zu parieren. Nicht der Staat ist den Banken zinspflichtig, sondern die Banken dem Staat. Als John F. Kennedy  mit diesen Prinzipien, die das FED-System gesprengt hätten, ernst machen wollte, wurde er ermordet. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit der Prinzipien.

Der Staat allein ist verantwortlich für seine Währung. Er muss die Geld- und Kreditpolitik  wieder in die Hand bekommen, denn sie ist das wichtigste Instrument seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik. Auf die eigene Währung und Kreditpolitik zu verzichten, ist ein Politverbrechen der Sonderklasse. In Deutschland ist dieses Verbrechen an Außenminister Genscher und Bundeskanzler Kohl festzumachen, in Österreich an Wolfgang Schüssel, Ferrero-Waldner und den politisch willfährigen, früheren Notenbankpräsidenten Klaus Liebscher.

In Österreich wurde der EURO 1999 eingeführt, obwohl Außenminister Mock und die gesamte Regierung noch wenige Tage vor der im Jahr 1994 erfolgten EU-Beitrittsabstimmung den Wählern versicherten: „Der Schilling bleibt!”. Heute weiß jeder Österreicher, dass er mit hunderten von Täuschungen und gebrochenen Versprechungen von der Regierung und den Massenmedien in die EU und den EURO  „hineingelogen” und hineingelegt wurde. Das hat das Vertrauen in den Staat zutiefst erschüttert und dem politisches System der Parteiendemokratie schwersten Schaden zugefügt. Heute haben laut Standard 82 Prozent kein Vertrauen mehr zu den Politikern. In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts folgte dem politischen Vertrauensverlust und Bankencrash der politische Umsturz.

Der Euro ist zum Scheitern verurteilt

Hinter dem EURO steht kein starker Staat, auch keine politische Union, die es nach Ansicht des früheren Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, schon mit  Rücksicht auf das „Demokratieprinzip”, nie geben wird (FAZ v. 6. Dez. 2008, S. 11.). Eine Währungsunion ohne politische Union aber ist zum Scheitern verurteilt. Das hat der Nobelpreisträger Milton Friedman uns noch kurz vor seinem Tode (2006) eingeschärft. Vor einiger Zeit wurde in der PRESSE (vom 6. Dez. 2008, S. 4) durch den Harvard-Ökonomen Martin Feldstein, er war Wirtschaftsberater von Präsident Reagan und ist heute Präsident des National Bureau of Economic Research, allen Ernstes die  Frage gestellt: „Wird der Euro  die Krise überleben?”

Er führt gute Gründe für das erwartete Scheitern an, Gründe, die der frühere Präsident der Hessischen Landesbank, der Nationalökonom Prof. W. Hankel, in einem Vortrag in Wien (9. Okt.  2008) auf den Punkt gebracht hat: „Staat und Währung gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden”. Die Währungsunion, so Hankel („Die EURO-Lüge“, 2008), hat dazu geführt, dass der frühere Hartwährungsblock (Deutschland, Österreich, Benelux) heute die übrigen EU-Staaten mit Leistungsbilanzüberschüssen von 250 Mrd. EURO jährlich „subventioniert”, indem er ihnen die sonst notwendigen Abwertungen ihrer eigenen Währung erspart.

Diese horrende „Stütze“ scheint in keinem EU-Haushalt auf. „Versailles, ohne Krieg”, nannte  „Le Figaro“ diese Tribute. Stagnation in Wachstum und Reallohnentwicklung in Deutschland (und Österreich) sind auf diese Tribute zurückzuführen. Sie schwächen nicht nur den ehemaligen Hartwährungsblock, die „Lokomotiven”, sondern ganz Europa. Wenn die Lokomotiven nicht mehr ziehen, bleibt der Zug stehen.

Die Schwächung hat mit der Währungsunion begonnen, jetzt greift sie auf den EURO über. Sein Wert schmilzt wie Butter in der Sonne. Seit Einführung des EURO im Jahr 1999  hat sich der Goldpreis – der einzig verlässliche Maßstab bei Schwachwährungen –verdreieinhalbfacht. Das entspricht einer Inflationsrate von rund 10 Prozent p. a. Das wiederum stimmt mit den  Erfahrungen einer täglich einkaufenden Hausfrau, für welche die manipulierten Indizes ja keine Bedeutung haben, gut überein. Sie muss, wie jeder vernünftige Mensch, zu dem Schluss kommen: „Die EZB ist unfähig, die Inflation wirksam zu bekämpfen”.

Tatsache ist, dass die EZB das Kreditvolumen fünfmal schneller wachsen lässt als das Bruttosozialprodukt zunimmt. Der „Stabilitäts- und Wachstumspakt” war, wie von hunderten Nationalökonomen vorausgesagt, das Papier nicht wert, auf das er geschrieben wurde. Schon bei der Gründung der Währungsunion wurden die Stabilitätskriterien nicht eingehalten und auch später immer wieder gebrochen. Als dann auch noch Schwachwährungsländer wie Griechenland der Währungsunion beitraten, war ihr Zusammenbruch nicht mehr aufzuhalten. Heute sind wir mit ihm konfrontiert und werden das Bleigewicht nicht los, das uns umgehängt wurde.

Gerade deshalb ist es höchste Zeit, sich wieder auf die aus der Natur des Geldes und des Kredits abgeleiteten Grundsätze zu besinnen. Sie erfordern eine Reformierung der gegenwärtigen Geld- und Kreditverfassung. und damit die Wiedereinführung der eigenen Währung.. Wir sollten aus der Erfahrung des Finanzdesasters, in das wir durch die Europäische Währungsunion und Globalisierung des Finanzmarkts hineingezogen wurden, gelernt haben und schleunigst die Wiedereinführung der eigenen Währung zusammen mit der Stärkung der Banken- und Finanzmarktaufsicht vorantreiben.

Fehlende oder ungenügende Bankenaufsicht kann – und auch das wissen wir aus schmerzlicher Erfahrung – leicht die ganze Wirtschaft schwer beeinträchtigen, ja zum Ruin einzelner Staaten führen (Beispiel Island). Zur Banken- und Finanzaufsicht ist der Staat allein schon durch die notwendige Kontrolle der Kreditschöpfung gezwungen. Die Währungsumstellung wird nicht mehr Probleme verursachen, als sie bei Einführung des EURO auftraten und gelöst wurden.

Auch die Stärkung der heute schon vorhandenen Kontrolle des Kapital- und Zahlungsverkehrs mit dem Auslande dürfte kaum auf Schwierigkeiten stoßen. Sie jedenfalls ist wichtig, um den Ausverkauf Österreichs durch „Heuschrecken”  aufzuhalten und Veranlagungen im Ausland zu verhindern, die nicht dem Gemeinwohl  Österreichs dienen und womöglich noch dazu beitragen, dass Arbeitsplätze „verlagert” werden oder immense Haftungen durch den Staat für die Banken übernommen werden müssen, die, wenn sie schlagend werden, zum Bankrott führen. Großbanken jedenfalls sind zu wichtig für die Gesellschaft und den Staat als dass sie sich selbst überlassen bleiben könnten.

Zusammenfassung

Hier  eine Zusammenfassung der Thesen für eilige oder auch geduldige Leser:

Der Autor kann nur hoffen, dass unsere Politiker, Bankiers und Notenbankchefs nicht erst durch OWS (Occupy Wall Street), Attac oder gar durch die „Linken“ des Herrn Gysi auf die Sprünge geholfen wird. Rechte Finanz- und Währungs- und Kredittheorie hat schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Ergebnissen geführt, die einfach unwiderlegbar sind und  von der Politik nicht ungestraft ignoriert werden dürfen.

Vor dem Maastricht-EURO haben rund 700 Nationalökonomen gewarnt. Für sie ist die jetzige Misere keine Überraschung. Den Scherbenhaufen aber haben die Politiker zu verantworten, die den EURO aus der Taufe gehoben haben oder jetzt sein Scheitern nicht zur Kenntnis nehmen wollen, und dabei immer größere Teile des Volksvermögens versenken.

Der Autor  ist Dozent für Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik.

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Ach, wie sind wir reich

10. Mai 2012 00:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich ist ein reiches Land; auf dieser Grundlage müsse nun eine Verteilungsdiskussion geführt werden. So dröhnte am 1. Mai der Wiener Bürgermeister. Und er forderte mehr Geld für Gesundheit und Bildung, für Forschung und Beschäftigungspolitik. Solche Töne werden nicht nur von Häupl, sondern auch von vielen anderen Politikern schon wieder gerne verbreitet.

Aber wie verhält sich dieser selbsterklärte Reichtum dazu, dass die Regierung gerade das größte Sparpaket aller Zeiten verkünden musste? Wird Österreich nicht selbst nach diesem Sparplan erst 2016 keine neuen Schulden machen (und das nur unter der optimistischen Annahme, dass es keine neue Rezession gibt)? Haben nicht fast alle Experten gesagt, dass das Sparpaket eher noch zu gering dimensioniert ist? Mussten nicht die Bundesländer gerade mit der Regierung einen weiteren Stabilitätspakt abschließen? Stößt nicht sogar Deutschland immer öfter bei der Refinanzierung an Grenzen, obwohl die EZB eine Billion Euro neu gedruckt hat?

Wie müssen sich die Bürger da eigentlich fühlen, wenn sie solche Politikersprüche hören? Verwirrung ist noch die harmloseste Reaktion. Viel dramatischer ist ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust der gesamten politischen Klasse. Man schaue sich nur die dramatischen Zugewinne der radikalen Parteien des totalen Neinsagens in Europa an (wobei es fast egal ist, ob sie als links- oder rechtsradikal eingestuft werden).

Jeder Werbestratege, jeder PR-Experte weiß: Sämtliche Botschaften eines Unternehmens sollten klar wie konsistent sein – und mit den Fakten harmonieren. Verwaschene Widersprüchlichkeit ist die schlechteste Kommunikationsstrategie.

Wenn die Politik aber ständig die Fakten wegignoriert, dann ist es logisch, dass ihr die Bürger nicht mehr glauben. Wie kann man Österreich als reiches Land bezeichnen, wenn seine wahre Staatsverschuldung nach Berechnungen von IHS wie EU in Wahrheit schon bei 300 Prozent des BIP liegt? Die wahre Staatsverschuldung umfasst ja nicht nur die direkten Kredite eines Staates (mit denen die offiziellen Staatsverschuldung  von 73 Prozent berechnet wird). Sie berechnet zu Recht auch all die Schulden mit ein, die in ausgegliederten Gesellschaften versteckt sind; ebenso die Haftungen des Staates (Allein das Land Kärnten war für die Hypo Alpen Adria Haftungen in der zehnfachen Höhe seines Jahresbudgets eingegangen!); und sie bezieht vor allem auch die Rechtsansprüche auf künftige Pensions- und Gesundheitsleistungen ein, für die der Staat längst Beiträge kassiert und verbucht hat – jedoch ohne dafür wie ein ordentlicher Kaufmann Rückstellungen zu bilden.

Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von scheinbar reichen Männern in Luxusvillen und tollen Autos, die am nächsten Tag Konkurs anmelden mussten. Ob sich die am Tag davor wirklich noch guten Gewissens als „reich“ bezeichnen konnten? Unsere Politik hofft offenbar, dass der Weg zum Konkursrichter ohnedies erst übermorgen stattfindet.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 294: Frankreich, die Schweiz und ein Exodus

09. Mai 2012 01:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die einen feiern noch, die anderen gehen schon.

Wenn es auch schon der linke Schweizer „Tagesanzeiger“ meldet, dann wird es wohl keine Erfindung böser Neoliberaler sein. Er schreibt nämlich: Der Exodus aus Frankreich hat begonnen. Auffallend viele Franzosen ziehen bereits Richtung Schweiz, seit sich der von einem Teil der Franzosen begeistert gefeierte Erfolg der Sozialisten abgezeichnet hat. Genau jene ziehen weg, die Frankreich am dringendsten bräuchte. Es sind die Jungen, Dynamischen, die sich nun im Ausland mit Leistung eine Zukunft aufbauen wollen. Und es sind die Reichen, die nicht von den sozialistischen Steuern aufgefressen werden wollen. Sie warten gar nicht mehr, bis die Pläne von Monsieur Hollande auch im Gesetzbuch stehen. Sie übersiedeln jetzt schon in die Schweiz oder nach Deutschland, Schweden, Australien oder in die USA. Besonders erfolgreich ist die Schweiz mit der Pauschalbesteuerung. Sie füllt damit ihre Kassen, während die wohlhabenden Neoschweizer nur einen – ausverhandelten – Fixbetrag zahlen, der weit unter dem liegt, was sie bisher zahlen mussten. Und noch viel weiter unter dem, was nun in Frankreich droht. Genauso hat übrigens Österreich einst mit dem Stiftungsrecht viel Geld ins Land geholt. Worüber sich dann genauso wie jetzt in der Schweiz jene Dummköpfe aufgeregt haben, die lieber kein Geld haben, als mit einem Reichen einen Deal einzugehen.

 

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Die Milchmädchenökonomen und das Wachstum

09. Mai 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Wir wollen Wachstum, statt uns zu Tode sparen.“ Dieser Slogan hallt quer durch Europa, er bestimmt zunehmend die Politik und noch mehr die Wahlergebnisse. Der Satz klingt sympathisch, angenehm und richtig. Wer will schon sterben? Und wer sollte etwas gegen Wachstum haben, mit dessen Erträgnissen man die Schulden zurückzahlen kann? Nur die Grünen und Gruppen wie Attac habe lange gegen einen „Wachstumsfetischismus“ polemisiert – aber auch sie sind heute bis auf ein paar Veteranen des Clubs of Rome voll fürs Wachstum (schon deshalb, weil die Grünen ja nur noch eine Vorfeldorganisation der Sozialisten sind). Wachstum ist in der Tat dringend notwendig und richtig. Aber dennoch beinhaltet dieser Slogan einen fundamentalen Denkfehler – wenn nicht gleich mehrere.

Der entscheidende Unterschied zwischen der ökonomischen Rationalität und dem sich hinter der Fahne „Wachstum!“ sammelnden Milchmädchen-Populismus lautet ganz anders als der eingangs erwähnte Slogan. Rund ums Wachstum geht es in Wahrheit einzig um die Frage: Wachstum durch neue Schulden oder Wachstum durch größere Wettbewerbsfähigkeit?

Wenn man es noch brutaler auf den Punkt bringen will: Wachstum wie die letzten eineinhalb Jahrzehnte in Griechenland und Spanien oder Wachstum wie schon zweieinhalb Jahrzehnte lang in China und etlichen anderen asiatischen Ländern? Überall wurde gewachsen. Aber die Griechen und Spanier sind auf Schulden gewachsen (staatliche oder private), während die Asiaten gleichzeitig mit dem Wachstum den größten Devisen-Schatz der Menschheitsgeschichte angesammelt haben.

Wachstum nach griechischer Art

Der quer durch Europa klingende Ruf „Wieder Wachstum!“ meint aber leider eindeutig eine Prolongation des griechisch-spanischen Modells und seine Ausdehnung auf andere Länder. Was war das griechische Modell? Man hat die Löhne steil erhöht – seit Euro-Einführung um 30 Prozent mehr als in Deutschland; man hat das über rasch steigende Schulden finanziert (die man zum Teil verheimlicht hat); die Bürger haben im nationalen Konsens den Staat ausgeplündert; und Beamte wie Politiker haben im jeweiligen Eigeninteresse letztlich begeistert mitgemacht. Diese Politik des Konsum-Wachstums über Verschuldung war dank des Euro sehr lange auf billigem Wege möglich. Genau diese Niedrigzinsen haben ja auch die Spanier verführt. Sie haben quer durchs Land mit Hilfe günstiger Hypotheken in Immobilien investiert. Sie haben alle schönen Plätze ihre Landes zubetoniert, bis diese nicht mehr schön und nichts mehr wert waren.

Politiker haben die Entwicklung in diesen Ländern als Triumph des neokeynesianischen Deficit spending gelobt und vielerorts nachgemacht. Das ging so lange, bis die Geldgeber schockartig und zu spät draufgekommen sind, dass sie nur noch rasch schwindende Chancen haben, ihr Geld auch zurückzubekommen.

Jetzt stehen diese Länder vor dem doppelten Problem: Sie müssen eine gewaltige Schuldenlast zurückzahlen und zugleich die verlorene Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen. Denn parallel zum Wachstum des auf Schulden erkauften Wohlstands ist die Wettbewerbsfähigkeit jener Länder versulzt. Die Löhne waren zu hoch. Deshalb investierte niemand mehr in neue Arbeitsplätze. Und selbst der Tourismus litt in beiden einst sehr attraktiven Ländern, weil andere Mittelmeer-Destinationen billig blieben.

Die Hilfs-Billionen gingen in den Konsum

Es ist nun alles andere als eine triviale Aufgabe, in dieser Situation wieder für Wachstum zu sorgen. Die Milliarden, nein Billionen, mit denen die Hauptkrisenländer Europas von den – sich vergewaltigt fühlenden – Miteuropäern in den letzten zwei Jahren unterstützt worden sind, haben nur gereicht, um den unmittelbaren Kollaps zu verhindern. Sie haben aber zu keinen Investitionen geführt. Das Geld hat nur den Konsum halbwegs in Gang gehalten.

Und nichts anderes als auf Schulden finanzierte weitere Konsumausgaben bedeuten auch die ersten Maßnahmen, welche die neuen französischen Machthaber angekündigt haben. Die Schulstarthilfe wird um 25 Prozent erhöht. Die Franzosen werden wieder mit 60 Jahren in die Regelpension gehen können. Bestimmte Sparmodelle werden besser gefördert. Die von Sarkozy angekündigte Mehrwertsteuererhöhung wird rückgängig gemacht. Der Benzinpreis wird auf drei Monate eingefroren. Und so weiter.

Genau für solche populistische Verteilungsaktionen braucht die neue Hollande-Mannschaft angesichts der ohnedies total leeren Kassen viel Geld. Da Frankreich selber kaum mehr kreditfähig ist, will man sich dieses Geld mit Hilfe der Deutschen holen, indem man vorgibt, das Wachstum ankurbeln zu wollen. Und sollten sich die Deutschen wehren, hat man schon zwei Killer-Argumente bereit: Zum ersten muss sich Angela Merkel – zu Recht – vorhalten lassen, dass sie ja auch gegenüber Nicolas Sarkozy viel zu oft nachgegeben hat. Und zum zweiten glaubt man ringsum in Europa, dass man am Ende nur die Nazikeule herausholen muss, um die Deutschen wieder in die Knie zu zwingen. Denn die hat ja auch in den letzten 67 Jahren immer geholfen.

An dieser simplen Strategie ändert es auch nichts, dass diese Keule inhaltlich lächerlich ist, sind doch die letzten Nazis bestenfalls noch in Altersheimen anzutreffen oder halbdebile Fussballrowdies. Daran ändert es auch nichts, dass mit den Deutschen auch Niederländer, Finnen, Luxemburger oder Österreicher mithaften. Und daran ändert ebenso die Tatsache nichts mehr, dass mittlerweile auch die Kreditwürdigkeit von Deutschland & Co limitiert ist. Die großen chinesischen und arabischen Staatsfonds, die amerikanischen Pensionsfonds und zum Teil auch die russischen Mafia-Oligarchen ziehen ihr Geld immer stärker aus ganz Europa ab. Sie wollen es ja nicht verlieren, was in Europa zunehmend wahrscheinlich wird: sei es durch einen Staatsbankrott, sei es durch eine Euro-Inflation.

Wie aber kann dieser Kontinent doch wieder ins Wachsen kommen? Ist Europa unwiederbringlich zum Abstieg verurteilt, weil seine Politiker – siehe Hollande – Geld immer lieber zur Wählerbestechung verwenden statt zur Erhöhung der Kreditwürdigkeit des Landes?

Die Liste der wirklichen Notwendigkeiten

Nun gibt es durchaus Strategien, auch ohne neue Schulden wieder wettbewerbsfähig zu werden und zu wachsen. Das sind im Grund die asiatischen Erfolgsstrategien. Aber diese Strategien sind noch unpopulärer als der Sparkurs. Denn sie gelten als Bedrohung für viele der sozialen, ökologischen und kulturellen Errungenschaften, an die sich die Europäer so gewöhnt haben und die ihnen von den Politikern als dauerhaft verkauft worden sind. Die Strategien heißen:

Jeder Kenner der europäischen Mentalität wird zweifeln, dass eine solche Wachstumspolitik in Europa jemals mehrheitsfähig werden kann. Sie bekommt daher wohl dann erst dann eine Chance, wenn es Europa einschließlich der Deutschen (und Österreicher) noch viel schlechter geht als heute.

Viel wahrscheinlicher ist daher ein anderes Szenario: Europa wird in nächster Zeit noch viel intensiver Geld drucken als zuletzt. Was zwangsläufig eine heftige Inflation auslösen wird. Und dann kann man wohl nur noch beten, dass diese Megainflation nicht dieselben katastrophalen Folgen haben wird wie die letzte in der Zwischenkriegszeit. Denn dann heißt die Konsequenz: „Statt auf dem mühsamen Weg zu wachsen, haben wir uns zu Tode verschuldet.“ 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Die Würfel sind gefallen

08. Mai 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die beiden allseits erwarteten Ereignisse sind eingetreten: Francois Hollande, der sozialistische Herausforderer von Nicolas Sarkozy, wird in den Élysée-Palast einziehen. In Griechenland haben jene Kräfte Auftrieb erhalten, die von dem durch die EU diktierten „Sparkurs“ nichts wissen wollen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass dies nicht ohne Konsequenzen für die europäische Geld- und Fiskalpolitik bleiben kann.

Die zurückliegenden Maifeiern lieferten einen ersten Eindruck davon, in welche Richtung die Reise der EU ab jetzt gehen wird: In ganz Europa wurde bei den traditionellen Mairitualen der proletarischen Massen dieselbe Parole getrommelt: „Schluss mit der Sparpolitik.“ „Kaputtsparen“ hat die allerbesten Aussichten, zum Wort des Jahres zu avancieren.

Dazu muss man wissen, dass Rote, wenn sie vom „Kaputtsparen“ reden, damit in Wahrheit meinen, wie schädlich es sei, die Zunahme der Staatsverschuldung zu bremsen. Denn kaum ein Staat der Eurozone konnte in den zurückliegenden Jahren auch nur annähernd ausgeglichen bilanzieren. In Wahrheit kann daher keine Rede davon sein, dass tatsächlich gespart würde. Sparen bedeutet nämlich, dass die getätigten Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Das aber war und ist weit und breit nirgendwo der Fall!

Dass die Staaten sich vor dem nun notwendig gewordenen Sanierungskurs – oft genug unter sozialistischer Führung – „kaputtverschuldet“ haben, kommt den Damen und Herren Umverteilern gar nicht erst in den Sinn. Denn sparen ist böse. Kreditfinanzierter Konsum dagegen schafft den Himmel auf Erden. Die politischen Eliten (genauer: die Sozialisten in allen Parteien) haben die Keynes´sche Bibel tief verinnerlicht: Wer spart, ist ein (Volks-) Schädling. Wer (fremder Leute) Geld zum Fenster hinauswirft und konsumiert als gäbe es kein morgen, ist ein Held. Kapital wird nicht als Folge des Konsumverzichts akkumuliert, sondern durch die Notenpresse erzeugt. Durch simples Bedrucken von Papier löst man jedes Problem – am Ende werden dadurch alle reich. Was für eine wunderbare Welt!

Selbst den Genossen sollte allerdings langsam dämmern, dass Schulden nicht ungestraft in unbegrenzter Höhe aufgetürmt werden können. Griechenland ist ein wunderbares Beispiel dafür: Dort hat man zuletzt den Weg gewählt, die Gläubiger bezahlen zu lassen und diese kurzerhand enteignet. Trotzdem steht das Land noch immer mit 160 Prozent des BIP in der Kreide. Weitere Schuldenschnitte (=Gläubigerenteignungen) sind unvermeidbar. Scheint zunächst, aus der Sicht des räuberischen Fiskus betrachtet, als geniale Politik. Allerdings liegen die Aussichten darauf, dass internationale Geldgeber diesem Staat je wieder Mittel zu tragbaren Zinsen zur Verfügung stellen werden, bei Null. Investitionen, die notwendig wären, um dem abgewirtschafteten Land nachhaltig aus der Misere zu helfen, werden ausbleiben.

Die sich als Folge des Wahlergebnisses abzeichnende Unregierbarkeit der Balkanrepublik dürfte ihr somit kaum zum Vorteil gereichen. Griechenland ist für lange Zeit erledigt. Wer kann, der wird gehen – insbesondere mehrsprachige, gut ausgebildete junge Leute. Der letzte zurückbleibende Rentner darf am Ende das Licht abdrehen…

Ein ähnliches Szenario droht durchaus auch anderen Staaten des europäischen „Club Med“. Selbst in Österreich besteht keinerlei Grund, sich in Sicherheit zu wiegen, wenn die strukturellen Probleme (wie z. B. das viel zu niedrige Pensionsantrittsalter) nicht entschlossen angegangen werden – was indes keine der im Parlament vertretenen Parteien ernsthaft vorhat. Inklusive der nicht ausgewiesenen impliziten Staatsschulden steht Österreich kaum besser da als die PIIGS.

Was nun europaweit passieren wird, lässt sich ausmalen: Die Deutsche Regierung, das im Moment stärkste und letzte Bollwerk gegen eine völlig ungebremste Ausweitung der Geldmenge, wird dem wachsenden Druck von innen und außen nicht standhalten. Die europäische Geldpolitik wird in der Folge auf den Kurs der US-Notenbank FED einschwenken. Die EZB wird schon bald in die unmittelbare Staatsfinanzierung einsteigen.

Damit stehen die Zeichen auf Inflation. Denn die im Aufwind befindlichen Genossen in Deutschland, Österreich und anderswo, wollen, wie sie sagen, sowohl sparen als auch investieren – also gleichzeitig bremsen und Gas geben. „Sparen“, das gilt es zu wissen, heißt nach österreichischer Lesart nicht etwa Staatsausgaben kürzen, sondern Einnahmen erhöhen (d. h. die Staatsquote weiter steigern). „Investieren“ dagegen bedeutet, in maximal unproduktiven Sektoren Geld zu versenken – allenfalls kurzfristig wärmende Strohfeuer abzubrennen.

So bedeutet die populäre Parole „Mehr in die Bildung“ zu investieren, letztlich nichts anderes, als noch mehr Soziologen, Politologen, Publizisten, etc. auszubilden, die für den produktiven Bereich (die Privatwirtschaft) unbrauchbar sind, und die daher am Ende eine gutdotierte Anstellung in der Staatsbürokratie einfordern werden. „In die Infrastruktur zu investieren“ bedeutet, noch mehr Geld in unnötige Bahnprojekte oder in die Landschaftsverschandelung mittels Windrädern zu stecken. Wie man es auch dreht und wendet – staatliche „Investitionen“ laufen in der Mehrzahl aller Fälle auf eine lupenreine Ressourcenvergeudung hinaus.

Mittels derart dubioser Therapien sollen kränkelnde Volkswirtschaften nachhaltig kuriert werden?!

Der frisch gekürte Franzosenhäuptling Hollande hat im Wahlkampf aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. „Höhere Steuern!“ – nämlich 75 Prozent auf die Einkommen „besserverdienender“ Klassenfeinde sollen es sein. Die neue Regierung Griechenlands wiederum wird, unter dem wachsenden Druck des Staßenpöbels, die EU-Bürokratie mit noch frecheren Geldforderungen konfrontieren, die nicht ungehört verhallen werden. Und Europas Linke geben sich kollektiv der fatalen Illusion hin, ernten zu können, wo niemals zuvor gesät wurde.

Kein bekömmlicher Cocktail. Europa wird sein schrumpfendes Finanz- und Humankapital ab sofort noch rascher nach Übersee exportieren, als das jetzt schon der Fall ist. Der Alten Welt stehen also höchst „interessante Zeiten“ bevor. Wohl dem, der rechtzeitig materielle Reserven ins sichere, überseeische Ausland verbracht und einen Notfallkoffer gepackt hat…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Europa, wohin gehst Du?

07. Mai 2012 23:42 | Autor: Manfred Drennig
Rubrik: Gastkommentar

Dass politische Entscheidungen in eine Sackgasse führen, ist nichts unbedingt Neues und schon deshalb wenig Grund zur Aufregung. Diesmal muss man aber den Eindruck gewinnen, dass es sich nicht bloß um eine Sackgasse handelt, sondern, dass mit Vollgas gegen die selbst gebaute, turmhoch aus Haftungen bestehende Wand gefahren wird. George Soros hat gerade von einer kommenden „Tragödie historischen Ausmaßes“ gesprochen.

Mildere Beschreibungen sind dem Drama namens Europäischer Finanzkrise wirklich nicht mehr angemessen. Eigentlich ist alles da, was sich ein geschickter Regisseur nur wünschen könnte: Gute und Böse, Gute Vorsätze und heimliche Ängste, wenig Wahrheit und viel Schönfärberei, viel Anstrengung für falsche Ziele, ungeheure Gefahren bei gleichzeitigen heroischen Durchhalteparolen, und vor allem jede Menge Widersprüche.

Dabei ist die Handlung des Dramas eher simpel: Etliche Europäische Staaten haben so viel Schulden gemacht, dass Ihnen keiner mehr Geld borgen will. Wie so üblich, wird bei derartigen Problemen statt nach einer Lösung zunächst einmal nach Schuldigen gesucht: Favoriten dafür sind einerseits die böse Finanzindustrie (was im Falle Irlands sogar stimmt), oder andererseits der massive Ausbau des Sozialstaates (ist auch etwas zu einfach).

Die Reaktion der EU ist bekannt: Mit enormen Mitteleinsatz wurde eine vorläufige Weiterfinanzierung besonders gefährdeter Staaten erreicht. Diese mussten sich dafür verpflichten, durch konsequente Sparprogramme ihre Budgetdefizite abzubauen. Zeit hat man auf diese Weise gewonnen. Aber ist das auch eine Lösung?

Die offizielle Meinung ist, dass die betroffenen Staaten auf diese Wiese stabilisiert werden und es ihnen möglich gemacht werden sollte, irgendwann ihren Schuldenberg abzutragen. Inoffiziell hoffen so manche, dass ihnen das harte Brot der Schuldenrückzahlung durch eine kräftige Inflation erleichtert würde.

Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen. Die EU hat verkündet, der jüngste Schuldenschnitt solle es Griechenland möglich machen, seine Schulden bis 2020 auf 120 Prozent des BIP zu reduzieren. Das ist schon rein rechnerisch absurd. Denn dazu müsste es den Griechen gelingen, ihr jährliches Defizit auf 5 Prozent zu reduzieren und zugleich ein Wirtschaftswachstum von zumindest 4 Prozent jährlich zu erzielen. Tatsächlich läuft die Entwicklung genau in die Gegenrichtung. Griechenland steckt in einer tiefen Rezession mit kräftigem Schrumpfen des BIP. Das Defizit steigt absolut und im Verhältnis zum BIP relativ umso stärker. Glaubt irgendwer, in Portugal und Spanien werde alles besser laufen?

Inflation ist keine Lösung

Und die Weginflationierung des Problems ist so harmlos wie das Austreiben des Teufels durch Beelzebub. Deutschland und Österreich haben dieses Rezept kurz nach dem ersten Weltkrieg versucht. Das Ergebnis war nicht nur eine Vernichtung der Schulden (übrigens nur der inländischen, die in fremder Währung stiegen ins Astronomische), sondern auch eine Vernichtung aller Ersparnisse – und aller alten Pensionsansprüche – und ebenso die ziemlich komplette Vernichtung des Mittelstandes.

Außerdem hat eine Inflation ganz bestimmte Voraussetzungen: Eine wäre, dass sich die Konsumenten nicht wehren können – wie derzeit beim Benzinpreis, oder bei staatlichen oder kommunalen Tarifen. Wie kräftig solche ausfallen können, hat ja kürzlich die Stadt Wien recht eindrucksvoll demonstriert. Aber das reicht trotzdem nicht.

Sehen wir einmal vom technisch eher komplexen Phänomen einer asset-price inflation ab, dann ist eine weitere Voraussetzung für Inflation nicht bloß eine im Übermaß vorhandene Geldmenge. Dafür hat die EZB ja gesorgt. Aber die müsste erstens an Konsumenten oder Unternehmen transferiert werden – als Kredit oder Einkommen – und zweitens von diesen wieder in großen Mengen ausgegeben werden, als Konsum oder als Investitionen. Ohne solche Transfers kann es gar nicht zu einer nachfragebedingten Inflation kommen.

Solche Transfers finden aber gerade in den besonders betroffenen Südstaaten der EU nicht statt, Sie können es auch nicht, weil dort die erzwungene restriktive Budgetpolitik sie gar nicht möglich macht. Genau genommen fährt die Kolonne der EU-Staaten derzeit gleichzeitig mit Vollgas und mit Vollbremsung. In der Währungspolitik wird mit Vollgas die Geldmenge ausgeweitet wie nie zuvor, in der Budgetpolitik wird in den betroffenen Staaten gebremst wie nie zuvor.

Die Arbeitslosigkeit in der EU hat derzeit mit 17 Millionen einen neuen absoluten Höchst-stand erreicht. Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen: In Spanien ist derzeit bereits jeder zweite Jugendliche ohne Job. Auch für die Folgen einer strammen Sparpolitik gibt es ein eindrückliches historisches Beispiele aus dem Deutschland der Zwischenkriegszeit, mit Massenelend und anschließender politischer Radikalisierung.

Die EU hat mit ungeheurem, so nicht wiederholbarem Geldaufwand Zeit gewonnen und sich zugleich eine Reihe weiterer Probleme eingehandelt. Selbst mit der Zeit ist es so eine Sache. Kein Monat nach der Einigung auf achthundert Milliarden gutes Geld, um es dem schlechten nachzuwerfen, sind die Märkte schon wieder nervös.  Kann, darf man eine solche Politik als alternativlos bezeichnen oder ist sie nicht vielmehr phantasielos?

Was ist wichtiger: Der Euro oder die spanische Jugend?

Was soll das Beharren auf einem einheitlichen Euro, wenn immerhin zehn Mitgliedsstaaten der EU auch ohne die Gemeinschaftswährung ganz gut zurecht kommen und mit diesem Beharren nur auf das so wichtige – und bei leider offenkundig fehlender Konkurrenzfähigkeit unerlässliche – Instrument der Abwertung einzelner Währungen verzichtet wird?

Und warum bricht man unter Berufung auf über-gesetzlichen Notstand bedenkenlos gut erwogene vertraglich fixierte Grundsätze wie den des No Bail Out, statt diese Vertragsbestimmung als Containment, als wohl durchdachte Riskenbegrenzung zu verstehen und zu versuchen, ähnliche Lösungen wie seinerzeit für Argentinien zu finden? In diesem Fall haben die USA bei der Bewältigung der Finanzierungskrise geholfen, ohne sich selber bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu verpflichten, wie es Deutschland derzeit macht.

So kann man nicht bewahren, was mühselig genug als EU geschaffen wurde, und so wird der heutigen komplexen Wirklichkeit einfach nicht genügend Rechnung getragen. Und weil so gerne von Solidarität die Rede ist: Welche ist dringender – die gegenüber den immer ärmer werdenden Menschen in den Südstaaten, oder die gegenüber dem abstrakten Konzept einer einheitlichen Währung? Die EU sollte sich dazu durchringen, die eigene Linie auf den Prüfstand zu stellen. Nur wenn sie lernt, wird sie überleben.

Vielleicht ist es aber zu lästig, aus der Geschichte lernen zu sollen – vor allem, wenn sich historische Vergleiche geradezu aufdrängen. Die chinesische Bürokratie hat vor gut einem halben Jahrtausend die eigene Seefahrt so gründlich sabotiert, dass Europäer auch dort Fuß fassten, wo die Chinesen längst hätten sein können. Das alte römische Reich ging (auch) deshalb zugrunde, weil dort so erbarmungslos besteuert wurde, dass die Bevölkerung die Herrschaft der barbarischen Germanen bald der der eigenen Leute vorzog.

Gründlichkeit kann man den Staaten der EU nicht absprechen. Derzeit marschieren sie mit Überbürokratisierung und weiteren Steuererhöhungen entschlossen gleich auf beiden Wegen. Irgendwann sollten die Bürger beginnen, sich aufzuregen. 

Dr. Manfred Drennig ist Bankvorstand i.R., aktuell Geschäftsführer einer Wertpapierfirma und Verfasser gesellschaftskritischer Bücher ( „Die Krise sind wir selbst", „Tauschen und Täuschen").

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Explosion über Europa

06. Mai 2012 19:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt fliegt uns Europa wie ein explodierender Druckkochtopf um die Ohren. Die Franzosen wählten einen Präsidenten, der statt zu sparen neue Schulden machen will; die Griechen marschierten im Eilschritt zu Parteien, die mit noch viel radikaleren Tönen dasselbe wollen; und ähnliches ist vor ein paar Tagen in Rumänien passiert: Dort hat auch ohne Neuwahlen ein Regierungswechsel stattgefunden, nach dem nun rundum Gehaltserhöhungen und Steuersenkungen versprochen werden.

Für Sozialisten und ähnlich Denkende ist jetzt wohl das Schlaraffenland ausgebrochen. Alle anderen tun gut daran, ihre Ersparnisse in Sicherheit zu bringen, noch mehr als bisher ins Gold zu flüchten oder in brasilianische Anleihen. Aber auch wer keine Ersparnisse hat und nur die Grundrechnungsarten beherrscht, sollte sich vor dem Triumph des Verkauft-mein-letztes-Hemd-Sozialismus fürchten.

Theoretisch könnten sich die Bürger Deutschlands, der Niederlande, Finnlands, Luxemburgs oder Österreichs die kommenden Dinge gelassen und erste Reihe fußfrei anschauen. Denn unter normalen und logischen Umständen könnte man  jetzt geruhsam abwarten, wo denn die Franzosen, Griechen oder Rumänen noch Blöde finden wollen, die ihnen Geld borgen. Da das wenig wahrscheinlich ist, werden ihnen die sozialistischen Tagträume bald vergehen.

Jedoch leben wir in einem Europa, in dem nicht mehr die Grundrechnungsarten gelten. Deren Geltung ist – skurrilerweise vor allem auf Verlangen des nun geschlagenen Franzosen Nicolas Sarkozy – im Jahr 2010 aufgehoben worden. Damals ist Griechenland als erstes Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Und damals hat Europa grundfalsch reagiert, hat Griechen, Spaniern, Franzosen und vielen anderen eine völlig falsche Botschaft übermittelt.

Die Kausalitätskette der falschen Reaktion: Durch einen Bankrott Griechenlands hatte vielen Gläubigern – nicht zuletzt in Frankreich – ein gewaltiger Zahlungsausfall und damit die eigene Insolvenz gedroht. Was Sarkozy unbedingt verhindern wollte. Er setzt darauf die deutsche Bundeskanzlerin so lange unter Druck, bis diese nachgab und die deutschen Steuerzahler zwang, die griechischen Schulden zu übernehmen.

Dieses Modell hat sich inzwischen immer häufiger wiederholt. Immer mehr Länder sind an den Rand der Insolvenz gerutscht. Immer neue bilaterale und multilaterale Modelle wurden entwickelt und umgesetzt, die alle dasselbe bedeuteten: Die gerade noch kreditwürdigen Staaten Europas zahlten für die überschuldeten und übernahmen Haftungen für diese. Längst finden sich auch für die Anleihen der Bundesrepublik nur noch Käufer, weil die Europäischen Zentralbank wie verrückt neues Geld druckt, das dann zum Kauf der Anleihen benutzt wird.

Aber alles nutzte nichts: Merkels Parteifreund Sarkozy wurde abgewählt, die Griechen wählten in erschreckendem Ausmaß Links- und Rechtsradikale. In beiden Ländern ist das Motto der Sieger gleich: Sie denken nicht daran, zu sparen oder Schulden zurückzuzahlen. Sondern überall wird Deutschland beschimpft, wenn es nicht bis zum eigenen Konkurs ständig weitere Schulden für Frankreich, Griechenland & Co zu machen bereit ist.

Alles, was für Deutschland gilt, gilt auch für Österreich – nur ist hier zum Unterschied von Deutschland nicht einmal eine seriöse Debatte über den Sinn der unfinanzierbaren Rettungsschirme geführt worden. Sondern Österreich hat einfach das nachgeplappert, auf was sich die deutsche Politik geeinigt hat.

Mit dem Sieg des schuldenbegeisterten Hollande in Frankreich und mit der totalen Unregierbarkeit, die jetzt in Griechenland ausgebrochen ist, dürfte es jetzt eigentlich nur eine Alternative geben: Entweder die noch nicht insolventen Länder steigen individuell oder kollektiv aus dem Euro aus. Oder sie stoppen zumindest jede weitere Geldhilfe für die Krisenländer, was sich insbesondere auch auf die unmittelbar drohende Ratifizierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM beziehen müsste. Was wiederum zu einem Austritt mehrerer Krisenländer aus dem Euro führen müsste.

Das ergäbe zwar zweifellos kurzfristig gewaltige Turbulenzen, wäre aber langfristig der einzige Weg zur Heilung. Denn solange es in Europa Politiker und Parteien wie die griechischen Chaosparteien oder Monsieur Hollande gibt, die den Wählern das Blaue vom Himmel versprechen, solange werden sie gewählt. Und daher ist jeder rationale Weg zu einer Beendigung der Schuldenkrise verbaut.

Freilich: Wer mag jetzt noch glauben, dass sich die Deutschen, die so oft knieweich nachgegeben haben, noch Fünf vor Zwölf aus diesem untergehenden Schiff auszusteigen zu trauen? Dazu bräuchte es mutige Staatsmänner. Und die gibt es weit und breit nicht.

PS.: In Frankreich gibt es noch einen Restfunken Hoffnung, dass Hollande nach Amtsantritt das Gegenteil dessen tut, was er angekündigt hat. So hat ja auch der deutsche Sozialdemokrat Schröder am Ende seiner Amtszeit plötzlich das Richtige getan, nämlich Kurs auf eine liberale Austeritätspolitik zu nehmen. Was ihn zwar den Wahlsieg kostete, aber die Grundlage für die nunmehrige Blüte Deutschlands legte. In Griechenland darf man diese Hoffnung nicht mehr hegen. Obwohl dort die Dinge noch viel skandalöser stehen: Erst in der Vorwoche wurde bekannt, dass 200.000 Pensionen und ähnliches gestrichen wurden, weil sie betrügerisch erschwindelt worden waren – etwa zugunsten von längst Verstorbenen. Offenbar wird man jetzt sogar schon dafür bestraft, wenn man Betrügern das Handwerk legt . . .

 

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Fußnote 292: Die Asfinag kommt voran

03. Mai 2012 12:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist immer wieder amüsant, was man als Produkt von PR-Agenturen zu lesen bekommt. Diesmal hat die Asfinag die Spitze geschafft.

Auf mehreren „Nachrichten“-Homepages liest man eine Formulierung über das Jahresergebnis der staatlichen Autobahngesellschaft, die wohl nur durch das raffinierte Wirken von PR-Textern zu erklären ist: „Dank des reduzierten Bauprogramms kommt die Asfinag beim flacheren Schuldenaufbau voran“. Was der werbetextliche Neusprech schon alles als Erfolg darstellen kann! Freilich: Wie würde es klingen, stünde dort die schlichte Wahrheit? Die da lautet: Obwohl die Asfinag viel weniger gebaut hat – so ist kein einziger neuer Autobahnkilometer dazugekommen –, haben sich ihre Schulden weiter vermehrt.

 

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Hoch die Lehre

03. Mai 2012 00:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bringen wir möglichst viele jungen Menschen zur Matura! Dann geht es ihnen und uns allen besser. Diese Überzeugung steckt tief in uns drinnen. Und kaum jemand widerspricht ihr. Sie hat nur ein Problem: Sie stimmt nicht.

Das zeigt sich etwa an der zum Teil 50-prozentigen Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern. Diese haben alle viel höhere Maturanten- und Akademikerquoten als Österreich (und überdies Gesamtschulen). Damit müsste ja nach herrschender Lehre eine blühende Zukunft garantiert sein.

Jene Länder verstecken aber oft nur die Jugendarbeitslosigkeit, wenn sie die jungen Menschen möglichst lange in Universitäten und Schulen ohne Leistungshürden stecken. Da können diese schon rein definitorisch nicht arbeitslos sein. Aber die Arbeitslosigkeit schlägt dann umso heftiger zu, wenn einmal Schule und Uni doch vorbei sind. Denn dort haben die Akademiker zwar wunderschöne Sachen von der Philologie bis zur Kunst gelernt. Aber die Arbeitgeber interessieren sich halt leider nicht für solche Kenntnisse. Höchstens der staatliche – und der hat jetzt auf viele Jahre absolut kein Geld mehr.

Spaniens Jugendarbeitslosigkeit betrug übrigens auch schon vor der Krise ein Vielfaches der österreichischen. Also ist die Krise nicht ihre Ursache, sondern sie macht nur eine ernste Lage hoffnungslos.

Von der Österreich zum Glück weit entfernt ist. Aber auch hier zeigen manche von der Politik ignorierte Daten Erstaunliches: Österreichische Maturanten haben schon ein deutlich höheres Risiko, arbeitslos zu werden, als Absolventen einer Lehre. Laut Mikrozensus sind 6,8 Prozent der Lehrabsolventen, aber 8, 6 Prozent der Maturanten arbeitslos. Lehrlinge sind auch weniger armutsgefährdet als Nur-Maturanten.

Da macht es absolut fassungslos, wenn sogar die Industriellenvereinigung ein Volksbegehren unterstützt, das höhere Maturantenquoten verlangt. Gleichzeitig klagen Industrie und Gewerbebetriebe aber über einen rasch wachsenden Lehrlingsmangel.  Lediglich manche Mädchen haben nach der Lehre ein Problem – das wohl mit den vielen Möchtegern-Friseurinnen zusammenhängt; nach der Matura geht es den jungen Frauen hingegen relativ besser als ihren männlichen Kollegen.

Wir sollten endlich aufhören, Matura als wertvoller denn eine gute Lehre anzusehen. Das lehren auch die vielen ausländischen Delegationen, die sich in Österreich und Deutschland begeistert das duale System anschauen, also die Parallelität von Betriebspraxis und Schule. Sie entdecken dabei zu ihrem Erstaunen etwas, was an etlichen Schulen und Universitäten außer Mode kommt: Bei den Lehrlingen gibt es noch strenge Prüfungen, es fallen viele bei der Abschlussprüfung durch, wie ein Junggewerkschafter dieser Tage bitter beklagte. Was aber nur ein hervorragendes Zeichen für die Qualität der Ausbildung ist.

Vielleicht sollten auch unsere Schulen bei der Lehre ein wenig in die Lehre gehen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Fußnote 292: Crash-Landung einer Gewerkschaft

01. Mai 2012 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie haben es bis zuletzt nicht begriffen. Jetzt aber sind Gewerkschaft und AUA-Betriebsräte aber so etwas von mega-stad, dass das Scheitern ihrer Politik am 1. Mai eigentlich über den ganzen Rathausplatz mit seinen roten Fahnen dröhnen müsste.

Der AUA-Flugbetrieb geht nun nahtlos auf die Tyrolean über. Der in dreimonatigen Verhandlungen ausgehandelte Kompromiss wandert in den Papierkorb, weil Betriebsrat und Gewerkschaft ihn der Belegschaft nicht vermitteln konnten. Die deutschen Eigentümer haben die Schmähs der heimischen Gewerkschaft eiskalt abgewimmelt, nach jedem Verhandlungsabschluss noch einmal nachzuverhandeln. Und dann noch einmal. Besonders grotesk ist, dass die Belegschaft zuletzt für die eigentlich schon ausverhandelte Abschlagszahlung nun auch noch die Garantie des Managements wollte, dass diese Zahlung steuerbegünstigt sein wird (was steuerrechtlich immer von der Einschätzung des Finanzamts abhängig ist). Jetzt sind Betriebsrat&Co diese Sorge los: Es gibt überhaupt keine Abschlagszahlung mehr. Blöd gelaufen.

PS.: Vielleicht nimmt sich nun auch einmal die Wirtschaftskammer ein Beispiel und schmettert die – in Zeiten wie diesen erhobene! – Gewerkschaftsforderung nach einer Arbeitszeitverkürzung ebenso konsequent ab. Statt wieder etwas vom Geist der Sozialpartnerschaft zu faseln und halb nachzugeben. Der längst ein Ungeist geworden ist.

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Mitterlehners Marktverstand

27. April 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Da kann sich Österreich nicht lumpen lassen – wenn in Deutschland Aktionismus bei den Treibstoffpreisen angesagt ist, muss Wirtschaftsminister Mitterlehner sofort folgen. Die Voraussetzungen sind bei uns zwar ganz anders als beim deutschen Nachbarn, aber wen kratzt das schon.

Wir haben bereits eine tägliche Preisdatenbank, wir haben eine Regelung, wodurch nur einmal pro Tag darf der Preis angehoben werden darf, all das fehlt – noch – in Deutschland. Nun soll ein Preiskorridor rund um Reisewellen die Autofahrer beruhigen, so der Plan von Mitterlehner. Wie dies funktionieren soll weiß noch niemand, angeblich soll 14 Tage vor einem Reisewochenende ein Durchschnittspreis ermittelt werden, der dann 5 Tage vor dem Wochenende nicht mehr erhöht werden kann. Eine Schnapsidee, die mit einem freien Markt nicht zu tun hat.

Und warum das Ganze? Weil nach Ministeransicht vor den Osterfeiertagen die Rotterdamer Preisnotierungen zurückgingen, die Preise in Österreich aber gestiegen seien. Woher der Minister seine Weisheit bezog ist unbekannt, von der Bundeswettbewerbsbehörde, die den heimischen Treibstoffmarkt ständig beobachtet, kann er sie nicht haben, denn diese leistet sich kein Abonnement der nicht frei zugänglichen Platts-Notierungen, das sei zu teuer. Das deutsche Fachblatt EID publiziert für die Osterwoche im Vergleich zur Vorwoche gestiegene Notierungen bei Benzin und Diesel.

Wie unsinnig die ministeriellen Behauptungen sind zeigt ein Blick in die EU-Statistik. Wenn es in Österreich überhöhte Treibstoffpreise im Alleingang gäbe, müssten die Nettopreise (die Mineralölsteuer ist immer gleich) gestiegen sein. Der Abstand zu den Nachbarn blieb aber gleich. Österreich ist bei Diesel, was die Nettopreise betrifft, Schlusslicht in der EU – die deutschen Kollegen haben eine um 5 bis 6 Cent höhere Spanne. Was Mitterlehner wöchentlich als Erfolgsmeldung stolz verkündet. Dabei könnte man die Zahlen durchaus hinterfragen. Jeden Montag, knapp vor Mittag, melden Großkonzerne und ein Diskonter ihre Preise, auf dieser Basis wird dann Meldung nach Brüssel gemacht. Würde man die Preise um 14 Uhr hernehmen sähe die Statistik ganz anders aus. Das sind eben die „Vorteile“, wenn man in die Preisbildung eingreift.

Bei dieser Gelegenheit können auch gleich die vom Minister als positiv angeführten Beispiele einer Preisregelung in Luxemburg und Slowenien als das entlarvt werden was sie sind – eine teurere Lösung. Die Nettopreise sind in Luxemburg um 6 Cent bei Benzin und 2 Cent bei Diesel höher. Das würden sich die heimischen Tankstellenbetreiber nur wünschen, eine so schöne Verdienstspanne. Leider wären dann aber auch die Tankstellenpreise dementsprechend höher. Wie sagte Minister Mitterlehner so schön: „Wir brauchen Fairness am Markt!“

Von einem Wirtschaftsminister sollte man mehr wirtschaftliches Verständnis erwarten können (sein Kollege Berlakovich zeigt schon, wie man die Realität negieren kann). Als Verfechter einer freien Marktwirtschaft, was Mitterlehner bisher immer betonte, könnte man sagen, am Markt werden jene Preise verlangt, die dieser hergibt. Und wenn es erhöhte Nachfrage – wie etwa vor den Feiertagen – gibt, dann ist das Produkt eben etwas teurer. In der Hochsaison sind in Österreich auch die Zimmerpreise in Hotels höher. Aber das findet ja derzeit sowieso nicht statt. Die Tankstellenbetreiber verdienen kaum etwas, weshalb immer mehr Konzerne (Esso, MOL) unser Land verlassen. In dem Bereich ist somit nichts zu holen.

Also sind es die Raffinerien, die sich eine goldene Nase an der heimischen Autofahrerschaft verdienen. Weit gefehlt. Europas Raffinerien sind in der Krise, immer mehr müssen zugesperrt werden, weil zu wenig verdient wird. Also ist auch hier wenig zu holen.

Bleiben nur mehr die Ölproduzenten übrig. Ja, die verdienen sich derzeit eine goldene Nase. Wobei 85 Prozent der weltweiten Ölförderung in den Händen der Förderländer sind, nur 15 Prozent fließen in die Taschen der großen Konzerne, wie Shell, BP oder Exxon. Also müsste Minister Mitterlehner hier zuschlagen. Es dürfte allerdings schwierig sein Saudi-Arabien, Russland oder die Konzerne zur Kasse zu bitten, die haben für die Wünsche von Mitterlehner & Co nicht einmal ein müdes Lächeln übrig.

Vielleicht noch ein paar Dinge die aufklärungswürdig sind. Die deutsche Polit-Aussage, dass die österreichische Regelung, wonach nur einmal – um 12 h mittags – die Preise erhöht werden dürfen, zu höheren Preisen geführt habe ist falsch; die Verdienstspanne im Vergleich zu Deutschland ist geringer geworden.

Der nun wieder ins politische Spiel gebrachte Wunsch einer Anhebung der Pendlerpauschale ist eine Drohung, die nicht wahr gemacht werden sollte. Als Mitte 2008 der Rohölpreis bei 150 Dollar lag (derzeit rund 120 Dollar) wurde die Pendlerpauschale befristet bis Ende 2009 erhöht. Diese Erhöhung wurde nicht mehr rückgängig gemacht, sondern es erfolgte eine weitere Erhöhung 2011. In Summe bedeutet das bereits einen Steuerausfall von rund 400 Millionen Euro. Und nun schon wieder?

Der Ölpreis ist weit geringer, nur die Mineralölsteuer wurde erhöht. Auch ordnungspolitisch ist die Pendlerpauschale ein Unsinn, die Besserverdienenden werden damit bevorzugt. Und der Verkehr sollte eingedämmt, nicht gefördert werden. Daher sprechen Experten bereits davon, dass eine Pendlersteuer eingeführt werden sollte. Die deutsche Kanzlerin hat den Erhöhungswunsch bereits abgeschmettert.

In Österreich bin ich mir da nicht so sicher.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Wie entwickelte sich der österreichische Lebensmittelverbrauch?

27. April 2012 16:34 | Autor: Andreas Unterberger

Pro-Kopf Verbrauch ausgewählter Nahrungsmittel in Österreich in angegebener Messeinheit seit 2008

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AUA, ÖBB, ORF: Tag der Freude, Tag des Zorns

26. April 2012 18:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Plötzlich geht so manches, was jahrelang nicht gegangen ist. Plötzlich ist bei der AUA möglich, was jahrzehntelang nicht möglich war. Plötzlich wird doch der Semmering-Tunnel gebaut, der jahrzehntelang als Verbrechen gegolten hat. Plötzlich scheinen sich sogar rund um die ÖBB die Koalitionsparteien wieder versöhnt zu haben. Und auch rund um den ORF gehen die zwei Parteien plötzlich Hand in Hand. Was aber sollen wir davon halten?

Über den Konsens bei der AUA können wir uns jedenfalls freuen – auch wenn er viel zu spät gekommen ist. Denn die Fluglinie ist längst eine Schrumpflinie geworden, der Traum vom großen mittelosteuropäischen Netzwerk ist nur noch in den Archiven zu finden.

Was bei aller Freude auch sehr ernüchternd ist: Betriebsrat und Gewerkschaft haben bei der Verteidigung der dortigen Luxusgehälter erst nachgegeben, als ihnen endlich ein beinhartes Management gegenübergesessen ist. Ein Management ohne furchtsame Weicheier und ohne opportunistische staatliche Eigentümer im Hintergrund. Das besonders Schmerzhafte daran ist, dass offenbar erst Deutsche das geschafft haben, woran zuvor viele Österreicher (und ein Däne) gescheitert sind. Das gibt der österreichischen Selbstachtung doch einen ziemlichen Stich. Das wird auch im Ausland vielen negativen Vorurteilen über die Ösis neue Nahrung geben.

Die Lehre daraus ist aber jedenfalls klar: Auch die restlichen Staatsbetriebe sollten möglichst rasch privatisiert werden, vom Strom bis zum Flughafen, vom Gas bis zur Müllabfuhr, von der Bahn bis zu den Spitälern. Solange der Staat (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen) irgendwo drinnen ist, diktiert die Gewerkschaft. Und dann zahlen in allen Fällen die Kunden und/oder Steuerzahler drauf – was sich der Standort Österreich nicht mehr leisten kann. Denn wenn in Österreich alles teurer ist als im Ausland, wie gerade eine aktuelle Studie neuerlich zeigt, dann wird in Österreich niemand mehr investieren.

Die AUA-Einigung selbst dürfte nun kaum mehr an den noch fehlenden Abstimmungen der Belegschaft scheitern. Und diese sollte sich dringend wieder um die schwer vernachlässigten Kunden statt die eigenen Befindlichkeiten kümmern.

Ebenso erfreulich ist, dass jetzt der Semmering-Tunnel endlich gebaut wird. Auch hier ist vor allem ein „Viel zu spät“ zu monieren. Das hat in diesem Fall nicht die Gewerkschaft, sondern einzig der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll zu verantworten. Dieser hatte mehrere Wahlkämpfe mit dem Kampf gegen den Tunnel und mit dem skurrilen Argument bestritten: „Wenn man ein Loch in den Berg bohrt, dann rinnt das Wasser aus diesem Berg heraus.“ (als ob sich der schon vor langem gebohrte Semmering-Straßentunnel zu einer Wasserleitung verwandelt hätte).

Was auch immer den – übrigens schon während der schwarz-orangen Regierung eingeleiteten – Stimmungsumschwung des machtbewussten Niederösterreichers bewirkt hat: Sein langes Njet kommt die Österreicher jedenfalls sehr teuer. Nicht nur auf Grund der Bau-Inflation hat die Verzögerung die Sache teurer gemacht. Das haben auch die diversen Umplanungen bewirkt. Ist doch inzwischen das Projekt viel aufwendiger geworden: mit einem viel längeren Tunnel und zwei Röhren statt einer doppelgleisigen.

Die Verzögerung hat natürlich auch den Krisengebieten im Süden Österreichs geschadet, die bis heute keine schnelle Bahnanbindung Richtung Wien haben. Zugleich haben sich inzwischen neue Verkehrsachsen an Österreichs Grenzen vorbei entwickelt, die nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind. Für all das: Danke, lieber Erwin.

Der dritte Durchbruch nach langer Blockade betrifft die ÖBB selber. Und dieser ist nun besonders dubios. Plötzlich ist die ÖVP wieder bereit, Aufsichtsräte in die Staatsbahn zu entsenden. Plötzlich geht im Parlament in aller Stille ein extrem problematisches 33-Milliarden-Gesetz zugunsten der Bahn durch. Lediglich der Protest des ÖVP-Abgeordneten Ferdinand Maier hat darauf aufmerksam gemacht.

Da aber Maier schon seit Jahren durch eher cholerische Querschüsse und Attacken gegen seinen jeweiligen Klubobmann auffällt, hat sein Protest gleichzeitig wieder vom eigentlichen Skandal abgelenkt. Ebenso fällt auf, dass die Opposition zwar dagegen gestimmt hat, aber mit auffällig wenig Engagement (man vergleiche etwa die geringe oppositionelle Lautstärke bei den ÖBB-Milliarden mit dem aufgeregten Flügelschlagen von Grün und Blau ob irgendwelcher Zeugenladungslisten im U-Ausschuss).

Gewiss hebt sich dieses ÖBB-Finanzierungsgesetz noch relativ positiv vom ursprünglichen Entwurf der Verkehrsministerin ab. Diese hatte im Vorjahr noch ein Vielfaches der nunmehrigen 33 Milliarden verlangt. Nur ist zu befürchten, dass mit diesen 33 Milliarden jetzt dennoch alle jene Projekte begonnen werden, die dann doch so viel kosten, wie Bures schon ursprünglich ins Gesetz schreiben wollte.  Was man aber offenbar auch aus Rücksicht auf die kritischen Rating-Agenturen vermieden hatte.

Mit diesem Gesetz werden den Steuerzahlern nicht nur die Kosten für den (sinnvollen) Semmering-Tunnel, sondern auch für die beiden (überflüssigen) Tunnels durch Koralm und Brenner aufs Auge gedrückt. Der Verkehr unter der Koralm zwischen Graz und Klagenfurt ist und bleibt aber lächerlich unbedeutend, während der Italienverkehr durch die Südbahnstrecke (ab dem Semmering) ohnedies schon gut bedient ist. Und der Brenner-Tunnel hat keinerlei Chance auf eine ausreichende Auslastung, solange man keinen Lkw zwingen kann, statt der schnellen Straße die umständliche Bahn zu benutzen. Das EU-Recht verhindert sogar jede Mauterhöhung auf der Passstraße.

Aber hinter diesen Unsinns-Projekten stehen mächtige Landeshauptleute und die ebenso mächtige Bauindustrie (aus der etwa der jetzige Aufsichtsratspräsident der ÖBB kommt!). Von dieser Unheilsallianz werden den Steuerzahlern gewaltige Zukunftsverpflichtungen aufgeladen. Als ob Europa und Österreich nicht in einer schweren Schuldenkrise stecken. Gegen diese 33 Milliarden machen sich die jüngsten Sparbeschlüsse der Regierung geradezu zwergenhaft aus.

Maier ist daher – trotz all seiner sonstigen problematischen Eigenschaften – zu dem mutigen Widerstand samt nachfolgendem Rücktritt zu gratulieren. An der katastrophalen Entwicklung der ÖBB und der Staatsfinanzen ändert sich dadurch aber nichts mehr.

In den nächsten Tagen wird man mit Spannung beobachten können, ob die Länder wenigsten bei ihren eigenen Finanzen disziplinierter sein werden. Derzeit lassen sie ja die Finanzministerin mit ihren Vorstellungen von einem wirksamen Fiskalpakt mit Sparzwang noch eiskalt anrennen. Es bleibt zu befürchten, das auch hier ein für den künftigen Schuldenstand des Landes teurer Kompromiss heraushüpfen wird.

Absolut rätselhaft ist schließlich, was die Koalition mit ihrem neuen Konsens in Sachen ORF überhaupt beabsichtigt. Den Stiftungsrat zu verkleinern ist zwar ein edles Ansinnen, auch der Ausschluss der Bundesländer würde viel Sinn haben, sind diese doch oft eine Hauptbremse für jede Einsparung gewesen. Aber erstens habe ich angesichts der katastrophalen Schwäche der Regierungsspitze heftige Zweifel, dass diese ein Projekt gegen den Willen der Länder durchsetzen kann. Und zweitens bleibt völlig offen, was ein kleinerer Stiftungsrat gegen das Hauptdefizit des ORF helfen soll. Das ist sein schwer schlagseitiger Informationsapparat, der von unten bis oben zu 85 Prozent mit Menschen aus dem grün/kommunistischen/linkssozialdemokratischen Milieu durchsetzt ist.

Was würde da überhaupt noch helfen, ist doch die Personalstruktur des ORF de facto unreformierbar? Nun, hätte die ÖVP noch irgendeine eigene Medienpolitik, würde sie beispielsweise gemeinsam mit Blau und Orange eine grundsätzliche Reform am ORF vorbei vorbereiten. Diese könnte man dann rund um den nächsten Wahltag im koalitionsfreien Raum ebenso durchsetzen, wie Werner Faymann 2008 seine Milliardenattacke auf die Steuerzahler durchgesetzt hat. Dabei könnten dann beispielsweise die Gebührengelder auf alle Sender aufgeteilt werden, die sich um eine halbwegs ausgewogene Qualitätsinformation bemühen (wie es etwa Servus TV zunehmend tut).  Was wiederum eine externe Expertenkommission zu beurteilen hätte.

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Warum Strom und Benzin wieder teurer werden

26. April 2012 00:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Politik der populistischen Schlagzeilenhascherei hat wieder einmal die Energie erwischt. Und gleich zweimal Mist gebaut.

Der eine Unsinn ist Österreichs neuerdings verkündete Atomstromfreiheit. Ganz abgesehen davon, dass ohne Atomstrom in Europa viele Lichter ausgehen würden; ganz abgesehen davon, dass alleine in der EU vier Staaten an neuen Atomkraftwerken arbeiten; ganz abgesehen davon, dass es technisch gar nicht möglich ist, in den internationalen Hochspannungsnetzen Strom in irgendeiner Form zu trennen (nur in Österreich gibt es Schildbürger, die mit dem Geigerzähler an ihren Steckdosen messen); ganz abgesehen davon, dass ein staatlich verordnetes Atomstromverbot (wenn es technisch überhaupt möglich wäre) ein glatter Bruch sämtlicher EU-Verträge ist: Tatsache bleibt, die wirklichen Umweltverschmutzer sind die Kohle- und Ölkraftwerke.

Diese haben schon Zehntausende Krankheiten und Todesfälle ausgelöst, während die Grünen noch immer auf den ersten Strahlungstoten aus Japan warten. Jene Kohle- und Öl-Kraftwerke aber würden durch eine weitere Einschränkung von Nuklearstrom nur neuerlich an Bedeutung gewinnen.

Die Wiener Regierung will nun irgendwelchen weit entfernten Stromerzeugern etwa in Norwegen Geld dafür zahlen, dass diese mit einem Zertifikat bestätigen, zugunsten Österreichs „sauberen“ Strom ins Netz einzuspeisen. Während freilich der heimische Importstrom in Wahrheit weiter wie bisher meist aus Tschechien fließt. Mit diesem Beschluss wird nur eines erreicht: Strom wird durch diese Zertifikate und durch die erhöhten Gebühren für die internationalen Leitungsnetze völlig sinnlos teurer. Dank der EU wird es aber mit Sicherheit auch Anbieter geben, die klugen Kunden billigen Strom ohne solche Zertifikate anbieten. Wobei es natürlich der gleiche Strom wie bei den Schutzgeld-Bezahlern sein wird.

Ähnlich dumm ist die unter Druck von Boulevard-Medien angekündigte Preisregulierung an langen Wochenenden. Es ist zwar noch immer nicht klar, wie die genau aussehen soll. Aber schon die letzte populistische Preisregelung hat statt einer Senkung eine Erhöhung ausgelöst: Tankstellen dürfen seither ja nur noch um 12 Uhr die Preise erhöhen und sonst nur senken. Das führt halt dazu, dass dann um 12 Uhr sicherheitshalber viel mehr erhöht wird als ohne Regelung. Ähnlich wird es wohl künftig auch an den langen Wochenenden zugehen (etwa, indem schon Tage vorher die Preise ansteigen). Sollte jedoch eine Preisregelung die Benzinfirmen wirklich unter ihre Kosten drücken, dann wird etwas anderes passieren: Keine Firma wird rund um diese Wochenenden teure Überstunden machen lassen, um die Tankstellen voll zu versorgen.

Was nur wieder die alte Erfahrung bestätigt: wo einmal der Staat die Preise regelt, wird es für die Konsumenten teuer. Nur Wettbewerb und Transparenz helfen dem Konsumenten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Wir sind nun alle Keynesianer!

25. April 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Am 23. 4. lud die Bank Austria, Tochter des italienischen Bankhauses Unicredit, Teile ihrer mittelständischen Kundschaft zu einem unter dem Titel „Erfolgsfaktor Innovation“ stehenden Vortragsabend ein. Im Prachtbau am Ring, dem altehrwürdigen Direktionsgebäude der von der Bank Austria anno 1997 handstreichartig übernommenen Creditanstalt, informierte zunächst der Chef des Hauses, Willibald Cernko, über die aktuelle Lage seines Instituts. Das Umfeld in Europa sei problematisch – insbesondere im Hinblick auf die in einigen Ländern besorgniserregend hohe Beschäftigungslosigkeit. 25 Prozent Arbeitslosenquote in Spanien stellten ein gesamteuropäisch relevantes Problem dar.

Er widerspreche daher dem prominenten deutschen Ökonomen H. W. Sinn, der einer Politik des „Kaputtsparens“ das Wort rede. Anstatt zu sparen, müsse vielmehr investiert werden, um dadurch Perspektiven zu schaffen. Diese Aufgabe falle den Banken zu, die der Wirtschaft „leistungsfähige und leistbare Kredite“ zur Verfügung zu stellen hätten. (Ob z. B. milliardenteure Tunnelbauten der Staatsbahn, die dereinst dazu dienen werden, Züge in denen keiner sitzt, über Strecken, die keiner braucht durch allerlei Berge rollen zu lassen, als „Investitionen“ und nicht als Kapitalvernichtungsaktionen zu bewerten sind, wurde an dieser Stelle nicht erörtert, Anm.).

Den Anteil der Klein- und Mittelunternehmen an der österreichischen Wirtschaftsleistung bezifferte Cernko mit 66 Prozent. Sie seien damit der Motor der Wirtschaft. In der Zeit von 2008-2012 wären von den mittelständischen Betrieben rund 44.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden – und damit deutlich mehr als von Großunternehmen.

Nach wie vor stelle die Kreditvergabe das Kerngeschäft seiner Bank dar. Man habe allerdings aus den in der Vergangenheit gemachten Fehlern gelernt. So habe die Bank Austria bereits jetzt alle nach „Basel 3“ bestehenden Vorgaben hinsichtlich ihrer Kapitalausstattung erfüllt, was auf dem Wege einer Kapitalerhöhung und ohne Inanspruchnahme staatlicher Hilfe gelungen sei. Der Hinweis auf die segensreiche Wirkung der Gemeinschaftswährung durfte nicht fehlen: „Wir sind Profiteure des Euro!“ Die Gefahr einer „Kreditklemme“ sehe er nicht, da die EZB für ausreichend Liquidität gesorgt habe, nachdem das Interbankenkreditgeschäft im Zuge der Schuldenkrise drastisch eingebrochen war.

Er denke nicht daran, das Engagement der BA in Osteuropa zu beenden: „Wir bleiben in Mittel- und Osteuropa!“ Als Konsequenz der Investitionen dort wären immerhin viele Arbeitsplätze in Österreich geschaffen worden.

Der Chefvolkswirt sagt: Druckt mehr Geld!

Danach trat der Chefvolkswirt des Hauses, Stefan Bruckbauer, ans Mikrophon, um seinen Vortrag zum Thema „Was bringt die Zukunft? Innovation als Antwort auf unsichere Aussichten“ zu halten. Zu Beginn streute er den Anwesenden Rosen, indem er auf den hohen Anteil von Forschungs- und Entwicklungsausgaben hinwies, der von mittelständischen Betrieben getragen würde – nämlich 1,3 Prozent des BIP, während der Beitrag des Staates hierzu bei nur 1,1 Prozent läge.

Zur Beilegung der immer noch schwärenden Krise sehe er „die Politik gefordert“. Zwar sei die Verschuldungssituation der Staaten der Eurozone deutlich weniger dramatisch als jene in den USA, dennoch liefe die Entwicklung dort erheblich besser.

Der Grund dafür sei in der Entschlossenheit der US-Notenbank FED, massiv auf Zinsen und Geldmenge Einfluss zu nehmen, zu suchen. Euroland hinke aufgrund der fehlenden Einheitlichkeit der Fiskal- und Wirtschaftspolitik deutlich hinterher (was mit einer Fülle von Graphiken versucht wurde, zu belegen). Es sei ein, maßgeblich von Angela Merkel zu verantwortender, Fehler gewesen, Griechenland pleitegehen zu lassen. Nach all dem zuvor erfolgten Gerede über die Harmlosigkeit der Lage und die dann schließlich doch erfolgte Zahlungsunfähigkeit des Landes, sei die Kreditwürdigkeit der gesamten Eurozone schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. „Kein Investor glaubt daher heute noch an politische Zusagen.“

Die Größe des „Eurorettungsschirmes“ so stark auszudehnen, sei nicht durch die kritische Lage der EU, sondern lediglich infolge des Misstrauens der Gläubiger notwendig geworden. Würde auf europäischer Ebene indessen jetzt nicht mit aller Entschiedenheit gehandelt, so wäre tatsächlich der Fortbestand des Euro gefährdet.

Obwohl Deutschland die „kaputtesten Banken“ habe, würde dem Land von den Märkten dennoch das größte Vertrauen geschenkt. „In der Krise trocknet die Peripherie eben monetär aus. Und in der EU ist alles außer Deutschland Peripherie. Denn in der aktuellen Lage zählt nur die Größe.“

Während die USA ihre Lektion aus den Lehren der 30er-Jahre gelernt (damals habe man fatalerweise nicht mit einer massiven Geldmengenausweitung auf die Wirtschaftskontraktion reagiert und damit das Desaster heraufbeschworen!) und ab 2008 entschieden gehandelt hätten, wäre die Geldpolitik Europas bei weitem zu zögerlich. Bei Betrachtung der nationalen Haushaltspolitiken entstehe der Eindruck, dass „Europa sich zu Tode spart.“ Bruckbauer räumte allerdings ein, dass, als „kleine Nebenwirkung“ der US-Geldpolitik das Haushaltsdefizit der USA ein Rekordniveau erreicht habe. Dennoch befänden sich die USA auf dem richtigen Wege.

Japan dagegen biete ein Beispiel für verfehlte Geldpolitik. Die Wirtschaft des Landes schrumpfe seit 15 Jahren, „weil nicht genug Geld gedruckt wird! (sic!)“

Es sei offensichtlich, dass die privaten Haushalte im gleichen Maße „reicher“ geworden seien, in dem die Staaten sich verschuldet hätten. „Unser“ Wohlstand sei also mit geborgtem Geld finanziert worden. Die Entschuldung der Staaten müsse daher „mit Wohlstandsverlusten für die privaten Haushalte bezahlt werden.“

Angesichts der bereits bestehenden Geld- Kredit- und Schuldensummen und im Hinblick auf das Volumen an zuletzt neu geschaffener Liquidität, seien „Sorgen wegen einer dräuenden Hyperinflation absolut irrational!“ Dies umso mehr, als das von der EZB neu gedruckte Geld lediglich jene Liquidität substituiere, die durch das Erliegen der Interbankengeschäfte nicht mehr verfügbar sei. Bruckbauers Prognose für die nächste Zukunft: Österreich werde im Jahr 2012 mit einem Wachstum von 2 Prozent rechnen können. Die Sparquote dagegen werde mittelfristig von derzeit 10,8 Prozent auf 5,8 Prozent (2015) fallen.

Auf meinen in aller Bescheidenheit vorgebrachten Einwand, dass es eine Denkschule gebe, die eine exzessive Geldmengenausweitung als Ursache der heutigen Schuldenkrise identifiziere und eine expansive Geldpolitik in der aktuellen Lage daher mit dem „Löschen eines Brandes mit Benzin“ vergleiche, meinte er, dass es sich dabei um eine „extreme Ansicht“ handle, die nur von einer „ideologisierten Minderheit“ vertreten werde.

Den Hinweis, dass unter sonst gleichen Bedingungen das Bedrucken von Papier (die Schöpfung von Geld aus dem Nichts) den Wohlstand nicht zu vergrößern imstande wäre, tat Bruckbauer mit einem lupenrein keynesianischen „Argument“ ab: „Was Sie sagen, würde in einer Situation der allgemeinen Auslastung der Betriebe zutreffen. Wir haben es gegenwärtig aber mit massiven Nachfragausfällen zu tun, die vom Staat auszugleichen sind. Das Drucken von Geld dient in einer solchen Lage dazu, dringend notwendige Kredite an die Wirtschaft vergeben zu können, die Produktion am Laufen zu halten und einen Wirtschaftskollaps zu vermeiden.“

Es ist rund zwei Jahren her, als der libertäre Ökonom Hans-Hermann Hoppe bei einem Vortrag in Wien meinte, dass es zwar möglich ist, „jedem halbwegs begabten Hauptschüler innerhalb von zwei Minuten zu erklären, dass das Bedrucken von Papier den Wohlstand nicht hebt. Es ist indessen nahezu unmöglich, diese Einsicht einem Nationalökonomen zu vermitteln.“ Durch die Veranstaltung in der Bank Austria – insbesondere durch die Ausführungen deren Chefvolkswirts – wurde diese Erkenntnis auf eindrucksvolle Weise bestätigt.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Frankreich zwischen Macho-Großmaul und Retro-Sozialismus

24. April 2012 00:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es gibt viele Gründe, die für eine endgültige Abwahl von Nicolas Sarkozy sprechen. Es gibt nur einen einzigen Grund, der dennoch die (wahrscheinliche) Wahl seines Gegenkandidaten Francois Hollande zum noch größeren Alptraum macht: Sein Programm. Das ist nämlich noch viel schlimmer als Sarkozys Realität – für Frankreich und damit nach dem Prinzip „Mitgefangen, mitgehangen“ auch für alle Europäer. Wenn Hollande sein Programm auch nur ansatzweise umsetzen sollte, dann ist das ganze Euro-Europa mit Frankreich kaputt.

Daher wird der zweite Durchgang zwischen den beiden extrem spannend und für die Miteuropäer auch viel wichtiger als die amerikanische Wahl. Der Vorsprung Hollandes (28,6 Prozent) auf Sarkozy (27,2) ist extrem knapp. Da scheint zwar noch alles offen. Entscheidend wird aber das Verhalten der Anhänger von Marine Le Pen sein.

Die rechte Kandidatin hat mit 17,9 Prozent nicht nur das beste Ergebnis der Front National erzielt. Sie hat auch die Vorhersagen der Meinungsforscher lächerlich gemacht, die sie durchwegs deutlich niedriger eingeschätzt haben. Es ist aber schon seit Jahren ein politisches Naturgesetz: Rechte Wähler wählen nur in der geheimen Wahlkabine rechts, einem Meinungsforschungsinstitut gegenüber halten sie sich aber bedeckt. Denn sie fürchten sich vor der gesellschaftlichen Stigmatisierung durch ein politisches Outing.

Le Pens Wähler werden keineswegs geschlossen zu Sarkozy wechseln, wie manche oberflächliche Auguren meinen. Sarkozy steht zwar in der Ausländerfrage der Front National deutlich näher (und diese Frage ist für die Menschen im Unterschied zu vielen Medien wichtiger denn je). In Sachen Sparnotwendigkeiten, Sozialpolitik und Europa steht die Rechtspartei jedoch der radikalen Linken viel näher. Und umgekehrt.

Überdies gibt es auch bei Le Pens Wählern etliche, die Sarkozy als Person strikt ablehnen. Die Sprunghaftigkeit und Angeberattitüden des kleingewachsenen Mannes, der sich allzu lange allzu eng mit den Reichen und Schönen umgeben hat, nerven viele Franzosen. Auch das Kapitel Sarkozy und die Frauen war mehr dazu angetan, um bunte Hefte zu füllen als die Schar seiner Anhänger.

Noch schlimmer ist, dass sich Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit unter Sarkozy deutlich verschlechtert hat. Gewiss haben dazu viele kapitale Sünden früherer Linksregierungen beigetragen, wie die Arbeitszeitverkürzung oder der viel zu weitgehende Kündigungsschutz. Aber Sarkozy hat wie ein lateinischer Macho viel geredet (noch dazu mit ständig wechselnden Zielrichtungen); er hat jedoch trotz seiner fast unbegrenzten Macht wenig getan, um die Wettbewerbsfähigkeit der Grande Nation wieder zu verbessern.

Jetzt fällt es vielen Franzosen verständlicherweise ziemlich schwer, ausgerechnet in ihm den geeigneten Mann zu sehen, um Frankreich ein griechisches Schicksal zu ersparen. Die Zukunft erscheint ihnen sowieso düster, da hat für viele eine Generalabrechnung mit der Vergangenheit die erste Priorität.

Doppelter Scherbenhaufen für Merkel

Auch die Miteuropäer werden die erste (und einzige?) Amtsperiode Sarkozys keineswegs in guter Erinnerung behalten. War es doch er, der immer wieder großen Druck auf Angela Merkel ausgeübt hat, damit die zögerliche und innerlich unsichere Deutsche der wahnsinnigen Verschuldungspolitik des gesamten Euro-Europas zugestimmt hat. Die entscheidende und falsche Weichenstellung geschah ja im Frühjahr 2010, als Merkel der ersten Etappe der Megahilfe für Griechenland zugestimmt hatte.

Damals verlangten die gesamte Linke und damit die meisten Medien lautstark, dass das sozialistisch regierte Griechenland „gerettet“ werde (was natürlich angesichts der griechischen Zustände immer nur auf ein paar Monate gelingen konnte). Und dazu kam dann der gleichgerichtete Druck Sarkozys, der um die Kredite der französischen Banken und seine Wiederwahl bangte. Andere Länder wie Österreich haben ja seit Jahren überhaupt keinen Politiker, der europapolitisch mitsprechen oder auch nur mitdenken könnte.

Diesem Druck gab die harmoniesüchtige deutsche Bundeskanzlerin schließlich nach. Was sich von Tag zu Tag mehr als große Katastrophe herausstellt. Dieser erste große Fehler war dann der Vater aller weiteren: vom Ankauf dubioser Staatspapiere durch die EZB bis zum Neudrucken einer Billion Euro, vom „Stabilitätsmechanismus“ EFSF bis zum „Stabilitätsmechanismus“ ESM. Beide bringen keine Stabilität, sondern nur die ständig ausgeweitete Haftung aller Euro-Länder für die Schulden der anderen.

Die Ironie der Geschichte scheint es zu sein, dass nicht einmal der politische Hauptzweck dieser Aktion, also die Wiederwahl Sarkozys, erreicht werden dürfte. Damit droht Merkel die doppelte Blamage: einerseits die direkte und indirekte Haftung Deutschlands für die gesamte europäische Schuldenkonstruktion und dazu noch ein sozialistischer Präsident mit nostalgischen Politikideen im zweitwichtigsten Land der EU.

Denn so absurd es klingt: Eine Wiederwahl Sarkozys ist bei all seinen Fehlern noch immer die bessere Alternative als ein Amtsantritt Hollandes. Denn dieser hat sich im Wahlkampf so tief in linke Versprechungen einzementiert, dass er es sich politisch nicht leisten kann, alle zu vergessen.

Von den PIGS zu den FISPIG

Jedoch können sich weder Frankreich noch Europa eine Realisierung seiner Versprechungen leisten. Ob das nun die Bewahrung der von Sarkozy zuletzt (spät, aber immerhin) in Frage gestellten 35-Stunden-Woche ist oder eine Senkung(!) des Rentenalters oder eine Steigerung der Einkommensteuer auf 75(!) Prozent oder eine noch(!) lockerere Geldpolitik der EZB. Jede einzelne dieser Maßnahme würde Frankreich mit Garantie in die Gruppe der PIGS- oder PIIGS-Staaten reihen. Und lediglich Journalisten werden sich freuen, wenn sie dann über neue Abkürzungen wie FIPIGS oder SPIFIG oder FISPIG nachdenken können.

Die schon in breiter Front begonnene Flucht von Anlegern aus dem Euro-Raum wird sich bei einer Wahl Hollandes mit Sicherheit noch mehr beschleunigen. Und es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis die Anleger auch erkennen, dass selbst Deutschland kein sicherer Anker mehr sein kann. Aus dem Bett, in das sich Merkel mit Sarkozy gelegt hat, kommen Deutschland und mit ihm Europa auch dann nicht mehr heraus, wenn dort plötzlich ein Monsieur Hollande vom alten, längst in Konkurs gegangenen sozialistischen Schlaraffenland träumt.

Auch der niederländische Anker reißt

Diese vielen Fehler der letzten Jahre führen nicht nur in Frankreich, sondern schon reihum zum Zusammenbruch der beteiligten Regierungen. Ist doch fast zeitgleich zum französischen Wahltag auch die Regierung der Niederlande kollabiert. Immerhin sind die Niederlande nach Deutschland der zweitgrößte Stabilitätsanker im Euroraum.

Auch dort hat sich wie bei Le Pen gezeigt, dass die rechtspopulistischen Parteien – in den Niederlanden unter Führung des charismatischen Geert Wilders – nicht für die unpopulären, aber notwendigen Sanierungsmaßnahmen bereitstehen. Selbst wenn man ihnen in Sachen Migrationspolitik in fast allem recht gibt, erweisen sie sich stabilitätspolitisch als ebenso unverantwortlich wie die linken Parteien.

Denn sie alle lehnen jene Sanierungsmaßnahmen ab, die absolut unvermeidlich sind: egal ob man in der EU beziehungsweise im Euro bleibt oder nicht. Wilders wie Le Pen gaukeln den Wählern vor, dass diesen ein neuer Protektionismus, ein Abschließen der Grenzen etwas nutzen würde. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Protektionismus hat jedes Land langfristig verarmen lassen.

Bei einem währungspolitischen Alleingang eines Eurolandes wird ein Programm der Schmerzen für dieses Land sogar mit Sicherheit noch viel zwingender: Denn es verliert damit sofort an jeder Kreditfähigkeit. Es muss daher auf jedes weitere Schuldenmachen verzichten und sämtliche Sozialausgaben drastisch straffen; und seine Bürger werden viel länger arbeiten und auf Vieles von dem verzichten müssen, was Sozialdemokraten und Gewerkschaften ihren Anhängern als dauerhafte Errungenschaften verkauft hatten. Ein Land, das das nicht tut, landet in der Mega-Inflation, die in Europa schon einmal Massenelend und eine kriegerische Mega-Katastrophe ausgelöst hat.

Das gleiche Ergebnis brächte die Politik Hollandes und vieler europäischer Sozialdemokraten. Deren Kern: Statt Sparen Geld drucken.

Peinliche Medien-Begeisterung für Melenchon

Hinter der großen europa- und stabilitätspolitischen Bedeutung der französischen Wahl hat der erste Durchgang aber auch ein erfreuliches Waterloo für viele Medien gebracht. Haben sich diese in ihrem linken Fanatismus doch in großer Zahl für den linksradikalen Kandidaten Jean-Luc Melenchon begeistert. Nach dem ersten Wahldurchgang ist der Mann jedoch mit 11,1 Prozent weit abgeschlagen an vierter Stelle gelandet, nur knapp vor dem schillernden Zentristen Bayrou (9,1).

Mit Melenchons Sprüchen von 100-prozentigen Einkommensteuern ab einer bestimmten Grenze kann man zwar bei der wenig intelligenten französischen Intelligenz ein wenig punkten; diese ist  ja noch mehr als die anderer europäischer Länder von spätpubertärer Revolutionsgeilheit geprägt. Aber die Mehrheit der Franzosen ist doch ein wenig vernünftiger. Dies hatten ja auch schon die Wahlgänge nach dem Jahr 1968 gezeigt: Damals errang die Rechte große Wahlsiege, nachdem die linken Studenten und Arbeiter monatelang das Land mit ihren wilden revolutionären Aktionen lahmzulegen versucht hatten.

Der Sieg der Vernunft hat aber seine Grenzen. Auch die Franzosen greifen noch immer nach jedem Strohhalm, der ihnen eine Alternative zu den furchtbaren Schmerzen einer Sanierung zu bieten scheint. Und wenn man damit zugleich einem verachteten Macho namens Sarkozy eine Ohrfeige geben kann, dann wird eben ein Papier gewordener Anachronismus namens Hollande zum Favoriten für das französische Präsidentenamt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com. 

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Auch im Ausland glänzt lange nicht alles

22. April 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wer die ganze Woche lang glauben mochte, das Tagebuch fände nur in Österreich Dummheiten oder auch Lobenswertes, der wird heute wieder mit der Außenwelt konfrontiert. Denn auf Dummheiten stößt man beispielsweise auch in internationalen Organisationen oder in Deutschland. Dort gab es in den letzten Tagen aber auch Mutiges, Kluges und Lobenswertes zu beobachten. Alles verblasst aber hinter der großen Sorge um Europa.

Den Spitzenplatz an Dummheit hat diese Woche die OSZE errungen. Lobte sie doch tatsächlich die russische Ankündigung, einen neuen staatlichen Fernsehsender schaffen zu wollen. Dies wäre eine „Stärkung der Demokratie“. Na dann, noch ein paar solche Sender und Russland ist endgültig demokratisch! Wird doch der Intendant des so gelobten Senders von einem gewissen Wladimir Putin ernannt. Und hat doch dessen Vorgänger Dimitri Medwedew schon versichert, dass der staatlich Einfluss auf den Sender nicht „exzessiv“ sein muss (wohl ungefähr so, wie der des Werner Faymann auf den ORF, der in seiner Großzügigkeit beispielsweise dem Sport völlig freie Hand lässt). Was soll man sich da noch sorgen?

Bald dahinter folgt die deutsche Opposition. Hat sie doch vehement dagegen gekämpft, dass die deutsche Bundeswehr somalische Piraten auch an Land verfolgen darf, und sei es auch nur durch Flugzeuge (die Regierungsmehrheit hat sich zum Glück dennoch getraut, solche Landeinsätze zu beschließen). Fazit bleibt damit: Rotrotgrün will, dass sich diese Verbrecherpartien, die seit längerem auf hoher See eher vergeblich von Nato-Schiffen gesucht werden, weiterhin jederzeit in ein Leo, in einen sicheren Hafen zurückziehen können. Wo sie dann in aller Ruhe die Beute aufteilen können, wo sie dann Lösegeld für die genommenen Geiseln erpressen können. Freuen wir uns, wie human die Linke ist, die sich so herzlich um Piraten sorgt - zumindest um solche, die ihnen nicht die Stimmen wegnehmen, sondern nur Menschen entführen!

Etlichen Mut muss man dem CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder attestieren. Hat der doch den Satz zu formulieren gewagt: „Der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität in Deutschland, und gehört somit nicht zu Deutschland.“ Womit Kauder seinem unglückseligen Parteifreund a.D. Christian Wulff frontal widersprochen hat. Kleine Rückkehr nach Österreich: Vielleicht kommt auch die ÖVP wieder drauf, dass es einer Partei gut ansteht, über Tradition und Identität nachzudenken und sich nicht vor dem üblichen, aber an den Lesern völlig vorbeigehenden Gekläff politisch korrekter Journalisten zu fürchten? Das steht vor allem jener Partei gut an, die nur überleben kann, wenn sie den großen konservativen Wählerstock hinter sich hat.

Mutig ist auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gewesen. Hat es doch gewagt, dem ständigen politmedialen Gejammere über die angeblich so große Armut nachzugehen. „Armutsgefährdet“ – was schlampige Journalisten gerne auf „arm“ verkürzen – ist nämlich nach einer recht willkürlichen Definition jeder, der weniger als 60 Prozent des (Median-)Durchschnitts verdient. Was schon an sich absurd ist: Denn selbst wenn alle Menschen über Nacht doppelt so viel verdienen sollten, würde sich die so berechnete Armuts-Zahl nicht um eine Kommastelle ändern. Aber dennoch genügt die Nennung einer hohen Zahl angeblich Armer, um uns kollektiv und ständig schlechtes Gewissen zu machen. Nun aber hat das IW nachgewiesen, dass sich unter den „Armen“ viele wirklich Reiche verbergen. Denn „arm“ sind auch die Besitzer von Immobilien oder Wertpapierschätzen, weil sie ja kein messbares Arbeitseinkommen haben. Jeder sechste Arme besitzt dieser Studie zufolge ein nennenswertes Vermögen. Was einige Fanatiker nicht hindern wird, weiterhin ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle zu fordern.

Klugheit setzt sich langsam auch bei den Aktionären durch, zumindest in Amerika: Jene der Citigroup haben nun bei der Hauptversammlung mehrheitlich die üppigen Bezüge der Vorstände abgelehnt. Diese waren angesichts eines verlustreichen Jahres provozierend hoch angesetzt. Womit sich endlich die richtigen Akteure um die Vorstandbezüge zu kümmern beginnen. Denn niemand anderer als der Aktionär ist das Opfer, wenn das Management zu hohe Bezüge bekommt. Er ist aber auch genauso das Opfer, wenn angesichts zu niedriger Bezüge nur noch die zweite Garnitur eine Unternehmensführung zu übernehmen bereit ist. Daher ist hier jeder staatliche Eingriff ein Unsinn. Sehr wohl aber muss der Staat den kleinen Aktionären zu mehr Stimmgewicht verhelfen, wenn sich ein Oldboys-Netzwerk aus Aufsichtsräten, Vorständen und Großanlegern gegenseitig üppiges Geld zuzuschieben versucht.

Extrem besorgniserregend ist hingegen das, was sich seit einigen Tagen an den internationalen Finanzmärkten abspielt. Dort hat eine Reihe internationaler Staatsfonds (über die etwa China oder die Golfländer das viele durch Exporte erwirtschaftete Geld wieder anlegen) und Hedge Fonds Europa offenbar endgültig den Rücken zugewendet. Sie wollen in diesem Kontinent auf etliche Zeit kaum noch Anleihen kaufen. Sie haben ihre Gelder besonders aus Spanien im Expresstempo abgezogen. Lediglich Deutschland ist ihnen noch voll vertrauenswürdig. Irgendwie seltsam: Was haben die Europäer doch noch vor kurzem moralistisch über die spekulativen Hedge Fonds geschimpft! Welch strenge Vorschriften haben sie doch hochmütig den Staatsfonds der Schwellenländer zu machen versucht, wo diese anlegen dürfen und wo nicht! Jetzt legt man all diesen Fonds den roten Teppich aus, und doch will keiner mehr über diesen gehen.

 

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Europa darf kein Kontinent von armen Leuten werden

21. April 2012 23:42 | Autor: Helmut Graser
Rubrik: Gastkommentar

Ein Gespräch mit Richard Sulik, dem ehemaligen slowakischen Parlamentspräsidenten und Vorsitzenden der Partei SaS, über Flat Tax, EU und Slowakei und warum er bei den österreichischen Steuerzahlern noch ein Bier gut hat.

Richard Sulik ist Vorsitzender der Partei SaS (Slobodna a Solidarita, Freiheit und Solidarität) in der Slowakei. Von ihm stammt das Konzept für die 19 Prozent Flat Tax, die von der Regierung Mikulas Dzurinda 2004 eingeführt wurde. Der studierte Ökonom begann seine politische Karriere als Berater des damaligen Wirtschaftsministers Ivan Miklos. Die Partei SaS trat 2009 erstmals bei einer Wahl an, verfehlte aber bei der Europawahl den Einzug in das Europäische Parlament. Nach der slowakischen Parlamentswahl 2010 war die SaS Teil einer Mitte-Rechts-Regierung, Sulik wurde Parlamentspräsident.

Das Regierungsbündnis zerbrach an der Frage des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) bzw. des EFSF. Hatte sich ursprünglich die gesamte Regierung gegen einen dauerhaften Rettungsschirm ausgesprochen, änderten die Parteien SDKU und KDH (beide auf europäischer Ebene Teil der Europäischen Volkspartei EVP) ihre Meinung und stimmten gemeinsam mit der sozialistischen Partei Smer dafür. Seit der Neuwahl in der Slowakei im März dieses Jahres ist die SaS in Opposition. Richard Sulik, der zum Teil in Deutschland aufgewachsen ist, ist außerhalb der Slowakei vor allem durch deutsche Talk-Shows zur Frage der Griechenlandhilfe und des sogenannten Euro-Rettungsschirms bekannt geworden.

In der Slowakei waren vor kurzem Wahlen. Wie interpretieren Sie das Wahlergebnis?

Die Sozialisten haben grandios gewonnen. Es gab zwei Hauptgründe. In erster Linie war es die Zerstrittenheit innerhalb der Rechtsparteien. Premierministerin Iveta Radicová hatte in ihrer eigenen Partei keinen Rückhalt mehr. Zweitens gab es diese Unterwürfigkeit gegenüber Brüssel. Ich kann das verstehen im Jahre 1998. Das war nachdem wir Vladimír Meciar hatten. Wir waren auf dem besten Wege nach Weißrussland.

Dann kam Dzurinda, ein junger frischer Politiker, und hat gesagt: „Ich werde euch zurück nach Europa bringen. Ich sorge dafür, dass Me?iar wegkommt und ich werde Reformen machen." Ich kann verstehen, dass damals alles der Priorität „wir wollen in die EU und in die NATO“ untergeordnet wurde. Aber in den vergangenen vierzehn Jahren hat sich die Situation geändert. Es ist jetzt eben an der Zeit, vielleicht ein bisschen mehr Selbstbewusstsein an den Tag zu legen und auch manchmal zu fragen: Ist das wirklich gut für uns und warum sollen wir dem zustimmen?

Zum Beispiel der Erweiterung des Schutzschirmes.

Das ist ein sehr gutes Beispiel. Denn die Slowakei zahlt nämlich am meisten, wenn alle Garantien schlagend werden. Im Durchschnitt muss ein Deutscher 120 Stunden für diese Verbindlichkeiten arbeiten, ein Slowake aber 300 Stunden. Da ist ein Unterschied. Der zweite Grund war, dass es auf der linken Seite nur eine einzige Partei gibt, die gekommen ist und gesagt hat: „Wählt mich. Ich verspreche euch Stabilität und Sicherheit."

Welche Rolle hat die Gorilla Affäre gespielt?

Gorilla ist ja nicht die Gesamtaufnahme der Korruption innerhalb der vergangenen zehn Jahre, sondern eine Momentaufnahme zu einem gewissen Zeitpunkt, Ende 2005, Anfang 2006. Und das ist der dritte Grund für das Wahlergebnis.

Noch einmal zurück zu dieser Entscheidung betreffend des Rettungsschirmes. Sowohl Miklós, als auch Radicová selbst waren ursprünglich eher auf Ihrer Linie.

… voll. Das war unsere gemeinsame Linie. Aber irgendwann haben sie ihre Meinung geändert. Wenn ich mit Miklós (Finanzminister der Regierung Radicová, Anmerkung) spreche, sagt er mir: „Jaja, du hast vollkommen recht mit deinen ökonomischen Argumenten". Sage ich „Na gut, dann sage bitte du mir einen Grund, warum wir das trotzdem tun sollten?". „Ja, weil das ist Geopolitik." Das ist alles? Geopolitik.

Klingt gut und keiner versteht etwas von Geopolitik.

Ja, eben. Dann braucht man nicht mehr argumentieren. Dann habe ich ein anderes Mal mit Dzurinda gesprochen: „Wenn wir das ablehnen, würde Brüssel doch eine andere Lösung finden, und zwar recht schnell.“ Sagt er: „Ohne Frage, innerhalb von drei Tagen, aber dann würde Radicová in Brüssel keiner mehr die Hand reichen". Sage ich: „Na gut, für 7,7 Milliarden einmal nicht die Hand reichen …“

Und da kam kein Druck auf Sie, dem Rettungsschirm zuzustimmen? Die Liberalen im Europäischen Parlament sind ja auch voll auf dieser Linie?

Ja, was ich nicht verstehe. Die haben mir einen Brief geschrieben. Auch Westerwelle, ebenfalls von einer liberalen Partei, hat mich angerufen und gesagt: „Herr Sulik, ich bin sicher, sie werden sich richtig entscheiden." Sage ich: „Haben Sie keine Angst. Wir werden das bestimmt richtig entscheiden." Darauf hat er nicht gewusst, was er sich denken soll. Also mich überrascht das bei den Liberalen – was weiß ich, sind wir keine liberale Partei?

Da gibt es viele Interpretationen.

Also ich interpretiere das so: Wir sollten für mehr Freiheit kämpfen. Die rechts sind, kämpfen für mehr unternehmerische Freiheit, die die liberal sind, kämpfen für mehr persönliche Freiheiten. Deswegen ist unsere Partei eine rechtsliberale Partei. Zu mehr persönlichen und unternehmerischen Freiheiten gehört, weniger Steuern zu zahlen.

Das war ja eines der Erfolgsmodelle der Slowakei. Erinnern wir uns, als Dzurinda bzw. Miklós die 19 Prozent Flat Tax eingeführt haben.

Ja, das war ich. Der Miklós war dagegen und ich war sein Berater damals. Und dann ist es irgendwie gelungen.

Das war ein massives Argument auch in Österreich für die Senkung der Steuern. Österreich ist damals auf 25 Prozent bei der Körperschaftssteuer gegangen. Das wäre ohne 19 Prozent in der Slowakei nicht gekommen.

Dann habe ich ein Bier gut beim österreichischen Steuerzahler.

Mindestens eines. Das müssen wir aber in der Slowakei trinken, da ist weniger Steuer drauf.

(Lacht): Ich habe mir einmal das deutsche Steuersystem angeschaut. Die haben das noch komplizierter. Und dann kommt noch der Herr Eichel (ehemaliger SPD-Finanzminister Anm.) und sagt: „Eine komplexe Wirtschaft braucht ein komplexes Steuersystem". Also das würde ich zum dümmsten Spruch des Jahres küren.

Rechnen Sie damit, dass sich das System in der Slowakei jetzt ändert unter Fico?

Ja. Er will die Flat Tax abschaffen. Aber wissen Sie, das sind die Sozialisten. Die haben das Geldausgeben – Geld von anderen Leuten – im Blut.

Aber die Leute scheinen das zu schätzen. Es ist irgendwie bequemer.

Ja, aber das ist zu billig. Es wird die gesamte slowakische Wirtschaft schädigen. Nicht nur, dass ich davon überzeugt bin, wir haben ja bereits Erfahrungen. Wir haben den Steuersatz gesenkt und innerhalb von zwei Jahren hat sich die Steuergrundlage fast verdoppelt. Sie ist um 92 Prozent angestiegen. Werden die Steuern erhöht, wird sie eher sinken als weiter ansteigen.

Es mehren sich Stimmen, die eine stärkere Entwicklung der EU in Richtung „Vereinigte Staaten von Europa“ befürworten. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich sehe das aus zwei Gründen negativ: Denken wir zurück an die Grundidee der Europäischen Union. Zuerst war das eine Organisation zur Sicherung des Friedens. Das ist vollkommen gelungen. Also das ist für mich der wichtigste Grund, warum es gut ist, dass es die EU gibt und warum es gut ist, dass die Slowakei beigetreten ist. Und damals, als die EU entstanden ist, hat es diese vier Freiheiten gegeben: Freier Verkehr von Kapital, von Waren, Dienstleistungen und Personen. Man hat sich gesagt, wenn es mehr Freiheit gibt, dann werden die Leute mehr Handel treiben. Das war gut, solange man sich daran gehalten hat.

Dann kam aber immer stärker die Regulierung und jetzt es ist Europa eine Regulierungsbehörde. In der Lissaboner Strategie steht zwar, wir wollen die am dynamischsten wachsende Wirtschaft werden, gleichzeitig kommen aber Sozialschutz, Umweltschutz, und alles Mögliche. Die geben sich zehn zum Teil entgegengesetzte Ziele und wundern sich dann, dass die Strategie nicht aufgeht. Dasselbe wird mit der Strategie 2020 passieren. Wenn sich noch irgendwo etwas bewegt, dann wird es reguliert.

Die EU, da wo sie hätte zeigen können, dass es funktioniert, bei der Verteidigung oder bei der Außenpolitik, da ist doch von der Frau Asthon das ganze Jahr lang nichts zu hören. Die hat bereits ein Amt mit 4000 Beamten. Ich möchte wissen, was die machen. Die Slowakei und auch alle anderen Länder haben doch ihre Auslandsvertretungen, haben ihre Außenminister. Also wenn das richtig gut funktionieren würde, wäre das heute schon abgeschafft. Da könnten wir ein bisschen Geld sparen.

Würden Sie das akzeptieren, eine tatsächlich europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Kein slowakischer Außenminister mehr?

Ja, ich könnte mir das vorstellen. Ja, für die Slowakei könnte ich mir das vorstellen.

… die Franzosen werden das nie akzeptieren und die Briten noch weniger.

Ja gut, aber dann sollen sie nicht mit der EU spielen. Kein Spitzenpolitiker bewirbt sich freiwillig für ein Spitzenamt in der EU.

Da sieht man dann wo die wirkliche Macht ist.

Ja eben. Wenn wir also jetzt wirklich so tun, dass wir die Vereinigten Staaten von Europa wollen, dann vergleichen wir einmal mit den USA. Für die US-Präsidentenwahl, da gibt es einen richtig Andrang und einen richtigen Kampf. Aber Herr Van Rompuy, der entsteht einfach so. Da haben sich zwei, drei Leute geeinigt und haben das mit 20 andern abgesichert und dann ist er auf einmal gewählt.

Der kleinste gemeinsame Nenner.

Ja. Einer, der nicht zu viel eigene Meinung hat und nicht zu viel stört und auf jeden Fall gehorcht.

Mit der Eurokrise gab es auch den Vorschlag der Trennung in Nord- und Südeuro.

Es gibt keinen ökonomischen Grund, warum die Südländer das machen sollten. Was Griechenland helfen würde ist, dass sie sofort aussteigen und ihre eigene Währung einführen. Übrigens, Griechenland war ja schon einmal in einer Währungsunion mit Italien und anderen Ländern und hat dort ständig Schulden gemacht. Die anderen Länder sind deswegen ausgestiegen. Man muss die Griechen sich selbst überlassen.

Rechnen Sie damit, dass der Euro hält, oder fällt die Euro-Zone auseinander?

Das ist eine gute Frage. Sie wird bestimmt nicht auseinanderfallen, wenn Griechenland aussteigt, dann wird der Euro fester werden. Wir werden gewinnen, wenn Griechenland, vielleicht Portugal aussteigen. Nur Spanien, ich denke, das ist einfach von der Größe her nicht zu bewältigen, dass Spanien aussteigen kann, Italien schon gar nicht. Dann kann es passieren, dass eben die Nordländer sagen „Ok, wir gehen jetzt". Und wenn zwei Euro-Zonen entstehen, ist das ein Auseinanderfallen des Euro? Wahrscheinlich ja. Wissen Sie, es ist die Frage, wie man es definiert. Dass alle 17 Länder zu ihrer nationalen Währung zurückkehren halte ich für recht unwahrscheinlich aus heutiger Sicht.

Das würden Sie aus Sicht der Slowakei nicht anstreben?

Die Euro-Zone hat ja schon ihre Vorteile, nur die Regeln müssen endlich eingehalten werden.

Immer mehr Kapitalismuskritiker freuen sich über das Scheitern des Finanzkapitalismus und propagieren verschiedene alternative Wirtschafts- und Geldsysteme. Was halten Sie davon?

Ich habe ein mulmiges Gefühl, wenn ich mir die realen Warenströme im Vergleich zu den Finanzströmen ansehe. An einem Tag werden beispielsweise 20 Milliarden an Waren umgesetzt und 900 Milliarden an irgendwelchen Krediten, Swaps, Optionen usw. Noch vor 20 Jahren hat sich das ungefähr gedeckt. Dass man deshalb aber alles verbieten muss, da bin ich mir nicht sicher. Ich denke, man muss die Regeln einhalten. Beispielsweise die Regel, dass, wenn die Gewinne privatisiert werden, die Verluste nicht sozialisiert werden dürfen. Man macht es aber leider, bei riesengroßen Pleiten heißt es dann immer „too big to fail“.

Bankenrettung ist ein gutes Stichwort. Das Argument sind dann die unabsehbaren Folgen, der Bank-Run, man weiß nicht, wie die Bevölkerung reagiert.

Da haben die Politiker nicht den Mut. Das muss man als Tatsache zur Kenntnis nehmen. Deswegen können wir uns durchaus eine Regulierung vorstellen, eine vernünftige Regulierung der Finanzmärkte.

Der vor kurzem verstorbene Ökonom Roland Baader hat in einem seiner letzten Interviews gemeint, eine private Parallelwährung sollte eingeführt werden.

Die Nationalbanken oder die EZB die sind da sehr streng. Die bewachen ihr Monopol sehr streng und verbieten Parallelwährungen. Ich würde das durchaus erlauben. Wenn beispielsweise meine Bank eine Parallelwährung, gedeckt mit Gold und Immobilien oder mit irgendwelchen Werten, einführt, würde ich nicht eingreifen. Aber das darf man ja nicht. Wenn jetzt alle Länder auf einmal auf den Goldstandard umstellen würden, dann wäre das wahrscheinlich eine gute Idee. Wenn das aber ein Land macht, dann endet das langsfristig beim Beispiel Schweiz.

Die kommen dann unter Aufwertungsdruck.

Ja, sehr stark. Wobei ich nicht verstehe, warum die nicht einfach Franken drucken und dafür Gold kaufen. Jetzt wird der Franken immer stärker und wertet immer mehr auf. Ich würde so lange Gold aufkaufen, bis das aufhört. Wenn er anfängt unter eine gewisse Grenze zu fallen, dann würde ich das Gold wieder verkaufen und auf diese Weise die gedruckten Franken wieder aus dem Umlauf nehmen.

Die Österreicher, wenn wir jetzt von der ökonomischen Schule sprechen, sagen ja überhaupt weg von Zentralbanksystemen hin zu rein privaten Währungen.

Naja, eine Zentralwährung hat schon viele Vorteile, und ist ja auch viel objektiver, wenn sie dann auch gedeckt ist mit Werten. Ich hätte das nie für möglich gehalten was jetzt in der EZB passiert. Zu Zeiten eines Wim Duisenberg war das wahrscheinlich ausgeschlossen. Da wird eine Billion Euro in den Markt gepumpt, das ist 15 Mal das slowakische Bruttoinlandsprodukt. Zu einem Prozent für drei Jahre. In drei Jahren machen sie es wieder, da bin ich überzeugt davon.

Wenn nicht schon früher.

Ja.

Das bedeutet Inflation.

Ja.

Also eigentlich genau das was man vermeiden wollte, was die Maastricht-Kriterien mit den strengen Regeln für die EZB verhindern sollten, wird jetzt durch die Politik der EZB eingeführt.

Genau. Inflation und Abwertung gegenüber anderen Währungen. Da höre ich schon die Leute: „Naja, die Exporte werden billiger, die Importe teurer, das ist doch gut." Aber man bestiehlt doch die eigenen Leute. Wenn das gut ist, na gut, dann binden wir doch unsere Währungen an die chinesische Währung, weil die ist doch so stark unterbewertet. Aber hier werden die eigenen Leute bestohlen. Irgendwann wird Europa ein Kontinent von armen Leuten sein, die sich nichts aus dem Ausland kaufen können, die nicht ins Ausland verreisen können. Also das wollen wir ja nicht.

Früher haben die Regierungen das Vermögen ihrer Bürger durch Kriege zerstört, jetzt zerstören sie es durch Inflation.

Ja. Man bestraft vor allem die Leistungsträger. Aber auch die einfachen Leute.

Noch eine Frage zur Wirtschafts- und Steuerstruktur der Slowakei. Wissen Sie, wie viele Prozent der Leute noch Netto in das System einzahlen? Wir haben in Österreich weniger als ein Viertel, die noch netto in das System einzahlen. Das heißt, es ist systemisch unmöglich, dass eine Partei eine Mehrheit bekommt, die das System umdrehen würde.

Die Zahlen werden ähnlich sein. Wir haben 5,4 Millionen Einwohner, 2,3 Millionen arbeiten, aber da müssen Sie die abziehen, die Nettoempfänger sind. Ich denke das Steuersystem sollte keine Sozialfunktionen haben. Als ich noch zur Schule ging hieß es, das Steuersystem hat eine wirtschaftspolitische Funktion, eine sozialpolitische Funktion, eine Investitionsfunktion und den ganzen Mist. Das ist einfach nicht wahr. Das Steuersystem ist da, um Geld von den Leuten aufzutreiben. Also sollte es gerecht sein, neutral, einfach und wirksam. Wissen Sie, die Politiker spielen gerne. Im wirklichen Leben wären die meisten Politiker nicht in der Lage, einen Kiosk zu führen, und dann spielen sie gerne mit großem Geld. Vor allem mit fremdem Geld.

Sie sind aber auch Politiker.

Naja gut, aber ich sehe mich nicht als Politiker …

… als Quereinsteiger?

… schon eher als Ausnahme. Ich bin eher der Beschützer der Steuerzahler.

Das Gespräch führten Helmut Graser (Unternehmensberater in Wien und Herausgeber des Echos) und Rainhard Kloucek (Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich) für die nächste Ausgabe des „ECHO der himmelschreienden Diskriminierung österreichischer Steuerzahler“ (siehe www.conwutatio.at).

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SN-Kontroverse: Arbeitszeitverkürzung

20. April 2012 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Ist eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung sinnvoll?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Kürzer arbeiten ergibt Sinn

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

In Österreich ist die Arbeitszeit eigenartig verteilt. Allein im dritten Quartal 2011 wurden laut Eurostat 5,5 Millionen Überstunden geleistet - und das zu knapp einem Viertel unbezahlt. Bereits jetzt arbeiten 1,1 Millionen Menschen nur 38,5 Stunden pro Woche, während für die anderen die Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden gilt. Etliche arbeiten aber noch sehr viel länger. Es ist daher hoch an der Zeit, über eine Verkürzung der Arbeitszeit nachzudenken. Sie würde mehr Gerechtigkeit schaffen und ist eine Maßnahme, die ökonomisch durchaus Sinn ergibt. Mit der Reduzierung der Wochenarbeitszeit könnte die Zahl der Arbeitslosen gesenkt werden. Im Jahresdurchschnitt 2011 lag die Arbeitslosenquote bei 4,2 Prozent. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts würden durch eine Arbeitszeitverkürzung um zehn Prozent mittelfristig 130.000 Beschäftigte gewonnen. Steigt die Beschäftigung, steigt auch die Kaufkraft. Letztlich wird also die Konjunktur angekurbelt. Weniger Wochenarbeitsstunden bedeuten außerdem eine geringere Belastung für das teure Gesundheitssystem. Gerade immer häufiger auftretende Überlastungserscheinungen wie Burn-out könnten verringert werden; die Betriebe würden profitieren, wenn die Mitarbeiter seltener in den Krankenstand gehen. Ein besseres Verhältnis von Arbeits- und Freizeit bedeutet enormen Gewinn an Lebensqualität. Vereinbarkeit von Beruf und Familie wäre nicht mehr so schwierig zu bewerkstelligen. Frauen hätten weniger Karrierebarrieren zu überwinden; Männer könnten stärker in das Familienleben eingebunden werden. Die Arbeitszeitverkürzung ist bei vollem Lohnausgleich möglich. Denn die Produktivität ist enorm gestiegen. Die Arbeitszeitverkürzung ist leistbar, sie ist vernünftig und bringt Vorteile für alle.


Lasst den Menschen doch ihre Freiheit!

Andreas Unterberger

 Oberösterreichs Sozialdemokraten werben für eine zwangsweise Arbeitszeitverkürzung mit der an sich richtigen Parole: "Zeit für sich, die Familie und die persönlichen Leidenschaften zu haben, bereichert das Leben ungemein." Genau deshalb wurde in den letzten Jahren ja auch die Möglichkeit der Teilzeitarbeit ausgebaut, mit großem Zuspruch. Das Absurde aber ist: Genau diese Teilzeitarbeit wird von der SPÖ vehement bekämpft! Zugleich mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. In Wien geschieht dies sogar mit Plakaten auf Steuerzahlerkosten.

Weiß diese Partei noch irgendwie, was sie will? Letztlich will sie wohl nur eines: ständig noch mehr in unser Leben eingreifen und es reglementieren, damit die Politik ständig noch mehr Macht erhält. Gleichzeitig ist es der Partei völlig gleich, dass dabei der umzuverteilende Kuchen kleiner wird.

Die Menschen wollen diese Reglementierungen aber nicht. Sie wollen sich frei entscheiden können. Die einen wollen sich primär ihren Familien oder "Leidenschaften" widmen, die anderen wollen Karriere machen und viel verdienen. In einem freien Land sollte jeder das tun können, was er will. Und nicht das tun müssen, was Politiker wollen.

Wenn die Linke aber den Menschen vorgaukelt, dass alles zugleich möglich wäre - viel verdienen und zugleich wenig arbeiten -, dann sollte sie sich in Frankreich umschauen: Dort haben von ihr durchgesetzte Arbeitszeitverkürzungen heute katastrophale Folgen. Was die linken Theoretiker in ihrem papierenen Wolkenkuckucksheim nämlich nicht begreifen: Europa steht im beinharten Wettbewerb mit den boomenden (weit länger als 35 oder 38 Stunden arbeitenden!) Ländern Asiens, den der alte Kontinent zunehmend verliert. Noch ein paar so linke Projekte, dann ist der Wettbewerb endgültig entschieden, und Europa in einer jahrzehntelangen Rezession.

 

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Rezension: Occupy Money

17. April 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Kennen Sie den alten Kalauer, in dem die Frage nach den drei dünnsten Büchern der Welt gestellt wird? Die Antwort lautet:
Sammlung italienischer Heldensagen
Alle Rezepte der englischen Küche
Die amerikanische Kulturgeschichte
Mit Occupy Money mutiert dieses Trio nun zum Quartett.

Von der Umschlagrückseite des dürren Bändchens trifft uns der gütige Blick der in der „DDR“ geborenen Autorin, Margrit Kennedy, die als „bekannte Geldexpertin“ vorgestellt wird. Im Buchinneren erfahren wir, dass es sich um eine Architektin, Städte- und Regionalplanerin handelt. Wer, wenn nicht eine Architektin, so fragt man sich, wäre eher dazu berufen, uns in die Geheimnisse des Geldwesens einzuweihen? Wer indessen Aufklärung in Fragen zur Statik von Hängebrücken erheischt, wendet sich im Gegenzug vertrauensvoll an einen Soziologen. Akademische Bildung verleiht bekanntlich Universalexpertise…

Wie der Titel des schmalen Büchleins verrät, möchte Frau Kennedy etwas – nämlich das Geld (wohl unseres, denn ihr eigenes hat sie ja schon) – „In Anspruch nehmen“, „belegen“, oder „innehaben“ (leo.org). Sie hat nämlich, nachdem sie sich, eigenen Angaben zur Folge, schon 30 Jahre lang an der Frage abgearbeitet hat, was denn an unserem Geldsystem verkehrt ist, zum Ziel gesetzt, zur Geburtshelferin für ein „neues, wertbeständiges Geld“ zu werden.

Die Antwort auf die bohrende Frage, worin denn nun der Fehler im rezenten Geldsystem besteht, wird – um die Spannung des Lesers nicht ins Unerträgliche zu steigern – gottlob bereits auf der ersten Seite des Vorworts gegeben. Es ist – erraten! – der Zins. Wer hätte das gedacht? Mit erfrischender Chuzpe stellt die Autorin ohne alle Umschweife klar, dass ihr scharfer Blick für das, was sie für die Wahrheit hält, aus dem Umstand resultiert, von keinerlei Sachkenntnis getrübt urteilen zu können.

So macht sie sich etwa daran – gestützt auf das abgelutschte Klischee vom Josephspfennig – die Perfidie des Zinseszinseffekts „nachzuweisen“, der langfristig angeblich jedes Geldsystem zusammenbrechen lässt. Dass Zinseszinsforderungen nur dann entstehen, wenn der Debitor nicht einmal die Zinsforderungen bedient (was gewöhnlich nur bei hochgradig dubiosen Schuldnern der Fall ist), bleibt unerwähnt. Auch die in Kreisen von auf dem Gebiet der Nationalökonomie dilettierenden Laien beliebte Herstellung einer Verbindung des Geldsystems mit „Krebszellen“ fehlt nicht.

Dass das derzeit herrschende Schuldgeldsystem selbstverständlich jene staatsnahen Klüngel begünstigt, die am großen Rad drehen, wird von der Autorin zwar richtig erkannt; indes folgen dem korrekten Befund aber nicht die logisch richtigen Schlüsse.

Leider hat Kennedy sich nicht tief genug in die einschlägige Literatur vertieft, sonst wäre ihr kaum verborgen geblieben, dass der Zins keineswegs ein notwendigerweise mit der Existenz eines intermediären Tauschmittels (Geld) verknüpftes Phänomen ist, sondern vielmehr aus der Tatsache resultiert, dass Menschen die augenblickliche Verfügbarkeit einer Sache deren in der Zukunft liegenden Verfügbarkeit vorziehen. Die Differenz beider (Nutz-)Werte resultiert aus der individuellen Zeitpräferenz – das heißt, aus der Bereitschaft, auf den Erwerb und die Nutzung einer Sache zu warten. Folglich würden auch in einem geldlosen Tauschsystem Zinsforderungen nicht verschwinden, sondern eben in Natura eingefordert und abgegolten werden.

Indem sie betont, beim „zinsbasierten Geldsystem“ handle es sich um ein (willkürliches) „Konstrukt“, offenbart Kennedy ein beachtliches Defizit an ökonomischem Basiswissen. Denn noch niemals wurde – bis zum Übergang zu einem staatlich monopolisierten Schwundgeld – ein Geld- oder Zinssystem einfach am grünen Tisch beschlossen. Geld und Zins waren ursprünglich vielmehr das Produkt der „spontanen Ordnung“ (Hayek). Es lohnt an dieser Stelle nicht, die zum Teil recht kuriosen Einlassungen der Autorin in sämtlichen Facetten zu schildern. Alle führen am Ende in ermüdender Weise immer zur Zinskritik zurück.

Die "Lösungen" der Architektin

Wir kommen daher sofort zum furiosen Finale, das der Präsentation von Alternativmodellen gewidmet ist. Tauschringe und Regionalgeldsysteme sind durchaus konventioneller Natur und können – so lange sie nicht ins Radar des um seine Einnahmen bangenden Fiskus geraten – durchaus funktionieren.

Eher in die Abteilung „Skurriles“ sind Ideen à la Bildungs- oder Gesundheitswährung einzuordnen. Hier blüht der staatliche Paternalismus in Reinkultur. Die hoheitliche Regulierung privater Lebensbereiche soll mittels geldwerter Gutscheine oder (erzwungener?) Präventionsmaßnahmen ins Werk gesetzt werden.

Kennedys Vorliebe für die skurrile Gesell´sche Freigeldidee wird offenbar, wenn sie eine „globale Referenzwährung“ vorstellt, die sich auf eine hochkomplizierte Warenkorbdeckung und „Standkosten“ (das bedeutet einen Negativzins für Geldhalter!) stützt. Vollends in die kollektivistische Ecke gleitet die Autorin ab, wenn sie von einer „CO2-Währung“ schwadroniert, die „…jedem Menschen ein gesetzlich garantiertes, individuelles Teileigentum an der gemeinsamen Atmosphäre“ zuspricht.

Wenige Seiten später heißt es dann folgerichtig: „Wenn man es genau nimmt, gehört das Land auf dem wir leben, uns allen. Deswegen würde die Vergabe des Landes über Erbpachtverträge wesentlich größeren Nutzen stiften als der Privatbesitz an Land…“ Kommentar überflüssig. Wer das Privateigentum derart rabiat angreift, legt die Axt an die Wurzeln unserer Zivilisation. Hier probt Kennedy unverhüllt einen Aufstand gegen die Vernunft (K. Popper)!

Die für viele Intellektuelle typische Geringschätzung der Autorin für privates Eigentum und ihr kritikloser Glaube an die Überlegenheit kollektiver („demokratischer“) Entscheidungen – gerade in Geldangelegenheiten – sind schlagende Beweise für die Richtigkeit des Spruchs „Schuster bleib bei Deinen Leisten“. Um Geldexperte zu sein, reicht es nicht, zu wissen, dass man Geld zum Erwerb jenes Krauts benötigt, das man besser nicht in Unmengen rauchen sollte, wenn man gerade an einem Buch arbeitet.

Es bleibt zu hoffen, dass die von der Architektin Kennedy errichteten Bauwerke eine etwas höhere Belastbarkeit aufweisen als ihre Einlassungen auf dem ihr bis heute augenscheinlich fremd gebliebenen Terrain der Geldtheorie.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Occupy Money
Margrit Kennedy
J. Kampenhausen Verlag 2011
107 Seiten, broschiert
ISBN 978-§-89901-595-9
€ 10,30

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Sparen sollen die anderen

17. April 2012 00:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vom einstigen Staatsbankrott Argentiniens über die gegenwärtige Megakrise Spaniens bis zu Österreichs wachsenden Schuldenproblemen zieht sich ein blutige Spur: Während die Zentralregierungen irgendwann doch erkennen – wenn auch meist schon viel zu spät –, dass es mit der Big-Spender-Politik nicht mehr weitergeht, schmeißen die jeweiligen Provinzen weiter mit nicht eingenommenem Geld um sich. Das ist auch dann zutiefst provinziell, wenn die Provinzen beispielsweise Bundesländer heißen.

Diese Provinzialität hängt zum einen schon damit zusammen, dass in Provinz- und Landesregierungen in der Regel niemand mit einem sonderlichen volkswirtschaftlichen oder währungspolitischen Sachverstand sitzt. Ein solcher gehört ja nicht wirklich zur Job-Beschreibung, wenn jemand in die Regionalpolitik eintritt. Dort wird man meist nur dann erfolgreich, wenn  man möglichst viele Kreisverkehre, Kindergärten, Sommerfestivals oder Freizeiteinrichtungen eröffnet. Aber nicht, wenn man für Sparsamkeit, ausgeglichene Budgets und globale Wettbewerbsfähigkeit eintritt. Solche Eigenschaften werden von den Wählern – wenn überhaupt – dann höchstens nur bei Angehörigen von Zentralregierungen geschätzt.

Besonders schlimm wirkt sich der Provinzialismus aus, wenn sich die Provinz-Capos bei ihren Einnahmen nicht gegenüber dem Steuerzahler verantworten müssen, sondern nur beim jeweiligen Finanzminister ihr Geld zu holen haben. Wie es etwa in Österreich der Fall ist, wo (bis auf geringfügige Ausnahmen) der Finanzminister die Bürger sowohl für den Bund wie auch die Länder schröpft. Statt dass auch jede Landesregierung selber den Bürgern gegenüber ihre Einnahmen und Ausgaben rechtfertigen müsste.

Die Länder müssen in Österreich nur alle fünf Jahre das Verteilungsmatch gegen den Finanzminister gewinnen. Da gewinnt immer die Provinz. Dies schon deshalb – so absurd das eigentlich ist –, weil sie an politischer Artikulationsmacht neun Mal so viel Stimmgewicht haben wie der einsame Finanzminister. Das wird in den nächsten Wochen wohl auch Maria Fekter erleben. So wie ihre roten, blauen und schwarzen Vorläufer.

Sie hat es ja besonders schwer, weil sie gegen die Front der Landeshauptleute und Landesfinanzreferenten nicht einmal die Unterstützung des eigenen Bundeskanzlers hat. Dieser hält sich wie ein nur wenig interessierter Unbeteiligter abseits. Obwohl Werner Faymann eigentlich selber im Europäischen Rat der Regierungschefs die Verpflichtung auch zur Sparsamkeit der Bundesländer unterschrieben hat.

Bundesländer: Nur keine Sparregeln

Fekter will die Bundesländer zu dauerhaften Haushaltsregeln zwingen. Was die aber keinesfalls wollen. Damit machen die Landeshauptleute eines klar: Sie haben in keiner Weise verstanden, dass die Zeiten der Schuldenmacherei dauerhaft vorbei sind. Sie haben nicht verstanden, dass jedes einzelne Bundesland die Kreditwürdigkeit der ganzen Republik bedrohen kann.

Die Bundesländer hüllen ihre Sparunwilligkeit in einen Wust von Worten. So als ob es letztlich entscheidend wäre, was genau schon bei welcher Sitzung beschlossen worden ist. Es kann nur um eines gehen: Was ist notwendig und sinnvoll?

Noch absurder ist die Argumentation etwa des Wiener Landeshauptmannes, dass man zuerst wissen müsse, was man einnehmen werde, bevor man sich bei den Ausgaben zu Sparsamkeit verpflichten könne. Michael Häupl: „Man kann nicht künftige Ausgaben planen, ohne die Einnahmen zu kennen.“ Der natürlich gegebene Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben dürfte aber in einer logischen Welt nur dazu führen, dass man die Ausgaben stets anpassen oder so zurückhaltend planen muss, damit man stets mit den Einnahmen auskommt. Keinesfalls kann jedoch die Konsequenz aus diesem Zusammenhang sein, dass man bei den Ausgaben tun kann, was man will, weil halt niemand die Einnahmen im Voraus genau planen kann.

In der Volkswirtschaft und Konjunktur ist es eben nicht so wie bei Beamtengehältern, dass man schon zehn Jahre voraus genau weiß, was man verdienen wird (auch wenn die Wirtschaftsforschungsinstitute mit ihren aufs Zehntel Prozent genauen Prognosen diesen Eindruck zu erwecken versuchen – aber mit ihren Prognosen bekanntlich immer total falsch liegen).

Entmündigung als Ideallösung

Gewiss kann man den Fekterschen Plänen entgegenhalten, dass die Verdonnerung zu Strafzahlungen für ein schon überschuldetes Bundesland irgendwie kontraproduktiv ist. Die Exekution von Strafzahlungen ist in einem konkreten Anlassfall ökonomisch wie politisch kaum durchzustehen.

Aber die Alternative kann ja nicht darin bestehen, dass die Bundesländer weiterhin ungehindert sündigen dürfen. Die wahre und wirklich sinnvolle Alternative wäre es, ein unerlaubte Defizite produzierendes Bundesland zu entmündigen, ihm einfach bestimmte Ausgaben zu verbieten, das Land zum Abbau von Beamten und zum Verkauf von Landesbetrieben zu zwingen. So wie es ein Bundesland gegenüber einer bankrotten Gemeinde tun kann. So wie es die EU nun in ersten Ansätzen gegenüber sündigen Mitgliedsstaaten tut. Da aber die Bundesländer Niederösterreich, Kärnten und Wien auf Grund ihrer Schuldensucht als erste besachwaltert werden müssten, ist es klar, dass eine solche Konstruktion erst nach einer noch viel größeren Krise kommen wird. Derzeit sind die drei Landesfürsten in all ihrer dumpfen Engstirnigkeit die politischen Schwergewichte ihrer Partei. Und sie können dort alles verhindern.

Aber auch bei den nun diskutierten Plänen automatischer Strafzahlungen wird von den stolzen Plänen der Ministerin halt kaum etwas überbleiben. Die Landeshauptleute wollen nur eines: wiedergewählt werden und nicht sparen.

SPD-Hilfe für Fekter

Viel besser waren die Karten der Ministerin gegenüber der Schweiz. Da hat sie wider alle Prophezeiungen von Opposition und Skeptikern sehr rasch und schnell das Abkommen zur Besteuerung der Gelder von Auslandsösterreichern durchgebracht. Was ihr zusammen mit den zuletzt überraschend breit fließenden Steuereinnahmen hilft, das Defizit zu reduzieren (vom Schuldenabbau sind wir freilich noch weit entfernt).

Das ist ein schöner Erfolg für die hantige Oberösterreicherin. Fekter hat dabei zweifellos von dem populistischen Taktieren der deutschen Linksparteien profitiert, die vorerst das parallele Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz sabotieren. Sie lehnen – zumindest bis zu den nächsten Regionalwahlen – aus taktischen Gründen ein solches Abkommen ab. Das hat wiederum die Schweiz dazu motiviert, möglichst rasch und unkompliziert mit den Österreichern zu verhandeln, um so die Fronten der Gegner aufzuspalten.

Besser die Milliarde in der Hand als die reine Lehre auf dem Dach

Das Herumstänkern eines pensionierten Wiener Universitätsprofessors gegen ein solches Abkommen ist absurd. Denn die Alternative wäre lediglich, dass Österreich vorerst gar kein Geld bekommt. Statt eines Abkommens nur darauf zu warten, dass die EU eines Tages kollektiv die Schweiz dazu zwingen kann, die Namen und Daten aller ausländischen Kontobesitzer herzugeben, kann noch Jahre dauern. Wenn es überhaupt jemals so weit sein wird. In dieser Zeit würde kein Geld nach Österreich fließen.

Außerdem sind die meisten Gelder aus Österreich schon so lange in der Schweiz, dass alle Steuervergehen inzwischen verjährt sind. Daher würde auch eine konkrete Nennung der Namen von Geld-Flüchtlingen durch die Schweiz nichts bringen.

Echte Steuerhinterzieher haben in den letzten Jahren daher meist längst den Weg in asiatische und lateinamerikanische Destinationen angetreten. Wer heute Geld in der Schweiz hat, tut dies überwiegend nur noch deshalb, weil er darauf vertraut, dass dort das Geld sicherer angelegt ist als in Österreich. Und dass sich der Franken besser entwickeln wird als der Euro. Was beides keine ganz grundlosen Annahmen sind.

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Rettersyndrom mit Infrarot oder: Das Lob des Nichts-Tuns

10. April 2012 00:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist in 90 Prozent der Fälle das Beste und Richtigste, was Politiker tun sollten: Nichts. Aber gerade das fällt ihnen am schwersten. Weil sie doch wichtig sein wollen. Weil Nichts-Tun doch unpopulär klingt. Weil der elektronische und gedruckte Boulevard doch ständig nach hektischer Aktivität der Politik ruft. Gerade noch das Osterwetter hat man ihnen bisher nicht zur Rettung aufgehalst – während sie aber schon längst sogar das Weltklima ununterbrochen retten sollen und wollen.

Diese Klimarettung wird ja mit großer Sicherheit einst in die Geschichtsbücher als die große vielbelachte Skurrilität dieser Epochen eingehen. Ähnlich dem Glauben an den Weltuntergang rund um das Jahr 1000 oder ein paar Jahrhunderte später jenem an die Erde als Mittelpunkt des Weltalls.

Aber abgesehen vom Kriegführen haben die Politiker durch ihr Tun, durch ihre Einbildung, ständig etwas retten zu müssen, zweifellos in der Wirtschaft den größten Schaden angerichtet. Nur einige aktuelle Beispiele für verheerende Folgen des Rettungs-Wahns der Politik: So ermöglichte es die Rettung der ÖVAG (Österreichs oberster Volksbank) durch die Politik dem ganzen Volksbank-Sektor, sofort wieder aggressiv die Konkurrenz anzugreifen. Aus Tirol berichtet die Bank Austria etwa von einer Volksbank, die ihren Kunden zusammen mit der Wohnfinanzierung für zwei Jahre eine Eigenheimversicherung und dazu eine Infrarotkabine im Wert von 5390 Euro schenkt. Was unter normalen Umständen ein lustiger Wettbewerb ist, wird durch das Eingreifen des Staates kriminell.

Denn die Konkurrenz ist zu Recht empört: Bedient sich doch die Politik für ihre Rettungsaktionen zunehmend in den Kassen jener Banken, die überhaupt noch eine solche an Stelle eines riesigen Lochs haben. Das Maximalste, was die Politik bei der ÖVAG genauso wie bei der Hypo-Alpen-Adria tun hätte sollen, wäre es gewesen, eine geordnete Abwicklung sicherzustellen, also ein chaosfreies Zusperren.

Aber durch ihr ständiges manisches Helfersyndrom macht sie alles noch viel schlimmer. Wenn man nämlich verhindert, dass kranke Firmen sterben, wenn man diese zu Lasten der gesunden rettet, macht man eine ganze Branche kaputt. Und es gibt nur wenige Bankexperten, die nicht überzeugt sind, dass es in Österreich viel zu viele Banken gibt.

Schumpeters mutiges Rezept

Der große österreichische Ökonom Joseph Schumpeter hat daher auch schon vor über hundert Jahren das Hohelied der schöpferischen Zerstörung gesungen. Nur wenn man das Alte sterben lässt, kann Neues, Besseres, Zukunftsfähiges entstehen. Denn weder im Leben noch in der Wirtschaft kann es etwas Ewiges geben. Und so schmerzhaft es auch ist, wenn altvertraute Firmen und Arbeitsplätze untergehen, so sehr ist dieser Untergang doch notwendig, um den Wohlstand aller zu verteidigen.

Das hat auch die deutsche Politik nicht begriffen, so gut Deutschland – als Folge von zwei Jahrzehnten gewerkschaftlicher Lohnzurückhaltung – heute an sich im Vergleich zum Rest der Eurozone dasteht. Aber dennoch gilt: Auch Europas stärkstes Land wird sich noch ein paar Kapitalfehler wie die Rettung von Opel nicht leisten können. Opel war und ist einfach in dem mit gewaltigen Überkapazitäten ausgestatteten globalen Automarkt ebensowenig überlebensfähig wie Italiens Fiat.

Aber die Politik begreift das nicht. Oder sie traut sich nicht, es den Wählern zu sagen. Wie auch das nächste Beispiel zeigt: Vor allem die SPD, aber auch die CDU und die Grünen wollen nun mit Steuergeld die Drogeriekette Schlecker retten. Als ob es in Deutschland zu wenig solcher Ketten gäbe. Als ob die Konsumenten nur aus Blödheit Schlecker gemieden hätten.

Zum Glück hat die FDP bisher diese teure „Rettung“ verhindern können. Aber niemand weiß, wie lange es diese Partei überhaupt noch gibt. Nach ihrem Tod wäre dem wirtschaftspolitischen Populismus auch in Deutschland überhaupt jedes Tor geöffnet. Denn auch bei der SPD geben nicht mehr die relativ mutigen Münteferings und Schröders den Ton an. Und ob sich Steinbrück durchsetzt, ist mehr als zweifelhaft.

Zwischen Schweden und Österreich

Schweden hingegen hat das Glück einer mutigeren und weniger populistischen Regierung: Unter konservativer Führung hat sich das Land bisher konsequent geweigert, den maroden Autokonzern Saab zu retten. Es ist also kein Wunder, dass Schweden heute das Land ist, in das viele Investoren strömen. Sie wissen zwar, dass die Löhne dort hoch sind. Aber sie wissen auch, dass sie dort nicht wie anderswo ausgeraubt werden, um kostspielige Rettungsaktionen der Politik zu finanzieren.

Sie wissen auch, dass sie dort nicht im österreichischen Ausmaß vom Sozialstaat schikaniert werden: So gibt es etwa in Schweden viel weniger Krankenstandstage, weil jeweils der erste Tag vom Gehalt oder Urlaub abgezogen wird. Was vor allem an Mon- und Freitagen die Präsenz der Arbeitnehmer unglaublich erhöht hat.

Ganz anders in Österreich: Hier hat die Regierung schon in der ersten „Rettungs“-Phase nach Ausbruch der Krise (noch unter Josef Pröll und dem Boulevard-Frühstücksdirektor Werner Faymann) Banken- und Kursgewinnsteuern eingeführt. Heute steht sie vor den Trümmern dieser Politik, ignoriert das aber: Der Umsatz der Wiener Börse ist binnen eines Jahres um nicht weniger als 52 Prozent eingebrochen. Und vergleicht man mit einem fünf Jahre zurückliegenden Zeitpunkt, dann waren damals die Börseumsätze in Wien sogar viermal höher.

Was interessiert mich die Börse, werden da manche fragen. Nun: die Börse ist der international übliche Platz, wo sich Unternehmen das Geld zum Aus- und Aufbau holen. Diese Funktion wird in Zeiten doppelt wichtig, da die Kreditvergabe an Unternehmen auf Grund einer Vielzahl chaotisch und überlappend in Kraft tretender neuer Regulierungsbemühungen der internationalen und österreichischen Politik deutlich schwieriger wird. Gleichzeitig ist ja auch die Sparquote der österreichischen Haushalte dramatisch abgestürzt.

Wenn sich aber die Wirtschaft nicht mehr refinanzieren kann, dann gibt es weniger Arbeitsplätze und weniger Steuereinnahmen. Insofern ist die Börse also für alle wichtig und nicht nur ein Teufelszeug des Karl-Heinz Grasser.

Crashkurs Solarenergie

Ein ähnliches Chaos hat die Politik auch beim Stichwort Alternativenergien angerichtet. Dort ließ sie sich von geschickten und mit der grünmedialen Hysteriemaschinerie verbündeten Geschäftemachern in eine Panik treiben, dass die Welt bald aus Schuld der Menschen den Hitzetod sterben werde. Die europäische Politik hat deshalb die Förderungen für Alternativenergien so gewaltig in die Höhe getrieben, dass das schlimme Konsequenzen hat: Viele Arbeitsplätze wurden angesichts der (zur Finanzierung dieser Förderungen) überhöhten Energiekosten abgebaut oder ins nichteuropäische Ausland transferiert.

Eine Zeitlang konnte sich die Regierungen von Spanien bis ins Wiener Landwirtschaftsministerium rühmen, dass sie dafür viele „Grüne Jobs“ geschaffen hätten. Was jedoch eine Selbsttäuschung war. Denn dabei wurden weit mehr Jobs zerstört als neu geschaffen. Und inzwischen brechen auch diese Grünen Jobs schon wieder nach der Reihe weg. Vor allem China produziert heute billig und massenweise die Solarzellen, die den europäischen Alternativenergiemarkt überschwemmen und von den Förderungen profitieren.Während die europäischen und amerikanischen Fabriken überschuldet zusperren müssen.

Selbst der linke „Spiegel“ musste dieser Tage angesichts einiger Megapleiten zwischen Amerika und Europa zugeben: „Die Asiaten haben die hiesigen Firmen uneinholbar abgehängt – Hauptgrund dafür ist ausgerechnet der Förder-Boom der letzten Jahre.“ Die europäischen Produzenten haben sich auf die fetten Förderungen verlassen und auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit vergessen.

Jetzt ist das Fördergeld weg. Und die Politik muss zugleich verschämt ihr Eigenlob als Retterin des Klimas und Schöpferin vieler grüner Jobs verräumen.

Das heißt nun nicht, dass Solarenergie keine Zukunft hat. Aber diese hat sie nur im sonnigen Süden und nicht im oft wochenlang von Wolken und Nebel bedeckten Deutschland oder Österreich. Und jedenfalls hat sie erst dann eine Zukunft, wenn sie konkurrenzfähig ist. Also wenn die Energiepreise auf Grund der  wachsenden Nachfrage so weit gestiegen sind, dass sich auch Solaranalagen ohne Förderungen zu Lasten Dritter rentieren.

Angesichts der hohen Förderungen hat auch weitgehend der entscheidende Anreiz gefehlt, intensiv nach billigen und effizienten Alternativenergien zu forschen. Forschung funktioniert aber immer besser, wenn sich die Wirtschaft ohne wichtigmacherische – dabei jedoch populistisch auf jeden Modetrend hineinfallende – staatliche Einmischung ganz nach dem Marktbedingungen richten kann und muss. Denn nur dann kann sie der angewandten Forschung auch eine sinnvolle Richtung vorgeben.

Innovation statt Bewahren

Diese vielen handfesten Beispiele zeigen: Die Politik soll sich möglichst draußen halten. Fast jedes Mal, wenn sie sich einmischt, entsteht Schaden, oft an ganz unerwarteter  Stelle.

Auch Schumpeter und die Theoretiker der Österreichischen Schule der Nationalökonomie haben schon lange gezeigt: Wirtschaft lebt von der Innovation und Anpassungsfähigkeit, nicht vom Bewahren. Auch wenn dieses sehr populär ist. Aber das Bewahren wirtschaftlicher Strukturen bedeutet in Wahrheit, dass die europäischen Ökonomien auf einen historischen Stand eingefroren würden.

Man denke nur an die Konsequenzen, wenn schon im Gegensatz zur industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts das Bewahren angesagt gewesen wäre: Dann wäre noch mehr als die Hälfte der Menschen in der Landwirtschaft tätig, unter oft erbärmlichen, jedem Unwetter und jeder Dürre ausgesetzten Lebensumständen. Und mit der halben Lebenserwartung von heute.

Unternehmerische Initiative bringt ständige Änderung, Sterben und Neuentstehen. Aber wer sich dem verweigert, stirbt am sichersten. Oder um noch einmal den „Spiegel“ zu zitieren: „Es nutzt dem letzten Hersteller von Kutschen nichts, wenn er seine internen Prozesse und sein Marketing optimiert, wenn die Menschen Automobile verlangen.“

Gelddrucken ist keine Alternative

Und es nutzt schon gar nichts, wenn Europa glaubt, die notwendigen Anpassungen seiner Wirtschaft und vor allem seiner maßlos aufgeblähten Sozialsysteme durch hektisches Drucken von neuem Geld vermeiden zu können. Zwar hat die gigantische Billion Euro, mit denen die EZB die Märkte überschwemmt hat, ein paar Monate lang die Krise wegspülen können. Aber die Überflutungsmethode wirkt immer weniger und immer kürzer: So sind in Spanien schon vor Ostern die Zinsen für die dortigen Staatsanleihen wieder in unfinanzierbare Höhen gestiegen.

Während die Deutschen für zehnjährige Staatsanleihen deutlich weniger als 2 Prozent zahlen müssen, müssen die Spanier  dem Markt trotz der Geldflut inzwischen schon wieder 5,7 Prozent bieten. Was sie nie und nimmer finanzieren können. Beträgt doch die spanische Arbeitslosigkeit jetzt schon 23 Prozent. Und schon die Hälfte der Jungen findet keinen Job mehr – weil der Staat in einer früheren Phase des Rettersyndroms die Jobs so sehr verteuert und auf Gewerkschaftsverlangen „sicher“ (=unkündbar) gemacht hat, dass fast kein Arbeitgeber mehr neue Dauerjobs anbietet.

Aber eines ist absolut gewiss: Eine Rettung Spaniens nach dem Muster Griechenlands würde sämtliche Kräfte Europas überfordern. Selbst wenn sich seine Regierungschefs noch so sehr um kollektives Retter-Gehabe bemühen. Gleichzeitig könnte aber die soziale Unzufriedenheit in dem heißblütigen Land in absehbarer Zeit zu einer Explosion führen, von der niemand unberührt bleibt. Dann aber kann niemand mehr irgendwen retten, weil wir schon so viel gerettet haben.

PS.: Politikern fiele das Nichts-tun übrigens auch dann viel leichter, wenn es viel weniger von ihnen gäbe. Denn jeder Abgeordnete, jeder Minister, jeder Landesrat mehr will zusätzliche Spuren ins Buch der Geschichte eingravieren, also in Wahrheit zusätzliche Schäden verursachen.

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Alois- und Nikolaus-Guck-in-die-Luft

09. April 2012 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Gebannt blicken wir in die Luft – und übersehen völlig das, was sich unter unseren Füßen abspielt. Wir (Wir? Oder nur die politisch-mediale-geschäftemachende Klasse?) fürchten uns panisch vor der angeblichen Klimaveränderung durch einen angeblichen Treibhauseffekt, die sich angeblich negativ auswirkt. Und wir ignorieren völlig, dass wir zur gleichen Zeit unser Trinkwasser ständig mehr verschmutzen.

Um ehrlich zu sein: Es geht erstens „nur“ um jenes Trinkwasser, das aus dem Grundwasser gewonnen wird, und nicht um jenes aus Bergquellen oberhalb jeder landwirtschaftlichen Nutzung. Und zweitens ignoriert die Regierung diese Bedrohung nicht, sondern handelt: indem sie die Grenzwerte für Pestizide und deren Rückstände im Wasser heimlich, still und leise hinaufzusetzen versucht.

Es gibt aber auch Stimmen, die davor warnen: Die Vorsitzende der „Codex-Unterkommission Wasser“ und Hygiene-Professorin an der Wiener Medizin-Uni, Regina Sommer, schrieb an das Gesundheitsministerium im Vorjahr einen dramatischen, wenn auch bisher nicht öffentlichen Brief. Dieser löste freilich keine Reaktion aus, obwohl darin etwa zu lesen ist: „Die Codex-UK Trinkwasser geht davon aus, dass ohne Verstärkung des Grundwasserschutzes die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung in Österreich mit nativem Grundwasser zukünftig nicht mehr im bisherigen Umfang sichergestellt werden kann.“

Die Experten der Kommission haben erkannt, „dass die Anzahl und die Konzentrationen an von Pflanzenschutzmitteln stammenden Metaboliten im Grundwasser und damit im Trinkwasser stetig ansteigen“. Sie befürchten, „dass sich bei Fortdauer der bisher geübten landwirtschaftlichen Praxis die Anzahl der im Grundwasser enthaltenen Pestizide und Metaboliten weiter erhöhen wird“. Das stelle „für die Trinkwasserversorgung eine bedenkliche und daher nicht zu tolerierende Entwicklung“ dar.

Auch wenn man kein Chemiker ist, macht es fassungslos, wie tatenlos Gesundheitsminister Alois Stöger diese Entwicklung hinnimmt. Aber auch die grünen Kampfmaschinen sind wieder einmal auf völlig falschen Wegen unterwegs. NGOs und Medien haben, statt für gutes Wasser zu kämpfen, gemeinsam mit Stöger eine neue Schikane für die Schweinebauern durchgesetzt. Damit werden die Bauern an einer völlig überflüssigen Stelle schikaniert. Es wurde nämlich die sogenannte Kastenstandshaltung eingeschränkt, die zum Schutz von jungen Ferkeln vor dem Erdrücktwerden praktiziert wird. Diese Praxis der Käfighaltung schränkt zugunsten der Ferkel möglicherweise die „Menschenrechte“ einer Muttersau ein, bedroht aber keinen Menschen. Eine solche Verkehrung der Werte ist freilich typisch für die grüne Denkweise.

Schwarze, rote und blaue Politik haben unter Anleitung grüner Hetzvereine aber sehr wohl der Landwirtschaft Fesseln angelegt: jedoch nicht beim Wasservergiften, sondern beim Einsatz von genveränderten Saat- und Futtermitteln. Diese sind zwar schon in vielen Ländern der Welt zur Sicherung der Nahrungsversorgung problemlos im Einsatz. Diese sind nach allen vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnissen für Mensch und Tier unschädlich. Diese sind ja nichts anderes als moderne Formen der traditionellen Veränderungen von Saat- und Futtermitteln durch Züchtungen, Kreuzungen und Veredelungen.

Aber sie werden dennoch hierzulande mit einer religiösen Inbrunst und Engstirnigkeit verfolgt, die schon an die Christenverfolgungen der alten Römer, die antijüdischen Pogrome des Mittelalters (und etlicher späterer Perioden) oder die Hasskampagnen und Vertreibungen durch Reformation und Gegenreformation erinnern.

Dabei könnte durch etliche solcher hierzulande verbannter Pflanzen jede Menge an Pestiziden&Co überflüssig gemacht werden. Und ohne dass wir auf den Lebensstandard des Mittelalters zurückfallen, wie es ja eine Umsetzung aller Vorschläge von Greenpeace, Attac, Global 2000 und Occupy mit sich brächte.

Dem Umwelt- und Landwirtschaftsminister, unserem berühmten Nikolaus Berlakovich, liegt der Grundwasserschutz nur in einem einzigen Fall am Herzen: nämlich dort, wo er mit einer vermeintlichen Schutzmaßnahme zugleich großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten kann. Er will nämlich den Abbau der neuentdeckten großen Gasvorräte unter dem Weinviertel verbieten. Dabei interessiert es ihn nicht, dass durch diese Vorräte die österreichische Gasversorgung für mindestens drei Jahrzehnte gesichert werden könnte. Dabei interessiert ihn auch die Debatte nicht, wieweit die dabei eingesetzten Abbaumethoden überhaupt schädlich sind. Dabei interessiert ihn auch nicht, dass fürs Wasser der Chemieeinsatz in der Landwirtschaft jedenfalls österreichweit schädlich ist – und nicht nur eventuell in einem relativ kleinen Gebiet.

Und schon gar nicht nimmt die österreichische wie auch die europäische „Umwelt“-Politik Rücksicht darauf, dass der geförderte Anbau von Biosprit die größte Bedrohung für die Lebensmittelversorgung der Menschheit darstellt. Wegen der imaginären Global-Warming-Thesen werden ja immer größere Flächen des Planeten für die Erzeugung von Treibstoff verwendet. Was noch unsinniger ist als die großflächige Zerstörung des Landschaftsbildes samt akustischer Umweltverschmutzung durch Zehntausende Windmühlen, die in den nächsten Jahren noch gebaut werden. Aber an ihnen verdienen Bauern und Gemeinden gut. Dabei sind diese Windmühlen bis heute trotz krisenbedingt gestiegener Ölpreise nicht konkurrenzfähig, sondern müssen durch Zwangsgebühren subventioniert werden. Was im übrigen für die diversen Solarenergieformen nördlich der Alpen noch viel mehr zutrifft.

Aber an all diesen Dummheiten verdienen schon große Industrien und Agrarkonzerne, die in strategisch enger Allianz mit sogenannten Umweltschützern stecken. Daher werden sie weiter betrieben und von vielen Gutmenschworten, allen Parteien und auch den meisten Kirchenfunktionären unterstützt. Leichte Hoffnung auf ein Umdenken in zumindest einem Bereich kommt erst auf, seit die meisten Solarpaneele aus China kommen, was vielleicht doch die europäische Politik ein wenig umdenken lässt.

Beim Schutz des Trinkwassers ist aber niemand zu einem Umdenken bereit. Und es wird munter weiter versaut. Weil Bauern und Düngerindustrie verdienen.

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Die Deutschen sind reicher geworden, weil ihre Gewerkschaften am diszipliniertesten waren

06. April 2012 13:28 | Autor: Andreas Unterberger

Lohnentwicklung der EU-Staaten 2000-2011 anhand der Arbeitnehmerentgelte in Milliarden und Steigerung in Prozent

 

Staat 2000 2011 Steigerung
Slowakei 8,98 25,89 188,3
Estland 2,79 7,45 167,0
Zypern 4,30 8,12 88,8
Luxemburg 10,16 18,57 82,7
Slowenien 11,06 18,96 71,4
Irland 41,85 69,36 65,7
Spanien 312,17 501,57 60,7
Griechenland 45,86 73,59 60,5
Finnland 62,39 96,01 54,0
Malta 1,89 2,85 50,8
Belgien 128,42 190,85 48,6
Niederlande 211,80 206,47 44,7
Italien 469,80 668,30 42,3
Österreich 106,89 149,68 40,0
Frankreich 749,53 1.029,99 37,4
Portugal 62,62 85,77 37,0
Deutschland 1.114,09 1.135,11 18,2
Bulgarien 5,09 14,30 180,9
Tschechien 25,70 65,01 153,0
Litauen 4,88 12,08 147,5
Lettland 3,51 8,37 138,5
Ungarn 22,58 44,31 96,2
Dänemark 91,26 132,19 44,8
Polen 74,71 131,80 76,4
Schweden 146,93 203,23 38,3
Ver. Königreich 873,39 943,79 8,1
Rumänien 51,01
EU-27 4,608,65 6,212,17 34,8

Quelle: Eurostat

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Die Österreicher sparen nicht mehr

06. April 2012 13:13 | Autor: Andreas Unterberger

Verhältnis von gespartem Vermögen zu verfügbarem Einkommen quartalsmäßig in Prozent

 

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Telekomitis oder: Die Dummheit des kleinen Aktionärs

05. April 2012 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Irgendwie hätte ich es ja wissen müssen. Dennoch habe ich mir vor Jahren ein paar Telekom-Aktien zugelegt. Es brauchte aber eigentlich keine Insiderinformation, um zu wissen: Je teurer eine Marketing-Kampagne ist, umso weniger bleibt für die Aktionäre. Und es braucht erst recht keine Insiderinformation, um zu erkennen, dass man als kleiner Aktionär immer der blöde ist, wenn der Staat der dominierende Eigentümer ist.

Dieser kann ja nur durch Politiker handeln. Und die haben nie die Interessen eines kleinen Shareholders im Auge, der damit für sein Alter vorsorgen will. Sie haben nur eines im Kopf: Sie wollen bei der nächsten Wahl wiedergewählt werden. Die aber liegt in der Regel immer knapp bevor. Ihnen geht es nicht um eine langfristige Wertsicherung. Ihnen geht es auch nie um den kurzfristigen Ertrag. Es geht entweder um Wählerstimmen, etwa jene der Belegschaft. Oder es geht um Geld, mit dem man sich Wähler kaufen kann.

Was ich damals freilich nicht wissen konnte, war die Unfähigkeit und kriminelle Energie der Telekom-Führung. Die Unfähigkeit zeigte sich etwa im ständigen Umtaufen des Markennamens, von dem nur die jeweils aktiven Werbe- und PR-Agenturen profitierten: Einmal hat man einen, ein andermal zwei unterschiedliche Marken im gleichen Markt; dann tauft man sich wieder besonders grotesk um, in „Bummelzug-ins-Internet“ oder so ähnlich. Geldverbrennende Unfähigkeit zeigt sich auch daran, dass man bei fast jedem Event für die Cocktail-Klasse auf die Telekom als Sponsor stößt.

Unglaublich ist auch, dass aus den Computern der Telekom 200.000 Mails den Weg ins Freie zu Medien und Politikern finden konnten. Da fragt man sich schon, was die gegenwärtige Aufregung um die Rufdatenerfassung soll, bei der sechs Monate lang nur die Tatsache eines Gesprächs oder Mails gespeichert werden darf, aber nicht der Inhalt. Gleichzeitig können aber bei einer Firma, die Zugang zu allen Kundenmails und -telefonaten hat, auch noch nach Jahren Mails mit dem gesamten Inhalt (und eben nicht nur die angewählte Adresse) illegal an die Öffentlichkeit dringen.

Ein strategischer Privateigentümer wäre auch sofort mit viel mehr Energie der gigantischen Kursmanipulation nachgegangen, mit der sich eine Führungsmannschaft bereichert hat. Und völlig fassungslos ist man als Aktionär über das, was da zuletzt bekannt geworden ist: Ein (zum Glück) nervenschwacher Spitzenmanager, der selber besonders dick im Dreck steckt, lässt sich von den Staatsanwälten zum Auspacken bewegen. Er versucht sich, obwohl selbst Haupttäter, als Kronzeuge gegen seine Mittäter in die Straffreiheit zu retten. Die Telekom ist seither als Selbstbedienungsladen für alle Parteien entlarvt, insbesondere die jeweils regierenden. Sie ist ein Unternehmen, dessen rote Führung sich nach dem Machtwechsel durch hemmungslose Bestechung das Wohlwollen der blau-orangen Ressortführung kaufen wollte.

Alles ziemlich grauslich.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Geschichte der Krise oder: Wenn ein Dauersieger im Wettbewerb untergeht

03. April 2012 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn einer eine Krise durchlebt, dann kann er was erzählen. Mit den Erzählungen über die Krise der letzten vier Jahre gibt es freilich ein großes Problem: Es kursieren so viele Geschichten über die Krise, so viele teils bewusste Lügen und Ablenkungs-Stories, so viele Irrtümer und Varianten des Wunschdenkens, dass sich die ganze Wahrheit zu dieser Krisen nur noch schwer durchzusetzen vermag.

In drei zentralen Gedanken das, was man heute nach bestem Wissen und Gewissen als Zusammenfassung dessen sagen kann, warum es zu dieser Krise gekommen ist (ganz abgesehen davon, dass es immer Krisen gegeben hat und geben  wird) und was sie bedeutet:

Erstens: All die Stories von Gier, Spekulation und zu kompliziert gewordenen Finanzprodukten erklären gar nichts; denn Gier und Spekulation gibt es, seit es Menschen gibt, ebenso wie scheinbar zu kompliziert gewordene Zusammenhänge; deshalb haben die linken Krisenerklärer Unrecht, die als Krisenursache beklagen, dass heute die Ökonomie mächtiger als die Politik ist; denn das war sie immer.

Zweitens: Viel größere, aber dennoch keine alleine ausreichende Erklärungskraft haben die Hinweise auf eine blasenbildungsfördernde Geld- und Subventionspolitik in Europa, Japan und Amerika, sowie auf die exzessiven und auf historisches Rekordniveau gekletterten Staatsverschuldungen vieler Länder.

Drittens, eine fundamentale historische Erklärung steht über all diesen Faktoren: Die genannten drei Regionen, die in den letzten Jahrhunderten die Weltwirtschaft und damit auch die Weltpolitik beherrscht haben, sind im globalen Wettbewerb gegen die aufstrebenden Schwellenländer entscheidend zurückgefallen, was sich lange nicht, aber dann im plötzlichen großen Erdbeben der Krise umso heftiger gezeigt hat.

Spanien und Irland waren gering verschuldet

Dass die Krise mehr mit Wettbewerbsveränderungen als mit Staatsverschuldung alleine zu tun haben muss, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass keineswegs alle jener Staaten, die heute so heftig von der Krise erschüttert werden, vor der Krise eine hohe Staatsverschuldung gehabt haben. In Spanien und Irland war diese – im Gegensatz zu Griechenland und Portugal – sogar besonders niedrig. In diesen beiden Ländern war dafür die Privatverschuldung gegenüber dem Ausland besonders hoch (von Banken, Unternehmen, Privaten).

Allen Krisenländern gemeinsam ist damit, dass sie mehr Produkte und Leistungen des Auslandes konsumiert haben, als sie dem Ausland verkaufen konnten. Sie hatten insgesamt eine hohe Außenverschuldung (egal ob staatlich oder privat) und damit ein großes Zahlungsbilanzdefizit. Das sind zwangsläufige Folgen einer geschrumpften Wettbewerbsfähigkeit. Ein solches „Geschäftsmodell“ muss früher oder später kollabieren.

Nicht der Euro ist schuld, sondern seine falsche Nutzung

Daran ist aber auch nicht der „Euro“ an sich schuld, wie manche Anhänger von Verschwörungstheorien meinen. Jedoch: Der Euro ermöglichte es ein Jahrzehnt lang den südeuropäischen Krisenländern, anstrengungsfrei gut zu leben. Ungeachtet der Tatsache, dass sie die zuvor durch ständige Abwertungen immer halbwegs verteidigte Wettbewerbsfähigkeit gleichzeitig stark absinken ließen.

Die Geldverleiher, die „Märkte“, haben ihnen viel zu billig viel zu viel Geld geborgt; sie haben sich in einem blamablen Vergessen wirtschaftlicher Grundtatsachen zehn Jahre lang nicht mehr die Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner angeschaut; sie haben irgendwie an eine magische Wirkung einer gemeinsamen Währung geglaubt. Das Umdenken geschah dann umso heftiger.

Die Ursachen dieses Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit sind vielfach und werden sicher noch Anlass zu spannenden Analysen sein. Eine zentrale Ursache der Krise ist jedenfalls, auch wenn es aufs erste paradox klingt, der unglaubliche Erfolg des westlichen Modells. Europa und Amerika haben seit einem halben Jahrtausend einen unglaublichen Aufstieg erlebt. Sie haben ökonomisch, kulturell, politisch die Welt beherrscht. Dieser Aufstieg hat sich in den letzten beiden Generationen seit dem Weltkrieg noch einmal vervielfacht, vor allem weil das EU-Europa zugleich die längste Friedensperiode der Geschichte genossen hat.

Zusammen mit der Nutzung zahlloser wissenschaftlicher Erkenntnisse, mit den Vorteilen einer globalisierten Wirtschaft, mit dem Nutzen eines halbwegs funktionierenden Marktes, mit stabilen demokratischen Verhältnissen, mit der Basis eines korrekten Rechtsstaats hat diese Periode den Menschen zuvor Ungeahntes ermöglicht, den weitaus höchsten  Massen-Wohlstand der Geschichte und eine Rekord-Lebenserwartung bei guter Gesundheit.

Der Sündenkatalog

Aber diese Periode hat Europa selbstzufrieden und müde gemacht. Mit fatalen Konsequenzen auf allen genannten Feldern.

  1. Die schlimmste Katastrophe ist zweifellos der Wohlfahrtsstaat, der in den letzten Jahrzehnten mit zunehmender Verschuldung erkauft worden ist, der immer mehr Menschen ein konsumorientiertes Leben ermöglicht hat, der zugleich viele Bürger und damit auch die Politik die Grundlagen des früheren Erfolges vergessen ließ;
  2. Die Menschen waren sich immer weniger der Notwendigkeit von Leistung und Anstrengung bewusst;
  3. die Schicht wirklicher Leistungsträger wurde durch immer höhere Auflagen und Steuern demotiviert;
  4. immer mehr Menschen glaubten ernsthaft, die Durchsetzung politischer beziehungsweise sozialer Forderungen schaffe die Grundlage des Wohlstandes;
  5. Staaten und EU lähmten die Wirtschaft mit einer ständig wachsenden Fülle von ökologisch, sozial, gesundheitlich und obrigkeitsstaatlich begründeten Regeln und Vorschriften, womit die europäischen Unternehmen im Wettbewerb gegen die sehr freien Konkurrenten in Übersee ständig weiter zurückgeworfen wurden;
  6. zugleich gelang es Panikmachern, den Menschen mit dubiosen Parolen gegen Atome, Gene, Hormone oder Klimakatastrophen Angst vor der Wissenschaft zu machen;
  7. die Gewerkschaften trieben in Tateinheit mit populistischen Politikern die Lohn- und Sozialkosten ständig steiler in die Höhe, als sie zugleich in den konkurrierenden Schwellenländern anstiegen;
  8. dazu kommen zunehmend die Folgen der Geburtenverweigerung: Europa wie Japan werden im Rekordtempo älter. Das wird im nächsten Jahrzehnt zu einem Kippen der sozialen Balance führen. Die rasch schrumpfende Schicht der Arbeitenden wird sich zunehmend weigern, der riesigen Menge an alten Menschen den erhofften Ruhestand mit dem heutigen Pensionsniveau zu finanzieren. Und die Zuwanderer werden sich da erst recht weigern; hatte man ihnen doch Europa nur als ein sozialstaatliches Schlaraffenland vermittelt, das man ganz anstrengungsfrei konsumieren kann.

Aus all diesen und etlichen anderen Gründen weigern sich verständlicherweise China&Co, die heute auf Billionen von Dollar- und Euro-Noten aus ihren emsigen Exporten sitzen, dieses Geld so wie in den letzten Jahrzehnten in europäische Staatsanleihen und Banken zurückzuinvestieren. Sie kaufen sich lieber afrikanische Ländereien, um dort Landwirtschaft und Bergbau zur eigenen Versorgung zu betreiben, sowie europäische Spitzenindustrien, deren Knowhow sie brauchen.

Dementsprechend haben alle großen Schwellenstaaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), also die Machtzentren der Zukunft, die heute schon die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, in der Vorwoche bei einem Gipfeltreffen einhellig die egoistische und kurzsichtige Politik des Westens getadelt, sich durch wilde Geldvermehrung einen kurzfristigen Vorteil zu kaufen. Sie weigern sich auch, via Währungsfonds den Schuldenstaaten zu helfen.

Der schöne Schein des Krisen-Endes

Wieso scheint es dennoch seit einigen Wochen so, dass auch die zweite Welle der 2008 begonnenen Krise glimpflich vorbei wäre? Die Antwort ist ziemlich klar: Die europäischen und amerikanischen Zentralbanken drucken wie verrückt Geld, mit denen die Staaten (auf dem Umweg über die Banken) derzeit ihre alten Schulden in neue umwandeln. Das hat die unmittelbare Katastrophenstimmung gemildert. Dennoch versucht jeder sonstige Besitzer dieses Geldes dieses rasch in Sachwerte einzutauschen (seien es Qualitätsimmobilien oder Gold oder brasilianische Aktien).

Das ist natürlich ein Wirtschaftsmodell, das sehr bald platzen muss. Daher ist die Krise zweifellos nur kurzfristig unterbrochen.

Köstlich naiv ist der derzeit boomende Glaube vieler europäischer Politiker und Journalisten, man müsse nur die Dämme der diversen Krisenrettungsmechanismen hoch genug bauen, um jede Katastrophe verhindern zu können: 300 Milliarden, 500 Milliarden, 800 Milliarden, 1,3 Billionen, 10 Billionen: Fast im Wochentakt werden die Summen größer, die Dämme höher, mit denen ein Ausbrechen der Fluten verhindert werden soll.

Notenbanker zurück an die Uni

Aber die Finanzströme verhalten sich ähnlich wie die echten Hochwässer: Mit hohen Dämmen kann man zwar viele kleine Überflutungen verhindern. Kommt dann aber bisweilen das große Wasser, wird die Katastrophe umso größer. Irgendwann bricht immer irgendwo ein Damm, wenn der Druck zu groß wird; oder es steigen die Fluten einfach über jede denkbare Dammgröße hinaus und sind dann ein umso verheerenderer Schwall. Deswegen baut man ja jetzt beim echten Wasser wieder viele eng und hoch eingedämmte Flussläufe wieder zurück, lässt ihnen statt dessen in möglichst großen Flächen die Möglichkeit zur gefahrlosen Ausdehnung, um die menschlichen Behausungen selbst umso effektiver schützen zu können.

Vielleicht sollte man die Notenbanker und Regierungspolitiker Europas und Amerikas in eine Vorlesung über modernen Wasserbau schicken? Vielleicht lernen sie dann, dass man die Europäer in ihrer Unbeweglichkeit, wohlfahrtsstaatlichen Verfettung, Überalterung nicht durch immer höhere Schuldendämme vor den Folgen ihrer rasch schwindenden Wettbewerbsfähigkeit schützen kann. Sondern nur dadurch, dass man diese Wettbewerbsfähigkeit wieder offensiv verbessert. So wie es einst den Amerikanern nach dem Sputnik-Schock oder den Mitteleuropäern nach den Osmanen-Angriffen geglückt ist.

Die ToDo-Liste

Heute wäre natürlich - von der Annahme ausgehend, dass im Atomzeitalter die Auseinandersetzungen ehr wirtschaftlich und weniger militärisch sind - ein anderes, den Herausforderungen angepasstes Maßnahmenbündel nötig, durch das man die Wettbewerbsfähigkeit wieder erhöhen könnte:

Würden Europas Regierungen samt EU diese Ziele mit Schnelligkeit und großer Energie sowie Unterstützung der Menschen verfolgen, dann hätte dieser Kontinent noch eine Chance. Dann wäre das Hochziehen der Krisenpräventions-Dämme sogar sinnvoll, um zeitlich noch ein wenig Luft für die notwendigen Reformen zu gewinnen.

Die Schnellen zu bremsen statt die Langsamen zu beschleunigen?

Jedoch fehlt mir der Glaube, dass Europas Bürger diese Notwendigkeiten noch erkennen können. Weshalb die Politiker sie schon gar nicht erkennen wollen. Beide glauben in ihrer Mehrheit offenbar wirklich, dass durch diese Dämme aus Schulden die Folgen des Wettbewerbsverlustes dauerhaft abgewendet wären.

Ein epochaler Irrtum. Denn damit werden die teuren Schutzdämme zur Hauptursache der nächsten großen Krise. Als Folge konzentriert sich Europa jetzt nicht auf das knappe noch offen stehende Zeitfenster zur Wiedererlangung seiner Wettbewerbsfähigkeit, sondern glaubt offenbar wirklich, dass eine Fiskal- und Sozialunion die richtige Krisenprävention für die Zukunft herstellt.

Vor allem die Sozialdemokraten, aber auch etliche andere Parteien meinen: Wenn einmal die Löhne, Steuern und Sozialleistungen zwischen Griechenland und Deutschland (sowie allen anderen) angeglichen sind, wenn es also innerhalb Europas weniger Wettbewerb gibt, dann gewinnt Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit zurück. In Wahrheit aber tritt das genaue Gegenteil ein: Auch Deutschland und die paar noch halbwegs lebensfähigen Länder werden dann mit absoluter Sicherheit ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Dann gibt es kein böses Blut zwischen Deutschen und Griechen mehr, denn allen wird es gleich schlecht gehen.

Der Merksatz für alle weltfremden Theoretiker: Europa darf nicht seine Schnellsten bremsen, sondern muss die Langsamsten munter machen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Ein grauslicher Koalitions-Deal, ein heuchlerischer Journalismus

01. April 2012 12:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es gibt keine konkreten Beweise. Aber alle Indizien und einige gut informierte Quellen sprechen in die gleiche Richtung: Es gibt einen großangelegten rot-schwarzen Deal des Inhalts: Die beiden Parteien wollen mit einem unfassbaren Gegengeschäft die explodierende Korruptionsdebatten wieder einfangen. Ein solcher Deal ist noch widerlicher als jagende Politiker oder als 7500 ganz persönlich bestochene Journalisten.

Auf der einen Seite werden im U-Ausschuss plötzlich die Zeugenlisten beschnitten. Was offensichtlich im Interesse der ÖVP ist, die sich zuletzt in einer sehr exponierten Lage gesehen hat, weil nach blauen und orangen Verbindungen, Anfütterungen und Parteifinanzierungen mit einem üblen Hautgout zuletzt vor allem schwarze Verbindungen dieser Art bloßgestellt wurden. Die roten sind zwar genauso vorhanden, werden aber von den nur noch als reine SPÖ-Außenstelle agierenden Grünen nicht thematisiert. Und die meisten Medien – einzig der „Kurier“ bildet neuerdings eine bisweilen ungewohnt mutige Ausnahme – sind nur an Anti-ÖVP/FPÖ/BZÖ-Stories interessiert; stehen doch erstens ihre Redaktions-Mannschaften weit links, und sind sie doch zweitens in hohem Ausmaß durch SPÖ-Politiker bestochen.

Das Interesse der Volkspartei an einem Einfangen des U-Ausschusses hat im übrigen nach der Frauenchefin nun auch der Parteiobmann selbst geäußert. Was politisch eine arge Bankrotterklärung darstellt.

Dem steht auf der anderen Seite die ungeheuerliche Tatsache gegenüber, dass offensichtlich das Strafverfahren gegen Werner Faymann und Josef Ostermayer vor der Einstellung steht. Diese von linken Staatsanwälten gewünschte Einstellung könnte nur noch von der schwarzen Justizministerin verhindert werden. Was diese wohl nicht tun wird. Obwohl die beiden Herren ganz eindeutig die ÖBB und die Asfinag gezwungen haben, im parteipolitischen Interesse um große Summen bei bestimmten Medien zu inserieren, damit diese Faymann-freundlich schreiben. Was nichts anderes als Bestechung und Untreue ist, sowie eine Verletzung des Aktiengesetzes.

Das ist im übrigen ein klagbarer Vorwurf – dennoch haben sich die beiden Haupttäter bisher immer gehütet, dagegen zu klagen. Denn dann müssten ja viele Menschen unter Wahrheitspflicht öffentlich aussagen.

Nur sehr naive Menschen können daran glauben, dass es zwischen dem Einbremsen des U-Ausschusses und der Straffreiheit für die beiden Bestecher keinen Zusammenhang gibt. Auch wenn wir wahrscheinlich kein Protokoll finden werden, indem das Gegengeschäft ausdrücklich festgehalten wird. So etwas macht man sich ja als politischer Profi auch nur bei einem vertraulichen Frühstück ganz ohne Zeugen ganz ohne Schriftstück aus. Was natürlich nichts an der Ungeheuerlichkeit eines solchen Deals ändert.

Die Volkspartei begreift dabei übrigens nicht, dass sie damit wieder in eine Falle geht. Erstens erbringt sie ihre Leistung jetzt schon, während die Einstellung des Ausschusses noch in der Zukunft liegt. Und zweitens wird kein Deal die Grünen und die Medien daran hindern, auch weiterhin ein sehr einseitiges Bild der real existierenden Korruption zu zeichnen.

Die Jagd, die Bahn und die Medien

Noch ein Wort zum Thema Jagd, das vom grünmedialen Komplex ja zuletzt mit großem Erfolg in den Vordergrund gespielt worden ist.

Ich habe mit dem Thema Jagd ein ganz persönliches Problem. Ich kann bis heute nicht ganz nachvollziehen, was am Jagen außer dem Schnaps attraktiv sein soll. Mir müsste man wohl viel Geld zahlen, damit ich bei jedem Wetter mitten in der Nacht aufstehe, stundenlang friere, um dann mit zittriger Hand gar auf ein Wildtier anzulegen. Ich habe das Jagen immer eher verachtet, und bin immer davon ausgegangen, dass viele dabei so wie beim Golfen, Saufen oder In-eine-Loge-Eintreten nur mittun, weil es halt gut fürs Geschäft ist.

Tatsache ist freilich, dass man für all das kein Geld bekommt, sondern viel zahlen muss. Daher ist es bei einer Neuordnung der diversen Sauberkeitsregeln notwendig und gut, wenn die Jagd künftig ins gleiche Kapitel kommt wie die Entgegennahme von Bargeld. Wo ich sie bisher allerdings nie angesiedelt hatte.

Aber wenn wir schon von mehr Sauberkeit reden, dann sollten wir auch über jene reden, die sich am allermeisten über die diversen österreichischen Unsauberkeiten erregen: über die Journalisten. Wo thematisieren sie eigentlich selbst ihr eigenes Verhalten, ihre eigene Bestechlichkeit, ihr eigenen Anfütterungen?

Kleines Beispiel: Eine österreichische Bank mit starker Präsenz in Osteuropa lädt dortige Journalisten zur Präsentation der Bank-Bilanz nach Wien. Sie bekommt dabei in mehreren Städten eine Antwort, die sie in Wien noch nie zu hören bekommen hat: „Wollen Sie uns bestechen?“ Ost-Zeitungen haben mit diesem Argument die Einladung zu Flug und Hotel schlicht abgelehnt.

Was die österreichischen nie getan haben. Auch ich gebe zu, einst als Chefredakteur solche Reisen genehmigt (und an einigen selbst teilgenommen) zu haben – wenn auch mit der ausdrücklichen Weisung, sich bei der Berichterstattung durch die Einladung nicht beeinflussen zu lassen. Was aber wenig daran änderte, dass bestimmte Journalisten eine große Affinität zu bestimmten großzügigen Firmen hatten. Und haben.

 Die Journalisten sollten daher mit ein wenig mehr Demut auch vor der eigenen Tür kehren. Wenn sie es mit ihren vielen Antikorruptions-Artikeln ernst meinen, müssten sie ihre eigenen Gebräuche und Haltungen viel kritischer hinterfragen. Wenn da von allen Medien die Jagd (weil geldeswert) trotz ihres offenbar hohen kommunikativen Werts verpönt wird, muss das bitte auch bei solchen Einladungsreisen (weil geldeswert) trotz ihre hohen informativen Werts der Fall sein. Was vor allem angesichts der Macht und Privilegien der Medien wichtig ist.

Noch mehr gilt das für die Entgegennahme der ÖBB-Vorteilskarten: Die Staatsbahn hat an nicht weniger als 7500 Journalisten (bei dieser Menge müssen wohl auch die Portiere mit bedacht worden sein) Vorteilskarten zum halben Preis verteilt. Mit diesen zahlt man dann nicht nur den halben Preis, sondern man sitzt mit einem solchen Billigticket zweiter Klasse auch bequem in der ersten (gleich neben den zechenden Eisenbahnern). Plus Gratis-Platzkarte und Zutritt zu den Lounges.

So wie die politische Klasse muss daher auch die journalistische dringend ihre versumpfte Realität verändern, wenn sie noch irgendeine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will. Denn welcher Leser oder Seher soll den Medien noch irgendetwas glauben, wenn sie – beispielsweise – über die ÖBB berichten, von der sie zugleich persönlich nutzbare Vorteile entgegennehmen?

Daher wäre es eine wirkliche Katastrophe, wenn der eingangs skizzierte Deal wirklich stattfindet. Dann hieße das endgültig: Zurück in den Sumpf!

 

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Fußnote 277: Ja dürfen die Schweizer das?

01. April 2012 12:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Egal wie man zu Steuerschwindlern steht, die ihr Geld in der Schweiz verstecken: Die Haltung der Eidgenossen imponiert.
Sie haben nun – wenn auch mit zwei Jahren Verspätung – Haftbefehle gegen jene deutschen Steuerfahnder ausgestellt, die eine nach Schweizer Recht eindeutig illegal entwendete Daten-CD mit Informationen über Tausende Bankdaten angekauft haben. Rechtlich ist das ein eindeutiges Delikt. Die Deutschen (vor allem die in ihrem Kern imperialistischen Linksparteien) zeigen sich aber in deutlichem Großmachtgehabe empört: Was sich die kleinen Schweizer da herausnehmen! Das Vorgehen der Schweizer freut den kleinen Österreicher aber nicht nur, weil es zeigt, dass sich auch ein kleines Land ernst nehmen kann, dass es nicht wie die österreichische Diplomatie ständig in die Knie gehen muss. Es ist darüber hinaus auch ein Signal, dass der Gier der immer verschwenderischer werdenden Behörden (ja, auch in Deutschland sind sie das, wenn auch nicht so arg wie in Österreich) bisweilen Grenzen gesetzt sind. So sehr es den normalen Steuerzahler auch ärgert, dass er selbst kein Signal gegen diese Gier setzen kann.

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Vom Tankstellensterben kaum eine Spur

31. März 2012 02:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Das Wehklagen der heimischen Tankstellenbetreiber wird immer lauter. Der Preiskampf nimmt immer brutalere Formen an. Die Spanne beim Treibstoffverkauf liegt zum Teil nur mehr bei drei Cent, notwendig wären zumindest sechs Cent. „Das ist schon grenzdebil“, meint ein Marktteilnehmer. Die Treibstoffnettopreise (also ohne Steuern und Abgaben) sind in Österreich so nieder wie kaum in einem anderen Land. Vor einigen Monaten waren die heimischen Preise in etwa gleichauf mit dem deutschen Nachbarn, inzwischen verlangen die Deutschen um fünf Cent mehr als die Österreicher. Politische Debatten, wie jüngst seitens des BZÖ, sind deshalb einfach nur mehr lächerlich.

Verschärft wird die Lage noch dadurch, dass in den ersten beiden Monaten 2012 der Treibstoffverkauf mengenmäßig in Österreich um rund acht Prozent zurückgegangen ist. Dabei dürften vor allem die großen Firmen Marktanteile verloren haben. Erschwerend könnte nach Meinung von Marktbeobachtern auch sein, dass einige Gruppen verstärkt auf die Automatenschiene setzen (OMV via Avanti, BP, Doppler mit Turmöl) und damit ihren Bedienungstankstellen Geschäft wegnehmen. Konsequenz – es wird vermehrt von einer Marktbereinigung gesprochen. Die dürfte vor allem im Bereich der Markentankstellen stattfinden. Esso hat sich bereits vom österreichischen Markt zurückgezogen, nun steigt auch MOL aus, wie lange sich noch ConocoPhilipps (Marke Jet) und vielleicht auch Shell in einem Markt bewegen wollen, wo nichts zu verdienen ist, bleibt abzuwarten.

Bei der absoluten Anzahl der heimischen Tankstellen wird zwar seit Jahren eine Marktbereinigung angekündigt – stattgefunden hat sie bisher aber kaum. Auch wenn der Fachverband Mineralölindustrie, der jedes Jahr die Tankstellenstatistik herausgibt, verkündet, dass sich die Zahl der Stationen um fast drei Prozent oder 81 Stationen auf nunmehr 2.575 im Vorjahr reduziert hat.

Wer sich die Zahlen genauer ansieht, muss feststellen, dass es sich größtenteils um statistische Korrekturen handelt. Bei den „sonstigen Tankstellen“ – eine Grauzone bei der Erhebung – gab es einen Rückgang von 39 Stationen, bei den Dieselabgabestellen von 5 Stationen. Allein die Firma Genol meldet nicht nur die eigenen Tankstellen (178, ein Plus von 17 Stationen), sondern auch die Dieselabgabestellen für die Landwirtschaft (296, bei denen wird nur Diesel abgegeben) und die landwirtschaftlichen Genossenschaften (55, laufen unter Raiffeisen Lagerhaus) an den Fachverband. Diese drei Gruppen zusammen verzeichnen ein Plus von 14 Stationen. Unter dem Strich gebe es nicht mehr Stationen, das seien nur statistische Verschiebungen.

Insgesamt scheint sich am Bestand der Tankstellen kaum etwas zahlenmäßig verändert zu haben, vom Tankstellensterben somit keine Spur. Wobei als interessante Randerscheinung noch zu vermerken ist, dass in der Spritpreisdatenbank (ist bei der E-Control angesiedelt) über 3000 Tankstellen Treibstoffpreise melden, das sind um einige mehr als in der offiziellen Statistik aufscheinen.

Unbestritten ist, dass die Markentankstellen (Majors) ihr Netz in Anbetracht der schlechten Preise weiter verdünnen. Die OMV hat um 45 Tankstellen (259) weniger, was allerdings täuscht, 18 davon laufen nun unter der Autmomatenschiene „Avanti“. Für den Rest konnten großteils Käufer gefunden werden, geschlossen wurde kaum eine Station. Bei BP gab es eine Reduktion um 22 Tankstellen auf nunmehr 397. ENI hat das Tankstellennetz von Esso übernommen und im Vorjahr erstmals die Strukturen kräftig durchforstet, was ein Minus von 36 Stationen bedeutet, weitere werden wohl heuer folgen. Bei Shell und Jet tat sich nichts, MOL hat um 6 Stationen reduziert, da kündigt sich bereits der komplette Ausstieg an.

Was die Majors nicht mehr haben wollen landet meist bei den kleineren Gruppen. So hat die A1 Gruppe, die erst im Jahr 2008 wieder eingestiegen ist, aktuell bereits, durch diverse Zukäufe, ein Netz von 96 Stationen aufgebaut. Interessant wird sein, wer das MOL-Netz kaufen wird. Unter MOL laufen 23 Stationen, unter Roth 36 und unter Rumpold 19. Für die Automatenstationen von Rumpold dürfte es am ehesten Interessenten geben, bei MOL und Roth werden wohl nur die Leckerbissen leicht an den Mann zu bringen sein. Das erste Strohfeuer der so genannten Hofertankstellen (laufen unter FE-Trading) ist im Vorjahr verpufft, die Zahl der Stationen bei den Hofermärkten blieb mit 30 stabil. Nun soll angeblich wieder expandiert werden.

Automaten, Erdgas, Ethanol

Interessant wird auch sein, wie der bei einigen Tankstellenbetreibern ausgebrochene Hype in Richtung Automaten-Tankstellen ausgehen wird. Bei der OMV-Tochter Avanti wird voll umgerüstet, im Vorjahr waren es bereits 70 Stationen, BP hat auf 31 Automaten-Abgabestellen aufgerüstet, die anderen Majors sind noch abstinent. Bei den „Sonstigen“ setzt man bei Turmöl verstärkt auf Automaten und will auf 30 Stationen (laut Statistik 2011 erst 16) aufstocken, auch bei Avia werden einige Stationen umgerüstet. Die Raiffeisenmarke Genol führt ihre 178 Stationen fast ausschließlich „automatisch“.

Was kann man noch aus der Tankstellenstatistik herauslesen? Der Ausbau des Netzes an Erdgastankstellen ist zum Stillstand gekommen, mit 173 Stationen gab es sogar einen kleinen Rückgang um 2 Einheiten. Die meisten Gastankstellen hat die OMV (61) gefolgt von ENI (45); BP (15) und Shell (9) sind da eher zurückhaltend. Die Marken IQ (10) und Avia (9) folgen knapp dahinter.

Von der groß angekündigten Superethanol (E 85)-Initiative ist heute kaum mehr die Rede. Die OMV wollte sich engagieren, hat auch einige E 85 Zapfsäulen zur Verfügung gestellt, diese aber inzwischen wieder abgebaut. Übrig geblieben ist nur mehr Genol mit inzwischen 24 Stationen. Das ist aber eher eine Zwangsveranstaltung, da der Genoleigner Raiffeisen mit seinem Werk in Pischelsdorf einziger Ethanolerzeuger in Österreich ist.

Kaufverhalten in den Shops

Eine interessante Untersuchung über das Kaufverhalten an den deutschen Tankstellen wurde vor kurzem publiziert. Die Marktforscher von GfK fanden heraus, dass deutsche Autofahrer zu 98 Prozent an der Tankstelle ausschließlich tanken wollen, nur zwei Prozent wollen nur in den angeschlossenen Shop gehen. 36 Prozent der Autofahrer entscheiden sich ausschließlich für zwei Tankstellenmarken, nur 30 Prozent tanken quer durch die Branche. Zwei Drittel aller Shopkäufer kaufen nur ein- bis dreimal im Jahr bei einer Tankstelle ein.

Nur 18 Prozent aller Shopbesucher kommen regelmäßiger, etwa bis zu 10 mal. Käufer, die mehrmals in den Shop kommen – bis zu neunmal – sind eher weiblich, 20 bis 50 Jahre alt und kaufen um durchschnittlich acht Euro ein. Leute, die mehr als zehnmal einen Tankstellenshop ansteuern sind meist Berufspendler und Angestellte mit höherem Einkommen, männlich und zwischen 50 und 69 Jahre alt. Die GfK-Experten kommen zu dem Schluss, dass die Stärken deutscher Tankstellen im Bereich der hohen Kundenloyalität und der Shop-Stammkunden liegen.

In Österreich sind keine einschlägigen Untersuchungen bekannt. Auf Shops wird aber immer stärker das Augenmerk gelegt, wo sich viele große Gruppen mit Handelsgrößen wie Spar und Billa zusammentun. Das Problem, das dabei entsteht, ist die Schulung eines entsprechenden Verkaufspersonals. Arbeitskräfte, die nur für das Inkasso von Treibstoff zuständig sind, sind meist nicht in der Lage auch die Beratung für Lebensmittel zu erledigen.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Die AUA-Retter und die AUA-Schweiger

29. März 2012 00:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist fast ein Jahrzehnt her. Ein dänischer Luftfahrtexperte namens Vagn Sörensen hatte die Führung der AUA übernommen. Und er hatte erkannt, dass insbesondere die luxuriösen Kollektivverträge der Luftlinie den notwendigen Sauerstoff kosten. Denn in den scheinbar guten Jahrzehnten davor hatte die (parteipolitisch geführte) Luftlinie den Gewerkschaften und Betriebsräten immer wieder üppige Zugeständnisse gemacht, deren Realisierung zum guten Teil in der Zukunft lagen. Nun aber begann die Zukunft zur Gegenwart zu werden.

Der Däne hatte eine kluge Idee, um diese Last langsam wieder abbauen zu können: Zumindest die neu eintretenden AUA-Mitarbeiter sollten nicht mehr im Schlaraffenland des AUA-Kollektivvertrags angestellt werden, sondern bei der neuen Tochter Tyrolean.

Nun, mehr hatte er nicht gebraucht. „Ahnungslosigkeit“ in Hinblick auf die österreichischen Verhältnisse war noch das mildeste, was er zu hören bekommen hat. Hatte er doch nicht die Segnungen der „Sozialpartnerschaft“ begriffen, die damals fast von der ganzen Nation für eine wunderbare, gar exportfähige Errungenschaft gehalten wurde. Der Däne fürchtete sich daher auch nicht vor einem Streik der Belegschaft.

Aber dann rollte sie an, die Sozialpartnerschaft: Fritz Verzetnitsch, jener Mann, der auch die (nie von der Staatsanwaltschaft aufgerollte!) Verantwortung als oberster gewerkschaftlicher Eigentümervertreter für die Versenkung einer großen Bank trägt, und Christoph Leitl, der oberste aller Kämmerer. Leitls Handeln hatte stets das gleiche Prinzip: Am Schluss gibt man immer der Gewerkschaft nach, nachdem man zuvor für die eigenen Mitglieder ein wenig Theaterdonner inszeniert hat. Zusätzlich hatten damals einige dieser Mitglieder die furchtbare Sorge deponiert, dass Manager des Streiks wegen nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkommen könnten.

Ab dem Einschreiten der beiden Chefs der Schattenregierung war klar: Die AUA hatte nachzugeben. Schließlich war sie damals mehrheitlich in öffentlichem Besitz. Und die paar Privataktionäre hatten es ja verdient, bestraft zu werden, wenn sie schon so blöd waren, Geld in ein Unternehmen zu stecken, an dem der Staat beteiligt war.

Der Rest ist bekannt. Nicht nur die Aktionäre verloren. Auch die Steuerzahler mussten noch 500 Millionen Euro dazulegen, damit sich noch ein Käufer für die inzwischen kaputte Fluglinie fand. Wie kaputt sie ist, kann man ja schon ganz konkret spüren: Sitze mit ruinierter Polsterung, nicht funktionierende Sitzbeleuchtungen und Flugbegleiterinnen, denen diesbezügliche Hinweise total egal sind (wie unlängst auf einem Flug nach Delhi selbst erlebt).

Es ist eine heitere Pointe, dass auch heute noch der Übergang zur Tyrolean die Linie retten soll. Und dass jetzt nicht mehr nur die neuen, sondern auch die alten AUA-Mitarbeiter davon betroffen sind. Und dass die damals so lauten Retter Leitl&Co heute so absolut still geworden sind.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Die Finanztransaktionssteuer: Der Dukatenesel der Fiskaltechnokraten

27. März 2012 23:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Erinnern Sie sich noch? Lautete einst nicht ein Argument pro EU-Binnenmarkt und pro Währungsunion: Transaktionskosten senken, damit knappes Kapital seiner produktivsten Verwendung zugeführt wird? Denn wer die Freiheit des Kapitalverkehrs beschränkt, verteuert die Unternehmensfinanzierung, beeinträchtigt die Investitionsdynamik ebenso wie das Innovationstempo und schadet dadurch der Wettbewerbsfähigkeit. Wachstums-, Beschäftigungs- und Wohlfahrtsverluste sind die Folge.

Aus gutem Grund heißt es daher in der EU-Richtlinie betreffend die indirekten Steuern für die Ansammlung von Kapital:

In krassem Gegensatz zu dieser Richtlinie wird in vielen EU-Mitgliedstaaten die Einführung einer wenn schon nicht EU-, dann zumindest doch Euroraum-weiten Finanztransaktionssteuer (FTS) oder einer speziellen Abwandlung einer solchen, nämlich einer Börsenumsatzsteuer, propagiert. Hier soll neuerlich geschaffen werden, was durch den Binnenmarkt und die Europäische Währungsunion eliminiert wurde: Hindernisse für den freien Kapitalverkehr als einer der vier europäischen Grundfreiheiten. Eine lediglich fiskalpolitisch motivierte Diskussion um das Für und Wider einer FTS greift mithin bei weitem zu kurz. In Sachen FTS geht es um nicht weniger als die Funktion des Europäischen Binnenmarkts. Wer eine solche Steuer propagiert, legt die Axt an den ordnungspolitischen Rahmen in Europa.

Die Europäische Kommission hat sich in ihrer Mitteilung zu intelligenter Regulierung in der Europäischen Union zu evidenzbasierter Politikgestaltung sowie Folgenabschätzungen in der politischen Entscheidungsfindung bekannt. Wenden wir uns also den nüchternen Fakten im gegenständlichen Fall zu.

Sie lauten:

Die Abwägung der ökonomischen Wirkungen einer einnahmenseitigen im Vergleich zu einer ausgabenseitigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte müsste – nach derzeitigem Stand der finanzwissenschaftlichen Forschung – dazu führen, letztere zu präferieren. Dennoch die Einführung einer FTS zu fordern heißt, neben den generellen Nachteilen einer höheren Besteuerung auch ihre spezifischen Nachteile gegenüber anderen einnahmenseitigen Instrumenten zu ignorieren.

In ihrer Auswirkungsstudie gelangt die Europäische Kommission zu dem Ergebnis, dass mit einem Bruttosteueraufkommenseffekt in Höhe von EUR 57 Mrd. pro Jahr zu rechnen sei. Hiervon sind allerdings die Steueraufkommensverluste aus wachstums- und beschäftigungspolitischen Kollateralschäden in Höhe von bis zu 1,76 Prozent des BIP beziehungsweise bis zu 500.000 Arbeitsplätzen abzuziehen, denn nicht erst Milton Friedman warnte: „There ain't no such thing as a free lunch.“ Unter Berücksichtigung der korrespondierenden Aufkommensverluste ergibt sich daher nur ein sehr bescheidenes Nettosteueraufkommen aus der FTS von cirka einem Drittel des Bruttosteueraufkommens.

Doch nicht einmal dieses gerade noch positive Ergebnis erweist sich bei genauerer Analyse als stichhaltig. Außer Acht gelassen wurde der Verlust von Geschäftsvolumina an Nicht-EU-Akteure, die Verlagerung der Geschäftsaktivitäten von EU-Akteuren in das Nicht-EU-Ausland, die relative Attraktivierung von Nicht-EU-Investitionsvorhaben und die Erhöhung der Kapitalkosten bei Investitionen aus nicht-ausgeschütteten Gewinnen. Würden solche Effekte berücksichtigt, kehrte sich das erwartete Nettosteueraufkommen mit großer Wahrscheinlichkeit ins Negative.

Eines allerdings wäre einer Finanztransaktionssteuer zu Gute zu halten, wie schon das Beispiel der britischen Stamp Duty Reserve Tax zeigt. Sie vermag Finanzinnovationen zu induzieren, und zwar solche mit dem primären Ziel der legalen Steuervermeidung. Im Ergebnis wird einerseits das intendierte Steueraufkommen (weit) verfehlt, andererseits verlagern sich erhebliche Teile des Handels auf weniger regulierte (und intransparente) Instrumente.

Eine Möglichkeit, die Stamp Duty zu vermeiden, besteht etwa in so genannten Differenzkontrakten („Contracts for Difference“, CFDs), welche die Parteien einer Transaktion verpflichten, lediglich die Differenz zwischen dem aktuellen Kaufkurs und einem späteren Verkaufskurs in bar auszugleichen. Da die Handelspartner bei diesen Geschäften die zugrunde liegenden Aktien weder kaufen noch verkaufen, entfällt die Steuer. Die Existenz einer solchen Steuer fördert also die Nachfrage nach Derivaten (mit einem zuweilen extrem hohen Hebeleffekt!) und senkt die Nachfrage nach generischen Anlageinstrumenten wie Aktien und Anleihen zur Finanzierung von Realinvestitionen: Ein geradezu perverser Anreizeffekt!

Ergo: Eine Finanztransaktionssteuer streut keinen Sand in das Getriebe der  Spekulation, sondern in den Motor der Unternehmensfinanzierung. Nicht die hohe Kapitalmobilität ist das „public bad“, sondern der diskretionäre Eingriff  in die Grundfreiheit des Kapitalverkehrs. Die Debatte wird zum Lackmustest für die Seriosität europäischer Politik. Wer faktenbasierte Politikgestaltung proklamiert, muss die Finanztransaktionssteuer als Negativsummenspiel ablehnen. Auf der österreichischen Ebene beschränkt sich die Politikempfehlung an dieser Stelle daher nicht nur trotz, sondern gerade wegen des All-Parteien-Beschlusses im Parlament auf eine einzige: Präferiere das Nichtstun vor dem Irrtum!

Unabhängig von ihren jeweiligen beruflichen Funktionen haben mehrere österreichische Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die dieser Text verfasst wurde.

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Ungarn: Viel ausländische Hysterie, viele eigene Fehler, viele mutige Reformen

27. März 2012 01:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Drei Tage lang intensives Eintauchen in ungarische Verhältnisse machen klar: Erstens, die von der Linken geschürte Hysterie ist völlig absurd, dass in Ungarn Demokratie oder Rechtsstaat abgeschafft werden. Zweitens, diese Hysterie ist auch deshalb ein Fehler, weil sie zu einer Stärkung der radikalen Rechten führt und die ungarischen Sozialisten nach ihrer schweren Niederlage tendenziell eher noch mehr diskreditiert. Drittens aber: Die ungarische Regierung hat neben vielen wichtigen und sinnvollen Reformschritten einige gravierende Fehler begangen, die das Land noch Jahre zurückwerfen werden.

Worum geht es bei der derzeit rasch zunehmenden radikalen Rechten, der Jobbik-Partei? Das ist eine Partei, die paramilitärische Formationen ähnlich den österreichischen Parteiarmeen der Bürgerkriegszeit zu schaffen versucht. Sie hetzt nicht nur gegen die ungarischen Zigeuner (womit sie ein in Ungarn angesichts etlicher Zwischenfälle, aber auch angesichts einer sehr aggressiven Presse mehrheitsfähiges Sentiment anspricht), sondern auch gegen alles Westliche. Sie sucht ihre Freunde primär bei aggressiven Diktaturen wie insbesondere jener des Iran.

Linke Kampagne hilft Rechtsradikalen

Falls die Jobbik-Partei, die seit Oktober bei sämtlichen Umfragen Ungarns zweitstärkste ist, eines Tages gar zur stärksten werden sollte, dann liegt ein Gutteil der Schuld auch beim heutigen Verhalten der europäischen Linken und der EU-Kommission. Denn beide haben mit völlig aus der Balance geratenen Reaktionen auf den Wahlerfolg der ungarischen Mitte-Rechts-Partei Fidesz reagiert. Diese hatte ja vor zwei Jahren (mit 53 Prozent der Stimmen) 68 Prozent der Mandate errungen.

Diese Reaktion ähnelt in vielen Details ebenso wie in ihrer Dummheit den Sanktionen von 14 EU-Ländern gegen Österreich im Jahre 2000. Diese Sanktionen, die dann nach einem halben Jahr kleinlaut entsorgt werden mussten, haben übrigens auch damals in Österreich die Umfragewerte der Linksparteien nicht gerade verbessert.

300 Gesetze pro Jahr: Die Fehler sind programmiert

Was ist nun in Ungarn wirklich passiert? Die Mehrheitspartei hat im letzten Jahr mit 300 neuen Gesetzen ein ungeheures Volumen an neuem Recht durchs Parlament geschleust. Das ist in den Augen fast aller Rechtsexperten ein großer Fehler: Solche Gesetzesmengen und ein solches Tempo bergen nämlich zwangsläufig viele technische Fehler, von denen sich so mancher auch jetzt schon gezeigt hat. Diese Gesetze können gar nicht ordentlich vorbereitet gewesen sein, da in einer komplizierten modernen Gesellschaft vor jedem Gesetz sorgfältige Begutachtungen und Diskussionen dringend notwendig sind (was bekanntlich auch den in dieser Woche finalisierten österreichischen Belastungsgesetzen gut getan hätte).

Dieser zu kurz gekommene Diskussionsbedarf gilt natürlich auch für die neue Verfassung, die ohne lange Konvente und dergleichen binnen eines Jahres geschaffen worden ist. Viele dieser Gesetze haben nun bei der EU zu Recht etliche Vertragsverletzungsverfahren ausgelöst.

Jedoch relativieren sich diese Fehler der ungarischen Regierung gewaltig: In Europa sind Vertragsverletzungsverfahren nämlich ein ganz normaler Vorgang. Derzeit laufen fast tausend solcher Verfahren gegen die 27 Mitgliedsstaaten. Und auch heute sind trotz aller Ungarn-Aufregung gegen andere, „alte“ EU-Länder viel mehr solcher Verfahren in Gang als gegen die Magyaren.

Prüft man nun die gegen diese laufenden Vertragsverletzungsverfahren auf ihre Substanz, dann sind es auch gar nicht allzu gravierende Punkte, die da offen sind. Und die Ungarn scheinen weitgehend kompromissbereit.

Zwei Jahrzehnte verschlafener Reformen

Zugleich sollte man nicht vergessen: Die ungarische Führung stand unter einem gewaltigen Handlungsdruck. Hat sich das Land doch in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Wende im Gegensatz zu den anderen Reformländern weitgehend auf seinen Lorbeeren als Vorkämpfer der einstigen Wende ausgeruht. Unter rechten wie linken Regierungen. Man war zu lange stolz auf den „Gulaschkommunismus“. Selbst die Verfassung stammte noch aus der kommunistischen Zeit. Sie war nur in einigen Punkten novelliert worden.

Natürlich hat sich die Orban-Regierung bei ihrem atemberaubenden Tempo auch an eine alte und wohl richtige politische Regel gehalten: Die schmerzhaften und unangenehmen Maßnahmen sollte man in der ersten Hälfte einer Amtsperiode machen, damit man in der zweiten die erhofften Früchte der Reformen kassieren kann.

Die Vorwürfe relativieren sich

Die meisten Vorwürfe, die man den Ungarn macht, bestehen im Einsatz der Zweidrittelmehrheit bei der Besetzung wichtiger Funktionen. Nur: Dieser Vorwurf kann zur Gänze auch Österreich (und vielen anderen EU-Ländern) gemacht werden. Es gibt bloß einen Unterschied: In Österreich werden neue Spitzenpositionen auch ohne Zweidrittelmehrheit durchgängig und ausschließlich mit Parteigängern der Regierungsparteien besetzt. Und zwar seit jeher. Kann man ernsthaft den Ungarn etwas vorwerfen, was man den Österreichern noch nie vorgehalten hat?

Ein weiterer konkreter Vorwurf ist die Tatsache, dass einflussreiche Spitzenpositionen gleich auf neun Jahre hinaus an Freunde des Regierungschefs Viktor Orban vergeben worden sind. Damit kann die nächste Regierung, selbst wenn sie von einer anderen Partei gestellt wird, an diesen Besetzungen nicht mehr rütteln.

Das klingt arg. Aber auch das ist es in Österreich noch viel ärger (wenn es überhaupt wirklich arg wäre und nicht bloß eine Maßnahme zum Schutz dieser Funktionsträger vor politischer Willkür). Denn in Österreich wird sogar das allermächtigste Gremium, nämlich der Verfassungsgerichtshof, nicht nur auf neun Jahre, sondern lebenslänglich besetzt. Und Werner Faymann hatte nicht den geringsten Genierer, Richterposten im VfGH sogar direkt mit einem Mitglied seines Kabinetts zu besetzen.

Viele der restlichen Vorwürfe gehören in die Kategorie des Hanebüchenen. Manche Linke stört es etwa, dass vor Amtsantritt ein Eid auf die Verfassung abgelegt werden soll. Deutlich problematischer klingt die vorübergehende Senkung des Pensionsantrittsalters für Richter von 70 auf 62 Jahre, obwohl dann in den folgenden Jahren wieder eine (für alle Beamten gemeinsame) Steigerung des Pensionsantritts von derzeit 62 auf 65 Jahre erfolgen soll.

Jedoch lässt sich auch das halbwegs begründen: Mit der vorübergehenden und verpflichtenden Senkung wird Ungarn rascher eine problematische Garnitur von Richtern los, die noch aus dem Kommunismus stammen. Außerdem löst man solcherart ein besonders absurdes Privileg: Die noch amtierenden Altrichter konnten ab Erreichung des Anspruchsalters gleichzeitig zu ihren Bezügen parallel eine Pension kassieren. Was angesichts der wirtschaftlichen Situation des Landes ziemlich grotesk ist. Polizisten, Soldaten, Feuerwehrmänner konnten bisher sogar schon ab dem 45. Geburtstag in Pension gehen und daneben ungehindert einen anderen Job beginnen.

Jedenfalls sehen auch regierungskritische Journalisten keine Rückkehr zu einer Diktatur. Sowenig sie auch über die parlamentarische Übermacht der Fidesz erfreut sind. Diese liegt auch noch zur Halbzeit der Legislaturperiode im Gegensatz zum Schicksal der Regierungsparteien vieler anderer Länder bei den Umfragen klar voran.

Die soziale Lage ist bedrückend

Die kritischen Journalisten weisen dafür – und zweifellos zu Recht – auf die katastrophale wirtschaftliche Situation vieler Menschen in Ungarn hin. Da erzählt der eine von der Ärztin, die vor der Not fliehend einen Job in Dresden angenommen hat, obwohl sie schon 52 ist und keineswegs ausreichend Deutsch kann. Da erzählt ein anderer von der 38-jährigen Lehrerin, die ihren Job verloren und die sich nun für die Prostitution entschieden hat.

Niemand wagt auch nur zu behaupten, dass Ungarn heute von einer Welle des Optimismus oder Aufbruchs bewegt wird. Davon reden nicht einmal mehr die begeistertsten Anhänger der Regierung.

Es ist nun müßig, allzulange darauf zu verweisen, dass sich Ungarns wirtschaftliche Lage und seine Verschuldung vor allem unter der achtjährigen Herrschaft der Sozialisten so dramatisch verschlechtert haben. So stiegen die Schulden binnen acht Jahren von 52 auf 82 BIP-Prozent. Entscheidend sind jedoch Gegenwart und Zukunft. Und dafür trägt nun einzig Viktor Orban mit seiner großen Macht die Verantwortung.

Die EU macht sich selbst zum Sündenbock

Derzeit hilft ihm freilich die EU mit ihrer problematischen Sanktionenpolitik dabei, die Verantwortung nach Brüssel abzuschieben. Denn durch die Streichung von Kohäsionsgeldern kann Orban nun perfekt Brüssel als Sündenbock vorführen.Und er kann dabei verschweigen, dass es dabei eigentlich nur um eine überschaubare Summe geht.

Denn die EU-Maßnahmen legen weniger als 500 Millionen Euro aufs Eis. Während alleine die Erste Bank in einem einzigen Jahr durch die Orban-Maßnahmen einen Schaden von mehr als 500 Millionen erlitten hat. Überdies ist es durchaus möglich, dass die EU-Maßnahmen bis zum Sommer wieder aufgehoben werden. Der Raubzug auf die (österreichischen und anderen) Banken wird natürlich nicht rückgängig gemacht.

Die EU hat sich aber damit Budapest jedenfalls als perfekter Sündenbock angeboten. Viele ungarische Regierungspolitiker beklagen in den Gesprächen dementsprechen einen Doppelstandard der Brüsseler Kommission. Der Vorwurf scheint berechtigt: Ungarns Defizit ist lange nicht so hoch wie jenes vieler anderer Mitgliedsländer. Ganz zu schweigen von Spanien, dass nun zugeben musste, dass das Defizit im Vorjahr fast doppelt so hoch ausfiel wie geplant und versprochen.

Umso überraschender ist es, wenn der Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium Zoltán Cséfalvay im Gegensatz zu diesem Vorwurf die EU-Strafen gegen Ungarn sogar als „logisch“ bezeichnet. Das Defizitverfahren gegen Ungarn sei durchaus berechtigt, weil es gegen Ungarn schon seit 2004 läuft, also länger als gegen alle anderen Länder.

Überdies gehe es ohnedies nur um eine sehr kleine Differenz beim Budgetdefizit. Diese Differenz mache bloß ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukt aus und sei eigentlich nur durch unterschiedliche Wachstumserwartungen ausgelöst worden. Cséfalvay: „Wir sind sicher, dass wir das binnen weniger Wochen lösen werden können. Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen. Und in ein bis zwei Monaten wird niemand mehr darüber reden.“

Auch die für die EU zuständige Staatsministerin Enikö Györi gibt zu, dass für die Ungarn schon 2011 die Frist zur Defizitreduktion abgelaufen war, während sie für Spanien noch bis 2013 läuft. Aber umso genauer wollen sich die Ungarn anschauen, was dann gegenüber Spanien passiere. Also ob auch im Falle des großen EU-Lands genauso konsequent vorgegangen wird wie gegen das kleine Ungarn. Denn Györi weiß: „In der EU sind doppelte Standards nichts Neues.“

Das wahre Problem Ungarns heißt weder EU noch IMF

Das wahre, freilich vielen Ungarn noch kaum bewusste Problem der Regierung ist daher auch nicht die EU. Es ist auch nicht in erster Linie der Internationale Währungsfonds (IMF), der derzeit im Einklang mit der EU die Gewährung eines Beistandskredits an Ungarn zurückhält. Die Ungarn sehen derzeit in einem solchen Kredit ja ohnedies nur eine Sicherheitsmaßnahme, die nicht unbedingt notwendig wäre. Ganz offensichtlich profitieren nämlich auch sie derzeit bei der staatlichen Refinanzierung von den frisch gedruckten Geldmengen, mit denen die europäische und die amerikanische Notenbank seit dem Vorjahr die Welt überfluten, und haben daher keine akuten Probleme.

Das wahre Problem Ungarns ist der internationale Vertrauensverlust durch die Maßnahmen der letzten zwei Jahre. An deren Spitze stehen die überfallsartig eingeführten Belastungen für Banken, Handels- und Telekom-Firmen. Das sind ganz „zufällig“ jene Branchen, die zu einem starken Teil in ausländischer Hand sind.

Dadurch (und durch die Beschlagnahme der Reserven der „zweiten Säule“, der privat-obligatorischen Pensionsvorsorge) hat man zwar in den ersten beiden Fidesz-Jahren das Defizit relativ niedrig halten können. Man hat solcherart der ungarischen Bevölkerung auch vorerst die schmerzlichen Gehaltsreduktionen erspart, die in anderen Ländern notwendig waren. Aber dadurch wurde zugleich ausländischen Investoren ganz klar die Botschaft vermittelt: Ungarn ist ein Land, das über Nacht die Spielregeln ändert. Es gilt damit nicht mehr als sicheres Land für Investitionen.

Aber gerade ausländische Investitionen sind es, die Ungarn heute dringender als sonst irgendetwas anderes braucht. Will das Land doch eine zusätzliche Million Arbeitsplätze schaffen, was nur mit Hilfe vieler ausländischer Investoren möglich ist. Diese sind aber in Zeiten der Krise sowieso schwer genug zu finden. Und erst recht dann nicht, wenn sie fürchten müssen, dass ihre Investition durch eine spätere drastische Änderung der Rechtslage nachträglich total entwertet wird.

Viel zu wenige Ungarn haben einen Job

Wie wichtig die Schaffung von Arbeitsplätzen ist, zeigt der Arbeitsmarkt. In keinem anderen Land ist ein so geringer Prozentsatz der arbeitsfähigen Bevölkerung auch tatsächlich berufstätig wie in Ungarn: nämlich nur 55 Prozent. Wenn es Orban aber nicht gelingt, substanziell mehr Jobs zu schaffen, wird er einerseits nicht aus dem Defizitsumpf herauskommen (wobei es ihm auch nichts hilft, dass an der Entstehung des Sumpfs die Sozialisten die Hauptschuld tragen); seine Partei wird dann andererseits wohl auch nicht mehr den Vormarsch der radikalen Rechten standhalten können.

Dazu kommen aber auch immer wieder dumme Äußerungen von Regierungsvertretern. Immer wieder wurden bei meinen Gesprächen düster die „Interessen“ der ausländischen Investoren getadelt. So als ob es ein Geheimnis wäre, dass jeder Investor am Ende Gewinne erzielen will. So als ob ein modernes Bankwesen keine Voraussetzung einer erfolgreichen Wirtschaft wäre.

Dann spricht Orban unter offensichtlicher Anspielung auf das Ausland wiederum davon, dass Ungarn keine „Kolonie“ sein will. Und erst vor wenigen Tagen sagte er bei einem Vortrag in München: „Ein reicher Deutscher irritiert uns nicht, bei einem reichen Österreicher sieht es schon anders aus.“

Was nicht nur geschmacklos ist, sondern angesichts der Tatsache, dass Österreich im Verhältnis zu seiner Größe bisher die weitaus meisten Investoren in Ungarn gestellt hat, auch dumm. Klarer kann man es ihnen ja kaum sagen, dass sie unerwünscht sind.

Mutige und kluge Maßnahmen

Durch solche Worte und Taten macht Ungarn derzeit wahrscheinlich alles wieder zunichte, was es derzeit an absolut vernünftigen und im Ausland kaum bekannten Reformmaßnahmen setzt:

Das sind viele mutige und kluge Maßnahmen aus dem Repertoire einer klassisch liberalen Wirtschaftspolitik. Vielleicht hat aber auch gerade dieses Etikett den Zorn der europäischen Linksparteien auf Ungarn so stark erhöht, dass sie das Land zum Ziel ihrer Hasskampagne machten. Als ob es nicht schon genug Probleme hätte, an denen die ungarischen Sozialisten hauptschuld sind.
 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Magere Zeiten voraus

26. März 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der kürzlich verstorbene Nationalökonom und Buchautor Roland Baader („Geld, Gold und Gottspieler“) fasste die aktuelle Lage der Weltwirtschaft in seinem letzten, „Geldsozialismus“ betitelten Buch so zusammen: „Was wir in den letzten Jahrzehnten im Kreditrausch vorausgefressen haben, werden wir in den nächsten Jahrzehnten nachhungern müssen. Es wird furchtbar werden.“

Damit hatte er wohl Recht! Denn Schulden – die Grundlage der vom Sozialstaat geschaffenen Wohlstandsillusion – müssen am Ende immer bezahlt werden: Entweder von den Schuldnern selbst, von den heute lebenden Kreditgebern, Sparern und Steuerzahlern, oder von für die prekären Umstände nicht verantwortlichen kommenden Generationen.

Seit dem Zweiten Weltkrieg durfte jede der heute im „freien Westen“ lebenden Generationen erwarten, dass es ihr materiell besser gehen würde als der ihrer Eltern. Die nach 1970 Geborenen werden – dank der zurückliegenden Schuldenexzesse – indes mit einem abnehmenden Wohlstandsniveau zurechtkommen müssen.

Nach dem Urteil von Systemmedien und beamteten Nationalökonomen sind es kollektive Gier, Spekulanten, verantwortungslose Banker, der „Neoliberalismus“, oder der „Turbokapitalismus“, denen wir die aktuellen Probleme zu verdanken haben. Nachdem – zum Verdruss der Masse der westlichen Intellektuellen – der Realsozialismus untergegangen ist, wurde, nach ihrer Meinung, durch die Krise nun die Marktwirtschaft diskreditiert. Daher erfährt die Suche nach einem „Dritten Weg“ gegenwärtig eine Renaissance. Unter den Etiketten „Ökosoziale Marktwirtschaft“, „Gemeinwohlökonomie“ oder „kreativer Sozialismus“, werden Konzepte präsentiert, die eine gerechtere Verteilung versprechen, leider aber allesamt auf eine zentral geführte Kommandowirtschaft hinauslaufen, die von den Produktiven zu den Unproduktiven umverteilt.

Das Gesetz der Knappheit

Der US-Wirtschaftswissenschaftler Mancur Olson stellte die Diagnose: “When there is a stronger incentive to take than to make … societies fall to the bottom.“ An diesem Punkt sind wir längst angelangt. Besonders die gut ausgebildeten Jungen verspüren wenig Lust, sich den Fährnissen des Marktgeschehens auszuliefern, da doch der Leviathan stressfreie Amtsstuben und erwerbslebenslang sichere Arbeitsplätze garantiert – zumal damit sogar höhere Lebenseinkommen verbunden sind (worauf der Sozialexperte Bernd Marin immer wieder hinweist). Das Schaffen von Anreizen, welche die Zahl derjenigen, die von Steuern leben, zu Lasten derjenigen, die Steuern zahlen, laufend erhöhen, ist ein Verfahren, das langfristig sinkenden Wohlstand garantiert.

Um die Ursachen der von der Politik offensichtlich nicht beherrschbaren, wirtschaftlichen Fehlentwicklungen zu verstehen, bedarf es der Einsicht in grundlegende ökonomische Gesetzmäßigkeiten. US-Ökonom Thomas Sowell: „Die erste Lektion der Ökonomie ist die Knappheit: Es gibt niemals genug von irgendetwas, um alle befriedigen zu können, die es haben wollen. Die erste Lektion der Politik ist die Nichtbeachtung der ersten Lektion der Ökonomie.“

Da der Zustand des Mangels die Regel, nicht die Ausnahme ist, gibt die politische Klasse vor, Unmögliches leisten zu können, indem sie behauptet, Knappheit und Mangel abschaffen zu können. Der ehemalige österreichische Finanzminister und Ökonomieprofessor Eugen Böhm von Bawerk stellte dazu fest: „Politische Macht vermag das ökonomische Gesetz niemals außer Kraft zu setzen." Am Beginn allen Unheils steht also stets der eitle Versuch der Machthaber, Naturgesetze außer zu Kraft setzen – wie jenes der Knappheit. Der Knappheit an Kapital wird durch eine „aktive Geldpolitik“ begegnet – durch Zinsmanipulation und Ausweitung von Geldmenge und Kreditvolumen.

Die von Ludwig Mises im Rahmen seiner Habilitationsschrift „Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ vor exakt 100 Jahren entwickelte Konjunkturtheorie, erklärt das Phänomen zyklisch auftretender Krisen. Seine Wirtschaftstheorie lehnt staatliche Interventionen rundweg ab. Sie setzt auf freie Entscheidungen selbstverantwortlicher Bürger. Aus Sicht der Politbüros bedeutet das eine unerträgliche Herausforderung ihres Selbstverständnisses als unfehlbare Führer.

Mises: „Boom-Bust-Cycle“

Vereinfacht dargestellt besagt diese „österreichische“ Konjunkturtheorie folgendes: Die Wirtschaft kennt keine stabilere Konstante als die der Veränderung. Alles befindet sich ständig im Fluss. Unternehmerische Entscheidungen sind stets auf eine ungewisse Zukunft gerichtet und bedeuten ein unvermeidliches Risiko. Jeder wirtschaftlich handelnde Mensch ist ein „Spekulant“, der hofft, ihm zum Vorteil gereichende Entscheidungen zu treffen. Mit seiner „Spekulation“ kann er natürlich falsch liegen.

Die für den Erfolg von Unternehmen maßgebliche Einschätzung der Nachfrageentwicklung kann danebengehen. Es gibt daher für keinen Betrieb eine dauerhafte Erfolgs- oder Bestandsgarantie. Es ist unvermeidlich, dass immer wieder Firmen in den unterschiedlichsten Branchen scheitern. Andere Betriebe entstehen dafür neu. Josef Schumpeter prägte für dieses Phänomen den Begriff „Schöpferische Zerstörung“.

Wenn – wie es in Krisenzeiten der Fall ist – rund um den Globus, zeitgleich, Unternehmen massenhaft in Schwierigkeiten geraten, müssen dafür besondere Gründe vorliegen. Keine der „neoklassischen“ Theorien, weder die der Keynesianer, noch die der Monetaristen, bietet dafür eine plausible Erklärung. Dass über Jahre hinweg künftige Konsumentenerwartungen korrekt antizipierende und erfolgreich agierende Unternehmer exakt zur selben Zeit allesamt die gleichen unternehmerischen Fehler begehen, die sie in existenzielle Notlagen bringen, ist nur dann zu erklären, wenn es einen für Anlass für ihr kollektives Fehlverhalten gibt. Der gegenwärtig an der Universität von Angers in Frankreich Volkswirtschaft lehrende Guido Hülsmann spricht in diesem Zusammenhang von „Error Cycles“.

Den Ausgangspunkt für kollektive unternehmerische Fehlentscheidungen bildet die Manipulation des Zinses. Auf dem freien Markt gebildete Zinsforderungen sind der Tatsache geschuldet, dass Menschen die Möglichkeit zur augenblicklichen Verfügung über ein Gut einer zukünftigen grundsätzlich vorziehen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Zeitpräferenz“. Je höher die Zeitpräferenz, desto eher ist man bereit, für sofortigen Konsum mehr zu bezahlen. Wer seine Konsumwünsche zu verschieben bereit ist, fordert ein Entgelt für seinen momentanen Verzicht und den dadurch möglich werdenden Verleih seiner Mittel. Seinen Niederschlag findet die Zeitpräferenz in der Höhe eines Aufschlags auf den Preis des Geldes - eben den Zins. Der Zins ist somit ein natürliches Phänomen, das in einer freien Wirtschaft ausschließlich vom Aggregat der Zeitpräferenzen der Konsumenten bestimmt wird.

Die Höhe des Zinses bestimmt die Antwort auf die Frage, ob eine geplante unternehmerische Investition sich lohnen wird oder nicht. Niedrige Zeitpräferenzen der Konsumenten manifestieren sich in hohen Sparquoten und niedrigen Zinsen. Die Unternehmer empfangen die Botschaft: Die Konsumenten verfügen über Reserven und sind bereit, ihre Konsumwünsche auf später aufzuschieben. Dies führt zu einer Konzentration von Investitionen in „Güter höherer Ordnung“ (auf solche, die nicht dem augenblicklichen Konsum dienen).

Das heißt, dem Konsumenten werden erst nach dem Bau entsprechender Fabriken oder der Entwicklung neuer Produkte Güter angeboten und verkauft werden können. Es kommt zu einer Verlagerung des Investitionsschwerpunkts von der Konsum- zur Kapitalgüterindustrie. Die in Boomphasen zu beobachtende, steigende Bewertung von Aktien entsprechender Industriebetriebe, die Steigerung von Immobilienpreisen und Baubooms, sind Symptome dafür.

Das alles ist in Ordnung, wenn die Konjunktur bei den Investitionsgütern durch real gebildete Ersparnisse angetrieben wird. Dann haben die Unternehmer richtig gehandelt: Die künftig angebotenen Güter werden auf kaufkräftige Nachfrage treffen. Ist der Boom indessen auf aus dem Nichts geschaffene Kredite gegründet (was in den der Krise vorangehenden Jahren der Fall war), verhalten sich die Unternehmer fehlerhaft, weil sie Investitionsentscheidungen auf Grund nicht gegebener Voraussetzungen treffen. Investitionen in Güter höherer Ordnung gehen vielfach verloren, weil die produzierten Waren auf keine kaufkräftige Nachfrage treffen, da die vermuteten Ersparnisse niemals gebildet wurden. Die Folge sind kostenintensiv aufgebaute Überkapazitäten. Ein als Bürohaus geplanter, halbfertig gebauter Wolkenkratzer ist kaum anderweitig verwertbar und daher abzuschreiben. Die in gescheiterte Vorhaben investierten Mittel hätten – auf andere Weise eingesetzt – den allgemeinen Wohlstand mehren können.

Fazit: Nach Abschluss des „Boom-Bust-Cycles“ befindet sich das Wohlstandsniveau einer Volkswirtschaft, infolge des Totalverlustes der Fehlinvestitionen, auf einem niedrigeren Niveau, als wenn dieser Zyklus niemals in Gang gesetzt worden wäre.

Tatsächliche Werte statt Geld aus dem Nichts

In einem warenbasierten Geldsystem mit 100 Prozent Deckungserfordernis (z. B. einer Goldwährung), ist die Schöpfung „billigen“ Geldes („Fiat Money“) oder von Krediten aus dem Nichts unmöglich. Die zur Verfügung stehende Geldmenge kann nur in jenem Ausmaß gesteigert werden, den die weltweite Goldförderung möglich macht.

Ludwig Mises meinte: „Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems kommen soll.“

Die Regierenden haben – nachdem sie ein Meer aus Papiergeld geschaffen haben – die Wahl: Entweder sie versuchen, den Brand mit Benzin zu löschen und die am Ende des Konjunkturzyklus eintretende Rezession durch eine weitere Geldmengenexpansion („Reflation“) abzuwenden. In diesem Fall werden die Staaten sich noch weiter verschulden und diese Schulden direkt oder indirekt monetarisieren – also in Liquidität transformieren und über die Geschäftsbanken in Form von Krediten in die Wirtschaft pumpen. Oder sie enthalten sich jeder Intervention und lassen eine scharfe, über Jahre anhaltende Rezession zu.

Die politische Klasse hat sich – rund um den Globus – für Variante eins entschieden und damit Zeit gekauft.

Ohne eine nachhaltige Korrektur der Zahlenverhältnisse von Produktiven zu Unproduktiven (von Fahrradbeauftragten, Antidiskriminierungsagenten und Quotenwächtern geht nun einmal keine Wertschöpfung aus!) und ohne ein Ende hoheitlicher Interventionen in die Wirtschaft – vor allem aber ohne die Abschaffung des staatlichen Geldmonopols und die Rückkehr zu einem nicht manipulierbaren, intrinsisch werthaltigen Geld (z. B. Gold) – wird die Sanierung der Weltwirtschaft nicht gelingen.

Da die politische Klasse weiterzumachen gedenkt wie bisher, ist mit einer Verlängerung der Krise auf unabsehbare Zeit zu rechnen – mit etwas Pech aber auch mit einem totalen Systemcrash…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 275: Wie die Gewerkschaft dieses Land ruiniert

23. März 2012 18:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Geht’s eigentlich noch letztklassiger?

Das hat es noch nie gegeben: Die Gewerkschaft hat gegen den Widerstand der Betroffenen, also der von ihr angeblich vertretenen Belegschaft, einen Kollektivvertrag aufgekündigt. Opfer dieser Aktion ist die Fluggesellschaft Tyrolean. Hintergrund sind natürlich die Pläne der AUA-Führung (und ihres deutschen Eigentümers), die AUA-Belegschaft mit ihren nicht mehr finanzierbaren Privilegien – konkret: bei den Altverträgen des fliegenden Personals – in die Tyrolean überzuführen. Dort sollen die Bezüge der AUA-Mitarbeiter eingefroren werden, solange sie über dem Tyrolean-Niveau liegen. Da auch bei dieser Fluglinie die Mitarbeiter keineswegs unter Hungerlöhnen leiden, ist das ein ganz vernünftiger Vorschlag, der die AUA vielleicht noch retten kann. Allein die Gewerkschaft will nicht. Sie verteidigt provozierende Privilegien mit aller noch verbliebenen Kraft. Und sie riskiert in ihrem Überlebenskampf um die eigene Existenzberechtigung lieber den Untergang großer Fluggesellschaften. Obwohl diese für den Standort Österreich – vom Tourismus bis zum zuletzt boomenden Konferenzgeschäft – lebenswichtig sind. Irgendwie bezeichnend, was zugleich bekannt geworden ist: Ein Großbetriebsrat hat zwei Dienstautos und verrechnet daneben noch weitere 45.000 Kilometer für Fahrten mit dem Privat-PKW. Ist es notwendig hinzuzufügen, dass auch dieser Sumpf im gleichen halbstaatlichen Dschungel, in diesem Fall bei der Post, zu finden ist, in dem auch die AUA-Privilegien so maßlos geworden sind?

 

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Wie geht es unserem Geld in China?

22. März 2012 02:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich hat ohne öffentliches Aufsehen als erstes Land die Genehmigung erhalten, einen Teil seiner Devisen in der chinesischen Währung Renminbi (Yuan) anzulegen. Das ist ein hochinteressanter Vorgang. Mit Chancen, aber auch Risken.

Die Chancen liegen darin, dass der Yuan massiv unterbewertet ist. Die Chinesen haben sich bisher hartnäckig geweigert, den Yuan ausreichend aufzuwerten, obwohl die Amerikaner und auch andere Länder massiv Druck ausüben. Der Niedrigkurs des Yuan macht Exporte nach China sehr teuer, diese finden deshalb viel zu selten statt. China kann umgekehrt dank seiner unterbewerteten Währung billig exportieren und weiterhin den Weltmarkt überschwemmen.

Leidtragende sind neben dem exportwilligen Westen vor allem die chinesischen Arbeitnehmer. Ihr Entgelt wird massiv entwertet, wenn viele Importwaren unerschwinglich teuer sind. China-Experten rechnen aber damit, dass China den vorsichtig begonnenen Prozess einer langsamen und kontrollierten Aufwertung fortsetzen wird. Mancherorts werden nämlich Arbeitskräfte bereits rar. Das ist natürlich auch eine Folge der Ein-Kind-Politik. Das löst wiederum Druck Richtung Lohnerhöhungen aus, die wiederum eine saftige Inflation auslösen würden. Wenn man in dieser Situation durch eine Aufwertung die Importe verbilligt, reduziert das hingegen diesen Druck. China ist ja ohnedies schon vom baldigen Platzen einer heftigen Immobilienblase bedroht.

Eine solche Aufwertung wäre natürlich toll für Veranlagungen in Yuan. Diese wären über Nacht deutlich mehr wert. Daher könnte eine Spekulation der Republik Österreich vielleicht auch wieder einmal Gewinn bringen, nachdem zuletzt viele öffentlich-rechtliche Anleger kräftig verloren haben (wofür sie nun im nachhinein den Banken die Schuld zu geben versuchen).

Das heißt nun keineswegs, dass diese Spekulation mit China abzulehnen ist. Ist doch ohnedies jede Geldanlage eine Spekulation, auch wenn das Boulevardzeitungen nicht begreifen. Selbst unter dem Kopfpolster können Diebe, Ratten oder ein (irrtümlicher) Waschvorgang bekanntlich einen schlimmen Schaden anrichten.

Aber auch die Veranlagung in Yuan ist keineswegs risikofrei. Erstens ist China kein Rechtsstaat, in dem die Einhaltung von Verträgen leicht durchsetzbar wäre. Und zweitens ist der Yuan nicht frei konvertibel. Man ist daher auch als Anleger nicht wirklich frei. China ist ja nur mikro-, nicht makroökonomisch eine Marktwirtschaft. Dort herrscht weiter eine strenge Einparteiendiktatur, die zwar nicht mehr marxistisch, aber in hohem Ausmaß nationalistisch geprägt ist. Das Land ist viel schwerer berechenbar als ein kapitalistischer Rechtsstaat.

Hinter der Glitzerfassade der chinesischen Wolkenkratzer lauert daher immer die Angst und damit das Risiko: Wird sich die soziale Dynamik weiter so friedlich und relativ glatt entwickeln? Welche Folgen hat die zunehmende Alterung Chinas? Was bedeuten die jüngsten Machtkämpfe und Säuberungen im Politbüro? Und wie explosiv sind die Freiheitswünsche in Tibet, Xinjiang oder Taiwan wirklich?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Ungeliebte Kapazitätsmärkte – Niemand will investieren

21. März 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Große Unsicherheit herrscht derzeit darüber, wie für den ständig ansteigenden Anteil der Erneuerbaren Energien ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden kann, für jene Zeiten, wo kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf Gaskraftwerke gelegt, die in ausreichender Zahl gebaut werden sollten.

Das Problem ist, dass bei den derzeitigen Gaspreisen niemand investieren will, weil die Investitionen nicht verdient werden können. ??Unter den zu erwartenden Gegebenheiten, dass die Anlieferung von grünem Strom wesentlich steigen wird und die Strompreise sich nicht wesentlich erhöhen werden, gibt es nur zwei Stellschrauben an denen gedreht werden kann.

Die Gaspreise müssen angepasst werden, um Gaskraftwerke zu ermöglichen.
In der Vergangenheit gab es so genanntes „Kraftwerksgas", das zu Preisen angeboten wurde, die sich an der Konkurrenzenergie (etwa Kohle) orientierten, das war meist deutlich unter den Marktpreisen für Gas. Diese Zeiten sind vorbei. Viele potentielle Kraftwerksbetreiber verlangen daher eine Anbindung der Gaspreise an die Strompreise, zumindest für einen Teil der Liefermenge. Derartige Angebote gibt es bereits am Markt, was aber noch immer nicht ausreicht, um die Vollkosten abzudecken.

Auch die heimischen Betreiber von Gaskraftwerken leiden unter den hohen Preisen der Langfristverträge mit Gazprom. Die Russen haben bisher wenig Bereitschaft gezeigt, an der Preisschraube zu drehen.?

Bleibt als zweite Möglichkeit eine Änderung der Rahmenbedingungen und damit befindet man sich bereits bei dem heiklen Thema der „Kapazitätsmärkte".
Es geht dabei darum, ob der Neubau von Kraftwerken subventioniert werden soll. Das heißt im Klartext, dass ein Teil der Liberalisierung der Energiemärkte wieder zurückgenommen würde. Politiker und Stromversorger wollen das eigentlich nicht. Österreich Energiemanager sehen dies als einen Rückschritt an. Wirtschaftsminister Mitterlehner: „So etwas ist nicht nötig". ?

Während in Österreich noch keine Überlegungen für Kapazitätsmärkte bekannt sind, überlegt die deutsche Bundesregierung eine direkte Subventionierung der Investitionskosten im Ausmaß von 15 Prozent (für Investitionsentscheidungen zwischen 2013 und 2016) unter der Voraussetzung, dass die Kraftwerke CCS-fähig (CO2-Abscheidung) sind. Zudem dürfe der Betreiber nicht über einen Marktanteil von mehr als fünf Prozent des Stromerzeugungsmarktes verfügen.

Bezahlt sollen diese Subventionen aus den staatlichen Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten werden. ??Das könnte allerdings in Brüssel auf Widerstand stoßen, wo man derzeit an einheitlichen Vorgaben für derartige Beihilfen arbeitet. Es geht darum, dass nur Kraftwerke gefördert werden, die die gesamte Prozesskette zur Abscheidung und Abspeicherung von Kohlenstoff bis 2020 tatsächlich vornehmen können. Dies wird weder in Deutschland noch in Österreich der Fall sein, weil dies politisch derzeit nicht gewollt wird.

Wie die Energiewende funktionieren wird steht somit nach wie vor in den Sternen. Weder der Kraftwerkausbau noch der dringend notwendige Ausbau der Übertragungsnetze ist auf Schiene. Überschüssige Strommengen von norddeutschen Windrädern werden somit unerwünscht nach Tschechien, Polen und auch Österreich schwappen und Unruhe in die nationalen Stromnetze bringen. Retten könnte man sich indem man den Strom einfach nicht hereinlässt (also den Phasenschieber zumacht). In Polen ist das angedacht, die Tschechen wollen das nicht und möchten eher die heimischen Übertragungsnetze ausbauen. In Österreich ist das Problem in nächster Zeit noch nicht allzu dringend zu lösen.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Frankreich: Die Richtungswahl des nächsten Crash-Kandidaten

20. März 2012 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist oft schwer verständlich, wie viele Sende- und Zeitungsfläche die europäischen Medien jedem einzelnen Vorwahlergebnis in Amerika spendieren, und wie relativ wenig Aufmerksamkeit selbst den großen europäischen Staaten gewidmet wird. Dabei wage ich zu sagen: Alleine Frankreich, das schon im April und Mai wählt, ist für die Zukunft Europas wichtiger als alle amerikanischen Vor- und Präsidentenwahlen zusammen.

Denn wir leben ja zum Glück nicht mehr in Zeiten, da das amerikanische Eingreifen einen Weltkrieg entscheidet. Denn wir leben in einer Epoche, wo unser aller Schicksal mindestens ebenso stark von der Europäischen Union wie von den nationalen Regierungen entschieden wird, aber viel weniger von irgendwelchen Entscheidungen Washingtons. Und in der EU erfolgt die entscheidende Willensbildung seit Jahrzehnten durch den deutschen Bundeskanzler und den französischen Präsidenten.

Da mag sich die EU selber noch ein weiteres Dutzend einander eifersüchtig beobachtender Präsidenten für Kommission, Rat oder Euro-Gruppe etc. geben: Das letzte Wort bleibt in Paris und Berlin. Ganz Europa respektiert das, weil es keine funktionierende Alternative gibt. Geschichtsbewusste schätzen das auch deshalb, weil der frühere Antagonismus zwischen den beiden Völkern über zwei Jahrhunderte Europa regelmäßig schwere Konflikte und millionenfachen Tod beschert hat.

Frankreichs Präsidentenwahl ist auch deshalb besonders spannend, weil Nicolas Sarkozy ein impulsiver und überehrgeiziger Politiker ist, dem man vieles Negative nachsagen kann, aber nicht, dass er langweilig oder feige wäre. Noch spannender wird das Rennen dadurch, dass nicht weniger als fünf Kandidaten Chancen haben, zweistellige Prozentanzahlen zu erreichen, und weil es daher mit fast absoluter Sicherheit eine Stichwahl geben wird.

Ein Staatssozialismus nähert sich dem Crash

All diese – fast hätte ich gesagt: sportlichen – Aspekte verblassen aber hinter der wirtschaftlichen Bedeutung. Denn das zweitgrößte Land Europas befindet sich in einer extrem fragilen Position. Ein größerer Crash in Frankreich hätte aber ganz andere Folgen als etwa die griechische Krise der letzten drei Jahre. Und ein solcher Crash hat eine ziemlich große Wahrscheinlichkeit, wenn man sich die französische Realität näher anschaut.

Die wichtigste Ursache der französischen Krise ist die enorm große Rolle des Staates in der Wirtschaft. Das hat die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und seiner Industrien im Lauf der Jahre stark reduziert und die Budgetdefizite stark erhöht. Zugleich haben frühere sozialistische Regierungen etwa durch die Einführung der 35-Stunden-Woche mit populistischen Maßnahmen die französischen Unternehmen belastet. Das wurde von den Gaullisten nicht mehr zurückgenommen. Stehen doch auch sie in einer starken sozialetatistischen Tradition. Ist doch die Rücknahme sozialer Ansprüche in fast keinem Land ohne enormen Widerstand durchsetzbar.

Der französische Staat ist wie ein Luftballon aufgeblasen, der mit einem Reißnagel zum Platzen gebracht werden kann. Frankreich hat heute rund 5,5 Millionen Staatsbedienstete. Das sind um 18 Prozent mehr als vor einem Jahrzehnt. Das ist auch eine halbe Million mehr als in Deutschland (obwohl in der Bundesrepublik 19 Millionen mehr Menschen wohnen als in Frankreich). Der französische Staat kontrolliert darüber hinaus ganze Industriebranchen; er ist an mehr als 800 meist großen Unternehmen signifikant beteiligt.

Zugleich lebt Frankreich in einem höheren Ausmaß als die allermeisten anderen Länder nur vom Konsum, der durch staatliche Schuldenmacherei finanziert wird. Die offiziellen Staatsschulden: Österreich 73 Prozent, Frankreich 86 Prozent. Dabei machen die inoffiziellen – „impliziten“ – Verpflichtungen etwa aus dem generösen Pensionssystem noch ein Vielfaches dieser Werte aus, werden jedoch nirgendwo exakt gemessen. Auch die Staatsausgabenquote (als Anteil am BIP gemessen) ist mit 56 Prozent höher als im ebenfalls ausgabenfreudigen Österreich (52 Prozent), und gleich um zehn Prozentpunkte höher als in Deutschland oder auch Italien.

Deutschland produziert viel billiger

Fast notgedrungene Folge dieses Staatssozialismus: Die Arbeitslosigkeit beträgt 10 Prozent, und von den Jugendlichen ist schon jeder vierte arbeitslos. Dennoch ist bisher jeder Versuch, die Beschäftigungsquote durch eine Liberalisierung des überregulierten Arbeitsmarktes zu erhöhen, sehr rasch immer an aggressiven Demonstrationen und Streiks von linken Gewerkschaften und Studenten gescheitert. Die Profiteure in den diversen staatlich geschützten und gestützten Sektoren sind einfach nicht willens, in eine Wettbewerbswirtschaft zu wechseln. Warum sollten sie auch auf persönliche Vorteile verzichten? Die Folge: Kaum noch ein Arbeitgeber ist willens, neue Arbeitsverträge zu diesen Gewerkschaftsbedingungen zu schaffen.

Denn die Arbeitskräfte sind nicht nur unkündbar, sondern auch teuer, vor allem im letzten Jahrzehnt haben sich die Kosten für Arbeitgeber stark erhöht. Dazu kommen hohe Steuern auf jeden Arbeitsplatz. Heute sind die totalen Kosten für eine Arbeitsstunde in Frankreich um 41 Prozent höher als in Deutschland. Das führt dazu, dass immer mehr, vor allem junge Menschen wenn überhaupt nur noch kurzfristig limitierte Arbeitsplätze finden.

Frankreich agiert zwar heute als eine Führungskraft der EU. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb? – hat das Land es geschafft, große Wirtschaftsbereiche gegen die Herausforderungen, die kurzfristigen Schmerzen, damit aber auch die langfristigen Vorteile eines gemeinsamen Binnenmarktes abzuschotten. Dies gilt insbesondere für die französische Landwirtschaft, aber auch für alle Sektoren, die sich als kulturell ausgeben können.

Und ganz besonders gilt das für die großen französischen Strom- und Telekomkonzerne. Diese sind in den letzten Jahren im Ausland auf große Einkaufstour gegangen, haben aber im Inland jede Konkurrenz für ihre Monopole abwenden können. Vor allem der Stromriese EDF hat dabei freilich durch die günstige Atomstromproduktion auch einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber den von den Atomgegnern lahmgelegten Konkurrenten. Diese Nuklearindustrie hat zweifellos mitgeholfen, dass das französische Wohlfahrtsmodell bisher noch nicht kollabiert ist.

Der Immobilismus der Eliten

Zugleich hat Frankreich eine lange Tradition linksradikaler Intellektueller, welche weit wirklichkeitsfremder sind als etwa die deutschen Sozialdemokraten. Aber auch die weniger radikalen Eliten haben nicht wirklich versucht, die Nation von der Notwendigkeit irgendwelcher Änderungen zu überzeugen. Sie selbst leben ja in dem Immobilismus des französischen Modells nach wie vor gut.

Die Eliten des Landes von links bis rechts tun sich auch nach wie vor schwer mit dem Gedanken, dass Frankreich heute nur noch ein mittelgroßes Land und keine Weltmacht mehr ist. Diese Fixierung auf eine große Vergangenheit behindert aber zweifellos eine echte Zuwendung zur Zukunft.

Auch die starke Zentralisierung des Staates erweist sich immer mehr als eine unheilvolle Tradition. Sie erschwert Flexibilität und Vielfalt. In der Geschichte hat sich bisher immer staatlich gelenkte Industriepolitik als langfristig dem freien Wachstum der Ideen unterlegen erwiesen.

Eine schwere Last für Frankreich ist die große Zahl von Einwohnern, deren Wurzeln in Afrika liegen. Sie haben zwar großteils die französische Staatsbürgerschaft; sie haben aber nur in kleinen Minderheiten zum bildungsmäßigen und zivilisatorischen Standard der Mehrheitsbevölkerung aufschließen können. Sie sind daher nicht nur in besonders hohem Ausmaß arbeitslos, da die meisten einfachen Jobs verschwunden sind. Diese Menschen sind daher eine wachsend aggressive Kraft einer sozialen Destabilisierung. Bisher schien es in Frankreich wenigstens weniger gefährliche islamistische Netzwerke zu geben als etwa in Großbritannien. Das jüngste Blutbad vor einer jüdischen Schule in Toulouse lässt jedoch nun auch in diesem Punkt eine negative Entwicklung befürchten.

Sarkozy: Reden statt Handeln

Sarkozy hat vor fünf Jahren den Eindruck erweckt, als einer der ersten Spitzenpolitiker die französische Krankheit voll diagnostiziert zu haben. Aber er hat dann als Präsident – obwohl im eigenen Land viel mächtiger als der jeweilige deutsche Kanzler in seinem – fast nichts für eine Therapie getan. Sarkozy hat viel geredet und wenig gehandelt.

Zuerst haben die niedrigen Zinsen das anhaltende Schuldenmachen noch erleichtert. Und dann kam die Krise. In dieser hat sich das Defizit für die enormen Sozialausgaben automatisch rasch erhöht, während die Struktur- und Wachstumsreformen erst recht nicht angegangen wurden. Daher fehlt Sarkozy fast jede Glaubwürdigkeit, wenn er jetzt – in der Krise und im Wahlkampf – plötzlich wieder von energischen Reformen redet.

Allerdings: Keiner seiner Konkurrenten scheint auch nur in der Theorie die Reformnotwendigkeiten erkannt zu haben. Die meisten wollen sogar das Schulden-Füllhorn noch weiter über den Wählern öffnen, versprechen noch mehr Wohlfahrt, wollen marode Industrien durch neue Schulden retten. Und sie meinen weiterhin, dass sich schon alles irgendwie ausgehen wird. Oder sie glauben, dass die Deutschen (und einige andere) wie in den letzten Jahrzehnten dafür zahlen werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Pro Marktwirtschaft: Wider die Mär vom „Zu-Tode-sparen“

19. März 2012 22:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Die Mitgliedsstaaten der EU reagieren auf die Ausweitung der öffentlichen Verschuldung als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise mit so genannten „Sparprogrammen“. Diese Reduktion der öffentlichen Ausgaben leite, so die immer häufiger vernommene Botschaft, unvermeidbar eine ökonomische Abwärtsspirale ein, in rhetorischer Überzeichnung wird dies mit „zu Tode sparen“ betitelt. Sehen wir davon ab, dass dies technisch gesehen noch kein Sparen im eigentlichen Sinn darstellt, so scheinen Realität und öffentliche Darstellung nicht im Einklang zu stehen.

Um dies zu veranschaulichen sei der Blick in die entsprechenden Statistiken von Eurostat erlaubt. Vergleichen wir die drei Haushaltsjahre vor der Krise (2004 – 06), während (2007 – 09) und nach der Krise (2010 - 12). Hat sich Europa in eine Krise gespart?

Zumindest die Statistik kann für diese Behauptungen keinen Beleg liefern. Die Gesamtausgabenquote der EU lag im Zeitraum vor der Krise bei durchschnittlich 46,6% des BIP, während der Krise bei 47,8%, und nach der Krise bei 49,4%, war also um rund 2,8 Prozentpunkte des BIP höher. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Betrachtung der Länder der Eurozone: Die tendenziell noch höhere Ausgabenquote stieg von 47,2%, auf 48,1% bzw. auf 49,8%, also um 2,6 Prozentpunkte.

Im Gegensatz dazu hat die Schweiz die Ausgabenquote sogar reduziert, und das von einem weitaus niedrigerem Niveau als die EU, nämlich von 34,9% auf 32,9% während der Krise, um nach der Krise mit 34,1% unter dem Vorkrisenniveau zu bleiben. Die Ausgabenquote der Schweiz liegt somit um 15,3 Prozentpunkte (!) unter dem Niveau der EU. Entsprechend der Logik der Befürworter immer höherer Staatsausgaben müsste somit auch das Wohlstandsniveau der Schweiz niedriger sein, aber zumindest stärker zurück gegangen sein, als in der EU, sie hätte sich eben „zu Tode gespart“.

Die Fakten zeigen allerdings das Gegenteil: Während das (reale) BIP der EU zwischen 2008 und 2010 um 0,7% p.a. geschrumpft ist, hat das Schweizer BIP um gut 1% p.a. zugelegt. Entsprechend hat sich auch der Vorsprung des Schweizer Wohlstandsniveaus gegenüber der EU wieder ausgeweitet: 2006 lag das kaufkraftgewichtete Pro-Kopf-BIP der Schweiz um 34% über jenem der EU, 2010 war der Abstand auf 47% gewachsen, damit wurde wieder der Abstand des Jahres 1998 „erreicht“, die Konvergenz eines Jahrzehnts hat sich somit wieder umgekehrt.

Für überzeugte (Austro-)Keynesianer und sonstige Apologeten staatlicher Ausgaben ist dies ein Paradoxon. In der Schweiz wird Wohlstand vor allem erarbeitet, und in geringerem Maße umverteilt. So liegt etwa die Beschäftigungsquote (Stand 2010) mit 78,6% um 14,5%-Punkte höher als in der EU bzw. dem Euro-Raum, wo diese jeweils bei 64,1% angesiedelt ist. In simpler Schlussfolgerung könnte man somit behaupten, dass die um beinahe 16 Prozentpunkte höhere Ausgabenquote der EU die um fast 15 Prozentpunkte niedrigere Erwerbsquote der EU finanziert.

Dies reflektiert, dass der EU-Sozialstaat auch den Nicht-Erwerbstätigen ein Mindestwohlstandsniveau bietet, das finanziert werden muss. Ohne Wohlstandseinbußen gegenüber der Schweiz funktioniert dies nur, wenn die EU ihr Ziel im Rahmen der „Europa 2020 Strategie“ erreicht, die Anhebung der Erwerbsquote der 20- bis 64jährigen auf mindestens 75 Prozent zu steigern. Die Beschäftigungsquote der Schweiz liegt seit 1996 ziemlich konstant zwischen 77% bis 79%. Die Schweiz erreicht sonst einen permanenten Vorsprung gegenüber der EU, aber auch der Eurozone, von 15,5% Prozentpunkten.

Die Hauptfolge: Die Staatsverschuldung der Eurozone ist seit Einführung des Euro 2002 von 67,9% auf 85,3% des BIP im Jahr 2010 gestiegen. Den umgekehrten Weg konnte die Schweiz gehen: Seit 2002 ist der öffentliche Schuldenstand von 54,4% (2002) auf 38,4% (2010) gesunken. Da auch die Schweiz maßgebliche Unterstützung ihres Bankensektors leisten musste, fällt die bei uns weit verbreitete Argumentation, die Ausweitung der Staatsverschuldung wäre primär eine Folge von Bankenrettungspaketen, in sich zusammen. Auch ohne die Stabilisierung des Bankensektors hätte sich die Staatsverschuldung in Österreich von 2007 bis 2011 um rund 10 Prozentpunkte erhöht.

Die europäische Politik ist offenbar nicht in der Lage, haushaltspolitische Realitäten anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Die Schweiz hat vorgezeigt, wie man einer Schuldenkrise vorbeugt: Durch Arbeit und durch Sparen, nicht durch Schaffung immer neuer, immer stärker dotierter „Rettungsschirme“, deren letztes Ziel immer nur die Ermöglichung neuer Schulden ist. Sparen heißt Vermögen aufbauen, nicht Schulden erhöhen. Die vorrangige Aufgabe der Wirtschaftspolitik sollte es daher sein, die Kapitalbildung zu fördern und nicht den Konsum zu stärken.

Die Empfehlung

Selbst nach dem jüngsten österreichischen Konsolidierungsprogramm setzt die Bundesregierung den Pfad der Ausgabensteigerung auch in den kommenden Jahren fort. Daher wird auch das strukturelle Budgetdefizit bis 2016 nicht wie vom EU-Rat gefordert um jährlich 0,75 Prozentpunkte gesenkt, sondern nur um bescheidene 0,4 Prozentpunkte. Vielmehr sollte die Haushaltspolitik der Schweiz während der letzten Dekade Österreich als Vorbild dienen.

Nötig ist ein neuer nationaler Konsens in Österreich, der auf eine langfristige Rückführung der Staatsausgaben in Richtung Schweizer Niveau abzielt. Ausgehend von einer Ausgabenquote von 51,8 Prozent (2011) wäre eine Senkung der Ausgabenquote von 5 Prozentpunkten pro Legislaturperiode zielführend. Dies entspricht einer durchaus machbaren Ausgabenreduktion von jährlich einem Prozentpunkt. In den richtigen Ausgabenkategorien „gespart“, heißt das neue Wachstumspotenziale freizusetzen.

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

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Wie gut hat die Schweiz die Wirtschaftskrise im Vergleich zur EU verkraftet?

19. März 2012 13:54 | Autor: Andreas Unterberger

Ausgewählte wirtschaftliche Kennzahlen im Vergleich Eurozone und Schweiz, vor und nach Ausbruch der Wirtschaftskrise

 

Quelle Grafik: Initiative "pro Marktwirtschaft"

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Licht ins Dunkel: Inflation oder Deflation?

19. März 2012 03:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die Gefahr einer „deflationären Depression“ dient Politikern und Zentralbankern seit den Tagen John Maynard Keynes´ als Rechtfertigung für eine inflationistische Geldpolitik. Um die vermeintlich segensreiche Schwundgeldpolitik der Währungsmonopolisten in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen, werden auch heute noch mit größter Inbrunst jene Gefahren beschworen, die eine abnehmende Geldmenge angeblich mit sich bringt.

Der weitgehend vollständige Mangel an Wissen um Entstehung, Wesen und Bedeutung des Geldes erleichtert es Politikern, Zentralbürokraten und Bankern, das Geldvermögen der Bürger mittels Inflationssteuern unbemerkt umzuverteilen – zu ihren Gunsten, versteht sich! Henry Ford brachte es auf den Punkt, als er meinte: „Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ Da sich jedoch nur eine Minderheit der Bürger mit Fragen der – korrupten und betrügerischen – staatlichen Geldpolitik beschäftigt, ist die Revolution bislang ausgeblieben. Als Sparer ist man versucht hinzuzufügen: leider!

Markus Lindermayr, Janne J. Kipp und Christoph Schnabel unternehmen es in ihrem Buch „Inflation oder Deflation“, Licht ins Dunkel zu bringen. In einer auch für Laien verständlichen Sprache werden Grundbegriffe von Ökonomie und Geldpolitik erläutert und Begriffsumdeutungen, die in listiger Weise der Verschleierung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen dienen, klar benannt: „Inflation“ bezeichnete ursprünglich die Ausweitung der Geldmenge, während heute damit eine allgemeine Teuerung gemeint ist.

Auf diese Weise wird in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, Preissteigerungen wären das Werk profitgieriger Produzenten von Waren und Dienstleistungen und perfider Spekulanten, während dafür in Wahrheit einzig und allein die hemmungslose Ausweitung der Geld- und Kreditmenge – und damit der staatliche Geldmonopolist – verantwortlich ist. Allgemeiner Preisauftrieb ist die mit einiger Zeitverzögerung und nicht für alle Güter in gleichem Ausmaß eintretende Folge einer vorangegangenen Inflation!

Nach einer Einführung in die verwendeten Begriffe werden die wesentlichsten Zusammenhänge und wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten erläutert, wobei die Autoren an ihrer Sympathie für die Analyse der „Österreichischen Schule“ keine Zweifel aufkommen lassen. Anschließend werden in einem historischen Teil zurückliegende Inflationsszenarien (beginnend mit dem berüchtigten Papiergeldexperiment des John Law in Frankreich) und die deflationäre Stagnation in Japan seit Anfang der 1990er-Jahre beschrieben.

Danach wird den Gründen für die zyklische Natur des Konjunkturphänomens nachgespürt und der nach seinem Schöpfer benannte Kondratjew-Zyklus vorgestellt. Mit der Beschreibung globaler Trends und verschiedener denkbarer „Basisszenarien“ für die Weltwirtschaft endet der 284 Seite umfassende erste Teil des Buches.

Der kurze, aber hochinteressante zweite Teil ist der Anlegerpsychologie gewidmet und beschreibt die von Investoren am häufigsten gemachten Fehler und deren Ursachen. Grundlegend mangelhafte oder selektive Wahrnehmung der Wirklichkeit, die unbewusste Ausblendung unangenehmer Wahrheiten, die Macht des „wishful thinking“ und das völlige Fehlen eines „Plan B“ im Falle des Eintretens unerwarteter Ereignisse, können in vielen Fällen zu schmerzhaften Vermögensverlusten führen.

Zwei bedenkenswerte Zitate aus dem Schlusswort: „Die Weltwirtschaft ist nun dabei, den ausgeprägtesten Zyklus der Wirtschaftsgeschichte zu beenden.“ Welche überaus unerfreulichen Konsequenzen damit aller Voraussicht nach verbunden sind, dürfte nach der Lektüre des Buches den meisten Lesern klar sein.

„Der Weg zurück zu einem nachhaltigen Gleichgewicht wird hart.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Inflation oder Deflation?
Markus Lindermayr, Janne Jörg Kipp und Christoph Schnabel
Finanzbuch Verlag 2012
336 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-89879-637-8
€ 20,60,-

 

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Kapitalismus ist böse!

17. März 2012 02:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Nicht erst seit Ausbruch der Staatsschulden- Währungs- und Finanzkrise ist der „Kapitalismus“ – respektive das, was viele seiner weitgehend auf dem Holzweg befindlichen Gegner dafür halten – massiv in die Kritik geraten. Mit größter Selbstverständlichkeit verstehen sich bevorzugt jene linken Aktivisten als Angriffsspitzen gegen die marktwirtschaftliche Ordnung, deren Urteil durch keinerlei Sachkenntnis getrübt ist und die ihr allenfalls bescheidenes ökonomisches Verständnis der Lektüre von Gewerkschaftspostillen und Marx-Exegesen verdanken.

Dass keiner von ihnen je einen unter Marktbedingungen tätigen Betrieb von innen gesehen, geschweige denn einen geführt oder gar gegründet hat, versteht sich von selbst. Es ist, als ob sich Konditoren oder Mineralogen über die technischem Voraussetzungen und den Wirkungsgrad von Kernfusionskraftwerken auslassen würden.

So etwa reitet Jean Ziegler, ex-UNO-Agent, notorischer Bessermensch und nach eigener Einschätzung, die er einst der Hamburger „Zeit“ anvertraute, „weißer Neger“, in seinen Publikationen rollende Angriffe, gegen das kapitalistische nord-westliche „Imperium der Schande“, dem er die Schuld am in der der Dritten Welt herrschenden Elend zuweist.

Ein nicht ganz so prominenter „Experte“, Christian Felber, Gründungesmitglied des österreichischen Ablegers von „Attac“, geht seit Jahr und Tag mit seinen „50 Vorschlägen für eine gerechtere Welt“ und seinen rigoros planwirtschaftlichen Ideen für eine „Gemeinwohlökonomie“ hausieren. Er sieht darin eine „sozial gerechte“ Alternative zum im Kapitalismus manifestierten Eigennutzdenken. Wie Jean Ziegler sieht er die großartigen Errungenschaften der modernen Wohlfahrtsdemokratie (wie etwa die beinharte Bestrafung individueller Leistung und das gesetzlich verbriefte Recht auf Faulheit) gefährdet, wenn freie Bürger freie Entscheidungen im Hinblick auf die Verwendung ihres Eigentums treffen.

Was, wenn nicht Unsinn, will man indes von Soziologen oder Philologen zum Thema Ökonomie erwarten? Demütige Einsicht im Sinne des althergebrachten Rates „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ ist von aus allen Poren Besserwisserei und Selbstgerechtigkeit verströmenden Intellektuellen nicht zu erwarten. Man darf gespannt sein, wann diese „Experten für eigentlich eh alles“ (© Günther Paal alias Gunkl) sich auch als Brückenkonstrukteure oder Neurochirurgen versuchen werden.

Sahra Wagenknecht: „Freiheit statt Kapitalismus“

Wenn ein Buch, als dessen Autorin eine gelernte Philosophin firmiert, den klangvollen Titel: „Freiheit statt Kapitalismus“ trägt, ist beinahe schon alles klar. Allerdings ist der Urheberin, der in der Sowjetzone sozialisierten Kommunistin Sahra Wagenknecht, die heute die „wirtschaftspolitische Sprecherin“ der Deutschen Linkspartei gibt, eine zumindest rudimentäre Beschäftigung mit einschlägiger Literatur zu attestieren. Dass eine radikale Gegnerin der Marktordnung „neoliberale“ Schwergewichte wie Rüstow, Erhard, Hayek, und sogar den pointierten Sozialismuskritiker Ludwig Mises (wenn auch falsch) – zitiert, ist immerhin bemerkenswert.

Im ersten Teil des 365 Seiten starken Werkes widmet sich die Genossin der Kritik des Status quo, wobei sie über längere Strecken so formuliert, als hätten ihr Philipp Bagus oder Thorsten Polleit die Feder geführt. Demnach liegt sie vielfach goldrichtig! Denn dass im Hinblick auf Unternehmen und Banken „big“ keineswegs in jedem Fall „beautiful“ bedeutet, ist korrekt. Dass die weltweit betriebene, hemmungslose Ausweitung der Geldmenge nicht das Gelbe vom Ei sein kann, ist wahr. Und dass Big Business und Big Government meist zum Schaden der Bürger unheilvolle Allianzen bilden, ebenfalls. Indessen fehlt ihr die Konsequenz zur Erkenntnis, dass die zu Recht kritisierten Zustände allesamt politisch motiviert waren und sind und daher auch politisch (demokratisch!) zu verantworten sind. Bitterböse Spekulanten und Investmentbanker agieren auf genau dem Humus, den eine von stabilen Wählermehrheiten inthronisierte Nomenklatura erst geschaffen hat.

Im zweiten Teil geht’s richtig ans Eingemachte: Hier entwickelt Wagenknecht ihre Vision dessen, was sie „kreativen Sozialismus“ nennt. Was dabei ihre Vorstellungen von denen der meisten orthodoxen Sozialisten unterscheidet, ist ihre – vordergründige – Absage an eine zentrale Wirtschaftsplanung. Ihr schwebt eine Art „Syndikalsozialismus“ vor, in welchem Unternehmensbelegschaften ihre Betriebe „selbständig“ führen sollen. Vielleicht hätte die Autorin, ehe sie sich damit auf allzu dünnes Eis wagt, bei einem anderen Linkssozialisten, nämlich Jean-Francois Revel, eine gedankliche Anleihe nehmen sollen, der in seinem Buch „Die Totalitäre Versuchung“ bereits anno 1976 auf die unauflösbaren Widersprüche hingewiesen hat, die ein derartiger „Sozialismus ohne Plan“ zwangsläufig mit sich bringt.

Dass kollektiv geführte Unternehmen in den meisten Fällen in kürzester Zeit untergehen; dass es genossenschaftlich geführten Betrieben an Wettbewerbsfähigkeit mangelt; dass die meisten Menschen einfach keine Unternehmer sein wollen – weder als in der Unternehmensführung tätige, noch als Anteilseigner, sondern ein fixes Einkommen als Unselbständige vorziehen – stört die ambitionierte Weltverbessererin nicht. Irgendwann, irgendwo muss der dem jeweiligen Gusto linker Kollektivisten entsprechende Neue Mensch am Ende doch noch zu finden sein…

Dass Wagenknecht, wie alle radikalen Linken, keinen Begriff stärker positiv besetzt als den der Demokratie, passt ins Bild. Geht es doch schließlich um siamesische Zwillinge: Ohne Sozialismus keine Demokratie; ohne Demokratie kein Sozialismus.

Ein Katalog klassisch bolschewistischer Ideen rundet das Bild harmonisch ab: Die Verstaatlichung aller Banken, Versicherungen und sämtlicher Unternehmen, die den „Grundbedarf“, wie Energie, Transport, und Telekommunikation sicherstellen, ist in ihrem Modell unumgänglich. Zum Glück zählen Nahrung, Bekleidung, Behausung und Sexualität nach Meinung der Autorin offenbar nicht zu den „Grundbedürfnissen“. T-Shirts, Mittagsmenüs und Geschlechtspartner dürfen im Wagenknecht´schen Utopia anscheinend frei gewählt werden.

100 Prozent Erbschaftssteuern für alle die Millionengrenze in Euro übersteigende Vermögensteile verstehen sich von selbst – Unternehmensbeteiligungen eingeschlossen. Letztere sollen allerdings nicht dem Staat anheimfallen, sondern Stiftungen zugeführt werden, die im Eigentum der in den Unternehmen Beschäftigten stehen. Begründet wird dieser weltfremde Irrsinn mit dem angestrebten Ziel, die Ausbildung von volkswirtschaftlich angeblich schädlichen „dynastischen Vermögen“ (die in der Praxis allerdings kaum zu finden sind, denn gerade einmal sieben Prozent aller Unternehmen erleben ihre Übergabe an die dritte Generation) zu unterbinden.

Der Frage, welche kreativen Geister es unter derartigen Rahmenbedingungen noch unternehmen werden, unter größtem Arbeitseinsatz und unter Inkaufnahme hoher materieller Risiken Betriebe aufzubauen, stellt die Autorin sich nicht. Wie die meisten Intellektuellen, die das Wesen der Marktwirtschaft nicht aus eigener Erfahrung, sondern nur aus der (marxistischen) Literatur kennen, versteht sie nicht, dass ein selbständiger, für seine Handlungen haftbarer Unternehmer grundsätzlich anders tickt, als ein angestellter Betriebsführer; dass zudem nicht alle Menschen gleich sind – weder in ihren Ansprüchen noch in ihren Fähigkeiten – und dass damit jeder Versuch einer (notwendigerweise gewaltsamen) Gleichmacherei sich stets zum Schaden aller auswirkt, will sie nicht zur Kenntnis nehmen.

Schade um die in weiten Teilen stimmige Analyse im ersten Teil des Buches. Am Ende wird doch wieder nur abgestandener, alter Wein aus neuen Schläuchen serviert: Enteignung, Kollektivismus, Geringschätzung von Einzelleistungen, Gleichmacherei und freie Bahn der Bürokratie. Leider hat auch Frau Wagenknecht nichts Neues anzubieten.

Fazit: Weder die Suche nach einem „Dritten Weg“, noch die Beschwörung einer „Gemeinwohlökonomie“ oder eines „kreativen Sozialismus“ werden zur Lösung der aktuellen Probleme beitragen, weil sie allesamt auf eine weitere Entkoppelung von (Entscheidungs-)Macht auf der einen, sowie Verantwortung und Haftung auf der anderen Seite hinauslaufen. Genau daran aber krankt ja bereits das gegenwärtig herrschende System von Interventionismus und Schuldenwirtschaft. Nicht mehr sondern weniger Demokratie – und damit eine Renaissance der individuellen Verantwortung – ist gefragt. Die Suche nach einem in jeder Lebenslage altruistisch handelnden „Neuen Menschen“ kann getrost abgeblasen werden. Der wird nie geboren werden…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Statt der Frauen- die Genossenquote

17. März 2012 00:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Während linke (und einige andere) Frauen lauthals nach einer Quote für weibliche Aufsichtsräte rufen, handeln die linken Männer schon. Sie holten sich eine ganz eigene und besonders seltsame 40-Prozent-Quote.

Die Firma ATB Austria Antriebstechnik AG war Teil der in den vergangenen Monaten unter lautem Getöse eingegangen A-Tec-Gruppe des Investors Mirko Kovats. Sie ist in den letzten Wochen fast zur Gänze ins Eigentum der chinesischen Woloong-Gruppe übergegangen.

Das ist an sich noch nicht so sensationell. Kaufen doch die Chinesen reihum europäische Firmen (und afrikanische Ländereien samt Bodenschätzen) auf, weil sie spüren, dass die Euro- und Dollar-Noten in ihren Tresoren während der nächsten Jahre rasch an Wert verlieren werden. Und da sind europäische Hochtechnik-Betriebe allemal eine bessere Geldanlage als bunt bedruckte Papierscheine oder gar Staatsanleihen des alten Kontinents – obwohl ihnen diese in den letzten Monaten von zahllosen europäischen Politikern heftigst angedienert worden sind. Das hat die Chinesen hinter der Fassade ihrer Höflichkeit aber eigentlich nur noch amüsiert. Das Amüsement vermehrt sich insbesondere ab dem Zeitpunkt, als die Europäer mit so viel EU-Präsidenten anreisten, dass sich die Ostasiaten schon gar nicht mehr auskennen konnten, wer dann da überhaupt noch wichtig war (richtige Antwort: keiner).

Zurück zur ATB. Diese hat soeben ihren Aufsichtsrat von drei auf fünf Sitze erweitert. Wirklich erstaunlich sind die Namen der beiden Neo-Aufsichtsräte: Sie heißen nämlich Peter Wittmann und Christoph Matznetter. Denn beide sind im Haupt- (Neben-?)Beruf Abgeordnete der SPÖ im österreichischen Nationalrat. Daher fällt jedenfalls einmal das Geschlecht der beiden auf. Denn dieses wird sie mit Sicherheit nicht hindern, brav mitzustimmen, wenn ihre Fraktion wieder einmal nach verpflichtenden Frauenquoten „Mindestens 40 Prozent!“ rufen wird.

Viel weniger Gewissheit gibt es über die Motive der Chinesen, sich aus dem Stand gleich eine 40-prozentige SPÖ-Quote zuzulegen. Kommt da hinter dem chinesischen Kapitalismus die altkommunistische Verwandtschaft mit der Sozialdemokratie zum Vorschein? Rechnen die Chinesen damit, dass ihnen zwei SPÖ-Aufsichtsräte alle kritischen Recherchen der meisten österreichischen Wochen- und Tageszeitungen ersparen werden, weil diese wegen der vielen Inseratenseiten aus Steuergeldern keinen Platz mehr für unangenehme Stories über die SPÖ haben werden? Glauben sie, dass ihnen die SPÖ im Aufsichtsrat die Gewerkschaft fern halten wird? Wird da die Partei schon vorsorglich angefüttert? Oder muss da vielleicht gar irgendwer eine Dankesschuld abtragen?

Ich fürchte, wir werden die Wahrheit erst viel später, jedoch sicher nicht so bald erfahren. Und natürlich sei ausdrücklich festgehalten, dass die beiden Herren natürlich die weitaus besten hierzulande auftreibbaren Aufsichtsratskandidaten gewesen sind.

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Die Krise ist vorbei – es lebe die Krise

13. März 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Europas und Österreichs Politiker versuchen den Eindruck zu erwecken, dass die große Krise überwunden wäre. Da die Menschen der schlechten Nachrichten längst überdrüssig sind, sind sie nur allzu gern geneigt, die Botschaft auch zu glauben. Alleine: Die wirtschaftlichen Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Sie bleiben in der Welt, auch wenn man sie verdrängt.

Die Gefahr ist sogar groß, dass gerade die Rettungsmaßnahmen einen Startschuss für die nächste Krise bedeuten, die daher eine direkte Fortsetzungskrise zu werden droht. Vor allem die Politik des billigen Geldes und die ständige Steigerung der Staatsausgaben bergen großes Gefahrenpotential.

Damit wiederholen sich die Hauptursachen des letzten Krisenausbruchs: Nach der Dot.com-Krise 2001/02 haben die westlichen Notenbanken – auf Druck der Politik – eine viel zu expansive Geldpolitik betrieben. Und zugleich war auch die Fiskalpolitik viel zu expansiv. „Die Wirtschaft wurde damals von beiden Seiten befeuert“, formuliert der Makroökonom Peter Brezinschek. Das musste zur Entstehung von Blasen führen, die irgendwann einmal platzen, was dann 2008 mit katastrophalen globalen Folgen passiert ist.

Am Beginn einer österreichischen Immobilienblase

Auch wenn Wissenschaftler in Hinblick auf die Zukunft immer viel vorsichtiger formulieren als bei der Vergangenheit, müsste ein Satz von Christian Helmenstein, einem weiteren prominenten Ökonomen, in ganz Österreich die Alarmglocken schrillen lassen. „Österreich befindet sich möglicherweise an der Schwelle zu einer Immobilienblase. Es gibt aber keinen Politiker, der bereit wäre, eine sich aufbauende Blase zu stoppen.“

Genau solche Immobilienblasen – also steil ansteigende Preise für Häuser und Wohnungen – sind ja am Beginn der jüngsten Krise von Amerika bis Spanien geplatzt. Das hat die bekannten explosiven Kettenreaktionen ausgelöst. Denn ein tiefes Absinken der zuvor in die Höhe gejagten Werte von Immobilien (in Spanien etwa auf ein Fünftel der Spitzenwerte) bringt natürlich nicht nur die Hausbesitzer, sondern auch die kreditgebenden Banken ins Schleudern. Es setzt sie existenzbedrohend „unter Wasser“, wie es die Amerikaner formulieren.

Das, was vor zehn Jahren zu der verheerenden Blasenbildung geführt hat, ist im Grund genau das, was auch jetzt wieder passiert. Die EZB hat mehr als eine Billion Euro an Billigstgeld gegen zum Teil sehr dubiose Sicherheiten unter die Europäer gebracht; ähnliches tun die Amerikaner; zugleich sind die Sparanstrengungen vieler Länder unzureichend. Wir haben also wieder eine leichtfertig expansive Politik, in Sachen Budgets wie auch in Sachen Notenbanken. Die aber keineswegs für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand sorgt.

Die Schweiz gibt weniger aus – und baut Vorsprung aus

Österreichische Spitzenökonomen, die in der Gruppe „proMarktwirtschaft“ zusammengefasst sind, haben nachgewiesen, dass die Schweiz in den fünf Jahren 2006-2010 ihren Vorsprung auf die Euro-Länder drastisch ausbauen hat können: War das (entsprechend der Kaufkraft berechnete) Pro-Kopf-Einkommen der Schweizer anfangs „nur“ um 34  Prozent höher als im Euro-Raum, so stieg der eidgenössische Vorsprung am Ende der Periode auf 47 Prozent.

Damit ist der gesamte Wachstumsvorteil, den die Euro-Einführung ursprünglich im Vergleich zur Schweiz ausgelöst hat, wieder verloren gegangen. Ursprünglich war ja der Euro für viele Länder vorteilhaft, weil er niedrige Zinsen gebracht hat. Jedoch wurden diese in vielen Ländern nicht für Investitionen genutzt (mit denen man die Rückzahlung finanzieren hätte können), sondern für Konsumausgaben.

Die Schweiz hat ihren Wachstums- und Wohlstandsgewinn während der letzten Jahre nicht durch höhere Staatsausgaben oder Verschuldung oder billiges Geld erzielt. Was ja nach der Ansicht von gewerkschaftsnahen Ökonomen die einzigen Wege zu Wachstum wären. Sie hat vielmehr in diesem Zeitraum Staatsausgabenquote wie auch Schulden deutlich zurückschrauben können. Letztere sank (im Zeitraum 2002 bis 2010) etwa von 68 auf 54 Prozent.

Die Ökonomen sehen auch über die Schweiz hinaus eine enge Korrelation zwischen dem Abbau von Schulden und einem steigenden Wachstum. Diese Erkenntnis stellt die einstige Keynesianische Theorie weitgehend auf den Kopf, die zu immer mehr Schulden geführt hatte.

Sparpaket ist völlig unzureichend

In Österreich hingegen steigt trotz dieser Erkenntnisse die Ausgabenquote weiter an. Das Land hat in den guten Konjunkturjahren 2009/10 fast als einziges Euro-Land die Ausgabenquote sogar gesteigert. Auch für die Zukunft schaut es trotz eines angeblichen Sparpakets nicht gut aus. Während die EU eine alljährliche Reduktion des strukturellen Budgetdefizits um 0,75 Prozent verlangt, reduziert Österreich dieses strukturelle Defizit nur um 0,4 Prozent des BIP (Bei der Berechnung eines strukturellen Defizits werden Konjunktur-Effekte herausgerechnet).

Die proMarktwirtschaft-Ökonomen sehen eine jährliche Defizitreduktion von sogar 1 Prozent als leicht möglich an. Alleine in den drei Bereichen Gesundheit (zB.: zu viele Akutbetten, zu viele und medizinisch noch dazu schlechte Kleinspitäler), Pensionen (ein viel zu niedriges Antrittsalter) und Förderungen wäre das Defizit problemlos um sechs Prozentpunkte reduzierbar. In all diesen drei Bereichen ist Österreich weit ausgabenfreudiger als die anderen europäischen Länder. Dabei geht es hier durchwegs um Ausgaben, die nicht wachstumsfördernd sind.

Bankenrettung ist nicht an Krise schuld

Die Daten der Ökonomen widerlegen noch weitere häufig wiederholte Glaubenssätze der österreichischen Debatte. So wird oft behauptet, die Bankenrettungen seien die Hauptursache der angewachsenen Schulden. Dabei macht das ganze Bankenrettungspaket nur maximal 5 Prozent des BIP aus – dies aber nur im Fall, dass das Paket ganz ausgeschöpft wird und keine Gelder für die Partizipationsscheine zurückfließen. Was jedoch als absolutes Worst-Case-Szenario gilt.

Bereits Tatsache ist jedoch, dass die Krise das Defizit um rund 15 Prozentpunkte ansteigen hat lassen. Und der allergrößte Teil der rund 73 Prozent Staatsschulden, die Österreich heute so drücken, ist ja überhaupt in den Jahren vor der Krise, also ganz ohne Bankenrettungen entstanden.

Aber auch diese 73 Prozent sind nur ein kleiner Teil der Wahrheit: Schon  im übernächsten Jahr kommen weitere 4,5 Prozent durch derzeit noch in ausgelagerten Gesellschaften versteckte Schulden hinzu. Die wirkliche – nur selten öffentlich angesprochene – Katastrophe ist aber die implizite Staatsverschuldung. Zu deren Berechnung werden auch all jene Verpflichtungen dazugerechnet, die der Staat jetzt schon eingegangen ist: etwa die künftig auszuzahlenden, aber heute schon bestehenden Zahlungsverpflichtungen für Pensionen, für den öffentlichen Dienst und die Folgen der demographischen Entwicklung.

Helmenstein berichtet von einer neuen deutschen Studie, dass diese implizite Verschuldung in Österreich bereits über 297 Prozent liegt. Zwar sind auch in anderen Staaten solche implizite Schulden aufzufinden. Aber sie liegen etwa in Deutschland um rund hundert Prozentpunkte niedriger als in der Alpenrepublik.  Daher ist ein weiterer Verlust der österreichischen Kreditwürdigkeit, ein neuerliches „Downgrading“ wahrscheinlicher als eine Rückkehr zum Triple-A.

Die Politik als oberster Preistreiber

Auch die Klagen mancher Politiker über die Preissteigerungen der „Wirtschaft“ sind überaus heuchlerisch: Während die gesamte Inflation in Österreich im Schnitt des letzten Jahrzehnt 1,9 Prozent ausgemacht hat, sind die (politisch) administrierten Preise um 2,65 Prozent gestiegen. Das heißt: Die Politik selber ist der größte Preistreiber.

Selbst die einstige sozialdemokratische Vorbild-Region Skandinavien ist kein Exempel mehr für die Politik der österreichischen Regierungen (vor allem der besonders ausgabenfreudigen Landesregierungen), um ihre Schulden- und Ausgabenfreudigkeit zu rechtfertigen. Schweden etwa hat als einziger EU-Staat derzeit ein ausgeglichenes Budget, kann sich daher zum Unterschied von Österreich sein noch immer recht hohes Ausgabenniveau leisten. Es hat aber auch seine Ausgabenquote um nicht weniger als 4,7 Prozentpunkte reduziert. Während eben Österreich diese Quote steigert.

 Mit anderen Worten: Die Politik tut alles, damit sich die Krise recht bald in noch gesteigertem Umfang wiederholt.

 Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Der Tod einer Verschwörungstheorie

09. März 2012 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Griechenland ist noch lange nicht gerettet – aber wieder einmal ist eine Verschwörungstheorie zusammengebrochen. (Mit einer nachträglichen Ergänzung)

Dass 95 Prozent der privaten Gläubiger Griechenlands auf einen Gutteil ihre Forderungen verzichten, überrascht. Haben doch alle „Insider“ seit Wochen von einer großen Verschwörung der Hedgefonds berichtet. Diese Fonds hätten sehr viele Forderungen günstig aufgekauft, würden auf keinen Euro davon freiwillig verzichten, und für den Fall einer zwangsweisen Beschneidung die von ihnen gekauften Kreditausfallversicherungen (CDS) aktivieren. Solche CDS seien außerdem von den wilden Spekulanten auch in Form von Wetten ganz ohne zugrundeliegenden Kredit in großem Umfang gekauft worden.

Es gab zwar offensichtlich keine Beweise, aber man wusste das einfach alles. Seit drei Jahren wird ja jedes Gerücht geglaubt, wenn es nur irgendwelche düstere Spekulanten zum Bösewicht stempelt. Die Vermutung ist groß, dass solche Gerüchte besonders von der Politik gestreut werden, damit nur möglichst wenige Menschen erkennen, dass die schuldensüchtigen Regierungen die eigentlichen Hauptschuldigen an der Krise sind. Aber wieder einmal hat all das Böse, was man da so über die Finanzwelt zusammenreimte, nicht gestimmt. Seltsam. Und wenn jemand wie behauptet wirklich massenweise die behaupteten Spekulations-Wetten abgeschlossen hätte, stünde er nun mit blutiger Nase da. Aber man sieht keinerlei Blutspur.

Die einzigen, von denen zumindest griechische Medien konkret berichten, dass sie dem Schuldenschnitt nicht zugestimmt haben, sind ausgerechnet griechische Pensionsfonds. Das wäre noch viel seltsamer. Wenn diese Meldungen oder auch jene über gewaltige Rüstungskäufe Griechenlands stimmen sollten, dann bestätigt das freilich nur eines, was jeder Lokalaugenschein in Griechenland auch zeigt: Das eigentliche Problem Griechenlands ist nicht die Schuldenmenge, sondern der Reformunwille des Landes und seiner Menschen. Man tut ständig nur so, als ob man harte Schnitte setzt – ­ nämlich solange irgendein Ausländer Druck macht. Aber kaum ist der wieder abgezogen, geht der alte Schlendrian weiter.

Wirklich grundlegende Änderungen finden dort einfach nicht statt. Während Irland oder Portugal sehr harte Sanierungsmaßnahmen durchziehen, erscheint es den Griechen offenbar viel praktischer, wenn halt auf das nunmehrige zweite Hilfspaket in einiger Zeit ein drittes folgt. Und so weiter.

Das bestätigt aber nur die absolute Überzeugung: Schon das erste Paket war ein schwerer Fehler gewesen. Und die europäischen Steuerzahler wären viel billiger weggekommen, hätten sie nicht Griechenland dauerretten, sondern nur den Dominoeffekt wegsubventionieren müssen, falls ausländische Banken mit vielen griechischen Staatsanleihen im Tresor zu kollabieren gedroht hätten.

Aber diesen historischen Fehler wird nie jemand zugeben. Weder eine Regierung noch EU noch die EZB noch eine Notenbank. Wer ist schon bereit zu sagen: Wir haben einen Riesenfehler begangen? Lediglich der Internationale Währungsfonds wendet sich immer stärker von der bisherigen Griechenland-Politik ab. Vielleicht weil dort keine Europäer sitzen?

(Am nächsten Morgen waren es dann zwar doch nur 84 Prozent. Was aber am Geschriebenen nichts ändert).

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Warum Privat halt doch besser wäre

08. März 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist an sich ein erfreuliches Zeichen: Erstmals seit Jahren reden Politiker wieder von Privatisierungen. Gewiss wäre es besser, sie würden nicht nur reden, sondern auch handeln. Aber immerhin: Die ÖVP wagt zumindest das Reden – freilich erst nach dem Sparpaket.

Warum überhaupt sind Privatisierungen wünschenswert? Man sollte sich das immer wieder in Erinnerung zu rufen, seit die Anhänger einer Staats- und Planwirtschaft in vielen Medien so erstaunlich laut geworden sind.

Erstens arbeiten Privatbetriebe um 10 bis 15 Prozent effektiver (es sei denn, sie haben ein unangreifbares Monopol). Aus vielerlei Gründen: Dort gibt es keine Manager und Mitarbeiter, die nur ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit wegen ausgewählt wurden. Dort fließt nicht ständig Sponsoring-Geld für Parteien und Vorfeldorganisationen. Dort gibt es einen Eigentümer, der viel intensiver auf das Unternehmen schaut als Politiker in der Eigentümerrolle, die ja primär wiedergewählt werden und höchstens sekundär Gewinne oder Substanzvermehrung erzielen wollen. Dort kann kein Eigentümer von Parteifreunden unter Druck gesetzt werden, Aufträge gezielt an sie zu vergeben. Dort kann niemand durch öffentliche Agitation der Gewerkschaft erpresst werden – was ja beispielsweise die AUA jahrzehntelang schwer geschädigt hat. Dort wagt man es auch, gegebenenfalls betriebsnotwendige Kündigungen auszusprechen.

Zweitens geht es mehr als 90 Prozent der privatisierten Unternehmen nachher deutlich besser. Was dann auch wieder Steuern in die Staatskassa spült.

Drittens und derzeit besonders aktuell: Viele Formen der Korruption sind nur in staatlichen Unternehmen möglich. Es ist etwa denkunmöglich, dass ein privater Eigentümer die Bank Burgenland um 55 Millionen zu billig hergegeben hätte.

Viertens sind auch die Einmaleffekte eines Verkaufs nicht zu unterschätzen. Selbst das der Arbeiterkammer nahestehende Wirtschaftsforschungsinstitut hat rund um das Sparpaket Verkäufe von Unternehmen aus Bundes- und Landesbesitz empfohlen. Das hätte nach Wifo-Schätzung fast die Hälfte jener Summe hereingespielt, die das Sparpaket in den nächsten fünf Jahren vor allem durch höhere Lohnnebenkosten und Steuern (also pure Wachstumskiller!) bringen soll.

All diese Argumente werden dadurch nicht entkräftet, dass es einzelne Staatsbetriebe gibt, die erfolgreich und effizient geführt werden. Als Beispiele könnten etwa die Schönbrunn-Betriebsgesellschaft oder der Verbund dienen.

Das einzige Problem: In Zeiten, wo der Staat Finanz-, Bank- und Börsegeschäfte durch ständig neue Steuern bestraft, tragen immer mehr Investoren ihr Geld lieber ins Ausland, statt als Käufer eines Staatsbetriebs zur Verfügung zu stehen. Sie tun das so intensiv, dass sich Brasilien, eines der derzeit beliebtesten Zielländer, derzeit schon über den Tsunami an europäischen Geldern beklagt.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Am Ende der Leistung

06. März 2012 23:42 | Autor: Wolfgang Hoffmann
Rubrik: Gastkommentar

Krise. Schuldenkrise. Eurokrise. Wirtschaftskrise. Rezession. Auf Schritt und Tritt springen uns diese Worte förmlich entgegen. Aus dem Radio, den Zeitungen, aus unzähligen Bildschirmen. Selbst die Infoterminals in der U-Bahn erzählen davon. Die Menschen schauen weg. Einige starren auf den Boden, andere vor sich hin ins Leere.

Bremse. Schuldenbremse. Kostenbremse. Inflationsbremse. Ratlosigkeit. Die Politiker wählen ihre Worte sorgfältig. Nur keinen Fehler machen. Nur keine Wellen. Beruhigen. Entscheidungen werden vertagt. Auf die nächste Sitzung, den nächste Gipfel. Warten.

Was ist da passiert? Wohin sind Freude, Optimismus, Hoffnung? Selbst in den schlimmsten Krisen war noch immer genug davon da. Die Menschen krempelten die Ärmel hoch und veränderten die Welt. Etwa wie zuletzt in den arabischen Ländern.

Wir aber verharren in unserer Angst und Unsicherheit. In den Jahren des Aufschwungs sind wir gerannt wie verrückt. Wir haben nur mehr an die Zukunft gedacht. An den nächsten Schritt auf der Karriereleiter. An das große Geld, das da kommen soll. Wir haben uns blenden lassen, von den großen Versprechen, den gigantischen Gewinnen, den fantastischen Ratings. Unser Leben haben wir inzwischen vertagt. Auf das nächste Wochenende, auf den nächsten Urlaub, oder gar auf die Pension.

Und jetzt? Jetzt sitzen wir alle da, mit langen Gesichtern. Die Leistungsgesellschaft funktioniert also doch nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir sind am Ende mit unserer Leistung. Und inzwischen haben wir auch noch verlernt zu leben.

Bleibt nur noch der Rat von Fritz. Immer wenn ich ihn sehe, strahlt er über das ganze Gesicht. Und immer optimistisch. Fritz hatte ein hartes Leben; hat viele Jahre auf der Straße gelebt; war 18 Monate im Knast. „Woher nimmst du die diese Fröhlichkeit, diese Kraft? Wie machst du das?" frage ich ihn immer wieder. „Ganz einfach", antwortet er dann, „du musst nur einmal öfter aufstehen, als du fällst. Und du wirst sehen: Es funktioniert!"

Also gut: Aufstehen. Wenn jeder von uns aufsteht, wird es auch die Wirtschaft tun. Und Staatshaushalte. Und der Euro. Los geht's.

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

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Wie groß ist der Einkommensunterschied zwischen Frauen & Männern?

04. März 2012 17:21 | Autor: Andreas Unterberger

Differenz zwischen den Bruttoeinkommen der Frauen & Männer – gesamt sowie der Vollzeitbeschäftigten – in Prozent

 

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Das Triple-G oder: Just write a check

04. März 2012 00:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hans Peter Haselsteiner ist ein guter Gutmensch: Er fordert regelmäßig auch für sich höhere Einkommensteuern. Da ist man doch ob so viel Edelmut wirklich gerührt.

Niemand in Österreich würde es wagen, auf Haselsteiner so ähnlich zu reagieren, wie es Chris Christie, der Gouverneur der US-Bundesstaats New Jersey, unlängst tat. Dieser wurde in einem Interview auf den amerikanischen Milliardär Warren Buffet angesprochen. Auch Buffet reist ja seit Jahr und Tag mit der Forderung nach höheren Steuern für seinesgleichen durch alle Medien. Christies rüde, aber treffende Antwort: „Shut up and just write a check!“

In der Tat: Jeder, der sich zu gering besteuert vorkommt, möge einfach einen Scheck ausstellen und nicht ständig herumreden.

Buffet wie Haselsteiner haben weitere auffallende Gemeinsamkeit: Sie haben beide politische Ambitionen – und ein erstaunlich geringes steuerpflichtiges Einkommen. Bei dem Strabag-Chef sind es nach eigenen Angaben (laut „Salzburger Nachrichten“) zwei Millionen Euro im Jahr. Gleichzeitig macht aber die Strabag 12.777 Millionen Umsatz pro Jahr. Da verdient der Mann weniger als ein Sechstausendstel? Ist er ein so schlechter Geschäftsmann? Man sollte wirklich für ihn sammeln gehen.

Hat er – oder das ein wenig intransparent verschachtelte Syndikat Haselsteiner-Deripaska-Raiffeisen – aber vielleicht nur besonders kreative Steuerberater? Dann sollte man eher an Chris Christies Ratschlag denken. Oder an die letztlich bald wieder unter dem Teppich verschwundene Affäre um 15 Haselsteiner-Millionen für ungarische Politiker. Oder an die Aussagen eines Strabag-Managers in Sachsen, dass kriminelle Geschäftspraktiken an der Tagesordnung wären.

Solche Praktiken mögen vielleicht manchen in der Baubranche tatsächlich unvermeidlich erscheinen. Sie sollten aber jedenfalls ein Anlass sein, uns Moralpredigten zu ersparen. Noch mehr sollte das ein anderer Aspekt tun: Denn höhere Steuern für  alle Besserverdienenden würden vor allem eines ermöglichen – noch mehr Misswirtschaft auf Steuerkosten. An der Spitze der Misswirtschaftsprojekte stehen derzeit ganz zufällig drei gigantische Tunnelprojekte. Diese haben zweierlei gemeinsam: Erstens werden sie sich niemals rechnen. Und zweitens darf man davon ausgehen, dass dabei der Tunnelbauspezialist Strabag gut verdienen wird.

Mit anderen Worten: Das bisschen, was der Leider-nur-zwei-Millionen-Mann Haselsteiner nach einer weiteren Steuererhöhung mehr zahlen würde, kommt dann über Milliardenaufträge wieder bei der Hintertür hinein. Eine PR-Agentur könnte es nicht besser ausdenken, wie man gleichzeitig gute Geschäfte macht, gute Medienpräsenz bekommt und sich zum guten Menschen stilisiert. Ein Triple-G gleichsam.

Das alles heißt natürlich nicht, dass Gutverdiener nicht Gutes tun sollen. Im Gegenteil. Einschlägige Kontonummern für Spendenüberweisungen werden jederzeit bekanntgegeben. Aber sie mögen uns mit Güte als PR-Aktion, mit Güte zu Lasten Dritter und mit Güte zum eigenen Nutzen verschonen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Zum Wochenende nur noch Positives

03. März 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nach all den Wochen voll Korruption in Politik und Staatsbetrieben, voll zynischer Brechung von Datenschutz und Amtsgeheimnis durch heuchlerische Medien, voll beklemmenden Berichten aus der arabischen Welt, voll Scheitern der heimischen wie der europäischen Politik in Sachen Reform und Sanierung kann man nur noch sagen: Es reicht. Letztlich hält kein Mensch auf die Dauer nur Depressives aus. Daher sei heute zur Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichts ausschließlich nach Positivem gesucht.

Da bin ich etwa in Deutschland fündig geworden: Ein Obergericht in Münster hat den an sich witzigen Schmäh unterbunden, die verbotenen Glühbirnen als „Heizbälle“ zu verkaufen. Was, bitte, soll daran positiv sein? Nun: Die „Heizbälle“ waren als Teil einer „grundrechtlich geschützten satirischen Kunstaktion“ deklariert worden. Und das Gericht wagte zu erkennen, dass das mit Kunst absolut nichts zu tun habe.

Was ebenso richtig wie mutig ist. Bisher ist nämlich noch jede Scharlatanerie in Deutschland wie in Österreich als Kunst durchgegangen. Womit sich selbsternannte Künstler über jedes Gesetz hinwegsetzen konnten. Und dazu noch oft kräftige Subventionen des genasführten Staates bekamen.

Dieses Gerichtsurteil könnte nun hoffentlich eine Wende und Entmythologisierung des Universal-Tarnwortes „Kunst“ bedeuten. Dieser könnte erst dann ein besonderer Schutz über die allgemeine Meinungsfreiheit hinaus zukommen, wenn jemand zur objektiven Definition imstande wäre, was Kunst und was Nicht-Kunst ist. Dass es Glühbirnen nicht sind, ist freilich noch keine ausreichende Definition. Die Freude über dieses Urteil ändert im übrigen gewiss nichts daran, dass deren Verbot ein Unsinn bleibt.

Erfreulich war dieser Tage auch ein Rechtserkenntnis in Frankreich. Der Verfassungsrat hob das Gesetz wieder auf, das die Leugnung von Genoziden (Völkermorden) unter Strafe stellt. Denn diese Strafbarkeit verstoße gegen die verfassungsrechtliche Meinungsfreiheit. Klarer kann man es nicht sagen.

Was natürlich nichts daran ändert, dass der Anlassfall – das türkische Vorgehen gegen die Armenier im ersten Weltkrieg mit rund eineinhalb Millionen Todesopfern – eindeutig ein solcher Völkermord war. Was übrigens damals schon k.k. Diplomaten in ihren Geheimberichten aus der mit Österreich verbündeten(!) Türkei eingestanden haben. Aber in einem liberalen Rechtsstaat sollten historische Fakten niemals mit Zwang tabuisiert werden. Auch wenn Nicolas Sarkozy diesen Zwang gerne zu Zwecken des Wahlkampfes unter den Exilarmeniern eingeführt hätte.

Noch einmal zum Thema Kultur: Hier fällt die Steiermark (schon wieder) positiv auf. Denn sie schafft einen 15-köpfigen „Kulturbeirat“ ab. Und sie will noch ein weiteres Drittel der 39(!) Beiräte abschaffen, die es allein in diesem Bundesland gibt. Man kann sicher sein: Bis auf jene Herrschaften, die selbst diesen Beiräten angehören, und jene, die durch ihre dort sitzenden Förderer Subventionen erhalten haben, wird niemand diese Beiräte vermissen.

Auch aus Portugal gibt es Positives zu vermelden. Zum ersten: Die Portugiesen scheinen als einziges südeuropäisches Land die Krisenbewältigung programmgemäß zu schaffen.

Zum zweiten: Die Regierung will dabei nun auch gegen einen einst sehr populären Unsinn ankämpfen, nämlich gegen die Aufteilung des landwirtschaftlichen Grundes auf viele Klein- und Kleinstbauern. Diese „Landreform“ war das Werk der Sozialisten nach der Revolution von 1974 – so wie ja überall Landreformen auf dem Hochaltar sozialistischer Reformen stehen.

Die damaligen Landreformen haben Portugal landwirtschaftlich verarmen lassen; das Land muss heute einen Gutteil der konsumierten Lebensmittel einführen. Ein ganz ähnlicher Vorgang hat im letzten Jahrzehnt im afrikanischen Zimbabwe zu Hungersnöten geführt, obwohl dieses Land davor einer der größten Lebensmittelexporteure Afrikas gewesen ist; einige wenige Tausend weiße Farmer hatten bis zur Aufteilung ihrer Güter nicht nur das Land ernährt, sondern auch viele Devisen erwirtschaftet. Portugal rechnet sich nun jedenfalls seriöse Chancen aus, mit einer umgekehrten Landreform den blamablen Status als heftiger Lebensmittelimporteur zu verlieren.

Ich gebe zu, es war anstrengend. Aber es hat sich gelohnt: Das Tagebuch ist heute exklusiv positiv geblieben. Walt Disney würde schreiben: Keuch, stöhn, ächz.

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Zeitungsauflagen: Lügner, Loser und wenige Leuchten

01. März 2012 17:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Weil nirgendwo so viel gelogen wird wie bei der Jagd und bei Zeitungsauflagen, befasst sich das Tagebuch diesmal mit diesen. Denn da hat sich gezeigt: Irgendwann kommt doch die Wahrheit heraus. Zumindest zum Teil.

Bei der nunmehr veröffentlichten Auflagenkontrolle gibt es drei Medien-Typen: Das eine sind die Zeitungen, die sich ziemlich genau dort bewegen, wo sie vor einem Jahr waren. Dann gibt es einige große Gewinner. Und schließlich gibt es die anderen, bei denen steile Abstürze verzeichnet sind. Dabei lässt sich freilich mit einer großen Ausnahme nicht nachweisen (und aus rechtlichen Gründen auch nicht spekulieren), ob sie bis zum Jahr davor kräftig gelogen oder aber 2011 ganz plötzlich so schwer verloren haben.

Skandalöse Lügen eingestanden hat jedenfalls das News-Imperium. Von "News" selber wurden plötzlich nur 138.000 Exemplare verkauft (alle Zahlen sind der Lesbarkeit halber mathematisch gerundet). Im Jahr davor waren hingegen noch 175.000 Verkäufe gemeldet worden. Und schaut man sich den einzig wirklich harten Maßstab „Direktverkauf“ an (also ohne relativ dubiose Dinge wie „Großverkäufe“), dann sank das skandallüsterne Heft von 114.000 auf 90.000.

(In der Folge werden nur noch diese Direktverkäufe angegeben, wobei sich alle Zahlen auf das zweite Halbjahr 2011 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2010 beziehen).

Das „Profil“, das immer vorgegeben hatte, mehr als die Qualitätszeitungen zu verkaufen, sank beim Direktverkauf plötzlich von 66.000 auf 55.000. Der „Trend“  sank stark auf 25.000 und das „Format“ gar auf 22.000. Und so weiter.

Ich stehe nicht an, zumindest im Fall von „News“ ziemliche Freude zu verspüren. Die Menschen lassen sich lange vieles gefallen, aber nicht dauernd alles.

Was fordern Faymann und Häupl von "News" zurück?

Jetzt wird natürlich interessant, wie viele Inserenten ihr Geld zurückverlangen werden. Sind sie doch mit falschen Auflage-Angaben zweifellos betrogen worden. Diese Ansprüche werden im Fall des großen „News“-Imperiums umso leichter durchsetzbar sein, als der frühere Betrug von der Geschäftsführung eindeutig zugegeben wird. Freilich wird er ausschließlich einstigen Topmanagern in die Schuhe geschoben. Was allerdings wieder eine zusätzliche Pikanterie schafft: Die wichtigsten dieser Topmanager sind noch immer in der Branche aktiv, wenn auch bei einem anderen Medium. Was dessen Glaubwürdigkeit ja zweifellos ungemein erhöht.

Ich würde auch wetten, dass als Folge dieser Stunde der Wahrheit etliche Hefte in absehbarer Zeit nicht mehr am Markt sein werden. In schlechten Zeiten lässt sich nämlich auch die oft sehr naive Werbewirtschaft nicht mehr sehr gerne hineinlegen. Offen bleibt nur, wieweit das Rathaus und die SPÖ-Minister trotz allem weiterhin unser Steuergeld für Inserate und Kooperationen zu „News“&Co fließen lassen werden. Oder ob auch sie Rückzahlungsforderungen stellen werden. Was sie eigentlich tun müssten, um nicht der korrupten Inseratenvergabe nicht auch noch einen Amtsmissbrauch folgen zu lassen.

Sensationell – und erfreulich – der Starterfolg von „Servus“. Dieses Heft aus dem Haus Red Bull liegt knapp nach dem Start bei einem Direktverkauf von 63.000. Erfreulich ist das, weil „Servus“ ein ganz anderes Produkt macht. Es widmet sich seriös, skandalfrei und niveauvoll den schönen Seiten des Lebens. Die sonst vernachlässigte Zielgruppe sind dabei offensichtlich Frauen über 40 mit mittlerem oder höherem Bildungsniveau und ländlichem bis kleinstädtischem Hintergrund. Ich bin sicher: Die Auflage wird noch weiter steigern (schon alleine deshalb, weil ich zu Weihnachten Abos an Angehörige der einschlägigen Zielgruppe verschenkt habe . . .). Um dumme Bemerkungen hintanzuhalten: Ich habe Null Beziehungen zum Hause Red Bull und habe auch keinerlei Lust auf deren Himbeerwasser.

Wechsel zu den Tageszeitungen: Dort können sich in einem signifikant schrumpfenden Markt einige Blätter stabil halten: Etwa die „Salzburger Nachrichten“ oder der „Kurier“ (der freilich beim Überblick über die letzten Jahrzehnte Österreichs größter Verlierer ist) oder die „Krone“ (die freilich in den letzten Jahren bei der Media-Analyse schon signifikant viele Leser verloren hat).

Große Zugewinne können höchstens die Gratiszeitungen behaupten. Bei diesen kann man freilich nur die Druckauflage messen, die natürlich auch die riesigen Stöße nie gelesenen Papiers in U-Bahn-Stationen und sonstwo umfasst. Ach ja, bei „Österreich“ (dem Blatt des ehemaligen News-Eigentümers Fellner) wird auch ein Direktverkauf gemeldet. Samt „plötzlichem“ Rückgang von 92.000 auf 83.000.

Ansonsten fand im Vorjahr im Qualitäts- und Halbqualitätsmarkt beinahe ein Blutbad statt: Das „Wirtschaftsblatt“ sank von 18.000 auf 17.000, der „Standard“ von 62.000 auf 61.000, und die „Presse“ gar von 65.000 auf 60.000.

Letztere vollzieht damit in der Auflagenkontrolle eine Entwicklung nach, die im einzig unbeeinflussbaren und objektiven Instrument schon seit sieben Jahren zu konstatieren ist, nämlich beim Marktanteil laut Media-Analyse. Bei diesem hat die „Presse“ sogar gegenüber den ersten Jahren des letzten Jahrzehnts ein volles Drittel verloren. Was ich nach dem Motto „Lasst Fakten sprechen“ ja nun überhaupt nicht kommentieren will . . .

PS.: Ist es überhaupt noch der Erwähnung wert, dass das ORF-Fernsehern im Februar 2011 schon wieder mehr als zwei Prozentpunkte Marktanteil verloren hat? Servus und Puls 4 gewinnen dazu.

 

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Wer sind die größten Rüstungkonzerne?

29. Februar 2012 12:07 | Autor: Andreas Unterberger

Waffenverkäufe in Milliarden Dollar der umsatzstärksten Rüstungskonzerne 2010

 

Firma Staat Umsatz
Lockheed Martin USA 35,7
BAE Systems UK 32,9
Boeing USA 31,4
Nothrop Grumman USA 28,2
General Dynamics USA 23,9
Raytheon USA 23,0
EADS D/F/E 16,4
Finmeccanica I 14,4
L-3-Communications USA 13,1
United Technologies USA 11,4

Anmerkung: Über chinesiche Rüstungskonzerne liegen keine ausreichenden Daten vor.

Quelle: Sipri

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Fünf Lügen und eine Pleite, vier erstaunliche Erkenntnisse und kein Rücktritt

29. Februar 2012 00:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine Pleite der obersten Volksbank hätte zehnmal so viel gekostet und viele regionale Volksbanken in Pleitengefahren gestürzt. Wer dem bekannten Finanzexperten Werner Faymann diese Aussage glaubt, muss natürlich der jüngsten Rettungsentscheidung unserer Regierung zujubeln. Wer‘s glaubt, ist jetzt wahrscheinlich auch selig.

Nur werde ich halt nicht selig, sondern versuche lieber selber nachzudenken, als einem Politiker etwas zu glauben. In Wahrheit ist diese Faymann-Behauptung eine jener Schreckensmeldungen, mit denen die Regierung ihre eigen Glaubwürdigkeit immer stärker untergräbt. Sie tut mit dieser Faymann-Formel nämlich einfach so, als ob die gesamte ÖVAG praktisch nur aus den Schulden bestünde und fast alle ihre Forderungen uneinbringlich wären. Würde das aber wirklich stimmen, dann muss es aber logischerweise auch für die Konsequenzen dieser nunmehr beschlossenen Rettungsaktion gelten. Dann würde das Kapitel Volksbank auch in diesem Fall noch zehnmal so viel kosten. Die Faymann-Behauptung ist entweder eine Lüge oder ein Zaubertrick zur Verschleierung der ganzen brutalen Wahrheit.

In jedem Fall würde eine Abwicklung der ÖVAG, also das konzentrierte Herunterfahren ihrer Geschäfte bei voller Berücksichtigung der Einlagensicherung, langfristig dem Land sogar billiger kommen – abgesehen von den Volksbank-Mitarbeitern, die dabei ihren Job verlieren. Für eine solche Abwicklung könnte und sollte man auch durchaus noch über die Einlagensicherung hinaus Geld in die Hand nehmen, um einen argen Dominoeffekt zu vermeiden, also den Kollaps von an sich gesunden Gläubigern der ÖVAG.

Offenbar übersehen die ständigen Bankenretter auf unsere Kosten eine ökonomische Grundtatsache: wenn es in einer Branche Pleiten in Serie gibt, ist der Konkurrenzdruck zu hoch. Und die Branche könnte sich nur erholen, wenn die Margen besser werden. Jetzt hingegen wird die gerettete Volksbank den Konkurrenzdruck auf dem Markt noch weiter erhöhen. Sie wird das sogar müssen, um wieder besser in diesen Markt hineinzukommen. Aber zahlen müssen die Konkurrenten dafür. Die realösterreichische Planwirtschaft macht sich zunehmend nur noch lächerlich.

Die zweite Lüge, welche die Regierung ausstreut, ist die Behauptung des Finanzstaatssekretärs Schieder, dass die anderen Banken die nun nochmals erhöhte Bankensteuer nicht auf die Kunden abwälzen werden. Er lügt entweder bewusst – oder er will zynisch den ganzen Geldsektor in die Krise treiben. Denn auch Unicredit, Erster Bank und Raiffeisen steht das Wasser bis zum Hals. Und man muss daher geradezu hoffen, dass sie die Steuer auf die Kunden abwälzen können – trotz der Konkurrenz der zwischengeretteten Volksbank.

Die dritte Lüge ist die naive Behauptung, dass 600.000 Volksbank-Genossenschafter jetzt eine saftige Nachzahlung zur Rettung der bankrotten Zentrale leisten werden: Mit Verlaub, weiß man da überhaupt, wovon man spricht? Das sind nämlich zum Großteil Leute, die irgendwann einmal einen Volksbank-Kredit hatten, die aber heute oft gar nicht (mehr) wissen, dass sie formal noch immer Genossenschafter (=Eigentümer) sind. Ich wäre jedenfalls sehr überrascht, wenn da auch nur zehn Prozent davon wirklich eine Nachzahlung leisten.

Viertens: Zumindest verlogen ist der Griff auf den Kapitalstock der Pensionskassen, auch wenn dann die zukünftige Auszahlung nicht mehr besteuert wird. Ganz abgesehen davon, dass diesem Versprechen eines schmähführenden Schuldenstaates ja immer weniger Menschen trauen, ist dieser Zugriff jedenfalls nichts anderes als eine weitere Staatsverschuldung, die man aber nicht zugeben will. Und die man daher als Steuervorgriff versteckt, damit die Staatsschulden scheinbar nicht ansteigen.

Und fünftens sind auch die Aussagen der Finanzministerin verlogen: Sie erklärt, dass die Volksbanken jetzt langfristig gesichert seien; spätestens 2017 werde der Staat dort wieder aussteigen.

Frau Minister, Gratulation! So wie sich Faymann als  Zauberer positioniert, versuchen sie es als Hellseherin. Denn wer Anfang 2012 wirklich zu wissen vorgibt, wie sich eine Bank bis 2017 entwickelt, muss das sein. Die meisten Finanz-, Börse- und Wirtschaftsexperten tun sich nämlich schon mit Voraussagen für die nächste Woche oder gar das nächste Quartal extrem schwer. Aber die Finanzministerin weiß in ihrer ja recht bestimmten Art sogar schon alles bis 2017.

1. Nowotny erkennt Unsinn gemacht zu haben

Hinter dieser Volksbanken-„Lösung“ steckt angeblich Nationalbank-Chef Ewald Nowotny. Was typisch für seinen feigen Hang wäre, Probleme durch Verschieben ständig noch zu vergrößern. Gleichzeitig zeigt sich Nowotny freilich ungewöhnlich ehrlich, wenn auch in einem etwas anderen Zusammenhang.

Er warnt zu Recht vor den langfristigen Konsequenzen des von der Europäischen Zentralbank seit einigen Monaten ausgelösten Geldsegens. Die Banken können sich ja derzeit in fast unbegrenzten Mengen zu dem fixen Minizinssatz von einem Prozent auf drei Jahre bei der EZB finanzieren. Das hat vorübergehend die Krise natürlich gemildert. Das ist aber natürlich nichts anderes als eine kaum getarnte Form des Gelddruckens. Denn diesem sogenannten Dreijahrestender steht ja nichts an geschaffenen Werten gegenüber – was Inflation in Reinkultur bedeutet.

Und das macht jetzt nicht nur mir, sondern plötzlich auch Nowotny „Sorgen“. Freilich wundert seine Erkenntnis schon ein wenig: Warum hat er dann diesem Tender überhaupt zugestimmt? Erst gehandelt und dann nachgedacht? Das klingt jedenfalls wieder einmal nach einem typischen Nowotny.

2. Der EuGH erkennt, dass das Burgenland Unsinn gemacht hat

Mehr als bezeichnend, was fast zur gleichen Stunde der Volksbank-Rettung durch die österreichische Politik beim Europäischen Gerichtshof geschehen ist. Er hat die österreichischen Bankenpolitik in einem anderen Zusammenhang durch Sonne und Mond geschossen. Denn er hat festgestellt: Das Land Burgenland hat die Bank Burgenland um 55 Millionen Euro zu billig verkauft. Allein dieser Schaden übertrifft alles, was rund um den so breit diskutierten Verkauf der Buwog an (bisher nur behauptetem, und noch gar nicht gerichtlich festgestelltem) Schaden eingetreten ist, um das Fünffache. Bei der Buwog ist ja jedenfalls der höchste Bieter zum Zug gekommen, auch wenn es offenbar dubiose Provisionen gegeben hat. Bei der Bank Burgenland eben eindeutig nicht.

Und jetzt? Habe ich etwas überhört, Herr Landeshauptmann, meine Herrn Landesräte? Schon nachgelesen, wie sich ein Herr Wulff in den letzten Tagen verhalten hat? Bis zum Zeitpunkt dieses Tagebucheintrags hat man aber noch nichts von einem Rücktritt in Eisenstadt gehört. Oder von einer Sonderkommission der Korruptionsstaatsanwaltschaft angesichts dieser Megaschiebung.

3. Die Regierung erkennt, dass sie Unsinn geplant hat

Staatsanwälte sind freilich  immer nur ein Instrument der Mächtigen. Deshalb ist es auch so empörend, dass sie ins Budgetsparpaket eine Erweiterung ihrer Befugnisse zur Diversion hineinschmuggeln wollten. Also des Rechts, Verfahren im Hinterzimmer ohne einen unabhängigen Richter abzuwürgen. Was nun von der Regierung zum Glück noch im letzten Augenblick als Unsinn erkannt worden ist.

Diese Diversion ist ja schon im Istzustand ein übler Skandal. Es ist zwar an sich sinnvoll, in bestimmten Fällen im Einvernehmen mit dem Verdächtigen eine Buße festzusetzen, ohne dass dieser dadurch als vorbestraft abgestempelt ist. Das kann human sein, das kann langwierige Erhebungen abkürzen.

Aber auch bei solchen abgekürzten Verfahren sollte in einem ordentlichen Rechtsstaat jedenfalls immer ein Richter am Tisch sitzen. Und nicht nur die Staatsanwaltschaft.

4. Werner Amon erkennt, dass die Staatsanwälte Unsinn gemacht haben

Ganz abgesehen davon, dass diese ja in ein immer dubioseres Licht rückt. Beispielsweise im Fall der Faymannschen Inseratenkorruption, wo sie die Korruption nicht erkennen will. Oder im Fall Kampusch, in dem der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon jetzt nach Aktenstudium und Vernehmungen in einem geheimen Ausschuss zu einer sehr mutigen Erkenntnis gekommen ist: Frau Kampusch dürfte nicht die Wahrheit in Sachen Zweittäter gesagt haben. Was doch wieder Hoffnung macht, dass hierzulande nicht alles unter den Teppich gekehrt werden kann. Aber vorerst gilt freilich noch die Devise: Schauen wir mal.

Jetzt bleibt nur noch die Frage offen: Stecken der Rechtsstaat oder die Finanzpolitik dieses Landes in einer ärgeren Krise?

 

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Gold und Liquidität

28. Februar 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Gold wird anders als andere Rohstoffe wie etwa Öl stets sehr emotional diskutiert. Nach wie vor ist bei vielen Akteuren aus Politik und Finanzindustrie so etwas wie eine „Aurophobie“ zu diagnostizieren.

Zwei statistische Daten zur Erhellung des Umfeldes dieses einzigartigen Elements: Im Durchschnitt der Förderstellen müsse gegenwärtig eine Tonne Material bewegt werden, um gerade einmal 0,8 g des gelben Metalls zu gewinnen. Die „Stock to Flow-Ratio“ belege die hohe Stabilität des Goldwertes. Lediglich 1,5 Prozent der weltweit bereits verfügbaren Goldmenge könne – unter stetig steigendem Aufwand – jährlich zusätzlich gefördert werden. Das bedeute, dass selbst im unwahrscheinlichen Fall des Fundes neuer, ergiebiger Lagerstätten eine „Gold-Inflationierung“ nicht zu befürchten sei.

Das stellte Ronald Stöferle, auf den Goldmarkt spezialisierter Analyst der Erste Bank, anlässlich eines Vortrags mit dem Titel „Wieso Gold eine der wenigen richtigen Antworten in Zeiten chronischer Unsicherheit darstellt“ fest. Eröffnet hatte er mit der nachdenklichen Bemerkung, dass er sich – als für eine Bank tätiger Goldspezialist – vorkomme „…wie ein Vegetarier in der Wurstfabrik“. In der Tat stehen Goldanlangen nicht gerade im Zentrum des Interesses von Banken (eher trifft wohl das Gegenteil zu).

Wenn man seinem Kind eine Schatulle mit der Auflage übergibt, diese erst in 50 Jahren öffnen zu dürfen, was würde man wohl hineinpacken? 100.000 Euro, 100.000 US-Dollar, oder den aktuellen Gegenwert in Gold? Die Frage sei, so Stöferle, im Lichte der weltweit betriebenen, exzessiven Geldmengenausweitung eindeutig zu beantworten. Gold habe seine Kaufkraft über Jahrhunderte behalten. Eine rund 100 Jahre zurückreichende Analyse zeige, dass sich das Preisverhältnis von Erdöl zu Gold in dieser Zeit faktisch nicht verändert habe. Hingegen habe der US-Dollar allein seit 1971, dem endgültigen Ende seiner Goldbindung, 98 Prozent seiner am Öl gemessenen Kaufkraft verloren.

Wäre die US-Volkswirtschaft ein Familienhaushalt, würden dessen jährlichen Einnahmen von 58.000 Dollar Ausgaben von 75.000 Dollar gegenüberstehen. Seine Verschuldung läge bei 327.000 Dollar. „Wer würde einer solchen Familie noch Kredit gewähren?“  Die Projektion der US-Staatsschulden für die nächsten zehn Jahre lasse ebenfalls nichts Gutes erwarten. Die aktuell betriebene Geldpolitik beschwöre die Gefahr einer Hyperinflation herauf.

Phasen hoher Realzinsen, wie sie etwa in den 80er und 90er Jahren herrschten, seien ungünstig für Goldanleger. Die derzeit – und voraussichtlich auch für die kommenden Jahre – bestehende Phase deutlich negativer Zinsen dagegen sei für die Entwicklung des Goldpreises besonders günstig. Die strukturelle Überschuldung der Staaten spreche ebenfalls für eine weitere Aufwertung des Goldes.

Die Gefahr einer „Blasenbildung“ sei derzeit nicht erkennbar. Eine diese ankündigende, „parabolische Entwicklung des Goldpreises“ gebe es nicht. Vielmehr sprächen die Ausweitung der Geldmengen, damit verbundene Vertrauensverluste in die Papierwährungen und verringerte Goldverkäufe durch die Notenbanken, weiterhin für eine positive Stimmung auf dem Goldmarkt. Das nächste Kursziel, das im Juni 2012 erreicht werden dürfte, liege bei 2.000 Dollar pro Feinunze. Langfristig sei ein Überschreiten des inflationsbereinigten Allzeithochs von 2.300 Dollar realistisch.

Vorsorge gegen die Geldentwertung

Steffen Krug, in Hamburg tätiger Vermögensberater und Finanzmakler beschäftigte sich mit dem Thema „Liquiditätsmanagement im Angesicht der Euro-Krise“. Er wies, unter Bezug auf Ludwig Mises´ 1912 erschienenes Buch „Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“, auf den zwischen den beiden Begriffen bestehenden Unterschied hin.

Geld sei in Mises´ Analyse etwas anderes als aus dem Nichts geschöpfte „Umlaufsmittel“ – sei eben nicht beliebig vermehrbar. Seit Gründung der US-Notenbank FED [im Jahre 1913, Anm.] gebe es allerdings nur noch Umlaufmittel. Für aus dem Nichts Geschöpftes könnten sogar noch Zinsen lukriert werden – ein geradezu geniales Geschäftsmodell der Banken. Die Existenz einer Zentralbank als „Lender of last resort“ bedeute schließlich noch das Ende von Bankenpleiten – zumindest so lange es sich um „systemrelevante“ Institute handelt.

Allein im 20. Jahrhundert hätten deutsche Anleger dreimal ihre Geldvermögen verloren: Am Vorabend des Ersten Weltkriegs, in der Hyperinflation 1923 und bei der Währungsreform 1948. Ohne die Aufhebung der Verzerrungen der Kapitalstruktur durch die Zentralbanken, die den sich auf dem Markt einstellenden Zins künstlich nach unten drückten und damit Fehlinvestitionen initiierten, würde das fatale „Geld-weg“-Phänomen immer wieder auftreten. Durch die Manipulation des Zinses könnten lediglich kurzfristig (scheinbar) positive Wirkungen auf die Wirtschaftentwicklung ausgeübt werden. Langfristig wäre um einem strukturellen, jedenfalls schmerzhaften Gesundungsprozess allerdings nicht herumzukommen.

Dass es unter den herrschenden monetären Bedingungen zu einem Crash kommen müsse, sei klar. Das Problem der „Austrians“ (Österreichische Schule der Nationalökonomie) bestehe lediglich darin, keine exakten Prognosen hinsichtlich des Zeitpunkts abgeben zu können, zu dem dieser eintreten werde. Schließlich habe man es mit Menschen zu tun, die ihre Präferenzen – und damit ihre wirtschaftlichen Entscheidungen – laufend änderten, was zuverlässige quantitative Voraussagen unmöglich mache.

Es wäre nötig, das Wesen von Politkern und Bankern als systemische Falschspieler aufzudecken. Diese würden selbst wissen, dass es – im Falle eines von ihnen zu verantwortenden Totalabsturzes der Wirtschaft – um ihr Leben gehen würde. Deshalb zögen sie weiterhin alle Register, um das betrügerische Spiel so lange wie möglich weiterführen zu können.

Als Strategie für den Vermögensschutz nannte Krug „Diversifizierung“ – und zwar sowohl hinsichtlich der zu bevorzugenden Anlageklassen (Grundstoffe, Gold, Nahrungsmittel, Immobilien) als auch geographisch (d. h. wesentliche Teile außerhalb des Euroraums – z. B. in der Schweiz, in Hongkong oder Singapur).

Beide Vorträge wurden bei einer von Nikolaus Kimla, einem erfolgreichen IT-Unternehmer und engagierten Förderer der Ideen der „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre“, initiierten Veranstaltung in Wien gehalten.

Goldreport:

http://www.rottmeyer.de/5-goldreport-2011-ronald-stoferle-in-gold-we-trust/

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 268: Wie den Griechen, so der Volksbank

27. Februar 2012 20:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt ist die Volksbank noch einmal vom Staat „gerettet“ worden. Ist das schon problematisch genug, so ist das Wie dieser Rettung noch viel problematischer.

Denn die Republik erhöht zur Finanzierung der Rettungsaktion die Steuern auf die Konkurrenten der Volksbank-Zentrale (die durch ihre von Großmannsucht getriebenen Fehlinvestitionen bei Invest- und Kommunalkredit am Abgrund steht). Diese Rettungsmethode der Politik muss man sich wirklich lebhaft vor Augen führen: Weil ein Greißler statt in Konkurs geschickt zu werden, gerettet werden soll, müssen nicht wie berim normalen Konkurs die leichtfertigen Lieferanten, sondern alle anderen Greißler die Ausfälle zahlen. Obwohl die Konkurrenten am wenigsten schuld am Crash sind (sie haben höchstens unter seiner Schmutzkonkurrenz gelitten). Wären die Konkurrenten gut aufgestellt, könnte man ja durchaus darüber reden. Aber in Wahrheit würgen die Banken alle miteinander lebensbedrohlich an den Langfolgen der Krise und an den Schikanen, die im letzten Jahr schon mehrfach erhöht worden sind: Bankensteuer, Börsegewinnsteuer, ungarische Steuern, schlagartig erhöhte Nationalbank-Vorschriften. Das heißt: Diese Rettung rettet nichts, sondern schafft nur noch mehr Risken. Freilich: Die Republik tut ja nichts anderes, als ganz Europa im Falle Griechenland&Co tut – und dort mit noch viel gefährlicheren Folgen. Sooft dabei das Geld ausgeht, druckt die Zentralbank halt neue Scheine. Wie ja zuletzt schon im Monatsrhythmus. So einfach geht heutzutage das Wirtschaften. Und nur noch die ganz Blöden bemühen sich, sparsam zu sein, ohne Schulden auszukommen, oder solche gar zurückzuzahlen . . .

 

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Beihilfe zum Brain drain

26. Februar 2012 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele Ministerreisen und Pressekonferenzen waren in den letzten Jahren dem Thema gewidmet: Österreich will viele der Zehntausenden klugen und fleißigen Landsleute zurückholen, die im Ausland in Wissenschaft oder Wirtschaft Karriere gemacht haben. Man hat erkannt, dass gerade diese Menschen die Produktivität eines Landes steil nach oben schnallen lassen. Dass es keine bessere Wachstums-Investition gibt als eine solche Rückholaktion.

Viel von einem Erfolg der Rückholungen gehört hat man in der Folge nicht mehr. Da und dort gab es zwar den einen oder anderen Biologen, der aus Kanada zurückkehrte, als er dort Streit hatte und hier ein großes Labor zu leiten bekam. Das wars dann aber auch schon.

Gleichzeitig gehen weiterhin jedes Jahr Heerscharen junger, um viel Geld – aber ohne den kleinsten Eigenbeitrag in Form von Studiengebühren – ausgebildeter Menschen ins Ausland. Und nur ein Bruchteil kehrt zurück. Die Migrationsbilanz wurde statt dessen primär durch Verwandtennachzug aus der Türkei, dem Nahen Osten und Afrika numerisch aufpoliert. Die Beschäftigten- und Produktivitäts-Statistik hingegen keineswegs.

Und mit dem jüngsten Steuererhöhungspaket macht die Regierung die Chance auf vermehrte Rückkehrerströme qualifizierter Landsleute endgültig zunichte.

Denn wenn man die ohnedies schon exorbitante Einkommensteuer für Leistungsträger, also Menschen mit hohem Einkommen um bis zu zwölf Prozent (=sechs Prozentpunkte) erhöht, werden noch viel weniger Lust zur Rückkehr haben. Da können auch Walzer, Sachertorte, Hochquellenwasser, Oper, Musikverein, Berge und Skilifte noch so locken. Das konsumiert man als geborener Österreicher zwar gerne bei Urlaubsreisen. Seine Existenz will man aber beim Blick auf den drohenden Steuerbescheid hier nicht mehr aufbauen.

Dazu kommt die in vielen Bereichen beobachtete Abstoßungsreaktion: Wer längere Zeit im Ausland war, der wird in vielen Unternehmen von den Kollegen nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen. Der hat seine Intrigennetze nicht aufbauen können. Der gilt als gefährliche Bedrohung einer sich geschlossen fühlenden Gesellschaft. Daher können an österreichischen Universitäten weiterhin Professoren berufen werden, die nie ins Ausland gegangen waren, die nicht einmal das eigene Haus je verlassen haben. Bei der letzten Wahl eines Rektors der Wiener Uni hat es gar Gelächter ausgelöst, als sich ein Ausländer ohne deutsche Muttersprache beworben hat.

In der Naturwissenschaft gibt es noch einen weiteren Faktor, der den Weg nach Österreich unattraktiv macht: hierzulande sind alle Forschungsgebiete, die mit den Worten Hormon-, Atom- oder Gen- zusammenhängen, total tabu (sofern es nicht um Medizin geht). Jedoch sind das gerade die Disziplinen, in denen international die Post abgeht.

Die Minister sollten sich daher in Zukunft weitere Rückhol-Reisen nach Amerika&Co ersparen. Das wäre wenigstens ein Sparerfolg.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

 

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Überlegener Westen?

23. Februar 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Beat Wieser beschäftigt sich in seinem Leitartikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 18. 2. mit der Frage, ob wir gegenwärtig den Niedergang Europas erleben würden, während gleichzeitig autoritären „staatskapitalistischen“ Systemen wie jenem Chinas, die Zukunft gehört. In der Tat ein interessanter Gedanke. Die Überzeugung, wonach es zur Formel „Demokratie + Marktwirtschaft = allgemeiner Wohlstand“ keine Alternative gibt, gerät zunehmend unter Druck. Denn neben China tragen auch andere Staaten des fernen Ostens – man denke etwa an Singapur – durchaus autoritäre Züge und schlagen sich im Wettbewerb mit dem „liberalen, pluralistischen Westen“ dennoch (oder am Ende gerade deswegen?) höchst erfolgreich.

Gilt die „westliche Formel“ nicht mehr länger?

Wieser kommt zum Schluss, dass der große (wirtschaftliche) Erfolg einiger fernöstlicher Volkswirtschaften durch die Übernahme westlicher Tugenden bedingt sei. Seine Antwort auf die Frage nach der ungebrochenen Gültigkeit der „westlichen Formel“ lautet demnach also: ja.

Allerdings scheint der Autor bei seinen Betrachtungen zu übersehen, dass das „liberale westliche Modell“, das sich durch Pluralismus, Individualismus, persönliche Verantwortung und unbedingten Schutz privater (Eigentums-)Rechte gegenüber dem Staat auszeichnet und das die Überlegenheit Europas über seine Wettbewerber begründete, heute kaum noch lebt. Sind es denn liberale, marktorientierte Volkswirtschaften, die derzeit eine beispiellose Krise erleben, oder sind es nicht in Wahrheit längst sozialistische Planwirtschaften mit bürgerlichen Einsprengseln?

Wo innerhalb des europäischen Imperiums ist denn – und das gilt nicht nur für die von der Krise besonders stark gebeutelten Provinzen – tatsächlich noch eine „liberale Marktwirtschaft“ zu finden? Dort, wo die Bürger bis zu zwei Drittel ihrer Einkommen an den Fiskus abzuliefern haben, wohl nicht. Dort, wo wirtschaftliche Entscheidungen kaum mehr in freier Übereinkunft einzelner getroffen werden können und wo die Vertragsfreiheit faktisch abgeschafft wurde, auch nicht. Und dort, wo ein sich immer mehr zur Gouvernante seiner Bürger aufschwingender Staat täglich tiefer in deren Privatsphäre eindringt, pausenlos neue Ge- und Verbote erfindet, die der freien Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen jeglichen Spielraum nehmen, schon gar nicht.

Im zitierten Artikel scheint einiges durcheinander zu geraten, weil die verwendeten Begriffe nicht (mehr) zutreffen. Europa ist eben nicht mehr länger ein pluralistisch verfasstes Konglomerat konkurrierender Völker. Europa ist unter der Fuchtel einer anmaßenden Zentralbürokratie zu einem unbeweglichen, ausschließlich mit sich selbst beschäftigten Monstrum verkommen. Das Reich der Mitte hat einst – an der Schwelle zur Neuzeit – den Kampf um die Welt gegen Europa verloren, weil es genau das war. Die Chinesen haben aus der Geschichte offensichtlich ihre Lehren gezogen, was sie mit „Sonderwirtschaftszonen“ und einer überaus erfolgreichen Außenpolitik deutlich vorführen, während Euroland eine rigorose Gleichschaltung vorantreibt und sich in eitler Nabelschau ergeht.

Europa gerät also nicht deshalb unter Druck, weil es an seinen Stärken festhält, denen es seinen – Jahrhunderte lang anhaltenden – Erfolg zu verdanken hatte, sondern deshalb, weil es das nicht mehr tut! Wilhelm Röpke verdanken wir folgende Erkenntnis: „Eines von beiden wird früher oder später weichen müssen: Das freie Gesellschafts- und Wirtschaftssystem oder der heutige Wohlfahrtsstaat.“ Diese Frage wurde eindeutig zugunsten des letzteren entschieden. Röpke hatte also Recht. Eine „liberale Demokratie“ – falls es so etwas überhaupt geben kann – hat unter der Bedingung eines allgemeinen, gleichen Wahlrechts offenbar keinen dauerhaften Bestand.

Die sich stellende Systemfrage lautet daher nicht mehr länger liberale Demokratie oder autoritärer Staatskapitalismus. Denn in Europa ist an die Stelle der liberalen Demokratie der totalitäre, supranationale Wohlfahrtsstaat getreten, in dem der Einzelne nichts mehr gilt. Und dieses Modell, das nicht länger auf individuelle Leistung, Verantwortung und Wettbewerb gründet, ist seinen aggressiven, wachstumsorientierten Herausforderern aus Fernost nicht gewachsen.

Europa muss sich, wenn es die aktuelle Krise überwinden will, auf die vom Autor des Neuen Zürcher Zeitungs-Artikels genannten Ideale seiner glorreichen Vergangenheit zurückbesinnen. Bei nüchterner Betrachtung haben wir es nämlich mit einem Wettbewerbsproblem zu tun. Die exzessive Staatsverschuldung, der heute die ganze Aufmerksamkeit der politischen Eliten und der veröffentlichten Meinung gilt, ist dagegen lediglich ein Symptom des Mangels an Wettbewerbsfähigkeit. Mit Symptomtherapie – der bloßen Beschränkung auf die Sanierung der Staatsfinanzen – ist aber wenig zu erreichen.

Die Zurückdrängung der krebsartig wuchernden Bürokratie und des Zentralismus; die Besinnung auf den Subsidiaritätsgedanken; die Wiederherstellung bürgerlicher (Eigentums-)Rechte – besonders durch eine radikale Senkung der Steuerquoten; die Abkehr von falschen Religionen wie jenen vom anthropogenen Klimawandel oder dem anti-AKW-Voodoo, sind unabdingbar, um erfolgreich gegen die neuen, ehrgeizigen Herausforderer bestehen zu können.

Europa wird das weitere Erstarken der Schwellenländer nicht verhindern können – und sollte das auch gar nicht versuchen! Denn die globale Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel. Der Gewinn Chinas ist nicht automatisch der Verlust der Alten Welt. Aber eine immer weitere Abkehr vom wettbewerbsorientierten Erfolgsmodell der Vergangenheit wird Europa ins Abseits führen – wirtschaftlich wie politisch.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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ACTA gehört nicht ad acta

21. Februar 2012 01:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alle Welt kämpft seit ein paar Tagen wie auf Knopfdruck gegen das internationale Anti-Piraterie-Abkommen ACTA. Es wird wild dagegen demonstriert. Fast alle Parteien lehnen ACTA plötzlich lautstark ab. Fast kein Politiker wagt es mehr, ausdrücklich dafür zu sein. Muss da nicht dieses Abkommen eigentlich ziemlich gut sein, wenn all diese Parteien und die üblichen Demonstranten dagegen sind?

Diese erste Reaktion auf die ACTA-Aufregung wird freilich durch eine zweite zugegebenermaßen ebenso emotionslastige konterkariert: Bauen sich hier nicht die Behörden ein gewaltiges Großer-Bruder-Instrument, mit dem sie die Meinungsfreiheit einschränken können?

Die dritte Reaktion widerspricht sowohl der ersten wie auch der zweiten. Die blindwütige Ablehnung von ACTA ist dumm, aber volle Begeisterung dafür wäre ebenso dumm. Denn selten stoßen zwei diffizile und wichtige Rechtsgüter so frontal aufeinander wie in dieser Frage: auf der einen Seite die Freiheit, nicht um die Früchte seiner Arbeit bestohlen zu werden, auf der anderen die Freiheit, nicht vom Staat überwacht und zensuriert zu werden.

Die Inszenierung lautet: David gegen Goliath

Die ACTA-Gegner spielen geschickt das David-Goliath-Spiel: Große Konzerne und die USA wollen den kleinen Internet-Usern und den ahnungs- und hilflosen EU-Europäern an die Gurgel. Sie stellen falsche und manipulative Vorwürfe gegen ACTA ins Internet, besonders unter Nutzung von YouTube. Da wird mit starken Bildern suggeriert, dass man künftig sogar dann verfolgt werde, weil man seiner Mutter ein Mail schickt.

All diese Vorwürfe sind durch keinen Buchstaben des Abkommens fundiert. Es ist auch absoluter Unsinn und polemische Fiktion, wenn von einem Geheimabkommen geredet wird. ACTA liegt wie jedes Gesetz und jeder internationale Vertrag den Parlamenten mit einem voll publizierten Wortlaut ohne geheime Zusätze zur Zustimmung vor. Und gäbe es doch noch geheime Zusätze, wären die natürlich ungültig und von keinem Gericht anerkannt.

Der ACTA-Text ist wie bei jedem Vertrag und Gesetz natürlich von Experten und nicht basisdemokratisch auf Marktplatz oder im Audimax formuliert worden. Dort ist noch nie ein brauchbares Gesetz entstanden. Und mit den Occupy- oder Attac-Chaoten könnte es auch hinter Polstertüren schon gar nicht zustandekommen. Das würde zum gleichen Chaos führen wie bei der von Greenpeace und Global 2000 ausgelösten und derzeit total kollabierenden UNO-Klimahysterie.

Vor allem aber sind die durch ACTA geschützten Urheber keineswegs nur große Konzerne, sondern auch Hunderttausende kleine Musiker, Komponisten, Autoren, Schauspieler, Designer, Ingenieure, Techniker, Werbegurus und viele andere, die mit viel Plage ein geistiges Werk herstellen, die eine unbekannte Marke zu einer weltweit angesehenen machen. Aber auch große Konzerne können ja nicht auf Grund ihrer Größe einfach für vogelfrei erklärt werden, wie es die Linke gerne täte. Ganz abgesehen davon, dass sie Millionen Mitarbeitern Brot und Lohn geben, dass ihre Aktionäre in der großen Mehrheit ganz normale Sparer sind.

Sie alle werden betrügerisch um einen guten Teil des Entgelts ihrer Arbeit gebracht, wenn jemand etwa in der Textilbranche ein Markenlabel fälscht, wenn jemand im Internet „gratis“ einen Film, ein Musikstück, einen Text kopiert.

Von Red Bull bis zur Staatsoper

Dabei geht’s nicht nur um die Interessen der offenbar automatisch bösen Amerikaner. Man denke nur an die beiden österreichischen Stars, die in den letzten Jahrzehnten auf dem internationalen Markenhimmel aufgegangen sind: Red Bull und Swarovski. Beide haben mit erstaunlich simplen Produkten (geschliffene Glasscherben und einem süßen Getränk mit Himbeergeschmack) sowie raffiniertem Marketing Weltmarken geschaffen, die Milliarden Euros nach Österreich geschaffen haben.

Es ist daher extrem selbstbeschädigend, wenn österreichische Parteien den volkswirtschaftlichen Wert eines modernen Markenschutzes nicht erkennen. Genauso zentral gerade für dieses Land sind die scheinbar „nur“ immateriellen Produkte von Philharmonikern, Staatsoper und anderen Kreativen.

Zugleich sind es keineswegs nur die vielzitierten „Kleinen“, die von einer Verletzung des Markenschutzes profitieren. Hinter den Fälschungen und Raubkopien, die man auf asiatischen Märkten, an italienischen Stränden und im Internet angeboten findet, stecken durchaus ertragreiche Großkonzerne und nicht Robin-Hood-Studenten. Von denen borgt man sich höchstens das Image. Dies hat erst vor ein paar Tagen die Verhaftung eines millionenschweren deutschen Gangsterbosses in Neuseeland gezeigt, der mit Internet-Kopierdiebstahl einen extrem luxuriösen Lebensstil finanziert hat.

Bei vielen Anti-ACTA-Demonstranten steckt hinter den zutiefst sympathischen „Freiheit!“-Parolen ein bemerkenswerter, wenn auch nie zugegebener Wertwandel. Sie wollen, ohne es offen auszusprechen, Kinderpornographie und Diebstahl durch die Hintertür legitimiert bekommen. Eine ganze Generation will nicht durch effizientere Kontroll-Maßnahmen am Stehlen gehindert werden. Sie erachtet Raubkopieren als ein neues Menschenrecht. Das ist freilich eine ganz andere Freiheit als die der Aufklärung, die immer in den Rechten und Freiheiten der anderen ihre Grenzen fand.

Zur Verteidigung dieses Rechts auf Diebstahl werden schwere Kampftruppen in Stellung gebracht. Dazu zählen einerseits die Anonymous-Piraten, die ständig mit Megaschäden Internet-Seiten hacken und zerstören, wenn jemand anderer Meinung zu sein wagt als sie. Sie haben etwa jüngst harmlose Leser und Gesprächspartner einer konservativen deutschen Wochenzeitung (Junge Freiheit) auf niederträchtige Weise kollektiv mit Namen und Adressen als „Nazis“ an den Internet-Pranger gestellt. Die internationalen Polizeibehörden haben sich auch in allen anderen Fällen als erstaunlich hilflos gegen diese Anonymous-Gangster gezeigt, die im Internet immer geschickt ihre Spuren zu verwischen verstehen.

Eine weitere effiziente Kampftruppe sind die neuen Piratenparteien, die in einigen europäischen Ländern zuletzt wie ein Feuerwerk aufgestiegen sind. Diese haben sehr vielen anderen Parteien Furcht und Schrecken eingejagt, weshalb sie jetzt ohne lange nachzudenken eilfertig jede Aktion gegen ACTA unterstützen. Von einer Suche nach einer gerechten Abwägung zweier widerlaufender Interessen ist also bei den meisten Aktivisten keine Spur.

Ginge es den Anonymous- und Piraten-Jugendlichen wirklich um das hehre Ziel der Meinungsfreiheit im Internet, dann würden sie nicht primär gegen ACTA demonstrieren, sondern gegen jene europaweiten Gesetze, welche – beispielsweise zuletzt unter dem Vorwand „Kampf der Verhetzung“ – die Meinungsfreiheit radikal eingeschränkt haben. In Hinblick auf die reale wie die virtuelle Welt.

Um diese Meinungsfreiheit muss man sich jedoch ernsthaft sorgen. Political Correctness und der in die Gerichte transferierte Kampf der Linken gegen andere Auffassungen und Überzeugungen haben heute in der Mehrheit der Menschen mit gutem Grund die Überzeugung wachgerufen, dass man nicht mehr frei seine Meinung sagen kann. Das ist der wahre Skandal dieser Zeit. Dieser geht Hand in Hand mit dem unerträglichen Realsozialismus aller Parteien und Behörden, der jede menschliche Handlung, insbesondere wenn sie eine unternehmerische ist, bis ins letzte Detail kontrollieren und überwachen will.

In dieser Zeit ist das Internet ein Refugium geworden. Dort kippt dann freilich der unsterbliche menschliche Freiheitsdrang, die Sehnsucht nach offenem Meinungsaustausch oft in einen unerquickliches Extrem: Im Schutz der Anonymität werden sonst gesittet wirkende Bürger zu bösartigen Denunzianten, sie schimpfen und höhnen, was das Zeug hält. Das Internet ist auch in einem abstoßenden Ausmaß von Pornographie überschwemmt. Und eben von einem milliardenschweren Business mit dem Diebstahl geistigen Eigentums.

In einer Welt, in der noch vor kurzem jede Postkarte wie selbstverständlich von Zensoren untersucht werden konnte, in der bei vielen Paketen heute noch Zöllner neugierig hineinschauen können, ist das eine totale Gegenwelt. Zwischen diesen beiden Welten gibt es keine dialektische Synthese, sondern nur Konflikte – oder schrittweise Annäherungen.

Selbst wenn die meisten von den ACTA-Gegnern verbreiteten Vorwürfe nicht stimmen, ist bei nüchterner Betrachtung der Verdacht nämlich nicht ganz ausgeräumt, dass ACTA zu weit geht. Es geht wohl zu weit, wenn „Beschuldigte“ verpflichtet werden, alle Informationen beizuschaffen, wenn Internet-Provider automatisch alle Daten herausrücken müssen.

Das ist vor allem dann bedenklich, wenn eben gleichzeitig der Verdacht besteht, dass die Kompetenzen der Exekutive und Justiz genutzt werden können, um auch Meinungsdelikte zu überwachen. Zwar sind die übelsten Meinungsjäger gerade die Anonymous-Typen mit ihren Bloßstellungaktionen. Aber auch die EU und die Strafbehörden haben in den letzten Jahren massive Meinungskontroll-Attitüden angenommen, die scharf abzulehnen sind.

Die Lösung heißt: Meinungsfreiheit

Was also sollten die jetzt in Entscheidungsnot gekommenen Regierungen tun? Sie müssten durch ein mutiges wie offenes Vorgehen das verlorene Vertrauen zurückerringen. Und zwar durch eine doppelte Strategie:

Einerseits führt kein Weg zu mehr Vertrauen an einer Rücknahme aller Meinungsdelikte vorbei. Diese schränken vor allem im Zuge der linken Correctness wie ein Würgegriff die Freiheit der Bürger immer mehr ein. Wenn sich Menschen wieder auf Marktplätzen und bei Diskussionen ganz offen ihre Meinung auszusprechen trauen, wird auch viel Druck aus dem Internet herauskommen. Dann ist es ganz egal, ob ich meinen Standpunkt als „Donald Duck“ getarnt im Netz sage oder unter meinem vollen Namen in der Öffentlichkeit. Das würde mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Internet die Umgangsformen zivilisieren. Das würde zugleich jene, die weiterhin unflätig schimpfen wollen, als nicht ganz zurechnungsfähig von selbst ins Abseits stellen.

Andererseits muss es aber möglich werden, weltweit mit wirklicher Effizienz gegen Fälschungen und Raubkopien vorzugehen. Ein globales System ist nicht überlebensfähig, in dem man von chinesischen, russischen oder karibischen IP- und Server-Adressen aus fast jedes Verbrechen begehen und decken kann. Vom Diebstahl bis zu der millionenschweren Produktion von Kinderpornographie, einer ganz besonders widerlichen Tätigkeit.

Jedoch wird auch kein System überlebensfähig sein, in dem man nur diese Pornographen und Diebe bekämpft, aber nicht gleichzeitig den Bürgern ihre geistige Freiheit zurückgibt.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Fekter – viel Frust und ein Funke Hoffnung

20. Februar 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Längst sind ORF-Pressestunden so langweilig geworden, dass sich nur noch wirkliche Fanatiker selbige antun. Das war auch bei Maria Fekters Auftritt trotz des trüb-regnerischen Tages der Fall. Sie löste erwartungsgemäß viel des erwartbar gewesenen Frustes aus. Sie verbreitete aber zugleich einen unerwarteten Funken Hoffnung. Und der sollte – auch wenn es eben nur ein Funke ist – in trostlosen Zeiten besonders aufgegriffen und beachtet werden.

Zuerst das Negative: Frustrierend bis peinlich ist, wenn die einstige Hoffnungsträgerin Fekter ins jüngste Sparpaket jede Menge Strukturreformen hineinphantasierte. Frustrierend ist auch, wie kühl sie ihre einstigen Versprechungen „Keine Steuererhöhungen“ weg-ignoriert und wie sie die gewaltige Menge an Steuer- und Abgabenerhöhungen samt Kürzungen ( nichts anderes ist ja die Reduktion des Realwertes) von Pensionen und Beamtenbezügen als positiv verkauft. Und völlig unverständlich ist, warum sie nicht zu sagen wagt: Mit diesem Koalitionspartner, mit der Gesinnung dieser Opposition, mit dieser Verfassung, diesen Bundesländern und diesen Gewerkschaften war nicht mehr möglich. Da sie all das nicht gesagt hat, wird sie zur voll verantwortlichen Mittäterin.

Der dennoch gezündete Funke Hoffnung bestand in ihrer neuen Zielvorgabe für eine Steuerreform: nämlich in einem Akzent zugunsten von Familien und Mittelschicht. Denn erstmals seit langem wagte da ein verantwortlicher Politiker ein Modell zumindest vorzuschlagen, bei dem die Familien des zuletzt ständig ausgepressten Mittelstands anstelle der seit vielen Jahren einseitig bevorzugten Unterschichten profitieren würden.

Fekter will nämlich den Unterhalt für Kinder steuerfrei stellen (ohne die zahllosen Direkttransfers wie Gratiskindergärten oder Familienbeihilfen infrage zustellen). Davon kann logischerweise nur jemand profitieren, der überhaupt Steuer zahlt.

Gewiss ist es mehr als zweifelhaft, ob dieser Gedanke in der Schuldenrepublik jemals finanzierbar werden wird. Und noch zweifelhafter ist, ob sich für Fekters Reform-Ideen jemals eine ausreichende Mehrheit finden lässt. Tobt doch seit Jahr und Tag eine heftige Schlacht zwischen Rot und Blau um die Sympathien der XYZ-Schicht leistungsabstinenter Sozialprofiteure (wobei Rot und Blau in diesem Sozialdemagogie-Wettlauf rätselhafterweise sowohl von Grün wie auch Orange wie auch Teilen des ÖAAB unterstützt wurden, obwohl die alle fast keine XYZ-Wähler vertreten).

Diese mittelstands- und familienfeindliche Schlacht bestimmt seit Jahren den politischen Diskurs. Sie schlug sich in den erstaunlichen Zuwächsen der Ausgleichszulagen nieder, die fast bei jeder Pensionserhöhung steiler waren als die Anpassungen der durch Beiträge zumindest zum Gutteil versicherungsmathematisch finanzierten Normalpensionen. Das schlug sich in der totalen Einkommensteuer-Befreiung von fast drei Millionen Menschen nieder. Das schlägt sich auch beim jüngsten Belastungspaket durch eine Vielfalt an nur den Mittelstand treffenden Maßnahmen nieder.

Aber immerhin hat Fekter zumindest verbal erstmals ein Prinzip wider diesen Zeitungeist als Ziel verkündet. Nehmen wir daher trotz aller Skepsis einmal an, sie könnte wenigstens diesmal ihre Pläne verwirklichen. Dann ginge der Reformweg im Gegensatz zum dominierenden Neosozialismus plötzlich in eine absolut richtige Richtung.

Gut für die Mittelschicht

Denn erstens wird damit an der gesellschaftlichen Schwelle zwischen der Schicht der Umverteilungsprofiteure und jener der ständig mehr ausgepressten Mittelschicht endlich einmal ein positives Signal in Richtung der Anstrengungswilligen gesetzt. Diesen gereichte es damit erstmals nicht zum Nachteil, dass sie an sich vor Wirksamwerden der Umverteilung natürlich mehr verdienen als hauptberufliche Couch Potatoes.

Gut fürs Kinderkriegen

Zweitens und noch wichtiger: Durch die Realisierung der Fekter-Ideen würde der Mittelschicht wieder mehr Mut zu Kindern gemacht. Das wäre ganz entscheidend. Zeigen uns doch seit Jahren die Statistiken, dass das Kinderkriegen zwar in der Unterschicht Normalität bleibt, während beispielsweise fast nur noch jede zweite Uni-Absolventin Mutter wird. Das hat gewiss auch viele andere Ursachen, etwa das veränderte Frauenbild der Mittelschichten, etwa die überaus langen Ausbildungszeiten in qualifizierten Karrieren, etwa die Gier der Wirtschaft auf die gut qualifizierten Frauen als Arbeitskräfte.

Trotz dieser kurzsichtigen Gier sind die wirtschaftlichen Konsequenzen der asymetrischen Geburtenfreudigkeit dramatisch negativ. Diesen Prozess hat Thilo Sarrazin ja schon in Hinblick auf das sehr ähnlich tickende Deutschland mit einer Fülle von Beweismaterial als einen Weg zum Dümmerwerden eines Landes beschrieben (den Rot-Grün im übrigen durch Gesamtschule und ihre leistungskonträre Universitätspolitik noch ständig zu beschleunigen versuchen).

Schlecht für Sozialmigranten

Drittens und in engem Zusammenhang mit dem vorigen Argument: Mit den Fekterschen Reformplänen würde die Zuwanderung von Sozialmigranten nach Österreich zumindest nicht noch zusätzlich gefördert. Das gilt freilich nur dann, wenn gleichzeitig die sozialen Direkttransfers trotz des linken Drängens auf noch mehr Wohlfahrt zumindest eingefroren werden. Derzeit kann ja eine vielköpfige Migrantenfamilie – auch ohne einen einzigen Berufstätigen – in Österreich im Kontrast zu ihren Herkunftsregionen in Afrika, Nahost oder Ostanatolien von den Sozialtransfers ganz gut leben.

Gut für die Gerechtigkeit

Viertens würde damit das vom Verfassungsgerichtshof immer wieder judizierte Gerechtigkeitsprinzip erstmals ernst genommen und nicht bloß minimalistisch realisiert. Denn der VfGH verlangt den familiären Sozialausgleich primär nicht zwischen Mittel- und Schlechtverdienern, sondern zwischen Menschen gleichen Arbeitseinkommens. Mit anderen Worten: Kinder dürfen laut Verfassung eigentlich keine sozialen Abstieg aus der bisherigen sozialen Positionierung einer Familie bedeuten.Was sie aber derzeit sehr wohl tun.

Gut für den Wirtschaftsstandort

Und fünftens: Damit wird zu den unglaublich mittelstands- und familienfeindlichen Vorstellungen der Achse des Bösen zwischen Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung ein erfreulicher Gegenakzent gesetzt. Die seit zwei Jahren heftig nach links gerückte Industrie-Lobby vergisst ja gesellschaftspolitisch neuerdings leider das zentrale Prinzip total, das in erfolgreichen Unternehmen eigentlich hochgehalten werden sollte: nämlich die Wichtigkeit von Zukunftsinvestitionen.

Es gibt ja für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich gar keine wichtigeren Investitionen als Kinder, die von leistungs-, werte- und bildungsorientierten Eltern aufgezogen (und in dementsprechend ausgesuchten Schulen) erzogen werden. Der Wert dieser Kinder als künftige Leistungsträger, Forscher, Ingenieure, Kaufleute gerade für die Wirtschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und er kann niemals durch jene Zuwanderer kompensiert werden, die primär die Segnungen eines der komfortabelsten Wohlfahrtssysteme der Welt konsumieren wollen.

Sauerstoff für Fekters Funken

Dieser Fektersche Akzent ist zwar gewiss nur ein Hoffnungsfunke. Aber jeder Funke Vernunft und Gerechtigkeit und Zukunftsorientierung ist derzeit so wichtig und notwendig, dass ihm jede Menge Sauerstoff zugeblasen werden sollte, bevor er vom Wüstensand der sich gutmenschlich tarnenden Wohlfahrtsindustrie wieder erstickt wird.

 

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Subventionen machen ein Land krank

19. Februar 2012 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Warum stecken ausgerechnet jene EU-Länder am tiefsten in Schwierigkeiten, die in den letzten Jahrzehnten die größten Summen an europäischen Subventionen bekommen haben? Aus Strukturfonds, aus Kohäsionsfonds und vielen anderen Töpfen sind alljährlich dicke Milliarden vor allem nach Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und (Süd-)Italien geflossen. Und kein einziges der unterstützten Mitgliedsländer ist heute nach Jahrzehnten des  Subventionsbezugs auf sicherem Boden gelandet oder gar ein Nettozahler geworden.

Süditalien ist sogar schon vor den EU-Zeiten ständig vom Norden unterstützt worden (was diesen inzwischen frustriert mit einer Trennung des Landes liebäugeln lässt). Waren all diese Subventionen am Ende ergebnislos vergeudetes Geld?

Nein. Sie waren nicht ergebnislos. Sie sind im Gegenteil sogar eine Hauptursache der heutigen Malaise. Sie treiben den Völkern die Eigenverantwortung aus und versetzen diese in ein Stadium des Hospitalismus, also eines Patienten, der sich komplett und ohne eigene Aktivität in die die rundum sorgenden Hände eines Spitalsteams fallen lässt. Dieses Verhalten macht eine Genesung extrem unwahrscheinlich.

Diese Krise hat damit zumindest einen Nutzen: Die Welt ist um eine Gewissheit reicher. Was bisher nur liberale Ökonomen analysiert haben, ist nun empirisch bestätigtes Wissen. Das, was uns heute die EU zeigt, haben ja auch schon etliche – insbesondere afrikanische – Ökonomen in Hinblick auf die Entwicklungshilfe nachgewiesen: Je weniger Hilfe es gegeben hat, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem darbenden Drittweltland heute ein blühendes Industrieland wie Südkorea oder zumindest ein Schwellenland wie China geworden ist.

Die EU denkt freilich nicht daran, ihr riesiges Geldtransfersystem aufzugeben, für das derzeit übrigens der Österreicher Johannes Hahn hauptverantwortlich ist. Schließlich wäre das nicht nur ein gewaltiges Schuldeingeständnis, sondern würde auch viele Beamte und Politiker arbeitslos machen.

Sie alle sollten aber lesen, was der griechische Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis dieser Tage gesagt hat: Als Folge der EU-Hilfen sei in Griechenland das Wissen um die Notwendigkeit harter Arbeit verloren gegangen. „Während wir mit der einen Hand das Geld der EU nahmen, haben wir nicht mit der anderen Hand in neue und wettbewerbsfähige Technologien investiert. Alles ging in den Konsum. Das Ergebnis war, dass jene, die etwas produzierten, ihre Betriebe schlossen und Importfirmen gründeten, weil sich damit mehr verdienen ließ. Das ist das eigentliche Desaster dieses Landes.“

Deutlicher und anschaulicher kann man die verheerende Wirkung von Dauersubventionen nicht darstellen. Die Empfänger hängen am Tropf, werden süchtig und nie mehr gesund.

Und damit niemand glaubt, hier würde ein kapitalistischer Ausbeuter zitiert: Herr Chrysochoidis ist Sozialist.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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SN-Kontroverse: Schenkungssteuer

17. Februar 2012 01:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist der Verzicht auf Erbschafts- und Schenkungssteuer richtig?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Gegen Leistung und Gerechtigkeit

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

 

Seit 2008 gibt es in Österreich keine Erbschafts- und Schenkungssteuer, weil der Verfassungsgerichtshof sie aufgehoben hat. Das widerspricht in einem hohen Ausmaß dem Leistungsgedanken, der Gerechtigkeit und verschärft die in Österreich ohnedies große Kluft zwischen Armen und Reichen. Wer etwas erbt oder geschenkt bekommt, hat nichts zu seinem Vermögenszuwachs beigetragen. Das Höchstgericht hatte überdies keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Erbschaftssteuer an sich, sondern hat sie wegen deren Berechnungsmethode aufgehoben. Es wandte sich gegen die pauschale Vervielfachung von längst historischen Einheitswerten, die die Wertentwicklung von Grundstücken nicht angemessen spiegelt.
 
Durch den Verzicht auf die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer hat die Regierung die Chance verpasst, ein wenig mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Wohlstand ist in Österreich weiter vom Zufall der Geburt abhängig. Die letzte Erbschaftssteuerstatistik zeigt: Im Jahr 2006 trugen nur fünf (!) Steuerfälle ein knappes Viertel des gesamten Erbschaftssteueraufkommens. Das Vermögen konzentriert sich über Generationen. Die wenigsten Österreicher haben ihre Wälder, Villen und Grundstücke selbst erwirtschaftet, sondern sie ihrerseits vererbt bekommen.
 
Rund 90 Prozent der Haushalte, die durch Todesfall zu einer Wohnung oder einem Haus kamen, besaßen zu diesem Zeitpunkt selbst schon eine Immobilie. Das Erbe wird sich aufgrund von weniger kinderreichen Haushalten künftig weiter vergrößern. Warum die Regierung auf die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer verzichtet hat und lieber Einkommensschwache belastet, ist rätselhaft. Jedenfalls aber ist dies ein grober politischer Fehler - aus volkswirtschaftlicher Sicht und aus Gründen der Gerechtigkeit.

 


Jagt die Finanzer nur in die Wäscheschränke

Andreas Unterberger

Der größte Fehler an diesem Sparpaket ist, dass im Land mit einer der höchsten Abgabenquoten der Welt überhaupt Steuern und Abgaben erhöht werden. Statt dass man endlich die Hunderten Strukturreformen anginge, um Österreich wieder wettbewerbsfähig und Triple-A-sicher zu machen (von der Abschaffung einer ganzen Verwaltungsebene und des Bundesrats über die Einführung der Versicherungsmathematik im Pensionssystem bis zur Zusammenführung der gesamten öffentlichen Gesundheitsfinanzierung bei Kassen ODER Bundesländern). Statt dass man sinnlose Ausgaben stoppt (von der Subventionierung Hunderter parteinaher Ideologievereine durch die Länder bis zum Bau gigantischer Tunnels, die sich niemals rechnen werden).

 Erst nach all diesen Prioritäten kann man diskutieren, ob man nicht die viel zu hohen Lohnabgaben und Einkommensteuern senken und dafür die Erbschaftssteuer einführen könnte. Aber selbst dann spricht nicht viel für deren Einführung: Erstens ist sie wenig ergiebig und sehr teuer in der Einhebung. Zweitens dürften dann Finanzbeamte in unseren Wäscheschränken nach versteckten Golddukaten suchen. Drittens bestraft diese Steuer die Sparsamen, die ihren Familien und Freunden etwas vererben wollen, statt ihr Geld irgendwo zwischen Karibik, Bordells und Casinos ganz ohne Erbschaftssteuer ausgegeben zu haben. Viertens ist Spargeld durch die KESt ja längst schon endbesteuert, das heißt vorweg erbschaftsbesteuert. Fünftens hieße diese Steuer für Zehntausende Familienbetriebe: Verkaufen oder zusperren? Denn woher soll bei einem knapp überlebenden Gewerbebetrieb oder Bauernhof plötzlich das Geld für eine saftige 
Erbschaftssteuer kommen? In Wahrheit geht es nämlich nur um miesen sozialistisch-kommunistischen Klassenkampf. Dessen Umsetzung bisher noch jedes Land ruiniert hat.

 

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Biodiesel: Altfett als Ausweg?

16. Februar 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Der Markt für Biodiesel ist nach wie vor ein heftig umkämpfter Sektor, wobei sich die Fronten ständig verschieben. Vor einigen Jahren meinte man noch, in Europa mit der Erzeugung von Biodiesel (vor allem auf Rapsbasis) eine Zukunftsbranche mit Milliardengewinnen entdeckt zu haben. Dieser Traum ist ausgeträumt, es gibt riesige Überkapazitäten, die großen Produzenten liegen am Boden.

Nun gut, wurde gesagt, das sind Anlagen, die Biodiesel der 1. Generation erzeugen und in den Sog der „Teller-Tank“ Diskussion geraten sind. Bis etwa 2015 werde es aber Biodiesel der 2. Generation geben, der nicht auf der Basis von Nahrungsmitteln, sondern von Abfallstoffen erzeugt wird, wurde betont. Auch dieser Traum ist vorerst vorbei, nun wird von einem möglichen Termin für die 2. Generation von 2020 gesprochen. Die Pleite der deutschen Firma Choren, im Sommer des Vorjahres, zeigte dies mit aller Deutlichkeit auf.

Choren wollte auf Holzbasis so genannten „Sundiesel“ erzeugen. 100 Millionen Euro wurden investiert (davon allein 30 Millionen öffentlicher Gelder); Shell; VW und Daimler beteiligten sich. Aber schon bald zeigte sich, dass mit völlig falschen Zahlen gearbeitet wurde, das Verfahren kam nie über einen Probebetrieb hinaus, die Kosten für einen Liter Sundiesel hätten sich auf rund fünf Euro belaufen. Bereits 2009 zog sich Shell deshalb zurück.

Um die von der EU vorgeschriebene Bioquote bei Treibstoffen erfüllen zu können, muss man nun wieder auf Biodiesel der 1. Generation zurückgreifen. Steuervorteile, die in den letzten Jahren gestrichen wurden, könnten nun wieder angedacht werden. Um das Problem Erfüllung der Bioquote in den Griff zu bekommen, hat man sich etwas Neues einfallen lassen. Wenn Biodiesel nicht aus Raps, sondern aus Altfetten und -ölen erzeugt wird, ist der CO2-Ausstoß angeblich um rund 50 Prozent geringer als auf Basis von Raps.

Also könnte man bei der Berechnung für die CO2-Einsparungen einen 100 Prozent-Bonus einkalkulieren, das heißt statt zwei Liter Raps-Biodiesel, müsste nur ein Liter Altfett-Biodiesel eingesetzt werden. Mit dieser Doppelzählung könnte man somit theoretisch statt der siebenprozentigen Biodieselbeimischung (in Österreich) nur rund 3,5 Prozent beimischen müssen, um die Bioziele zu erreichen. Natürlich müsste dies alles auf Basis einer genauen Zertifizierung erfolgen.

In Deutschland, Italien und den Niederlanden werden derartige Überlegungen bereits umgesetzt. In Österreich ist man noch nicht soweit, dafür bräuchte man eine Novellierung der heimischen Kraftstoffverordnung – und diese hängt noch in der Warteschleife, weil es in dieser Verordnung auch um die Einführung von E 10 Benzin (zehn Prozent Ethanolanteil) 3 geht – und darum wird auf politischer Ebene noch gestritten. Der Trend, weg vom Raps, verstärkt sich aber zusehends. Stellt sich die Frage, gibt es so viel Altöl, um Biodiesel in größeren Mengen zu erzeugen (für den auch höhere Preise erzielt werden).

Nehmen wir einmal Österreich als Beispiel. Bei uns werden jährlich etwa 150.000 bis 200.000 t Speiseöl verbraucht. Ein Drittel davon landet im menschlichen Magen, der Rest ist quasi Abfall. Von dieser Menge wird rund die Hälfte gesammelt (für Biodiesel), der Rest entsorgt. Durch bessere Sammelsysteme könnten zusätzliche Mengen in die Weiterverwertung fließen. Es gibt aber noch ein weiteres Problem. Nur wenige heimische Biodiesel- Produzenten können in ihren Erzeugungsanlagen Altfett verwenden.

Ein Werk in Arnoldstein (50.000 t) hat voll auf diesen Trend gesetzt und kann seinen, für die „Doppelzählung“ geeigneten, Biodiesel günstig in Italien absetzen. Österreichs größter Produzent, die BioDieselVienna (140.000 t, heißt jetzt Münzer Bioindustrie) kann nur vierzig Prozent seiner Kapazität mit Altfett laufen lassen. Dieser Nicht-Raps-Biodiesel ist gefragt und kann vermehrt am deutschen Markt abgesetzt werden. Viele andere Werke haben diese Möglichkeit nicht.

Dabei kostet ein Tonne Altfett nur rund 500 Euro, für Raps müssen 900 Euro hingeblättert werden. Für manche Erzeuger ist somit Altfett ein Hoffnungsschimmer, um auf dem schwierigen europäischen Markt bestehen zu können. 254 Biodiesel-Produzenten sitzen in Europa auf Kapazitäten, die im Vorjahr zu nicht einmal 43 Prozent ausgelastet waren. Im Vorjahr ging die Produktion (weniger als acht Millionen t) erstmals, seit es eine Statistik gibt, sogar in absoluten Zahlen zurück. Vor allem der deutsche Markt liegt am Boden. Verursacht wurde diese Entwicklung durch billige Importe (auf Basis von Soja- und Palmöl) aus Übersee, vor allem durch stark subventionierten Biodiesel aus den USA, Argentinien und Indonesien. Brüssel hat zwar versucht, mit Zöllen einen Riegel vorzuschieben, was aber nichts nützte.

Nun will Brüssel diese Zölle noch erhöhen. Heimische Experten glauben allerdings Licht am Ende des Tunnels feststellen zu können. In den USA sei eine Arbeitsmarktoffensive gestartet worden, bei der die Biodieselproduktion von derzeit einer auf drei Millionen Kubikmeter ausgeweitet werden soll. Die geplante verstärkte Verwendung von Biodiesel könnte dazu führen, dass eine Million Tonnen aus Südamerika in den USA aufgefangen werden könnten. Auch für Europa könnten sich damit verbesserte Exportchancen am US-Markt ergeben. Nun, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Ein Sparpaket mit drei Alias-Namen und noch mehr Rätseln

16. Februar 2012 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wer geglaubt hat, SPÖ und ÖVP hätten über ein Sparpaket Übereinstimmung erzielt und das mit Schrift und Siegel fixiert, der sollte genauer hinschauen: Denn auf den Homepages von Bundeskanzleramt, Finanzministerium, ÖVP und SPÖ finden sich merkwürdig unterschiedliche Darstellungen, obwohl es angeblich um ein- und dieselbe Vereinbarungen geht. Und nirgendwo wird klar, was davon das Original sein könnte.

Bei ÖVP und Finanzministerium ist der scheinbare Text des Pakets am kürzesten wiedergegeben. Dort fehlen oft hilfreiche Erläuterungen, aber auch die bei der SPÖ und im Kanzleramt sehr beliebte politische Lyrik, also der propagandistischen Schwulst. Die SPÖ selbst stellt das Paket am längsten und am begeistertsten dar.

Noch auffallender sind die inhaltlichen Unterschiede.

Sogar das Wichtigste, der Name des Pakets lautet überall total anders. Ist dieses bei der SPÖ „Stabilitätspaket 2012-2016“ getauft, so heißt es beim Bundeskanzleramt hingegen „Konsolidierungspaket 2012-2016“, und bei ÖVP sowie Finanzministerium „Reformpaket“.

Seltsam. Wie sollen wir dieser Koalition glauben, dass da inhaltlich jetzt alles klar geregelt wäre, wenn sie nicht einmal über die Überschrift einen Konsens erzielen konnte? Nur eine Bezeichnung taucht nirgendwo auf, obwohl es die in der Bevölkerung verbreitetste ist: Sparpaket. Was allerdings eine Fehlbezeichnung ist. Denn sachlich wäre die einzige richtige, wenn auch etwas langatmige Bezeichnung: „Belastungs- statt Reform-Paket, das leider nur eine sehr kaum wahrnehmbare Reduktion der Staatsschuld bringt“.

Was wollen uns insbesondere die beiden von dem selben Chef geleiteten roten Firmen mit diesen Unterschieden in der Betitelung sagen? Dass bei der Sozialdemokratie derzeit Schizophrenie angesagt ist? Dass Laura und Josef ihren Gebieter nun zu einem Werner Vielseitig machen wollen? Oder tobt da ein heimlicher Kampf, wo denn die besseren Spin Doctoren sitzen?

Auch die politische Lyrik der roten Paketsversionen hat ihre auffallend Unterschiede: Die SPÖ nennt gleich am Beginn als erstes durch das Paket verwirklichte Prinzip „Gerechte Einnahmen“ und betont: „ohne Verkauf von Staatseigentum“. Das Kanzleramt ist hingegen deutlich ehrlicher und schreibt im ansonsten wortgleichen Text statt von „gerechten“ von „zusätzlichen Einnahmen“ und erwähnt interessanterweise den von der SPÖ zum Kernstück gemachten Nichtverkauf von Staatseigentum mit keiner Silbe.

Die SPÖ ergänzte hingegen an anderer Stelle den ohnedies schon sehr propagandistisch gehaltenen Text des Kanzleramtes durch den Satz: „Jene, die mehr leisten können, leisten auch mehr.“ Das hat das Kanzleramt – wieder: ehrlicherweise – weggelassen. Während man viele andere ohne Rücksicht auf das Leistungskönnen abcasht, bleiben ja potentielle Frauen- und Hacklerpensionisten völlig unberührt, obwohl viele von ihnen ohne Probleme länger arbeiten könnten.

Eine andere Spur der roten Spin Doctoren zeigen die Zahlenangaben. Die roten Quellen nennen praktisch immer nur die bis 2016 akkumulierten Zahlen der Einsparung. Was das Sparvolumen als viel eindrucksvoller erscheinen lässt, als es in Wahrheit ist. In diesem Punkt ist es das Finanzministerium, das trotz des dort viel knapperen Umfangs ehrlicher ist. Es nennt die Zahlen nämlich jährlich aufgeschlüsselt.

Das Finanzministerium setzt aber auch eine erstaunliche Zwischenüberschrift: „Anhebung der Anspruchsvoraussetzungen in der Korridorpension und Hacklerregelung“. Das ist merkwürdig, denn von der Hacklerregelung steht nichts in dem Papier. An dieser wird ja durch die wochenlange Faymann-Spindelegger-Brüterei gar nichts verändert.

Einzige mögliche Erklärung, wie es zu dieser Überschrift gekommen sein könnte: Hier stand offenbar bis knapp vor Verhandlungsschluss noch deutlich mehr Inhalt, nämlich auch eine echte Redimensionierung der Hacklerregelung. Diese dürfte einer der Hämmer gewesen sein, von denen Spindelegger noch vor 14 Tagen als Teil des Sparpakets geglaubt hat. Anscheinend wurde auf eine Korrektur der Überschrift vergessen, nachdem Faymann seinem Vize im letzten Augenblick die Reform-Hämmer wieder geräuschlos entwunden hatte.

Interessant ist etwa auch die Darstellung der mehr oder weniger einzigen echten strukturellen Reform durch das Paket, nämlich der Abschaffung der Parallelrechnung im Pensionssystem: Das Finanzministerium meldet die jährlichen Zahlen, das Kanzleramt berichtet zumindest den bis 1916 akkumulierten Wert der Einsparungen von 123 Millionen. Die sonst durchaus zahlenfreudige SPÖ hingegen nennt hier plötzlich keine Zahlen, sondern schreibt nur: „geringfügige Einsparung bis 2016“. Glaubt sie den Zahlen nicht oder geniert sie sich selbst, wie wenig diese hochgerühmte Strukturreform eigentlich bringt – vor allem im Verhältnis zu den als „Einsparung“ verkündeten Beitragserhöhungen?

Dafür bringt die SPÖ dankenswerterweise einen Vergleich, den die drei anderen Paket-Darstellungen feige vermieden haben: Sie vergleicht die Auswirkungen der gesamten „Konsolidierung“ auf die Staatsschuld mit den bisherigen Planungen für das Jahtr 2015 (für 2016 gibt es keinen alten Vergleichswert). Da liest man: Ohne Paket hätte Österreich im Jahr 2015 laut dem bisherigen Finanzrahmengesetz eine Schuldenquote von 74,4 Prozent gehabt. Als Folge einer kompletten Budgetumsetzung wird diese Quote hingegen „nur“ 73,1 Prozent betragen.

Das sind also ganze 1,3 Prozent BIP Unterschied. Das ist ungefähr die Dimension des Schätzfehlers zwischen der ersten Voraussage des Wifo und der späteren wirklichen Konjunkturentwicklung. Das sind 1,3 Prozent als Ergebnis des angeblich größten Sparpakets der österreichischen Geschichte, seit der zweite Turm der Wiener Stephanskirche eingespart worden ist.

Ob einer so gewaltigen Sparleistung wird Moody’s zweifellos seine Österreich-Bewertung sofort von „negativ“ auf „allerpositivst“ ändern. Und Standard & Poor's wird der Alpenrepublik wegen in sein Bewertungsschema erstmals ein viertes A einfügen.

PS.: Je mehr Details man liest, umso rätselhafter wird dieses Verhandlungsergebnis auch in anderen Zusammenhängen: Warum etwa ist ausgerechnet der Sport, nicht jedoch die Justiz von der Kürzung der Ermessensausgaben befreit worden? Warum gibt es die einzige Steuersenkung ausgerechnet für Immobilienspekulanten, die nur kaufen, um bald wieder zu verkaufen? Warum glaubt die Bundesregierung, ohne irgendeine Sicherheitsgarantie zu haben, den Bundesländern, dass diese fünf Milliarden  einsparen werden und gibt den Ländern im Gegenzug noch dazu jede Menge zusätzliche Rechte? Hat sie vergessen, dass diese Länder 2010 die damals geltende Defizitgrenze (ebenfalls) um fünf Milliarden überschritten haben, ohne damals auch nur zumindest schlechtes Gewissen zu zeigen? Will sich die Regierung endgültig als Trüppchen armer Hascherl an den Fäden des Wiener Rathauses und St. Pöltens erweisen?

 

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Fußnote 265: Moody's, die Regierung und die nächste Chuzpe

15. Februar 2012 03:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nun hat auch die Ratingagentur Moody’s ihren wirtschaftlichen Ausblick für Österreich als negativ bezeichnet. Und unsere Regierung reagiert – mit der nächsten Chuzpe.

Sie reagiert nämlich nicht nur extrem gelassen. Sondern sie behauptet auch, dass Moody’s das jüngste Sparpaket in seiner Dimension noch gar nicht gekannt hätte; andernfalls hätte die Agentur ja zweifellos die Bewertung Österreichs nicht verschlechtert. Was zumindest eine Chuzpe ist, um nicht zu sagen: eine aufgelegte Lüge. Denn die Agentur hat sehr wohl ein österreichisches Sparpaket einkalkuliert! Und trotzdem den Ausblick auf negativ gesetzt. Was einem dabei aber wirklich den Mund offen lässt: Moody’s hat in der Österreich-Analyse sogar mit einem viel schärferen Sparpaket gerechnet, nämlich einem solchen, das schon im Jahr 2015 zu Staatshaushalten ohne strukturelles Defizit führt. Das Sparpaket von Faymann, Fekter & Co ist aber in seinen Projektionen für 2015 noch weit von einem solchen Nulldefizit entfernt! Davon, dass in dem Paket ohnedies vieles nur heiße Luft und eitle Hoffnung ist, wollen wir ja gar nicht reden. Wann wird da endlich jemand ehrlich?

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Wachstum braucht nicht mehr Geld, sondern weniger

13. Februar 2012 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie kann man Wachstum fördern, wenn man kein Geld hat? Viele Politiker, Subventions-Lobbyisten und Gewerkschafter tun so, als ob das nicht ginge. In Wahrheit ist aber das Gegenteil wahr.

Die wichtigsten Wachstumsförderungen kosten nämlich gar nichts, sondern bringen dem Staat sogar Einsparungen. Sie bestehen in Bürokratieabbau, Deregulierung und Außerkraftsetzung behindernder Gesetze oder Verordnungen. Egal ob diese behindernden Bürokratieregeln der allgemeinen Macht- und Kontrollwut eines Staates, feministischen, ökologistischen, lobbyistischen, zünftlerischen, sozialistischen, polizeilichen oder sonstigen Interessen entsprungen sind. Das zeigt etwa diese Weltbank-Statistik, welche die durch den Staat in einzelnen Ländern verursachen Kosten bei der Gründung eines neuen Unternehmens vergleicht.

 

Deutlicher kann man gar nicht beweisen, dass es die Staaten selber sind, die ihre Wirtschaft und damit den Wohlstand ihrer Bürger umbringen, nicht nur durch Schulden, sondern auch durch die Bürokratie. Gerade die ärgsten Schuldnerstaaten behindern jene Menschen, die ein neues Unternehmen gründen, am meisten.

Es ist nur ein relativer Trost, dass Österreich nicht ganz so schlecht dasteht wie Italien und Griechenland. In Wahrheit sollte sich die Alpenrepublik nur nach den anderen, den unbürokratischeren Ländern orientieren. In Wahrheit belastet Österreich seine Unternehmer ständig durch noch mehr Bürokratie, statt sie durch Abbau zu entlasten. Wie etwa ab heuer durch die neue Pflicht, regelmäßig komplizierte Gehaltsaufstellungen für Männer und Frauen nach Verwendung und Dienstjahren aufgeschlüsselt abzuliefern.

Selbst Italien schiebt dem Sparpaket nun ein dickes Deregulierungspaket nach. In Österreich ist offensichtlich noch niemand auf eine solche Idee gekommen. Es gibt hierzulande ja auch keine Institution mehr, die sich trauen würde, für solche „neoliberalen“ Reformen zu kämpfen (Die Industriellenvereinigung, die einst der letzte liberale Brückenkopf in diesem Land war, hat sich ja merkwürdigerweise zu einem antiliberalen Brückenkopf der Arbeiterkammer verwandelt. Wie man von der Bildungs- bis zur Familienpolitik mit Entsetzen beobachten muss).

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Ein schwarzes Wochenende für die Schwarzen

12. Februar 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Und wer hat gewonnen? Wer hat sich beim Sparpaket durchgesetzt? Diese sportliche Frage interessiert zwar die Bürger im Grund relativ wenig. Die sorgen sich primär, wie sehr das Wie des Belastungs-statt-Reformpakets dem Land und seiner Zukunft  schadet. Aber für die politisch-mediale Klasse ist diese Frage regelmäßig zentral. Und die Antwort ist diesmal so klar wie selten – unabhängig von den Bemühungen diverser Spin-Doctoren, die Realität einzufärben.

Die Antwort lautet: Die SPÖ hat mit ihren Siegesmeldungen recht. Ganz überwiegend trägt das Paket ihre Handschrift. Sie hat zwar nicht die nach außen hinausposaunten Forderungen Richtung Erbschaftssteuer & Co durchsetzen können. Diese Forderungen erweisen sich aber in Wahrheit als Ablenkungsstrategie. Denn dahinter ist das Paket ein eindeutig sozialdemokratisches.

Das kann man nicht nur daran ablesen, dass die von Faymann regelmäßig mit Steuergeldern bestochenen Boulevardzeitungen das Paket fast als einzige loben. Das zeigen auch ganz konkrete Inhalte.

Erstens hat die SPÖ eine saftige Erhöhung der Einkommensteuer für Spitzenverdiener durchsetzen können. Ein Erfolg, von dem noch vor einem Jahr nicht einmal die utopiebesessensten Sozialdemokraten zu träumen gewagt hätten. Diese Steuer bringt zwar aufs erste nicht sehr viel, aber die fast ungebremste Gelddruckmaschine der Europäischen Zentralbank wird mit Sicherheit eine wachsende Inflation auslösen. Daher werden auf dem Weg der stillen Progression in absehbarer Zeit auch Mittelklasseverdiener von dieser Steuererhöhung getroffen werden.

Die versprochene Wiederabschaffung der Steuer ist reine Utopie. Denn sofern es in ein paar Jahren überhaupt einen Spielraum für eine Steuersenkung geben sollte, was extrem zweifelhaft ist, wird dieser wohl nach den üblichen Spielregeln genutzt werden: Also danach, womit man die von Rot und Blau so heftig umkämpfte XYZ-Schicht bezirzen könnte, und nicht danach, was für den Wirtschaftsstandort Österreich und dessen Zukunft gut ist. Überdies glauben ja auch die Grünen und Teile des schwarzen ÖAAB („Zaster her“) merkwürdigerweise, dass sie in diesem XYZ-Kampf mithalten müssen, obwohl beide primär gut verdienende Wähler haben.

Zweitens und noch wichtiger: Die SPÖ hat sich auch im Pensionsbereich weitgehend durchgesetzt. Keine Spur davon, dass die Österreicher künftig im Schnitt um vier Jahre länger arbeiten werden. Statt dass es den Hackler- und Frauenprivilegien an den Kragen ginge, kassiert man vor allem durch höhere Sozialversicherungsabgaben ab. Das sind aber genau jene Lohnnebenkosten, deren Senkung die ÖVP seit Jahr und Tag verlangt hat. Mit gutem Grund: Denn diese machen es sehr teuer, einen neuen Mitarbeiter aufzunehmen. Aber das ist jetzt offenbar egal geworden.

Wenn das die „Hämmer“ sind, von denen noch vor einer Woche Michael Spindelegger gesprochen hat, dann hat er wohl einen Hammer aus dem Matador-Baukasten seiner Kinder gemeint. Oder aber die SPÖ hat in den allerletzten Tagen noch das Paket total umschnüren und alle Hämmer wieder auspacken können. Dies könnte der SPÖ auch deshalb gelungen sein, weil in der ÖVP niemand Spindelegger mit der Forderung „Ohne Hämmer kein Paket“ zur Seite getreten ist.

Und drittens zeigt auch die Verweigerung von fast allen Strukturreformen deutlich die Handschrift der SPÖ. Diese ist ja seit Jahren zur Trutzburg der strukturkonservativen Besitzstandwahrer geworden. Sie verteidigt alle scheinbaren Errungenschaften, die sie in den letzten Jahrzehnten erkämpft hat. Und seien diese noch so unfinanzierbar und bedrohlich für die Zukunft Österreichs geworden.

Volkspartei ohne Reformkraft

Zugleich ist auch die ÖVP selbst längst nicht mehr von jener Reformdynamik getrieben, die Österreich unter Schüssel und Bartenstein mit noch Jahre danach nachweislichen Erfolgen vorangetrieben hat. Dabei muss man übrigens auch die Namen Grasser und Riess-Passer lobend erwähnen, ohne deren Mittun der Reformschub nie möglich gewesen wäre – woran die schweren Indizien nichts ändern können, die Österreichs Staatsanwälte penibel gegen Grasser zusammentragen haben. In den letzten zwei Jahren jedoch purzelt das 2006 international noch hochgerühmte Land in sämtlichen internationalen Rankings steil hinunter.

Gewiss kann man nun analysieren, dass Spindelegger keine wirklichen strategischen Alternativen mehr hat. Mit Parteifreunden wie einem Erwin Pröll (der schon im Herbst eine Einkommensteuererhöhung vorgeschlagen hat), einem Reinhold Mitterlehner (der schon am Beginn der Verhandlungen einen saftigen Anteil von Steuererhöhungen prophezeit hat), den nur an die eigene Macht denkenden Landeshauptleuten oder gar einer Johanna Mikl-Leitner kann man nicht mehr glaubwürdig für ein vernünftiges Reformpaket kämpfen. Wozu eben auch ein erfolgreiches Pokern gehören würde.

Spindelegger ist weiters dadurch strategisch geschwächt, dass sich die einst ÖVP-nahe Industriellenvereinigung zu einer geistigen Vorfeldorganisation der Linksparteien gewandelt hat (die in wenigen Monaten sogar einen deklariert linken und von Aufträgen sozialdemokratischer Politiker abhängigen Präsidenten bekommen wird).

Dem ÖVP-Chef sind überdies deshalb die Hände gebunden, weil die ÖVP ja in den letzten zwei Jahrzehnten im Kampf für mehr Reformen gegen unwillige Partner (zweimal SPÖ, einmal FPÖ) schon drei vorzeitige Wahlen ausgelöst hat. Das hat nur einmal zum Erfolg geführt. Und gleichzeitig ist Spindelegger durch das von Josef Pröll in großer Naivität unterzeichnete Koalitionsabkommen gebunden, das der SPÖ die Kontrolle der gesamten Massenmedien ermöglicht und keine einzige zukunftsweisende Strukturreform erzwungen hat.

Das alles ändert nichts daran: Auch die ÖVP ist in keiner Weise mehr eine Säule, auf der das wirtschaftliche Fundament dieses Landes ruhen kann.

 

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Wie man es nicht macht…

11. Februar 2012 20:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Jubelmeldungen allerorts: Griechenland geht (vorerst) doch nicht pleite, Handel und Automobilindustrie zeigen sich in bester Stimmung, an den Börsen werden weltweit Kursfeuerwerke abgebrannt, während gleichzeitig die Anleihenwerte anziehen und auch die Rohstoff- und Edelmetallpreise steigen. So etwas hat es bislang noch nicht gegeben.

Stets war der Höhenflug einer Branche oder Anlageklasse von einer Stagnation oder einem Tief in zumindest einem anderen Segment begleitet. Dass sich Aktien, Anleihen, Immobilienpreise und Edelmetalle zur selben Zeit „bullish“ entwickeln, ist erstaunlich. Was für eine schöne, neue Welt!

Auf ihre Gemütsruhe bedachte Bürger sollten allerdings nicht intensiv darüber nachdenken, wie denn das, angesichts ungelöster Verschuldungs- Währungs- und Wirtschaftsprobleme, und schwerer, strukturell bedingter Schieflagen der wichtigsten Volkswirtschaften dieser Welt, möglich ist. Sie könnten am Ende nämlich zu dem beunruhigenden Schluss kommen, dass die politische Klasse – mittels unentwegt laufender Notenpressen – nur ein wenig Zeit gekauft hat und wir uns in Wahrheit im Auge eines Tornados befinden.

Ludwig Mises hat das Phänomen, mit dem wir es mutmaßlich zu tun haben, als „Crack Up Boom“ bezeichnet. Man könnte den Begriff mit „Katastrophenhausse“ übersetzen. Lieber heute zu überhöhten Preisen kaufen – was auch immer es ist – als morgen wertloses Fiat Money in der Hand zu halten, so die dahinter stehende Überlegung. Das trügerische Idyll könnte also schon bald ein jähes Ende finden.

Ein zuverlässiger Indikator für dräuendes Unheil ist der „Baltic Dry Index“, der die Frachtraten der weltweit wichtigsten Güter (mit Ausnahme von Erdöl) anhand der Auslastung verschiedener Schiffsklassen anzeigt. Großes Frachtvolumen heute bedeutet hohe Produktion – und Prosperität – morgen, so könnte man es verkürzt ausdrücken. Dieser wichtige Konjunkturmarker, der in der Vergangenheit nie getäuscht hat, steht gegenwärtig auf einem Zehnjahrestief…

Doch von der großen, weiten Welt nun in die kleinen, engen Niederungen des nördlichen Balkans: Nach Österreich. Die Regierung einer unbedeutenden Provinz inmitten eines von einer rastlos handelnden politischen Klasse geführten Imperiums, hat naturgemäß nur recht beschränkte Möglichkeiten, Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung zu nehmen.

Im Falle der Alpenrepublik könnte man, angesichts der kaum zu unterbietenden Qualität seiner politischen Führung, versucht sein, darob erleichtert aufzuatmen. Doch die in der alten Reichshaupt- und Residenzstadt Wien verbliebenen Kompetenzen reichen immer noch locker dazu aus, den Bürgern des Landes schweren Schaden zuzufügen. Das, im Zuge der Sanierung des Staatshaushalts, dringend nötig gewordene und nun Formen annehmende „Sparpaket“ der Bundesregierung, ist ein schlagender Beweis dafür.

Dass der Fiskus in der erzsozialistischen Musterrepublik, wenn er vorgibt, sparen zu wollen, damit regelmäßig Steuererhöhungen meint, ist bekannt – und so ist es auch diesmal. Weitere 7,5 Mrd. Euro sollen den Bürgern (der Mittelschicht!) abgepresst werden. Allein zum Beschluss zusätzlicher Substanzsteuern kommt es nicht.

Dass unsere seit mehr als 40 Jahren nahezu ungebrochen von Sozialisten beherrschte und ins Schuldendebakel geführte Republik bei verschiedenen wirtschaftsrelevanten Indizes (wie z. B. dem „Index of Economic Freedom“ der Heritage Foundation oder dem „Korruptionsindex“ von Transparency International) dramatisch an Boden verliert, hat unzweifelhaft mit dem rasanten Wachstum der Staatsmacht, die sich in Steuerquote und Regulierungsdichte manifestiert, zu tun.

Macht korrumpiert, wie Dalbert Acton erkannt hat. Je mehr, desto stärker. Paternalismus und zunehmende Autorität des Machtmonopolisten leisten aber nicht nur der Korruption Vorschub, sondern kosten auch jede Menge Geld und reduzieren die Effizienz des Wirtschaftssystems. Wertvolle Ressourcen werden von produktiven Kräften zu unproduktiven Verwaltungs- und Überwachungsbürokraten umverteilt und damit die gedeihliche Entwicklung der Volkswirtschaft behindert.

Krisenzeiten wären – für eine verantwortungsvoll handelnde Regierung – der ideale Anlass zur Umsetzung einer radikalen Schlankheitskur für den Staat – zumal eine solide Wählermehrheit damit absolut einverstanden wäre! Denn knappe Mittel sollten dahin fließen, wo sie maximalen Nutzen stiften – also ganz sicher nicht zum Staat, der damit nichts weiter als klientelorientierte Stimmenkaufkampagnen finanziert, sobald er sich um Angelegenheiten kümmert, die über den Bereich von Sicherheitsproduktion und Justiz hinausgehen.

Eine gesunde Wirtschaft ist die Voraussetzung für Schaffung und Erhalt breiten Wohlstands. Sie bedingt (unternehmerische) Freiheit und die Verfügbarkeit von Investitionskapital. Das verlangt nach einer möglichst geringen Umverteilung von Mitteln von den Bürgern zum Staat – und das bedeutet geringe Steuerlasten!

Die Chance, die günstige Gelegenheit zu nutzen und die zahlreichen, auf nahezu abgegrasten Matten weidenden heiligen Kühe zu schlachten (wie z. B. den grassierenden Früh- und Invaliditätspensionierungsirrsinn, den „kostenlosen“ Hochschulzugang, unnütze Tunnelbauprojekte der Bahn, etc.), ist vertan. Das Gegenteil der im vorigen Absatz erhobenen Forderung ist angesagt: Keine Verwaltungs- und Gesundheitsreform, kein Kahlschlag beim Subventionsunwesen, keine engagierte Steuerreform, die Leistung nicht länger brutal bestraft.

Stattdessen: Steuererhöhungen, weitere Regulierungsexzesse und – als Krönung des Ganzen – ängstliches Bangen, ob der eben urlaubende Kapo der Beamtengewerkschaft die zu beschließenden Maßnahmen auch gutheißen wird. Das aktuelle Bild der Regierung Kakaniens: Ein Bild des Jammers.

So saniert man weder Staatsfinanzen, noch macht man das Land zukunftstauglich. So schädigt man den Wirtschaftsstandort. So stellt man die Weichen für künftige Wohlstandsverluste – besonders für die „kleinen Leute“. So verbaut man der Jugend die Zukunft und animiert die gut ausgebildeten, leistungsfähigen und -bereiten Teile unter ihnen zur Emigration.

Das aktuelle „Sparpaket“ ist eine politische Bankrotterklärung – besonders der daran beteiligten „bürgerlichen“ ÖVP. Die Rechnung bei der nächsten Wahl wird nicht ausbleiben. Die einst (lang, lang ist´s her!) staatstragenden Schwarzen können sich darauf einstellen, bei der nächsten Nationalratswahl mit den Grünen um Platz drei in der Wählergunst zu rittern.

BDI: http://investmenttools.com/futures/bdi_baltic_dry_index.htm

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Vieles ist Hoffnung, nur die Katastrophen sind fix

11. Februar 2012 02:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist fast rührend: Maria Fekter meint, mit diesem Sparpaket werde Österreich demnächst wieder sein Triple A bekommen. Ganz abgesehen von der Labilität der EU und der Weltwirtschaft; ganz abgesehen davon, dass Experten seit längerem eher eine weitere Herabstufung des Landes für am Platze sehen: Schon in den ersten Stunden wachsen auch die Indizien, dass Österreich mit diesem Sparpaket keineswegs an das versprochene Nulldefizit herankommt. Dazu ist allzu vieles bloß auf das Prinzip Hoffnung+Ankündigung aufgebaut. Ganz unabhängig davon sei aber heute einmal ganz nüchtern analysiert, wo die Pluspunkte und wo die Negativpunkte dieses Pakets liegen.

Beginnen wir mit dem Positiven:

  1. Positiv ist sicher, dass die Koalition alle Mächtigen dieses Landes eingefangen zu haben scheint. Niemand wagt öffentlich zu widersprechen. Und der versteckte Dissens über das viele noch ungeklärte Kleingedruckte ist zumindest vorerst einmal unter den Tisch gekehrt.
  2. Zu loben ist das Aus für die Parallelrechnung bei der Pensionsberechnung. Freilich: Auch der neue Berechnungsmodus ist alles andere als leicht verständlich. Womit es wieder nichts ist mit einer auch für Laien nachvollziehbaren und versicherungsmathematisch klaren Pensions-Berechnung. Diese bleibt eine totale Geheimwissenschaft.
  3. Erfreulich ist auch, dass es weiterhin keine Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt. Natürlich stellt das keine Verbesserung, sondern nur eine Nichtverschlechterung dar. Mit der gleichen Logik müsste man es ja eigentlich auch loben, dass weder Folter noch Todesstrafe eingeführt worden sind.
  4. Zu loben ist die Ankündigung – freilich eben nur: Ankündigung –, dass die provozierenden ÖBB-Frühpensionen schlagartig aufhören werden. Damit scheint etwas, was lange unmöglich war, plötzlich möglich geworden zu sein. Es sei denn, das Gefühl in meiner Magengegend hat recht. Es signalisiert nämlich, dass die ÖBB-Gewerkschaft noch jede Menge Tricks in der Hinterhand hat, um zu verhindern, dass ihre Mitglieder wirklich bis deutlich nach dem 60. Geburtstag arbeiten. Eine von meinem Magen erwartete Gegenmaßnahme wäre etwa eine Sammelklage beim Verfassungsgericht, in der es von Vokabeln wie „wohlerworbene Rechte“, „Eingriff in die Vertragsautonomie“, „Vertrauensschutz“ nur so wimmelt. Haben doch schon in vielen Ländern weltferne Richter Sparpakete demoliert. Aber bleiben wir dennoch vorerst dabei, den Punkt ÖBB-Frühpension in der Lobesliste zu belassen.
  5. Die Besteuerung von Immobilienverkäufen auch nach einer zehnjährigen Behaltefrist ist vertretbar, und die Besteuerung von Gewinnen bei Widmungsänderungen zur Reduktion von Korruption sogar sinnvoll.
  6. Strukturpolitisch sinnvoll ist auch die Abschaffung des billigen Agrardiesels.
  7. Auch wenn es einer der Punkte ist, die mich selber besonders treffen: Die Erhöhung der Pensionsbeiträge für Selbständige bedeutet ein sinnvolles Mehr an Gerechtigkeit. Denn der höhere Prozentsatz, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer (zusammen) als Pensionsbeitrag für jeden Unselbständigen zahlen, ist eigentlich nicht zu rechtfertigen.

Damit ist das Positive aber schon weitgehend am Ende. Und nun beginnt die – leider viel längere – Liste der Minuspunkte.

  1. Das schlimmste Versagen ist es zweifellos, dass die Regierung sowohl Hacklerpension (ein vor allem von Beamten genutztes Institut!) wie auch Frauenpension unangetastet gelassen hat. Sie hat auch – trotz einer leichten Erhöhung – noch immer nicht die versicherungsmathematisch gerechten Abschläge für einen Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr eingeführt. Statt dessen werden die wehrlosen Pensionisten in den nächsten Jahren durch weit unter der Inflation liegende Pensionserhöhungen zur Kassa gebeten. Mit anderen Worten: Weil SPÖ und Arbeiterkammer ideologische Kühe für heilig erklärt haben, müssen die Alten bluten, während durchaus noch arbeitsfähige Menschen das Privileg eines frühen Pensionsantritts behalten. Das ist nur noch krank. Und das totale Gegenteil von dem ständigen Gerechtigkeits-Gewäsch vieler SPÖ-Politiker.
  2. In die Minusliste gehört insbesondere auch die Tatsache, dass viele Möglichkeiten zu einer wirklich grundlegenden Reform ausgelassen worden sind. Ohne Verwaltungsreform wird aber auch der Beamtenabbau schwierig. Eine echte und mutige Reform hätte etwa eine ganze Verwaltungsebene im Beziehungsgeflecht Gemeinde-Bezirk-Land abgeschafft. Sie hätte den Bundesländern die Steuerverantwortung für all ihre Ausgaben übertragen. Sie hätte den Bundesrat abgeschafft. Sie hätte die teuren „Neuen Mittelschulen“ zugunsten der billigeren und viel besser leistungsorientierten Hauptschulen abgeschafft. Sie hätte an den Universitäten Studienzugangsregelungen eingeführt. Sie würde dem Verwaltungsgerichtshof erlauben, selbst meritorische Entscheidungen zu treffen, statt mit jedem aufgehobenen Bescheid einen neuen riesigen Verwaltungszirkus auszulösen. Sie würde noch viel mehr Staatsausgaben verpflichtend unter die Regeln des Vergabegesetzes stellen (statt dessen hat dieselbe Regierung auf Wunsch der Wirtschaftskammer das Vergaberecht gelockert und damit der Verschwendung und Korruption eine viel größere Gasse geöffnet!). Und und und.
  3. Statt solcher sinnvoller Reformen erhöht man wie wild die Einkommensteuer für Spitzenverdiener. Diese steigt gleich um sieben Prozentpunkte! Das wird gerade die für die Wertschöpfung in Österreich besonders wichtigen Leistungs- und Arbeitsplatzträger abschrecken beziehungsweise vertreiben. Das ist eine absolute Idiotie, auch wenn das angeblich nur eine vorübergehende „Solidarmaßnahme“ ist. Wer‘s glaubt, wird ein unseliges Wunder erleben. Ganz abgesehen davon, dass auch die Etikettierung eine Frechheit ist. Mit wem soll man denn „solidarisch“ sein? In Deutschland wurde eine solche Solidarabgabe zugunsten der Wiedervereinigung eingeführt. Die hat in Österreich meines Wissens nicht stattgefunden. Wir müssen hingegen mit refomunwilligen Politikern solidarisch sein.
  4. Ein peinlicher Jammer ist das späte Wirksamwerden des Sparpakets. Im heurigen Jahr wird noch fast gar nichts gespart. Hat man doch erst vor Weihnachten ein üppiges Budgetdefizit beschlossen, so als ob man damals noch keine Ahnung von der Finanzmisere hätte. Man gab zugleich den Pensionisten und Beamten üppige Erhöhungen, als ob überhaupt das ganze Jahr Weihnachten wäre.
  5. Eine weitere Katastrophe wird langfristig das erhöhte Mitspracherecht der Länder, insbesondere bei jeder Steuerreform werden. Im Gegenzug versprechen zwar die Länder auch signifikante Einsparungen – nur hat der Bund absolut keine Mittel, diese auch wirklich durchzusetzen. Die Länder haben ja auch schon in der Vergangenheit die meisten Sparsamkeitszusagen rasch wieder vergessen (Lobenswerte Ausnahme Oberösterreich und Vorarlberg). Man erinnere sich nur an die frechen Töne aus dem Wiener Rathaus, dass man sich keine Vorschriften machen lasse.
  6. Eine Dummheit ist es, die drei großen Bahntunnels alle mit deutlicher Verzögerung zu bauen, statt sich beispielsweise vorerst auf einen zu konzentrieren. Damit wenigstens einer fertig wird und Nutzen bringt. Das wäre logisch, aber das hätten die jeweils nicht mit Bohrlöchern beglückten anderen Landeshauptleute nicht erlaubt.
  7. Ebenso amüsant wie gefährlich ist, dass die Regierung schon fix Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer einplant: Erstens verteilt sie dabei das Fell, bevor der Bär erlegt ist. Denn in Europa gibt es einen tiefen Dissens über die Einführung einer solchen Steuer, die jedoch nur im internationalen Gleichklang eingeführt werden soll. Zweitens aber ist diese Steuer mit Sicherheit massiv schädlich fürs Wachstum. Drittens will auch die EU selber die Erträge dieser Steuer haben. Womit das Fell des noch durchaus lebenden Bären gleich zweimal verkauft wird.
  8. Indirekt schon selbst eingestanden haben die Koalitionsparteien ihr Scheitern beim Thema Gesundheit. Sie haben in ihre Listen zwar einen satten Sparbeitrag des alljährlich teuerer werden Gesundheitsbereichs hingeschrieben. Über das Wie schweigen sie aber total. Was ja nun wirklich ein Dejavu ist. Denn bei der Gesundheit ist noch jede Regierung gescheitert (siehe auch den amerikanischen Heiland außer Dienst namens Obama). Wer die Gesundheit reformieren will, müsste sich nämlich gleichzeitig mit den Ärzten, mit den Bundesländern und Gemeinden, mit den Sozialpartnern anlegen. Und alle benutzen die Angst der Menschen um ihre Gesundheit als Geisel für ihre eigenen Macht- und/oder Geldinteressen.
  9. Eine absolute Geldverschwendung ist eine zusätzliche Ausgabe von 750 Millionen als Lohnsubvention für ältere Arbeitnehmer. So etwas steht wirklich in einem „Sparpaket“! Das ist eine völlig perverse Regelung, die in Wahrheit nur die schwere politische Schuld der Gewerkschaften kompensieren soll. Diese weigern sich nämlich, die Kollektivverträge zu ändern, welche ältere Arbeitnehmer allein auf Grund ihres Alters teuer machen. Da muss jetzt also der Steuerzahler einspringen, weil eine Altersgruppe Tariflöhne bekommt, die über ihrer Leistung liegen. In Wahrheit gibt es ja überhaupt keinen Grund, ab dem 50. Lebensjahr nur auf Grund des Alters Gehaltserhöhungen festzuschreiben.
  10. Eine Schikane, die aber nichts bringen wird, ist das Verbot, die Altersteilzeit künftig zu blocken. Man erspart sich dabei aber nichts von den hohen Subventionen dieser Altersteilzeit. Jedoch wird die für Menschen und Wirtschaft praktische Methode abgeschafft, an Stelle jahrelanger Teilzeit zuerst voll zu arbeiten und dann trotz weiterem Lohnbezug gar nicht mehr. Cui bono?
  11. Was die Schaffung einer neuen Verwaltungshochschule als Teil eines Sparpakets zu suchen hat, ist überhaupt rätselhaft.
  12. Die Reduktion der Bausparprämie ist unsinnig. Die Finanzierung des dringend benötigten Wohnbaus wird dadurch noch schwieriger werden.
  13. Auch die private Altersvorsorge wird künftig weniger gefördert. Dabei ist die individuelle Altersvorsorge der Österreicher im internationalen Vergleich ohnedies schon blamabel gering. Diese Einsparung ist ein weiterer Schritt hin zum real existierenden Sozialismus und ein Weg vom „Mehr privat!“

Diese Listen des Guten und des Bösen sind keineswegs vollständig. Zum einen habe ich die reinen Abkassiermaßnahmen gar nicht eigens aufgezählt, wenn sie nicht zusätzlich negative Strukturwirkungen haben. Viele Maßnahmen sind auf Grund der relativ knappen Darstellung des Sparpakets auch noch gar nicht endgültig bewertbar. Viele Punkte müssen erst ausgefeilt und mit den Betroffenen verhandelt werden (oder glaubt jemand wirklich, dass die Exekutive künftig freiwillig am Wochenende billiger arbeiten wird, nur weil es in einem Koalitionskonzept steht?). Vieles bedeutet nur eine Verschiebung von einer Tasche in eine andere – wie etwa der Transfer der unter-50-jährigen Invaliden von der Pensionskasse in die AMS-Kasse.

Wenigstens eines wissen wir aber jetzt fürs nächste Sparpaket, das ja zweifellos in absehbarer Zeit ins Haus steht: Wirkliche Reformen bringt keine Koalition, sondern nur noch ein parteiunabhängiger Regierungschef durch, der die gesamte Drohkraft der EU und der internationalen Finanzwelt hinter sich hat. Nur ein solcher Regierungschef braucht keine Rücksicht auf Landeshauptleute, auf Gewerkschaften, auf Kammern, auf Ärzte, auf ideologische Wunschprojekte und auf den nächsten Wahltermin zu nehmen.

Demokratie haben wir uns freilich einst anders vorgestellt . . .

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Die doppelte Katastrophe

10. Februar 2012 10:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Mit vielen Aspekten des Sparpakets werden sich Analysen noch in den nächsten Tagen zu befassen haben. Wenn wirklich alle Details geklärt sind, wenn wirklich die Gesetzestexte vorliegen. Denn noch lange ist nix fix, trotz aller Verlautbarungen dieser Stunden. Die wirklich dramatische Bedeutung dieses Sparpakets ist aber jetzt schon klar. Es ist eine noch viel größere Enttäuschung als all das, was man realistischerweise erwarten hat müssen.

Anzunehmen war ja etwa schon lange, dass es – wider alle Ankündigungen – Steuererhöhungen gibt, obwohl Österreich schon heute ein Land mit einer der höchsten Gesamtsteuerbelastungen der Welt ist. Dabei ist es zwar durchaus nachvollziehbar, dass man die Gewinne eines Grundstücksbesitzers durch eine behördliche Änderung der Grundstückswidmung besteuert; das könnte einen der größten Graubereiche von Korruption ein wenig trockenlegen (insbesondere in Wien gibt es da üble Geschichten).

Völlig unfassbar ist aber, dass man diese Erhöhung nicht durch eine Reduktion der weit überzogenen Steuern auf Arbeitseinkommen kompensiert – nein, diese werden sogar noch mehr besteuert. Österreich hat damit Höchststeuersätze in absolutem Weltrekordniveau.

Diese Einkommensteuererhöhung bezeichnet die Zeit im Bild des SPÖ-ORF unfassbarerweise als „großen Wurf“. Dieser große Wurf wird freilich die Geschäftsführer vieler internationaler Firmen und Repräsentanzen künftig von einer Übersiedlung nach Österreich samt der damit verbundenen Arbeitsplatzschaffung und Wertschöpfung abhalten. Er wird viele Spitzenmanager zu einem Abzug aus Österreich bewegen. Er wird bei vielen hier bleibenden Gutverdienern jede Motivation zu einer weiteren Wertschöpfung reduzieren. Er wird Zahlungen unter der Tuchent noch viel lukrativer machen. Er wird damit am Schluss weit mehr Schaden anrichten, als vielleicht Geld in die Staatskasse tröpfelt. Nur weil die inhaltslos gewordene Linke den Neid und Hass auf die „Reichen“ zu ihrer Ersatzreligion gemacht hat.

Diese Katastrophe wird nur noch von einer zweiten übertroffen, die sich jetzt schon als Ergebnis des Sparpakets zeigt: Die Koalition ist trotz monatelangem Verhandelns, trotz jahrelanger Debatten und Konvente, trotz Hunderter und Tausender Expertenvorschläge zu praktisch keinerlei strukturellen Reformen, zu keiner Verwaltungsvereinfachung imstande gewesen. Obwohl eine solche ja nur in einem solchen Augenblick Chancen auf Umsetzung hätte, da der Politik das Wasser bis zum Hals steht.

Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, den Kompetenzdschungel zwischen Bund und Ländern zu durchschneiden. Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, das unsinnige, den Frauen schadende und extrem teure niedrige Frauenpensionsalter hinaufzusetzen. Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, an der Hacklerregelung zu rühren. Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, realistische Ab- und Zuschläge für Früh- und Spätpensionen zu verrechnen. Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, auf zumindest einen der drei gigantischen und niemals rentablen Bahntunnels zu verzichten – sondern baut alle halt ein bisserl sparsamer und deutlich langsamer. Was nur einen Effekt hat: nämlich, dass der ohnedies geringe Return on Investment dieser Tunnels noch viel später zu verbuchen sein wird.

Das einzige, was ein wenig einer Strukturreform ähnelt, dürfte die Abschaffung der verwaltungsaufwendigen doppelten Pensionsberechnung sein (die wir seit der letzten Pensionsreform dem BZÖ und dem ÖGB zu „verdanken“ haben).

Ach ja, dann ist auch noch die Sperre von ein paar Bezirksgerichten geplant. Das als Reformbilanz ist nun wirklich die Miniaturausgabe einer Bonsai-Reform. (Freilich: Wie sollen auch so schwache Ministerinnen, wie wir sie zuletzt hatten, etwa eine substantielle Justizreform zusammenbringen? Sie werden ja nicht einmal der einäugigen BSA-Staatsanwaltschaft Herr.)

Mit dem Wie dieses Sparpakets hat die Regierung Faymann-Spindelegger wohl endgültig ihre Legitimation verspielt. Ohne dass es am Horizont auch nur eine einzige Alternative gebe.

Bleibt eine einzige Frage offen: Wie soll man da nicht in Depression verfallen?

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Flessibilità

10. Februar 2012 02:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Der Silvio, oft wild verdammt
von Neiderschaft, gemeiner,
war immerhin so lang im Amt
wie dort vor ihm noch keiner.

Und auch sein Unterhaltungswert
beginnt uns abzugehen –
besonders wenn jetzt umgekehrt
wir diesen Monti sehen:

Als Kommissar von Goldman Sachs
und Bilderberger-Runde
ist der zwar Meister seines Fachs
und quasi Mann der Stunde.

Doch als Regierungschef in Rom
ein Intellektueller
und noch dazu ein Ökonom?
Der lacht wohl bloß im Keller!

Trotz allem hat er, wie es scheint,
nun mal probiert zu spaßen –
indes, es war ganz ernst gemeint,
zum Trost gewissermaßen:

Ein Lebens-Job sei monoton,
und statt darauf zu hoffen,
sei Wechseln – na, ihr ahnt es schon –
was Schönes, sagt er offen.

Flexibel sein, das pries der Mann
– und prompt ging’s in die Hosen –
als Tugend just der Jugend an,
der massenarbeitslosen!

Er selbst bleibt auch nur auf ein Jahr,
wie locker er vermerkte –
mit garantiertem Job, na klar,
dort wo er früher werkte…

Pannonicus

(Monti riet Jugendlichen in einer „Talk-Show“, nicht auf einen fixen Job zu hoffen. Er ergänzte, ein Job fürs ganze Leben sei langweilig. Es sei schön, zu wechseln und sich neuen „Herausforderungen“ zu stellen. Dieses berüchtigte Verharmlosungswort, nämlich „challenge“, hat er sicher in Amerika gelernt, wo das „positive Denken“ seit Jahrzehnten allen Job-Anfängern eingetrichtert wird!)

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Griechenland ist kein Problem

09. Februar 2012 19:42 | Autor: Christian Ebner
Rubrik: Gastkommentar

Die Pleite und / oder der Euro-Austritts Griechenlands rücken immer näher. In den letzten Monaten hat eine Serie von Politikern und selbsternannten Mahnern dieses Szenario als Katastrophe mit unabsehbaren Folgen beschrieben. Von einem dramatischen Einbruch der Exporte ist da immer wieder die Rede, von einer schweren Rezession in ganz Europa oder gar von einem Kollaps des Finanzsystems. Es ist also höchste Zeit, ein solches Szenario mit der nötigen Nüchternheit zu analysieren.

Immer wieder wird der Euro-Austritt Griechenlands mit einem Austritt Deutschlands oder dem Zerfall des Euro gleichgesetzt. Der Präsident des Deutschen Außenhandelsverbandes, Anton Börner, stellte diesbezüglich im letzten November im Berlin fest, dass der Wert des Euro für Deutschland überschätzt wird. Er sagte wörtlich: „wichtig ist für uns der freie Markt, wir brauchen nicht zwingend die gleiche Währung“, und weiters „wir können auch ohne Euro leben.“

Wenn Deutschland wieder zur D-Mark zurückkehren würde, dann würde diese wohl kräftig aufgewertet. Die Schweiz hat in den letzten Monaten eine solche Aufwertung erlebt. Die Schweizer Exportwirtschaft hat es verkraftet. Zur Erinnerung: Auch deutsche und österreichische Exportunternehmen haben es jahrzehntelang geschafft, mit Aufwertungen zu leben.

Den Ängstlichen und Angstmachern sei an dieser Stelle gesagt: der Austritt Deutschlands oder der Zerfall des Euro stehen gar nicht an, sondern bloß der Austritt Griechenlands! 2009 betrug das griechische BIP € 235 Mrd., also rund 2 Prozent des EU-BIP. Ebenfalls im Jahr 2009 importierte Griechenland Waren im Wert von € 33,8 Mrd. aus der EU, das entspricht rund 0,29 Prozent (!) des EU-BIP. Selbst wenn sich die griechischen Importe infolge eines Euro-Austritts über mehrere Jahre hinweg deutlich reduzieren würden, so würde das im übrigen Europa kaum bemerkt!

Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) halten die europäischen Banken und die EZB griechische Staatsanleihen im Ausmaß von je rund € 50 Mrd. Das konsolidierte Vermögen der EU Banken beträgt aber € 31.067 Mrd., jenes der EZB € 2.687 Mrd.. Das heißt für die EZB wäre ein Euro-Austritt Griechenlands (und die damit verbundene Abwertung der griechischen Staatsschulden) ein schmerzhafter, aber verkraftbarer Verlust. Für den europäischen Bankensektor wäre eine kräftige Abwertung der griechischen Staatsschuld von beschränkter Bedeutung, die meisten Institute haben die Griechenland-Forderungen ohnehin schon stark wertberichtigt.

Möglicherweise haben aber einzelne Institute und Investmentgesellschaften den Fehler gemacht, zu viele griechische Anleihen gekauft zu haben und für zu viele Kreditausfallsversicherungen für griechische Anleihen geradezustehen. Für solche Gesellschaften könnte es natürlich schmerzhaft werden, daher sind sie offenbar bemüht ihre Verluste auf den Steuerzahler abzuwälzen.

Dieser Wunsch bestimmter Finanzinstitute ihre Verluste auf den Steuerzahler abzuwälzen, würde auch erklären, warum es speziell die Vertreter von bestimmten Finanzkonzernen sind, die eine Pleite und / oder einen Euro-Austritt Griechenlands mit besonders dunklen Farben ausmalen und die Politik besonders eindringlich dazu aufrufen, das ach so arme und unschuldige Griechenland doch nicht fallen zu lassen.

Wer falsche Entscheidungen trifft, muss in einer Marktwirtschaft die Konsequenzen, also die Verluste, tragen. Wie kommen eigentlich die Steuerzahler dazu, für die Fehler gewisser Finanzkonzerne bezahlen zu müssen? Die Steuerzahler haben schon genug gezahlt.

Mag. Christian Ebner ist Unternehmensberater bei Elpis Consulting GmbH und Wirtschaftssprecher des BZÖ Niederösterreich.

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Und dann werden sie plötzlich krank

09. Februar 2012 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man hat ja ein schlechtes Gewissen, wenn man kritisch über Invaliditäts-Pensionisten schreibt oder auch nur denkt. Denn zu diesen zählen ja viele Menschen, die körperlich oder geistig schwer leiden, die zu keiner Arbeit imstande sind. Sie verdienen unser ganzes Mitgefühl. Auch wenn sich dieses Mitgefühl dort schon ein wenig reduziert, wo die Arbeitsunfähigkeit auf eigenes Verschulden zurückgehen dürfte, also meist auf Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Aber auch diese (mit)schuldigen Kranken wollen wir ja nicht verkommen lassen. Das würde unserer humanitären Kultur widersprechen. Unser Mitgefühl und damit die Pensionskassen werden jedoch von einer weiteren großen Gruppe noch viel stärker missbraucht: von jenen, die keineswegs so krank sind, dass sie arbeitsunfähig wären. Ein starker Beweis für die Größe dieser Gruppe ist etwa die Statistik, die in jüngster Zeit ein plötzliches starkes Ansteigen von Invalidenpensionen zeigt – genau zu dem Zeitpunkt, da der Zugang zu anderen Frühpensions-Arten schwieriger geworden ist. Inzwischen geht schon jeder dritte wegen „Invalidität“ in die Pension.

Ein anderer Beweis sind die Krankenstände, die für Österreich weitestgehend im grünen Bereich liegen. Die Krankheiten der Arbeitnehmer nehmen leicht ab (und die Selbständigen sind sowieso ein Wunder an Gesundheit). Kaum aber ist der 50. Geburtstag vorbei und bei vielen der Traum von der großen Karriere ausgeträumt, wird das Thema Frühpension interessant. Sofort verschlechtert sich der Gesundheitszustand dramatisch.

Diese zwei Indizien beweisen einen verbreiteten Missbrauch der Invaliditätspension. Ein weiteres Faktum tut das noch mehr. Das ist die rapide Zunahme von frühen Pensionierungen unter dem Titel psychischer Erkrankungen. Zuletzt waren das schon 32 Prozent aller neuen Invaliden, während es 2004 von insgesamt viel weniger I-Pensionisten bloße 24 Prozent waren.

Noch frappierender: Die Mehrzahl dieser psychisch „kranken“ Invaliditätspensionisten ist vorher kein einziges Mal wegen psychischer Erkrankungen im Krankenstand gewesen. Der Verdacht liegt mehr als nahe, dass solche Krankheitsbilder nur zum Zweck des Pensionsantritts erfunden und vorgeschützt werden, weil sie sich sehr schwer nachweisen lassen.

Dies gilt vor allem dann, wenn man auf gutwillige Ärzte trifft. So sind in der Steiermark zuletzt mehr als doppelt so viele Menschen mit psychischen Attesten in die Frühpension gegangen wie in Niederösterreich. Und es gibt eigentlich keine Beweise, dass Schilcher oder Sauvignon Blanc für die Psyche schädlicher wären als der Grüne Veltliner.

Was tun? Nun, vieles wäre möglich: Strengere Untersuchungen, nur befristete I-Pensionen, Rückzahlungspflichten für pfuschende „Invalide“, mehr Kontrollen, Umschulung von körperlichen Tätigkeiten hin zu sitzenden Berufen statt Pension. Das ist alles nicht unsozial, sondern macht es leichter, den wirklich Kranken gut zu helfen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 258: Ein österreichisches Schicksal

09. Februar 2012 00:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Noch vor einem Jahr gab es Chancen, dass Gerhard Zeiler neuerlich Chef des ORF werden könnte. Wir bekamen jedoch – Alexander Wrabetz. Schließlich war dieser bereit, jeden SPÖ-Wunsch zu erfüllen.

Daran wird man lebhaft erinnert, wenn man die jüngste Meldung aus der weiten Welt der Wirtschaft liest: Gerhard Zeiler wird Chef des Time-Warner-Konzerns Turner und damit Oberaufseher über alle außeramerikanischen Programme des globalen Unterhaltungsriesen. Zeiler hat zuletzt schon den europäischen Riesen RTL geleitet. Mit seinem neuerlichen Wechsel ist er heute eindeutig der in der globalen Wirtschaft erfolgreichste österreichische Manager. Wozu heftig zu gratulieren ist. Wir jedoch sind angesichts des Wrabetz-ORF nur zu bemitleiden. Zeiler hatte im Vorjahr alle Verhandlungen über eine Rückkehr an die Spitze des ORF abgebrochen, weil es – so sein damaliger O-Ton – „wesentlichen Teilen der Politik nicht darum geht, wer das Unternehmen am besten führen kann, sondern wer willfährig parteipolitische Personalwünsche umsetzt“. Was eindeutig in Richtung SPÖ gegangen ist, während sich die ÖVP und auch Teile der Opposition auf Zeiler gefreut hatten. Dabei war Zeiler einst Sekretär des SPÖ-Bundeskanzlers Sinowatz gewesen. Aber er hat längst bewiesen, dass er geistig völlig unabhängig ist, und noch dazu extrem fähig. Beides ist freilich so ungefähr das letzte, was die Faymann-Rudas-SPÖ an der Spitze des ORF will.

 

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Budgetsanierung durch faire Pensionen

08. Februar 2012 23:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Österreich hat mit 58 Jahren (ASVG) eines der niedrigsten effektiven Pensionsantrittsalter in Europa. Erstmals übertreffen 2012 die veranschlagten Pensionszuschüsse des Bundes an die Sozialversicherung mit 10,2 Mrd. € das gesamte Budgetdefizit aller Gebietskörperschaften. Dies hat mit sozialer Gerechtigkeit zwischen den Generationen nichts gemein.

Dabei geht es nicht nur vordergründig um eine Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters angesichts der demografischen Entwicklung, sondern vor allem auch um die Wahlfreiheit des mündigen Bürgers. Faire Anreiz- und Abschlagssätze für ein flexibles Pensionsantrittsalter wären dringend geboten. Akuter Handlungsbedarf ist angesichts der erforderlichen Budgetsanierung angesagt. Wir wollen deshalb wieder einen konstruktiven Beitrag leisten. Wir – das ist die unabhängige Initiative proMarktwirtschaft – eine Runde von österreichischen Ökonomen, die das Manko an sachlich orientierter Wirtschaftspolitik ausfüllen will.

Österreich wird im Rahmen der „Europa 2020 Strategie“ von 2010 bis 2020 einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt auf die Anhebung der Erwerbsquote der 20 bis 64- Jährigen auf 75% setzen; d. h. bis 2020 sollen 75% der Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig sein. Derzeit liegt die Erwerbsquote in dieser Altersgruppe bei 74,9% (2010). Dieses Ziel wurde also bereits nahezu erreicht.

Angesichts der im internationalen Vergleich besonders niedrigen Erwerbsquote unter den 55-60-jährigen Frauen und den 60-65-jährigen Männern besteht nach wie vor ein erhebliches Potential zur Steigerung der Beschäftigung und damit zum Übertreffen der Europa 2020 Ziele.

Gleichzeitig sucht der Bund im Rahmen des derzeit diskutierten Sparpakets Möglichkeiten zur Senkung der Staatsausgaben. proMarktwirtschaft weist in diesem Zusammenhang auf die doppelte Dividende eines höheren durchschnittlichen Pensionsantrittsalters hin: Durch die längere Erwerbstätigkeit entfällt die Pensionsleistung, während gleichzeitig Beitragseinnahmen für die Pensionsversicherung entstehen!

Faire Abschlagsätze könnten dem Bund 1,2 Mrd. € pro Jahr ersparen

Faire Abschlagsätze für den vorzeitigen Pensionsantritt ohne Deckelung wären ein besonders wirksames Instrument zur Anhebung des Antrittsalters: sie geben den Erwerbstätigen Wahlfreiheit über den Zeitpunkt des individuellen Eintritts in den Ruhestand, und sie vermeiden gleichzeitig eine finanzielle Belastung der Allgemeinheit durch übermäßig frühe Pensionsantritte. Die Pensionsreformkommission schätzt das Einsparungspotential durch einen um einen Monat späteren Pensionsantritt auf 100 Mio. €. Wenn das durchschnittliche Pensionsantrittsalter um ein Jahr angehoben werden könnte, ergäbe das eine Entlastung für den Bundeshaushalt von 1,2 Mrd. €.

In der Altersgruppe der über 55-Jährigen besteht ein besonders hohes Potential zur Steigerung der Erwerbstätigkeit. Der EU-Ageing Report 2009 zeigt, dass in Österreich das durchschnittliche Pensionsantrittsalter im europäischen Vergleich besonders niedrig ist. Während in der EU-25 das Antrittsalter zur Pension 61,2 Jahre beträgt, treten die Österreicherinnen und Österreicher im Durchschnitt bereits mit 60,9 Jahren in den Ruhestand. Dieser Wert liegt für Direktpensionen in der Pensionsversicherung (ASVG, GSVG und BSVG) mit 58,1 Jahren (2010) noch deutlich niedriger, weil im Pensionsrecht des öffentlichen Dienstes geringere Möglichkeiten zum vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bestehen.

Derzeit falsche Anreize

Ein wichtiger Grund für den frühen Übertritt in den Ruhestand sind falsch gesetzte Anreize im Pensionsversicherungsrecht: Der spätere Antritt des Ruhestands schafft im Vergleich zum Betrag, der aus einem vorzeitigen Bezug der Pensionsleistung erzielbar ist, keine ausreichend hohe Steigerung der Pensionsleistung!

Nach der aktuellen Rechtslage verkürzt ein Antritt des Ruhestands vor dem Regelpensionsalter die Pensionsleistung um 4,2% pro Jahr, wobei eine Deckelung des Abschlags mit 15% besteht (§ 5 APG Abs. 2 und Abs. 3). Die Verlängerung der Erwerbstätigkeit bringt einen Zuschlag von 4,2% pro Jahr, wobei eine Deckelung des Zuschlags mit 12,6% besteht (§ 5 APG Abs. 4). Versicherungsmathematisch faire Abschlagsätze liegen in den meisten Fällen über diesen Werten.

Berechnung der Abschlagsätze – was ist fair?

Grundlage zur Berechnung des fairen Abschlagsatzes ist der Barwert einer Pensionsleistung, die ab dem 65. Lebensjahr ausgezahlt wird. Mit diesem Barwert werden die Barwerte von Pensionsleistungen verglichen, die jeweils 1, 2, …, usw. Jahre vor dem 65. Lebensjahr beginnen. Daraus ergeben sich verschiedene Abschlagsätze, die die jeweiligen Barwerte an jene der Regelpension mit 65 Jahren angleichen.

Die Abschlagsätze hängen vor allem von der Pensionsleistung zum Regelpensionsalter bzw. zum vorzeitigen Pensionsantrittsalter, vom Diskontsatz, der restlichen Lebenserwartung und vom beitragspflichtigen Erwerbseinkommen vor dem Pensionsantritt ab. Daher gibt es nicht nur für jedes Jahr des Pensionsantritts vor dem Regelpensionsalter einen anderen fairen Abschlagsatz, sondern auch nach Berufsgruppen und Geschlechtern unterschiedliche faire Abschlagsätze (vgl. Modellrechnung). So haben z. B. Männer einen höheren versicherungsmathematischen Abschlagssatz, weil für einen Mann ein zusätzliches Pensionsjahr im Vergleich zur Pensionsbezugsdauer ein größeres Gewicht hat.

Die deutliche Zunahme der Ausgaben von Pensionsversicherten für den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten (2011: +17,9%) – rechtzeitig vor der Erhöhung der Kostensätze – zeigt, dass die Österreicherinnen und Österreicher auf geänderte finanzielle Anreize im Pensionsversicherungsrecht stark reagieren. Dieses Verhalten wird in einer empirischen Untersuchung über die Reaktion der Pensionsversicherten auf die Pensionsreformen von 2000 bis 2004 bestätigt (Raab, R., Financial Incentives in the Austrian PAYG-pension system: micro-estimation, Empirica, 2011).

proMarktwirtschaft schließt: Faire Abschlagssätze ohne Deckelung sind ein sinnvolles Instrument zur Budgetsanierung. Für die Pensionsversicherten würden sie eine Ausweitung des individuellen Entscheidungsspielraumes mit sich bringen, weil die Altersgrenzen für den vorzeitigen Antritt der Pension wegfallen könnten.

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

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Der Fluch des Euro

07. Februar 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

„Der Euro kommt zu früh!“ So lautete ein anno 1998 von 155 namhaften Wirtschaftswissenschaftlern in der „FAZ“ veröffentlichter Aufruf. Vergebens. Das Lieblingsprojekt der politischen Eliten wurde – ohne Rücksicht auf Verluste, wie wir heute erleben – dennoch ins Werk gesetzt.

Es ging dabei nicht ums Geld, nicht um die keineswegs schlechte Idee einer gemeinsamen Währung. Der Euro war von Anbeginn an kein monetäres, sondern ein lupenrein politisches Projekt und sollte der Schaffung eines neuen Imperiums nach US-Vorbild, der „Vereinigten Staaten von Europa“, Vorschub leisten. Auf dem direkten Weg – über entsprechende Referenden – wäre dieser größenwahnsinnige Plan unmöglich zu realisieren gewesen, das war der herrschenden Klasse sonnenklar. Niemals hätten die so grundverschiedenen Völker der Alten Welt der Aufgabe ihrer Eigenarten und ihrer Fernsteuerung durch Brüssel freiwillig zugestimmt.

Europa hat der Welt einst eben nicht als zentral verwalteter Monolith seinen Stempel aufgedrückt, sondern als Sammelsurium miteinander konkurrierender Völker und Ideen. Zu sehr war und ist den Bürgern Europas auch heute noch bewusst, dass die Stärke ihres Kontinents in der Vielfalt und nicht in der Einfalt und der erzwungenen Nivellierung liegt.

Daher spannten die abgehoben agierenden Politeliten den Ochsen trickreich hinter den Karren und führten zunächst die Gemeinschaftswährung ein – in der sicheren Gewissheit, dass diese ohne eine – gegenwärtig in Umsetzung befindliche – totale Gleichschaltung der Provinzen des neuen Reiches keinen Bestand haben könnte.

Nun wird die Verteidigung des Euro – kontrafaktisch – zu einer „Frage von Krieg und Frieden in Europa“ stilisiert: Helmut Kohl meint „Der Euro ist ein Friedensprojekt“; Von höchsten Vertretern der Union werden Verschwörungstheorien lanciert, wonach wir es mit einem „Angriff“ finsterer Mächte (der perfiden Märkte!) auf das heilige Brüsseler Reich zu tun hätten. „Ohne Gemeinschaftswährung hat Europa keine Zukunft“ – so oder so ähnlich tönt es aus den EU- und Staatskanzleien. Und so trommeln es auch die gleichgeschalteten Medien des Meinungshauptstroms von Lissabon bis Helsinki. Alle nicht in das Konzept eines zentralistisch organisierten Molochs passenden Fakten werden entweder kleingeredet oder totgeschwiegen.

Dass etwa Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Frieden machten und hielten – und zwar ohne gemeinschaftliche Währung – wen interessiert es? Die Grundlage für Frieden zwischen den Völkern und deren steigenden Wohlstand ist allein der Freihandel, wie der französische Physiokrat Frédéric Bastiat meinte, wenn er vor langer Zeit formulierte: „Wenn Güter die Grenzen nicht passieren, werden es Armeen tun!“

Eines politisch zwangsverordneten Geldes bedarf es dafür aber ganz sicher nicht. – wer bedenkt das dieser Tage? Der Euro wird zur Religionsfrage erhoben. Es wird – entgegen der historischen Evidenz – so getan, als ob ein gemeinsamer Wirtschaftsraum nicht auch ohne einheitliche Währung zu verwirklichen wäre.

Dass eine europäische Freihandelszone bereits vor weit mehr als 100 Jahren – in der Zeit vor 1914 – existierte, und zwar ohne Gemeinschaftswährung (die faktisch allerdings durch die Goldbindung der verschiedenen Währungen gegeben war) wissen heute nur noch die wenigsten. Die politischen Eliten haben größtes Interesse, diese Tatsache gar nicht erst zu thematisieren, um die Fadenscheinigkeit ihrer Argumente für das schwindsüchtige Esperantogeld Euro nicht ans Licht zu bringen.

Einen interessanten Beitrag zum tieferen Verständnis der Problematik der europäischen Gemeinschaftswährung leistet das kürzlich bei Olzog erschienene und von Peter Altmiks herausgegebene Buch „Die optimale Währung für Europa?“

Fünf Beiträge sehr unterschiedlicher Autoren beleuchten Geschichte, Wesen und mögliche Zukunft des Euro. Glühende Befürworter, wie etwa der eben aus dem Direktorium der EZB ausscheidende Volkswirt Jürgen Stark, und Kritiker, wie der Herausgeber selbst, der als Wirtschaftsreferent im Liberalen Institut der Friedrich Naumann Stiftung tätig ist, verdichten eine Fülle von Informationen und analytischen Überlegungen zu einer guten Grundlage für den interessierten Beobachter, um sich seine eigenen Gedanken zu diesem für Europa so überaus wichtigen Thema bilden zu können.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien

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Wildes Feilschen um Gas aus Nahost

07. Februar 2012 08:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Der Poker um die künftige Gasversorgung Europas aus dem Osten nimmt immer seltsamere Formen an. Dabei geht es gerade einmal um eine Gasmenge von 10 Mrd. Kubikmetern, die Aserbeidschan ab dem Jahre 2017 zur Verfügung stellen kann. Um diese Menge streiten sich nun eine Vielzahl von Projektwerbern.

Alle anderen Bezugsquellen sind nämlich in weitere Ferne gerückt. Eine Pipeline, die Gas aus Ägypten in die Türkei liefern sollte (und schon fast fertig gebaut ist) wurde inzwischen ad acta gelegt. Die Ägypter wollen ihr Gas lieber in verflüssigter Form auf den Markt werfen. Aus dem Nordirak könnten unter Umständen 10 Mrd. Kubikmeter geliefert werden, die politische Lage ist aber derart unsicher, dass mit den Plänen nichts weiter geht – eine Pipeline in die Türkei könnte in etwa zwei Jahren auf die Beine gestellt werden.

Im Iran gäbe es ausreichend Gas, aus politischen Gründen steht dieses aber nicht zur Verfügung. In Turkmenistan gäbe es auch entsprechende Gasmengen, dafür müsste aber eine teure Unterwasserpipeline gebaut werden, davon ist man noch weit entfernt.

Bleibt als einziger Lieferant Aserbeidschan. Derzeit verfügt man über 7 Mrd. Kubikmeter, die aber längst langfristig verkauft sind. Das Gerangel geht nun um ein neues Gasfeld namens Shah Deniz 2, das 16 Mrd. Kubikmeter liefern soll. Davon sind bereits 6 Mrd. für den türkischen Markt langfristig vergeben – bleiben noch 10 Mrd., und darum wird nun gestritten.

Es rittern das EU-Projekt Nabucco, die TAP-Pipeline (das sind die Schweizer EGL und die Norwegische Statoil) und das ITGI-Projekt (ENI (Italien) und die griechische DEPA). Damit die Lage noch unübersichtlicher wird hat BP (der Konzern ist einer der Betreiber von Shah Deniz) nun eine Billigvariante ins Spiel gebracht mit der die ominösen 10 Mrd. Kubikmeter über das vorhandene türkische Pipelinenetz bis Rumänien und Bulgarien gebracht würden.

Und damit das Pipeline- Spiel noch lustiger wird, gab es im Dezember 2011 eine Vereinbarung zwischen Aserbeidschan und der Türkei über eine Trans Anatolien Gasleitung, die die umstrittene Gasmenge bis an die EU-Außengrenze liefern würde. Und damit die Situation noch verworrener wird, möchte Russland mit der noch zu bauenden South Stream Pipeline 63 Mrd. Kubikmeter russisches Gas nach Europa liefern und alle anderen aus dem Feld schlagen.

Was ist von all dem zu halten? Brüssel versucht klare Vorgaben zu geben. Der Gas-Südkorridor soll eine komplett neue Leitung sein, die erweiterbar sein soll, um nicht nur auf das Gas aus Aserbeidschan zugreifen zu können. Es soll eine Transitleitung sein, man möchte derzeit keine Lösung bevorzugen. Nabucco würde diesen Ansprüchen genügen, die Pläne sehen eine Kapazität von etwa 30 Mrd. Kubikmetern vor, es soll eine komplett neue Leitung sein, die im österreichischen Baumgarten endet. Kostenschätzung etwa zwölf Mrd. Euro.

TAP und ITGI sind weit billiger, greifen auf das alte türkische Netz zurück und enden beide in Süditalien. Die Betreiber wollen mit dem Gas auf den italienischen Markt, wo besonders hohe Gaspreise zu erzielen sind. Noch, denn auch Italien wird in naher Zukunft gemäß den EU-Vorgaben seinen Markt einmal liberalisieren müssen, und dann ist es vorbei mit den hohen Preisen. Außerdem ist der italienische Markt bereits überversorgt.

South Stream ist ein eigenes Kapitel. Die South Stream-Betreiber nehmen den Mund derzeit besonders voll. Es gibt bereits eine Projektfirma, an der neben Gazprom auch noch ENI, die Deutsche Wintershall und EdF (Frankreich) beteiligt sind, die allerdings nur für den Offshoreteil zuständig ist. Im Schwarzen Meer sollen bis zu einer Tiefe von 2250 Meter vier Gasstränge verlegt werden, größtenteils in türkischem Hoheitsgebiet. Man spricht von Kosten von zehn Mrd. Euro, was von Experten als Wunschdenken bezeichnet wird. Noch 2012 soll die Investitionsentscheidung fallen, ab 2015 Gas fließen.

Aber wohin? Angelandet soll das Gas in Bulgarien und dann Richtung Kroatien und Italien gepumpt werden. Dafür gibt es in jedem Land eine Betreibergesellschaft (50 Prozent Anteil Gazprom, 50 Prozent lokal). Um die Streckenführung wird noch gefeilscht, auch ein Endpunkt in Österreich war eine Zeit lang im Spiel (der österreichische Teil unter Beteiligung der OMV).

Für das Streckennetz in den EU-Staaten muss Brüssel im Rahmen des liberalisierten Gasmarktes eine Reihe von Bewilligungen erteilen. Entsprechende Ansuchen sind in Brüssel noch nicht eingelangt, das Verfahren um Ausnahmegenehmigungen, wie sie die Russen gerne hätten, dauert viele Jahre. Sollte die Investitionsentscheidung für den Offshoreteil wirklich heuer fallen, dann braucht Brüssel gar nicht mehr tätig zu werden, dann gibt es keine Ausnahmegenehmigungen mehr. South Stream ist somit ein potemkinsches Dorf, das Projekt wird mit großer Wahrscheinlichkeit ein Projekt bleiben.

Was will das derzeit so umworbene Aserbeidschan? Alle Fäden in der Hand halten. Shah Deniz 2 dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit Realität werden (Kostenpunkt für zwei Plattformen etwa zwanzig Mrd. Dollar), aber es existieren noch zwei weitere Felder mit ähnlich großen Gasmengen und auch dafür möchte man sich in Stellung bringen.

Wer die heiß umkämpften zehn Mrd. Kubikmeter bekommen wird, soll Ende März bekanntgegeben werden. Insider meinen, es könnte noch etwas länger dauern. Um das Heft nicht aus der Hand zu geben könnte man durchaus das eigene Trans Anatolien Projekt bedenken, um die Weiterleitung könnte sich dann Nabucco kümmern. Das stößt bei den Nabucco Betreibern auf wenig Gegenliebe.

Eine kostengünstige Lösung wäre auch der BP-Plan, was aber nicht wirklich im Interesse der EU wäre, die an einer künftigen russenunabhängigen Gasversorgung von Mitteleuropa interessiert ist. Aserbeidschan sieht das alles durch eine politische Brille. Für die Nabucco-Betreiber scheinen die Chancen jedenfalls zu schwinden, auch wenn nach wie vor großer Optimismus verbreitet wird. Ohne Gas der Aseris ist das Nabucco-Projekt vorerst einmal tot.

Erste Absetzbewegungen finden bereits statt. Die deutsche RWE, einer der Nabucco-Partner, überlegt den Ausstieg aus dem Pipeline- Projekt. Man müsse nicht unbedingt an dem Bau der milliardenteuren Gasleitung beteiligt sein, sagte RWE-Chef Jürgen Großmann laut „Wall Street Journal Deutschland". „Wir freuen uns über alle Lösungen, die unser eigenes finanzielles Engagement möglichst gering halten". Entscheidend sei, dass kaspisches Gas nach Europa fließe und der Essener Energiekonzern eine ausreichende Menge davon erhalte. Klingt nicht gut für Nabucco. Aber was weiß man, vielleicht geht es ja ganz anders aus.

Auch Georgien hat sich ins Spiel gebracht und präsentiert die „White Stream“, eine Gasleitung von Georgien in die Ukraine durchs Schwarze Meer. Mit welchem Gas? Natürlich 10 Mrd. Kubikmeter aus Aserbeidschan.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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Schulden-Bolschewismus

06. Februar 2012 23:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Wer zählt die Summen, schon vertan,
wer nennt sie, all die Namen,
die da für Volksbetrug und Wahn
bisher zusammenkamen?

Doch wieder sollen kurz vorm Knall
zum Zwecke Gelder fließen,
die sich mit reichem, vollen Schwall
ins schwarze Loch ergießen!

Erhöhen heißt es lapidar,
was aufgestockt, erweitert,
verdoppelt und dergleichen war
und gallig bloß erheitert:

Nach Schirm, Paket und Fonds konkret,
dann Sixpack, Feuermauer
samt Hebel und Fazilität
jetzt ein Fiskalpakt, schlauer!

Man ist zu Ende mit Latein,
nur stellt zum Trost der Seelen
sich stets ein neues Gutwort ein,
wo längst Begriffe fehlen.

Kein Wunder, man versteht sich ja
perfekt aufs Euphemisteln,
verkauft als Rettung – blablabla –
wohl Eiter gar aus Fisteln.

Denn Schulden-Bolschewismus pur
ist höchste Glaubenslehre,
und weil drum wider die Natur,
wär’ Klartext Straftat, schwere!

Hier wendet sich als Folge draus
erst recht kein Gast mit Grausen –
doch werden wir im eignen Haus
bald selbst als Fremde hausen…

Pannonicus

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Das feministische Evangelium

02. Februar 2012 13:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es fühlt sich fast wie Gotteslästerung an, wenn man dem überall gepredigten feministischen Evangelium Fakten entgegenhält. Ist doch die angebliche schwere Benachteiligung der Frauen das zentrale Axiom des Zeitgeist-Denkens geworden.

Ein neues Kapitel dieses Evangeliums ist der Gehaltsrechner der Frauenministerin. Damit könne man feststellen, ob man zu wenig Gehalt bekommt. Dieser Behauptung lebt jedoch von der spaßigen und nur in Beamtenhirnen überlebensfähigen Illusion, dass sich der Wert eines Mitarbeiters ausschließlich nach dem Formalkriterium des Bildungsabschlusses richtet. Was aber noch absurder ist: Der Gehaltsrechner macht auch keinen Unterschied zwischen den – vom Markt heftig nachgefragten – Absolventen einer technischen Ausbildung und jenen eines geisteswissenschaftlichen Billigstudiums. Für dessen Absolventen interessiert sich aber außerhalb von Schulen und Universitäten kaum ein Arbeitgeber. So schön und spannend die Geisteswissenschaften für die persönliche Allgemeinbildung auch sind. 

Hinter diesem Milchmädchenrechner steckt die Tatsache, dass junge Männer und Frauen sehr unterschiedliche Studien wählen: Bei den technischen Studien sind 20,5 Prozent der Absolventen weiblich; bei den geisteswissenschaftlichen hingegen 76,1 Prozent! Trotz dieser gravierenden Differenz werden wir weiterhin von Politik und Medien die Mär hören, dass beides „gleiche Arbeit“ wäre, die nur auf Grund der bösen Macho-Arbeitgeber ungleich bezahlt würde.

Für die Feministinnen peinliche Ergebnisse bringt auch die von ihnen selbst erkämpfte Gender-Analyse des Budgets. Denn beim größten Brocken, den Pensionen, stellte sich heraus, dass 5,7 Milliarden Euro des Bundeszuschusses Frauen zugute kommen und nur 2,1 Milliarden Männern.

Ein weiteres Lieblingsthema feministischer Propaganda sind die Aufsichtsräte. Mit aller Energie wird für diese um eine Frauenquote gekämpft, die man sogar gesetzlich erzwingen will. Als einziges Argument wird auf Norwegen verwiesen, wo es das schon seit einigen Jahren gibt.

Was stimmt. Aber die erste unabhängige wissenschaftliche Studie, welche die Auswirkungen der dortigen Aufsichtsrats-Quote untersucht, zeigt ein sehr negatives Ergebnis. Die Studie wurde von der University of Michigan erstellt. Sie zeigt, dass der Zwang, mindestens 40 Prozent Frauen in den Führungsgremien zu haben, den norwegischen Aktiengesellschaften massiv geschadet hat. Es kam zu einer signifikanten Zunahme von Firmen-Verkäufen; die Bilanz-Ergebnisse haben sich als Folge der Unerfahrenheit auf der Chef-Ebene deutlich verschlechtert; die Börsenkurse erlitten einen scharfen Knick; und auch der Messwert Tobin’s Q ist deutlich gefallen (der den Börsenkurs in Relation zum Wiederbeschaffungswert der Investition setzt).

Wetten, diese Studie wird ob ihres Ergebnisses von Politik und Medien ignoriert werden und das Trommelfeuer „Her mit der Frauenquote in Aufsichtsräten“ geht weiter?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die große Geschichtslüge

26. Januar 2012 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist die übelste Geschichtslüge, die in den letzten Jahrzehnten in die Welt gesetzt worden ist. Ihr Kern: Die gegenwärtige Schuldenkrise sei Folge der Bankenhilfen des Jahres 2009. Die Fakten sagen aber etwas ganz anderes.

Erstens, selbst wenn kein Cent der den Banken geborgten Gelder zurückfließen sollte, macht die Bankenhilfe in allen europäischen Ländern weniger als fünf Prozent der Staatsschulden aus.

Zweitens, in Österreich wie vor allem Deutschland sind es primär die in direktem oder indirektem Staatsbesitz befindlichen Banken gewesen, die Staatshilfe bekommen haben. Dort hat also der Staat sich selber geholfen oder genauer: seine Unterabteilung Bund der Unterabteilung Bundesländer. Und noch genauer: Der Bund hat die Kunden der Landesbanken gerettet.

Gewerkschaft und Co tun hingegen so, als ob da Milliarden an irgendwelche Bankiers geflossen wären, die das Geld mit dicken Zigarren, Maseratis und Nachtlokalen durchgebracht hätten. Dabei haben überall die Besitzer von Bankaktien schwer verloren. Wenn das Land Kärnten mit einem Gesamtbudget von rund zwei Milliarden Haftungen von rund 20 Milliarden für die einstige Landesbank eingegangen ist, dann ist das ein politisches und vielleicht auch strafrechtliches Verbrechen, aber kein Argument im Klassenkampf. Auch die anderen Länder sind heftige Haftungen eingegangen, deren Betrag aber noch verheimlicht wird.

Drittens, die große Krise ist nicht der Banken wegen ausgebrochen, sondern weil Staaten und Bürger über ihre Verhältnisse gelebt haben. Sie haben die große welthistorische Wende nicht zur Kenntnis genommen. China und andere Megastaaten überholen Europa links und rechts: durch Fleiß, durch Disziplin, mit niedrigen Löhnen, mit einer jüngeren Bevölkerung, und durch Verzicht auf einen aufgeblasenen Wohlfahrtsstaat. Die beste Zukunftsinvestition wäre es daher, Gewerkschafts- und Arbeiterkammer-Bosse aus ihrem Wolkenkuckucksheim auf Studienreise durch China, Indien, Vietnam, Singapur und Brasilien zu senden.

Viertens: Auch die Propaganda, dass eine Finanztransaktionssteuer die Banken und nicht die Bürger träfe, ist naiv und dumm. Selbst die EU-Kommission (die das Geld aus dieser Steuer durchaus gerne für sich hätte) musste zugeben: Dadurch würde das europäische BIP um mehr als ein halbes Prozent dauerhaft schrumpfen. Dabei wird Österreichs BIP heuer ohnedies nur um maximal 0,4 Prozent wachsen. Schon dieses Mini-Wachstum ist nach Ansicht aller Experten eine Katastrophe: Denn dadurch gehen Zehntausende Arbeitsplätze verloren. Was noch viel ärger wäre, wäre das BIP noch um 0,5 Prozent kleiner. Ehrlicherweise müsste man aber auch noch eine Abwanderung von Finanzgeschäften aus der EU hinaus einkalkulieren: Wirklich unabhängige Experten erwarten deshalb einen größeren Verlust durch die neue Steuer für Europas Realwirtschaft, als überhaupt an Geld in die Töpfe der Politik fließt.

Diese Steuer ist also Schwachsinn pur – auch wenn ihn die Politik täglich predigt.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Trübe Aussichten für die Alpenrepublik

25. Januar 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Nach Meinung der Weltbank wird Europa im laufenden Jahr voraussichtlich in eine Rezession schlittern. Um den Verdruss zu komplettieren, ist auch noch das bislang so stolz präsentierte Triple-A-Rating Österreichs verlorengegangen. Standard & Poors hat, als erste der drei US-Agenturen, die Bestnote kassiert. Und als ob das noch nicht genug wäre, berichtet die Österreichische Nationalbank von einer deutlich abnehmenden Sparneigung und einem beachtlichen Rückgang der Privatvermögen im Lande. Ein für die wirtschaftliche Entwicklung sehr ungesunder Cocktail.

Was tut die rotschwarze Bundesregierung in dieser Lage? Setzt sie Signale, um Kapitalakkumulation und Wettbewerbsfähigkeit am Standort zu stärken? Bemüht sie sich, etwa mittels attraktiver Unternehmens- und Einkommenssteuern, zusätzliche Investoren ins Land zu holen, oder darum, gut ausgebildete Fachleute anzulocken oder diese schlicht von der „Flucht“ in leistungsfreundlichere Volkswirtschaften abzuhalten? Hat sie vor, wieder mehr den Interessen der Produktiven zu entsprechen, anstatt die Züchtung von Unproduktiven weiter voranzutreiben?

Nichts davon! Die herrschende Klasse zieht buchstäblich alle Register, um die dräuenden Gefahren für die Wohlstandsentwicklung im Lande zu verschärfen!

Hält man sich an die bislang verlauteten Absichtserklärungen im Hinblick auf die nottuende Sanierung des öffentlichen Haushalts, sollen offenbar auch noch die letzten Reste von Sparneigung und unternehmerischer Initiative auf dem Altar der „sozialen Gerechtigkeit“ geopfert werden. Anstatt Sparern, Investoren und der Leistungselite attraktive Bedingungen für den Verbleib im Lande zu bieten, oder die Ansiedlung von neuen Unternehmen zu begünstigen, werden täglich neue Ideen präsentiert, wie man Leistung noch schwerer bestrafen könnte, als das im Land der Hämmer schon jetzt der Fall ist.

„Solidarabgaben“ für Spitzenverdiener, Debatten über die „Reform“ der unternehmensfreundlichen Gruppenbesteuerung und die Ankündigung der (Wieder-) Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuern sind pures Gift für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Dass sich hierzulande nur halb so viele Schüler und Hochschüler wie in anderen OECD-Ländern mit dem Gedanken tragen, nach Abschluss ihrer Ausbildung unternehmerisch tätig zu werden, ist unter diesen Umständen keine Überraschung. Wem nicht zugestanden wird, einen angemessenen Teil der Früchte seiner Arbeit selbst behalten zu dürfen, zieht die entsprechenden Konsequenzen.

So verwundert es nicht, dass gerade der am besten ausgebildete Nachwuchs, die Jungakademiker, mehrheitlich den dringenden Wunsch verspüren, im Staatsdienst unterzukommen. Der Historiker Lothar Höbelt: „Wer in Österreich studiert hat, will Beamter werden.“

Wem man in einem total feminisierten Schul- und Hochschulwesen jedes genuin männliche Verhalten, jeden Mut zum Risiko abtrainiert, und jedes Denken außerhalb der von der politischen Korrektheit vorgegebenen Bahnen abgewöhnt hat, strebt eine „Karriere“ an, die ohne die geringste Unsicherheit – möglichst mit Unterstützung einer linken Politseilschaft – abläuft. Er oder sie wird sich lieber nicht den schwer kalkulierbaren Fährnissen des Marktes aussetzen. Von beamteten Verwaltern und Kontrolleuren aber kann kein Land leben. Es braucht vielmehr Entrepreneure, um Innovation und Wohlstand zu schaffen.

Die 1918 in Österreich ausgerufene Demokratie hat keine 100 Jahre gebraucht, um total zu proletarisieren und zur Pöbelherrschaft zu degenerieren. Wer es außerhalb geschützter Werkstätten zu etwas bringt, ist heutzutage nicht nur verdächtig und muss sich unentwegt dafür entschuldigen, sondern hat auch den Großteil seiner Einkünfte an das stetig wachsende und immer begehrlicher werdende Kollektiv der Minderleister abzutreten. Es sei denn, er wäre Sportler oder Künstler – für diese gelten interessanterweise andere Regeln. Wirtschaft ist für das Politbüro und den Hauptstrom der veröffentlichten Meinung immer noch ein Nullsummenspiel: Der „Reiche“ (Unternehmer) mästet sich auf Kosten der „Armen“ (Lohnsklaven).

Dass in einer freiheitlichen, arbeitsteilig organisierten Gesellschaft freiwillig eingegangene wirtschaftliche Beziehungen allen Beteiligten zum Vorteil gereichen, ist eine den Meinungsführern fremde Vorstellung. Sie sehen es als erwiesen an, dass nur die lückenlose Überwachung und Bevormundung der Wirtschaftssubjekte und eine zentral geplante, rigoros gelenkte Wirtschaft eine gedeihliche Entwicklung der Gesellschaft sicherstellen können. Sie folgen dabei den Gedanken Lenins, der meinte, „Vertrauen ist gut; Kontrolle ist besser“. Das aber ist, um es mit den Worten August von Hayeks zu sagen, eine „fatale Anmaßung“.

Einerseits ist jeder dem Privatsektor vom Fiskus entzogene Euro verloren, weil er nicht investiert, sondern verkonsumiert wird. Andererseits wird durch weitere Belastungen durch neue oder höhere Steuern unternehmerisches Denken und Handeln im Eldorado der ältesten Studenten, jüngsten Rentner und unkündbarsten Beamten, weiter marginalisiert.

Ohne die Wiederbelebung „bürgerlicher“ Tugenden, wie Sparsamkeit, den Mut etwas zu unternehmen und dafür die Verantwortung zu tragen und die Fähigkeit und den Willen, langfristig zu denken, erscheinen die Zukunftsaussichten Kakaniens düster. Von den Sozialisten in allen Parteien und den gleichgeschalteten Systemmedien wird eine Trendwende allerdings nicht ausgehen.

Die Leistungsträger müssen ihre Hoffnungen daher wohl auf ein in der Zeit nach dem dräuenden Zusammenbruch des wohlfahrtsstaatlichen Pyramidenspiels stattfindendes „Phönix-aus-der-Asche“-Wunder richten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien 

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Wessen Staatsanleihen halten österreichische Banken?

23. Januar 2012 19:00 | Autor: Andreas Unterberger

Von heimischen Banken gehaltene Staatsanleihen anderer EU-Mitglieder in Mio. Euro, Stand 10/2011

 

Staat Betrag
Polen

2.837

Italien

2.821

Deutschland

2.289

Ungarn

2.020

Tschechien

1.231

Rumänien

1.175

Slowakei

1.024

Belgien

806

Griechenland

736

Frankreich

707

Spanien

450

Slowenien

230

Portugal

218

Irland

187

Sonstige

1.364

Quelle: EZB/Finanzministerium

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Fußnote 256: Die grünen Flaschen

23. Januar 2012 01:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Grünen haben schon wieder eine Windmühle gefunden, gegen die sie wie weiland Don Quijote kämpfen: Diesmal sind es die Mineralwasserflaschen.

Der Glaube an Glas statt Plastik wird aber wohl ein weiteres Waterloo einer grünen Fixation.So wie es schon die Abschaffung der Glühbirnen gewesen ist. Als nächsten Schritt werden sie uns sicher mit Glasflaschen auch um die Milch schicken. Denn retro ist ja in. Dabei ist es mehr als umstritten, ob die wiederbefüllbaren Glasflaschen alles in allem wirklich umweltfreundlicher sind als die Einwegflaschen. Diese werden ja zumindest in Österreich sehr effizient für eine Weiterverwertung eingesammelt, sind also gar keine echten Einweggebinde. Umgekehrt müssen zur sicheren Reinigung von Glasflaschen, in die ja jemand auch gefährliche Gifte geschüttet haben kann, aggressive Chemikalien eingesetzt werden. Außerdem wird für den Transport der viel schwereren Glasflaschen natürlich auch mehr Treibstoff verbraucht. Der grüne – und von der Arbeiterkammer zumindest teilweise unterstützte – Vorstoß für das Comeback von Glasflaschen zeigt aber vor allem: Die Konsumenten sind den grünen Aktivisten längst total egal. Diese sollen sich ruhig mit den schweren Glasflaschen abschleppen. Oder halt statt zu Fuß zu gehen mit dem Auto in einen Supermarkt fahren, wenn sie die Flaschen nicht tragen wollen. Hat da jemand von Umweltschmutz geredet?

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AAA adé

22. Januar 2012 03:42 | Autor: Ernest König
Rubrik: Gastkommentar

Gedanken eines verunsicherten Nichtinvolvierten, aber sicher Betroffenen zur Herabstufung Österreichs:

Weiters bliebe das Geld sowohl der wirklich Reichen als auch das der zu solchen ernannten im Lande und damit produktiv wirksam; und die kreditverteuernde Wirkung einer allfälligen weiteren Herabstufung könnte abgefangen werden.

Also ein „Gewinn – Gewinnspiel“? – es gibt sicher Berufenere, die das prüfen können. Auf keinen Fall aber darf es als Ausrede dienen, die oben genannten großen Brocken auf die lange Bank zu schieben.

Ernest König ist ehemaliger Kommandant der Landesverteidigungsakademie.

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Griechenland: Auch vor Tische konnte man es schon wissen

21. Januar 2012 00:07 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist gewiss nicht allzu populär, besserwisserisch zu klingen. Dennoch konnte ich diesmal der Versuchung nicht widerstehen, in alten Tagebuchnotizen zu kramen. Der Anlass: Rundum wird nun plötzlich von einer Pleite Griechenlands gesprochen.

In Österreich natürlich nicht. Hier haben ja Rot und Grün den Ball einiger Burschenschaften für die zentrale Bedrohung der Nation erklärt. Hier beschäftigt sich ja der Wrabetz-Wolf-ORF längst nur noch mit sich selber. Hier ist ja die Regierung bemüht, den Verlust der eigenen Kreditfähigkeit kleinzureden (obwohl Experten längst davon reden, dass das Land noch immer um zwei Stufen zu gut bewertet ist!) und sich ansonsten stolz darauf zu zeigen, das enorme Problem der Diplomatenpässe für Ex-Minister und Bischöfe gelöst zu haben, damit wenigstens ein Problem gelöst ist.

Einige der ignorierten Meldungen. Sie stammen alle aus den bisherigen Jännertagen.

So weit so klar. Was ist davor geschehen? Die anderen Euro-Staaten haben durch Cash oder Haftungen direkt oder über Zentralbank, Währungsfonds, EU oder Rettungsschirme seit Mai 2010 dreistellige Milliardenbeträge in Griechenland versenkt. Offensichtlich ohne jeden erkennbaren Sanierungsnutzen. Die dadurch gewonnene Zeit hat nur eine einzige Gruppe nutzen können: Reiche Griechen haben ihr Geld ins Ausland transferiert und so vor einer Abwertung oder einem sonstigen Staatszugriff in Sicherheit gebracht.

Noch schlimmer: 2010 hat Griechenland noch wirklich spürbar gespart. 2011 sind die Sanierungsbemühungen völlig erschlafft - ganz offensichtlich hat nach Aufspannen des europäischen Rettungsschirms niemand mehr die Lust zu schmerzhaften und unpopulären Maßnahmen gehabt.

Hat man das nicht alles von Anfang an wissen können? Man hat schon, aber man wollte nicht. Weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf. Weil nicht nur Sozialisten, sondern auch viele Christdemokraten noch immer an Problemlösungen durch keynesianische Schuldenmacherei, durch Verdrängung und Schönreden glauben. Lediglich in Prag und London gibt es noch Regierungen mit ein wenig ökonomischem Sachverstand. Allzu viel hätte es aber auch anderswo nicht gebraucht, um die Entwicklung vorherzusehen.

Unkommentiert dazu einige Eigenzitate aus dem Tagebuch:

17. Juni 2011

Die EU kann Griechenland gar nicht pleite gehen lassen. Denn das ist es schon längst. Jetzt geht's nur noch darum, endlich auch offen zuzugeben, dass Griechenland niemals all seine Schulden zahlen kann. Werden die Staaten Europas wie im Mai 2010 noch einmal Beihilfe zur Konkursverschleppung leisten? Im normalen Leben landet man damit vor dem Strafrichter.

11. Mai 2010

Seit Deutschland & Co nun praktisch solidarisch für Griechenland & Co haften, muss man ihre Stabilität noch mehr bezweifeln als schon bisher. Hat man zwischen Berlin und Wien doch schon vor diesem schwarzen Wochenende die Staatsschulden in absurde Höhen gejagt.

7. Mai 2010

Was würde der inzwischen verstorbene Friedman den Europäern wohl heute raten? Vermutlich Folgendes:

  1. Vorerst keinen Kredit mehr für Griechenland.
  2. Notfalls die Gläubiger-Banken mit rund 60 Prozent für die dadurch eintretende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands schadlos halten (keinesfalls zu 100 Prozent), damit die Folgewirkungen abgebremst werden.
  3. Griechenland ein Aussteigen aus dem Euro-Raum nahelegen.

29. April 2010

Da wird in einer angeblichen Qualitätszeitung der Bankrott Griechenlands als „Liquiditätskrise“ beschönigt. Da werden die Rating-Agenturen beschimpft, weil sie griechische oder portugiesische Staatsanleihen abwerten.

13. April 2010

Tatsache ist, dass die Milliarden für Griechenland eine glatte Verletzung der EU-Verträge bedeuten, die eine solche Hilfe zwischen Euro-Ländern verbieten. Tatsache ist, dass alle jene Politiker lügen, die die Kreditvergabe als gutes Geschäft darstellen; denn das wäre es nur, wenn eine seriöse Chance auf volle und pünktliche Rückzahlung bestünde.

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SN-Kontroverse: Ratingagenturen

20. Januar 2012 09:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Braucht es schärfere Gesetze für Ratingagenturen?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Privatagenturen auf Egotrip

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Nachtigall, ick hör dir trapsen! Nach diesem Muster arbeiten Ratingagenturen. Sie stürzen Volkswirtschaften in die Krise und muten Kontinenten eine abenteuerliche Daumen-rauf-Daumen- runter-Politik zu. Um ihre Arbeit zu beurteilen, ist es hilfreich, sich vor Augen zu führen, was Ratingagenturen sind: Private, gewinnorientierte Unternehmen, die gewerbsmäßig die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Staaten und deren Gebietskörperschaften bewerten. Im Interesse von sogenannten Investoren oder des Marktes oder wie immer man massive Kapitalanhäufungen bezeichnen will.Die Agenturen sind kein Naturgesetz, sondern sie wurden zu Großmonopolisten der Finanzindustrie gemacht. 1975 hat die US-Börsenaufsicht festgesetzt, dass nur sie die gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen erfüllen dürfen, sich bewerten zu lassen, ehe sie für den US-Kapitalmarkt zugelassen werden. Dies musste von mindestens zwei zugelassenen Agenturen geschehen. Und zugelassen wurden - drei Mal darf man raten - nur Ratings von Standard & Poor's, Moody's und Fitch.

Und noch größere Überraschung: Diese drei Ratingagenturen machen seither mit ihrer Politik enorm viel Geld. Für sich und - no na - für ihre Auftraggeber. Ihre sogenannten Analysten unterliegen keinen Unvereinbarkeitsregeln. Man kann sich vorstellen, wie „sauber" in den Agenturen gearbeitet wird. Ihre Fehleinschätzungen - Stichwort Enron, Island usw. - sind legendär.

Nötig sind klare Regeln für diese Privatagenturen, damit sie nicht weiter Unfug im Eigeninteresse anstellen können. Oder noch besser: Wir hören auf, den Egotrip der Privatagenturen zu unterstützen und starren nicht wie blöd jede Minute des Tages auf die von ihnen aus welchen Gründen immer vergebene Anzahl von Buchstaben oder, falls es ihnen einfallen sollte, Hieroglyphen.
 


 Der Spiegel der Hässlichen

Andreas Unterberger

Kein Gesetz fände unter Schauspielern und Sängern wohl mehr Zustimmung als eines, das alle negativen Kritiken und Verrisse verbietet. Ähnlich lassen auch in manchen Märchen hässliche Königinnen im ganzen Land die Spiegel verhängen oder zerstören.

Nichts anderes bedeutet die krause Idee, die Ratingagenturen an die Kandare zu nehmen. Natürlich sind deren Aussagen und Analysen nur Einschätzungen, nur Meinungen einiger, wenn auch fachkundiger Experten. Und diese können naturgemäß falsch liegen - vor allem, weil sie meist Aussagen über die Zukunft machen. Aber eine fehlerhafte freie Meinung ist noch immer tausend Mal besser als eine fehlerhafte unfreie.

 So wie ein Spiegel zeigen die Agenturen meist nur ein Bild einer längst vorhandenen Realität. So haben sich die Zinsen für österreichische Anleihen schon Monate vor der (ersten) Herabstufung schlecht entwickelt. Hatte Österreich jahrelang die gleiche Kreditwürdigkeit wie Deutschland, so musste es für seine Anleihen auf den Märkten zuletzt oft schon doppelt so hohe Zinssätze zahlen. Die Ratingagenturen müssen sich daher höchstens fragen, warum sie nur mit Zeitverzögerung reagieren.

 Trotz aller Fehler vertrauen ihnen die Anleger. Jedenfalls weit mehr, als etwa einer von den Staaten oder der EU gelenkten oder getragenen Agentur. Denn sie sind - im Gegensatz zu allen Verschwörungstheorien - eindeutig unabhängig. So vertrauen ja auch Theaterbesucher den Rezensionen eines unabhängigen und sachkundigen Journalisten trotz aller Subjektivität noch immer mehr als den offiziellen Aussendungen der Theaterdirektion.

 Und was wäre, wenn Österreich überhaupt eine Bewertung seiner Kreditfähigkeit verbieten könnte? Das hätte eine einzige, aber brutale Folge: Niemand mehr würde Österreich Geld leihen. Wer den Spiegel zerstört, schickt nämlich nur eine Botschaft seiner absoluten Hässlichkeit aus.

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Nachher ist man immer klüger

19. Januar 2012 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Grau ist alle Theorie. Das gilt insbesondere, wenn man das Verhalten von Menschen prophezeien will. Dieses lässt sich jedoch nicht so einfach wie eine Maschine steuern, bei der man genau weiß, was passiert, wenn man eine Schraube dreht. Diese menschliche Unberechenbarkeit hat schon viele ideologische und ökonomische Theorien zerstört. Und im letzten Jahrzehnt auch den Euroraum.

Denn natürlich hat man bei der Einführung des Euro vorhergesehen, dass sich die Wirtschaft in einzelnen Ländern und Regionen unterschiedlich entwickeln kann. Das hätte sich aber der Theorie zufolge so wie im Dollar-Raum automatisch ausgleichen sollen. Wenn es in den USA in einem Staat oder einer Stadt kriselt, weil beispielsweise mehrere Firmen bankrott gegangen sind, dann reagieren die Menschen: Sie packen ihre Koffer und ziehen an einen anderen Ort.

Dasselbe hätte in Europa passieren sollen. Ist es aber nicht. Das lässt sich in Zahlen gut zeigen: In den USA sind in einem Jahr 2,8 Prozent der Menschen in einen anderen Staat gewandert. In Europa taten das hingegen nur 0,18 Prozent.

Warum hat hier die Mobilitätsmaschine so total versagt? Das hat mehrere Ursachen, derer man sich aber offenbar erst im Nachhinein bewusst wird. Die größte Mobilitätsbarriere war die Sprache. Diese ist in ganz Amerika gleich, in Europa jedoch fast überall anders. Mit der sprachlichen Homogenität  geht in den USA auch eine kulturelle einher. Sie reicht vom Sport bis zum Fernsehen. All das ist in Europa viel unterschiedlicher.

Dass die Mobilität sofort größer wird, wenn die Sprachbarriere wegfällt, zeigen Deutschland und Österreich.
Aber auch die Wohnkultur ist total anders. In Amerika wechselt man Häuser wie die Autos. Das wird dadurch erleichtert, dass für Immobilienkredite nur Grundstück und Haus haften, nicht jedoch der Besitzer. In Europa werden Häuser oft in lebenslanger – und meist auch noch die nächste Generation einschließender – Perspektive gekauft oder gebaut. Überdies bindet die politische Wohnbauförderung die Menschen fast so fest an ihr Heim wie einst die Leibeigenschaft die Bauern an die Scholle.

Noch wichtiger sind die Kollektivverträge: In Europas Krisenstaaten haben die Gewerkschaften trotz stagnierender Produktivität die Lohnkosten überproportional in die Höhe getrieben. Zusammen mit Kündigungsverboten und der Aufblähung von Beamtenheeren hat man so jeden Anreiz zur Mobilität genommen. Auch jene, die keinen Job mehr bekamen – das sind logischerweise in solchen Systemen vor allem die Jungen –, sind meist sozial so gut gebettet, dass sie selten auswandern. Das taten nur die Osteuropäer und Menschen aus der Dritten Welt,  bei denen es kaum Sozialsysteme gibt.

Jetzt haben die Ökonomen für ihre Lehrbücher gelernt: Wenn solche Faktoren die Mobilität verhindern, muss ein gemeinsamer Wirtschaftsraum kollabieren. Aber nachher sind wir ja immer alle gescheiter.

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AA+: Die Regierung tagt - um noch mehr Geld auszugeben

15. Januar 2012 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Seit Freitagabend brennt der AA+Hut. Eine Ratingagentur hat nun auch gleichsam offiziell festgehalten, dass Österreich rapide an Kreditwürdigkeit verliert. Und schon am Montag tritt die halbe Bundesregierung zu einem "Gipfel" zusammen. Lobenswert? Nein, alles andere als das. Man schaue sich an, mit wem sie berät und was Thema ist. Beides ist so provozierend, dass einem diesmal wirklich das oft zitierte Taschenmesser in der Hosentasche aufgeht. (Mit nachträglicher Ergänzung)

Denn die Regierung berät nicht etwa über ein sofortiges und nun erstmals wirklich ernsthaftes Spar- und Sanierungspaket. Sondern sie trifft sich mit drei Privatvereinen, die nicht weniger als 27,9 Millionen Euro für einen schwachsinnigen Zweck fordern. Nach aller politischer Erfahrung ist klar: Sobald sich einmal Bundes- und Vizekanzler samt einigen Ministern mit solchen Lobbyisten an einen Tisch setzen – und das schon zum zweiten Mal in dieser Runde! –, bekommen diese auch zumindest einen Teil ihrer Forderungen durchgesetzt. Sonst bekämen sie gar keinen Termin.

Die Privatvereine, die der Regierung so wie eine demokratisch legitimierte Vertretung gegenübersitzen, sind freilich die Lieblinge der Kronenzeitung, nämlich Global 2000, Greenpeace und Klimabündnis. Sie fordern 27,9 Millionen Euro als Subvention an ausländische Energieanbieter. Deren einzige Gegenleistung: Sie sollen unterschreiben, dass sie kein Atomkraftwerk betreiben. Das nennt sich "Herkunftszertifikate".

Das ist absolut unfassbar. In Tagen wie diesen ist es das noch mehr. Es ist aber total kongruent mit der ja auch von allen Oppositionsparteien betriebenen Anti-Atom-Hysterie.

Der Hintergrund: Nicht nur Deutschland sucht nach der leichtfertigen Abschaltung der meisten Atomkraftwerke im Vorjahr verzweifelt Strom-Lieferanten (auch in der Alpenrepublik). Auch Österreich muss schon seit längerem zeitweise Strom importieren. Es tut dies – solange noch irgendwo überhaupt jemand Strom verkauft – über internationale Strombörsen. Diese funktionieren wie ein großer See: Auf der einen Seite schütten Lieferanten hinein; an anderer Stelle holen sich Käufer etwas heraus.

Natürlich kann in diesem Stromsee niemand den atomar erzeugten Strom von anderen Energiequellen trennen. Es kann ja auch niemand das Wiener Donauwasser nach seinen Ursprüngen aus Inn, Salzach, Brigach oder Breg (und noch einigen Hundert anderen) trennen. Nur die Leser mancher Boulevardzeitungen glauben ja, Atomstrom würde sich unterscheiden und offenbar radioaktiv strahlen. Dass Strom kein Mascherl hat, wissen natürlich alle, die da am Tisch des Bundeskanzleramtes sitzen. Und Österreich wird auch bei Zahlung der 27,9 Millionen weiterhin seinen Strom aus demselben Stromsee importieren.

Über das Geld werden sich die chinesischen Produzenten von Solarpaneelen und die Industriellen-Freunde der Privatvereine freuen können, die sich mit ihren hässlichen Windrädern noch mehr goldene Nasen verdienen können. Um die störenden Kleinigkeiten kümmert sich hingegen längst niemand mehr. Dazu gehört etwa, dass Wind und Sonne den Strom meist an Orten und zu Zeiten liefern, wo es gar keine sonderliche Nachfrage gibt. Oder dass der Bau von Wind- und Solarenergieanlagen neben Zwangsförderungen durch die vergewaltigten Stromkonsumenten auch auf viele Jahre mehr Energie verbraucht, als er erzeugt.

Dass über eine solche absurde Forderung auch nur eine Sekunde verhandelt wird, darf doch nicht wahr sein, werden manche denken. Nun, Zweifler sollten sich nur durchlesen, wie das Bundeskanzleramt diesen „Energiegipfel“ ankündigt (als „Graustrom“ wird dabei Strom aus dem europaweiten Stromnetz bezeichnet, also dem zuvor beschriebenen Stromsee). Diesem Text zufolge wurde „als Ziel vereinbart, dass Maßnahmen gefunden werden sollen, die Atomstromimporte über sogenannten Graustrom nach Österreich vermeiden und die den Ausbau nicht-nuklearer Stromproduktion europaweit unterstützen.“

Unterstützen wir nur ruhig europaweit. Wir haben es ja. Schließlich dauert der Weg von AA+ bis CC sicher noch zwei bis drei Jahre . . .

Nachträgliche Ergänzung: die Regierung hat nun doch noch für Montag einen zusätzlichen Termin zum Downgrading angesetzt. Sie entschloss sich dazu lange nach Erscheinen dieser Anmerkungen. Wer aber die zahllosen beschwichtigenden Stimmen des Wochenendes gehört hat, bis hin zu einer weniger staats- als koalitionstragenden Fernsehdebatte am Sonntagabend, weiß jetzt schon, dass auch dabei nur leere Worte herauskommen werden. Und der skurrile NGO-Gipfel ist jedenfalls nicht abgesagt worden.

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Index of Economic Freedom 2012: Österreich im Sinkflug

12. Januar 2012 13:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Am 12.1. wurde die Ausgabe 2012 des von der amerikanischen Denkfabrik „Heritage Foundation“ zusammen mit dem „Wall Street Journal“ erstellten Index wirtschaftlicher Freiheit veröffentlicht. Wie im Vorjahr liegt die Zahl der in die Wertung aufgenommenen Länder bei 179.

An der Spitze gibt es keine Veränderungen. Unangefochten auf Platz eins liegt erneut Hong Kong, gefolgt von Singapur, Australien und Neuseeland. Die Führungsrolle des pazifischen Raumes im Hinblick auf die wirtschaftliche Freiheit bleibt damit aufrecht. Rang fünf geht wieder an die Schweiz, die sich damit als Oase der Freiheit in einer immer mehr zur Regulierungswüste verkommenden Alten Welt präsentiert.

Auch am Ende der Tabelle hat sich wenig getan: Wieder sitzen die „üblichen Verdächtigen“ – afrikanische Kleptokratien und südamerikanische Bananenrepubliken – im letzten Waggon. Absolutes Schlusslicht bildet das Paradies der werktätigen, hungernden und frierenden Massen, Nordkorea.

Der internationale Durchschnittswert des auf einer hundertteiligen Skala gemessenen Index´ liegt nunmehr bei 59,5 und damit um 0,2 Punkte unter dem Vorjahresergebnis. Die dank der Verschuldungsexzesse der letzten Jahre explodierenden Zinsverbindlichkeiten und die im Zuge der Eurokrise kräftig angezogenen Regulierungsschrauben zeigen ihre Wirkung.

Folgende Kriterien gehen – gleich gewichtet – in die Statistik ein:

Österreichs größter Nachbar und zugleich wichtigster Handelpartner, Deutschland, rutscht von Platz 23 auf Rang 26 ab – eine Folge der Eurokrise. Österreich setzt neue Maßstäbe und verliert gleich 7 Ränge, nämlich von 21 auf 28 (Minus 1,6 Punkte – von 71,9 auf 70,3). Die regierenden Neidgenossen und die ihnen zuarbeitenden Herz-Jesu-Sozialisten von der ÖVP haben ganze Arbeit geleistet!

Dass es sich bei dem im Index gesammelten Datenwust nicht um bloße Fingerübungen gelangweilter Ökonomen und Statistiker handelt, wird bei der Betrachtung ausgewählter Volkswirtschaften deutlich. So konnten etwa Chile (Rang 7) und Mauritius (Rang 8) ihr Ranking in den zurückliegenden Jahren dramatisch verbessern und in die Weltspitzengruppe vorstoßen. In beiden Ländern gelang das durch konsequente Freimarktpolitik und Deregulierung. Parallel dazu kam es in beiden Ländern zu einer deutlichen Erhöhung des allgemeinen Wohlstandsniveaus.

Die mit verstärkter Zentralisierung stets einhergehende Zunahme der Regulierungsdichte hat dagegen einen hohen Preis – wie man etwa am Beispiel Frankreichs erkennen kann, das sich ebenso zentralistisch organisiert wie sozialistisch durchseucht präsentiert (Verlust von 1,6 Punkten gegenüber 2011 und um drei Ränge auf Platz 67 abgerutscht).

Dass wirtschaftliche Freiheit stark mit unternehmerischen Aktivitäten korreliert, ist keine Überraschung. Und dass unternehmerische Aktivitäten die Basis des Wohlstands bilden, sollte ebenfalls einleuchten. Breiter Wohlstand entsteht eben als Folge von Kapitalakkumulation und die dadurch ermöglichte, kostengünstige Produktion marktfähiger Produkte und Dienstleistungen – nicht aber durch hohe Steuern, Regulierungsmaßnahmen und Umverteilungsexzesse. Man braucht daher kein Prophet zu sein, um mit Blick auf das dräuende „Sparpaket“ der Bundesregierung, einen weiteren Rückgang unternehmerischer Aktivitäten (und damit des Volkswohlstandes) für unser Land zu prognostizieren.

Eine politische Führung, die in einem beinahe schon zu Tode regulierten Hochsteuerland weiterhin neue Steuern erfindet – und damit die produktive Elite systematisch entmutigt oder außer Landes treibt, leistet besonders dem in Sonntagsreden so gerne beschworenen „kleinen Mann“ einen Bärendienst.

Der gesamte Report findet sich zum Herunterladen unter der Adresse: http://www.heritage.org/Index/pdf/2012/book/Index_2012.pdf

Wer sich mit den „Highlights“ begnügt, wird hier fündig: https://thf_media.s3.amazonaws.com/index/pdf/2012/Index2012-Highlights.pdf

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien

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Senkt die Steuern!

12. Januar 2012 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Schizophrenie der derzeitigen Diskussion ist unerträglich. Täglich wird nach Wachstum verlangt, zugleich hören wir täglich neue Vorschläge, welche Steuer eingeführt und welche erhöht werden solle; jede dieser Forderungen wird absurderweise mit „Gerechtigkeit“ begründet. Völlig verstummt ist hingegen das Anliegen einer Steuersenkung; niemand wagt es mehr, es als ungerecht zu bezeichnen, dass Österreich bei der Steuer auf Einkommen weit über den anderen Staaten liegt.

Die Höhe dieser Steuer richtet aber schweren Schaden an, am Wachstum wie an der Summe der Staatseinnahmen. Sie ist entscheidend bei der Absage von Spitzenkräften – ob Wissenschafter, Ingenieure oder sonstige Leistungsträger – an Job-Angebote aus Österreich. Internationale Manager verlieren das Interesse, einen Firmensitz nach Österreich zu verlegen, sobald sie hören, dass sie selbst dort 50 Prozent Steuern zahlen müssen (die Tricks mit dem 13. und 14. Gehalt durchschauen ja nur Inländer). Dementsprechend geht die Zahl der Europazentralen internationaler Konzerne in Wien ständig zurück. Gilt doch in anderen mitteleuropäischen Ländern eine Flat Tax von 15, 16 oder 19 Prozent. Und die Telefone funktionieren dort längst so gut wie in Wien.

Die Initiative proMarktwirtschaft (eine der erfreulichsten Entwicklungen der letzten Zeit) hat einen weiteren Schaden der hohen Einkommensteuer analysiert: den Brain Drain. Immer mehr der tüchtigsten jungen Österreicher wandern aus. Und lassen sich – trotz teurer Initiativen der Regierung – angesichts der Steuerlast fast nie mehr zurückholen. Sie genießen die niedrigeren Steuern des Auslandes und haben kein Problem damit, dass man dort ein paar Jahre länger arbeiten muss (und darf!).

Besonders schwachsinnig ist die von Sozialdemokraten, aber erstaunlicherweise auch von einigen sonst klugen Jungliberalen vorgeschlagene Akademikersteuer. Denn eine solche würde ja noch mehr der besten Uni-Absolventen vertreiben! Einmal im Ausland werden diese nur noch über die Wünsche aus Österreich lachen, dass sie solcherart für die Unis spenden sollten – nur weil es hier populistische Parteien aus Feigheit verhindert haben, dass jeder für sein Studium auch zahlt.

Besonders absurd wäre eine Akademikersteuer, sollte sie wie vorgeschlagen nur für Besserverdienende gelten: Dann würden Absolventen der allerunnötigsten, aber massenweise belegten Studien in der Regel nichts zahlen – im Gegensatz zu jenen mit schweren, aber dringend benötigten Ausbildungen. Das wäre also ein zusätzlicher Anreiz, falsche, aber leichte Studien zu belegen. Studiengebühren zwingen hingegen zu viel besser überlegter Studienwahl.

Vernünftige Politik senkt die Einkommensteuern, sie verflacht die steile Progression und reduziert auch notwendigerweise den Spitzensatz. Dann – und nur dann – kann man auch über die vielen Erhöhungsideen nachdenken und über den Schaden, den jede einzelne anrichtet.

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Eine sozialdemokratische Bankenpolitik

06. Januar 2012 01:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war das krönende Gaunerstück sozialdemokratischer Bank- und Finanzpolitik. Nun schlägt ihrem letzten Überbleibsel, dem Name „Bank Austria“, die letzte Stunde.

Die selbst in katastrophalen Turbulenzen befindlichen italienischen Eigentümer haben offiziell klargemacht, dass die Marke „Bank Austria“ europaweit ausgelöscht und durch „Unicredit“ ersetzt wird. Damit wird bald die letzte Spur der linken Bankenpolitik vom Winde verweht sein.

Die einstige Gewerkschaftsbank Bawag heißt zwar noch so – aber längst haben dort sehr „kapitalistische“ Amerikaner das Sagen. Daher gehört auch sie in die lange Reihe der roten Bankgrabsteine mit einst so tollen Namen wie „Creditanstalt“, „Zentralsparkassa“ oder „Länderbank“.

Nie ist ein ideologisch-machtpolitisches Konzept krasser gescheitert: Partei und Gewerkschaft (aber auch gar nicht so wenige in anderen Parteien) hatten jahrzehntelang geglaubt, dass es sinnvoll, ja unverzichtbar wäre, wenn der Staat die wichtigsten Banken besitzt. Nur so wäre den Interessen von Sparern und Kreditnehmern am besten gedient.

In Wahrheit aber dienten all diese Banken primär den Interessen der Partei und den jeweiligen politischen Machthabern. Sie machten viel zu oft Geschäfte aus partei- oder strukturpolitischen statt kaufmännischen Motivationen. Die Staatsbanken waren vor allem in der Kreisky/Androsch-Zeit von der Politik immer wieder gezwungen worden, marode Industriebetriebe zu „retten“. Was viele Milliarden auf Nimmerwiedersehen verbrannte.

Überdies regierten in die Bank Austria – solange diese vom Rathaus kontrolliert worden ist – viel zu stark die Betriebsräte hinein. Mitarbeiter waren unkündbar. Wenn man sie wirklich nicht mehr brauchte, wurden sie schon mit 50 Jahren zu fürstlichen Konditionen frühpensioniert. Ein Bank“beamter“ hatte einen ebenso sicheren und bequemen Job wie ein wirklicher Beamter – aber deutlich bessere Bezüge.

Die völlige Unfähigkeit der Politiker als Bankeneigentümer kann man auch bei den diversen Landesbanken ablesen: Sie sind fast alle schwer leck geschlagen. Vom roten Burgenland über das blau/orange Kärnten bis zum schwarzen Tirol zieht sich eine immens teure Spur völligen Versagens der politisch eingesetzten Manager und der Politiker als Eigentümerdarsteller. Politiker haben eben eine ganze andere Motivationslage als ein echter Eigentümer: Sie wollen nicht das Eigentum langfristig sichern, sondern die nächsten Wahlen gewinnen. Das machte die Betriebsräte wichtiger als die Bilanz. Das führte zu einer totalen Aversion gegen die Schließung unrentabler Betriebe.

Auch in Deutschland sind es vor allem die politisch kontrollierten Landesbanken, die vom Steuerzahler aufgefangen werden mussten.

Hingegen sind selbst in der jüngsten Krise die Privatbankiers – also der Inbegriff des von linken Ideologen so verdammten Kapitalismus – weitestgehend unbeschädigt geblieben. Und damit auch deren Kunden.

Zurück zur Bank Austria: Es war eine der schwersten innenpolitischen Krisen der 90er Jahre, als die SPÖ die damals noch blühende Creditanstalt der von der Gemeinde Wien kontrollierten „Bank Austria“ zuschanzte. Das geschah gegen den Widerstand des ausgetricksten schwarzen Koalitionspartners, der darin eine echte Gauneraktion sah. Dadurch wurde das Vertrauensverhältnis so sehr beschädigt, dass dann beim nächsten Mal auch die Koalition kaputt war.

Damit war es den Genossen noch einmal gelungen, eine Privatisierung der größten Bank des Landes zu vermeiden, ja ins Gegenteil zu pervertieren, obwohl eine solche in der Regierung besprochen worden war. Und diese fusionierte Bank Austria konnte durch Ausnutzung der stillen Reserven der Creditanstalt auch noch ein paar Jahre dem äußeren Anschein nach gut leben.

Aber das Management – man erinnere sich nur an die üble Rolle eines Herrn Randa –, eine machtbewusste Betriebsratschefin und ein Michael Häupl als oberster Eigentümer waren geradezu Garantie, dass die Bank nach ein paar Jahren endgültig verkauft werden musste. Diesmal ins Ausland. Sie wurde freilich wieder nicht echt privatisiert, sondern an eine bayrische Staatsbank weiterverkauft. Aber auch die war in Wahrheit schwach auf der Brust und wurde samt der österreichischen Beute – und insbesondere samt dem großen Netz der Bank Austria in Osteuropa nach Italien weiterverkauft.

Das war dann zwar eine echte Privatisierung. Aber auch die italienische Unicredit hatte sich offenbar überhoben. Sie laboriert heute aber vor allem an dem dramatischen Kursverlust italienischer Staatspapiere in ihren Tresoren. Sie braucht dringend frisches Blut – und findet dieses nur noch, indem sie weitere Aktien auflegt und zu einem Schleuderpreis verkauft (Mutatis mutandis übrigends ist das übrigens eine ähnliche Masche, wie die Europäische Zentralbank den Euro „rettet“).

Das Ergebnis: Heute sind alle einstigen „Garantien“ und „Schwüre“ der Politik Schall und Rauch, dass wenigstens der Name – und seine patriotische Herzen erhebende Präsenz in Mittelosteuropa – garantiert seien und überleben müssen. Randa und Betriebsrätin, also zwei der drei Totengräber, sind längst verschwunden. Wenn auch zu splendiden Konditionen.

Der für das Schicksal der Bank hauptverantwortliche Bürgermeister ist zwar theoretisch noch vorhanden, aber praktisch ist er das nicht mehr. Er schweigt (beschämt?) und tröstet sich mit seiner neuen Frau und dem Alkohol.

Inzwischen ist die Partei aber ohnedies auf den Faymann (und seinen Niko) gekommen. Und dieser Bundeskanzlerdarsteller hat eine neue Bankenpolitik: Er versucht nun, auch die lebensfähigen Nichtstaats-Banken umzubringen. Da es schon nicht gelingt, dort wieder Politiker einzuschleusen, macht er dies mit neuen Börsen- und Bankensteuern. Für die er auch frappierenderweise die Unterstützung der Pröll-ÖVP gefunden hatte. Und die FPÖ hetzt sowieso am liebsten gegen die Banken.

Aber immerhin hat Faymann für seine Bankraubpolitik auch ein großes Vorbild: den Ungarn Orban, der die Banken noch mehr ausnimmt als er. Dass die ungarische Wirtschaftspolitik nicht sonderlich erfolgreich ist, hat sich ja offenbar noch nicht wirklich herumgesprochen.

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Wo Wien wirklich sparen könnte

04. Januar 2012 00:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ganz Österreich spricht vom neuen Spar/Steuerpaket der Bundesregierung. Irgendwie ist man es zwar schon seit vielen Jahren gewohnt, dass uns ein solches Paket notgedrungen alle ein oder zwei Jahre auf den Kopf fällt – auch wenn es diesmal deutlich heftiger zu werden droht. Das Groteske ist, dass es in den meisten Bundesländern nie solche Sparpakete gibt, auch wenn sie sich rapide verschulden wie etwa das Land Wien (obwohl Wien sowohl die Steueranteile eines Bundeslandes wie auch die einer großen Gemeinde kassiert).

Dabei gäbe es hier gewaltige Einsparungspotenziale. Dennoch setzt niemand das Rathaus unter Druck, endlich mit dem Sparen dort zu beginnen, wo es wirklich leicht ginge.

Dies wäre etwa bei den Gehältern der Wiener Beamten der Fall, die über denen allen anderen Beamten in Bund oder Ländern liegen; oder bei den skandalösen Inseratenfluten aus dem Gemeinde-Imperium, auf denen die linken Propagandazeitungen von „Heute“ bis „Falter“ schwimmen können; oder bei den Kultursubventionen an Theater, die zwar leer stehen, deren Betreiber aber politisch immer richtig denken und reden; oder bei den Geldern für den unter schweren Korruptionsvorwürfen stehenden und viel zu spät suspendierten Chef der (vom Publikum ohnedies komplett gemiedenen) Wiener Kunsthalle.

Und vor allem bei den unzähligen Subventionen für befreundete Linksvereine. Wenn man sich die auch nur in einem kleinen Auszug anschaut, dann fragt man sich ja, ob die Partei in Wien für ihre politische Arbeit und Stimmungsmache überhaupt noch ein eigenes Budget braucht.

Hier zur Illustration eine Auswahl von Vereinen, die in einer einzigen(!) Gemeinderatssitzung des abgelaufenen Jahres mit Steuergeld bedacht worden sind (der Gemeinderat hatte aber natürlich noch viele weitere Sitzungen, deren Protokolle sämtliche Längen der zugegebenermaßen ohnedies oft langen Tagebucheintragungen sprengen würden):

Subvention an den Verein Projekt Integrationshaus für 2011 in der Höhe von 199.583€.

Subvention an die Interface Wien GmbH in der Höhe von 2,920.882€.

Subvention an Diakonie-Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH in der Höhe von insgesamt 45.825€.

Subvention an den Verein ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus Arbeit in der Höhe von 86.935€.

Subvention an den Verein Station Wien - Verein zur Förderung des kulturellen Austausches zwischen In- und Ausländern in der Höhe von 643.942€.

Subvention an den Verein Schwarze Frauen Community für Selbsthilfe und Frieden in der Höhe von 22.000€.

Subvention an den Verein Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen in der Höhe von 367.999€.

Subvention an den Verein Miteinander Lernen - Birlikte Ö?renelim Beratungs-, Bildungs- und Psychotherapiezentrum für Frauen, Kinder und Familien in der Höhe von 132.692€.

Subvention an den Verein Helping Hands Koordinationsbüros für integrative und antirassistische Projekte in der Höhe von 30.500€.

Subvention an den Verein für Beratung ausländischer Schülerinnen bzw Schüler in Wien 15 REBAS 15 in der Höhe von 52.078€.

Subvention an den Verein Vereinigung für Frauenintegration Amerlinghaus in der Höhe von 63.678€.

Fortführung des Integrations- und Diversitätsmonitorings, die Erstellung eines Wiener Integrations- und Diversitätsmonitors 2011 der Stadt Wien und die Durchführung des Diversitätsmonitorings sowie die Berichterstellung durch einen externen Auftragnehmer mit Gesamtkosten in der maximalen Höhe von 100.000€.

Subvention an den Verein LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen in der Höhe von 102.266€.

Subvention an den Verein Peregrina - Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigrantinnen in der Höhe von 163.618€.

Subvention an den Verein Piramidops in der Höhe von 86.019€.

Subvention an den Verein WUK - Verein zur Schaffung offener Kultur- und Werkstättenhäuser in der Höhe von 37.301€.

Subvention an den Verein Orient Express - Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen in der Höhe von 84.096€.

Förderung an den Verein Orient Express - Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen in der Höhe von 89.500€ (die zweimalige Subvention ist kein Schreibfehler).

PS.: Natürlich kriegen diese linken Vorfeldvereine das Geld in aller Regel alljährlich. Die hier aufgezählte Liste wäre nach dem Ablaufplan des Vorjahres schon wieder im Jänner zum Abkassieren dran. Man hat zwar zu wenig Geld für die Gesundheitsversorgung, aber genug für Privatvereine, deren Hautzweck oft nur darin besteht, die Österreicher regelmäßig als Rassisten zu denunzieren.

PPS.: Diese Beträge sind keine Peanuts. Allein in dieser einzigen Sitzung hat man allein für die genannten Vereine mehr als ein Drittel jenes Betrags verschwendet, der notwendig wäre, um alle vor kurzem so dramatisierten AKH-Probleme zu lösen.

PPPS.: Niemand soll bitte glauben, dass er auch so viel Geld bekäme, wenn er nur Frauen, Ausländer, Kultur, Antirassismus, Integration und ähnliche Stichworte in seinen Antrag schreibt. Um so bedient zu werden muss man primär tief in den roten und grünen Netzwerken stecken.

PPPPS.: Trotz der unglaublichen Verschwendung in Wien hat die Stadt in den letzten Monaten den größten Raubzug der Nachkriegsgeschichte auf die Brieftaschen der Wiener durchgeführt. Noch schlimmer als all die provozierenden 33- und 66-prozentigen Gebührenerhöhungen ist die geradezu grenzdebile Anhebung der sogenannten U-Bahn-Steuer. Denn die ist für jeden in Wien Berufstätigen zu entrichten. Und das am Beginn einer schweren Rezession! Das muss einem in seiner Abcash-Gier erst einfallen, in Zeiten einer absackenden Konjunktur und zunehmenden Arbeitslosigkeit jeden einzelnen Arbeitsplatz vermehrt zu besteuern. Und das ausgerechnet in jenem Bundesland mit der ohnedies schon weitaus höchsten Arbeitslosigkeit Österreichs. Das wird die Bereitschaft irgendeines Arbeitgebers, in Wien noch jemanden neu anzustellen, mit Sicherheit noch weiter reduzieren. Aber die Schuld an der Arbeitslosigkeit schiebt man dann ja mit Hilfe der bestochenen Medien wieder dem Bund oder sogenannten Spekulanten zu.

 

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Ein historischer Paradigmenwechsel

03. Januar 2012 17:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die medialen Rückblicke auf das abgelaufene Jahr haben uns mit einer Fülle von interessanten wie überflüssigen Daten überhäuft. Das aber, was wahrscheinlich einst als weitaus Wichtigstes an den vergangenen Monaten in die Geschichtsbücher eingehen wird, ist nirgendwo herausgearbeitet worden. Es ist ein absolut historischer Paradigmenwechsel, der zwar nicht mit einem bestimmten Tag zu verknüpfen ist, der aber 2011 seinen Kulminationspunkt erreicht hat.

Er besteht in einer zentralen Erkenntnis, die sich wie ein Lauffeuer verbreitet hat: Der Wohlfahrtsstaat funktioniert nicht mehr. Er hat sich wie die Brot-und-Spiele-Politik der römischen Cäsaren als nicht nachhaltig aufrechterhaltbares Pyramidenspiel entpuppt, das im alten Rom ebenso wie im Nach-Weltkriegs-Europa nur noch zum befristeten Machterhalt einer ausgelaugten politischen Klasse gedient hat. Das aber irgendwann zusammenbrechen musste.

Denn parallel mit dem wirtschaftlichen Kollaps schwirren ja auch noch andere, aus der Geschichte ebenfalls gute bekannte Todesengel über Europa, die letztlich nur andere Ausformungen der Wohlfahrtsillusion sind. Der eine trägt die Botschaft: „Europa ist nicht mehr imstande, sich selbst zu verteidigen“. Es wechselt fast überall von der Wehrpflicht zu einem Söldnersystem.Dabei müssen aber heute schon etliche europäische Länder verzweifelt im Ausland nach potenziellen Soldaten suchen. Aber alle historischen Exempel beweisen: Völker, die nicht mehr die Kraft zur Selbstverteidigung haben, gehen unter; ausländische Söldner kassieren zwar gerne, sterben aber nur sehr ungern für fremde Menschen.

Eine zu Recht entsorgte Kultur

Der andere Todesengel, der am Grab des Wohlfahrtsstaates lauert, verkündet: „Europa stirbt durch einen Geburtenstreik aus.“ Diesen Streik kann man seit 40 Jahren an den viel zu geringen Geburtenzahlen ablesen. Eine Generation, die nur noch zum selbstsüchtigen Genuss ohne die Last der Kinderaufzucht imstande ist, geht ohne Nachfahren rasch zugrunde. Sie wird lieblos entsorgt werden. Die Geschichtsbücher werden dazu nur sagen: Zu Recht.

Natürlich gibt es noch Menschen, die noch eine Zeitlang an der Wohlfahrtsillusion festhalten wollen. Dies tun vor allem jene Politiker und insbesondere Gewerkschaftsfunktionäre, die dieser Illusion die eigene Machtstellung verdanken. Etliche von ihnen suchen noch immer nach Tricks, mit denen die Wohlfahrts-Mühle noch weiter angetrieben werden kann. Sie tun das in jedem europäischen Land mit unterschiedlichem, aber generell zwangsläufig abnehmendem Erfolg.

Der Kern der Illusion hat in dem Glauben an die Überlebensfähigkeit einer Gesellschaft bestanden, die immer mehr Menschen immer mehr Wohltaten ohne Gegenleistung zukommen lässt: immer längere und immer sinnlosere Gratisstudien und Scheinausbildungen; immer kürzeres Arbeiten; immer mehr Förderungen zur Bedeckung aller möglichen, oft künstlich geschaffenen Ansprüche und Bedürfnisse; immer bessere Gesundheitsversorgung; immer längere Rentenbezüge; immer mehr Möglichkeiten, auch schon vor dem Rentenalter auf Kosten anderer zu leben.

Wer aber sind diese anderen? In den ersten Nachkriegsjahren hatte der Antrieb der Wohlstandsmühle durch das hohe Wachstum des Wiederaufbaus funktioniert. Später war es hilfreich, dass als Spätfolge des Krieges und des Babybooms relativ wenige Pensionisten zu versorgen waren. Dann hat das System durch immer höhere Besteuerung funktioniert.

Doch auch diese ist längst an eine Grenze angekommen. Die allermeisten Steuererhöhungen bringen nur noch ein Minus in die öffentlichen Kassen. Jüngstes und besonders anschauliches Musterbeispiel ist die österreichische Kursgewinnsteuer, welche die Umsätze an der Wiener Börse dramatisch einbrechen hat lassen. Das hat Kapital und Kapitalsucher natürlich prompt ins Ausland vertrieben. Das hat natürlich dem gesamten österreichischen Steueraufkommen schwer und dauerhaft geschadet.

Der Gutmenschtrick

Dasselbe lässt sich auch bei fast jeder anderen Steuerform auch für fast jedes andere Land durchdeklinieren.

Das gilt besonders bei jeder Form einer Reichensteuer. Denn die Reichen sind ja meist an ihrem Geld interessiert (wer einem Buffet, einem Soros oder einem Haselsteiner glaubt, dass diese nicht an ihrem Geld interessiert wären, ist einem besonders simplen Schmäh, dem sogenannten Gutmenschtrick, ihrer PR-Berater zum Opfer gefallen). Die Reichen sind aber auch meist durchaus intelligent (sonst wären ja nur die wenigsten von ihnen reich geworden) und finden am schnellsten Wege, ihren Reichtum so zu verlagern – meist in andere Länder –, dass ihn die gierigen Steuereinheber nicht erwischen können.

Daher ließ sich in den letzten Jahren die auf historischem Rekordniveau befindliche Abgabenquote in kaum einem europäischen Land mehr erhöhen. Da blieb der Politik nur noch ein Ausweg: Die sich immer schneller drehende Wohlfahrtsmühle auf Schulden zu finanzieren. Das ging etliche Zeit gut. Es gab sogar einige sogenannte, schwer ideologisierte Wirtschaftsforscher, die ein Loblied auf die Schuldenwirtschaft sangen.

2011 aber sind die Geldverleiher endlich zur späten Erkenntnis gekommen, dass die sich immer verschuldenden Staaten wahrscheinlich ihre Kredite nicht zurückzahlen können. Und sie drehten folgerichtig den Geldhahn für die meisten europäischen Staaten zu. Sie taten dies vor allem ab jenem Zeitpunkt im globalen Gleichschritt, als die EU plötzlich dekretierte, dass eines ihrer Mitgliedsländer seine Anleihen privaten Anlegern nur noch zur Hälfte zurückzahlen müsse.

Die Goldmünzen aus Blech

Damit scheint die Wohlfahrtsillusion endgültig ausgedient zu haben. Oder doch nicht? Die Politik zauberte in diesem Augenblick genau jenen Trick hervor, den schon fast alle historischen Fürsten, Könige und Kaiser knapp vor dem Zusammenbruch praktiziert haben. Historisch wurde der Edelmetallgehalt der Münzen immer mehr ausgedünnt, also das Geld immer weniger wert. Das bedeutet in der Gegenwart den Beschluss, unbegrenzt Geld zu drucken. Was ebenfalls zwangsläufig zur Geldentwertung führt. Die amerikanische Notenbank beschloss dies einige Monate früher, die Europäische Zentralbank ganz am Ende des Jahres.

Die EZB tut dies dadurch, dass sich alle europäischen Banken bei ihr praktisch unbegrenzt und praktisch unentgeltlich ohne ausreichende Pfänder langfristig Geld ausleihen konnten.

Der technische Weg des Gelddruckens ist aber ohnedies fast gleichgültig. Was viel entscheidender ist: Die Notenbanker haben damit jedenfalls die Illusion ihrer Unabhängigkeit, ihrer Orientierung am Geldwert zerstört. Sie sind schwächliche Erfüllungsgehilfen verzweifelter und daher zum letzten entschlossener Politiker.

Das Gelddrucken der EZB – die bezeichnenderweise unter einem italienischen(!) Chef steht – hat natürlich zu Jahresende noch einmal eine belebende Wirkung gehabt. So wie es davor bei der amerikanischen Fed der Fall war. Ähnlich werden ja auch Rauschgiftsüchtige noch einmal glücklich, wenn mitten in die Qualen einer Entziehung doch noch eine Lieferung des Giftes platzt. Sogar Italien konnte in dieser mit Geld überschwemmten Banklandschaft in der letzten Jahreswoche seine abgereiften Anleihen wieder refinanzieren.

Das ändert natürlich nichts mehr an der weiteren Entwicklung. Denn die Menschen, die Wirtschaft und vor allem das Ausland werden sehr rasch merken, dass Euro wie Dollar eine beliebig vermehrbare Masse geworden sind. Ein solches Geld spart man nicht, sondern will es schnellstmöglich wieder loswerden. Von Spielzeugwährungen wie dem ungarischen Forint gar nicht zu reden. Das muss zwangsläufig zu einem weiteren Anstieg der Inflation führen. Dieser Anstieg wird sich nicht mehr in der bisherigen Dimension von dem einen oder anderen Zehntelprozent pro Monat bewegen.

Jeder konsumiert noch rasch und dann eilt der Tod herbei

Eine rapide steigende Inflation führt zwangsläufig zu einem Schwinden aller Ersparnisse, zu weiterer Kapitalflucht und damit zu einem nicht mehr abwendbaren Crash. Jeder konsumiert rasch noch einmal, niemand investiert mehr.

Seit 2011 sagen das nicht mehr nur ein paar neoliberale Skeptiker. Die Erkenntnis ist Allgemeingut der Bürger geworden. Womit wir wieder beim Beginn dieser Überlegungen sind: Die Bürger sind empört über das Zusammenbrechen der ihnen jahrzehntelang von praktisch allen Parteien gegebenen Wohlfahrtsversprechen und Sicherheitsgarantien. Sie sind aber auch zornig auf sich selbst, weil sie diese Lüge einer ewig gefüllten Wundertüte geglaubt haben.

Werden die Bürger nun Fünf nach Zwölf auch die schmerzhaften Konsequenzen eines Scheitern des Wohlfahrtsstaates hinnehmen? Oder werden sie sich in irgendwelche radikalen, aber perspektivenlosen Abenteuer stürzen? Werden sie noch einmal den Politikern mit ihren verlogenen Sündenbockkonstruktionen glauben, dass die Banken, die Reichen, die Spekulanten, die Juden, die Unternehmer und wer sonst immer schuld seien? Wird es auch in anderen Ländern mutige Politiker wie Mario Monti geben, die dort vielleicht sogar schon Fünf vor Zwölf den Wohlfahrtsstaat beerdigen und den Staat retten?

Die Hoffnung ist klein, aber sie stirbt zuletzt.

 

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Die Schuldenkrise und das Wurstpapier

01. Januar 2012 07:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Voll des Katzenjammers oder der Walzerglückseligkeit? Wie auch immer: Es gibt etlichen Grund, dem angefangenen Jahr mit Skepsis entgegenzublicken. Und zwar aus seriöseren Gründen als wegen irgendwelcher angeblicher Prophezeiungen eines skurrilen Maya-Kalenders, mit dem sich auch angeblich seriöse Blätter neuerdings intensiv befassen.

Die gravierendsten Sorgen hängen natürlich mit der gigantischen Schuldenkrise in Europa und den USA zusammen. Haben doch allein die EU-Staaten bisher schon 1872 Milliarden Euro an Haftungen für die Schuldennationen übernommen. Nur zum Vergleich der Größenordnungen: Österreich will im begonnenen Jahr rund 74 Milliarden ausgeben, also 4 Prozent dieses Betrags. Das heißt: Wenn die Haftungen auch nur zum Teil schlagend werden (was eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit hat), dann bebt in ganz Europa die Erde. Dann werden nicht nur alle Regierungen aus dem Amt gejagt werden. Dann wird noch viel mehr kollabieren. Daher sollte sich niemand mehr durch die beschwichtigenden Aussagen der Politik einlullen lassen. In Wahrheit gibt es nur drei Wege, die Krise zu lösen: Erstens durch tief ins Fleisch schneidende Sparmaßnahmen (was trotz allem noch der sanfteste Weg wäre); zweitens durch den offiziellen Bankrott mehrerer Staaten (mit unabsehbaren Domino-Katastrophen im In- und Ausland); und drittens durch Entsorgung der Schulden via Megainflation (deren Folgen schon in der Zwischenkriegszeit ungeheuerlich waren).

Die nächste Sorge ist gegenüber diesem Thema zweifellos eine winzige. Sie zeigt aber, dass manche Politiker noch immer nicht verstanden haben, dass die Verjubeljahre vorbei sind. Denn Wirtschafts(!)minister Reinhold Mitterlehner hat eine Debatte über die Einführung des sogenannten Papa-Monats vom Zaun gebrochen. Als ob dadurch auch nur ein einziges Kind mehr zur Welt kommen würde. Der oberösterreichische Populist hat zwar offengelassen, wie die Sache finanziert wird. Aber letztlich ist es ja gleich, ob das letztlich Arbeitgeber, Steuerzahler oder Sozialversicherung sind. Überall ist Sparen dringend angesagt und nicht das Erfinden noch weiterer Sozialleistungen.

Eine noch viel schlimmere Realitätsverweigerung betreibt die SPÖ. Ihre Steuererhöhungspläne (oder die ihrer Ratgeber aus der geschützten Werkstätte Arbeiterkammer) würden Österreich in eine Megakrise treiben. Wer Unternehmenssteuern wie die KöSt noch weiter erhöht, der treibt Firmen und Arbeitsplätze im Expresstempo aus dem Land (Werden hingegen Wohlfahrtsleistungen reduziert, würden nur etwas weniger Sozialmigranten ins Land kommen und einige Menschen mehr sich durch Arbeit statt Sozialleistungen zu ernähren versuchen). Ich habe in den letzten Wochen die 24 Steuererhöhungspläne der SPÖ immer wieder durchackert, ob da nicht wenigstens irgendein Punkt ohne schädliche Auswirkungen dabei ist. Ich fand einen einzigen: Die Besteuerung des Wertgewinns bei Grundstücksumwidmungen. Aber auch die wird nicht so viel bringen, wie die SPÖ erwartet. Denn in der Regel haben die meisten Gemeinden bei solchen Umwidmungen schon immer mitgeschnitten, vor allem in der Form von unentgeltlichen Abtretungen eines Teils des durch den Umwidmungsbeschluss wertvoller gewordenen Grundes. Diese versteckten Steuern werden dann natürlich ausbleiben. Und von den illegalen wollen wir ja gar nicht reden . . .

Dass die SPÖ und ihre grünen Trabanten das Abkassieren jedenfalls todernst meinen, sieht man ja an ihrem Verhalten in Wien: Die Flut der Gebührenerhöhungen – bis zu 66 Prozent – ist eine einzige Attacke auf den Wirtschaftsstandort Wien und ein Vorbote der offensichtlich geplanten Inflationierung.

Ein besonders großes, auch für Österreich bedrohliches Sorgenkapitel in der Schuldenkrise heißt Ungarn. Gewiss ist dessen Krise durch die hemmungslose Verschwendungspolitik der bis vor kurzem regierenden Sozialdemokraten ausgelöst worden. Die Sanierungsmethoden der neuen Rechtsregierung sind aber ebenso schadensvermehrend wie selbstbeschädigend. Denn wenn man ausländische Investoren und Banken in noch höherem Ausmaß als Österreich ausraubt, dann braucht man sich über die Konsequenzen nicht zu wundern. Kein Ausländer wird mehr in Ungarn investieren, und die Banken schon gar nicht. Das wird der ungarischen Bevölkerung noch mehr schaden, als wenn Viktor Orban gleich ehrlich zu sparen angefangen hätte. Was eben nur bei den eigenen Ausgaben und den eigenen Bürgern möglich ist. Selten ist ein populistisch-chauvinistisches Wirtschaftskonzept so rasch gegen eine Wand gedonnert wie in Ungarn. Vielleicht ist das auch H.C.Strache eine Warnung, der recht schlicht plakatieren lässt, dass man sich bei „Banken und Spekulanten“ das fehlende Geld holen könnte.

Ein zumindest unverständliches Signal ist die starke Steigerung der Topmanager-Bezüge in Staatsbetrieben über die letzten vier Krisenjahre. Bezeichnenderweise hat bis heute niemand eine Begründung für diese vom Rechnungshof zum Jahresende konstatierte Entwicklung auch nur zu formulieren versucht. Es zeigt sich: Wo der Staat drinnen ist, wird immer Geld verschwendet.

Bezeichnend und deprimierend ist auch die Reaktion der SPÖ-Ministerin Heinisch-Hoseck auf diese Rechnungshof-Statistik: Sie kritisierte nicht etwa die Gehaltssteigerungen, sondern die Tatsache, dass Frauen noch immer trotz steigenden Anteils dabei deutlich zurückliegen. Unverschämter geht’s kaum mehr.

Die Dummheit der Regierung zeigt sich auch an einem einst mit viel Fanfaren begleiteten Projekt, an der Rot-Weiß-Rot-Card. Diese sollte die dringend benötigten Fachkräfte und Leistungsträger anstelle der Sozialmigranten ins Land holen. Die Bilanz: Nicht einmal 500 solche Rot-Weiß-Rot-Karten sind ausgestellt worden, darunter sind zweifellos viele Empfänger, die auch nach der früheren Rechtsordnung von ihren Firmen nach Österreich geholt worden wären. Das Ganze war also ein Riesenflop. Dieser war für jeden marktwirtschaftlich Denkenden von vornherein klar: Wenn ein Land die weitaus höchsten Spitzensteuersätze in ganz Mitteleuropa abkassiert, schreckt das potenzielle Leistungsträger und Fachkräfte mehr ab, als jede bunte Karte anzulocken imstande ist. Und wenn ein Land in unglaublicher Freizügigkeit an jeden neugekommenen Zuwanderer Sozialleistungen verteilt, dann werden halt auch weiterhin in großer Zahl Sozialmigranten nach Österreich kommen. Aber bei uns wollen viele Politiker den Spitzensteuersatz ja noch weiter erhöhen . . .

Eine ärgerliche Frechheit des ablaufenden Jahres waren die geheimgehaltenen Machtverhältnisse bei der dank der Unterstützung vor allem durch die Wiener SPÖ sehr erfolgreichen Gratiszeitung „Heute“. Sie glaubte, die vermutlich bevorstehende volle Offenlegungspflicht eines Medieneigentümers durch einen schlichten Trick umgehen zu können: Karitative Einrichtungen wurden als Begünstigte bezeichnet. Einige Medien ließen sich dadurch tatsächlich blenden. Freilich weiß jeder Stiftungs-Experte, dass solche Begünstigungen in jedem Stiftungsvertrag für den Fall stehen, dass die Stiftung aufgelöst wird. Nur wird das bei einer Zeitungs-Stiftung mit Sicherheit nicht passieren, solange das Blatt nicht bankrott ist. Die wahren, nach wie vor verschleierten Finanzierungs- und Machtverhältnisse haben mit dieser rein formalen „Begünstigung“ jedoch überhaupt nichts zu tun. Was man schon daran ablesen kann, dass der angeblich begünstigte Verein „Rettet den Stephansdom“ von seinem Glück (das sich ohnedies nie in einem einzigen Spenden-Euro niederschlagen wird) nicht einmal etwas wusste . . .

Und schließlich zu unseren Gesetzgebern. Sie haben so viele blöde und unnötige Beschlüsse gefasst, dass diese gar nicht mehr überblickbar sind. Dazu zählt etwa die skandalöse und gegen das Versmaß verstoßende Umdichtung der Hymne als Folge der Kulturlosigkeit und Feigheit der gewählten Volksvertreter gegenüber einigen Feministinnen in der Sinnkrise; die Verteuerung des allerschlechtesten ORF-Programms aller Zeiten samt Ausdehnung der Zahlungspflicht auf alle jene, die den Gebührensender gar nicht empfangen können; die Erlaubnis, dass auch kleine Menschen künftig Polizist werden dürfen, obwohl die Bevölkerung im Schnitt um zehn Zentimeter größer geworden ist (das Einschreiten von Zwergpolizisten in Krisenszenen wird wohl nicht sonderlich abschreckend sein); und last, not least die allerwichtigste Regel, auf die wir schon so lange gewartet haben: Ab nun darf beim Wursteinkauf das Papier nicht mehr mitgewogen werden. Was irgendeinen Superdiskonter wohl bald veranlassen wird, uns zum Mitbringen des eigenen Verpackungspapiers aufzufordern.

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Heute nur wirklich Positives

31. Dezember 2011 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ganze Jahr über haben negative und besorgte Themen im Tagebuch dominiert. Zum Jahresende habe ich mich daher gezielt auf die Suche nach Positivem gemacht. Und erstaunlich viel gefunden: bei mutigen zilvilgesellschaftlichen Initiativen, bei Salzburger und steirischen Politikern, bei mehreren schwarzen Bildungspolitikern, bei vier direktdemokratischen Parteien, bei Mario Monti und in mehrfacher Hinsicht auch bei der Wiener Koalition. Wirklich, kein Schmäh.

Fangen wir gleich bei der Koalition an: Diese arbeitet nämlich derzeit zum ersten Mal hart und ernsthaft. Rot und Schwarz verhandeln intensiv übers Sparen. Und sie tun das diskret und schweigsam. Sie sondern nicht täglich kontraproduktive Festlegungen in den Medien ab. Was diese an nachrichtenarmen Tagen zwar ärgert, aber trotzdem positiv ist. Dabei geht es diesmal wirklich zur Sache und nicht mehr bloß um Überschriften nach Art des populistisch-simplen Christoph Leitl: (Alle geben halt fünf Prozent weniger aus). Das sollte heute einmal ausdrücklich gelobt und festgehalten werden – trotz aller Besorgnis, dass der vorerst überraschend große koalitionäre Konsens hinter Polstertüren am Schluss wieder an den Betonköpfen der Gewerkschaft zerschellen könnte, welche ja die Hacklerregelung, ein frühes Frauenpensionsalter und den leichten Weg in die Invaliditätspension wirklich für die Heiligtümer der Nation halten. Endlich einmal darf man der Regierung die Daumen drücken. Und verflucht jeden, der derzeit nach den Sozialpartnern ruft, denn dadurch werden die Reformen nur sabotiert.

Wachstum geht auch ohne Geld

Lob und Daumendrücken gebühren auch Mario Monti. Der Italiener hat nicht nur ein eindrucksvolles Sparpaket über die Bühne gebracht. Noch mehr imponiert das zweite Monti-Paket, das in Kürze zugestellt wird: Das Paket soll zeigen, wie man eine Wirtschaft ankurbeln kann, ohne nach dem gefährlichen Rezept der Keynesianer viel Geld in die Hand zu nehmen (wie unsere schlichten Keynesianer immer behaupten). Der Inhalt reicht von scharfen Maßnahmen gegen das Steuerhinterziehen (wie das Verbot der Barzahlung von Beträgen ab 1000 Euro) über die Förderung des derzeit fast zu Tode regulierten Wettbewerbs bis zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Der letztgenannte Punkt bedeutet etwa deutlich erleichterte Kündigungsmöglichkeiten, was automatisch zu vielen Neuanstellungen führen wird. Derzeit kann man in Italien nämlich nicht einmal dann kündigen, wenn die Firma schon in Existenznöten ist. Dieses Paket wäre – sollte es angenommen werden – nicht nur eine Widerlegung des linken Dogmas, dass Wachstumspolitik ständig weitere Verschuldung bedeutet. Es wäre vor allem ein scharfer Kulturbruch mit vielen schlechten italienischen Traditionen.

Eine fast rundum erfreuliche Erscheinung ist die Salzburgerin Gabi Burgstaller. Bei ihr fragt man sich ja oft, wie sie es eigentlich in der Faymann-Rudas-SPÖ aushält. Sie unterstützt nicht nur die Sparmaßnahmen der Bundesregierung. Sie hat auch als erste Sozialdemokratin nach Zugangsregelungen für Universitäten gerufen. Sie ist im Gegensatz zu einigen provinziellen Richter- und Anwalts-Lobbyisten bereit, die teure Menge an Klein- und Kleinstgerichten zu durchforsten. Und sie wagte es, gegen die Niko-Pelinka-Groteske im ORF zu protestieren.

Klug und mutig ist in Salzburg aber auch die ÖVP. Sie kämpft für einen Superwahlsonntag, an dem alle Landtage gleichzeitig gewählt werden; das würde die Lähmung der Republik durch häufige Wahlkämpfe reduzieren. Und sie will den Bundesrat durch ein Gremium aus Mitgliedern der jeweiligen Landesregierungen ersetzen, obwohl das natürlich auch eigene Parteifreunde arbeitslos macht. Beides brächte der Nation jedenfalls Etliches an problemlosen Einsparungen.

Auch die beiden Steirer Voves und Schützenhöfer haben sich positiv ins Jahr 2011 eingetragen. Sie haben mutig und ohne Hickhack etliche Sparreformen sowie Gehaltseinschnitte bei Beamten beschlossen. Das meiste davon ist notwendig wie sinnvoll, auch wenn man nicht begreifen kann, wo die Einsparung bei der Abschaffung der eigenen Autonummern für Bad Aussee liegt. Bei jener Kleinststadt wäre eine Schließung des Spitals viel notwendiger gewesen. Aber gerade weil die beiden Politiker in der Vergangenheit im Tagebuch etlichen Tadel eingeheimst haben, seien sie zum Jahresende vor den Vorhang geholt. Vielleicht dienen sie derzeit auch den beiden jeweiligen Bundespartei-Chefs als Vorbild.

Endlich ist auch der Numerus clausus ein Thema

Natürlich gehört Karlheinz Töchterle ein besonderer Platz in der Reihe dieses Jahres. Er hat sich trotz eines eigentlich cholerischen Temperaments nie von reformverweigernden SPÖ-Frauen provozieren lassen, sondern beharrlich an der notwendigen Rettung der Unis durch Gebühren und – vor allem! – Zugangsbeschränkungen festgehalten. Gewiss hat er sich in Sachen AKH von der Rathaus-Mafia austricksen lassen. Das hat er aber dadurch mehr als gut gemacht, dass er es am letzten Tag des Jahres nun sogar wagt, als erster das Thema „Numerus clausus“ für Österreich anzudiskutieren. Die Einführung dieses deutschen Modells eines Zugangs zu den Universitäten gemäß dem Schnitt aller Schulnoten wäre in der Tat die wichtigste Schulreform seit Jahrzehnten. Es würde die Anstrengung in den Schulen deutlich erhöhen, wenn auch jedes Detail eines Maturazeugnisses Bedeutung bekäme. Und wenn nicht mehr wie bisher die Schulnoten für den Weg auf eine Universität völlig wurscht wären.

Lobenswert entwickelt sich  auch die Oberstufenreform: Denn da hat die ÖVP durchgesetzt, dass man künftig weder mit drei noch mit zwei noch mit einem Nichtgenügend durchkommt, wie die Unterrichtsministerin ursprünglich gewünscht hatte. Man muss künftig für jedes nicht geschaffte „Modul“, also jedes Fach und jedes Semester, eine Wiederholungsprüfung machen. Das heißt: Man muss in der Regel nicht mehr die ganze Klasse wiederholen (was bei asymmetrischen Defiziten ja nie wirklich sinnvoll war); aber man kann kein Fach mehr spritzen. Das könnte trotz allem sonstigen Unsinn in der jüngsten Schulpolitik (wie insbesondere die Zerstörung der Hauptschule mit ihrer überaus sinnvollen Leistungsdifferenzierung) erstmals unser Bildungssystem verbessern. Auch wenn das Modulsystem und die vorgesehenen überbürokratischen Begleitregeln die Schulen organisatorisch vor gewaltige Herausforderungen stellen. Auch wenn es manchen Schülern oft besser täte, einfach in Ruhe ein Jahr zu wiederholen.

Großes Lob verdient die oberösterreichische Bildungslandesrätin Hummer. Sie gibt den Pflichtschul-Direktoren ihres Landes das Recht, Lehrer künftig zumindest nach dem ersten Jahr wieder verabschieden zu können. Kinder und Eltern dürfen dankbar sein; faule, dumme, überforderte Lehrer werden es weniger sein. Das Beispiel sollte rasch Schule machen. Etwa auch im Osten Österreichs. Hier hat mir eine AHS-Direktorin von einer netten Junglehrerin erzählt, die leider nicht Französisch kann. Diese Frau will und soll aber ausgerechnet Französisch unterrichten, hat  doch ausgerechnet für Französisch ihr Lehramtsdiplom erhalten. Was nebenbei zeigt, wie wenig Diplome der Wiener Uni inhaltlich wert sind.

Erfreulicher Schulmut findet sich auch im neuerdings rot-grün geführten Baden-Württemberg. Dort wird die Verkürzung der Gymnasien von neun auf acht Jahre zumindest an 44 Gymnasien wieder zurückgenommen. Das ist umso erstaunlicher, als bei uns Rot-Grün (und Androsch) die Gymnasien ja auf drei Jahre verkürzen wollten.

Erfreuliches aus einem ganz anderem Gebiet: Trotz einer Zunahme an Passagieren nimmt der Spritverbrauch der Flugzeuge signifikant ab. Wie das? Primär nicht durch irgendwelche neue bürokratisch-politische Ausbrütungen, sondern durch das Natürlichste der Welt: Treibstoff ist deutlich teurer geworden, weshalb plötzlich zu Tausenden neue Flugzeuge mit einem 20 bis 30 Prozent niedrigerem Verbrauch angeschafft werden. Der Markt hat bewirkt, was auch die Hundertste Kyoto-Konferenz nicht schafft. Solche planwirtschaftlichen Projekte verursachen im Gegenteil nur sinnlosen Spritverbrauch.

In der sonst nur extrem skeptisch zu sehenden, weil meist kontraproduktiven Regulierungswut der heimischen Politik ragt zumindest eine Maßnahme positiv hervor. Und zwar wieder auf einem ganz anderen Gebiet: Die nun vorgeschriebene Bildung von Rettungsgassen in der Mitte der Autobahn könnte bei Unfällen und Staus Leben retten. Das klingt angesichts des egoistischen Verhaltens mancher Autofahrer nach einer notwendigen wie sinnvollen Regel.

Hirn braucht kein Geld

Lobenswertes tut sich auch in der Zivilgesellschaft. Dabei geht es natürlich nicht um die Buseks oder Androschs, die sich nun plötzlich als Volk ausgeben, weil sie nirgendwo sonst mehr was zu sagen haben. Aber es gibt einige echte Basis-Initiativen. Wie etwa die Initiative für eine Verwaltungsreform jetzt. Oder die Initiatoren der systemkritischen Gratiszeitschrift „ECHO“. Oder die sechs Ökonomen, welche die Initiative „pro Marktwirtschaft“ gegründet haben. Diese zählen zu den besten Wirtschaftsweisen der Nation und veröffentlichen nun regelmäßig aus eigenem Antrieb brillante Studien. Sie sind vor allem so unabhängig von allen Machtstrukturen, dass sie sich nicht einmal eine eigene Homepage leisten können. Aber: Hirn braucht kein Geld. Und das Tagebuch wird jedenfalls in der Gastkommentar-Spalte ihre Erkenntnisse einem breiteren Publikum zugänglich machen.

Herauszuheben aus dem ablaufenden Jahr ist auch der plötzliche Fortschritt in Sachen Direkte Demokratie. Für diese treten nun schon vier Parlamentsparteien ein. Gewiss wird die Sache vorerst am Nein der josefinistischen SPÖ scheitern (Alles durch den Staat und vom Staat, respektive durch die Partei und von ihr). Gewiss steckt hinter der neuen Dynamik auch viel vordergründige Taktik von FPÖ und ÖVP. Aber der Zug geht zweifellos in die richtige Richtung und ist hoffentlich nicht mehr aufzuhalten. Schon gar nicht durch die üblichen drei linken Verfassungsjuristen, die um ihr mediales Monopol als oberste Schiedsrichter der Nation bangen und gegen mehr Demokratie wettern. Mir hat jedenfalls noch niemand erklären können, wieso es eine Gesamtänderung der Verfassung wäre, wenn Österreich noch demokratischer würde. Und wenn Entscheidungen von den Hinterzimmern an die Wahlurne transferiert werden.

Ganz sicher positiv ist auch, dass im Burgenland 2011die jahrzehntelange sozialdemokratische Wahlkampfaktion auf Steuerkosten endlich zu Ende gegangen ist. Die „Grenzsicherung“ durch zwangsverpflichtete Soldaten war spätestens ab jenem Zeitpunkt zur teuren Farce verkommen, da Richtung Ungarn und Slowakei alle Grenzkontrollen auf den Straßen weggefallen waren.

Auch wenn mir da nicht alle zustimmen werden: Eine positive Wendung bedeutete 2011 auch der Wechsel Pröll-Spindelegger. Der neue ÖVP-Chef ist zwar kein toller Rhetoriker, aber er ahnt zum Unterschied von seinem Vorgänger wenigstens, dass die ÖVP in alle Richtungen Wähler verliert, nur längst nicht mehr zu den Grünen, denen sich Pröll davor so angenähert hat. Zumindest in Sachen Bundeshymne ist zwar auch Spindelegger peinlich eingegangen, aber die Frequenz der schwarzen Katastrophen hat sich unter ihm doch deutlich reduziert. Und er hat auch mit Töchterle und Kurz das Pröllsche Katastrophenteam ein wenig verbessern können, auch wenn er sich mit Mikl-Leitner gleich wieder einen dicken Minuspunkt eingezogen hat. Manches Mal ist man aber auch schon mit kleinen Fortschritten zufrieden.

Trotz allem Positiv denken

Zuviel des Lobs und positiven Denkens? Nun, für den Katzenjammer am ersten Jänner sammle ich schon ein ganz anderes Sammelsurium, das leider wieder deprimierend werden dürfte.

Davor aber allen Lesern ein „Prosit“ und ein „Trotz Allem Positiv Denken!“ Der ganz besondere Dank gilt in diesem Sinne allen Partnern und Abonnenten, die dieses Tagebuch so kräftig am Leben erhalten.

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Wie wird 2012? – ein Plädoyer für Unternehmer

23. Dezember 2011 05:42 | Autor: Walter Schönthaler
Rubrik: Gastkommentar

Beim  Blick in die Zeitungen springen dem Leser folgende Schlagwörter entgegen: „Schuldenbremse, IWF, EZB, EFSF, ESM, Hebel, Investoren“. Kaum mehr ein Wort über Unternehmer, Bruttonationalprodukt, Mut, Fleiß und Anständigkeit. Diese Begriffe wagt kaum jemand in den Mund zu nehmen, wenn er nicht als Moralisierer verspottet werden will.

Es wurde nach meinem Vortrag im Hayek-Institut behauptet, dass ich den Investoren unterstellt hätte, dass sie nur auf kurzfristigen Vorteil bedacht wären. Das stimmt aber nicht.

Die Mehrzahl der Investoren sind loyale Sponsoren der Banken und Wohltäter des Staates. Nehmen wir das Beispiel meiner Tante Rosi: Sie hat ihr Geld um zwei Prozent Zinsen mit einem Sparbuch bei der Bank eingelegt und zahlt brav ihre Spekulationssteuer, die sogenannte KESt, eine Art Austro-Tobin Tax für Sparbüchlsparer.

Bei ihren täglichen Einkäufen verliert sie laut dem Minipreisindex des statistischen Zentralamts rund sieben Prozent p.a. durch die Geldentwertung: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/preise/verbraucherpreisindex_vpi_hvpi/sonderauswertungen/023157.html

Aber Tante Rosi bleibt eisern bei ihrem Sparbuch und subventioniert damit unsere Banken, die mit jedem Euro, den Tante Rosi auf dem Sparbuch spart, gehebelte Kredite an bedürftige Länder wie Rumänien, Ungarn, Ukraine oder Kärnten vergeben können.

Die Investmentbanken und Hedgefonds wiederum helfen auf andere Weise, die Kredite, die andere vergeben haben, abzusichern, etwa indem Sie sogenannte CDS (Credit default swaps) abschließen. CDS sind Kreditausfallversicherungen. Laut Wirtschaftsmagazin „trend 11/2011“ sind derzeit CDS im Wert von 28 Billionen US-Dollar in Umlauf – das sind 28.000 Milliarden US $ (12 Nullen). Eine Gewissensfrage: Haben Sie auch schon CDS ?

Wetten Sie auf das Unglück anderer, shorten Sie Unternehmen, shorten Sie ganze Staaten oder shorten Sie nur Ihren Nachbarn: Schließen Sie ein CDS auf sein Haus ab und kassieren Sie die Prämie, wenn bei ihm ein Schaden eintritt. Wenn Sie CDS haben, sind Sie nie allein – und in guter Gesellschaft: 28 Billionen Dollar! So viele CDS-Fans können doch nicht irren: too big to fail - too many to be wrong?

Aber im Ernst: Man steht fassungslos vor unfassbaren Finanzprodukten, vor riesigen Staatsschulden und unglaublichen Korruptionsskandalen. Was – zum Teufel – ist denn in den letzten 20 Jahren passiert? Warum sind die Unternehmer so zurückgedrängt worden?

Die Unternehmer von Industrie, Handel, Dienstleistungen und die gesamte „Realwirtschaft“ kämpfen mit aller Kraft dafür, wettbewerbsfähig zu bleiben und Europa als Binnenmarkt zu erhalten. Und andere wetten mit CDS auf den Niedergang der EU.

Was haben toxische Finanzprodukte wie CDS mit Entrepreneurship zu tun? Diese Finanzprodukte sind keine Produkte, sondern Konstrukte. Sie haben keine positive Auswirkung auf die Wertschöpfung, auf das Bruttonationalprodukt, denn sie schaffen keine realen Werte. Es sind Wetten, reine Nullsummenspiele ohne Wertschöpfung.

Bei den sogenannten Leerverkäufen, die jetzt – leider viel zu spät – in einzelnen europäischen Staaten verboten wurden, wurde praktisch nichts, also die Leere verkauft, es wurde bloß gewettet.

Alle Unternehmer sind Investoren. Aber sind alle Investoren auch Unternehmer? Es wird oft so behauptet und auch in den Medien berichtet. Aber ich behaupte, es ist falsch und es ist eine fatale Verwechslung. Denn jeder Unternehmer ist auch ein Investor, aber Finanzinvestoren agieren selten wie klassische Unternehmer.

Die Wirtschaft braucht aber beide: Unternehmer und Investoren. Dabei sind die Geschäftsmodelle von Investor und Unternehmer so gegensätzlich wie CDS und die Entwicklung einer neuen Spitzen-Technologie:

Der Unternehmer will ein überlegenes Produkt oder Dienstleistung anbieten und mit Gewinn verkaufen. Deshalb hat er unablässig den Markt, seine Kunden und den Nutzen seiner Produkte und Dienstleistungen im Auge.

Der Finanzinvestor ist Experte für Kredit und Geld, orientiert sich am Shareholder Value. Er muss von der Führung der Unternehmen selbst nichts verstehen und bei Schwierigkeiten verkauft er seine Papiere – das ist auch in Ordnung so.

Der Unternehmer im Sinne des Eigentümers kümmert sich um sein Unternehmen bei jedem Wetter, er kämpft bei Schwierigkeiten, denkt in Generationen, kann und will auch nicht verkaufen, sein persönliches Schicksal ist mit seinem Unternehmen eng verbunden. Auch der Unternehmer tut das nicht aus edlen Motiven. Er will und muss Gewinne machen, um wieder re-investieren zu können.

Sein Fokus, sein Blick liegt auf dem Markt, der Innovation, dem Marketing, während der Investor auf den Börsenkurs blicken muss – er hat sein Auge am Börsen-Ticker. Den Investor interessiert der Wert seiner Aktien. Auch der Unternehmer hat ein Interesse am Wert seiner Aktien,  aber der Kurs genießt nicht sein ausschließliches Augenmerk.

Ein Unternehmer richtet seine Aufmerksamkeit nicht auf das kurzfristige Steigen des Aktienkurses, sondern auf die mittel- bis langfristige Entwicklung des Unternehmens am Markt. Wichtiger als der Aktienkurs sind dem Unternehmer die internationale Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens und seine Stellung am Markt. Auch wenn ihm das nicht immer passt und nicht immer leicht fällt – Denn er hat gar keine andere Wahl.

Er kann sich nicht nur am Shareholder Value orientieren – der Unternehmer muss sein Unternehmen danach ausrichten, Customer Value zu schaffen. Um das zu erreichen, wird er mehrere Parameter im Unternehmen gleichzeitig beobachten und aktiv verändern: Deckungsbeiträge, Investitionen, Qualitätsmanagement, Forschung und Entwicklung, Cash Flow, Liquiditätsrechnung etc.

Dazu braucht er keine Börse. Unternehmen haben schon Jahrhunderte existiert, lange bevor diese überhaupt entstanden waren.

Die Marktwirtschaft braucht klare Regeln

Die Marktwirtschaft braucht also Unternehmer – und sie braucht auch Investoren und leistungsfähige Finanzmärkte. Konstruktive Finanzmärkte schaffen Wachstum, indem sie z. B. Kapital für Innovationen auch in sehr frühen Phasen der Entwicklung bereitstellen.

Die Marktwirtschaft funktioniert nur in Freiheit – aber Freiheit bedeutet nicht Regellosigkeit. Wettbewerb bedarf klarer Regeln, deren Einhaltung durchgesetzt werden muss. Allerdings darf das Marktprinzip nicht durch politische Kommandos vom grünen Tisch aus ersetzt werden, indem alles im Detail festgelegt und geplant wird, wie z. B. das Glühbirnenverbot.

Regelsetzung ist ein notwendiger Bestandteil von Innovations- und Entwicklungspolitik – insbesondere für die Finanzwirtschaft, die sich in den letzten 20 Jahren durch die schrittweise Abschaffung der Regeln (Glass-Steagall Act etc) immer mehr von der Realwirtschaft abgekoppelt hat. Was wir in den letzten Jahren  gesehen haben, widerspricht häufig dem Geist und den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft und hat zu einer Fehlallokation ökonomischer Ressourcen geführt.

Diese Fehlallokation hat natürlich massive Auswirkungen auf die Realwirtschaft: Seit etwa fünfJahren, als große Hedgefonds und Pensionsfonds in die derivative Spekulation mit Rohstoffen eingestiegen sind, spüren das auch die Hersteller von Lebensmitteln: Seitdem sind die Preise für Orangensaftkonzentrat, Kakao, Zucker, Weizen, Rohkaffee etc. zunehmend volatil geworden.

http://www.lebensmittelzeitung.net/news/top/protected/Rohstoffe-Einkauf-wird-Chefsache_89897.html

Rohstoffe sind innerhalb von 36 Monaten um ein Viertel teurer geworden. Der globale Rohstoffpreisindex für Lebensmittel, der von der UNO-Nahrungsmittelorganisation FAO monatlich errechnet und veröffentlicht wird (FAO Food Price Index) ist innerhalb von drei Jahren vom Index-Wert 172,4 (Oktober 2008) auf 216,1 (Oktober 2011) gestiegen.

Die Spekulation mit Grundnahrungsmitteln zwingt inzwischen selbst mittelständische Lebensmittelproduzenten zur Spekulation. Natürlich ist Spekulation nicht die einzige Ursache für die Rohstoff-Preissteigerungen, aber die Spekulation per Computerknopfdruck multipliziert die Volatilität der realen Märkte.

Die Performance-Vorstellungen mancher Funds-Manager, die heute fälschlich mit dem Unternehmer gleichgesetzt werden, haben fast gar nichts mehr mit der Performance gemeinsam, die ein Unternehmen braucht. Aber mit den kollabierenden Blasen hat die realwirtschaftliche Logik nun auch die anderen Wirtschaftsräume eingeholt.

Philanthrop George Soros, der 1992 erfolgreich gegen das britische Pfund spekuliert hat, erklärt uns in einem Video auf seiner Website (Interviews & Speeches) wie seine „Unternehmertätigkeit“ funktioniert: http://www.georgesoros.com/, Video, ca. ab 4:15 min.

Dr. hc. Soros gibt Investoren folgenden Rat: “Look: When I see a bubble, first thing I do is: I buy… Because, if I am right and the bubble is going to develop – then I´m going to make money. And if I see a bubble and I see the flow in(to) bubble, than I am really happy because I also know that I have to sell” … “But I lost a lot of money in the IT-bull-market, because I shorted it too soon…”

Was passiert derzeit im Bear-Market: alle gehen short… Wie die Lemminge. Aber vielleicht irre ich mich ja! Vielleicht wird alles gut und wir erleben 2012 eine Renaissance der Unternehmer und der Realwirtschaft?

Was denken Sie? Ihre Meinung würde mich interessieren.

Mag. Walter Schönthaler ist Unternehmensberater für Markenartikelunternehmen und Fachhochschullektor für Innovationsmarketing und Unternehmensführung;  zuvor arbeitete er mehr als drei Jahrzehnte in der Lebensmittelindustrie, u.a. als Vorstand der Manner AG, CEO der Felix Austria GmbH und CEO der S.Spitz GmbH.

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Von Roten Katzen und schwarzen Schafen

22. Dezember 2011 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Während sich die politische Klasse im übrigen Europa – wenigstens geistig – auf den bevorstehenden Kollaps der Gemeinschaftswährung vorbereitet, wird die Nomenklatura Österreichs im Zuge der Bewältigung der Staatsschuldenkrise von ganz anderen Sorgen geplagt. Hier überbieten sich die Koalitionspartner der rotschwarzen Regierung – tatkräftig unterstützt durch zwei Oppositionsparteien – im Wettlauf um die besten Ideen zur Vertreibung und/oder Enteignung der Leistungselite.

Dass Sparer, Investoren und Unternehmer Schlüsselfiguren sind, wenn es um die Wertschöpfung und die nachhaltige Bereitstellung von Arbeitsplätzen geht; dass Kapitalakkumulation die unabdingbare Voraussetzung für eine letztlich auch dem „kleinen Mann“ zugute kommende Wohlstandsproduktion darstellt; dass die aus dem Ruder laufende Staatsverschuldung nicht „Reichen“ und „Besserverdienern“ anzulasten ist, sondern dem planmäßigen Stimmenkauf durch die Politik – pardon – dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates; dass der Schlüssel zur Sanierung des Bundeshaushalts daher auf der Ausgaben- nicht auf der Einnahmenseite liegt, ist eine der Politelite leider nicht zu vermittelnde Botschaft.

Landauf landab wird von Politikern und willfährigen Medien der Eindruck vermittelt, als ob es völlig in Ordnung sei, jene, die mehr verdienen als Sekretäre von Bezirksparteiorganisationen und die über ein Vermögen verfügen, welches das Ausmaß eines Gebrauchtwagens, eines Eisenbahnerschrebergartens und eines Mietvertrags für eine Gemeindewohnung überschreitet, für vogelfrei zu erklären. Dem ganz auf Klassenkampf eingestellten Staatsrundfunk kommt dabei eine zentrale Rolle zu, was die wohlwollende Berichterstattung über die geplanten Anschläge auf „Reiche“ und „Besserverdiener“ ebenso erklärt, wie die bisweilen geradezu bizarren Einlassungen auf dem „Bildungssender“ Ö1.

Dort ist der Tag nicht mehr fern, an dem die Redaktion es fertigbringt, selbst Abhandlungen über den Urknall oder die Fortpflanzung von Schmetterlingsblütlern mit Klassenkampfrhetorik aufzuladen. Das trägt auf Dauer Früchte – wenn auch ungenießbare…

„Wer mehr hat, muss mehr geben." Wer glaubt, dass dieses Zitat von Hugo Chavez, Robert Mugabe oder Sahra Wagenknecht stammt, der irrt. Es kommt vom Chef der „bürgerlichen“ Volkspartei der Alpenrepublik, Michael Spindelegger. Eine Begründung für diese Forderung liefert er bedauerlicherweise nicht mit. Dass der Mann keine Ahnung hat, wovon er spricht, wird dadurch deutlich, dass er sich zwar gegen eine Substanzbesteuerung ausspricht, an einer Wiedereinführung der 2008 abgeschafften Erbschaftssteuer aber nichts auszusetzen hat. Eine brutalere Form der Substanzbesteuerung ist indes gar nicht vorstellbar!

Noch weiter als im seltsamen Biotop des ÖAAB sozialisierte Funktionäre gehen erwartungsgemäß Rote und Grüne in ihrem Furor gegen Vermögende und Bezieher höherer Einkommen. Der im Finanzministerium tätige, dem roten Parteiadel entstammende, Staatssekretär Andreas Schieder hat eben ein 24-Punkte-Programm präsentiert, mit dem den Leistungsträgern des Landes weitere vier Milliarden Euro geraubt werden sollen. Begründet wird das Paket mit der originellen Forderung nach mehr „sozialer Gerechtigkeit“ (die herzustellen den Genossen nach rund 40 Jahren nahezu ununterbrochener Regierungsverantwortung leider nicht vergönnt war). Dem über den großen Proletariernachweis verfügenden Mann geht es um das „Schließen von Steuerlücken“ und die „Erfassung arbeitsfreier Einkommen“.

Auf der Suche nach mehr „Gerechtigkeit“ und klaffenden Steuerlücken hat Staatssekretär Schieder eine offensichtliche Tatsache leider übersehen: Und zwar die, dass mehr als zwei Millionen Einkommensbezieher in diesem Lande – rein zufällig sind vermutlich 80 Prozent davon Mitglieder oder Sympathisanten seiner Fraktion – keinen Cent an direkten Steuern abliefern. Wer aber unentwegt die Gerechtigkeit auf seine Fahnen schreibt, muss sich auch der Frage stellen, weshalb Menschen, die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Straßen, Schulen und Gesundheitseinrichtungen in Anspruch nehmen, von jeder Beitragszahlung dafür befreit sein sollten!

Millionen von Menschen darauf zu konditionieren, sich lediglich als Anspruchsberechtigte zu begreifen, die keinerlei Beiträge zum Gemeinwohl zu leisten haben ist weder intelligent noch gerecht. Würde die Regierung diese „Steuerlücke“ schließen, könnte der Staat gewaltige Beträge lukrieren, ohne die Betroffenen nennenswert belasten zu müssen! Nur 500,- Euro jährlich pro Kopf dieser willkürlich privilegierten Gruppe zu kassieren, würde bereits eine Milliarde in die Staatskasse spülen.

Stattdessen zerbrechen sich die Mandatare ganzer vier Parlamentsparteien den Kopf darüber, wie man jene Bevölkerungsgruppen, die für die Prosperität dieses Landes maßgeblich sind und die allenfalls ein paar Tausend oder Zehntausend Personen zählen, über das bereits bisher schwer erträgliche Maß hinaus weiter schröpfen könnte. Die diese Bemühungen antreibenden Aggregate hören auf die Namen Neid und Missgunst.

Rationale Argumente für Anschläge auf die Leistungsträger wird man vergebens suchen, denn die laufen am Ende allesamt auf die Zerstörung jenes Fundamentes hinaus, auf dem der Wohlfahrtssaat ruht. Kapitalerträge sind mitnichten „arbeitsfreie Einkommen“, denn schließlich musste das Kapital ja einmal erarbeitet und erspart werden. Diese Basis des Kapitalertrags ist also nichts anderes, als in der Vergangenheit erbrachte, nichtkonsumierte (Arbeits-)Leistung. Und „Solidaropfer“ von jenen „Besserverdienern“ einzufordern, die jetzt bereits zwei Drittel ihrer Bruttobezüge dem Fiskus auszuliefern gezwungen sind, ist ein zynischer Witz.

„Reiche“ sind gewöhnlich nicht deshalb reich, weil sie mit außergewöhnlicher Blödheit geschlagen sind. Man darf ihnen daher durchaus zutrauen, längst wirksame Gegenstrategien zu entwickeln, während noch über ihre Enteignung palavert wird. Eine exzessive Besteuerung von Kapital oder Kapitalerträgen wird folglich zu einer Erosion der Kapitalbasis führen – auch für den Fall, dass alle linken Nationalökonomen Kakaniens sich kollektiv auf den Kopf stellen sollten.

Eine gute politische Führung unterscheidet sich dadurch von einer schlechten, dass sie die langfristigen Konsequenzen ihres Handelns bedenkt: Wer dauerhaft von der Substanz lebt, verarmt. Wer Unternehmer und Investoren schädigt, abschreckt oder vertreibt, arbeitet in die nämliche Richtung. Die neidgetriebene, einnahmenseitig angegangene Budgetsanierung läuft auf eine Reduktion des Kapitalstocks und damit auf eine langfristige Entreicherung der gesamten Volkswirtschaft hinaus. Schädlicher, unmoralischer – und sozial ungerechter – kann Politik nicht gemacht werden.

Niemals seit den 1970er-Jahren haben die Genossen unverfrorener Klientelpolitik betrieben, als dieser Tage. Es steht – zum Schaden des Landes – zu fürchten, dass die schwarzen Schafe der Roten Katze nichts entgegenzusetzen haben.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wo das große Geld wirklich liegt

22. Dezember 2011 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist absolut erstaunlich: Österreich diskutiert eine Schuldenbremse per Verfassung; es ist durch EU-Beschlüsse sogar zu einem solchen Beschluss gezwungen. Aber für dessen konkrete Umsetzung werden derzeit fast nur Steuererhöhungen diskutiert, jedoch keinerlei echte Einsparungen. Steuererhöhungen stehen im totalen Kontrast zu der Tatsache, dass wir ohnedies schon das zweithöchste Abgabenniveau unter allen Euro-Ländern haben.

Sehr billig machen es sich dabei nicht nur die genetischen Steuererhöher, sondern auch alle jene, die nur von „Verwaltungsreform“ aber nicht von konkreten Vorschlägen reden: Wie schließt man gegen den Willen von Provinzpolitikern Bezirksgerichte oder Kleinspitäler? Wie kann der Bau sinnloser Eisenbahntunnels gestoppt werden? Wie fusioniert man Gemeinden, wenn das der Verfassungsgerichtshof gegen deren Willen verbietet?

Auch wenn die unsinnige Hacklerpension wenigstens in ein paar Jahren auslaufen wird, bieten die Pensionen das größte Sparpotential. Dazu zählen: die provozierenden Pensionen in der Gemeinde Wien oder der Nationalbank (wo sich die Gewerkschaft überall gegen die bei den Bundesbeamten schon längst beschlossene Gleichstellung querlegt); oder das noch bis 2033 niedrigere Frauenpensionsalter. Dieses wird vom ÖGB mit dem absurden Hinweis auf die statistisch niedrigeren Frauengehälter verteidigt, obwohl diese ja gerade deshalb niedriger sind, weil viele Gehaltsordnungen gerade für das Alter zwischen 60 und 65 die weitaus höchsten Bezüge vorsehen.

Besonders übel sind die Invaliditätspensionen. Selbst der Sozialminister musste nun zugeben, dass unsere Invaliditätszahlen bis zum 50. Lebensjahr im weltweiten Schnitt liegen, dass die Österreicher  ab dem 51. Lebensjahr aber plötzlich „Invaliditätsweltmeister“ werden. Was so direkt aber kein Politiker laut zu sagen wagt: Hier findet massiver Missbrauch statt. Zehntausende gehen ohne echte Invalidität in die Frühpension. Aus Ärger, weil sie einen bestimmten Karrieresprung nicht geschafft haben; weil der Ehemann ohnedies genug verdient; weil man weniger Geld braucht, seit die Kinder aus dem Haus sind; weil man gerade keinen neuen interessanten Job findet; weil man noch bei voller Gesundheit das Leben genießen will. Und weil bedenkenlose Ärzte aus einer seltsamen Sozialgesinnung heraus bereit sind, ein vorgeschütztes Leiden als Grund einer Berufsunfähigkeit zu attestieren. Die neuerdings scheinbar explodierenden psychischen Leiden eigenen sich ja besonders gut für solche Atteste.

Das ruiniert nicht nur unser Pensionssystem, sondern auch die Stabilität der Republik und aller von ihr aufgenommenen Anleihen. Hätten wir eine Regierung, die regiert, wären einerseits die Invaliditäts-Untersuchungen viel ernsthafter. Und zweitens gäbe es deutlich spürbare Abschläge zumindest für jeden Frühpensionisten, der noch in anderen Branchen arbeitsfähig wäre. Haben wir aber nicht.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Leistungsträgersteuer schadet Wirtschaftsstandort Österreich!

21. Dezember 2011 19:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Die österreichische Politik treibt seltsame Blüten. Die angekündigte Schuldenbremse beschleunigt nicht das Denken, welche Ausgaben und Aufgaben der Staat in Hinkunft reduzieren soll, sondern beflügelt primär die Kreativität, welche Einnahmen gesteigert werden sollen.

In diesem Zusammenhang soll die „Reichensteuer“ eingeführt werden, neuerdings verharmlosender „Solidarabgabe“ genannt, um dem Schlagwort Gerechtigkeit zu entsprechen.

Andererseits entdecken die Sozialpartner neuerdings die Liebe zu „hoch qualifizierten Auslands-Österreichern“. Diese sollen im Zuge der demografischen Entwicklung für den heimischen Arbeitsmarkt rückgeholt werden. Mehr als 100.000 Fach- und Spitzenkräfte, die in Österreich zum Nulltarif teuer ausgebildet wurden, arbeiten zum überwiegenden Teil in Deutschland, der Schweiz und den USA. Vermutlich werden sie auch dort bleiben, vor allem weil die grenzenlose Steuerdebatte um Einkommensteuer-Aufschläge, Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer usw. dieses an sich gute Ansinnen zum Rohrkrepierer machen dürfte.

Das ständige Aufwärmen von Steuererhöhungsplänen mit gleichzeitigem Schüren von Neidkomplexen durch Populisten aller Parteien im Kampf um Wählerstimmen schadet der Leistungsbereitschaft und Standortattraktivität Österreichs, und zwar aus folgenden Gründen:

proMarktwirtschaft ist daher der festen Meinung, dass die Politiker ihr Gehirnschmalz der Eindämmung der Staatsausgaben widmen sollten, anstatt Stimmungsmache gegen Leistungsträger bei gleichzeitiger Attraktivitätseinbuße des Wirtschaftsstandortes Österreich. Denn die entscheidende Sanierung des strukturellen Budgetdefizits Österreichs, welche in den letzten zwei Hochkonjunkturjahren verschlafen wurde, findet nach Meinung von Europäischer Kommission, Internationalem Währungsfonds und proMarktwirtschaft ausgabenseitig statt.

Peter Brezinschek,

proMarktwirtschaft Brief 1 

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

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Die Faschingsunion

20. Dezember 2011 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was ist die geplante europäische Fiskalunion, was sind die nationalen Schuldenbremsen wirklich wert? Diese zentralen Fragen dieses Winters sind hinter den vordergründigen Aufregungen um die britische EU-Abstinenz beziehungsweise um das österreichische Ringen Koalition-Opposition bisher völlig untergegangen. Die Antworten, die man dazu derzeit geben kann, sind freilich mehr als ernüchternd.

Denn in Wahrheit geht es bei diesen Aktionen weiterhin primär darum, eine leider anhaltend hässliche Braut mit viel (bürokratischem) Brimborium auf schön zu schminken. Die Freier, die man damit gewinnen will, sind die internationalen Geldverleiher. Diese wollen ja derzeit von der europäischen Braut angesichts allzu vieler bekannter Fälle offensichtlicher Untreue und Betrügereien nichts mehr wissen. Von diesen Selbstbeschädigungen soll nun das Brimborium der geplanten Fiskalunion ablenken.

Worin besteht diese aber genau?

Erstens in Selbstverpflichtungen der Staaten, die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Diese setzen zwei Obergrenzen fest: maximal 3 Prozent jährliches Defizit und maximal 60 Prozent Staatsverschuldung insgesamt, jeweils gemessen am Jahres BIP, also an der Summe des von einer Nationalökonomie in einem Jahr Erwirtschafteten. Doch halt! Hat man nicht genau die Beachtung dieser zwei Limits schon einmal versprochen, nämlich im Februar 1992 in Maastricht? Dieses Datum liegt pikanterweise fast auf den Tag genau 20 Jahre vor der nunmehr geplanten Brimborium-Selbstverpflichtung. Diese wird daher wohl von den meisten Geldgebern wohl nur unter einer Devise gelesen werden: Wer einmal lügt, dem glauben die bösen Märkte leider nicht mehr.

Zweitens wird es ein Defizit-Verfahren der Kommission geben. Diese kann den EU-Mitgliedsstaaten finanzielle Sanktionen gegen einen Staat vorschlagen, der die genannten Kriterien verletzt. Doch halt! So ein Defizitverfahren der Kommission hat es ja auch schon bisher gegeben. Auf dem Papier. Denn in der Vergangenheit wie in der Zukunft sind Geldstrafen gegen einen exzessiven Schuldner absolut schwachsinnig. Einem Land, das hinten und vorne zuwenig Geld hat, als Strafe noch einmal Geld abzuknöpfen: Die Perversion einer solchen Armensteuer muss man sich erst einfallen lassen. Mit so einer Strafe löst man ja kein Problem, sondern verschärft es logischerweise nur! Deswegen hat man ja auch schon in der Vergangenheit nie die schon bisher theoretisch möglichen Strafen verhängt, obwohl der Maastricht-Vertrag rund 60 Mal gebrochen worden ist.

An dieser Nicht-Verhängung von Strafen wird auch der als großer Erfolg bejubelte Umstand nichts ändern, dass es künftig für eine Ablehnung eines solchen Kommissions-Vorschlags einer Zweidrittel-Mehrheit bedarf. In Wahrheit gilt: Weder wird die Kommission solche Strafen vorschlagen, noch wird auch nur ein Land für die Bestrafung eines anderen stimmen. Die Strafen bewirken nichts, und sie stellen das verschuldete Land noch schlechter. Außerdem gilt: Man könnte ja selbst einmal in die gleiche Lage kommen, und man hat ja überall befreundete Schwesterparteien.

Drittens soll – nach dem derzeitigen Vorschlag – jedes Land den Europäischen Gerichtshof anrufen können, wenn ein Land die Schuldenbremse nicht einhält. Doch halt! Auch dieser EuGH hat keine Möglichkeiten, Sparsamkeit durchzusetzen. Er kann insbesondere nicht teure Wohlfahrts-Gesetze der einzelnen Staaten aufzuheben, die das Defizit verursachen.

Viertens ist die Rede von einer alljährlichen Vorlage der nationalen Budgetentwürfe an die EU-Kommission. Doch halt! Das heißt an sich noch gar nichts. Denn die Kommission hat ja kein Vetorecht gegen die Budgets, oder gegen finanziell wirksame Beschlüsse der nationalen Parlamente.

Fünftens soll es regelmäßige Euro-Gipfel geben (gähn); weiters ist im Entwurf die Rede von einer verstärkten Zusammenarbeit einiger Staaten (gähn) sowie natürlich auch von diversen Arbeitsgruppen (gähn). Und was es an derlei diplomatischen Redeübungen sonst noch gibt. Das soll die internationalen Geldgeber jetzt beeindrucken? Da glaubt jemand ernsthaft, dass sich diese nun in langen Schlangen anstellen werden, um den Euro-Ländern künftig wieder Kredite geben zu dürfen?

Sechstens und vor allem anderen sollte klar sein: Die ganze Konstruktion nimmt sich ja selbst nicht ernst. Denn wären die verfassungsmäßigen Schuldenbremsen wirksam, dann würde es ja eigentlich gar kein europäisches Sanktionen-Regime brauchen. Durch dessen Einrichtung zeigt man ja gerade: Trotz verfassungsrechtlicher Schuldenbremsen vertraut niemand darauf, dass die Mitgliedsstaaten die Regeln künftig besser einhalten. Gleichzeitig ist aber das Sanktionen-Regime so zahnlos, dass das Ganze bestenfalls zur Postenbeschaffung für einige EU-Beamte dient, die den Märkten Sand in die Augen streuen sollen.

Trotzdem ist man als Euro-Staat gut beraten, bei dem ganzen Brimborium mitzutun. Denn wer das nicht tut, gerät natürlich auf den Finanzmärkten erst recht ins schiefe Licht. Außerdem: Nutzt das Ganze auch nichts, so schadet es ja ebenso wenig.

Welche Regel könnte aber eine solche Fiskalunion glaubwürdig gemacht? Nur eine einzige: Nur das Recht der Kommission, wirklich in die nationale Gesetzgebung eingreifen zu können. Das aber will keine Partei, kein Parlament der EU zugestehen. Da würden sie sich ja selbst redundant machen. Das tut sie nur bei unwichtigen Themen, nicht aber in der heißesten Frage Europas, dem Recht der Parlamente, populistisch immer mehr Geld auszugeben.

In einer funktionierenden Fiskalunion hätte (irgend)eine europäische Institution das Recht, das zu tun, was einzelne Staaten in den letzten zwei Jahren zum Teil schon getan haben: So hat etwa Rumänien die Beamtengehälter um nicht weniger als 25 Prozent gesenkt. Es hofft, dadurch mehr finanzielle Luft und bessere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.

Es tat dies aber nicht wegen irgendeiner Schuldenbremse oder wegen einer europäischen Fiskalunion, sondern wegen der nach wie vor obersten Instanz in allen Geldsachen: also wegen des internationalen Finanzmarktes, also der Summe jener Menschen, Institutionen und Staaten, die – das von Italien&Co so dringend benötigte – Geld haben und es verleihen oder auch nicht. Es war ja auch nicht die EU, sondern diese vielgescholtenen Märkte, die Italien und Griechenland zu ihren Sparpaketen gezwungen haben.

In den meistverschuldeten Ländern wäre es natürlich gut gewesen, wenn schon Jahre vorher eine Instanz als Hüterin der ökonomischen Grundrechnungsarten die Länder zu einem sparsameren Verhalten gezwungen hätte. Damals hätten die Einschnitte lange nicht so tief angesetzt werden müssen wie jetzt.

Solange aber kein Land freiwillig einer außenstehenden Institution solche Rechte einräumt, bevor ihm nicht selbst das Wasser weit über beide Nasenlöcher gestiegen ist, sollte man die Fiskalunion aber zumindest nicht ausgerechnet in der Faschingszeit verkünden. Denn sie wird sich als bloßer Faschingsscherz entpuppen.

Solange es keine solche echte Fiskalunion gibt, ist es aber auch weiterhin ein schwerer Fehler, die Steuerzahler (und die nächsten Generationen) anderer Länder zu zwingen, die Schuldnerländer immer weiter zu finanzieren. Denn dann wird es mit der Disziplin in den Schuldnerländern bald wieder vorbei sein. Und am Schluss sind eben alle pleite. Oder aber es kommt zur viel wahrscheinlicheren "Lösung": Das Geld ist nichts mehr wert, und damit sind es auch die Schulden nicht mehr. 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Turbokapitalismus auf Chinesisch

18. Dezember 2011 23:42 | Autor: Elisabeth Hennefeld
Rubrik: Gastkommentar

Neulich auf CNN ein echtes Schmankerl: Chinesischen Firmen steht es gut zu Gesicht, wenn sie sich international präsentieren können. Ausländische Kontakte sind ein Prestigeobjekt, zeugen von Ansehen und Wohlstand. Und wie bei allen Statussymbolen kann man sie tatsächlich haben oder wahlweise auch mieten.

Ich weiß aus persönlicher Erfahrung: Ein weißes Gesicht fällt in Ostasien auf wie ein bunter Hund. Man wird ständig neugierig und skeptisch zugleich beäugt, jede Gestik und Mimik genauestens studiert. Das konsonantenlastige Kauderwelsch, das dieses Bleichgesicht von sich gibt (Deutsch), provoziert gelegentlich ein kleines Schmunzeln, das natürlich sofort hinter der zarten asiatischen Hand verborgen wird. Schließlich will ja niemand, dass ich mein rosiges Gesicht verliere. Ja, so ein Fremder hat schon was Faszinierendes.

Findige Neokapitalisten in Fernost machen sich die Exoten mit den großen Nasen nun für Geschäftsbeziehungen zu Nutze. Lehrer, Studenten oder Schauspieler mit westlichen Gesichtszügen werden in Maßanzüge gesteckt und mit gefälschten Visitenkarten bewaffnet dem Provinzgouverneur oder Geschäftspartner als finanzkräftiger Inverstor aus Amerika oder langjähriger Sozius aus Europa vorgeführt.

Sie müssen nur weiß sein, kein Wort Chinesisch sprechen und dann und wann so tun, als würden sie sich mit ihrem Übersetzer unterhalten. Dazu gibt’s ein Essen in den nobelsten Hotels und ein paar hundert Dollar. Den Anzug dürfen sie meistens auch behalten.

35 Jahre nach dem Ableben des großen kommunistischen Steuermannes Mao sind im Reich der Mitte ethnische Merkmale zur Handelsware geworden. Die unsichtbaren Kräfte Angebot und Nachfrage regeln den Preis, und das Ganze läuft auch noch subventions- und steuerfrei.

Marktwirtschaftlich ist das einwandfrei, doch könnte man sich die Frage stellen, ob das stundenweise Mieten von blauen Augen oder blonden Haaren zu betrügerischen Zwecken nicht vielleicht doch moralisch irgendwie fragwürdig ist. Nicht unbedingt. Denn der große Drache ist kein gewohnheitsmäßiger Lügner, er schmückt sich nur ab und zu mit fremden Federn.

Egal, ob man ein Infrastrukturprojekt mit der Regierung in Peking verhandelt, oder ein paar Essstäbchen in den Straßen von Hongkong ersteht, der Drache wird immer versuchen, einen über den Tisch zu ziehen. Der CNN-China-Experte rät darauf stets gefasst zu sein, sich nicht ausnehmen zu lassen wie eine Pekingente und sich auf keinen Fall etwas anmerken zu lassen, damit alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können – egal welche Farbe es hat.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz).

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Fußnote 247: Das Fundament des Stillstandes

18. Dezember 2011 00:07 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Selten genug, dass man Mitleid mit dieser Bundesregierung hat. Ein Christoph Leitl ist jedoch regelmäßig imstande, solches auszulösen.

Bei seinen Interviews empört er sich mit arroganter Überheblichkeit über das Versagen der Regierung beim Sparen. Selber aber bringt der Mann während langer Interviews immer nur gut klingende, aber nie mit Inhalt gefüllte Überschriften zustande. Und am peinlichsten hat er mit seiner Wirtschaftskammer versagt, als sie zusammen mit der Arbeiterkammer ein Papier zur Einschränkung der Frühpensionen erarbeitet haben. Denn darin waren vermehrte Rehabilitionsmaßnahmen für Möchtegern-Frühpensionisten so ungefähr die schärfste Maßnahme im Kampf gegen eines der größten Probleme dieses Landes. Ich weiß schon, dass es so gut wie unmöglich ist, sich mit Gewerkschaft und Arbeiterkammer auf irgendeine wirklich wirksame Spar-Maßnahme zu einigen. Aber wenn man sich mit ihnen dennoch immer wieder hinsetzt und dann ein gemeinsames Minimal-Papier unterschreibt, wenn man seit vielen Jahren der Gewerkschaft, also der reformresistentesten Kraft des Landes, die Mauer macht, dann sollte man nicht präpotent anderen „Stillstand“ vorwerfen. Dann ist man längst selbst zum Fundament des Stillstandes geworden.

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Wo ist der österreichische Monti?

17. Dezember 2011 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ist die gute Nachricht zur Vorweihnachszeit: Das italienische Sparpaket des neuen Ministerpräsidenten Mario Monti hat mit schmerzhaften, aber nicht entscheidenden Abstrichen seine wichtigste parlamentarische Hürde genommen. Damit ist die größte Umwandlung des Nachkriegsitaliens fix. Was heißt das aber für Europa und für Österreich?

Die massive Mehrheit in der römischen Abgeordnetenkammer zeigt, dass das Wissen um den Ernst der Lage letztlich doch in den Köpfen der südlichen Nachbarn angekommen ist. Sogar ein Gutteil der Linken hat dem zugestimmt, was einem Berlusconi sogar bei weit weniger einschneidenden Maßnahmen verweigert worden war. Die Lega Nord hingegen hat sich zur populistischen Neinsager-Partei degradiert, die keine Perspektive für die Zukunft des Landes bietet (auch wenn der Wunsch nach einer Abtrennung des mitteleuropäischen Nordens vom mediterranen Süden durchaus nachvollziehbar ist).

Dass auch die Gewerkschaften wie wild gegen Monti kämpfen, ist zum Teil als landesübliche Folklore und Überlebenskampf eines überholten Vereins einzustufen. Dieser Kampf setzt zum anderen Teil aber doch noch ein heftiges Fragezeichen hinter die europäische Sanierungspolitik.

Denn chinesische wie andere Investoren – die der alte Kontinent so dringend bräuchte – haben immer wieder klargemacht, dass sie ihr Geld nicht zuletzt deswegen von Europa fernhalten, weil sie an der Ernsthaftigkeit der europäischen Spargesinnung zweifeln. Und da sind die Fernsehbilder von Streiks und Besetzungsaktionen halt nicht sehr überzeugend. Es ist einem Nichteuropäer gar nicht so leicht klarzumachen, dass dahinter keine Bevölkerungsmehrheit steht. Dies ist vor allem dann schwierig, wenn die linken Medien Occupy-Aktionen weit über die in Wahrheit sehr bescheidenen Teilnehmerzahlen hinaus bejubeln.

Die Liste der Monti-Maßnahmen ist aber jedenfalls bunt wie eindrucksvoll und weitgehend nachahmenswert:

Vorerst gescheitert ist Monti hingegen mit einer Freigabe der Taxilizenzen und mit einer Kürzung der luxuriösen Parlamentariergehälter, die mit über 11.000 Euro netto(!) pro Monat weit über allen anderen Ländern liegen. Allerdings haben die Abgeordneten versprochen, das nun „autonom“ anzugehen.

Dennoch bleibt das Paket eindrucksvoll. Und man kann für Italien hoffen, dass das Land mit Monti nun vielleicht doch bald wieder über den Berg kommen könnte.

Manche der nun beschlossenen Maßnahmen (auch in der zweiten Kammer werden sie wohl noch vor Weihnachten durchgehen) schaffen Privilegien ab, die in österreichischen Ohren wirklich provozierend klingen. In seinen Kernbereichen, vor allem beim Pensionsantritt, sind das aber durchwegs Beschlüsse, die auch anderswo dringend notwendig wären. Etwa auch in Österreich. Freilich ist versicherungsmathematisch und demographisch ein Pensionsantritt mit 66 Jahren in Wahrheit immer noch zu früh. Denn Erich Streißlers einst von allen aufrechten Linken wütend bekämpften Berechnungen, dass der Pensionsantritt angesichts der steil gestiegenen Lebenserwartung erst über 70 erfolgen dürfte, sind nach wie vor richtig.Und sind angesichts des hartnäckigen Geburtendefizits noch viel richtiger.

Nur: Wo ist der österreichische Monti? Selbst außerhalb der Regierung findet man keinen überzeugenden Kandidaten.

Gleichzeitig zu den Monti-Beschlüssen ist der Zustand der österreichischen Pensionsversicherung bekanntgegeben worden. Die Kosten des Pensionssystems wachsen im kommenden Jahr um weitere 6,2 Prozent. Aus dem Bundesbudget müssen sogar um 14,2 Prozent mehr in das System geholt werden. Damit fließen über die Beitragszahlungen hinaus schon 4,6 Milliarden Euro aus dem allgemeinen,schwer verschuldeten Bundesbudget ins Pensionssystem. Und das alles in Zeiten einer neuen Rezession. Und das alles noch BEVOR die Babyboomergeneration ohne Zurücklassung einer nennenswerten Kinderzahl massenweise in Pension geht. Was sie aber im kommenden Jahrzehnt tun wird.

Was noch schlimmer ist: Nirgendwo ist ob dieser Zahlen die notwendige erregte und besorgte Diskussion ausgebrochen. Es sind ja nur Ziffern. Und handeln müssen nur die Italiener

 

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Wie hoch ist die Arbeitslosenquote in der EU?

16. Dezember 2011 11:59 | Autor: Andreas Unterberger

Arbeitslosenquote der EU-Staaten Ende November 2011 in Prozent

 

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SN-Kontroverse: Klima-Hysterie

16. Dezember 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Klimapolitik - Nichts als Hysterie?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Überlebenswichtig vernünftig

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

 

So um die Wende zum 19. zum 20. Jahrhundert wurden Frauen als „hysterisch" bezeichnet, wenn sie nicht den Ansprüchen der vorherrschenden patriarchalisch-brachialen Ideenwelt gerecht wurden. Dann kam, so um die Zeit, als das Auto erfunden wurde und die ersten Frauen an Universitäten in Europa studieren durften, ein gewisser Dr. Sigmund Freud und ließ sich als Arzt in der Bergstraße in der damaligen Reichshauptstadt Wien nieder und erfand die Psychoanalyse. Er räumte gründlich mit dem Begriff der Hysterie auf.

Freuds Thesen waren heftig umstritten, setzten sich aber durch. Der Göttin sei Dank! Ähnlich verhält es sich mit dem Umwelt- und Klimaschutz. Noch in den 1970er- und 1980er-Jahren kämpften „rebellische" Jugendliche für Umweltschutz, gegen Atomkraftwerke, für den Erhalt des Wiener Naherholungsgebiets, die Hainburger Au. Unter Bundeskanzler Franz Vranitzky wurde dann ein bundesweites Wasser- und Seenerhaltungsprogramm umgesetzt. Heute kann wieder in der Donau und deren Nebenflüssen zumindest in Österreich unbedenklich gebadet werden. Die Seen haben Trinkwasserqualität.

Die Maßnahmen durchzuziehen ging nicht ohne Widerstände ab, weil sie mit hohen Kosten verbunden waren. Nur wenige würden heute aber sagen, sie hätten sich nicht gelohnt. Global hat sich auch einiges getan. Forscher können genau den CO2-Ausstoß pro Industrienation berechnen, wissen um die schädlichen Auswirkungen der Treibhausgase und der Klimawandel ist keine „hysterische" Einbildung, sondern nachweisbar.

Und, was das Wichtigste ist: Die Menschheit im globalen Dorf kann etwas dagegen tun. Klar, es kostet, die Meere vom tödlichen Plastikmüll frei zu halten und für reine Luft zu sorgen. Globale Klimapolitik ist aber alles andere als Hysterie, sondern überlebenswichtig vernünftig.

 


Sehr teuer, aber nutzlos

Andreas Unterberger

 

Die Österreicher zahlen für die Klimapolitik Milliarden. Für Kyoto-Strafen, für Klimaforschung, für hässliche Windmühlen quer übers Land, für (immer öfter chinesische) Solarpaneele, usw. Während der dadurch mitverursachte Crash der Staatsfinanzen eine sehr reale Gefahr ist, bezweifeln Zehntausende Naturwissenschafter, dass CO2 und andere Gase eine globale Erwärmung auslösen (für Interessierte: www.nipccreport.org). Dem stehen Computermodelle der offiziellen UNO-Doktrin vom Klimatod gegenüber, die nach den 0,8 Grad Erwärmung der letzten 150 Jahre für die nächsten Jahrzehnte mit 2 bis 6 Grad plus drohen. Diese offizielle Doktrin ist auch dadurch suspekt geworden, weil ihre Exponenten mit Erpressungen die Veröffentlichung kritischer Studien bekämpfen und Daten unterdrücken.

 

Eine Reihe von Tatsachen macht auch Nichtnaturwissenschafter nachdenklich: Die Erde hat schon viel wärmere (und kältere) Zeiten erlebt, ganz ohne menschliche Aktivitäten. Grönland etwa wurde als agrarisch nutzbares „Grün"(!)-Land entdeckt. CO2 fördert jedenfalls massiv das Wachstum der Pflanzen, die wir zur Ernährung der wachsenden Menschheit dringend brauchen. Im kalten Norden liegen die größten Landmassen des Globus; diese würden bei einer wodurch auch immer ausgelösten Erwärmung nutzbar. Wärmeperioden waren in der Geschichte der Menschheit immer die friedlichsten und prosperierenden. Aber selbst wer trotz dieser und vieler anderer Indizien an das Klimagespenst glaubt, darf dennoch am Sinn des sogenannten Kyoto-Protokolls zweifeln, das Österreichs Steuerzahler so belastet: Denn die Länder, die sich zu diesem Protokoll bekennen, also vor allem die EU, stoßen nur 15 Prozent der globalen Treibhausgase aus. Jedes in Europa eingesparte Fass Öl macht aber nur das Öl für China & Co. billiger. Die wirtschaftliche Selbstbeschädigung der EU ist also klimatisch jedenfalls irrelevant.

 

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Die Schuldenbremse

15. Dezember 2011 05:42 | Autor: Walter Schönthaler
Rubrik: Gastkommentar

Ein satirisches Märchen mit Happy End.
Es geschah vor vielen Jahren auf dem wunderschönen Kontinent Indebitamento:

Der Investor Pecuniarius borgte dem Herrscher Governatos eine Scheibtruhe voller Münzen. Governatos wollte ein gerechter Herrscher sein und verteilte das geborgte Geld in Form von Subventionen und Gratifikationen an sein Volk.

Die Angewohnheit der Herrschenden, mehr Geld auszugeben, als sie durch die Steuern der Untertanen eingenommen hatten, nannte man Deficit Spesa. Als der berühmte Ökonom Keynesianus die  ideologische Basis dafür lieferte, verbreitete sich die Methode rasch auf dem Kontinent. Bald gab es Dutzende Staaten und Regierungen, die eifrig Deficit Spesa betrieben.

Dieser Vorgang wiederholte sich mehrere Jahrzehnte, bis die Bewertungsagentur Norma & Povero die Finanzgebarung der Schuldner überprüfte und zum Schluss kam, dass viele Regierungen niemals in der Lage sein würden, die kumulierten Schulden aus den Steuereinnahmen ihrer Untertanen zurückzuzahlen.

Der Schuldenberg wurde von Tag zu Tag drückender – eine Schuldenbremse musste her.

Aber die Gläubiger wollten nicht bremsen – die Regierungen sollten es tun. Diese bekannten sich öffentlich zur Schuldenbremse und wollten sie per Verfassungsgesetz beschließen, um sie zukünftigen Regierenden als wirtschaftspolitisches Vermächtnis zu hinterlassen.

So geschah es, dass der Staat weiterhin Kredite bekam, aber die Unternehmen in der Kreditklemme gefangen waren.

Die Investitionen der Unternehmen fielen nahezu auf null, das Bruttonationalprodukt stagnierte, die Inflation betrug sieben Prozent und immer weniger Untertanen wollten sparen, nicht einmal die kleinen Sparer, die die Finanzwirtschaft jahrzehntelang brav mit negativer Realverzinsung gesponsert hatten.

Da hatte der Unternehmer Entrepreneros eine Idee: Er machte Pecuniarius und den Investoren den Vorschlag, direkt in die Unternehmen zu investieren – statt den ineffizienten Umweg über die Staatsanleihen zu nehmen.

„Das kann ich leider nicht! Die Kreditgewährung an Unternehmen und Private ist sehr erschwert worden, man könnte sagen, Unternehmenskredite sind verbaselt worden“, antwortete Pecuniarius.

„Geschäftsbanken, die Kredite an Unternehmen vergeben, müssen große Nachteile in Kauf nehmen. Denn für einen Unternehmenskredit brauche ich viel mehr Eigenkapital als für Staatsanleihen, Fremdwährungsfinanzierungen, CDS (Credit default swaps) oder andere Blasenpumpen“, seufzte Pecuniarius traurig.

Der Kontinent Indebitamento war offensichtlich dem Untergang geweiht.

Da geschah das, was man später als „das Wunder der Inversion“ bezeichnete:

Durch den Irrtum eines Spitzenbeamten der Zentralbank in einer Provinz waren die Vorschriften für Staatsanleihen mit jenen für Unternehmenskredite verwechselt worden.

Ein glücklicher Zufall, der die Fehlleitung der Finanzströme während der letzten beiden Jahrzehnte schlagartig beseitigte.

Denn als die strengen, restriktiven Vorschriften von Basilea II auf alle Finanzgeschäfte ohne realwirtschaftliche Basis angewendet wurden, reduzierten sich diese auf ein Minimum und auch die Spekulation verschwand schlagartig.

Hingegen führte die Freigabe der Realkredite zu einer Renaissance der Investitionen in die Realwirtschaft. Denn die Unternehmer und Banken nutzten die Chance, um in neue Technologien und Produkte zu investieren, sodass das Bruttonationalprodukt kontinuierlich stieg und neue Arbeitsplätze entstanden.

Als man erkannte, welchen positiven Effekt die simple Umkehrung der Kreditvorschriften in der Provinz gehabt hatte, übernahm man dieses Inversio-Prinzip für den gesamten Kontinent:  Es dauerte nicht lange und der Kontinent Indebitamento war weltwirtschaftlich und geopolitisch wieder auf Erfolgskurs.

Mag. Walter Schönthaler ist Unternehmensberater für Markenartikelunternehmen und Fachhochschullektor für Innovationsmarketing und Unternehmensführung;  zuvor arbeitete er mehr als drei Jahrzehnte in der Lebensmittelindustrie, u.a. als Vorstand der Manner AG, CEO der Felix Austria GmbH und CEO der S.Spitz GmbH.

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Euro oder Nicht-Euro ist nicht die Frage

15. Dezember 2011 00:27 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Beim EU-Gipfel haben zumindest anfangs vier Länder die Zustimmung zu einer Fiskalunion verweigert, teils nur vorübergehend, teils dauerhaft. Unabhängig von der Dauer des Neins ist die Frage interessant: Sind die Nein-Sager eigentlich klüger oder dümmer als die anderen?

Alle vier haben zwar durchwegs konservative Regierungen, sie sind auch allesamt sehr froh, nicht beim Euro zu sein. Sie sind aber dennoch in Wahrheit sehr unterschiedlich zu beurteilen.

Weitaus am besten steht Schweden da. Es ist nach dem schweren Kollaps des sozialdemokratischen Wohlfahrts- und Schulden-Modells in den 90er Jahren und nach darauffolgenden neoliberalen Reformen (die das Land aber keineswegs unsozial gemacht haben) heute neben der Schweiz Europas Vorzeigeland Nummer eins. Die Finanzen sind in Ordnung, die Wirtschaft blüht, der durchschnittliche Pensionsantritt erfolgt vier Jahre später als in Österreich, was auch die etwas höhere Arbeitslosigkeit deutlich relativiert. Schweden ließ sich nicht einmal erpressen, als der marode Saab-Konzern nach Staatshilfe rief. Denn seine Regierung weiß, dass man auch den Mut haben muss, ein Unternehmen sterben zu lassen. Die Folge dieser Politik: Schwedische Aktien und die schwedische Währung zählen heute zu den häufigsten Tipps, wo man sein Geld anlegen kann.

Auch Tschechien, das nächste abseitsstehende Land, steht an sich gut da. Freilich ist es sehr stark von Exporten in den Euroraum abhängig, und die Prager Regierung beschädigt sich selbst regelmäßig mit heftigen Korruptionsskandalen.

Die Briten hingegen haben derzeit wirklich schlechte wirtschaftliche Daten. David Cameron hat jedoch mutige Reformen gestartet, um eine kräftigende Rosskur auszulösen, die wieder wie einst unter Margaret Thatcher eine Epoche der Blüte einleiten könnten. Jedenfalls wurde von den meisten Briten das Nein zum Gipfelbeschluss begeistert aufgenommen. Die Inselbewohner wissen zwar, dass sie den Binnenmarkt brauchen, und sie sind auch militärisch gute Bündnispartner, aber sie haben verständlicherweise keinerlei Lust, sich bei Steuern oder Budgets von der EU dreinreden zu lassen.

Ungarn hingegen ist ein sehr trauriger Fall. Seine Währung steht heftig unter Druck, seine Anleihen sind Ramsch. Die Regierung spart zwar nach schweren Fehlern ihrer sozialdemokratischen Vorgänger nun spürbar, sie hat sich aber gleichzeitig durch antisemitische Akzente, durch eine betont nationalistische Politik und durch Frontalangriffe auf Banken und Medien in eine weitgehende Isolation manövriert. Selbst österreichische Politiker zögern derzeit, nach Ungarn zu reisen.

Die Unterschiede zwischen den Vier zeigen jedenfalls: Euro oder Nicht-Euro ist keineswegs die entscheidende Frage. Das ist vielmehr die Höhe der Schulden, die Wirtschaftskraft und vor allem die Glaubwürdigkeit der Sanierungsversuche. Das heißt heute aber auch: Ohne Jahre der bitteren Mühen kommt kein Land aus der Krise heraus. Egal, welche Währung es hat.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Ode an das Entrepreneurship

14. Dezember 2011 23:42 | Autor: Elisabeth Hennefeld
Rubrik: Gastkommentar

Es gibt Dinge, die wir den Amerikanern nicht unbedingt nachmachen sollten. Das Essen zum Beispiel. Oder deren Idee von „Football“. Lady Gaga hätten sie auch für sich behalten können. So manches bewundere ich aber auch an ihnen. Ihre Eishockey-Liga. Ihr tiefes Misstrauen gegenüber zentralstaatlicher Umverteilungsbeglückung. Und vor allem ihren Unternehmergeist.

George Bush (junior) soll einmal zu Jacques Chirac gesagt haben: „Your problem is that you don’t have a word for entrepreneur in French.“ Wenn’s nicht stimmt, ist‘s gut erfunden. Abgesehen davon bringt Bush-Witz Nummer 576 einen der wesentlichsten Unterschiede der Cousins beiderseits des Atlantiks trefflichst auf den Punkt.

Im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten hat man einen unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten (ab und zu mit leicht adoleszenter Selbstüberschätzung). Im guten alten Europa hingegen klammert man sich an mirakulöse Heilsversprechen eines diffusen Etwas, das viele meiner Kommilitonen Staat und/oder Gesellschaft nennen; so eine Art pragmatischer Taufschein-Marxismus.

„Man“ ist in diesem Fall vor allem die Vorsitz-Elite der Österreichischen Hochschüler_innenschaft. Bei der Lektüre ihrer Forderungskataloge schäme ich mich regelmäßig, Student zu sein. Akademiker haben von den Politikern als das allerwichtigste im Staat angesehen zu werden, daher her mit der Marie(!) und freier Zugang für alle, auch Analphabeten.

Als kleine Randnotiz ein eher harmloses Originalzitat als Appetithäppchen: „Die Wiedereinführung von Studiengebühren für alle ist bei der alarmierend geringen Zahl an Studierenden eine irrsinnige Idee.“ In der Tat alarmierend, wie wenig Politikwissenschaftsabsolventen, die nicht einmal alle Bundeskanzler der Zweiten Republik aufzählen können, in den öffentlichen Dienst drängen.

Jenseits des Atlantiks hat der durchschnittliche Akademiker bei seinem Abschluss einige Zehntausend Dollar Schulden. Und die hat er in der Regel nicht in unvergessliche oder längst vergessene Saufgelage investiert, sondern in sich selbst, seine Ausbildung, seine Zukunft. Da staunt der kleine Europäer. Noch viel mehr erstaunt ihn, dass diese Schulden nicht selten schon vor dem dreißigsten Geburtstag wieder abbezahlt sind. Wow!

Wie machen die das? Was veranlasst einen 18-jährigen, der noch nicht einmal ein Bier bestellen darf, sich um ein Mehrfaches unseres durchschnittlichen Prokopfeinkommens (brutto) zu verschulden? Wie wird er die wieder los, bevor seine statistischen 2.1 Kinder unterwegs sind? Und warum würde es ihm im Traum nicht einfallen, von Staat und/oder Gesellschaft Unterstützung zu fordern? Was tun die in ihr Wasser? (Chlor, Trinkwasser importieren sie aus Frankreich.)

In einer Schule in Florida gibt es ein Pilot-Projekt, in dem Kinder vor allem aus sogenannten unterprivilegierten Verhältnissen schon im Grundschulalter spielerisch an unternehmerische Eigenverantwortung herangeführt werden. Sie finanzieren sich – ganz ohne Schulbuchaktion – ihren Schulbedarf aus eigener unternehmerischer Initiative; klischeehaft gesprochen vielleicht mit einem Limonadenstand. Sie lernen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, mit Erfolg und Misserfolg umzugehen, die Zufriedenheit, aus eigener Kraft etwas erreicht zu haben.

Der Radikalindividualismus des „land of the free, home of the brave“ wird vom kultivierten Europäer oft als stumpfe Egomanie missverstanden. Dabei wird gern die zweite wesentliche Ingredienz zum American way of life vergessen. Zu dem – positiv formuliert – bewundernswerten Unternehmergeist gehört auch ein ebenso bewundernswerter Gemeinschaftssinn. Unseren milchzähnigen Jungunternehmern in Florida ist nämlich sehr wohl bewusst, dass viele kleine Helferlein sie zwischendurch aufrichten, motivieren, inspirieren. Nur weil man etwas selbst geschafft hat, heißt das keineswegs, dass man es allein geschafft hat. Daraus ergibt sich die noble Verpflichtung, dereinst selbst ein Helferlein zu werden.

Das ist Wirtschaftsliberalismus in seiner herrlichsten Form. Er fördert das Gemeinwohl, lehrt Eigenverantwortung, zeigt Papa Staat die lange Nase und steigert das Bruttosozialprodukt. Ob es die Welt besser und gerechter macht, sei dahin gestellt. Jedenfalls gibt es weit, weit weg ein paar Jugendliche, die sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, warum ihr Nachbar reicher ist als sie, wer an ihrem Unglück schuld sein könnte und wer es für sie richten soll. Sie feilen an der Preiskalkulation für ihren Limonadenstand und lesen eifrig ihre Schulbücher; schließlich haben sie auch schwer dafür geschuftet.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz).

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Die Bahn hat Konkurrenz: Wir dürfen uns freuen

14. Dezember 2011 02:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wettbewerb kann sogar die fettesten und müdesten Privilegienritter wachrütteln. Zumindest ein wenig. Das merkt man seit Beginn dieser Woche am Beispiel der Bahn. Diese Erkenntnis lässt jubeln – und bangen, ob die neue Westbahn so lange durchhält, bis europäische Wettbewerbshüter die schmutzigen Tricks von ÖBB und Verkehrsministerin endgültig stoppen und bestrafen.

Der Hintergrund des ÖBB-Tricks: Der Gesetzgeber hat bei Telephon und Strom (mit großem Erfolg) sowie bei Post und Gas (mit geringerem Erfolg) den Übergang vom bürokratisch-teuren Staatsmonopol zum kundenorientierten Wettbewerb durch absolut unabhängige Regulatoren begleitet. Nur so haben die neuentstehenden Privaten eine Überlebens-Chance gegen die jeden neuen Mitbewerber von der ersten Sekunde an lustvoll niederbeißenden Revierverteidiger.

Was aber hat die österreichische Regierung hingegen bei der Bahn gemacht? Da wird der Wettbewerbsvorteil des Monopols gleich dreifach verteidigt!

Erstens fließen zum Unterschied von Post und Telekom weiter Steuergelder in die Bahn, sowohl versteckt wie auch offen. Zweitens hat man bei der Bahn keine echte Trennung zwischen dem natürlichen Monopol, nämlich dem Eigentum am gesamten Schienennetz, und den sich für einen gesunden Wettbewerb ganz natürlich anbietenden Zügen gemacht: Beide gehören weiterhin zum gleichen Konzern und sind ganz offensichtlich nur formal getrennt. Beide werden ja auch vom gleichen Gewerkschaftsboss kontrolliert beziehungsweise regiert.

Und drittens ist die Funktion des „unabhängigen“ Regulators total lächerlich geworden, seit eine Frau ausgerechnet aus dem Kabinett der Verkehrsministerin mit dieser Aufgabe betraut worden ist. Diese Ministerin aber ist ganz zufällig oberste und einzige Eigentümervertreterin bei den ÖBB (und hat als fast einzigen Hauptauftrag ganz offensichtlich dafür zu sorgen, dass SPÖ-nahe Blätter weiterhin nach Faymann-Art mit ÖBB-Inseraten versorgt werden).

Da muss die neue „Westbahn“ schon ein erkleckliches Maß an Tollkühnheit haben, wenn sie gegen diese ÖBB den Wettbewerb aufnimmt. Es ist alles andere als ein ebenes Spielfeld für einen chancengleichen Wettbewerb, wenn man monatelang alleine darum kämpfen muss, dass die privaten Züge nicht „verkehrsbedingt“ neun tödlich lange Minuten in einer Station warten müssen, bis der ÖBB-Fahrplan die Signale auf Grün stellt. Oder wenn sogar die Aufnahme ins Kursbuch – in dem auch alle sonstigen Verkehrsanbieter wie Busunternehmen zu finden sind – erst mit Gerichtshilfe durchgesetzt werden kann (die erwähnte Regulatorin selbst blieb natürlich untätig).

Die privaten Anbieter haben jedenfalls klug daran getan, einen gewichtigen ausländischen Partner, nämlich die französische Bahn, als Minderheitsbeteiligten zusteigen zu lassen. Denn durch die Teilnahme eines Partners aus einem anderen EU-Land kann nun jede Diskriminierung vor EU-Behörden und -Gerichten bekämpft werden. Das dauert oft Jahre, aber es wirkt. Ein rein österreichischer Anbieter könnte hingegen nicht zur EU und zum EU-Gerichtshof gehen. Es ist schade, dass es immer erst den Umweg über die EU braucht, bis in Österreich wieder ein wenig Marktwirtschaft eingeführt werden kann.

Eine wichtige Kampflinie sind nun die plötzlich von der ÖBB auf den Markt geworfenen Billigtickets. Aber ist es nicht positiv, wenn die ÖBB endlich billiger werden? So werden da zumindest manche einwenden. Und ist es nicht unerfreulich, wenn die Privaten gegen billigere Preise kämpfen?

Nein, ganz und gar nicht. Denn die ÖBB hat in alter Monopolistenmanier die Preise nur zu dem einzigen Zweck gesenkt, um die Privaten kaputt zu machen. Sie wird sofort wieder teurer werden, wenn die Konkurrenz entnervt aufgibt. Weil ständig eine solche Strategie eines marktbeherrschenden Anbieters droht, wurden beispielsweise auch der Telekom zu Recht vom Regulator Mindesttarife vorgeschrieben. 

Zweitens sind die ÖBB-Billigtickets auch solange unakzeptabel, solange die Staatsbahn alljährlich Milliarden vom Steuerzahler erhält. Wer Steuergeld erhält, muss sich auch vom Staat Vorschriften gefallen lassen. So will die Obrigkeit jetzt sogar bei jenen Banken, die nie eine Staatshilfe erhalten haben, die Gehälter nach unten regulieren. Nichts anderes bedeutet ja die massive Einschränkung von Provisionen für Bankmitarbeiter.

Grotesk ist auch die Behauptung der ÖBB, die erhaltenen Subventionen seien für alle anderen Bahnstrecken notwendig, aber ausgerechnet nicht für jene zwischen Wien und Salzburg. Daher sei auf dieser Strecke das Verhalten der ÖBB durchaus als fair und keinesfalls wettbewerbswidrig zu sehen.

Blöder geht’s nimmer. Denn die privaten Züge fahren ja nur zwischen Wien und Salzburg. Und nur dort fließt kein wettbewerbsverzerrendes Steuergeld hinein. Laut ÖBB . . .

Angesichts solcher Argumentationen des Hauses Bures/ÖBB werden die EU-Richter noch viel Arbeit haben. Sie werden aber auch – freilich: irgendwann – eine echte gesellschaftsrechtliche Trennung zwischen Infrastruktur und rollendem Bahnbetrieb durchsetzen.

Davon unabhängig ist es doch erstaunlich, was plötzlich bei der Gewerkschaftsbahn alles so möglich ist. Nämlich genau das, was bisher trotz vieler Kundenwünsche absolut unmöglich schien: So gibt’s im Rail-Jet ausgerechnet auf der Strecke Wien-Salzburg plötzlich Speisewägen und W-LAN für Internet-Nutzer.

All diese Aspekte machen eine zumindest teilweise Privatisierung der Bahn dringend und sinnvoll. Denn mehr privat bedeutet nicht nur mehr Komfort, sondern auch einen massiven Wechsel von Passagieren vom Auto auf die Bahn. Was einerseits einen klaren Kundenwunsch bedient; und was andererseits ökologisch vorteilhaft ist. In England hat durch die Privatisierung und den daraus folgenden Wettbewerb die Zahl der Bahnfahrer um 60 Prozent zugenommen.

Wird aber nicht gerade die englische Bahn immer als Argument gegen eine Privatisierung angeführt? Ja, das wird sie – aber völlig zu Unrecht, wie die Zunahme der britischen Bahn-Passagiere und die gleichzeitige Abnahme von Verspätungen und Unfällen zeigt.

Richtig ist nur ein einziger Kritikpunkt, nämlich dass auf der Insel das Bahnfahren teurer geworden ist. Wenn aber dennoch so viel mehr Briten Bahn fahren, sind die höheren, also kostendeckenden Tarife durchaus legitim. Denn durch die Privatisierung sind vor allem gleichzeitig die staatlichen Budgets total entlastet worden.

Für den Bürger bringt das in der Summe also einerseits eine deutliche Einsparung und andererseits einen ökologischen Gewinn.

Allerdings muss auch klar sein: Bei der Infrastruktur, also beim Bau beziehungsweise bei der Erhaltung der Geleise, kann es nicht zu einem funktionierenden Wettbewerb kommen. Das ist ein natürliches Monopol. Hier musste ja auch die britische Zentralregierung entgegen dem ursprünglichen Konzept wieder einsteigen. Aber auch bei der Infrastruktur bringt die Privatisierung Vorteile: Die privaten Bahnbetreiber üben als Kunden heftigen Druck aus, dass die staatlichen Geleise gut in Schuss gehalten werden. Während bei staatlichen Einheitsbetrieben kein Mensch diesen Druck ausübt oder wahrnimmt. Dort regieren nur Lokalpolitiker hinein, die für jeden menschenleeren Geisterzug kämpfen.

In Frankreich, dass im Gegensatz zu den Briten noch keine Bahnprivatisierung erlaubt hat, ist die Passagierzahl im gleichen Zeitraum, in dem sie bei den Briten so steil gestiegen ist, um 28 Prozent zurückgegangen. Das sagt mehr als tausend Professoren.

Von der Propaganda der ÖBB in diesen Monaten ist in Wahrheit nur ein einziger Punkt ernst zu nehmen. Der freilich sehr: Die österreichische Politik – Bund UND Länder – hat den Bau dreier sehr teurer Bahntunnels beschlossen: Semmering, Brenner, Koralm. Jedoch: Wird die nun so dringende Schuldenbremse zumindest irgendwie ernst genommen, so werden diese Tunnels sicher nicht gebaut werden können, oder zumindest nicht alle. Und jedenfalls nicht in den nächsten Jahren.

Die Verkehrsministerin will dennoch – parallel zu den Schuldenbrems-Versuchen! – die gesetzliche Garantie festschreiben, in den nächsten sechs Jahrzehnten alleine für Baumaßnahmen weitere 65 Milliarden Euro Schulden machen zu dürfen. Das ist eine Chuzpe sondergleichen. Zu diesem Betrag kommen nämlich außerdem noch Finanzierungs-, Betriebs- und Erhaltungskosten für die neuen Strecken und Tunnels. Das wird die 65 Miolliarden noch vervielfachen.

Das Absurde ist jedoch: Das am weitesten vorangeschrittene Projekt ist ausgerechnet der weitaus sinnloseste Tunnel, nämlich der Koralm-Tunnel, der lediglich Graz und Klagenfurt verbinden wird. Durch den also niemals viel Verkehr gehen wird. Denn an dieser Strecke liegen weitgehend menschenleere Wälder und Berge.

Für den Bau dieser Tunnels sind aber nicht nur die sozialdemokratischen, sondern auch die blau-orangen und schwarzen Landespolitiker heftig unterwegs. Wird die Koralm nicht gebaut, schreien die Kärntner laut auf; wird der Brenner nicht gebaut, schicken die Tiroler die Schützen zum Marsch auf Wien; und wird der Semmering nicht gebaut, der in Wahrheit der einzig wirklich sinnvolle dieser drei Tunnels ist, dann stirbt für die Steirer ein Herzensanliegen. Am heftigsten agiert aber die SPÖ für diese Bauten: Denn dadurch würde den ÖBB eine so gewaltige Schuldenlast aufgelastet, dass in diesem Jahrhundert eine Privatisierung fast unmöglich wird.

Die Last für diese und andere Bauprojekte (wie etwa den Umbau der derzeit zu Dutzenden total neu konzipierten Nachkriegs-Bahnhöfe) bleibt auf Dauer in den Büchern der Bahn (und der künftigen gesamtstaatlichen Schuldenquote). Daran würde es auch nichts ändern, wenn es die ÖBB schaffen sollte, die Subventionen für den Fahrbetrieb auf Null zu bringen. Diese betragen aber immerhin weitere 600 Millionen jährlich. Dazu kommen noch die Pensionslasten und eben die Baukosten für die genannten Großprojekte. Wie auch viel kleine Lasten.

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Die Spekulanten rächen sich und - spekulieren nicht mehr

13. Dezember 2011 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jeder drittklassige Provinzpolitiker und jeder viertklassige Leitartikelschreiber hat die Täter gekannt: Die Finanzkrise sei von Spekulanten ausgelöst worden, die zuerst Griechenland und dann nach der Reihe andere Länder in die Krise getrieben haben. Unter dem Eindruck dieser – auch von vielen europäischen Bürgern begeistert geteilten – Überzeugung sind die europäischen Regierungen im Sommer zum Haarschnitt geschritten.

Sie zwangen alle privaten Gläubiger Griechenlands – also vor allem die Käufer griechischer Staatsanleihen –, freiwillig auf 50 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten. Vor allem in Deutschland glaubte man, durch diesen Haircut die Last ein wenig von den eigenen Steuerzahlern abgewälzt zu haben. Auf diese hat man ja seit Mai 2010 in mehreren Etappen die Haftung für die griechische Misswirtschaft überwälzt.

Das hat man im übrigen auch auf dem jüngsten Gipfel in einer weiteren teuren Etappe getan (obwohl darüber fast niemand redet, weil man lieber auf die Briten schimpft). Diesmal geschah die Überwälzung der Schulden durch eine forcierte Einschaltung des Währungsfonds, den man als Nicht-EU-Institution bisher in der Schuldenkrise eher nur am Rande mitspielen lassen wollte. Aber auch die Aktivierung des Währungsfonds kostet wieder mindestens(!) 150 Milliarden europäisches Geld. Das man halt neuerlich aus den Zentralbanken nimmt. Bei dieser Umwegkonstruktion muss man einerseits nicht die Parlamente fragen und kann andererseits das in den EU-Verträgen stehende Verbot der direkten Finanzierung von Schuldnerstaaten durch andere Staaten oder europäische Institutionen umgehen.

Gewiss fanden es von Anfang an manche Kritiker ein wenig widersprüchlich, wenn man jemandem zu einem „freiwilligen“ Verzicht zwingt. Diese Freiwilligkeit ist im übrigen bis heute noch in keiner Unterschrift festgehalten. Gleichzeitig steigt der Ärger über diese neue Zweiklassengesellschaft: Private Gläubiger müssen auf die Hälfte verzichten, staatliche hingegen nicht. In Zeiten des real existierenden Sozialismus gelten ja Staaten offenbar als etwas Besseres, private Geldverleiher kommen hingegen in der Beliebtheit gleich nach den Henkern und Lobbyisten.

Dass die Staaten etwas Besseres sind, haben die internationalen Notenbanken ja auch schon längst mit Brief und Siegel festgehalten: Sie haben in den diversen Basel-Abkommen die Kredite, die ein Staat aufnimmt, für absolut sicher erklärt, was Kredite eines Privaten niemals sein können.

Das alles erinnert übrigens stark an einen anderen internationalen Konsens von Regierungen und „Experten“, freilich etliche Zeit früher: Damals hat man die Erde zum Mittelpunkt des Weltalls erklärt. Trotz dieses nur von wenigen Querköpfen gestörten Konsenses hielt sich die Wirklichkeit bedauerlicherweise nicht daran. Heute ist es die Pleite Griechenlands (und anderer), welche die breite politische Übereinkunft stört, dass Staaten total sicher seien.

Zurück in die Gegenwart: Hier zeigen sich auch noch weitere Widersprüche zwischen dem allgemeinen Konsens der politisch-medialen Klasse und der Realität. Die viel kritisierten und als Spekulanten dämonisierten Geldverleiher waren in der Regel ganz biedere Sparer, Pensionsfonds, Versicherungen oder ausländische Staaten. Sie wollten eigentlich nur Geld sicher anlegen. Was ja eigentlich ein viel seriöseres Unterfangen ist als etwa das Betreiben des österreichischen Pensionssystems mit seinen vielen ungedeckten Mega-Schecks an die Zukunft.

Eine weitere Abweichung der Realität von der Denkwelt diverser EU-Gremien: Die „Spekulanten“ sind lernfähig. Sie lernen aber unfreundlicherweise aus der Realität und nicht aus Erklärungen diverser EU-Gipfel, die in immer kürzeren Abständen die Krise für beendet erklären. In der realen Welt waren die Investoren, pardon: „Spekulanten“ jedenfalls damit konfrontiert, dass entgegen aller europäischen Rhetorik die Anleihen eines­ – ersten – Euro-Landes nur noch die Hälfte wert waren.

Sie handelten daraufhin völlig folgerichtig. Denn, was in Griechenland passieren kann, kann ja nun auch in jedem anderen Land passieren. Daher begann ein „Spekulant“ nach dem anderen, sein Geld aus Anleihen europäischer Staaten zurückzuziehen. Sie weigerten sich immer öfter, neue Anleihen zu kaufen, egal ob die für neue Schulden oder nur die Rückzahlung abreifender alter Anleihen notwendig wurden. Sie kauften höchstens dann noch, wenn ihnen wirklich saftige Zinsen zugesichert wurden. Diese brauchten sie freilich auch für die notwendigen Kreditausfallversicherungen (CDS), ein weiteres uraltes Instrument, das neuerdings zum Teufelswerk erklärt worden ist.

Jetzt ist guter Rat teuer. Denn all die derzeit – angeblich – kommenden Schuldenbremsen, und die in Wahrheit sehr vage und konsequenzenarm bleibende Fiskalunion des letzten Gipfels können nicht mehr das einmal zerstörte Vertrauen wiederherstellen.

Der gute Rat ist so teuer, dass nun vom deutschen Finanzministerium bis zum EU-Ratspräsident lebhaft sogar darüber nachgedacht wird, ob man den griechischen Haircut nicht vielleicht noch rückgängig machen kann. Nur weiß jeder Friseur: Hat er einmal irgendwo zu viele Haare abgeschnitten, lassen sich die nicht mehr wirklich leicht ankleben. Oder in der Sprache der Finanzwelt: Wenn einmal Vertrauen zerstört worden ist, dann lässt sich das nicht mehr auf Befehl wiederherstellen.

Das Vertrauen in staatliches Reden und Handeln ist bei den deutschen Banken zusätzlich dadurch zerstört worden, dass sie von der eigenen Regierung 2010 überredet wurden, zum Unterschied von anderen Ländern keine griechischen Anleihen zu verkaufen. Ein Jahr später waren diese Anleihen nur noch die Hälfte wert. Dieser miese Trick belastet seit der Haircut-Ankündigung jedes weitere Gespräch zwischen Regierungen und Banken massiv. Denn wer der deutschen Regierung vertraut hat, steht jetzt ziemlich blöd da. Und anderen Regierungen zu vertrauen, ist ja schon seit längerem nur noch ein Ausweis besonderer Dummheit.

Jetzt werden manche einwenden: Aber ohne einen solchen Haircut hätten die europäischen Steuerzahler ja noch viel tiefer in diese Tasche greifen müssen. Denn ohne deren Hilfe wäre es ja jedenfalls zu einem griechischen Zahlungsausfall gekommen – was ja nichts anderes als ein sofortiger Haircut bei den Gläubigern ist.

Das ist im Prinzip richtig. Nur hätte eine Insolvenz Griechenlands erstens keine Zweiklassengesellschaft unter den Gläubigern bedeutet und wäre damit nicht so provozierend und demotivierend für jeden privaten Sparer gewesen. Sie wäre zweitens zu einem viel höheren Anteil von den Griechen als Urheber des Schuldendebakels selbst zu tragen gewesen. Drittens hätte man – mit vermutlich viel weniger Geldaufwand – den Dominoeffekt sogar in hohem Ausmaß abfedern können, der ausländische Gläubiger bei einer Pleite Griechenlands bedroht hat.

Und der vierte Einwand ist der gewichtigste: Bei einer Insolvenz Griechenlands wäre schon vor eineinhalb Jahren das klare Signal an alle Europäer ausgesandt worden, dass sie selbst ganz allein für ihre Schulden und deren Rückzahlung verantwortlich sind. Dann hätten schon im Mai 2010 von Italien bis Österreich die notwendigen, aber schmerzhaften Sanierungen begonnen. Diese werden statt dessen jetzt erst überall mühsam diskutiert. Und gegen sie richtet sich allerorten naturgemäß der Protest der Schuldenprofiteure, wie etwa der Gewerkschaften, der Bürokratien und der Subventionsempfänger. Denn überhaupt kein Zweifel kann darüber bestehen, dass beispielsweise eine signifikante Hinaufsetzung des österreichischen Pensionsantrittsalters im Jahre 2010 viel schlauer gewesen wäre als wenn das erst 2012 – vielleicht! – beschlossen wird. Um nur aus einem einzigen Land nur eine einzige der Hunderten notwendigen, aber unpopulären Maßnahmen zu nennen.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Die Sorgen der Schweizer möchte man haben

10. Dezember 2011 00:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Andere Länder, andere Sorgen – warum eigentlich? Das zeigt eine Umfrage bei den wahlberechtigten Schweizern. Diese werden alljährlich nach ihren größten Sorgen befragt. Und dabei zeigt sich wieder einmal, dass die westlichen Nachbarn eine gesunde Weisheit besitzen, ohne auf die medial modischen Themen zu achten.

Denn sie fürchten sich am meisten vor der Arbeitslosigkeit. Die zweitmeisten Sorgen bereiten ihnen Ausländerfragen. Und an dritter Stelle folgt die Wirtschaftsentwicklung – in Wahrheit nur ein anderes Wort für Arbeitslosigkeit.

Das klingt noch nicht so aufregend. Viel spannender ist, welche zwei Sorgen aus der Liste der zehn meist genannten Sorgen hinausgekippt sind: Umweltschutz und europäische Integration.

Das heißt: Jene Umwelt-Themen, mit dem Medien, NGOs und Grüne europaweit seit Jahr und Tag für ständige Panik-Schlagzeilen gesorgt haben – vom Waldsterben bis zur globale Erwärmung – lösen heute nur noch Langeweile aus. Durchaus zu Recht, da die meisten grünen Weltuntergangs-Prognosen so haltbar waren wie jene von Sektenpredigern. Vielleicht ziehen auch anderswo Politiker ihre Schlüsse daraus und verbrennen nicht mehr Milliarden für hässliche und teure Windmühlen und Schutzgeldzahlungen an die grünen NGOs. Das tun sie auch, freilich noch nicht in Österreich: So immerhin vor einigen Tagen gleich sechs Umweltminister aus osteuropäischen EU-Staaten vor einer Verschärfung der (sauteuren) EU-Klimaziele gewarnt. Das war mutig - und zeigt, dass man auch von östlichen Nachbarn etwas lernen könnte.

Aber auch das gewachsene Schweizer Desinteresse an der europäischen Integration ist signifikant. Angesichts des derzeitigen Zustandes der EU ist die Mitgliedschaft in der Union nur noch in Beinahe-Drittweltstaaten zwischen Balkan und Kaspischem Meer ein interessantes Thema. Die Schweizer wenden sich mit Grausen ab (haben freilich durch viele bilateralen Verträge mit der EU ihre Interessen auch längst geregelt).

Das heißt nun sicher nicht, dass für ein EU-Mitglied ein Austritt eine sinnvolle Option wäre. Das heißt aber ganz gewiss, dass die Hausaufgaben jedes Landes auch wirklich zu Hause gemacht werden müssen; und dass gerade bei nüchternen Alemannen das real existierende EU-Prinzip wenig Begeisterung auslöst: Wir verschulden uns heute, um unsere Wähler zu bestechen, und zahlen tun dann morgen die anderen. Weil die müssen ja solidarisch sein, sonst beschimpfen wir sie.

Nach dem jüngsten Gipfel wird es jedenfalls kaum Europäer geben, die noch hochmütig auf die Schweizer herabblicken, die meinen, dass man von den Eidgenossen nichts lernen könnte. Es war jedoch nicht die EU, die Österreich im laufenden Jahr zu einem Defizit gezwungen hat, das rund fünf Mal so groß ist wie jenes der Schweiz. Es war die Begehrlichkeit der Österreicher selber. Ihr Pensionssystem, ihre ÖBB, ihre vielen Subventionsbezieher, ihre Landeshauptleute. Die diversen Solidaritätsaktionen für Griechenland&Co haben sich hingegen noch gar nicht im Budget niedergeschlagen. Noch nicht.

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Europas Schuldenböcke nach dem Gipfel

09. Dezember 2011 12:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ist es eine Katastrophe, dass vier konservativ regierte Länder dem deutsch-französischen Projekt einer Fiskalunion auf dem EU-Gipfel die Zustimmung verweigert haben? Ganz sicher nicht. Das viel größere Problem ist, dass dieses Projekt auch nur ein Projekterl ist, das die europäische Schuldenkrise nicht in den Griff bekommen kann. Großbritannien & Co schaffen den anderen höchstens einen Sündenbock für das Scheitern. Schuld aber sind die Schuldenböcke.

Was bedeuten die jüngsten EU-Beschlüsse? Gewiss ist es verwirrend, dass die europäische Architektur noch komplizierter geworden ist. Neben den 17 Euro-Ländern und den 27 EU-Länder gibt es dazwischen künftig die 23, die dem neuen Fiskalregime zugestimmt haben. Bis auf Großbritannien ist es freilich auch durchaus möglich, dass einige der vier Nein-Länder irgendwann doch noch aufspringen werden.

Zweitens werden die 23 (plus?) jetzt überhaupt erst einen detaillierten Vertrag ausarbeiten müssen. Das kostet Zeit. Es ist beispielsweise völlig unklar, ob die 23 (plus?) sich der EU-Institutionen wie des Gerichtshofs überhaupt bedienen dürfen. Freilich. Eine Änderung des EU-Vertrags hätte wegen der Wichtigmachereien des EU-Parlaments sowie wegen der notwendigen Volksabstimmungen (und der Hörigkeit Werner Faymanns gegenüber der Kronenzeitung) noch viel länger gedauert.

Die wirklichen Fragezeichen liegen noch immer in den Details. Es gibt noch keinen Vertragstext, weder für die 23 noch die 27. Das bedeutet aber auch die Gefahr, dass so manche Euro-Staaten die notwendigen scharfen Sanierungsmaßnahmen weiter aufschieben werden, bis dieser Vertrag vorliegt. Zumindest die sparunwillige SPÖ dürfte sich insgeheim sogar recht freuen darüber, aber auch so manche in der ÖVP. Die Opposition zeigt sowieso keinen ernsthaften Sparwillen (das tut sie aber in keinem Land). Und Österreich wie auch alle anderen Länder zahlen halt ständig höhere Zinsen für die eigenen Anleihen.

Im Grunde geht es um einen fast aussichtslosen Kampf: Schaffen es die Staaten doch noch, in ihrer Wirtschaftspolitik so glaubhaft zu werden, dass ihnen Anleger wieder Geld für ihre Anleihen geben, zumindest für die Refinanzierung der alten alljährlich abreifenden Kredite?

Die Anleger sind nämlich seit dem Beschluss über den griechischen Haircut – der übrigens noch immer nicht rechtlich ordentlich umgesetzt worden ist! – extrem vorsichtig geworden. Denn dieser Haircut stellt sich spätestens in diesem Spätherbst von Tag zu Tag mehr als Erbsünde heraus: Die Anleger haben gesehen, dass Staatsanleihen über Nacht das Gegenteil von absolut sicher sind. Während man bisher als Privater mit Anleihen eines Euro-Staates auf einen kleinen, aber ungefährdeten Gewinn hoffen konnte, gibt es nun den Präzedenzfall, dass 50 Prozent des Geldes weg sind. Und kein Mensch ist sich mehr sicher, ob der griechische Schuldenschnitt ein Einzelfall bleiben wird.

Viele der beim Gipfel besprochenen Limitierungen für staatliche Defizite klingen ja durchaus vernünftig, auch wenn sie eben noch immer (Primär- und Sekundär-)Defizite erlauben. Freilich kommen sie um zwei Jahrzehnte zu spät. Solche Regeln, die deutlich über die einstigen Maastricht-Kriterien hinausgehen, hätte man von den ersten Vorstufen des Zusammenwachsens zum Euroraum an haben sollen. Dann wäre es nie zur Katastrophe gekommen.

Vor allem aber hätte es energische und wirksame Konsequenzen bei einer Verletzung der Defizit-Kriterien gebraucht. Wären die Maastricht-Kriterien strikt beachtet worden, dann wäre es nie zu dieser Krise gekommen. Dann bräuchte es auch keine neuen Kriterien. Dann wären aber insbesondere Italien, Belgien und Griechenland niemals Euro-Mitglieder geworden. Dann wäre das auch Österreich nur nach einem kräftigen, allerdings nicht dramatischen Einschnitt in den Wohlfahrtsstaat geworden.

Alles, was man vorerst über das neue europäische Fiskal-Regime wirklich sagen kann: Es ist besser als das alte, aber weiterhin unzureichend. Denn letztlich gibt es weiterhin kein Durchgriffsrecht gegen Budgetbeschlüsse souveräner Parlamente. Weiterhin können diese Parlamente soziale Wohltaten unters Volks streuen. Und sie werden sich diese Rechte auch durch einen neuen Vertrag nicht nehmen lassen. Das würde übrigens auch die gesamte Verfassungsarchitektur der einzelnen Staaten grundlegend verändern.

Ein kleines aber typisches Beispiel für die Hoffnungslosigkeit: Der Gipfel hat neuerlich eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse in allen Ländern beschlossen. Aber wenn in Österreich nur zwei Parteien dafür stimmen, kommt sie eben nicht zustande. Und man wird sehen, ob der neue Anlauf, den die Regierung da unternehmen will, besser ans Ziel kommt. Wenn also ein im Prinzip populärer und sogar von einigen Oppositionsparteien ursprünglich geforderter Beschluss so schwierig ist, wie wird es erst werden, wenn man wirklich jemandem etwas wegnehmen muss!

Der Populismus der Politik wird wohl erst dann aufhören, wenn die Regierungen weder Pensionen noch Beamtengehälter noch Rechnungen ihrer Lieferanten bezahlen können. Aber dies wird – so ist man heute reihum überzeugt – nicht passieren, weil letztlich auf irgendeinem Weg doch immer fremdes Geld in die bedrohten Länder fließt. Wobei die Rechtskonstruktion fast egal ist: Ob EZB, EFSF, ESM oder IMF. Immer fließen rettende Milliarden ins Land

Dass Österreich nach dem Gkipfel auch in den Kanal des Währungsfonds (IMF) die Kleinigkeit von weiteren sechs Milliarden fließen lassen muss, geht da schon fast unter. Ist ja nur das dreifache Budget des gesamten Bundesheers (samt den einst so dramatisierten Abfangjägern).

Die Härte zum Nein-Sagen bringt man in Europa einfach nicht auf. Auch wenn die Folgen immer schlimmer werden, je länger das so weitergeht. Der Kardinalfehler bleibt der Mai 2010, als auch Angela Merkel unter dem Gerede der Solidarität eingeknickt ist und in klarer Verletzung der europäischen Verträge Geld nach Athen schicken hat lassen.

Seither nimmt niemand mehr irgendwelche europäischen Regeln und Verträge ernst. Die Juristen würden halt kühl sagen, das seien ja nur lauter Leges imperfectae.

Also bleibt auch die ökonomische Konsequenz weiterhin unausweichlich. Das Geld der Europäer wird immer weniger wert. Und damit auch deren Ersparnisse. Das merkt man vorerst noch weniger im Vergleich zum Dollar und – vorerst! – auch weniger im Vergleich des Verbraucherpreisindex. Das sieht man aber am sprunghaft zugenommenen Preis etwa von Gold und anderen als stabil angesehenen Ersatzwährungen. Das sieht man an den Richtung Schweiz, Schweden und Singapur strömenden Euro-Mengen.

 

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SN-Kontroverse: Steuerbremse?

09. Dezember 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Braucht es nach der Schulden- auch eine Steuerbremse?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Absurdes Dauergebremse

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Jetzt wird's langsam absurd. Die Fundamentalisten des Neoliberalismus, die für die Krise in Europa hauptverantwortlich sind, kriegen noch immer den Rachen nicht voll. Sie und ihre Helfershelfer starten jetzt schon flächendeckend gegen ökonomisch gesunde Staaten Spekulationsangriffe via Ratingagenturen. Wie stets knapp vor EU-Gipfeln. Sie wollen offenbar nach dem Muster des bankrotten Irland vorgehen, das noch vor einem Jahr mit Milliarden gerettet werden musste. Irland ist nach wie vor marode, aber gleichzeitig hat es seine steuerparadiesischen Zustände nicht abgestellt. Auch die „griechischen" Zustände sind so wie sie sind, weil es offenkundig als unmoralisch, gilt Steuern zu zahlen. Und weil wenige reiche Familien sich das Land untereinander aufgeteilt haben und die Regierung es zuließ, dass sie ihre Milliarden ungeschoren außer Landes bringen konnten. Dass die italienische Sozialministerin unter Tränen ein Sparpaket verkünden musste, ist wohl auch nicht darauf zurück zu führen dass Berlusconi & seine politischen Kumpane regelmäßig und in angemessener Höhe ihren Steuerverpflichtung nachgekommen sind. Die Geistesverwandten dieser Kumpanei zulasten der Allgemeinheit in den einzelnen Nationalstaaten leisten dem weiter Vorschub. In Österreich ist ihnen die gesetzliche Verankerung der „Schuldenbremse" nicht genug. Sie fordern nun auch noch eine „Steuerbremse". Das ist ein wenig zu viel des Bremsens. Selbst eine gesunde Volkswirtschaft würde so in enorme Schwierigkeiten gestürzt. Der Konsum würde abgeschnürt und die Unverteilung von unten nach oben - also die Kluft zwischen Reichen und Armen - ginge munter weiter. Mit all den Folgekosten einer derart einseitigen Belastungspolitik. Denn die „Schuldenbremse" kann nur funktionieren, wenn sie fair und gerecht ist.


Zweithöchste Steuerlast

Andreas Unterberger

 

Österreich ist im Euro-Raum das Land mit der zweithöchsten Abgabenlast. Noch keiner Generation sind auch nur annähernd so hohe Teile ihres Einkommens weggenommen worden. Hunderte Sparideen harren der Umsetzung, scheitern aber an gewerkschaftlichen, ökologischen, ökonomischen, provinziellen Lobbies. Wer dennoch ständig nur über noch mehr Steuern spricht, schadet dem Land genauso wie jene Parteien, welche eine effiziente Schuldenbremse verhindern.

Neben dem Sparen sollte in Krisenzeiten vor allem darüber nachgedacht werden, wie man (ohne Geld!) wieder Jobs und Wachstum schafft, wie man durch Deregulierungen unternehmerisches Handeln ankurbelt, wie man durch Privatisierungen Unternehmen dynamisch und gewinnbringend macht. Solche Maßnahmen finden sich nun in den italienischen und griechischen Sanierungspaketen.

Freilich: Wenn Bundes- wie Landesregierungen weiterhin nicht sparen, sondern Horror-Defizite produzieren, dann ist bald der Staatsbankrott erreicht. Dann werden die Österreicher so wie Italien und Griechenland viel Schädliches und Schmerzhaftes erdulden müssen. Von Pensions- und Gehaltskürzungen bis hin zu Steuererhöhungen.

Aber auch dann ist bei jeder Steuer nüchtern zu prüfen, wie sehr sie einen künftigen Wiederaufschwung behindert. Deswegen setzt Italien jetzt zu Recht primär auf Mehrwertsteuererhöhungen. Die bei uns diskutierten Steuerideen sind hingegen dumm und schädlich. Etwa die von der ÖVP angedachte „Zaster-her"-Erhöhung der ohnedies exorbitanten 50-Prozent-Einkommensteuer oder die von der SPÖ angedachten Formen der Kapitalbesteuerung (die Investitionen und Investoren vertreiben, sobald sie über Italiens Variante einer Segelboot- und Wohnungssteuer hinausgehen).

 

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Nicht jedes Haus schützt gegen künftige Stürme

08. Dezember 2011 09:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wohin mit meinem Geld? Wie lege ich es für Alter und Familie halbwegs zukunftssicher an? Immer mehr Menschen glauben in der gegenwärtigen Verunsicherung, die richtige Antwort gefunden zu haben: Sie flüchten in Immobilien, in Grund und Boden, sie kaufen Vorsorgewohnungen und Häuser. Das Motiv ist klar: Sie wollen ihr Geld möglichst zukunftssicher anlegen.

Sie tun damit auch sicher gut daran, wenn die Investition dem eigenen Wohnbedürfnis oder dem der eigenen Kinder dient. Auch Unternehmer sind meist gut beraten, wenn sie Büros und Produktionsstätten in unternehmenseigenen und nicht nur gepachteten Anlagen unterbringen.

Der gegenwärtige Massensturm Richtung Immobilien ist aber eine eher problematische Erscheinung. Bildet sich da nicht eine neue Blase, die eines Tages mit lautem Knall platzen wird? Die Häuser und Grundstücke sind zwar danach ebenfalls noch vorhanden – aber sie sind viel weniger wert und verursachen dennoch laufende Kosten.

Was das bedeuten kann, zeigt der Blick nach Spanien. Dort hat es einen jahrelangen gewaltigen Immobilienboom gegeben, ausgelöst durch eine expansive Regierungspolitik und noch mehr durch viele Milliarden von EU-Geldern aus Struktur- und Kohäsionsfonds. Diese sind ja ein weiteres Beispiel dafür, dass Entwicklungshilfe oft mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Der Boom ist 2008 abrupt zu Ende gegangen, Spanien ist seither übersät mit hässlichen Bauruinen. Und die spanischen Immobilienpreise betragen heute weniger als ein Viertel von damals. In Ziffern: nur noch 22 Prozent!

Das hat natürlich alle jene Investoren ruiniert, die nicht mit eigenem Geld, sondern mit irgendwelchen Krediten finanziert haben. Das bedroht in einem Dominoeffekt auch die einst blühenden spanischen Banken (es ist gar nicht so lange her, da haben sich diese auch in Österreich noch bei anderen Geldinstituten eingekauft).

Die Warnung, nicht allzu blind einen allzu großen Teil seines Geldes in Immobilien zu investieren, hat noch einen zweiten Grund: die drohende Gefahr von Vermögenssteuern, die ja Rot und Grün so heftig wollen. Diese werden auf Grund der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aber künftig nur dann möglich sein, wenn Immobilien zum vollen Marktwert und nicht nur zum artifiziell niedrigen Einheitswert besteuert werden. Außerdem kann eine Vermögenssteuer überhaupt nur dann etwas budgetär Relevantes einbringen, wenn man auch Grund und Boden erfasst.

Man sollte also nur dann allzuviel Geld in Immobilien investieren, wenn man mit diesen etwas anfängt. Wobei es trotz alle Krise immer noch eine ganze Reihe zukunftsträchtiger Branchen gibt. Dabei kann man als Investor auch an solche Bereiche denken, die einem sonst nicht gleich in den Sinn kommen: Investitionen in Privatschulen und in Altersheime werden zwar nie große Gewinnsprünge erwirtschaften. Sie sind aber auf Grund der Demographie und sich abzeichnender falscher politischer Trends mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr krisensicher.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Griechenland im Würgegriff der Finanzmärkte?

08. Dezember 2011 05:42 | Autor: Markus Fichtinger
Rubrik: Gastkommentar

Es ist verständlich, dass es angesichts der Fernsehbilder aus Griechenland schwierig ist, die Finanzsituation des griechischen Staates sachlich und faktenbasiert zu beurteilen. Neben den medialen Darstellungen wird die Analyse durch Aussagen mancher Politiker und Ökonomen erschwert, deren Grundlage eher ideologische Vorurteile bilden, als eine nüchterne Betrachtung der Tatsachen.

Ziel dieser Kurzanalyse ist es daher den politischen Wertungen mittels einer längerfristigen Betrachtung der Entwicklung der Eckdaten der griechischen Finanzpolitik, eine reale Einschätzung gegenüber zu stellen, gemäß dem Motto Friedrich Schillers „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

1. Entwicklung der Staatsverschuldung

Die öffentlichen Schulden Griechenlands lagen im Jahr 1996 bei € 97,8 Mrd. und sind bis Ende 2010 auf € 328,6 Mrd. gestiegen, dies ist ein Anstieg um 236%. Im Vergleich dazu hat sich die gesamte Staatsverschuldung der Eurozone im gleichen Zeitraum um „nur“ 67,5% erhöht. In Relation zu den Staatseinnahmen ist der Schuldenstand von 265,5% auf 365,7% angestiegen, während sich diese Relation in der gesamten Eurozone von 160,1% auf 192,2% verschlechtert hat.

Während die Mitgliedsstaaten der Eurozone vor Ausbruch der Finanzkrise in der Lage waren, die relative Verschuldung bis Ende 2007 auf 149,7% zu senken, hat Griechenland diese Phase ökonomischen Aufschwungs ungenutzt verstreichen lassen: Der Schuldenstand sank bis 2007 nur unmerklich auf 263,9%. Die finanzielle Situation Griechenlands hatte sich somit schon vor Ausbruch der Finanzkrise relativ zu den anderen Mitgliedsstaaten der Eurozone deutlich verschlechtert.

Abbildung 1 Staatsverschuldung in der EU und der Eurozone in % der Staatseinnahmen 2010, Quelle: Eurostat Government Finance Statistics 1/2011; eigene Darstellung

Abbildung 2 Staatsverschuldung in der EU und der Eurozone in % der Staatseinnahmen 2007, Quelle: Eurostat Government Finance Statistics 1/2011; eigene Darstellung

2. Sind die hohen Zinsen schuld?

Die hohe Staatsverschuldung wird zwar auch von politischen Entscheidungsträgern und ökonomischen Experten akzeptiert, allerdings wird diese Erhöhung primär den „Finanzmärkten“ angelastet, die durch „Wucherzinsen“ den Griechen jede Chance auf ein Entkommen aus der „Schuldenfalle“ nehmen würden, unabhängig davon wie sehr sich Griechenland auch anstrengen würde, zu sparen. Hier wird zunächst einmal übersehen bzw. vielleicht auch nicht verstanden, dass die ausgewiesen Yields nicht die Zinsbelastung auf die bestehende Staatsschuld darstellen, sondern den Ertrag eines bereits begebenen Schuldtitels auf Basis des aktuellen Kursniveaus.

Beispiel: Eine zu EUR 100 begebene Anleihe mit einer Kuponzahlung von € 3 notiert derzeit auf einem Kursniveau von EUR 95. Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die Restlaufzeit genau ein Jahr beträgt. Der Investor bezahlt also € 95, erhält aber in einem Jahr den Tilgungsbetrag von € 100 zuzüglich der letzten Kuponzahlung in Höhe von € 3. Seine Investition hat somit einen Ertrag von 8,42% erzielt. Für den Schuldner blieb aber die Zinszahlung weiterhin auf dem ursprünglichen Zinsniveau von 3%, die Kursschwankungen sind für diesen irrelevant, er hat somit keinen „Wucherzins“ zu leisten. Dieses theoretische Beispiel lässt sich am Beispiel Griechenland auch in der Realität beobachten.

Entgegen den Behauptungen ist die absolute und relative Zinsbelastung Griechenlands in den letzten 15 Jahren deutlich gesunken. 1996 lag der effektive Durchschnittszinssatz der griechischen Staatsschuld bei 10,56%, im Jahr 2000 bei 7,13%, 2007 bei 4,46% und selbst im Jahr 2010 ist er von 4,13% (Ende 2009) auf 3,83% weiter gesunken. Gegenüber dem Durchschnitt der Eurozone, deren Werte von 7,43% auf 3,26% gesunken sind, hat sich damit das Zinsdifferential massiv von 313 Basispunkten auf 57 Basispunkte verringert.

Abbildung 3 Entwicklung der effektiven Zinsbelastung 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

Entsprechend deutlich ist auch die Belastung des Staatshaushaltes durch Zinszahlungen zurückgegangen: 1996 musste Griechenland beinahe ein Viertel (23,8%) seines Budgets für die Bedienung der Zinslast aufwenden, damals waren keine Klagerufe über die „irrsinnigen“ Finanzinvestoren zu vernehmen. Bis 2007 sank diese Belastung deutlich auf 10,1% und stieg bis 2010 nur relativ schwach auf 11,1% wieder an.

Im Vergleich zur Eurozone (2010: 5,53%) ist dies zwar eine überdurchschnittliche Belastung des Haushalts, aber im langfristigen Vergleich eher gering und nicht das Resultat eines „Würgegriffs“ der Finanzmärkte, sondern der massiven Ausweitung der Staatsverschuldung in den letzten 15 Jahren.

Abbildung 4 Anteil der Zinszahlungen an den gesamten Staatsausgaben Griechenlands 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

3. Zu Tode sparen, oder zu Tode konsumiert?

Da das Hauptproblem Griechenlands somit nicht die Zinszahlungen sind, sondern der Schuldenstand, muss die Ursachenbekämpfung auch dort ansetzen. Die Einnahmen müssen erhöht, aber auch die Ausgaben reduziert werden. Keynesianisch geprägte Ökonomen warnen allerdings davor, dass dieses „Rezept“ die Krise verschärfen würde, da durch geringere Ausgaben des Staates die Wirtschaftsleistung zurückgehen muss. In den mechanischen Modellen der Neoklassik und dem saldenmechanischen Denken dieser Ökonomen ist dies tatsächlich unausweichlich. Die Empirie liefert für diese Theorien aber keine hinreichende Bestätigung, und das Verständnis für echte ökonomische Zusammenhänge kann diese Überlegungen ebenfalls nicht bestätigen.

Die Keynesiansiche Sichtweise betrachtet im Wesentlichen die Einkommensverwendungsseite des BIP, die, entgegen der begrifflichen Indikation, die bestimmende Determinante der Einkommensentstehung sein würde. Konsum von Staat und privaten Haushalten führe zur Produktion. Dass dies sowohl technisch, als denklogisch unmöglich ist, lässt den überzeugten Keynesianer allerdings kalt.

Nur bereits hergestellte – also produzierte – Güter können auch konsumiert werden. Produktion muss immer vor dem Konsum geschehen, wie auch nur die Einkommensverteilung erst nach geleisteter Produktion vorgenommen wird. Das langfristige Wohlergehen einer Volkswirtschaft hängt daher von der Produktion ab. Wie sich diese dann auf die einzelnen Sektoren verteilt ist eine wesentliche wirtschaftspolitische Frage, aber eben nur eine abzuleitende. Der Wohlstand hängt von der Wertschöpfung ab, nicht vom Konsum.

Um Produktion zu ermöglichen braucht es die entsprechenden Produktionsfaktoren, Kapital und Arbeit. Kapital sind Güter, die nicht für den Konsum verwendet werden, d.h. die zukünftige Produktions- und Leistungsfähigkeit hängt vom Konsumverzicht der Gegenwart ab. Somit ist genau das Gegenteil der Keynesianischen Behauptung (oder Verwirrung) ökonomisch richtig: nur durch die Reduktion des Konsums können die Voraussetzungen für einen mittel- und langfristigen Produktions- und Wertschöpfungsanstieg geschaffen werden.

Die griechische Entwicklung der letzten Jahre bestätigt diese grundsätzlichen Einsichten des ökonomischen Denkens: Die griechischen Staatsausgaben (ohne Zinszahlungen) sind zwischen 1996 und 2007 um 206,6% gewachsen, was einer jährlichen Wachstumsrate von 8,82% entspricht. Das nominelle Wirtschaftswachstum Griechenlands lag im gleichen Zeitraum allerdings bei nur 6,06%, d.h. Jahr für Jahr sind die Ausgaben durchschnittlich um 2,76%-Punkte stärker gestiegen als die Wirtschaftsleistung. Der Keynesianische Irrtum wurde also wieder einmal offenbart: Griechenland hat sich in den letzten 15 Jahren nicht zu Tode gespart, sondern – wenn man schon das Wort gebrauchen will – zu Tode konsumiert.

4. Der Sozialstaat als Retter?

Die Keynesianer und andere Neo-Sozialisten behaupten auch immer wieder gerne, dass der Ausbau des Sozialstaates ein wesentliches Element zur Minderung oder gar Verhinderung von wirtschaftlichen Krisen wäre. Der Staatsekretär im Finanzministerium, Andreas Schieder, hat wörtlich behauptet: „Es war der Sozialstaat, der verhindert hat, dass aus der ökonomischen eine tiefe soziale Krise wurde.“ Zumindest für den Fall Griechenland ist auch hier nur der Wunsch der Vater des Gedankens.

Die Realität zeigt genau eine gegenteilige Entwicklung. Die griechischen Staatseinnahmen sind zwischen 1996 und 2010 um durchschnittlich 5,95% jährich gewachsen, und damit doppelt so stark wie im Durchschnitt der Eurozone (2,91%). Anstatt diese Mehreinnahmen und die sinkende Zinsbelastung (siehe obige Ausführungen) zur Sanierung der Staatsfinanzen zu verwenden hat Griechenland vor allem die Sozialausgaben massiv ausgeweitet.

Diese sind im Beobachtungszeitraum jährlich um 8,36% gestiegen, und damit dreimal so schnell wie der Durchschnitt der Eurozone (2,79%). Während also in der Eurozone insgesamt die Dynamik der Sozialausgaben in einem ausgewogenen Verhältnis zur Einnahmenentwicklung gestanden ist, hat Griechenland hier ein jährlich negatives Wachstumsdifferential von 2,41%-Punkten ausgewiesen.

Genau umgekehrt verhält es sich mit den Investitionen des Staates: Diese sind zwar auch relativ stark gewachsen (5,51% p.a.), aber eben geringer als die Einnahmen, und deutlich schwächer als die Sozialausgaben. Für eine Volkswirtschaft, die einen Aufholprozess gegenüber den einkommensstärkeren Ländern der Eurozone durchlaufen sollte, ist dies eine nicht adäquate Ausgabenstruktur des öffentlichen Sektors.

Im Falle Griechenlands kann also zu Recht behauptet werden, dass der Ausbau des Sozialstaates die Krise nicht nur nicht verhindert hat, sondern im Gegenteil sogar einen wesentlichen Beitrag zu dessen Entstehung geleistet hat.

Dies soll allerdings nicht als verallgemeinerndes Urteil missverstanden werden. Der Ausbau von Sozialleistungen ist allerdings immer im Verhältnis der Leistungsfähigkeit des Staatswesens zu bewerten. Aber sowohl das Wirtschaftswachstum (4,94% p.a.), als auch das Wachstum der Staatseinnahmen (5,95% p.a.) machen eine derartige Ausweitung der Sozialleistungen auf Dauer nicht trag- und finanzierbar. Daher ist es ein richtiger und notwendiger Schritt auch die Reduktion der Staatsausgaben in den vor der Krise zu stark ausgeweiteten Bereichen vorzunehmen.

 

Abbildung 5 Durchschnittliche jährliche Änderungsraten Griechenlands 1996 – 2010; Quelle: Eurostat; eigene Berechnungen

5. Der Angriff der Rating-Agenturen und/oder Spekulanten?

Auch wenn die Analyse der Fundamentaldaten der griechischen Staatsfinanzen hinreichende Belege für die wirklichen Ursachen der Krise Griechenlands geben sollte, bleiben immer noch die Vorwürfe gegen die Finanzmärkte, in diesem Fall die Rating-Agenturen und die „Spekulanten“ aufrecht.

Betrachten wir die erste Gruppe. Natürlich ist es richtig, dass das Rating die Preisbildung beeinflusst, denn schließlich ist die Einschätzung des Risikos eines Zahlungsausfalls entscheidend für die Frage des Wertes einer Staatsanleihe. Ein Rating stellt daher eine wesentliche Information und Entscheidungshilfe für Investoren dar. Die Politik sieht daher die Tätigkeit der Rating-Agenturen auch nicht grundsätzlich problematisch, aber nur, solange die Bewertungen gut sind.

Auch in der aktuellen Situation wird nicht kritisiert, dass Länder wie Deutschland, Österreich oder die Niederlande die höchste Bonitätsstufe (AAA) aufzuweisen haben. Kritisiert werden nur die schlechten Ratings für Portugal, Griechenland und Irland. Wenn aber die Rating-Agenturen in diesen Fällen falsch liegen sollen, dann müsste dies doch auf generelle Fehler oder Fehlannahmen ihrer Modelle zurück zu führen sein, d.h. auch die guten Ratings wären dann nicht korrekt. Die Inkonsistenz dieser politischen Aussagen fällt der Öffentlichkeit aber seltsamerweise nicht auf.

Aber auch im zeitlichen Ablauf von Hilfsmaßnahmen, Ratings und Kursentwicklung stimmen politische Wertungen und tatsächliche Abläufe nicht überein. Weil Griechenland sich nicht mehr ausreichend oder zu passenden Konditionen auf den Märkten refinanzieren konnte, wurden die ersten Hilfsmaßnahmen der Euroländer und des IWF am 12. April 2010 beschlossen. Da Griechenland aber davon abhängig ist, durch die Aufnahme neuer Schulden die bestehenden und auslaufenden Staatsanleihen zu refinanzieren, war es spätestens durch den Beschluss dieses Pakets ersichtlich, dass die Bedienung der bestehenden Schulden unsicherer geworden ist.

Die Rückstufung durch S&P am 27. April 2010 um drei Bonitätsstufen auf BB+ war daher nur eine Anpassung an die reale Situation.

Auch in der Phase danach waren nicht die Rating-Agenturen die Auslöser für Refinanzierungsprobleme des griechischen Staates: Bis zur nächsten Rückstufung am 29. März 2011 verging beinahe ein Jahr, in dem die Kurse der zehnjährigen Staatsanleihen um 25,1% gefallen sind. Seit damals wurde das Rating um sechs (!) weitere Stufen auf CCC gesenkt, die Kurse sind aber „nur“ noch um 14,3% zurückgegangen. Und seit der letzten Absenkung am 14. Juni 2011 haben sich die Kurse sogar um 6,2% (4. Juli 2011) erhöht.

Die Aussagen eines britischen Bankers scheinen sich also empirisch bestätigen zu lassen: “Die Ratingagenturen machen eine Aufholjagd, um zum Markt aufzuschließen. Der Markt preist eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit ein, dass es in Griechenland zu einem Ausfall kommt. Die Ratingagenturen liefern jetzt ihre negativen Einschätzungen nach, die der Markt schon längst eingepreist hat – und nicht umgekehrt.”

Abbildung 6 Entwicklung der Durchschnittskurse 10-jähriger griechischer Staatsanleihen in der Zeitspanne zwischen zwei Rating-Rückstufungen durch S&P; Quelle: Bank of Greece, eigene Darstellung

Bleiben die „Spekulanten“. Das sind in politischer Auffassung jene nebulosen Personen, die auf den Kursverfall wetten bzw. die Kursverluste ausnützen würden. Es ist natürlich schwer zu beweisen, dass diese Behauptung stimmt, aber genauso schwierig ist es diese Behauptung zu widerlegen. Aber gewichtige Argumente sprechen gegen diese These.

Im Allgemeinen wird ein Anstieg der Spekulation durch eine Zunahme der Handelsaktivität vermutet. Für griechische Anleihen ist aber eine vollkommen gegenläufige Entwicklung zu beobachten. Die Anzahl der Transaktionen mit griechischen Staatsanleihen lag im Juni 2011 bei 15.971. Gegenüber dem Höchststand im März 2010, also noch vor der ersten großen Rückstufung im April 2010, bedeutet dies einen Rückgang um mehr als zwei Drittel (-67,6%).

Dies ist aber kein einmaliges Phänomen, sondern ein bereits seit Jahren anhaltender Trend. 2010 lag die durchschnittliche Anzahl der monatlichen Transaktionen um 8% unter dem Niveau des Jahres 2009. Im ersten Halbjahr 2011 war die Anzahl der Transaktionen um 43% niedriger als 2010, und um 48% geringer als 2009. Die höchsten durchschnittlichen Transaktionen mit griechischen Anleihen gab es im Jahr 2007, also noch deutlich bevor die griechische Finanzkrise offenbart wurde.

 

Abbildung 7 Anzahl der monatlichen Transaktionen griechischer Staatsanleihen Jänner 2010 bis Juni 2011; Quelle: Bank of Greece; eigene Darstellung

6. Fazit

Die gegenwärtige Situation der griechischen öffentlichen Finanzen ist primär die Folge einer exzessiven Ausgabenpolitik des griechischen Staates. Die Staatsausgaben, insbesondere in den Bereichen Sozialtransfers und Personalaufwand im öffentlichen Sektor, sind in den letzten fünfzehn Jahren deutlich stärker als die Wirtschaftsleistung und die Staatseinnahmen gestiegen.

Entsprechend hat sich auch der Schuldenstand deutlich stärker erhöht als die Wirtschaftsleistung und ist somit bis Ende 2010 auf 365% der Staatseinnahmen gestiegen, und weist damit mit Abstand den höchsten Wert der Mitgliedsländer der Eurozone auf. Die Finanzmärkte sind für diese Entwicklung nicht kausal verantwortlich. Die Zinsbelastung des Haushalts ist bis 2009 kontinuierlich gesunken, vor allem auf Grund einer stetig fallenden effektiven Zinsbelastung, die sich auch noch im Jahr 2010 fortgesetzt hat.

Die Rückstufungen durch die Rating-Agenturen waren Reaktionen auf die Marktentwicklungen, und nicht deren Auslöser. Die behauptete Spekulation „gegen“ Griechenland ist aus der Entwicklung der Handelsaktivitäten mit griechischen Anleihen nicht beobachtbar. Ausflüchte und Ausreden werden Griechenland nicht helfen und schon gar nicht retten. An strukturellen, nachhaltigen und fundamentalen Änderungen der Finanzpolitik des griechischen Staates führt somit kein Weg vorbei.

Griechenland ist somit auch ein mahnendes Beispiel für andere Staaten der EU bzw. der Eurozone: Ein dauerhaftes Ausgabenwachstum ist ohne entsprechendes Wachstum der Produktion und Wertschöpfung nicht möglich. Auch eine noch höhere Umverteilung durch Ausweitung der Abgabenquote kann diesen Grundzusammenhang nicht auflösen. Griechenland hat(te) kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem, wie praktisch alle „modernen“ Industrienationen. Wer sich dieser Realität nicht annimmt oder sie sogar verleugnet hat für zukünftige Eskalationen wie in Griechenland die Verantwortung zu tragen.

Mag. Markus Fichtinger ist Mitarbeiter des Bereichs Finanzpolitik & Recht der Industriellenvereinigung

Disclaimer: Die Ausführungen des Artikels geben die persönliche Meinung und die Ansichten des Autors wieder und entsprechen nicht zwingend der Position seines Arbeitsgebers.

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Wenn das Überflüssige statt des Notwendigen kommt

07. Dezember 2011 00:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreichs Zustand in einem Satz: Eine Ratingagentur droht dem Land (wie vielen anderen) mit einer Herabsetzung seiner Kreditwürdigkeit; und Österreichs Antwort besteht in einer Verhässlichung seine Bundeshymne. Eine etwas zynische Gegenüberstellung? Vielleicht. Aber sie bringt den Zorn der Bürger über die politische Klasse auf den Punkt. Dort, wo es notwendig ist, handelt sie nicht. Überall dort, wo es überflüssig ist, wird hingegen heftig agiert.Wie diese Woche wieder lebhaft zeigt.

Das Nichthandeln besteht natürlich vor allem in der Weigerung der Opposition, einer Schuldenbremse zuzustimmen (falls da nicht doch noch in letzter Stunde ein Umdenken etwa der Freiheitlichen stattfindet). Blau, Grün, Orange schaden mit einem Njet mit absoluter Sicherheit der Kreditwürdigkeit des Landes und nehmen sich selbst eine wichtige argumentative Waffe gegen die Verschwendungspolitik der Regierung. Dennoch muss man der Regierung die Unfähigkeit vorwerfen, einen fruchtbaren Dialog mit zumindest einer Oppositionspartei zu führen, der in mehr als einem politischen Diktat besteht. Keine Partei will sich gerne ein „Friss oder stirb!“ gefallen lassen.

Die Schuldenbremse steht in Wahrheit aber nur deshalb so im Vordergrund, weil sich seit Wochen internationaler Druck – der Gläubiger, der EU, der Ratingagenturen – mit der Forderung nach einer solchen aufgebaut hat. Der diesbezügliche Gesetzesentwurf  der Regierung ist aber dennoch nur ein zahnarmer Papiertiger. Die Pflicht zur Schuldeneinschränkung ist durch so viele Ausnahmen für „Notsituationen“ und „Überziehungsrahmen“ gelockert, dass es eigentlich wundert, dass irgendjemand einen solchen Beschluss ernst nimmt. Wenn diese Pflicht jedoch nur als einfaches Gesetz kommt, wird es sicher von niemandem ernst genommen. Und Österreich muss Hunderte Millionen mehr an Zinsen zahlen.

Diese Verwunderung ist umso größer, als es noch immer keine substanzielle Einigung über auch nur eine einzige spürbare Einsparung gibt. Statt dessen finden sich nur die stereotypen SPÖ-Forderungen nach mehr Steuern und die mehr als überflüssige Aussage des ÖVP-Wirtschaftsministers, dass man die Defizitreduktion zu 30 Prozent mit Steuererhöhungen erzielen werde. Genauso hat einst das Einknicken Josef Prölls beim letzten Sparpaket begonnen, an dessen Ende dann die SPÖ überhaupt keine strukturelle Sparmaßnahme akzeptiert hat. Weshalb aus Prölls Spar- am Ende ein Steuererhöhungspaket geworden ist.

In die Liste des am falschen Ort Handelns gehört auch das Lächerlichmachen der Bundeshymne durch eine feministische Deformierung. Dabei wird so getan, als ob diese Hymne bisher nur für Männer gegolten hätte. Dabei wird überdies sogar das Versmaß einer liebgewordenen Dichtung ruiniert.Völlig unbegreiflich.

Nächster Punkt in der Liste der überflüssigen Dummheiten ist eine weitere Vergünstigung für den ORF. Jetzt wird die Gebührenpflicht auch auf jene Menschen ausgedehnt, die gar keine ORF-Satelliten-Karte haben, die also den linken Sender gar nicht empfangen können. In Sachen ORF bleibt genauso wie bei der Hymne völlig rätselhaft, warum die ÖVP zugestimmt hat. Gegenleistungen, wo die SPÖ Konzessionen gemacht hätte, sind keine erkennbar. Und für die eigenen Interessen der Schwarzen entsteht zweifacher Schaden.

Zu den Dummheiten gehört weiters der neue „Kinderschutz“ durch noch schärfere Strafen. Fast alle Psychologen sind sich einig, dass diese Strafverschärfung dazu führen wird, dass es noch seltener Anzeigen bei Taten im Familienkreis geben wird. Denn die Angehörigen und Opfer werden noch mehr davor zurückscheuen, Behörden einzuschalten, wenn eine solche Anzeige zu einer Mindeststrafe von zwei Monaten Haft führt. Darin erkennen viele Menschen die Zerstörung ihrer Familie, für deren Erhalt sie sogar das Vertuschen von Übergriffen in Kauf nehmen.

Eher überflüssig ist schließlich auch die neue Modulare Oberstufe in AHS. Nach diesem Reformmodell kann man zwar mit zwei Nicht genügend aufsteigen, muss aber dann parallel zum normalen Unterricht ein nicht geschafftes Modul in einem oder mehreren Gegenständen nachholen. Dies klingt zwar auf dem Papier durchaus gut, wird aber mit Sicherheit viele Schüler überfordern: Wie sollen sie zeitlich und intellektuell gleichzeitig Mathematik II und Mathematik III erfolgreich und sinnvoll absolvieren können?

Dies wirft aber auch in der Schul-Organisation gewaltige Probleme und damit auch Kosten auf: Wann sollen denn die Nachhol-Module stattfinden, ohne den normalen Unterricht zu stören? Wobei aber den „Repetenten“ nach dem Willen der Politik die Teilnahme an beidem zu ermöglichen ist. Gleichzeitig soll es aber keine eigenen Kurse für diese Modul-Wiederholer geben. Bisher wurde uns jedenfalls kein kostenneutrales Modell gezeigt, in dem das ohne (weiteren) Verlust an Bildungsqualität funktioniert. Wenn die Ministerin sogar behauptet, dass das zu einer Kosteneinsparung führen wird, dann kann man ihr nur empfehlen, wenigstens Mathematik I nachzulernen.

Noch unverständlicher ist die Zustimmung der ÖVP aus der Warte der Parteitaktik: Warum gesteht die Partei der Unterrichtsministerin diesen lange ersehnten Erfolg zu, wenn gleichzeitig dieselbe Ministerin weiterhin jede Zugangsregelung für Universitäten blockiert? Diese ist ja sogar von etlichen SPÖ-Landeshauptleuten verlangt worden.

Begreift die ÖVP eigentlich nicht, dass die SPÖ nur unter Druck zur Beweglichkeit bereit ist? Dass man mit ihr nur vorankommt, wenn man ein beinhartes Do ut des (Für Claudia Schmied: Das ist Latein III) praktiziert. Will man etwa gar den neuen Minister Töchterle taktisch aushungern, indem man ihm die einzige brauchbare Waffe gegen die rote Blockade entzieht? Vielleicht gar weil er zu populär ist und auch andere gerne Wissenschaftsminister geworden wären?

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Fünf Parteien taktieren - und keine denkt an Österreich

05. Dezember 2011 13:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die österreichische Schuldenbremse bleibt, wie hier mehrfach prophezeit, eine Farce. Die Verhandlungen der Regierung mit dem BZÖ über eine verfassungsrechtliche Verankerung sind gescheitert. Das einfache Gesetz, das die Regierungsparteien nun beschließen wollen, ist völlig sinnlos. Denn es kann übermorgen schon durch ein weiteres einfaches Gesetz ausgehebelt werden. Ein einfaches Gesetz hat auch Null Wirksamkeit für die Bundesländer. Wer aber ist schuld an dem Desaster?

Schuld daran sind vor allem alle jene Politiker, die nicht ernsthaft sparen wollen. Die offenbar wirklich glauben, die internationalen Geldgeber werden sich durch ein papierenes Versprechen ohne jede Bindungswirkung beeindrucken lassen, obwohl es über keine einzige relevante Einsparung Konsens gibt. Was natürlich absurd ist. Weder Ratingagenturen noch die Verwalter chinesischer Staatsfonds oder amerikanischer Pensionsfonds oder europäischer Stiftungsvermögen sind so blöd, wie die heimische Politik sie offenbar einschätzt.

Die skeptisch gewordenen Geldgeber lassen sich auch nicht dadurch beeindrucken, dass man sie regelmäßig als Spekulanten beschimpft. Oder dass man die Ratingagenturen knebeln will, wie es die EU-Kommission gerade versucht. Die potenziellen Geldgeber sind nämlich auch ohne diese Agenturen zu kritischem Denken und Handeln imstande. Daher hat sich ja auch in den letzten Monaten die österreichische Kreditwürdigkeit signifikant verschlechtert.

An oberster Stelle der Schuld stehen zweifellos die Sozialdemokraten, die jeden Kompromiss mit dem BZÖ abgelehnt haben. Dabei sind dessen Forderungen zum Schluss ohnedies nicht mehr sehr gravierend gewesen. Die SPÖ liegt jedoch weiterhin an der Kandare des Gewerkschaftsbundes, der im Grund keinerlei relevanter Sparmaßnahme, sondern nur weiteren Steuererhöhungen zustimmen will. Es ist jedoch eine Farce und Zumutung, wenn man die unfinanzierbare Welle der Frühpensionen nur durch eine Intensivierung der Rehabilitation stoppen will, aber weder die Hacklerpension sofort auslaufen lässt, noch die Privilegienpensionen (Wiener Rathausbeamte usw.) antastet, noch Frühpensionen mit einem Malus bestraft.

Dennoch müsste jede verantwortungsbewusste Oppositionspartei der Schuldenbremse zustimmen. Denn nur eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse hätte Gültigkeit für die Verschwender in den Bundesländern (Wien, Niederösterreich, Kärnten als negative Beispiele an der Spitze) und Gemeinden. Denn nur eine solche Schuldenbremse würde die Kreditgeber beeindrucken. Denn nur eine Verfassungsbestimmung würde vor allem Rot und Schwarz selbst unter Druck setzen. Was ja alles im Interesse jeder Oppositionspartei liegen müsste.

Daher müsste natürlich auch das BZÖ über den Schatten springen, wenn es von Verantwortungsbewusstsein geprägt ist. Woran die Tatsache nichts ändert, dass die Regierung dem BZÖ die Zustimmung in provozierender Weise erschwert hat. Dass Blau wie Grün noch viel mehr schuld sind, ist aber wohl ebenfalls klar.

Auch die ÖVP ist nur scheinbar weniger schuld. Sie wäre zwar bereit gewesen, dem BZÖ Zugeständnisse zu machen. Sie hat auch besser als die SPÖ begriffen, wie entscheidend der Verfassungsrang der Bremse ist. Aber allem Anschein nach lässt sie sich jetzt wieder achselzuckend in die Koalitionsdisziplin zwingen.

Gewiss, die ÖVP hat keine Mehrheit im Parlament. Ebensowenig hat dort jeder echte Sparwille eine Mehrheit. Die ÖVP müsste aber im Nationalrat wenigstens für alle Anträge stimmen, die eine solche verfassungsrechtliche Schuldenbremse brächten. Auch wenn sie vom BZÖ kommen.

Das könnte von der SPÖ zwar als Koalitionsbruch denunziert werden. Aber wenn es um nationale Interessen, um die Stabilität des Staates geht, dann müsste eine solche Zustimmung jedenfalls Vorrang vor jedem Koalitionsabkommen haben. Zumindest könnte sich die ÖVP an den September 2008 erinnern, als die SPÖ wider die damaligen Koalitionsregeln mit populistischen Gesetzesanträgen (knapp vor dem Wahltag) Milliardenlöcher in die Staatsfinanzen gerissen hat. Lässt sich die Volkspartei jedoch wieder an die Leine der SPÖ nehmen, dann fördert sie nur die Fortsetzung der eigenen Destruktion. Ohne Nutzen für die Republik.

Und das alles passiert zur gleichen Zeit, da Italien das heftigste Sparpaket fixiert, das ja in einem unserer Nachbarländer beschlossen worden ist. Die Regierung Monti will, ganz ohne lange über eine Schuldenbremse zu debattieren, wirklich sparen: etwa durch eine rapide Erhöhung des Pensionsantrittsalters, durch höhere Steuern auf Jachten und Privatflugzeuge (damit auch Klassenkämpfer einen Grund zur Freude haben), durch eine höhere Immobiliensteuer (unpopulär, aber wirksam) und durch eine höhere Mehrwertsteuer (was als importdämpfende Lenkungsmaßnahme weit sinnvoller ist als die bei uns debattierte standortschädliche Erhöhung der Einkommensteuer für Besserverdienende).

Man darf in Italien übrigens auch mit Spannung beobachten, wieweit die Linksparteien dem Paket zustimmen werden, die ja so heftig über den Wechsel von Berlusconi zu Monti gejubelt haben. Zeigen sie sich wenigstens dort verantwortungsbewusst? Oder folgen sie wieder einmal dem populistischen Neinsage-Reflex der Gewerkschaften?

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Der Robin-Hood-Richter und der Autofahrer im Wasser

05. Dezember 2011 00:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Kaum ein Gespräch entgeht derzeit der ultimativen Frage: Was hat als letzte Ursache die Schuldenkrise ausgelöst? Gewiss stehen da zu Recht schwere Fehler der Politik im Zentrum. Aber der tiefere Grund ist eine fundamentale Mentalitätsänderung in vielen Köpfen. Der Staat wurde von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr als Selbstbedienungsladen angesehen. Das ist eine Veränderung der Beziehung zwischen Bürger und Obrigkeit, wie es sie noch nie in der Geschichte gegeben hat.

Das zeigt sich auf vielen Ebenen. Das beginnt bei den ständigen Tricks, um möglichst früh in Pension zu gehen. Das endet bei den in Österreich besonders häufigen und teuren Möglichkeiten, sich Förderungen und Subventionen auf Kosten der Allgemeinheit zu beschaffen: von der Landwirtschaft über die Alternativenergie-Produzenten bis zu den zahllosen Migranten/Feministinnen/Sozial/Kultur-Initiativen.

Dazwischen gibt es auch tausende winzige Beispiele. Menschen cashen ohne Unrechtsbewusstsein bei der Allgemeinheit ab. Sie werden darin nicht nur von der Politik, sondern auch den Gerichten unterstützt. Wie etwa in diesem Beispiel:

In der Salzburger Ortschaft Nußdorf ist im Juli 2009 der Fluss Oichten nach starken Regenfällen über die Ufer getreten; er hat auch einen Teil der Gemeindestraße überschwemmt. Soll schon vorgekommen sein. Vorgekommen ist auch schon – wenngleich seltener –, dass ein Fahrer dennoch versucht, auf einer in einem großen See verschwindenden Straße weiterzufahren.

Das tat seinem Auto jedoch gar nicht gut. Und es entstand ein 10.000 Euro teurer Motorschaden. Was tat der Mann? Statt sich zu schämen, klagte er die Gemeinde. Auf diese Idee muss man erst einmal kommen.

Aber er handelte richtig. Denn er traf auf einen Richter der gleichen Devise: „Selbstbedienung für alle“. Der Richter sprach dem Mann einen Anspruch auf 40 Prozent des Schadens zu. Wahrscheinlich hielt er sich dabei auch noch für einen sozialen Robin Hood. Er glaubt wohl, einem Reichen, also der Gemeinde, zugunsten eines Armen etwas weggenommen zu haben. In Wahrheit ist es genau umgekehrt. Denn solche Urteile nehmen allen etwas weg, auch jenen, die es sich nicht leisten wollen, leichtfertig in einen See zu fahren. Das wird der Richter aber wohl erst dann begreifen, wenn eines Tages der öffentlichen Schulden wegen sein Gehalt nach griechischer Art um 40 Prozent gekürzt wird.

Ähnlich schwer von Begriff sind Arbeitsrichter, die mit Vorliebe gegen die Arbeitgeber oder gegen die Sozialversicherung judizieren. Oder jene Richter, die fast aus Prinzip die Banken zugunsten der Kunden verurteilen. Wenn sie es aus ehrlichen rechtlichen Erwägungen tun, ist das natürlich in Ordnung; wenn sie es aber aus innerer emotionaler Parteinahme tun, weil sie sich halt auch schon einmal über eine Bank geärgert haben, dann ist das genau jene Einstellung, die uns nun alle bedroht.

 

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Das „Pump-Boom-Crash-Sündenbock“-Modell

03. Dezember 2011 13:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Immer wieder stören Finanzkrisen die Entwicklung dieser Welt. Doch liegt die Schuld nicht bei Banken oder Spekulanten, sondern bei den Bürgern.

Seit Jahrhunderten erliegen sie den Verlockungen des Lebens. Sozialpolitiker hatten ihnen die Segnungen eines gerechten Sozialstaates versprochen. Nach der Wahl verlangen Wähler diese. Da das Geld eigentlich nicht vorhanden ist, beginnen die Politiker sich um ihre Mandate zu sorgen. So greifen sie auf das seit ewigen Zeiten gespielte „Pump-Boom-Crash-Sündenbock“-Modell zurück.

Seit Jahrhunderten bewährt: „Pump-Boom-Crash-Sündenbock“

Der Staat nimmt dabei Kredite auf und steckt das Geld den Bürgern zu. Das ermöglicht den Bürgern, mehr zu konsumieren und ihren gewünschten Lebensstil zu genießen. Der darauf folgende Boom gibt ihnen vorerst Recht. Die Stimmung im Land steigt und die spendabelsten Politiker gewinnen ihre Wahlen. Die Gesellschaft ist für kurze Zeit im Lot, doch nur solange, bis die Blase platzt. Der Crash vernichtet dann viele Werte, die durch die Schulden zuvor geschaffen wurden – auch viele der neuen Jobs. Der Schock in der Bevölkerung ist riesig. Man sucht verzweifelt nach Erklärungen. Und findet einen Sündenbock. Hier differieren die nationalen Varianten dann.

Bettet eine Gesellschaft die staatsmonetaristische Geldschwemme in klassische Verschwörungstheorien, dann entsteht ein Pump-Boom-Crash-Sündenbock Modell, kurz PBCS. Ursachen und Verlauf ähneln sich historisch und über alle Gesellschaften hinweg verblüffend. Sie variieren nur nach den handelnden Personen beziehungsweise nach dem jeweiligen Stand des technischen Fortschritts.

Politiker-Leitfaden für ein PBCS-Projekt

Nehmen wir an, Sie wären ein ehrgeiziger Politiker. Mit ehrlichen, jedoch farblosen Worten mochte Ihnen der Durchbruch bislang nicht gelingen. Da bemerken Sie eines Tages, dass man Ihnen Aufmerksamkeit schenkt, wenn Sie von Wohlstand und von neuen (Geld-) Werten reden. Was liegt näher, als ein kleines PBCS-Modell zu entwickeln? Hier ist die Anleitung:

Schritt 1 „Boom auf Pump“

Sie werden zum Sozialpolitiker und meinen, die Verteilung des Wohlstandes wäre ungerecht und die Gehälter kleiner Leute deshalb viel zu niedrig. Immerhin wären ja alle Menschen gleich. Sie wecken unrealistische Träume von kürzeren Arbeitszeiten, höheren Löhnen und früherem Pensionsantritt bei sozialer Vollabsicherung. So werden Sie gewählt. Da die Unternehmen Ihres Landes aber nicht genug Geld erwirtschaften, um Ihre Versprechungen zu erfüllen, steigt der Druck, sich das Geld anderswo zu besorgen. Sie werden zum Wirtschaftspolitiker und verbilligen das Geld für Ihre Bürger. Sie senken die Zinsen. Geht das nicht, gewähren Sie Zinsstützung oder verteilen gestützte Staatskredite. Zur Not verschenken Sie das Geld, zum Beispiel als „verlorener Zuschuss“ für die Anschaffung einer neuen Ölheizung oder als Prämie für einen Fahrradkauf (Gemeinde Wien, 70 Euro).

Schritt 2 „Geld ins Volk“

Sie sorgen durch die Lockerung entsprechender Gesetze dafür, dass die breite Masse an das Geld auch wirklich rankommt. Fragt jemand kritisch nach, sprechen Sie von Neoliberalismus oder einer Politik mit Herz, je nachdem, wer fragt. Idealerweise sollte das Wahlvolk das Geld in die Bauwirtschaft investieren. Ist diese schon überhitzt, genügt es auch, wenn man das Geld ins Shoppingcenter trägt. Die Menschen werden sich nicht zweimal bitten lassen. Die Gewerkschafter sehen darin die Stärkung der Massenkaufkraft und Soziologen messen eine Verringerung der Ungleichheit.

Schritt 3 „Boni verdoppeln sich“

Die Verkäuferkaste, deren Gehalt prozentual vom Umsatz oder Gewinn bemessen wird, starrt nun ungläubig auf die monatliche Provisionsabrechnung. Denn Verkäufer profitieren in der Zeit des Booms stets überproportional. Kreditverkäufer, Baulöwen, Starfußballer, Schauspieler, die Journalisten bei den Massenblättern, millionenschwere Popstars oder die großen Bosse an der Wall Street: Sie alle stimmen euphorisch in die Lobgesänge der Politik mit ein.

Schritt 4 „Politiker mit Charakter“

Die Wachstumsraten und die Immobilienpreise steigen. Arbeitslosigkeit, Zinsen und die Sparquote, sie fallen alle. Und die Menschen sind begeistert. Als Volkspolitiker haben Sie jetzt alle Chancen einer Wiederwahl. Egal, welche Dummheiten Sie sonst auch angestellt haben. Sinnlose Kriege angezettelt? Das verzeiht man Ihnen. Denn Sie haben „Charakter“ und lieben Ihr Volk, warum täten Sie denn auch sonst so viel für all die kleinen Leute?

„Gib dem Volke Brot und Spiele“, dachten sich schon Roms antike Herrscher. Dann lasse sich der Pöbel auch friedlich regieren. Die Menschen wollen nun einmal besser leben. Und sie nehmen das Geld der Wahlgeschenke auch dann, wenn sie offensichtlich auf Pump finanziert wurden. Das war auch bei Bruno Kreisky so: Geburten- und Heiratsbeihilfen von sagenhaften 10.000 Schilling bar auf die Hand? Die Zinsen für diese Wahlgeschenke kürzen des Österreichers Nettolohn noch heute. Das „Antiteuerungspaket“ mit seinem „Gratis-Kindergarten-Jahr“ wurde beschlossen, um die Nationalratswahlen 2008 zu bestreiten. Natürlich wurde Bundeskanzler Werner Faymann dann auch gewählt. Nach der Wahl nimmt der Staat 2010 dafür dann neue Schulden auf und erhöht die Steuern.

Soziologen monieren nun (2010), dass Steuerzahlern netto immer weniger in ihren Taschen bleibt. Schuld daran seien Kapitalismus, Banken und internationale Spekulanten.

Schritt 5 „Der Crash“

Die PBCS-Blase platzt immer dann, wenn jemand ruft: „Der Kaiser ist ja nackt!“ Oder: „Die irren Wachstumsraten haben nichts mehr mit der Realität zu tun“. Dann verkauft der Erste, dann der Nächste und plötzlich verkaufen alle. Panik bricht aus. Das Kartenhaus fällt in sich zusammen. Immobilienpreise stürzen ins Bodenlose. Die Crashphase beginnt.

Es war leider doch nur ein Strohfeuer gewesen. Man hatte mehr Geld ausgegeben, als man erarbeitet hatte. Zehn Jahre lang war man unverdient und viel zu schnell gewachsen. Platzt die Schuldenblase, muss das Wahlvolk aber plötzlich hart sparen. Nur war das so nicht ausgemacht!

Schritt 6 „Auf der Suche nach dem Sündenbock“

In Amerika wird der Kandidat beziehungsweise dessen Nachfolger abgewählt. Im kaufmännisch weniger gebildeten Europa geschieht das nicht zwangsläufig. So müssen für Politiker und Wähler Ausreden her. Reichen Worte nicht mehr aus, greift man auf Sündenböcke zurück. Wie bei den PBCS-Krisen in den Jahren 1873, 1929 oder 1998 waren dies auch im Jahr 2008 die üblichen Verdächtigen: Alle möglichen Verkäufer, Handelsunternehmer, Banken und Spekulanten.

Verkäufer verdienen in diesen Boomzeiten wegen ihrer variablen Gehaltsbestandteile überproportional viel Geld. Handelsunternehmen verkaufen die Konsumgüter, die bei billigem Geld stark gefragt sind. Banken profitieren von schuldenfinanzierten Strohfeuern durch ihre Nähe zum Geldstrom. Und die Spekulanten? Sie profitieren, weil sie den Boom auf Pump als erstes durchschauen konnten. Deshalb haben sie die Krise aber nicht verursacht, sondern nur von ihr profitiert.

Schritt 7 „Das ist nicht  unsere Krise!“ – Doch.

„Das ist nicht unsere Krise“, rufen zornig Europas wirtschaftlich Ungebildete. Es ist aber sehr wohl „deren Krise“. Die Schulden wurden aufgenommen, um das Leben „Kleiner Leute“ zu subventionieren – nicht nur in den USA. Mit seinen gepumpten Milliarden US-Dollar hat Amerikas PBCS-Durchgang den deutschen Exportboom angeheizt. Erst dieser hatte die finanziellen Möglichkeiten geschaffen, den deutschen Sozialstaat sowie die aktuell letzte sozialistische Utopie auf westeuropäischem Boden, die DDR, zu finanzieren.

Wenn es Europa nicht schleunigst gelingt, seinen Lebensstandard nachhaltiger zu gestalten und seine Bürger ökonomisch auszubilden, dann hat der Kontinent die wirklich großen Krisen noch vor sich.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg und hat Europas erstes Globalisierungskritik-kritisches Buch geschrieben: „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“. Darin erklärt er die populärsten Irrtümer zu Globalisierung, Kapitalismus und Finanzkrisen – unkonventionell mit Geschichten, Comics und viel Zahlenmaterial.

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Die drei großen Ängste des Werner F.

03. Dezember 2011 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Werner Faymann hat sich auf eine Auslandsreise begeben. Wenn auch nur nach Berlin, wo er nicht zu fürchten brauchte, in einer anderen Sprache als deutsch angeredet zu werden. Aber der Besuch ist dringend notwendig gewesen. Denn langsam musste auch ein Faymann merken, dass ihn die Entwicklungen in Europa alles andere als unberührt lassen. Denn inzwischen ist präzise klar geworden, wohin Angela Merkel und Nicolas Sarkozy den Kontinent steuern. Nämlich in eine für Faymann sehr unerquickliche Richtung.

Das deutsch-französische Konzept sagt im Kern: Deutschland will den Schuldenländern nur noch dann helfen, wenn diese sich einem strengen Schuldenregime unterwerfen, das sowohl prophylaktisch, wie erst recht im Krisenfall ein Vetorecht externer Aufseher gegen zu hohe Staatsausgaben bringt. Eine solche Unterwerfung steht aber in vollem Widerspruch zur nationalen Souveränität, laut der die nationalen Parlamente die absolute Ausgaben- und Budgethoheit haben. Daher braucht es eine Änderung des EU-Vertrages und/oder anderer bindender völkerrechtlicher Verträge.

Eine solche Vertragsänderung widerspricht aber der einzigen außenpolitischen „Idee“, die Faymann je formuliert hatte. Er hatte dem Kronenzeitungs-Gründer knapp vor dessen Tod öffentlich geschworen, dass eine solche Vertragsänderung nur nach einer Volksabstimmung erfolgen dürfe. Faymann muss aber eine solche Volksabstimmung über die von Merkel gewünschte Vertragsänderung wie der Teufel das Weihwasser fürchten, weil er dabei mit Sicherheit von der Koalition FPÖ-ÖGB-Kronenzeitung gedemütigt untergehen würde. Zugleich würde es ein Faymann wohl nie wagen, sich mit dem Hause Dichand anzulegen, auch wenn dieses inzwischen eher kopflos dahintorkelt.

Was tun? Am Ende gar doch staatspolitische Verantwortung übernehmen? Ist ein Faymann dazu überhaupt imstande?

Das wird man in den nächsten Stunden schon an seiner ersten Bewährungsprobe sehen. Wird der SPÖ-Chef kämpfen, dass die Schuldenbremse mit einer Verfassungsmehrheit abgesegnet wird, damit sie auch gegenüber den Bundesländern und Gemeinden greift? Wird er den durchaus vernünftigen Bedingungen des BZÖ zustimmen? Wird er wenigstens Druck auf die eigenen Abgeordneten des Gewerkschaftsflügels machen, damit sie der Schuldenbremse zustimmen? Und vor allem: Wird er endlich rasch auch wirklichen Einsparungen zustimmen (von denen die Linke ja in Wahrheit noch immer nichts wissen will, die ja noch immer von den Tausenden Dagobert Ducks träumt, die man zusammen mit Mikl-Leitner ausrauben kann) und nicht nur einer sehr abstrakten Schuldenbremse?

Dahinter aber lauert eben die noch viel größere zweite Bewährungsprobe: Wird Faymann einem Schuldenstaaten-Kontroll-Vertrag trotz der Widerstände der Kronenzeitung zustimmen? Und zwar ohne langwierige Verfassungskonvente und Referenden? Beziehungsweise umgekehrt gefragt: Wird die Kronenzeitung als offenbar oberster Souverän dieses Bundeskanzlers dessen nach dem Merkel-Treffen gedrechselte skurrile Ausrede hinnehmen, dass das ohnedies keine bedeutende Vertragsänderung sei, dass die Volksabstimmung – ganz im Gegensatz zum einstigen Faymann-Brief – nur dann fällig werde, wenn aus der EU Vereinigte Staaten nach dem Vorbild der USA würden?

Denn wenn der Merkel-Plan aufgehen soll, wenn der wegen seiner unabsehbaren Folgewirkungen so gefürchtete Kollaps einiger (Euro- und Nicht-Euro-)Staaten verhindert werden soll, dann muss rasch gehandelt werden. Dann müssen die Schuldnerstaaten von einer außenstehenden Institution auch zu drastischen Maßnahmen gezwungen werden können. Ohne dass diese Maßnahmen von populistischen Zufallsmehrheiten im jeweiligen nationalen Parlament abhängig sind. Ohne dass dort weltfremde Gerichte sagen könnten, das sei aber ein unerlaubter Eingriff in wohlerworbene Rechte.

Eine solche Regelung hat aber natürlich nicht nur im Falle Griechenland oder Portgual zu gelten, sondern auch in einem noch nicht ganz so unwahrscheinlichen Fall Österreich.

Nicht mit Merkel mitzugehen, wäre aber für Österreich noch riskanter und unangenehmer. Denn dann würde es sich sofort aus der Gruppe der starken AAA-Europäer hinauskatapultieren, in die es sich bis zuletzt so stolz hineingeschmiegt hat.

Ein solches Abkommen hat keinerlei Chancen, in Österreich angenommen zu werden. Es ist aber nach all den vielen schweren Fehlern der EU und insbesondere rund um den Euro jetzt die einzig noch denkbare Rettungsmaßnahme.

Die dritte Probe für Faymann könnte man Sarkozy-Probe nennen. Ist der SPÖ-Mann bereit, eine solche Blut-und-Tränen-Rede zu halten, wie sie Sarkozy trotz bevorstehender Wahlen dieser Tage gehalten hat? Sie stand in abruptem Gegensatz zu Sarkozys bisherigem Opportunismus. Er war in den letzten Jahren nach seinem anfänglichen Law-and-order-Kurs ganz auf einen sozialdemokratischen Kurs populistischer Verschwendung eingeschwenkt. Jetzt aber hat Sarkozy in seiner scharfen Intelligenz erkannt, dass er keine andere Alternative mehr hat, als den Franzosen die volle Wahrheit zu sagen: nämlich dass sie jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben. Er konnte wenigstens mit gutem Grund der gewerkschaftshörigen Politik seines Vorgängers einen Teil der Schuld zuschieben.

 

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Fragen an alle Welt und keine Antworten

01. Dezember 2011 01:27 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der schlichte Zeitgenosse darf staunen und hat täglich mehr unbeantwortete Fragen. Etwa an Greenpeace, an Österreichs Rektoren, an die Christgewerkschafter, an die ORFler, an die rotgrünen Erregungsgenossen, an den Herrn Berlakovich, an den Herrn Karas, an die Hochschülerschaft, an das Mikl-Ministerium, an die Richter, an die Wirtschaftskämmerer und Industriellenvereiniger, an die diversen Linksprogressiven sowie an die Freiheitlichen.

Die Frage an Greenpeace hängt mit den gewalttätigen Aktionen gegen die sogenannten Castor-Transporte in Deutschland zusammen. Danach hat sich nämlich ein Greenpeace-Sprecher vor die Kameras gestellt und die armen Polizisten bedauert, weil diese die strahlenden Behälter so lange bewachen müssen (zu deren Rücknahme Deutschland auf Grund völkerrechtlicher Verträge verpflichtet ist). Angenommen, die Angaben von Greenpeace stimmen ausnahmsweise wirklich, dann ist ihre sorge um die Polizisten ein Musterbeispiel für die bei den grünen Vorfeld-Organisationen so typische Haltet-den-Dieb-Argumentation: Wer, geschätzte Greenpeace-Spendenkeiler, ist denn schuld daran, dass der Transport so viele Tage lang von so vielen Polizisten begleitet und beschützt werden musste? Sind die Krokodilstränen für die Polizisten, die dabei zu Hunderten(!) von Greenpeace-Freunden verletzt worden sind, nicht doch zuviel an jeder zumutbaren Heuchelei?

Die Rektoren und der Wissenschaftsminister haben sich auf ein Gerüst für einen Hochschulplan geeinigt. Demzufolge sollen die Unis die Studenten auswählen können, sobald sich mehr anmelden, als es Plätze gibt. Was ein noch wichtigerer bildungspolitischer Fortschritt wäre als das Waterloo für das Androsch-Volksbegehren. Zugleich soll es eine Studienplatzfinanzierung geben, deren Basis die Zahl der prüfungsaktiven Studenten ist. Das sollen jene sein, die über acht Semesterstunden positive Prüfungen ablegen. Was ebenfalls nach einem Fortschritt klingt. Jedoch, geschätzte Spektabilitäten, öffnet das nicht den Billigstudien wieder jede Hintertür und jedes Seitentor? Fließt dann das Geld wieder Richtung Publizisten, Politologen & Co, wo in aller Regel eh jeder ein positives Zeugnis bekommt, wenn er nur zumindest die Gnad' hat, sich zur Prüfung hinzubequemen? Und haben dann nicht solche Pseudo-Studien aus finanziellen Gründen jedes Interesse an großen Studentenzahlen und damit an immer noch leichteren Prüfungen?

Die Christlichen Gewerkschafter haben sich in der Arbeiterkammer in Fortsetzung ihrer üblichen Linie den Sozialisten bei der Ablehnung einer Schuldenbremse angeschlossen. Geschätzte Christgewerkschafter, da würde ich nur noch um eine einzige Antwort bitten: Welche Liste sollen die Zwangsmitglieder einer Arbeiterkammer denn beim nächsten Mal wählen, wenn sie die sozialistische Schuldenmacherei zutiefst ablehnen, der aber auch ihr so begeistert anhängt?

Mit einem Kostenaufwand sondergleichen und einer österreichweiten Fernsehdirektübertragung, deretwegen sogar das Programmschema umgestoßen worden ist, wurde der 90. Geburtstag des Burgenlands gefeiert. Wollen wir gleiches Recht für alle neun Bundesländer anwenden, dann ist klar: Auch alle anderen haben auch alle zehn Jahre einen so – nur sehr relativ – runden Geburtstag; damit haben wir ziemlich genau jedes Jahr einen ähnlichen Anlass. Werden wir daher jedes Jahr, geschätzte ORFler, österreichweit eine so riesige Fernsehübertragung einer provinzlerischen Selbstbegeilung sehen müssen? Wurde da die Dankesschuld für eine Wrabetz-Wiederwahl-Stimme abgetragen? Und, geschätzte Burgenländer, sind solche teuren Selbstbeweihräucherungsfeste wirklich das, was man bei euch als notwendiges Sparen versteht? Sind sie der Grund, warum ihr euch gegen eine effektive Schuldenbremse querlegt?

Rote und grüne Politiker sind wieder einmal wie auf Knopfdruck in Empörung verfallen. Diesmal ob der Verwendung des Ausdrucks „gesundes Volksempfinden“ durch eine andere Politikerin. Darin wurde sofort eine massive nationalsozialistische Wiederbetätigung erkannt. Ich weiß zwar nicht wirklich, was dieser Ausdruck bedeutet, und habe ihn daher meiner Erinnerung nach auch nie verwendet, aber ich frage mich schon ernstlich, geschätzte Erregungsgenossen: Warum macht ihr euch denn ständig lächerlich? Und warum verbietet ihr dann nicht auch alle anderen Ausdrücke, die in der Nazi-Zeit vorgekommen sind? Müsste man da nicht mit der gleichen Logik auch „Volkswagen“ oder „Autobahn“ auf den Index setzen? Begreift ihr nicht, dass die Blauen in Sachen Wortschafts- und Sozialkompetenz viel nackter sind denn in der von euch immer wieder konstruierten Neonazi-Rolle?

Öl und Gas werden immer teurer und die Verfügung über sie ist wohl der beste Hebel künftiger wirtschaftlicher Stärke und damit politischer Stabilität. Jetzt hat man im niederösterreichischen Weinviertel große Schiefergas-Funde nachgewiesen. Sofort haben die grünen Tarnvereine Greenpeace, Global 2000 und ORF eine Kampagne gegen deren Nutzung begonnen, weil dabei auch Chemikalien eingesetzt werden. Dabei findet die Gewinnung von Öl und Gas aus solchen Gemengelagen schon in vielen Ländern statt. Dieser Widerstand der üblichen Grünvereine hängt wohl auch damit zusammen, dass dann die Profite der Solar- und Windmühlerzeuger weniger heftig fließen würden. Aber auch der Landwirtschaftsminister schloss sich sofort dieser Ablehnung an. Warum, geschätzter Herr Berlakovich, stehen Sie eigentlich prinzipiell in jeder Frage gegen die wirtschaftlichen Interessen dieses Landes? Nur weil Sie in Ihrer Naivität glauben, dass die Grünen dann mit ihren existenzvernichtenden Attacken auf die Schweinebauern weniger aggressiv sein werden? Wie lange wird sich das überschuldete Land in Zeiten wie diesen ihre Politik noch leisten können?

Otmar Karas steht der Wiener ÖVP nicht zur Verfügung, ließ er verlauten. Freilich habe ich ohnedies noch keinen einzigen der zugegeben wenig gewordenen Stadtschwarzen getroffen, der wirklich Interesse an Karas hätte. Der gute Mann hat nicht begriffen, dass die einst auf ihn entfallenen Vorzugsstimmen fast zur Gänze Stimmen der empörten Basis gegen Ernst Strasser und Josef Pröll gewesen waren, aber kaum Pro-Karas-Stimmen. Und er hat schon gar nicht begriffen, dass er mit seiner Europa-Politik inzwischen in Österreich so ziemlich jede Sympathie verspielt hat. Denn Karas ist in jeder einzelnen Frage gegen österreichische Interessen, für mehr Macht des Europaparlaments (das anstelle des von Angela Merkel geforderten raschen Durchgreifens gegen Schuldnerstaaten einen jahrelangen Verfassungskonvent fordert), für stärker aufgeblähte EU-Budgets, für die Eurobonds (als deren Folge die Österreicher zugunsten von Griechenland und anderen weit höhere Zinsen zahlen müssten) aufgetreten. Mit der heutigen Karas-Politik konnte man vielleicht noch Ende der 90er Jahre Sympathien erringen, aber nicht mehr 2011. Er steht auch sonst heute in seiner gesamten Haltung einem Linksradikalen wie dem Grünen Voggenhuber deutlich näher als seinen einstigen Wählern, was sich auch an seiner Unterstützung für das Androsch-Volksbegehren gezeigt hat. Geschätzter Herr Karas, könnte es sein, dass Ihnen die Wiener Trauben einfach zu sauer waren?

Die Hochschülerschaft forderte mit einer Aktion die Abschaffung von Verbotszonen für Prostitution in Wien. Sie begründet das recht dubios mit einer gesellschaftlichen Stigmatisierung des „Berufs der Sexarbeiterin“. Auch wenn gewiss manche dieser Sexarbeiterinnen ÖH-Beitrag zahlende Studentinnen sind, geschätzte ÖH_innen und ÖHInnen (welche Anrede immer bei euch gerade politisch korrekt ist), seid ihr ganz sicher, dass solche Aktionen der Zweck einer ÖH sind? Und wenn ja: Warum macht ihr dann nicht auch Aktionen für Taxifahrer, Kellnerinnen, Nachhilfelehrer und Müllaufleger, unter denen sich mindestens ebenso viele Studenten befinden?

Immer öfter findet man in Polizeifahndungen seltsame Personenbeschreibungen. Da werden Täter, die jemanden überfallen haben, zwar mit ungefährem Alter und Größe beschrieben. Auch die Kleidung steht meist dabei (offenbar ein besonders eindeutiges Merkmal, das kein Täter ablegen kann). Aber eventuelle Hinweise auf Sprache, auf südländisches oder blondes Aussehen fehlen neuerdings. Geschätztes Mikl-Ministerium, müsst Ihr wirklich so provokant zeigen, dass ihr lieber auf das Ergreifen eines Täters verzichtet, als irgendwie politisch unkorrekt zu wirken? Ist es euch etwa ins knieweiche Gerippe gefahren, dass sich die übliche rotgrüne Erregungsmaschine vor kurzem so hysterisch über einen Grazer Polizeidirektor aufgeregt hat, weil dieser vor einer „langsamen Unterwanderung“ durch Moslems gewarnt hat? Die es ja bekanntlich genausowenig gibt wie einen weit überdurchschnittlichen Anteil von Gewalttätern aus dem Kreis der Zuwanderer . . .

In Warschau sind nach gewalttätigen Straßenschlachten zwischen links- und rechtsradikalen Extremisten binnen kurzem etliche Teilnehmer verurteilt worden, etwa zu drei Monaten Haft ohne Bewährung. Was sehr rasch zu einem Ende der Unruhen geführt hat. Ähnliches war auch in London vor einigen Monaten zu beobachten gewesen. Wären die geschätzten Richter aus Deutschland oder Österreich, die noch nie gegen Steine werfende oder brandlegende Demonstranten (oder gewalttätige Antiatom-Blockierer) unbedingte Haftstrafen verhängt haben, vielleicht doch einmal bereit, sich ein wenig mit der Aufgabe der Justiz auseinanderzusetzen, präventiv zu wirken?

Alle deutschen Wirtschaftsverbände haben sich in einer scharfen gemeinsamen Erklärung gegen die katastrophalen Folgen einer Transaktionssteuer ausgesprochen. Sie bestätigen, das, was auch zahllose Wirtschaftsforscher als Folge dieser neuen Steuer prophezeien: eine Verteuerung von Krediten, eine Belastung der Altersvorsorge und eine Vertreibung von Investitionskapital. Wozu geschätzte Wirtschaftskämmerer und Industriellenvereiniger in Österreich seid ihr eigentlich auf der Welt? Nur um Aktionen der Zerstörung unseres Bildungssystems zu finanzieren und nur um seltsame Pensionsreformpapiere zu produzieren, welche der Reformunwilligkeit der Gewerkschaft die Mauer machen? Warum tretet nicht auch einmal ihr als Exponenten der wirtschaftlichen Vernunft so machtvoll auf?

Ich bin gewiss ein Anhänger eines strengen und abschreckenden Justizsystems, und habe nicht zuletzt aus diesem Grund auch viel Respekt vor den USA. Aber alles hat seine Grenzen. Denn, geschätzte amerikanische Freunde, wenn bei euch Jugendliche ohne die geringste theoretische Möglichkeit auf Begnadigung zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt werden können, wo soll darin eine Abschreckung oder ein Schutz bestehen? Wisst ihr nicht, wie sehr sich Jugendliche nach dem Erwachsenwerden noch wandeln können?

Bei dem norwegischen Massenmörder B. ist von mehreren Psychiatern einhellig „paranoide Schizophrenie“ erkannt worden, was ihm eine lebenslange Einweisung in eine geschlossene Anstalt bringen wird. Das erregt manche Linken enorm. Geschätzte Linksprogressive, wart nicht ihr diejenigen, die immer dafür gekämpft haben, jedem Straftäter möglichst weitgehend solche Schuldausschließungsgründe zuzubilligen? Oder geht es euch nur darum, jede Kritik an der islamischen Massenzuwanderung als verbrecherisch denunzieren zu können, wofür ihr im Fall B. auch das ultimative Argument gefunden zu haben geglaubt habt? Und da stört es halt, wenn sich der Täter als ganz normaler Wahnsinniger entpuppt, die ihr am liebsten immer freilassen wolltet?

Der FPÖ fliegen seit etlicher Zeit durch bloßes Stillesitzen und Neinsagen ständig mehr Wählerprozente zu. Es ist durchaus möglich, dass sie damit am nächsten Wahltag in der Tat Nummer eins wird. Geschätzte Freiheitliche, ist euch nicht klar, dass euch eure totale wirtschafts-, finanz- und sozialpolitische Ahnungslosigkeit bei jeder eventuellen Machtübernahme in einen noch viel steileren Absturz treiben wird, als ihn Rot und Schwarz gerade erleiden?

 

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Fußnote 240: Aufwachen, Frau Karl!

30. November 2011 16:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast schon täglich ein Skandal in dieser Staatsanwaltschaft. Und die Justizministerin fürchtet sich nur nervös und tut nichts.

Die der Justizministerin unterstehenden Strafverfolger haben sich schon wieder Unglaubliches geleistet. Sie haben ganz offensichtlich einen Gutachter einseitig so unter Druck gesetzt, dass dieser nun den ganzen Auftrag empört zurückgeschmissen hat. Es geht um den Gutachter, der die Vorwürfe gegen Julius Meinl auf strafrechtliche Implikationen überprüfen sollte. Sie hatten dem Gutachter, der schon in vielen großen Wirtschaftsprozessen diese Funktion innehatte, schriftlich(!) einen „Vertrauensverlust“ attestiert und einen Zweitgutachter in den Nacken gesetzt. Was sich natürlich kein renommierter Experte gefallen lässt. Dieser Skandal setzt jenen um den völlig deplatzierten Erstgutachter fort, der schließlich vom Gericht abgesetzt werden musste. Ganz offensichtlich geht es der Staatsanwaltschaft nicht um die Wahrheit, sondern primär darum, doch noch den Banker verurteilen zu lassen. Den sie ja schon einmal in U-Haft gebracht hatte. Aus dem mutmaßlichen Motiv: Banker sind nach Ansicht der Staatsanwaltschaft und jener des Boulevards prinzipiell Verbrecher. Zumindest, wenn sie mit Karl-Heinz Grasser befreundet sind.

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Das R-Wort und die wie immer unschuldigen Täter

29. November 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Seit wenigen Stunden ist das R-Wort nun auch offiziell heraußen: In Europa hat laut OECD eine neue Rezession begonnen. Diesmal wird man die Krise nicht mehr durch die Scheinlösungs-Strategie der Jahre 2008/09 beenden können, nämlich durch eine gigantische weitere Verschuldung der Staaten. Denn heute ist niemand mehr willens, den europäischen Staaten in nennenswertem Umfang Geld zu leihen. Was also tun?

Die europäischen Bürger gehen derzeit lieber mit dem vielen unter die Menschheit gebrachten Geld noch einmal kräftig weihnachtseinkaufen, statt Anleihen ihrer Regierungen zu zeichnen. Nicht einmal mehr die Chinesen, auf die der letzte EU-Gipfel noch in verzweifelter Hoffnung gesetzt hat, sind zu neuen Krediten an europäische Länder im erwünschten Ausmaß bereit. Und selbst wenn die Deutschen noch einmal einknicken sollten, um mit ihrer noch – relativ! – guten Kreditwürdigkeit ein letztes Mal für die Miteuropäer ins Pfandleihhaus zu gehen, wird das nur für wenige Monate Erleichterung bringen.

Das gilt auch für alle anderen Konstruktionsideen, die derzeit tagtäglich unter die ohnedies schon extrem nervösen Bürger gestreut werden – egal, ob dabei nun Eurobonds, Elite-Bonds, Europäische Zentralbank oder Währungsfonds verbal eine Schlüsselrolle spielen. Das sind durchwegs intellektuelle Glasperlenspiele für Ökonomen, die allesamt aufs Gleiche hinauslaufen: Wenn man sie genauer analysiert, bringen sie nur ein wenig Zeitgewinn, viel Umverteilung von den Sparer- zu den Verschwendernationen, und am Ende immer dieselbe brutale Alternative: Staats-Crash oder Inflation.

Da bleibt jetzt nur noch eines über: All die Fehlentwicklungen, die Europas Krise ausgelöst haben, rapide zu beenden. Und das geschieht am besten durch eine geistige Rückversetzung an den letzten Zeitpunkt, von dem an es nur noch aufwärts gehen konnte: nämlich in das Jahr 1945.

Die Frage ist nur: Haben die alt, satt und verwöhnt gewordenen Europäer noch die geistige (und körperliche) Kraft, wieder neu anzufangen? Man darf daran zweifeln, auch wenn der Neuanfang zum Glück auf einem viel, viel höheren Niveau stattfinden könnte. Denn der wahre Zustand Europas ist vielerorts noch immer nicht im Bewusstsein angekommen.

Die Österreicher etwa haben die letzte Krise überhaupt nicht zu spüren bekommen: die für Konsumausgaben zur Verfügung stehenden Löhne sind alljährlich trotz aller Wertverluste von Investitionen weiter real gestiegen. In allen Länder geben die Politiker die bestürzende Wahrheit erst dann zu, wenn sie am nächsten Monatsersten die Fixausgaben nicht mehr zahlen können. Die Gewerkschaften rufen lieber zum fünfzigsten Generalstreik, bevor sie das Scheitern des Wohlfahrtsmodells zugeben würden. Die Parteien verteidigen ihre Wählerinteressen. Das gilt von den Bauern über die vielen ideologischen Vorfeldvereine bis zu den Eisenbahnern. Die Möchtegernpensionisten steuern noch zielsicherer in die Frührente als vermeintlich sicheren Hafen denn bisher. Die österreichischen Studenten weigern sich trotz des Kollapses an vielen Universitäten, auch nur einen geringfügigen Beitrag als Gebühr zu zahlen.

Um noch eine weitere, besonders wichtige, aber fast nie angesprochene Krisenursache zu nennen: Die Wirtschaft und insbesondere die Industrie erkennen nicht, dass sie in den letzten Jahrzehnten die wichtigste Zukunftsinvestition selbst sabotiert hat, nämlich die Geburt der künftigen Leistungsträger. Und diese passiert vornehmlich in bildungsorientierten Familien. Die Industrie hat die akademisch oder sonstwie besonders qualifizierten Frauen im Windschatten einer familienfeindlichen Gesetzgebung lieber als wachstumsfördernde Arbeitskraft ausgenutzt, statt ihnen ohne Druck zu ermöglichen, die entscheidenden Kinder zu gebären und heranzuziehen. Da sollten sich die bildungsdiskutierenden Industriellen nicht mehr allzusehr wundern, wenn nur noch jede zweite Akademikerin Kinder in die Welt setzt.

Der Glaube, das Kinderdefizit durch die in breiter Front hereingeströmten Zuwanderer ersetzen zu können, hat ja grandios Schiffbruch erlitten. Denn die Bildung, die Leistungsbereitschaft, das Können einer neuen Generation hängt in hohem Ausmaß davon ab, ob diese Dinge auch im Elternhaus vermittelt und vorgelebt werden. Diesen Zusammenhang kann man wahrscheinlich nicht einmal in einer Diktatur ändern, in der alle Kinder schon im ersten Lebensjahr den Eltern abgenommen werden. Dadurch würde man wahrscheinlich nur die Zahl der bildungsorientierten und leistungsbereiten Jugendlichen gegen Null treiben.

Damit sind nur einige der gigantischen Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte angesprochen. Eine andere ist etwa der Irrglaube, durch noch mehr Regulierung irgendwelche Pleiten verhindern zu können. Dahinter steckt die abenteuerliche Überzeugung, dass die Verhinderung von Pleiten etwas Gutes wäre. Dabei sollten wir seit Schumpeter wissen, dass nur auf dem Weg von Pleiten, also des industriellen Sterbens wieder Platz und Kraft für Neues entstehen kann.

Das einzige, worüber man bei Pleiten legitimerweise nachdenken kann, ist: Wie verhindert man notfalls auch mit Steuergeld einen Dominoeffekt, bei dem die Pleite einer Bank automatisch Tausende andere Unternehmen und Banken in den Abgrund reißt? Aber eine Bankpleite an sich ist etwas so Natürliches und Notwendiges, wenn auch Schmerzvolles wie der menschliche Tod. Und wer sie prinzipiell verhindern will, ermuntert nur zu fahrlässiger Sorglosigkeit.

Die unkoordinierte Überregulierung und der Machtkampf unter den diversen Regulierern treibt derzeit unsere Banken mit erhöhtem Tempo in die Krise. Ständig werden von irgendwelchen, die eigene Existenznotwendigkeit unterstreichenden Gremien die Bankregeln geändert, verschärft, verkompliziert.

Ob solches nun die nationalen Bankaufseher wie Finanzmarktaufsicht und Notenbank tun (die soeben in Österreich mit neuen Regeln die Banken weitgehend aus dem Ostgeschäft hinausschießen), ob es die neue Europäische Bankenaufsicht tut (die sich besonders radikal zu gebärden versucht), ob es die EZB tut (die ständig andere Refinanzierungsregeln hat), ob es die G20 tun, ob es die EU-Regierungschefs oder die nationalen Gesetzgeber tun, ob es der IWF tut, ob es die OECD tut, die Basler BIZ (die Zentralbank aller Zentralbanken), die EU-Kommission, die Finanzminister (die nach der neuen Börsensteuer nun an einer Finanzmarkttransaktionssteuer basteln), oder ob es die EBRD der EU tut (die um selber wieder ins Ostgeschäft zu kommen, die dortigen Volkswirtschaften krankjammert): Sie alle glauben meist, etwas Gutes zu tun und stiften schon allein durch ihre Vielfalt und die Unterschiedlichkeit ihrer Beschlüsse und Vorgaben nur weiteres Chaos. Sie wollen aber keinesfalls am Ende Verantwortung oder gar Schuld tragen.

Das Europäische Parlament will das schon gar nicht. Hat es doch schon angekündigt, die – nach Vernunft klingenden – deutsch-französischen Bestrebungen zu sabotieren, in der EU endlich, aber nun rasch einen Mechanismus für Staatspleiten schaffen zu wollen. Dabei ist dieses Parlament die hemmungsloseste Ansammlung von populistischen Verschwendern im ganzen europäischen Getriebe. Was auch kein Wunder ist, ist doch immer nur die zweite Garnitur nach Brüssel geschickt worden.

Um nur noch einen einzigen weiteren, fast nie angesprochenen Verantwortungsbereich zu nennen: Das sind die Gerichte, die ständig einzelnen Individuen gegenüber den Staaten angeblich wohlerworbene Rechte zubilligen. Diese Rechte mögen zwar wohl erworben sein – nur wohl finanzierbar sind sie in keiner Weise.

Kann man wirklich in all diesen Bereichen ein rasches Umdenken erreichen? Ich zweifle heute mehr denn je.

 

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Und jetzt das Elfmeterschießen im letzten Gefecht der Schulden-Junkies

26. November 2011 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie sind süchtig nach unserem Steuergeld wie ein Junkie aus der Wiener U-Bahn nach neuem Stoff. Und sie arbeiten mit jedem Trick, um nur ja nicht sparen zu müssen. Das zeigt sich rund um die Groteske namens Schuldenbremse mit erschreckender Deutlichkeit.

Ich habe mehrfach zu dieser Idee eine klare Ansicht vertreten: Wenn man endlich wirklich sparen wollte, bräuchte man keine langwierig zu beschließende Schuldenbremse. Man könnte und sollte schon morgen mit dem Sparen beginnen. Von der Abschaffung der Hacklerpension über den Verkauf des rollenden ÖBB-Materials bis zur Drittelung aller Subventionen undundund. Das ist seit drei Wochen dringender denn je, da nun auch Österreich mit täglich höheren Zinsforderungen als Zeichen seiner schwindenden Kreditwürdigkeit konfrontiert ist. Niemand borgt mehr gerne und unbesehen einem europäischen Staat sein Geld – nicht einmal mehr den Deutschen.

Inzwischen aber muss ich meine Meinung korrigieren – oder zumindest präzisieren. Wenn sich die Regierungsparteien nun schon öffentlich, also vor den Ohren aller Geldgeber, auf die Einführung einer Schuldenbremse festgelegt haben, wäre es ein absoluter Wahnsinn, diese nicht auch zu beschließen. Und zwar im Verfassungsrang. Alles andere wie ein einfaches Gesetz wäre nur ein verfrühter, aber teurer Aprilscherz. Ein einfaches Gesetz könnte mit jedem neuen Ausgabengesetz wieder ausgehebelt werden. Und es hätte vor allem keinerlei Wirksamkeit für die besonders ausgabenwütigen Bundesländer.

Inzwischen aber ziert sich die Opposition wie ein trotziger Pubertierender, die Stimmen für die nötige Verfassungsmehrheit herzugeben. Die FPÖ, die lange nach dieser Bremse gerufen hatte, will plötzlich nur zustimmen, wenn sich Österreich de facto aus der EU hinausschießt und bei den Stützungskrediten nicht mehr mitmacht. Natürlich sind diese Kredite für Griechenland&Co ein Fehler, aber solange Deutschland dafür ist, bleibt Österreich nichts anderes über, als auch mitzumachen. Es wäre schon viel getan, würde auch nur ein österreichischer Politiker wieder mit Gewicht und Sachverstand in den europäischen Debatten mitreden können. Aber der findet sich weder in der Regierung noch in der Opposition.

Auch die Grünen haben sich selbst aus der Schuldenbrems-Aktion hinausgeschossen. Sie wollen ja keine Sekunde lang sparen (wie etwa unlängst auch ein unglaublich peinliches Interview ihrer Wiener Spitzenfrau demonstriert hat). Sie wollen vielmehr ständig nur noch höhere Steuern, als ob Österreich nicht schon das zweithöchste Steuerniveau unter den Euro-Ländern hätte.

Genau aus diesem Grund ist auch die Forderung des BZÖ für seine Zustimmung durchaus vernünftig (was aus dieser Partei angesichts ihrer sonstigen Untaten noch lange keine sonderlich überzeugende Partei des Ordnungsliberalismus macht). Das BZÖ fordert konkrete Sanktionen für die Verletzung der vorerst rein theoretischen Schuldenbrems-Bestimmungen. Und es will ein Limit für die Abgabenquote einziehen.

Das ist legitim: Denn damit wäre es zwar möglich, beispielsweise höhere Grund- oder Energiesteuern einzuführen, aber gleichzeitig müssten die Einkommenssteuern gesenkt werden.

Ein Limit für die Abgabenquote aber wollen wiederum viele in der SPÖ nicht. Denn dort hassen in Wahrheit die meisten ebenso wie die Grünen jedes Sparen. Sie glauben immer noch an die ominösen Reichen, die sie genüsslich schröpfen könnten.

Dabei ist längst klar: Die meisten Steuererhöhungspläne würden wegen der dadurch vermehrten Steuerflucht und -umgehung kein Plus in die Staatskasse bringen. Das gilt auch für die nun ventilierten Pläne einer höheren Einkommensteuer für „Superreiche“, also für jene Menschen, die mehr als 300.000 Euro (laut SPÖ) oder 500.000 Euro (laut dem linken ÖVP-Flügel) im Jahr verdienen. Zu jenen wenigen Menschen, die überhaupt so viel verdienen, zählen vor allem Künstler und Manager. Gerade diese aber haben es meist in der Hand, den eigenen Wohnsitz oder den Sitz des Unternehmens in andere Länder mit niedrigeren Steuern zu verlegen. Was letztlich nur ein Netto-Minus in der Steuerkasse zurücklässt.

Entlarvend für die Einstellung in der SPÖ ist das totale Njet des ÖGB: Er fürchtet, dass eine Schuldenbremse zu Kürzungen im Sozialsystem führen könnte. In der Tat: Die Schuldenbremse könnte nicht nur zu solchen Kürzungen führen, sondern sie muss sogar dazu führen, wenn sie auch funktionieren soll. Was die Gewerkschafter aber immer noch nicht begreifen: Wenn Österreich nicht noch in diesem Winter freiwillig eine Schuldenbremse SAMT ganz konkreten tiefgreifenden Sparmaßnahmen beschließt, werden ihm in Kürze von außen noch viel drastischere Kürzungen vorgeschrieben werden. So wie Griechenland oder Italien.

Damit aber sind wir wieder im Kern der Koalition angekommen, die diese Bremse anfangs so einträchtig angekündigt hat. Traut sich Werner Faymann trotz des Gewerkschaftswiderstandes eine solche verfassungsrechtliche Schuldenbremse SAMT konkreten Umsetzungen zu beschließen? Das wäre nun freilich das erste Mal, dass der Mann irgendetwas gegen Widerstände durchkämpft. Dass er gar dem von ihm immer besonders hofierten Gewerkschaftsbund eine andere Meinung entgegensetzt. Dass er etwas tut, was nicht nur von Populismus und Opportunismus trieft. Dass er seinem Amt in irgendeiner Weise gerecht würde.

Ob er intelligent genug ist zu erkennen, dass alles andere eine noch viel größere Katastrophe auslösen wird?

Fällt aber Faymann erwartungsgemäß wieder einmal um, dann kommt es zur großen Bewährungsprobe des Michael Spindelegger. Auch dieser hat sich ja bisher in keiner Weise durch Konfliktfähigkeit und Standfestigkeit ausgezeichnet. Aber ÖVP-intern gilt die Schuldenbremse als Reifeprüfung für den jungen Parteiobmann.

Die grenznaiven Christgewerkschafter mit ihrem die christliche Soziallehre fehlinterpretierenden Neokommunismus hat er ja noch relativ leicht austricksen können. Aber wird er es in seiner jovialen Konsenssehnsucht auch wagen, im Parlament notfalls ohne Faymann-Segen die (von der Regierung ja schon beschlossene) Schuldenbremse abstimmen zu lassen? Und zwar im Verfassungsrang SAMT konkreten Umsetzungsmaßnahmen. Das würde zwar möglicherweise mit einer Niederlage enden. Aber damit wäre dann endgültig klar, wo die Schuld an den Dingen liegt, die in Bälde auf Österreich zukommen werden.

Es ist eine Stimmung wie in den Minuten vor dem entscheidenden Elfmeterschießen eines großen Finales.

 

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Alle feuern – oder was?

24. November 2011 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

If you pay peanuts, you get monkeys. Wenn man nicht marktgemäß zahlt, hat man bald lauter Affen im Tempel. Egal wie sehr Boulevard- und Politik-Populisten gegen hohe Gehälter schimpfen: Die wenigen wirklich guten Leute ziehen immer dorthin, wo sie am meisten verdienen. Sie aber sind oft entscheidend für Tausende andere Jobs.

Das gilt im Wettbewerb zwischen Firmen oder Banken genauso wie bei jenem zwischen Ländern. Um noch ein weiteres englisches Schlagwort zu bemühen: Der Brain Drain zieht die besten Kräfte in Länder mit hohen Einkommen, niedrigen Steuern und ausreichender Lebensqualität (Sicherheit, Schulen, Gesundheit und Infrastruktur).

Aktionäre haben meist nichts dagegen, wenn manche Vorstände sogar etliche Millionen Euro im Jahr verdienen, solange ihnen auch selbst ein guter Ertrag gesichert ist. Sie sind nur dann empört, wenn superverdienende Vorstände ein Unternehmen in den Misserfolg führen, wenn das Management finanziell sehr gut wegkommt, während sie als Eigentümer einen schweren Substanzverlust hinnehmen müssen. Besonders ärgerlich sind Fünfjahresverträge und Langfristboni, die selbst einem wegen schlechter (Unternehmens-)Führung gefeuerten Vorstand beim Abschied einen dicken Scheck einbringen.

Die Verantwortung dafür trifft natürlich die Aufsichtsräte, die solche Führungsverträge absegnen. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die Aufsichtsräte primär aus Herrschaften bestehen, die anderswo selber Vorstände sind, die also das eigene Standesinteresse in den Genen haben. Es gibt aber auch  durchaus internationale Beispiele, wo Vorstände in schlechten Jahren absolut Null verdient, ja über ihren obligatorischen Aktienbesitz sogar einen echten Verlust erzielt haben.

 Man kann mit zu großer Peanuts-Sparsamkeit freilich auch großen Schaden anrichten. Das zeigt jetzt die Entwicklung der deutschen Hypo Real Estate und ihrer Bad Bank, wo fast so viel wacklige Forderungen und Anleihen lagern, wie die gesamte griechische Staatsschuld ausmacht. Dort ist ja die unglaubliche Peinlichkeit passiert, dass man sich um nicht weniger als 55 Milliarden Euro verrechnet hat, und dass deswegen nicht einmal irgendjemand seinen Job verloren hat. Besonders nachdenklich macht die Erklärung dieses „Rechenfehlers“, die nun in Deutschland kursiert: Zu viele sachkundige Mitarbeiter haben die HRE verlassen, weil dort nach dem Crash die Gehälter gedeckelt worden sind.

Das zeigt ein teuflisches Dilemma: Jedermann in Deutschland hätte zwar am liebsten die ganze HRE-Mannschaft an die Luft gesetzt. Aber selbst bei der Abwicklung des größten Schadensfalles der deutschen Wirtschaftsgeschichte ist man vom Wissen jener Mannschaft abhängig, die beim Absturz an Bord war. Und es ist oft nur sehr schwer herauszufinden, wer davon zu den Versagern zählt und wer den Karren noch aus dem Dreck ziehen könnte.

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Und jetzt hat es auch Deutschland erreicht

23. November 2011 15:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nicht einmal mehr die Bundesrepublik bekommt seit Mittwoch ihre gesamten auf den Finanzmärkten angebotenen Staatsanleihen los. Damit stehen viele als blamiert da. Damit ist aber auch die Ursache der Katastrophe messerscharf bloßgelegt.

Blamiert sind alle jene, die in den letzten Monaten Deutschland und andere Länder in oft rüdem Ton zu mehr „Solidarität“, also zu noch leichtfertigerer Schuldenaufnahme aufgefordert haben. Fast sämtliche Linkspolitiker und Kommentatoren Europas müssten daher eigentlich ab jetzt für immer schweigen. Selbst die Deutschen sind nämlich seit langem nur relativ besser dagestanden als andere Länder, von gut war aber auch dort keine Rede.

Heute ist aber auch Angela Merkel blamiert, weil sie seit Mai 2010 immer wieder – damals noch – gutes Geld dem schon verbrannten nachgeworfen hat. Sie hat damit Deutschland mit in den Schuldenstrudel gestürzt. Und damit auch andere Länder wie das jeder eigenen Außen- und Finanzpolitik bare Österreich (dessen Politiker sich ohnedies nicht mehr weiter blamieren können).

Blamiert haben sich alle jene Politiker, die in den letzten Jahren trotz einer steigenden Staatsverschuldung auch nur einmal gesagt haben: „Aber das muss das . . .reichste Land der Welt sich doch leisten können“, oder: „Der Molterer soll nicht so auf seinem Geld sitzen“, oder: „Der Grasser mit seinem Nulldefizitfimmel“, oder: „Schüssels soziale Kälte“, oder: „Zuerst brauchen wir Wachstum, dann können wir später sparen“ usw. Und blamiert ist auch jeder einzelne Abgeordnete, der in den letzten Jahren Gesetzesentwürfen mit Mehrausgaben zugestimmt hat. Also primär die Abgeordneten der Regierungsparteien, aber oft genug auch die der Opposition, die auch immer besonders laut weitere Ausgaben gefordert haben.

Blamiert sind auch die Freiheitlichen, die in der letzten Zeit von der Trennung in einen guten Nord- und einen schlechten Südeuro oder gar von einem Neo-Schilling fabuliert haben. Ohne ganz konkretes Sparen hier und jetzt ist jeder Euro, jeder Schilling, jede D-Mark gefährdet.

Und bis auf die Knochen blamiert ist auch die EU-Kommission. Denn es ist wohl kein Zufall, dass die Geldgeber nun genau an jenem Tag auch Deutschland boykottieren, da die Kommission (mit Unterstützung auch fast aller österreichischen EU-Abgeordneten von Karas bis Swoboda!) den Druck massiv und öffentlich erhöht hat, Eurobonds auszugeben. Das sind ja nichts anderes als Anleihen, bei denen die Deutschen in irgendeiner Form für Griechenland & Co mithaften sollten.

Das alles ist ein historischer Paradigmenwechsel. Noch nie ist den europäischen Staaten in ihrer Gesamtheit und als Institution so sehr das Misstrauen ausgesprochen worden. Das erschüttert Staaten und Demokratie in ihren Grundfesten. Und die Parteien erst recht.

Alle einfachen und schmerzarmen Auswege sind ihretwegen längst versäumt worden. Und in Österreich treten gerade die Arbeiterkämmerer aller Couleur zum Sturm auf  die Idee einer Schuldenbremse an . . .

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Wie wirkte sich der Euro auf Staatsanleihen aus?

22. November 2011 16:34 | Autor: Andreas Unterberger

Risikoaufschläge auf 10-jährige Staatsanleihen ausgewählter Euroländer seit 1990

 

 

Quelle: AA & MR, Datastream, zerohedge.com

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Welcher Euro-Staat hat welchen Anteil an den Gesamtschulden?

22. November 2011 16:21 | Autor: Andreas Unterberger

Anteil der Staaten der Eurozone an der Gesamtmenge der Staatsschulden, sowie Schuldenstand in Milliarden

 

Anmerkung: bn = Milliarden

Quelle: AA & MR, Datastream, zerohedge.com

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Die Abwahl von Regierungen macht nur kurze Freude

22. November 2011 00:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nach Spanien am vergangenen Sonntag in ein paar Tagen wohl auch Slowenien: Sozialdemokratische Regierungen werden reihenweise aus dem Amt gefegt. Das bedeutet zwar ein Ende der Verirrungen, die Europa als Spätfolge der zerstörerischen 68er Ideologie erfasst haben. Was bedeutet das aber jenseits aller nationalen Besonderheiten für die gesamteuropäische Krise?

Das signalisiert primär einen allgemeinen Frust der Wähler angesichts der nicht bewältigten und auch nicht bewältigbaren Euro-Krise. Es bedeutet damit fast automatisch eine Absage an jeden, der in einem Euro-Land regiert. Demnächst werden ja wohl auch einige jener Regierungen stürzen, die rechts der Mitte stehen, wie etwa die französische.

Die österreichische Linksrechts-Koalition hat zwar noch bis 2013 mit den nächsten Wahlen Zeit. Das bisweilen in Zeitungen aufflackernde Gerede von vorzeitigen Neuwahlen ist nicht wirklich ernst zu nehmen. Aber dann werden Rot und Schwarz wahrscheinlich Mühe haben, gemeinsam noch einmal die 50 Prozent zu erreichen. Das sind wohlgemerkt zwei Parteien, die gemeinsam bis in die 80er Jahre 90 Prozent hatten und auch in der Folge noch lange die Zweidrittelmehrheit.

Nur: Die Alternativen sind rar, wenn man die europaweiten Trends zu analysieren versucht: Viele Wähler wenden sich insbesondere frustriert dem Lager der Nichtwähler zu. Womit sie freilich nur eines erreichen: dass die Stimmen aller anderen noch gewichtiger werden. Profitieren können Linksaußenparteien – freilich auf niedrigem Niveau – und insbesondere Parteien mit einem starken nationalen beziehungsweise fremdenfeindlichen Akzent. Die spanischen Wahlsieger sind ja sehr durch den spanischen Nationalismus geprägt, der sich gegen die „Anderen“ im eigenen Staat richtet, die halb oder ganz weg von Madrids Oberhoheit wollen, wie vor allem Basken und Katalanen.

Gewiss gibt es auch einige Erfolge liberale Ordnungsideen, insbesondere in Nicht Euro-Ländern: Siehe Polen, Skandinavien, Baltikum und nicht zuletzt Großbritannien. Im wichtigsten Land Europas hat die FDP aber inzwischen schon wieder jeden Kredit für seriöse Ordnungspolitik verspielt – wohl auch wegen ihrer mangelnder Ernsthaftigkeit – und damit die nächste Linkswende schon vorbereitet.

Man kommt zwar in Europa zunehmend zur Erkenntnis, dass die sozialdemokratische Wohlfahrtsstaats-Illusion die Hauptursache der Schuldenkrise ist. Die gigantischen Fehlinvestitionen vor allem der sozialistischen Ära in Spanien – an denen auch die sinnlose Freigiebigkeit der diversen EU-Struktur- und Kohäsionsfonds für jenes Land gehörig Mitschuld trägt – haben zwar ein kurzes Konjunktur-Strohfeuer entzünden können. Sie haben aber langfristig unzählige Bauruinen hinterlassen samt noch gewaltigeren Schulden. Ansonsten blieb vom Sozialismus in Spanien eine moralische Wüste mit zahllosen feministischen und schwulen Verirrungen.

Von der langfristig tödlichen Wohlfahrtsstaats-Illusion sind viele andere Gruppierungen nicht verschont geblieben. Auch die meisten Konservativen und Christdemokraten haben sich im Lauf der letzten Jahrzehnte voll mit dieser „progressiven“ Krankheit infiziert. Und bei den fremdenfeindlichen Parteien fehlen – neben ihren legitimen migrationsskeptischen Ansätzen – die sozial- und wirtschaftspolitischen Konzepte meist ganz. Oder diese Parteien sind sozialistischer als die Sozialdemokraten, sie ersetzen lediglich die internationalistische Rhetorik durch eine nationalistische.

Freilich: So sehr man den Parteien den Vorwurf machen muss, dass sie mit ihrer fast durchwegs sozialdemokatisch-keynesianischen Schuldenpolitik die Krise verursacht haben, so wenig kann man ihnen heute die Tatsache zum Vorwurf machen, dass sie keine Ahnung haben, wie Europa schnell aus der Krise zu führen ist.

Denn zunehmend setzt sich zumindest bei ehrlichen Analysen die Erkenntnis durch: Es gibt gar keinen schmerzfreien Ausweg mehr. Dazu ist es viel zu spät. Die Länder Europas müssen jetzt in einer viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte langen Periode der Askese die Rechnungen für die letzten 40 Jahre zahlen, in denen die Staatsschulden so sehr zugenommen haben, in denen es sich die Menschen gut gehen haben lassen.

Wer jetzt behauptet, ein funktionierendes Rezept zu haben, der lügt. Die Schuldenkatastrophe ist weder durch die Rückkehr zu den alten Währungen noch durch die Teilung des Euro in zwei Blöcke noch durch Eurobonds-Tricksereien mehr geordnet lösbar. Selbst die eine Zeitlang forcierte „Hebelung“ durch die Aufnahme von Billionen-Krediten funktioniert nicht mehr: China&Co denken aus Eigeninteresse gar nicht daran, Europa Geld zu schenken, pardon: „borgen“.

Europas Staaten stehen praktisch allesamt vor der grauslichen Alternative: Zahlungsunfähigkeit oder Entsorgung der Schulden via Megainflation. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es zur Inflation kommen, also zu einer Entschuldung der Staaten zu Lasten all jener, die etwas gespart, die auf irgendein Pensionssystem (staatlicher oder privater Natur) vertraut oder die Lebensversicherungen abgeschlossen haben. Aber auf dem Weg der Inflation ersparen sich Politik und Bürokratie den Offenbarungseid, dass die Staatsgehälter nicht bezahlt werden können. Selbst die europäische Zentralbank ist ja schon längst von jenen übernommen, die sich im Zweifel für die Inflation entscheiden. Gegen ihren eindeutigen Auftrag.

Man wird wohl schon über eines froh sein müssen: Wenn es in diesen Krisenjahren gelingt, den Rechtsstaat samt den wichtigsten Bürgerrechten (soweit diese nach den gutmenschlichen Zerstörungsaktionen noch vorhanden sind) zu retten; wenn es gelingt, den Weg in die Diktatur zu vermeiden. Die durch Deutschland ziehenden neonazistischen Mörderbanden machen freilich deutlich, wie nahe der totale Absturz schon ist.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Fußnote 236: Unsere Bahn hat neue Sponsoren

21. November 2011 01:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es genügen nicht mehr die Milliarden aus dem Bundesbudget für die ÖBB. Jetzt müssen auch die Bundesländer herhalten.

Das Land Salzburg zahlt künftig 200.000 Euro jährlich, die Steiermark 900.000, damit die ÖBB weiterhin zwischen Salzburg und Graz fahren wird. Die Gewerkschaftsbahn bekommt das einfach so unter der Hand. In einer bananenfreien Republik hätte so etwas natürlich ausgeschrieben werden müssen, damit auch die neuerdings zum Glück erstmals antretenden privaten Zugbetreiber ein Angebot für diese Verbindung legen könnten. Aber die Privatbahn wird ja mit allen Mitteln schikaniert: durch erhöhte Bahnhofs- und Schienenbenützungs-Gebühren zufällig genau dort, wo die Privaten fahren wollen; durch eine Regulator-Behörde, die laut EU streng unabhängig sein müsste, die aber künftig von einer Frau direkt aus dem Kabinett der ÖBB-Eigentümerin Bures geleitet wird (natürlich ist Bures nicht Eigentümerin – sie hat aber alle Macht einer solchen); und durch einen Vorstoß des Gesundheitsministers, der den Privaten eigene, ohnedies streng isolierte Raucherkojen verbieten will (nicht dass ich viel Sympathie für schwer abhängige Raucher hätte: Aber wem nutzt es, wenn die ihrer Sucht wegen solche Reisen halt dann doch lieber im eigenen Auto absolvieren?).

PS.: Nur zur Erinnerung: Über diese ÖBB hält bekanntlich nicht nur Frau Bures ihre parteipolitische Hand, sondern auch ein Aufsichtsrats-Chef Pöchhacker, gegen den in Sachen Vergabekorruption konkretere Beweise vorliegen als gegen Ex-Minister Grasser. Woran der Umstand nichts ändert, dass die sogenannten Aufdeckerzeitschriften und anderen Medien immer nur von Grasser und fast nie von Pöchhacker schreiben. Aber man wird sich doch keine ÖBB-Inserate abschießen . . .

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Plädoyer für den Euro

18. November 2011 03:42 | Autor: Klaus R. Kastner
Rubrik: Gastkommentar

Eine steigende Zahl von Bürgern scheint sich zwischenzeitlich überzeugt zu haben, dass die Einführung des Euro ein großer Fehler war (Stichwort: Gemeinschaftswährung ohne gemeinsame Fiskalpolitik). Diese Ansicht muss man nicht zwingenderweise teilen, nicht einmal dann, wenn man das heutige Chaos in Griechenland betrachtet.

Die Vorteile einer eigenen Landeswährung liegen auf der Hand: Man kann sie drucken; je mehr man davon druckt, desto mehr wird sie abwerten; und je mehr sie abwertet, desto wettbewerbsfähiger wird man international. Bei diesen Überlegungen wird allerdings fast nie berücksichtigt, dass durch diesen Prozess auch die Finanzvermögen jener, die nicht clever genug sind, sich zu schützen, weniger wert werden (sei es durch Abwertung oder durch Inflation).

Man sollte aber nicht glauben, dass eine Landeswährung der einzige Mechanismus ist, um Ungleichgewichte zwischen ungleich produktiven Wirtschaftsräumen zu vermeiden. Letztendlich ist eine Landeswährung nur das Instrument, diese Ungleichgewichte auszuschalten. Am Ende des Tages ist es der ungleiche Lebensstandard, der Produktivitätsunterschiede ausgleichen sollte.

„Ausgleichen sollte“, weil er es in der Eurozone – am Beispiel Griechenlands bestens zu beobachten – nicht getan hat: Griechenlands Lebensstandard ist trotz niedrigerer Produktivität enorm gestiegen. Das lag allerdings nicht primär am Euro!

Probleme der Banken als "Allocator"

In einer perfekten Marktwirtschaft ist der Finanzsektor der optimale „Allocator“ von finanziellen Ressourcen: Banken sehen ihre Rolle in der Transformation von Risken/Fristen, die der einzelne Sparer in dieser kompetenten Form nicht machen könnte. Wenn Banken diese Rolle nicht erfüllen (oder sie falsch erfüllen), dann kommt es zu großen Ungleichgewichten und letztendlich zu Verlusten.

In der Theorie können Banken ihr Risiko ganz genau einschätzen und handeln gemäß dieser Einschätzung unter Einsatz der Vernunft. In der Praxis stellt sich das anders dar: Je unüberschaubarer ein Kreditnehmer wird (nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch wegen der Komplexität seines Geschäftes), desto weniger lässt sich sein Risiko von außen einschätzen. Beispiele gefällig? Kein Außenstehender kann heutzutage beurteilen, wie gut eine Großbank wirklich ist (mit Sicherheit nicht auf Basis ihrer Bilanzen). Enron konnte innerhalb von Wochen vom Börsendarling zum Pleitefall abstürzen.

Gute Banker/Investoren reagieren auf diese Unsicherheit mit Hausverstand (Warren Buffett investiert nur in Unternehmen, deren Geschäft er zu verstehen glaubt und deren Managements er persönlich vertraut). Schlechte Banker/Investoren reagieren darauf mit Herdeninstinkt („wenn alle anderen Geld geben, dann muss es wohl ein gutes Risiko sein“).

Staaten als Kreditnehmer sind ein extrem schwieriger Fall für die Bonitätsanalyse, weil sie nichts produzieren und keine Umsätze haben. Staaten leben vom Steueraufkommen ihrer Bürger und von der verantwortungsvollen Verwendung derselben. Selbst wenn die Bürger eine schier unbegrenzte Bereitschaft und Fähigkeit hätten, dem Staat ihr Einkommen/Vermögen als Steuern abzuliefern, können es Staaten trotzdem schaffen, noch mehr Geld auszugeben. Wohlgemerkt: es sind die Staatsausgaben, die Steuern verursachen und nicht die Steuerpolitik!

Bei Staaten als Kreditnehmer kommt hinzu, dass das gesetzliche Regelwerk die Banken nahezu dazu verführt hat, auf die Umsicht eines ordentlichen Kaufmannes zu verzichten! Bei allen anderen Risiken waren Banken verpflichtet, Eigenkapital gemäß ihrer Risikoeinschätzung zu hinterlegen, nicht jedoch bei Staaten. Das gesetzliche Regelwerk hat unterstellt, dass Staaten risikofrei sind.

Gestaltungsalternativen zur Fiskalpolitik

Bevor man sich also ganz überzeugt, dass der Euro als Gemeinschaftswährung ohne gemeinsame Fiskalpolitik nicht funktionieren kann, sollte man ganz genau die Gründe für die Fehlentwicklungen analysieren und sich überlegen, ob es nicht auch andere Instrumente gibt, Fehlentwicklungen zu vermeiden, ohne dass man gleich eine gemeinsame Fiskalpolitik machen oder zur Landeswährung zurückkehren muss.

Der ordentliche Teil von Staatsausgaben wird in der Regel im Inland ausgegeben. Warum sollte man nicht eine Regel andenken, dass Staatsschulden für diesen Zweck nur im Inland aufgenommen werden dürfen? Das würde vielleicht besser funktionieren als jede gesetzliche Schuldenbremse. Außerordentliche Staatsausgaben (z. B. große Infrastrukturprojekte) können für den Kapitalmarkt des einzelnen Landes zu groß sein. Hierfür könnte man sehr wohl Auslandsschulden erlauben, allerdings jeweils in einer eigenen Projektgesellschaft (unter Haftung des Staates), damit die Transparenz gewährt bleibt.

Die Wirtschaft hat Ausgaben im Ausland (z. B. Importe) und deswegen muss die Wirtschaft in der Lage sein, sich im Ausland zu finanzieren. Hier wären die Kreditgeber auch in einer besseren Lage, die einzelnen Kreditrisiken zu beurteilen. Auch Banken sollten sich im Ausland finanzieren können, weil sie im Inland die Wirtschaft finanzieren. Wenn man allerdings beim Staat ein Maastricht-Signal setzt, dass sein Defizit nicht drei Prozent überschreiten darf, dann müsste man Ähnliches bei der Wirtschaft tun. Man könnte z. B. sagen: „wenn das Leistungsbilanzdefizit drei Prozent übersteigt, dann kommen wir in die Rote Zone und müssen die Entwicklung ganz genau hinterfragen (selbst wenn die Banken unseren eigenen Banken und Firmen weiterhin viel Geld leihen würden)“.

Der Euro hat für Bürger und Unternehmen sehr, sehr viele Vorteile gebracht (auch in Griechenland!). Man sollte deswegen nicht jetzt – mitten in einer Krise, die man zur Gänze dem Euro in die Schuhe schiebt – das Kind gleich mit dem Bad ausschütten und auf den Euro verzichten wollen.

Solidarität richtig verstanden

Anders verhält es sich jedoch mit der EU als politischer Gemeinschaft. „Was nicht zusammen passt, soll man auch nicht zusammen zwingen“ lautet die herkömmliche Weisheit. Wenn unterschiedliche Kulturen innerhalb Europas nicht zusammen passen, dann sollte man sie getrennt lassen.

Das könnte aber auch der größte Fehlschluss der Geschichte werden. Eine Gemeinschaft bedeutet nicht zwingendermaßen Gleichschaltung der Kulturen. Man kann in Deutschland nicht einmal Bayern mit Hanseaten kulturell zur Gänze gleichschalten. Wie sollte dies dann zwischen Griechenland und Finnland möglich sein?

Die EU tut sich schon schwer, die Gleichschaltung bei Glühbirnen zu erreichen. Bei unterschiedlichen Kulturen wird sie das nie schaffen und man sollte dankbar dafür sein.

Die Stärke Europas liegt in der Vielfalt seiner Kulturen. Wie man diese Vielfalt unter ein gemeinsames Dach bekommt, ohne sie dabei zu zerstören, ist die eigentliche Herausforderung. Vielleicht sollte man sich in Brüssel einmal mit der Habsburg-Monarchie beschäftigen, die das ein paar Jahrhunderte lang geschafft hat. Möglicherweise könnte man davon lernen.

Eine politische Gemeinschaft braucht jedoch gewisse vergemeinschaftlichte Wertestrukturen, vor allem, was die Grundwerte einer Gesellschaft betrifft. Österreich wurde einmal verurteilt, weil eine gewisse Regierungskoalition angeblich europäische Grundwerte verletzte. Darüber könnte man endlos diskutieren.

Es kann aber keine Diskussion darüber geben, dass Solidarität ein Grundwert jeder Gemeinschaft sein muss. Ohne Solidarität kann keine Gemeinschaft existieren!

Jetzt wird im Zuge der Eurokrise von allen Seiten die europäische Solidarität ins Feld geführt und damit wird – leider – das Prinzip der Solidarität falsch verstanden.

Solidarität ist ein sogenannter „bottom-up“ Prozess: Wenn es sie „unten“ in der Gemeinschaft nicht gibt, dann kann es sie „oben“ schon gar nicht geben. Man kann gelebte Solidarität nur unter jenen EU-Mitgliedsstaaten erwarten, die auch im eigenen Staat Solidarität kennen und leben. Wenn in Deutschland drei Bundesländer über den Finanzausgleich die anderen 13 Bundesländer finanzieren, ohne dass es eine Revolution gibt, dann ist das gelebte Solidarität. Wenn in Österreich 8 Bundesländer das Bundesland Kärnten retten, ohne dass es eine Revolution gibt, dann ist das auch eine Art von Solidarität.

In der griechischen Gesellschaft ist Solidarität bestenfalls beim Gewinn einer Fußballeuropameisterschaft erkennbar. Ansonsten werden griechische Steuerzahler von Nicht-Steuerzahlern ohne mit der Wimper zu zucken über den Tisch gezogen. Parteien haben jahrzehntelang die Gemeinschaft so sehr zum eigenen Nutzen über den Tisch gezogen, dass selbst die Hochblüte des österreichischen Proporzes noch Paradebeispiel für eine zivilisierte Gesellschaft wäre. Selbst die Kirchen schrecken nicht davor zurück: Ein Athos-Kloster steht unter Anklage, mit einem zwielichtigen Immobiliendeal den Staat um rund 300 Millionen Euro über den Tisch gezogen zu haben.

Ein erheblicher Teil der griechischen Gesellschaft demonstriert am laufenden Band, dass er es noch nicht geschafft hat, der Vernunft Vorrang gegenüber Vorurteilen zu schenken. Ein erheblicher Teil dieser Wiege des Abendlandes schafft es nicht, die Werte seiner Philosophen zu leben und sich zu allererst einmal „selbst zu erkennen“. Stattdessen genießt man den Realitätsverlust und man lässt den Emotionen freien Lauf, mit dem Finger immer auf andere zu zeigen.

Ohne einen funktionierenden Rechtsstaat kann man nicht mit gesellschaftlicher Solidarität rechnen. Der Rechtsstaat besteht jedoch nicht nur aus Gesetzen, sondern – und vor allem – aus einer gesellschaftlichen Kultur, die den Rechtsstaat respektiert. Würde man in Griechenland den Rechtsstaat mehr respektieren, dann gäbe es nicht – laut dem ersten Bericht der EU Task Force – unbezahlte Steuern in Höhe von 60 Mrd. EUR, davon 30 Mrd. EUR in 165.000, seit Jahren laufenden Steuerverfahren.

Mit diesen gesellschaftlichen Eigenschaften wird es schwierig, innerhalb einer großen europäischen „Schicksalsgemeinschaft“ mit der Solidarität anderer Länder zu rechnen. Das liegt aber weniger an der mangelnden Solidarität anderer, sondern an der eigenen Unfähigkeit, Solidarität zu zeigen.

Griechenland wird und soll natürlich in der EU bleiben, aber es muss anfangen, sich ernsthaft mit seinen gelebten gesellschaftlichen Werten auseinanderzusetzen und es muss eine Veränderung herbeiführen. Der erste Bericht der EU Task Force ist ein eindrucksvolles Dokument. Wenn die EU dies erfolgreich umsetzt, dann darf man sich stolz fühlen, ein Europäer zu sein. Wenn Griechenland dabei mitmacht (was die Voraussetzung ist), dann darf Griechenland dankbar dafür sein, zur EU zu gehören. Und wenn beide erfolgreich zusammenarbeiten, dann besteht in der Tat die Chance für ein „neues Griechenland“ innerhalb von nur einer Generation!

Klaus R. Kastner

Vier Jahrzehnte Bankmanagement in sechs Ländern (Österreich, Deutschland, England, USA, Chile, Argentinien), davon 1980-87 in Chile/Argentinien als Country Manager vor Ort einer der größten amerikanischen Gläubigerbanken; Studien an Harvard und INSEAD; derzeit in Griechenland tätig.

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SN-Kontroverse: Schuldenbremse

18. November 2011 01:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die Schuldenbremse ein taugliches Mittel?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Bremse gegen Finanzhaie

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Seit der Pleite der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers befindet sich die globale Ökonomie auf Talfahrt. Mit Milliardenbeträgen sahen sich die Staaten gezwungen, ihre Banken vor der Pleite zu retten, und nun sind sie selbst konkursreif.

Eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse soll Abhilfe schaffen. Demnach darf der Schuldenstand die Grenze von 60 Prozent (derzeit 75 Prozent) des Bruttoinlandprodukts nicht überschreiten. Länder und Gemeinden werden auch verpflichtet. Sie sollen ab 2017 ausgeglichen bilanzieren. Allerdings haben die Landeshauptleute eine in der Vergangenheit weidlich ausgenutzte Möglichkeit, den Spardruck zu lindern: Beim alle vier Jahre stattfindenden Finanzausgleich feilschen Bund, Länder und Gemeinden um die Aufteilung der staatlichen Steuereinnahmen.

Sie sind dabei selten schlecht ausgestiegen und opponieren daher schon jetzt gegen die Sparpläne. Durch die Schuldenbremse sollen zwei Milliarden eingespart werden und sie soll nicht zuletzt Ratingagenturen und Anleiheninvestoren beruhigen. Sie sitzen Österreich im Nacken. Dabei steht die höchste Bonität, das „Triple A", auf dem Spiel.

Um die Dramatik zu illustrieren, genügt ein Blick auf die Rendite zehnjähriger österreichischer Staatsanleihen. Die schnalzte seit Mitte September von 2,5 auf mittlerweile 3,6 Prozent in die Höhe. Damit zahlt Österreich bereits doppelt so viel Zinsen für neue Schulden wie Deutschland, das seit 2009 die Schuldenbremse in der Bundesverfassung hat.

Die Schuldenbremse, vorausgesetzt sie wird vernünftig und gerecht umgesetzt, könnte letztendlich dazu führen, dass der Staat sich die ökonomische Handlungsfreiheit zurückerobert und nicht länger hilflos den Spekulationen der Finanzhaie ausgeliefert ist. Dafür lohnt es sich, mit allen Mitteln zu kämpfen.


Sie reden nur vom Sparen

Andreas Unterberger

 

Ein schwerer Raucher wird mit einer bösartigen Diagnose konfrontiert. Seine Reaktion: Er kündigt an, das Rauchen einbremsen zu wollen. Aber nicht gleich, sondern erst in einem Jahr. Und auch dann weiß er eigentlich nicht, wie er das anstellen wird. Der Nikotinverzicht soll ja keine unangenehmen Nebenfolgen haben.

Ähnlich lachhaft ist die sogenannte Schuldenbremse dieser sogenannten Regierung. Obwohl sich derzeit täglich die Zinsen für österreichische Staatsanleihen verteuern, obwohl wir nun bei neuen Anleihen schon mehr als doppelt so hohe Zinsen wie Deutschland zahlen müssen, obwohl das dreifache A der Kreditwürdigkeit heftig wackelt, meinen Faymann & Co., mit einer Debatte über eine papierene Scheinaktion noch irgendjemanden beeindrucken zu können.

Längst glauben Kreditgeber dieser Regierung aber kein Wort mehr. Sie wollen nur noch Taten sehen. Die aber zeigen, dass die Regierung noch immer wie wild trickst. Da dekretiert der Bundeskanzler zugleich mit der „Brems"-Ankündigung neuerlich eine so hohe Vergabegrenze, dass Politiker weiterhin korrupte 100.000-Euro-Aufträge aus Steuermitteln an Freunde vergeben können. Da sagt die Finanzministerin, am Budget 2012 werde sich aber noch nichts ändern (und 2013 ist leider, leider ein Wahljahr, was sie aber nicht sagt). Da mobilisieren Gewerkschaft, Grüne und Kampffeministinnen gegen eine Hinaufsetzung des Frauenpensionsalters von 60 auf 65, während der Rest Europas auf 67 geht. Da verbietet der Sozialminister, über ein Ende der Hacklerregelung nachzudenken. Da will sich in der allerfrechsten Aktion die ÖBB-Ministerin durch die Hintertür noch schnell gigantische 65 Milliarden (plus Zinsen) zusätzlich für die Bahn sichern.

Es ist wohl kein Zufall, dass die Ankündigung eines angeblichen Bremswillens ausgerechnet zum sogenannten Faschingsbeginn erfolgt ist.

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Die spannenden Lehren der Geschichte für unser Bildungssystem

16. November 2011 02:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eine der spannendsten Diskussionen der internationalen Spitzenhistoriker (also leider keines einzigen österreichischen – die reduzieren ihr Interesse ja noch immer auf die Nazi-Zeit): Warum war Europa im letzten Jahrtausend so erfolgreich? Warum hat es zusammen mit seiner US-amerikanischen Ausstülpung alle arabischen, persischen, chinesischen Kulturen meilenweit überholt, obwohl diese in früheren Epochen in Sachen Technik, Wirtschaft, Sprache, Schrift oder Mathematik weit vor Europa gelegen sind? Und was können wir aus dieser Erkenntnis lernen?

Viele dieser Forscher halten vor allem zwei Faktoren für erfolgsentscheidend:  die Vielfalt Europas und seine gleichzeitige Offenheit für Ideen anderer. China, Russland, Persien, Byzanz oder das osmanische Reich wurden hingegen Jahrhunderte lang sehr zentralistisch, viel absolutistischer und häufig deutlich abgeschlossener als Europas Staaten verwaltet.

In Europa herrschte in diesem Jahrtausend überwiegend bunte Vielfalt. Man denke etwa nur an die zahlreichen Duodez-Fürstentümer des Heiligen Römischen Reiches. Vom Handel bis zum Bankwesen haben wiederum die ganz oder weitgehend unabhängigen oberitalienischen und flandrischen Städte vielfach die absolute Spitze eingenommen. Zur Spitzenstellung des Kontinents trugen auch die Vielfalt der christlichen Religionen und des Judentums bei (trotz Religionskriegen und Pogromen).

Die Europäer schauten sich immer jene Beispiele an, wo ein Land, eine Stadt etwas besonders erfolgreich gemacht hat, etwa ein neues Gesetz oder neue Erfindungen oder eine neue Marktordnung. Dieses Prinzip hat aber auch die moderne Wirtschaftswissenschaft unter dem Schlagwort „Best practice“ zur Methode gemacht. Die Nachahmung erfolgreicher Beispiele oder Konkurrenten, die Osmose neuer Ideen und die gleichzeitige Möglichkeit, dass immer irgendwo in diesem Europa irgendetwas Neues entwickelt werden konnte, erwiesen sich als weit erfolgreicher als die Entwicklung eines noch so gründlich ausgedachten Top-Down-Modells für einen Einheitsstaat.

Wenn sich ein europäischer Künstler unter einem Fürsten nicht wohlfühlte, zog er halt ohne Probleme zu einem anderen; besonders gern etwa nach Weimar oder nach Wien, wo dann so mancher Weltruhm erlangte. Ein Kolumbus pendelte so lange ungehindert zwischen der Republik Genua, zwischen den Königen von Portugal, Frankreich und Spanien, bis ihm schließlich einer seine Atlantikquerung finanzierte.

Wenn hingegen in einem großen, zentralistischen Land auch nur eine einzige Entscheidung falsch getroffen wird, gibt es keinerlei Gegengewicht, das einen Fehler austarieren konnte. Manche Staaten wie China oder Japan wurden durch einzelne Fehlentscheidungen, die dem ganzen Land von einem Herrscher aufgezwungen wurden, oft um Jahrhunderte zurückgeworfen.

Der Vorteil des freien Wettbewerbs zwischen einer bunten Vielfalt prägt aber auch heute viele Felder unseres Lebens:

Man denke etwa ans Telephon, wo früher eine einzige Monopolfirma und deren desinteressierten Beamten potentielle Kunden oft ein Jahr lang auf einen neuen – und mörderisch teuren – Anschluss warten ließ, wenn sie nicht die Protektion eines Wichtigen genossen oder kräftig geschmiert haben.

Man denke an die einstige schwer verschuldete und veraltete  Staatsindustrie, wie gut deren Betrieben und Arbeitsplätzen heute  die Freiheit, der Wettbewerb, die Vielfalt der Eigentümer tut.

Man denke an die Fortschritte an den Unis, seit dort nicht mehr ein einziger Minister alle neue Professoren bestellt, sondern die Unis das selbst tun.

Man denke an den Unterschied zwischen Ost- und Westeuropa bis 1989, als im Westen Millionen Unternehmen in freiem Wettbewerb den Bedürfnissen der Kunden mit immer neuen Ideen nachgespürt haben, während im Osten eine einzige Behörde mit einem von oben dekretierten Fünfjahresplan all diese Entscheidungen zentralisiert getroffen hat. Würden diese Planer jetzt noch amtieren, müssten die Menschen im Osten zweifellos auch heute noch neue Trabis und Wartburgs als einzige Möglichkeit eines Autos ansehen, auch wenn sie (nach Zahlung) 15 Jahre auf die Lieferung warten mussten.

Was können wir daraus für die Gegenwart und insbesondere unser Bildungssystem lernen?

Die Antwort ist klar: Dass wir die völlig falsche Schul-Debatte führen.

Diese Debatte sollte sinnvollerweise nicht mehr darum gehen, ob wir für die 10- bis 15-Jährigen nun ein oder zwei verschiedene Schulsysteme anbieten. Sondern um eine möglichst große und sich ständig neu entwickelnde Vielfalt der Ideen, Varianten und Modelle für die Bildung, Ausbildung und Erziehung in allen Altersstufen vom Kindergarten bis zur Universität.

Warum um Himmels willen sollen denn ausgerechnet in der Bildung Zentralismus und Staatsplanertum funktionieren? Warum soll es ausgerechnet in diesem Bereich richtig sein, dass eine einzige Zentrale alle AHS-Direktoren ernennt? Wem soll es nutzen, wenn die Zentrale in Wien nun sogar schon für die Kindergärten zuständig werden will? Warum begreift ausgerechnet die einst liberale Industriellenvereinigung nicht, dass auch in der Bildung die Vielfalt des Wettbewerbs überlegen ist? Warum lässt es die Öffentlichkeit der Unterrichtsministerin ohne Aufregung durchgehen, dass die Frau nun sogar die Autonomie der Universitäten einschränken will? Warum sollen ausgerechnet in der Bildung ein einheitlicher Lehrplan und ein einheitlicher Leistungsstandard über alle zwölf Schulstufen die richtige Antwort sein, obwohl die einen mit 14 Jahren noch immer nicht die Grundrechnungsarten, das Lesen und das Schreiben beherrschen, während sich andere schon zwei Jahre mit dem Pythagoräischen Lehrsatz und zwei Fremdsprachen befassen.

Dass auch in der Bildung nicht nur ein oder zwei von oben vorgegebene Modelle alleine passend sein können, haben etwa einst auch die Grünen gewusst, obwohl sie heute zu den militantesten Vorkämpfern der zwangsweisen Gemeinsamkeit über neun Schuljahre zählen. Sie hatten in den 80er Jahren eine lustige Vielfalt von Alternativschulen aufgebaut. Das gleiche Prinzip hat einst auch der von vielen Linken lange verehrte Mao Zedong gekannt, als er verlangte: Lasst Tausend Blumen blühen, was freilich erst dann unter Deng Xiaoping in Teilbereichen des chinesischen Lebens Wirklichkeit geworden ist – dafür mit umso größerem Erfolg.

Vielfalt und Wettbewerb sind natürlich primär zutiefst liberale Prinzipien. Sie lassen sich aber auch aus dem Personalitäts- und vor allem dem Subsidiaritätsprinzip der christlichen Soziallehre ableiten. Sie hängen zugleich ein wenig mit christlicher Demut zusammen: Wir sollten einfach zugeben, dass niemand von uns das für alle Kinder und für alle Regionen passende Schulmodell haben kann. Wir sollten ebenso zugeben, dass ein heute für eine bestimmte Aufgabe unter bestimmten Rahmenbedingungen passendes Modell in fünf, in zehn oder in zwanzig Jahren mit Sicherheit nicht mehr passen wird.

Der Staat hat in der Bildung nur zwei unverzichtbare Rollen: Ihm muss erstens jedes Kind finanziell gleich viel wert sein; wobei diese Gleichbehandlungspflicht bei objektivierbaren Unterschieden wie Hochbegabung, wie einer fremden Muttersprache, wie einer teuren technischen Ausbildung natürlich auch zu Zuschlägen führen kann. Und zweitens muss der Staat möglichst große Transparenz in Hinblick auf die Ergebnisse jeder einzelnen Schule herstellen, über das Können und Wissen ihrer Absolventen und deren Erfolg am weiteren Lebensweg.

Auf dieser Basis könnten endlich viele gute Ideen nebeneinander blühen, ohne dass wir uns ständig in der Bildungsdebatte mit ideologischen Totschlagargumenten wie in einem Religionskrieg den Schädel einschlagen, weil immer irgendwer missionarisch für die letzten Schulwahrheiten kämpft. Auf dieser Basis würden immer wieder neue gute Modelle entstehen, während bei manchen alten die Schüler ausbleiben würden.

Da stehen dann Schulen von Bund, Ländern oder Gemeinden in gleichberechtigtem Wettbewerb mit jenen von Vereinen, Kirchen, Lehrer-  oder Eltern-Initiativen stehen.

Da können dann Schulen mit Zugangsprüfung neben solchen mit freiem Zugang zeigen, welches Modell besser ist.

Da können dann Wirtschaftsverbände mit vielen kreativen Ideen den Weg in die duale Ausbildung (Lehre+Berufsschule) möglichst attraktiv machen.

Da wird es Schulen geben, wo man mit 15 Jahren schon jahrelang zwei oder vielleicht auch  drei Fremdsprachen lernt, neben solchen, die sich mit gezielten Methoden auf das Beheben der Defizite in bildungsarmen Elternhäusern konzentrieren.

Da werden manche Schulen zeigen wollen, dass das Lernen von Latein und Griechisch ein ideales Bildungsgerüst ist, während andere Österreichs Rolle als Musikland in den Mittelpunkt rücken, während sich die dritten ganz auf Naturwissenschaften und Technik spezialisieren.

Da werden sich Schulen trauen, im Unterricht wieder ganz bewusst ohne Computer auszukommen, während andere die Arbeit am PC sehr forcieren werden.

Da werden die einen Schulen großen Wert auf Disziplin legen, während andere bewusst antiautoritär geführt werden.

Da werden Schulen mit scheinbar altmodischem Frontal- und Lern-Unterricht neben solchen erblühen, die jede pädagogische Neuentwicklung  mit Begeisterung mitmachen.

Da werden die einen Schulen durchaus mit dem Sitzenbleiben arbeiten, andere hingegen mit einem Modulsystem und die Dritten nur mit „Motivation“ statt jeder Form von Benotung.

Da wird es Schulen geben, die auf der Mitarbeit der Eltern aufbauen, und solche, die ohne diese auskommen müssen.

Welche Schulen werden nun in diesem bunten Strauß von Varianten die beliebtesten sein? Ich weiß es nicht, habe höchstens Vermutungen. Die Eltern sollten sich jedenfalls frei entscheiden können, der Staat soll nur die Erfolge der einzelnen Schulen bei Tests mit deren Schülern messen. Und die Ergebnisse dieser Tests vor allem veröffentlichen (im Gegensatz zur jetzigen Schulministerin, die wie in einer Diktatur Testergebnisse geheimhält). Immer wieder wird es in einer freien Schulwelt auch neue Ideen geben, die sich nicht nur entwickeln dürfen, sondern es auch sollen.

Natürlich wird es auch in einer freien Schule noch viele heikle politische Fragen geben: Etwa: Wie lange kann die überschuldete Allgemeinheit in einer Zeit der Wirtschaftskrise wirklich verpflichtet werden, jungen Menschen ein fürs Berufsleben weitgehend unbrauchbares Pseudostudium zu finanzieren?

Gewiss gibt es auch noch etliche andere Fragen zu klären. Aber ich bin jedenfalls überzeugt, dass nur ein solcher Ansatz unseren Schuldiskussionen wieder eine positive Dynamik geben kann.

Denn wir brauchen Eliten, die wir schon im Schulalter ständig fordern und fördern, die schon lange vor der Schule von ihren Eltern gezielt gefördert worden sind.

Denn wir brauchen dringend mehr Anreize, damit  mehr Schüler ihren Weg Richtung Technik , Naturwissenschaft und Ökonomie gehen.

Denn wir brauchen sehr spezifische Anstrengungen für den wachsenden Anteil von bildungsfernen Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Sprachdefiziten.

Denn wir brauchen eine deutlich erhöhte Wertschätzung für das duale Schulsystem, um das uns viele Länder beneiden, das aber bei einem Erfolg des Volksbegehrens fast den Bach hinuntergegangen wäre.

Gewiss, Freiheit und Vielfalt erfordern mehr Denkanstrengung, als wenn man alles von einem allwissenden, aber in Wahrheit ach so dummen Vater Staat erwartet. Unsere Zukunft und die unserer Kinder sollten uns das aber wert sein.

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AAAA: Jetzt ist die Bremse da

15. November 2011 10:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt hat also die Regierung die Schuldenbremse im Ministerrat beschlossen. Da werden die Ratingagenturen natürlich so beeindruckt sein, dass sie der Republik sofort ein viertes A spendieren. (Mit einer nachträglichen Ergänzung)

Sie werden übersehen, dass es vom Ministerrat bis in die Verfassung noch ein weiter Weg ist, für den es beispielsweise noch die Zustimmung einer weiteren Partei braucht.

Sie werden übersehen, dass Österreichs allergrößte Schuldensorgenkinder, die Bundesländer und Gemeinden noch keineswegs zugestimmt haben, dass auch sie von einer solchen Bremse erfasst werden.

Sie werden übersehen, dass nicht etwa schon heuer oder im Budget für 2012 gespart werden soll, sondern irgendwann. Sie werden übersehen, dass mit diesem Beschluss des Ministerrats erst beschlossen worden ist, dass das Parlament beschließen soll, dass die Regierung später einmal bei Einbringung des Budgets eine Reduktion des Defizits beschließen soll, die dann auch das Parlament beschließen soll.

Sie werden übersehen, dass keine harte unmittelbare Konsequenz droht, wenn diese Schuldenbremsen-Regel nicht eingehalten wird. Sie werden übersehen, dass der Chef dieser Regierung dieselben Blasen voll heißer Luft wie seit drei Jahren absetzt, wenn es darum geht, wo wirklich gespart werden soll.

Sie werden übersehen, dass uns die Politik schon seit langem Verwaltungsreformen verspricht.

Sie werden voll überzeugt sein, dass mit mehr „Rehabilitation“ die Österreicher plötzlich um Jahre später in Pension gehen werden.

Die Ratingagenturen werden übersehen, dass die Regierung Failmann sie für ganz blöd hält.

Nachträgliche Ergänzung: Kaum habe ich diesen Kommentar zu dem Schuldenbremsen-Beschluss des Ministerrats ins Netz gestellt, stoße ich auf einen weiteren Beschluss desselben Ministerrates, der zeigt, dass diese Regierung es absolut noch immer nicht ernst meint: Die Regierung hat auf Vorschlag des Wirtschaftskammerministers Mitterlehner die Verlängerung der sogenannten Vergabegrenzen bis zumindest Ende 2012 beschlossen. Und dieser Beschluss gilt auch sofort, ist also nicht ein bloßer Beschluss, dass man vielleicht einmal etwas zu beschließen beschließen wird. Das heißt: Jede Behörde ist bei ihren Einkäufen bis zu einem Betrag von 100.000 Euro frei von einer Ausschreibung, kann sie mit freier Hand vergeben. Bis zur Regierung Faymann war diese Grenze hingegen 40.000 Euro. Vergabeverfahren haben aber nur einen einzigen Zweck: Möglichst auszuschließen, dass irgendwelche Freunde oder Bestecher zu einem erhöhten Preis zum Zug kommen, wenn ein Beamter oder Politiker oder eine Bundesfirma von unserem Geld etwas einkauft. Das soll ja schon vorgekommen sein.Das heißt also: Diese Regierung verschleudert weiter bewusst und mutwillig Steuergeld im Interesse jener Freunde, Bestecher und Bestochenen. Und diese Regierung soll noch jemand ernst nehmen . . .

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Die wirtschaftliche Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst…

14. November 2011 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Würden im Zuge der Schuldenkrise nicht fatale Konsequenzen drohen, die bis zum Ausbruch schwerer Unruhen oder gar bis zu Bürgerkriegen reichen könnten, wären die Aktivitäten der politischen Eliten beinahe amüsant. Bereits im Tagestakt werden Maßnahmen, die eben noch als der Weisheit letzter Schluss angepriesen wurden, verworfen. Prognosedaten staatsfinanzierter Wirtschaftsforschungsinstitute werden, kaum veröffentlicht, schon wieder nach unten revidiert.

Selbst die chronisch daneben liegenden Kaffeesudleser – regierungsnahe Ökonomen und die meisten Kommentatoren der Hauptstrommedien – scheuen mittlerweile allerdings nicht mehr davor zurück, die garstigen Worte „Rezession“ und „Inflation“ in den Mund zu nehmen. Den Genannten wäre manche Blamage erspart geblieben, hätten sie sich beizeiten mit der „österreichischen“ Wirtschaftstheorie auseinandergesetzt. Dass strukturelle Probleme nicht mit Geldpolitik zu lösen sind, hätten sie auf diese Weise längst erfahren.

Dass das österreichische Bonitätsranking erheblich wackelt; dass Staatsanleihen der Alpenrepublik gegenüber deutschen mittlerweile Preisaufschläge von 1,6 Prozent hinnehmen müssen – keiner interessiert sich so recht dafür. Kakanien wäre auch nicht, was es ist, würde hier nicht zu dem Dramatischen das (unfreiwillig) Komische hinzutreten. Dass der Leiter des in völlig linkes Fahrwasser geratenen Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO) allen Ernstes eine jährliche Verteuerung der Spritpreise um das Zwei- bis Dreifache der Inflationsrate als geniales Heilmittel im Kampf gegen die Staatsschulden anregt, ist eines der Schmankerln, wie sie für die am Nordrand des Balkans gelegene Bananenrepublik typisch sind.

Was ficht einen beamteten, vor der Pensionierung stehenden Ökonomen schon die Sorge um jene zerstörerischen Konsequenzen an, welche die von ihm empfohlenen Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort hätten? Wie zum Hohn fällt den maßgeblichen „Experten“ des Landes niemals etwas anderes ein, als der Ruf nach immer neuen Steuern im Hochsteuerland Österreich. Je mieser es dem produktiven Sektor geht, desto mehr gutbezahlte Jobs für unproduktive Volkswirte schauen heraus – so scheint das Kalkül zu sein.

Woher die Steuern kommen, wer sie wofür bezahlt, ist letztlich egal. Jeder dem Privatsektor vom Staat gestohlene Euro bedeutet ein weiteres Wachstum des bösartigen Verwaltungstumors und einen – nicht nur materiellen – Verlust für die Bürger. Ausgerechnet in der gegenwärtigen Lage, in der die Konjunktur erkennbar am Kippen ist, Steuererhöhungen zu fordern, ist ein zynischer Witz.

Sinn für Humor beweist dieser Tage auch der Linzer Bürgermeister, Genosse Franz Dobusch (SPÖ), indem er eine minutiöse Dokumentation der totalen Inkompetenz seiner Administration an die Öffentlichkeit bringt. Der schlichte Mann meint allen Ernstes, damit eine erfolgreiche Entlastungsoffensive starten zu können. Bekanntlich haben er und seine wackeren Mannen den Bettel von rund 400 Mio. Euro mittels eines komplizierten SWAP-Deals in den Sand gesetzt.

Um es nicht bei dem für den Steuerzahler entstandenen Schaden bewenden zu lassen, sondern auch noch eine veritable Lachnummer zu bieten, verklagt er nun jene Bank, mit der das Geschäft seinerzeit getätigt wurde. Als Begründung führt er die Unbedarftheit seiner Mitarbeiter in Fragen von Finanzgeschäften an. Selbst der selige Roda Roda hätte sich nichts Groteskeres ausdenken können. Dass der rote Kanzler der Republik, Werner Faymann, unermüdlich gegen bitterböse Finanzspekulanten vom Leder zieht und nun ausgerechnet einer seiner Parteifreunde als Finanzspekulant Schiffbruch erlitten hat, zählt zu den Kleinodien der heimischen Innenpolitik.

Dass die beklagte Bank, die BAWAG, zu der Zeit, als der Deal über die Bühne ging, fest in der Hand von Dobuschs und Faymanns tiefroten Parteigenossen war (einer davon, Ewald Nowotny, gibt derzeit den OeNB-Gouverneur), verleiht der Posse zusätzlichen Unterhaltungswert. Jeder blamiert sich eben so gut er kann.

Auch Herbert Tumpel, Chef einer der überflüssigsten Organisationen des Landes, nämlich der mit Zwangsabgaben finanzierten Arbeiterkammer, mischt kräftig mit, wenn es um einen Rang im Spitzenfeld der peinlichsten Ansagen in Wirtschafsfragen geht. Der stahlharte Ex-Jagdkommandokämpfer (das „Jagdkommando“ ist die militärische Eliteeinheit des Bundsheeres), bedient sich zu diesem Behufe des unter dem Titel „AK für Sie“ erscheinenden Zentralorgans seiner Organisation, die den rastlosen Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung der werktätigen Massen auf ihr Panier geschrieben hat.

Neben Beiträgen, die sich in imponierender Weise mit Themen auseinandersetzen, die den Arbeitnehmern immer schon unter den Nägeln gebrannt haben, wie etwa „13 Olivenöle im Test“ oder „Konzert per Internet“, findet sich in der eben erschienenen Novemberausgabe unter der Schlagzeile „Preisspirale stoppen“ auch ein erhellendes Statement des Herrn Präsidenten. Der wachsame Mann argwöhnt, dass – besonders im Bereich der Mineralölprodukte – „Preistreiber“ am Werk sind. Die ortet er natürlich nicht etwa in der Regierung, die Mineralölprodukte mit schamlos hohen Steuern belegt, sondern – das Spektrum der Gedankenwelt sozialistischer Apparatschiki ist halt doch ein wenig monochrom – wieder einmal unter gewissenlosen „Spekulanten“. Tumpels genialer Plan, um dem Treiben dieser Plutokraten gegenzusteuern: „Die Bundeswettbewerbsbehörde muss entsprechende Untersuchungen etwa des Treibstoffmarktes machen.“

Der Mann hätte möglicherweise doch besser Germanistik studieren sollen. Vielleicht hätte er aber auch, ehe er sich zu derart törichten Statements hinreißen läßt, den Rat seiner Frau suchen sollen, die – es lebe die Quote – immerhin einige Jahre im Direktorium der EZB zubringen und auf diese Weise ihren Horizont beträchtlich erweitern durfte. Wie dem auch sei, er jedenfalls hat bis heute nicht begriffen, dass für die Preisbildung der Markt, nicht aber der Plan von Politikern und Beamten, maßgeblich ist. Man kann sich ausmalen, wie jetzt – angesichts der von Tumpel angestellten Überlegungen – in den Konzernzentralen international tätiger Ölgesellschaften die Alarmsirenen zu schallen beginnen.

Ein paar Seiten später legt der AK-Präsident in einem weiteren Beitrag noch ein Schäuferl nach, wenn er erklärt, dass er „Spekulanten einen Riegel vorschieben“ möchte – und zwar durch Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Das ist es! Einführung der Tobin-Tax, notfalls im alpenrepublikanischen Alleingang, und alles wird gut. Zur Ehrenrettung des AK-Kapos sei angemerkt, dass er mit diesem groben Unfug nicht alleine dasteht. Den bekommt man nämlich auch aus den Reihen angeblich „wirtschaftsnaher“ Organisationen zu hören.

Dass die aktuellen Finanzprobleme allesamt aus zu hohen Staatsausgaben und den damit verbundenen Schuldengebirgen, nicht aber aus zu niedrigen Steuereinnahmen resultieren, ist eine Erkenntnis, die in den Gehirnen linker Etatisten einfach keinen Platz hat. Weder in Österreich, noch irgendwo sonst…

http://www.heute.at/news/wirtschaft/art23662,615476 

http://www.linz.at/images/Hintergrundinformationen_Swap4175.pdf

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 233: Jetzt ist es passiert

14. November 2011 15:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Bundesregierung tagt Tag und Nacht. Sie hat den Ernst der Lage erkannt, die sich von Stunde zu Stunde dramatisiert.

Fasching, Fasching. Stimmt alles nicht. Die Bundesregierung tut nichts, sondern schläft weiter. Der Sozialminister erlaubt Expertengremien weiterhin nicht, über die Abschaffung der Hacklerregelung auch nur nachzudenken. Die Finanzministerin holt ihren Budgetentwurf nicht zurück, um zuzugeben, dass man sofort drastisch sparen müsste und nicht erst irgendwann. Warum die Regierung das alles und noch viel mehr tun sollte? Nun, dazu sollten allein die Nachrichten der letzten Stunden reichen: Die Uni Credit, die Eigentümerin der größten österreichischen Bank, erleidet im dritten Quartal wegen Abschreibungen auf ihre Bankbeteiligungen(!) einen Verlust von gigantischen 10,6 Milliarden Euro. Und die Zinsen beim Weiterverkauf österreichischer Bundesanleihen haben sich schon auf 3,4 Prozent erhöht; die damit zu bezahlende Risikoprämie ist also jetzt schon fast doppelt so hoch wie die für deutsche Papiere mit 1,8 Prozent. Dabei sind jahrelang österreichische und deutsche Papiere gleich sicher eingeschätzt worden. Aber jetzt hat man ja endlich die Nachwirkungen der bösen Schüssel-Jahre überwunden . . .

 

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Jubel über die Arbeitslosenzahlen

14. November 2011 01:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bisweilen stoßen meine düsteren Vorahnungen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft der Republik auf das Gegenargument: Aber unsere Arbeitslosenzahlen zählen doch europaweit noch immer zu den niedrigsten!

Das ist auf den ersten Blick trotz des Steigens der Arbeitslosigkeit durchaus richtig. Die EU misst nach gleichen Methoden in all ihren Mitgliedsländern die Arbeitslosigkeit. Und dabei kommt Österreich sehr gut weg. Zugleich scheint Arbeitslosigkeit ein ganz zentraler Indikator für die wirtschaftliche und damit auch soziale Stabilität eines Landes zu sein.

Doch die Statistik trügt an allen Enden. So wie die Griechen bei ihren Finanz-Statistiken sind wir Europarekordler bei den Job-Statistiken. Wir verstecken unsere Arbeitslosen mindestens ebenso gut, wie es die Griechen bei ihren Schulden getan haben. Um das zu beweisen genügt etwa schon die Tatsache, dass die Österreicher im Schnitt vier Jahre früher in Pension gehen, als die übrigen Europäer es tun. Würden diese vier Jahrgänge alle im Arbeitsmarkt unterwegs sein, würde die Statistik ganz anders aussehen.

Dasselbe gilt für die langen Aufenthalte an Universitäten, die junge Menschen weit länger vom Arbeitsmarkt fern halten als notwendig und als anderswo üblich. Durch den offenen Zugang werden auf den Unis junge Menschen viele Jahre lang zu teuren Kosten geparkt, die erst dann in den Ernst des Lebens wechseln, wenn sich irgendwo ein Angebot auftun sollte. Das gilt insbesondere auch für das Doktoratsstudium nach dem Magister: Dieses wird nicht einmal von zehn Prozent der Studenten mit einer Promotion abgeschlossen.

Die P- und die G-Studien

Es klingt aber viel besser, zu sagen, dass man am Doktor arbeitet, statt sich als Arbeitssuchender deklarieren zu müssen. Ähnliches gilt auch für die Magister- und Bachelor-Studenten der vielen Leichtstudien mit dem P wie Plunder. Sie können während dieser Zeit noch einmal so richtig das Leben genießen, Familienbeihilfe und Stipendien kassieren und sich auch noch richtig wichtig vorkommen. Nur verdrängen sie dabei die Tatsache, dass Österreich nicht jedes Jahr Tausende neue Politologen, Psychologen, Publizisten, Pädagogen braucht. Wenn man etwas genauer hinschaut, müsste man übrigens auch die G-Studien von Germanistik bis Geschichte in diese Gruppe einbeziehen. Viele dieser akademischen Karrieren enden in jahrelanger Projektmitarbeit und in Werkverträgen ohne Perspektiven, bis man dann halt bereit ist, etwas ganz anderes zu arbeiten, wofür man bei Gott nicht studiert hat. Wie viele „Akademiker“ das tun, wird übrigens von keiner einzigen Statistik erforscht. Das merkt man nur an Hand vieler konkreter Lebensläufe.

Nun werden viele sagen: Es ist doch immer noch besser, wenn die Menschen Plunder-Studien belegen oder jugendlich in die Pension gehen, als am Arbeitsamt zu stehen. Das ist aber in Wahrheit gar nicht besser. Denn damit wird den Menschen ja die unverzichtbare Eigenverantwortung ausgetrieben, sich selbst für die Suche nach einer Arbeit zuständig zu fühlen. Indem sie etwa die Branche wechseln. Indem sie auch im fortgeschrittenen Alter noch eine spezifische, vom Markt nachgefragte Qualifikation erwerben. Indem sie etwa gar selbständig werden. Indem sie es etwa im zweiten Lebensabschnitt eine Gehalts- und Prestigestufe niedriger geben.

Das sei an Hand eines konkreten, wenn auch für manche kontroversiellen Modells gezeigt. Es wäre für die Volkswirtschaft wie die jungen Menschen selbst viel besser und ehrlicher, würden diese jeweils obligatorische Zugangsprüfungen ablegen müssen, bevor sie in die nächst höhere Bildungsstufe aufgenommen werden. Das würde dort überschau- und berechenbare Studentenzahlen schaffen. Das würde sofort zu viel besseren Studienbedingungen und damit höherer Qualität führen. Das würde vor allem den jungen Menschen verlorene Jahre ersparen.

Denn wenn man etwa mit 15 oder 19 keine Zulassung zur Oberstufe („Sekundarstufe 2“) oder einer Hochschule schafft, wäre es eine durchaus sinnvolle Alternative, eine Fachlehre zu machen. Nach der verdient man ja meist mehr denn als gescheiterter Politologe, man hat oft ein erfüllteres Leben, und man kann zum Unterschied vom Politologen etwas zum Wohlstand der Allgemeinheit beitragen.

Mit 24 Jahren, also nach vielen Jahren am Arbeitsamt namens Universität, geht man hingegen nicht mehr den Weg in eine solche Berufsausbildung. Dabei ist dieses Alter meist der früheste Zeitpunkt, zu dem viele erst erkennen, etwas für das Berufsleben Unbrauchbares studiert zu haben.

Aber noch immer gibt es Politiker, die stolz auf dieses System der versteckten Arbeitslosigkeit sind. Und die gleichzeitig dafür plädieren, dass wir für jene Berufe, an denen wirklich Bedarf herrscht, halt gleichzeitig Ausländer zu teuren, aber ebenfalls versteckten Kosten importieren. Die wir nur leider nicht finden.

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Wie groß sind die Goldreserven der Euroländer?

13. November 2011 15:09 | Autor: Andreas Unterberger

Goldreserven der Euroländer in Milliarden Euro – Stand September 2011

 

Staat Goldreserven

Deutschland

132

Italien

95

Frankreich

94

Niederlande

24

EZB

19

Portugal

15

Spanien

11

Österreich

11

Belgien

9

Griechenland

4

Finnland

2

Slowakei

1

Zypern

0,5

Irland

0,2

Slowenien

0,1

Luxemburg

0,1

Estland

0,01

Malta

0,01

Quelle: EZB

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Die kleinen Schikanen, mit denen sie uns quälen

12. November 2011 10:48 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

An Sonntagen versprechen die Politiker die Entlastung der Menschen von Regulierungen, Bürokratie und Vorschriften. Von Montag bis Freitag tun sie jedoch nichts anderes, als neue schikanöse Regulierungen, Bürokratie und Vorschriften einzuführen. Auch die kleinen Beispiele zeigen das sehr anschaulich.

So wird ab 1. Jänner jeder Arbeitgeber bestraft, der in einem Inserat nicht die Höhe des Gehalts angibt. Damit glauben vor allem die Kampffeministinnen, den statistischen Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen – der in Wahrheit natürlich ganz andere, hier schon des öfteren analysierte Ursachen hat – aus der Welt schaffen zu können. Dahinter steckt die altmarxistische Überzeugung, dass die Welt voller Kapitalisten steckt, die nur darauf lauern, arme hilflose Lohnabhängige auszubeuten. Die Feministinnen glauben nun, dass eigentlich nur die Frauen Opfer dieser Gier sind.

Die neuerlich deutlich nach oben zeigenden Arbeitslosenzahlen sagen freilich etwas ganz anderes: Eine denkende Politik sollte Tag und Nacht dafür dankbar sein, wenn noch jemand neue Mitarbeiter sucht. Statt solche Menschen mit immer neuen Schikanen zu bestrafen.

Jeder, der jemals in der wirklichen Wirtschaft gearbeitet hat, weiß, dass Gehälter natürlich auch von Zusatzqualifikationen abhängen, die ein Bewerber eventuell mitbringt; dass Arbeitgeber vielfach mit einem eher niedrigen Gehaltsangebot anfangen möchten und dieses erst nach einem Probejahr zu erhöhen bereit sind, wenn sich der Mitarbeiter als engagiert und fähig bewährt; dass Arbeitgeber durch ein Inserat überhaupt erst den Arbeitsmarkt abtesten und je nach Menge der Nachfrage mit dem Gehaltsangebot reagieren wollen. Das alles kann man aber logischerweise nicht in ein Inserat schreiben. Aber wie gesagt, das weiß nur, wer jemals in der wirklichen Wirtschaft gearbeitet hat, also nicht die ministeriellen und parlamentarischen Gesetzgeber.

Eine andere Schikane aus dem selben Eck mit der selben Wirkung war das Verbot, in Inseraten nicht mehr nur „einen Schlosser“ suchen zu dürfen, sondern „einen Schlosser/eine Schlosserin“. Oder „einen Kosmetiker/eine Kosmetikerin“. Mit Garantie haben sich deswegen aber nicht mehr Frauen als „Schlosserin“ gemeldet oder mehr Männer als „Kosmetiker“.

Von dieser Schwachsinnsvorschrift haben vielmehr nur zwei Gruppen profitiert: Die eine sind die neu geschaffenen „Frauenbeauftragten“&Co, die nun als Haupttätigkeit täglich die Zeitungen durchforsten, um dann nach Strafen rufen zu können. Die zweite Gruppe sind die Zeitungen, die schätzungsweise zehn Prozent mehr an den zwangsläufig länger gewordenen Stelleninseraten verdient haben; diese hüten sich daher, Kritik an solchen Vorschriften zu üben. Ganz abgesehen davon, dass die meisten Zeitungen auch sonst mit Begeisterung gegen ihre Leser jeden Schwachsinn des linken Unzeitgeistes unterstützen, wie es etwa jüngst das Gesamtschulvolksbegehren gezeigt hat.

Schwerer verständlich ist aber das Verhalten der etablierten Arbeitgeber-Vereinigungen. Bei denen wird es aber ohnedies immer fragwürdiger, ob sich unternehmerische Menschen von ihnen vertreten fühlen.

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Platz 17 für Androsch: Geht’s noch peinlicher?

11. November 2011 02:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Durchfallen des Androsch-Volksbegehrens hätte donnernder nicht sein können: Es landet trotz der größten, teuersten und amtsmissbräuchlichsten Werbekampagne, die je für ein Volksbegehren stattgefunden hat, nur an 17. Stelle. Das Androsch-Begehren, die zwangsweise Gesamtschule sowie die absurde Universitätspflicht für Kindergärtnerinnen sind damit abzuhaken. Nicht abhaken sollte man aber das ständige Verbessern der Schule. Etwa durch den Blick nach Finnland.

Aufrechte bürgerliche Politik sollte sich nie mehr vor der totalitär anmutenden Dampfwalze namens Rot-Grün-ORF-Industrie-Zeitungen-Gewerkschaft fürchten. Die Menschen sind klüger als all diese Manipulatoren. Sie haben keinerlei Verständnis für ein Volksbegehren, das rund ein Dutzend Mal mit seinen Vorschlägen in Zeiten wie diesen in die Taschen der Bürger – und der (neuerdings offenbar von Blindheit geschlagenen) Industrie greifen will. Das vom Kindergarten angefangen Zentralismus verordnen will. Das den Kindern neun Jahre lang eine Zwangseinheitsschule verordnen will.

In Wahrheit zahlt es sich aber keine Minute länger mehr aus, den linken Brei aus den 20er Jahren noch lange weiter zu diskutieren.

Jetzt sollte endlich wieder die Luft frei sein, sinnvollere Bildungsdebatten zu führen. Etwa an Hand von seriösen Analysen Finnlands, das nicht wegen der Gesamtschule, sondern wegen ganz anderer Faktoren gute Testergebnisse liefert:

  1. Selbst die linksliberale Hamburger „Zeit“ muss es neuerdings zugeben: Ein Teil des finnischen Schulerfolges geht darauf zurück, dass dort überwiegend der gute alte Frontalunterricht praktiziert wird, der ja bei uns von den „progressiven“ Schulreformen durch Gruppen- und Projekt-Schickschnack ersetzt worden sind. Machen wir doch Schulvergleiche mit und ohne Frontalunterricht.
  2. In Finnland wird Disziplin im Unterricht ganz groß geschrieben. Auch das ist ein bei jenen Ideologie-Pädagogen verhasstes Wort, die bei der Linken den Ton angeben.
  3. In Finnland kann sich jede Schule die Lehrer aussuchen.
  4. In Finnland würde es kein Politiker wagen, wie eine Claudia Schmied die Lehrer ständig verächtlich zu machen.
  5. In Finnland gibt es zwei Prozent Ausländer – und die kommen fast nur aus bildungsorientierten Kulturen wie Estland oder Russland; in Österreich gibt es 18 Prozent Anteil von hier lebenden Menschen mit zum Teil sehr schwierigem Migrationshintergrund – und in den Schulen noch viel mehr.  Die Ausländer kann man zwar natürlich nicht mehr aus der Welt schaffen (auch wenn uns klar sein soll, dass wir den Massenzustrom vor allem der Industrie und Rot-Grün zu verdanken haben): Aber wir sollten uns endlich offen zugeben, dass wir da ein ganz spezifisches Megaproblem haben, dem man nur mit ganz spezifischen Bildungsmaßnahmen beikommen kann.

Aber auch ohne den Blick auf Finnland gibt es ein paar weitere zentrale Notwendigkeiten für eine seriöse Bildungspolitik:

Ich wette jede Summe, dass wir mit solchen Reformen zum Unterschied von jenen des Altindustriellen Androsch unsere Schulen um Meilen voranbringen werden. Obwohl diese Vorschläge zum Unterschied von Androsch keine zusätzliche Budgetbelastung auslösen.

 

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Schlafmittel Triple-A

10. November 2011 01:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bisher war es nur Getuschel von Bankern und Bloggern. Seit dem Wochenende ist es offiziös: Sogar der Präsident der Oesterreichischen Nationalbank warnt nun schon vor einem Verlust des Triple-A-Rating.

Die darauf folgenden Beruhigungsversuche kann man getrost zu den Akten legen. Wo sich auch die einstigen Hinweise des früheren Finanzministers Pröll finden, dass Österreich auf dem Weg in die Zahlungsunfähigkeit (oder wie man sonst die griechische Krankheit nennen mag) nur wenige Jahre hinter Griechenland zurückliegt.

Die Stunde der Wahrheit kommt wohl nicht heuer, aber möglicherweise schon 2012. Dann hat Österreich ein Vielfaches der heurigen Notwendigkeiten an Staatsschulden umzuschulden. Dann wird sich die Finanzwelt naturgemäß die Kreditwürdigkeit Österreichs viel genauer anschauen.

Daher ist aber jetzt schon für Anleger wie Steuerzahler empfehlenswert, den Blick auf die nationalen Finanzen zu richten. Dieser Blick ist im Chaos von griechisch-italienisch-spanischen Rücktritten/Doch-nicht-Rücktritten/Neuwahlen/Doch-nicht-Neuwahlen/Sparpaketen/Doch-nicht-Sparpaketen/Referenden/Doch-nicht-Referenden völlig verloren gegangen.

In dieser Stunde macht die absolute Untätigkeit der österreichischen Regierung baff. Sie glaubt wie das Kaninchen vor der Schlange, dass Bewegungslosigkeit das beste Rezept sei. Nirgendwo sind ernsthafte Spar- und Sanierungsbemühungen zu sehen.

Der Sozialminister verbietet, über Modelle zur Abschaffung der längst nicht mehr finanzierbaren Hacklerpension nachzudenken. Die Frauenministerin hält am um fünf Jahre niedrigeren Frauenpensionsalter fest. Die Maßnahmen gegen die gleichzeitige Explosion der Invaliditätspensionen sind nicht einmal so wirksam wie Placebos. In keiner Partei wird eine zumindest teilweise Privatisierung der ÖBB ernsthaft diskutiert. Die Bildungsdiskussion besteht primär in der ständigen Forderung nach noch mehr Geld für ein schon jetzt vergleichsweise sehr teures System. Im Gesundheitswesen wird nur über kostensteigernde Projekte wie den Elektronische Gesundheitsakt diskutiert, nicht aber über Wettbewerb, Selbstbehalte, den Weltrekord an Krankenhausaufnahmen und -aufenthalten sowie die Vielzahl an Spitälern. Die Universitäten wagen nicht, Studiengebühren einzuheben, und dürfen in den vielen überlaufenen, aber volkswirtschaftlich sinnlosen Fächern keine Zugangslimits einführen. Im Energiesektor träumt die Politik vom Utopieprojekt „Autarkie“. Die Lohnerhöhungen machen ein Vielfaches der deutschen aus. Die Bundesländer haben überhaupt noch nie echte Sparprogramme durchgezogen.

Die SPÖ scheint den Ernst der Lage noch gar nicht zu ahnen. Die Volkspartei redet zwar zweimal im Monat davon, zieht aber keinerlei Konsequenzen daraus. Bei keiner der Oppositionsparteien finden sich die notwendigen  Wirtschafts- und Finanzstabilitätsprogramme, sondern lediglich Hetzkampagnen gegen „Banken und Millionäre“.

All das beweist, dass Claus Raidl mit seinen Warnungen mehr als recht hat.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Deutschland kanns besser. Zumindest heute

09. November 2011 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Deutschlands Regierung hat sich auf eine Steuerentlastung geeinigt. Österreichs Regierung – vor allem der größere Koalitionspartner – diskutiert das Gegenteil, nämlich Steuererhöhungen. Deutschlands Wachstum ist deutlich größer als das österreichische. Deutschlands Inflation ist deutlich kleiner. Deutschlands Gewerkschaften sind in ihren Forderungen deutlich maßvoller.

Wohin ist das Jahr 2006 entschwunden, in dem alle deutschen Zeitungen, auch die linken, Österreich als Vorbild hingestellt haben? Offenbar genügen viereinhalb Jahre sozialdemokratisch geführter Regierungen, um ein Land kaputt zu machen. Zumindest um es vom Vorbild-Land zu einem weit abgeschlagen nachhinkenden zu machen. Der Vergleich macht sicher.

Die deutsche Steuersenkungsdebatte hat aber noch auf einen weiteren Umstand aufmerksam gemacht, der den Österreicher mit offenem Mund staunen lässt: Nicht nur dass es beim großen Nachbarn eine Pflegeversicherung gibt, womit dort eines der ganz großen, in Österreich noch total ignorierten Zukunftsrisken abgedeckt wird. Noch viel spannender ist: Bei dieser Pflegeversicherung gibt es auch einen höheren Beitragssatz für Kinderlose als für Eltern.

Zwar ist der Unterschied von 0,25 Prozent des Einkommens nicht sensationell groß, den Kinderlose mehr zahlen müssen. Aber damit ist wenigstens ein symbolisch wichtiges Signal gesetzt.

Denn es ist einfach absolut ungerecht, dass Kinderlose im Pensions- und Pflegesystem von den immer weniger werdenden Familien profitieren, welche die künftigen Financiers dieses Systems großgezogen haben. Das ist auch in jenen Fällen ungerecht, wo die Kinderlosigkeit nicht eine bewusste Entscheidung für die egoistische Selbstverwirklichung in der Spaßgesellschaft war, sondern durch objektive, etwa medizinische Faktoren verursacht wird. Auch in diesen Fällen profitieren ja die Kinderlosen von den Kindern der anderen, ohne dass sie dafür irgendeine Last getragen hätten (außer hie und da das Greinen eines Kleinkindes in einer Straßenbahn ausgehalten zu haben).

Die deutschen Sozialdemokraten wollen die Steuersenkungen jedoch mit allen Mitteln bekämpfen (obwohl sie den höchsten Einkommen gar nicht zugute kommen). Sie sagen, dass die Reduktion des Staatsdefizits Vorrang haben müsse. Das ist ja ein an sich durchaus richtiger Gedanke. Nur vergessen sie eines: Es spricht viel dafür, dass sich wie in anderen Ländern Einkommensteuersenkungen positiv auf das gesamte Einnahmengefüge des Staates auswirken könnten. Dass man also trotz niedriger Steuersätze mehr einnimmt.

Die Konjunktur wird durch die Bürger besser angekurbelt, als wenn Politiker über dieses Geld verfügen könnten; Betriebsansiedlungen werden durch nirdrigere Steuern gefördert; die Schwarzarbeit wird weniger; es wandern weniger talentierte und gute ausgebildete Junge aus, die keine Lust haben, primär für den Staat zu arbeiten.

Aber auch wenn die Einkommensteuersenkung doch nicht den von etlichen Experten erwarteten Einnahmenzuwachs bringen sollte, gibt es noch immer Steuererhöhungen, die volkswirtschaftlich viel sinnvoller sind: Grundsteuern für jeden zubetonierten Quadratmeter sind ökologisch hilfreich; dasselbe gilt für Benzinsteuern; Höhere Verbrauchs- und Mehrwertsteuern wiederum reduzieren die Konsumlust, die ja vor allem asiatischen Produzenten zugute kommt.

Aber Österreichs Politik schweigt und diskutiert nicht einmal darüber. Diese Koalition ist ja längst zu keinen kraftvollen Antworten auf die Herausforderungen mehr imstande.

 

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Wieviel Einfluss hat der Staat auf die Infrastrukturbetriebe?

07. November 2011 19:23 | Autor: Andreas Unterberger

Staatseinfluss auf Infrastrukturbetriebe auf einer Skala von 0-6

Anmerkung: Auswertung der OECD; Kriterien sind unter anderem Ausmaß des Staatseigentums und Intensität der Regulierungen.

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Was aber ist damit gelöst?

07. November 2011 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt halt eine neue griechische Regierung ohne Herrn Papandreou. Und dann halt bald auch eine neue italienische Regierung ohne Herrn Berlusconi. Was aber ist damit gelöst?

Natürlich bringen neue Namen noch gar nichts außer spannend klingenden Zeitungsschlagzeilen. In beiden Ländern hat sich nämlich die Opposition, die jetzt da und dort wohl mehr mitreden wird, bisher noch viel weniger gewillt gezeigt zu sparen als die nun abgehenden Regierungschefs. Die Neubildungen von Regierungen sind daher in Wahrheit wieder einmal bloße Scheinaktionen, die aber genau der kurzsichtigen und oberflächlichen Denk- und Reaktionswelt der politisch-journalistischen Klassen entsprechen. An den eigentlichen Problemen der Länder ist damit noch gar nichts gelöst. Und es bleibt zu hoffen, dass Angela Merkel das auch erkennt (was sie natürlich schon vor zwei Jahren erkennen hätte müssen).

In Italien wird die notwendige Kursänderung wohl noch viel schwieriger als in Griechenland. Denn in Italien herrscht noch viel weniger Einsicht in die dringende Notwendigkeit zu handeln; in Rom ist die Opposition noch viel mehr zerstritten als bei den Hellenen; in Rom gibt es auch keinen klaren Oppositionsführer; dafür gibt es dort viele völlig unrealistische Parolen von Gewerkschaften und Linken, wie man ohne schmerzhafte Einschnitte wieder einmal auf italienische Art davonkommen könne.

Und vor allem glauben in Italien und im Ausland allzu viele, dass das Hauptproblem des Landes Berlusconi heißt. Was ein arger Irrtum ist – selbst wenn all die Korruptions- und Sex-Geschichten stimmen sollten, die ihm vorgehalten werden.

Denn immerhin war Berlusconi bisher der einzige italienische Nachkriegspolitiker, der das ewige römische Theater der halbjährlich wechselnden Regierungen mit ständigen Krisen beenden oder zumindest auf viele Jahre unterbrechen hat können. Er hat es auch geschafft, die Staatsverschuldung des Landes im Gegensatz zu all seinen Vorgängern seit Jahren nicht mehr signifikant ansteigen zu lassen. Was bei aller Lächerlichkeit seiner von Schönheitschirurgen geformten Erscheinung als Leistung anerkannt werden sollte.

Natürlich ist es richtig, dass Berlusconis Person längst eine Zumutung war. Natürlich ist das Halten der Staatsverschuldung längst nicht mehr ausreichend, weil die potenziellen Geldgeber inzwischen bei einem so hohen Schuldenniveau eines Staates viel misstrauischer geworden sind, als sie es früher waren. Aber ebenso richtig ist, dass ohne Berlusconi das Chaos noch viel größer werden wird, weil in Italien Politik nur als ein – wenn auch sehr emotional exekutiertes – Spiel verstanden wird, in dem die wirkliche Welt höchstens eine Nebenrolle spielen darf.

Daher wird von der italienischen Linken inhaltlich ja auch nur gegen die demütigenden Sparauflagen gewettert, die man dem stolzen Land nicht zumuten könne. Von einer echten Sanierungsbereitschaft ist da keinerlei Rede, geschweige denn von einer Schuldeinsicht in die früher von allen linken und christdemokratischen Regierungen verursachte Finanzpolitik, die ja die eigentliche Wurzel des Problems ist.

Umso widerlicher ist es, wenn auch Spitzenpolitiker der deutschen Sozialdemokraten bei Demonstrationen der italienischen Linken gegen Berlusconi auftreten und dort den Italienern nicht etwa Sparnotwendigkeiten verdeutlichen, sondern ihnen billigste Sündenbockrhetorik servieren: Schuld an dem Schlammassel seien die neoliberalen Finanzmärkte, denen der Kampf angesagt werden müsse. Sigmar Gabriel rief in Rom sogar wörtlich zum Kampf "für die Rückkehr der Demokratie und gegen die Herrschaft der Finanzmärkte" auf. Ob er das wenigstens selber glaubt, dass die demokratisch gewählten italienischen Regierungen und Parlamente nichts mit den gigantischen Schulden ihrer Länder zu tun haben, sondern irgendwelche finsteren Mächte? Ob die deutschen Steuerzahler erkennen, dass sie selbst in Wahrheit diese bösen Finanzmärkte sind? Begreifen  die Linken denn noch immer gar nichts oder ist das alles nur ein zynisch-populistisches Spiel mit der Wahrheit und den Wähleremotionen?

Eine „Rettung“ Italiens kann sich Europa im Gegensatz zu jener Griechenlands jedenfalls ganz sicher nicht mehr leisten.

Nachträgliche Ergänzung: Aber auch die Griechen sind eine einzige Provokation: Statt sanieren machen sie jetzt einmal Neuwahlen. Aber um diese durchzuführen brauchen sie dreieinhalb Monate. Und dann wahrscheinlich noch einmal so lang für eine Regierungsbildung. Derweil wollen sie wahrscheinlich wieder einmal auf Kosten der lieben Miteuropäer leben. Eine Provokation? Aber nicht doch, nur schlau, solange Resteuropa so zahnlos agiert.

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Fußnote 230: Europa zurück in der Depression

04. November 2011 01:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Keine Details! welches Stück?“ lautet die vielleicht berühmteste Theateranekdote über die Frage eines steckengebliebenen Schauspielers an den Souffleur. Nicht viel anders lautet die verzweifelte Frage der europäischen Bürger an die politische Klasse.

Griechenland macht nun offenbar doch kein Referendum – das heißt aber noch lange nicht, dass klar wäre, das Land würde auch die Spar-Bedingungen der anderen Europäer auf Punkt und Beistrich erfüllen. Griechenland macht vielleicht eine große Koalition – aber darüber wird jetzt wohl wochenlang gefeilscht. Damit sind wir wieder drei Schritte zurück. Die kurzzeitige Hoffnung, dass mit einem Referendum endlich der europäische Knoten durchschlagen würde, haben sich nach 48 Stunden wieder zerschlagen. Jetzt gibt es wieder nur Weiterwursteln, keine Klarheit, weder so noch so. In diese Rückkehr in die depressive Stimmung passt auch die erste Maßnahme des neuen EZB-Chefs: Die Zinsen werden völlig überraschend gesenkt. Damit wird noch billigeres Geld den Schuldenmachern wieder ein wenig neue Luft verschaffen. Und scheinbar ganz unbeabsichtigt wird durch eine solche Maßnahme auch die Bahn  für die Inflation noch besser bereitet, mit der die Staaten ihre Schulden entsorgen können. Wundert sich eigentlich jemand, dass genau solches passiert, wenn man ausgerechnet einen Italiener zum obersten Währungshüter macht?

 

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Wie hoch sind die Staatsquoten weltweit?

03. November 2011 18:12 | Autor: Andreas Unterberger

Staatsquoten in ausgewählten Staaten in Prozent des BIP (2009)

 

Laut jüngsten EU-Berechnungen hat Österreich mit mittlerweile 44,1 Prozent des BIP (2010) bereits Finnland und Italien überholt und weist damit die zweithöchste Steuer- und Abgabenquote unter den Euro-Mitgliedsstaaten aus (ohne Dänemark und Schweden).

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Hurra, Europa entdeckt sein Rückgrat!

03. November 2011 01:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Dinge spitzen sich nun von Tag zu Tag zu. Und das ist gut für Europa. Nach zwei Jahren des Herumeierns rund um die Schuldenkrise und der Unfähigkeit vieler  Staaten, die explodierenden Wohlfahrtsausgaben zu beschneiden, ist es jetzt erstmals offiziell: Vorerst gibt es kein Geld für die Griechen und statt dessen gleichzeitig den deutlichen Hinweis, dass das Land doch den Euro-Raum verlassen könne.

Der griechische Beschluss, über das Sparpaket ein Referendum abzuhalten, hat endlich eine klare Reaktion gebracht: Ausgesprochen wurde es durch das EU-Führungsduo Angela Merkel und Nicolas Sarkozy. Und natürlich nicht durch die diversen Herren in Brüssel, die sich „Präsident“ nennen, und schon gar nicht durch den „Europäischen Rat“ der Regierungschefs, sitzen doch dort ahnungslose Langweiler wie etwa ein Werner Faymann.

Merkel und Sarkozy haben ganz überraschend verkündet, dass die Griechen vor ihrem Referendum nicht einmal die schon fix beschlossen gewesenen acht Milliarden Euro bekommen werden (ohne die Athen übrigens nach früheren offiziellen Angaben eigentlich schon seit September pleite hätte sein sollte). Und die beiden haben überdies klar ausgesprochen, dass es für die Griechen bei der Volksabstimmung um einen Verbleib in der Euro-Zone gehe. Die inselreichen Schlaumeier hatten ja ein Referendum geplant, bei dem es nur um die Sparpakete gehen sollte, während die Euro-Mitgliedschaft unangetastet bleibt..

So nicht!, haben ihnen jetzt die beiden Europa-Chefs zugerufen. Ihr Griechen müsst entweder alle beschlossenen Sparmaßnahmen umsetzen oder wir lassen euch bankrott gehen – samt der dringenden Empfehlung, euch künftig eine eigene Währung zu suchen.

Eineinhalb Jahre haben wir auf solche – eigentlich selbstverständlichen – Sätze gewartet. Aber immerhin: Besser spät als gar nicht. Natürlich sind diese Ankündigungen deshalb gemacht worden, um Druck auf die griechischen Wähler auszuüben, die den Euro sehr wohl wollen, die keinen Staatscrash wollen, die aber auch nicht mehr weiter sparen wollen.

Dennoch erscheint es fast unvorstellbar, dass die EU-Länder nach einem Nein der Griechen zum Sparkurs wieder zurückrudern könnten und den Griechen am Ende doch wieder neues Geld geben. Fast zwei Jahre der weichen Unentschlossenheit sind wirklich genug, sie sind vor allem längst unfinanzierbar geworden.

Merkel/Sarkozy werden aber möglicherweise auch bald mit einem anderen EU-Land bald Klartext reden müssen, nämlich Italien. Denn dort wird ständig von Reformen geredet, es werden aber nie welche gemacht.

Vielleicht erwacht dieses Europa doch noch in letzter Minute und bekommt eine ernstzunehmende politische Führung – auch wenn wir uns Europa einst nicht gerade als deutsch-französisches Duumvirat vorgestellt hatten.

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Was heißt hier freiwillig?

03. November 2011 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Börsen haben gejubelt wie selten, viele Wirtschaftsprofessoren sind hingegen skeptisch: Ein seltsamer Widerspruch prägte die Reaktionen auf den EU-Gipfel. Geben damit nicht die Börsen dem Eigenlob der Regierungschefs recht, die (wieder) die Rettung des Euro verkündet haben?

Dieser Widerspruch klärt sich leicht. Erstens agieren Börsen kurzfristig und schwanken immer heftig zwischen himmelhochjauchzend und zutodebetrübt, während seriöse Ökonomen langfristig denken. Zweitens aber zeigen die Börsen die Entwicklung der Aktienkurse. Und es ist logisch, Aktien zu kaufen, wenn man Staatsanleihen als wacklig ansieht. Irgendwo muss man ja das Geld anlegen, das derzeit – der Schuldenpolitik sei „Dank“ – noch im Übermaß herumschwappt. Langfristig werden freilich auch Aktiengesellschaften schwer leiden. Niemand kann sich ja erwarten, dass es keine unangenehmen Folgen für alle hätte, wenn nun die Rechnung für die lustigen Jahre zu zahlen ist, in denen man die Wähler durch immer üppigere Wohlfahrtssysteme auf Pump bei Laune halten konnte.

Bevor das alles den Kurzfrist-Euphorikern so richtig ins Bewusstsein kommt, könnten wir alle über etwas anderes nachdenken: Was heißt eigentlich „freiwillig“? Der „freiwillige“ Verzicht der Banken auf die Hälfte ihrer Forderungen an Griechenland ist vielmehr eine zwingende Folge der griechischen Zahlungsunfähigkeit. Jeder Banker, der etwas verschenkt, gehörte ja vor Gericht.

Warum aber müssen die Banken verzichten, die Staaten jedoch nicht? Dass Privateigentum heftig bluten muss, jedoch die Politik mit ihren vielen sinnlosen Ausgaben und ihren unproduktiven Apparaten privilegiert wird, ist brutale Gewalt. Banken und Privatanleger werden logischerweise darauf reagieren: Seit sie erlebt haben, wie mit ihnen umgegangen wird, werden sie ihr Geld nur noch sehr ungern einem Staat borgen. Auch wenn Politiker und populistische Medien sie dafür wieder als Spekulanten beschimpfen.

Daher wird auch die vielgetadelte Hebelung des EFSF noch sehr fragwürdig. Diese von den europäischen Steuerzahlern finanzierte „Fazilität“ will ja Griechenland, Italien & Co nicht direkt Geld borgen, sondern sie will damit nur Kredite bei Dritten absichern. Das jedoch nur zu einem kleinen Teil, etwa 20 Prozent; dadurch könnte das Kreditvolumen verfünffacht werden. Für den Rest haftet wieder nur der Schuldnerstaat selber. Das aber lässt heftig zweifeln, ob der Hebel greift, ob dieser EFSF irgendwo zwischen Europa und China noch genug Geldgeber findet. Wären die dann doch wirkliche Spekulanten.

Die europäischen Steuerzahler jedenfalls sind jetzt schon betrogen. Denn diese Hebelung, die man lange geheim gehalten hat, macht es viel unwahrscheinlicher, dass sie jemals ihr Geld zurückbekommen, dass ihre Haftungen nur Theorie bleiben. Das hat uns nur die Politik einzureden versucht.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Wer hat den relativ höchsten Energieverbrauch?

02. November 2011 13:44 | Autor: Andreas Unterberger

Energieverbrauch relativ zum Beitrag zum BIP: Terajoule je Mio. Euro BIP

 

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Angela M. – Mythos statt Merkel

02. November 2011 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eigentlich müsste sich Angela Merkel jetzt fürchten. Denn in Politik wie Wirtschaft ist es fast schon eine eherne Regel: Wer von den Medien in den Himmel gehoben wird, stürzt danach umso steiler ab. Die „Männer des Jahres“, die im Jahr darauf kaputt waren, sind heute jedenfalls schon Legion. Und es gibt keinen zwingenden Grund, dass dieses Risiko bei jener Frau anders sein sollte, die derzeit ringsum als die große Siegerin der jüngsten EU-Entscheidungen verkauft wird.

Dabei hat Merkel durchaus sympathische Eigenschaften. Sie denkt bedächtig nach und verkörpert nicht den Macho-Typ eines Politikers, der ständig den Eindruck erweckt, dass er mit einer einzigen Anordnung die Welt neu ordnen könnte. So haben sich zwar immer wieder vor allem romanische Politiker nach Art eines Sarkozy oder Berlusconi zu inszenieren versucht – stehen aber heute als Gescheiterte und Getriebene da.

Merkel ist auch viel zu klug, um den gegenwärtigen Medien-Hype um ihre Person allzu ernst zu nehmen. Sie weiß, wie schnell das wieder vorbei geht und dass die Medien in ihrer Oberflächlichkeit wieder einen neuen Helden durchs Dorf treiben werden. Sie weiß aber auch, dass trotz der netten Schlagzeilen der letzten Tage ihre gesamte Politik in der Schuldenkrise bei der Bevölkerung sehr unpopulär ist. Sie weiß, dass ihre Koalition so gut wie keine Chance hat, auch nur in die Nähe einer Wiederbestätigung beim nächsten Wahltag zu kommen. Sie weiß, dass vor allem die zwei kleineren Parteien in dieser Koalition angesichts verheerender Umfragen und nahender bayrischer Wahlen zunehmend schwieriger werden.

Die deutsche Bundeskanzlerin hat in den letzten Wochen eine klare Wendung gemacht: Sie agiert erkennbar großkoalitionär und sucht bei jeder großen Entscheidung den Schulterschluss mit den eigentlich oppositionellen Sozialdemokraten. Den gleichen Kurs wie die SPD zu fahren bringt ihr wenigstens in den überwiegend linken Medien Sympathien ein.

Merkel hatte in Wahrheit immer schon eine starke sozialdemokratische Prägung. Mutige liberale Reformen waren ihr nie ein Herzensanliegen (genau so wenig wie wertkonservative Themen), daher hat die schwarz-gelbe Regierung von der ersten Stunde an auch keine zusammengebracht. Die FDP hat sich als Lobby-Organisation ohne echte innere Beziehung zur Ordnungspolitik entpuppt. Und in Merkels eigener CDU hat sie praktisch alle liberalen Persönlichkeiten hinausgedrängt. Merkel hat sich lieber mit Umverteilern und Regulierern umgeben. Jüngste Beispiele dieses Kurses: Die CDU sympathisiert mit einem gesetzlichen Mindestlohn und mit gesetzlich vorgegebenen Frauenquoten in großen Aufsichtsräten. Beides sind Maßnahmen, welche die derzeit relativ gute deutsche Wettbewerbsfähigkeit langfristig gefährden.

Das massivste anti-liberale Signal waren natürlich die von Merkel mitgetragenen EU-Beschlüsse der letzten eineinhalb Jahre, Hunderte Milliarden in die diversen – in Wahrheit völlig ergebnislosen – Rettungspakete für die europäischen Schuldenstaaten zu investieren.

Aber jetzt, so werden die Verbreiter des Merkel-Mythos hier einwenden, hat sie doch zum ersten Mal in einer wichtigen Frage Nein gesagt. Und sie ist auch dabei geblieben. Sie hat die französischen Wünsche abgeschmettert, dass sich der „Rettungsschirm“ EFSF direkt bei der EZB weiteres Geld ausborgen kann.

In Wahrheit war es nicht Merkels Stärke, die diese Idee blockiert hat, sondern ihre Schwäche. Sie hat sich nämlich in bisher unbekannter Weise vom deutschen Verfassungsgericht und vom Bundestag an eine sehr kurze Leine legen lassen, die ihren Spielraum bei den – bisher regelmäßig sehr teuren – Gipfelbeschlüssen stark eingeengt hat. Merkel musste ja sogar den Gipfel unterbrechen lassen, um sich vom Bundestag ein Plazet zu holen.

Es war also in Wahrheit die kleine Gruppe der deutschen Schulden-Gegner, die der Kanzlerin zur Stärke verholfen hat – fast möchte man sagen: zu einem Rückgrat. Nur dadurch wurde es diesmal verhindert, dass der französische Präsident sie neuerlich mit seiner Mischung aus brutalem Druck und charmanter Schmeichelei zum Griff in die deutschen Kassen veranlassen konnte.

Vor allem der französische Druck hat ja Merkel in diesen eineinhalb Jahren regelmäßig dazu gebracht, bei der Verletzung der EU-Verträge und der wirtschaftlichen Vernunft mitzutun. Diese Verletzung bestand vor allem in der Durchbrechung des ("No-Bailout!"-)Verbots staatlicher Krediten an andere EU-Staaten.

Das zuvor angesprochene Leih-Rückgrat Merkels war aber nicht stark genug, um auch das durchzusetzen, was nach diesen Fehlern die einzige logische Konsequenz gewesen wäre. Wenn man schon zu feig oder schwach ist, diese Staaten den Folgen der eigenen Schuldenmacherei und der daraus folgenden Zahlungsunfähigkeit preiszugeben, dann hätte Merkel wenigstens eine rasche Änderung der EU-Verträge durchsetzen müssen (und eigentlich auch wollen): Nur dadurch wäre ja die Einsetzung eines Konkursverwalters, der in Schuldnerstaaten die Macht übernimmt, möglich gewesen. Ein solcher Konkursverwalter wäre wohl die einzige Möglichkeit, dass Griechenland, Italien & Co endlich all das an schmerzhaften Sanierungsmaßnahmen umsetzen, was deren Regierungen schon in besseren Zeiten nicht geschafft haben.

Wir haben es ja immer wieder gesehen: Die Regierungschefs solcher Staaten versprechen bei jedem Gipfel große Sparsamkeit – aber niemand hat ein Druckmittel, die Einhaltung solcher Versprechen auch zu erzwingen.

Das wird man mit Sicherheit auch am Schicksal des berühmten Geheimbriefs des italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi sehen. Dieser hatte seinen EU-Kollegen scharfe (im Detail aber bisher nicht bekannte) Spar- und Sanierungsmaßnahmen versprochen. Berlusconi hat jedoch in Wahrheit keine Chance, diese Maßnahmen auch inneritalienisch durchzubringen. Er ist auf Grund diverser Gerichtsverfahren schwer angeschlagen. Und weit und breit gibt es keinen anderen Politiker, der gegen die kampferprobten italienischen Gewerkschaften eine Sanierung zu realisieren imstande wäre.

Da klingt es lächerlich, wenn die EU nun ankündigt, die Einhaltung solcher Versprechen genau zu „kontrollieren“. Sie kann das genauso wenig wie beim Bruch aller früheren Versprechungen durch diverse Regierungschefs.

Dennoch sollte man nicht ganz verzweifeln. Denn immerhin findet in Europa doch ein Umdenken statt. Eindrucksvoller und sensationeller als die angebliche Lösung der Schuldenkrise durch die Gipfelbeschlüsse waren nämlich die Blut-und-Tränen-Interviews des französischen Präsidenten nach dem Gipfel. Denn in den letzten Jahrhunderten, ja noch bis in die letzten Wochen war es absolut unvorstellbar, dass ein französischer Präsident sagt: "Mein Job ist es, Frankreich näher an ein System heranzubringen, das funktioniert, das Deutschlands."

Dabei geht es etwa um die 35-Stunden-Woche, die von den Sozialisten einst als Waffe gegen die Arbeitslosigkeit eingeführt worden ist, die aber Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit schwer beeinträchtigt hat. Dabei geht es um die übergroße Rolle des französischen Staates in der ganzen Wirtschaft. Dabei geht es um das weitgehende Fehlen von mittelgroßen Betrieben, die in Deutschland wie Österreich den Kern der wirtschaftlichen Stärke bilden.

Der nunmehrige Kurswechsel Sarkozys ist zwar die einzige richtige Strategie. Es ist aber ein schwerer Schlag für den Nationalstolz der Franzosen, wenn die richtige Politik nur noch mit dem Qualitätssiegel „wie in Deutschland“ verkauft werden kann.

Noch weniger durchsetzen als einen Konkursverwalter für Schuldnerstaaten kann Merkel ein weiteres – eigentlich legitimes – Anliegen der Deutschen: dass sie in den diversen EU-Gremien nicht mehr diskriminiert werden. Denn vom Stimmgewicht im Rat bis zu der für die Wahl eines Abgeordneten nötigen Wählerzahl ist Deutschland viel schwächer repräsentiert, als der Zahl seiner Einwohner entsprechen würde. Vom noch viel größeren wirtschaftlichen Gewicht Deutschlands sei da gar nicht geredet.

Da aber Deutschland heute nicht mehr wegen der Verbrechen der Nazis unter Druck gesetzt werden kann, wird sich das Land in der EU immer weniger daheim fühlen, wenn es einerseits der größte Zahler ist und andererseits gleichzeitig jenes Land, dessen Bürger am wenigsten europäisches Gewicht haben.

PS.: Österreich ist zwar von der Größe seiner Vertretung in der EU her relativ privilegiert, es hat aber seit Jahren keinerlei Persönlichkeit, die in den europäischen Gremien noch irgendeine Rolle spielen würde. Es diskriminiert sich solcherart gleichsam selber. Österreich hat auch kein Parlament, in dem irgendjemand Europa-Debatten auf einem mit Deutschland auch nur annähernd vergleichbaren Niveau führen könnte. Daher wäre es eine sinnvolle Einsparung, wenn bei den nächsten Gipfeln nicht mehr Werner Faymann samt großem Tross anreist, sondern wenn daran einfach der in Brüssel residierende Botschafter teilnimmt und so wie Faymann halt immer das abnickt, was die Mehrheit will.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Griechenland: Das Gewitter geht los

31. Oktober 2011 21:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das wird jetzt spannend: Die Griechen machen eine Volksabstimmung, ob ihnen die Resteuropäer in ihrer Schuldenkrise auch helfen dürfen. Die Stimmung im Land ist so verzweifelt, dass die Regierung keinen anderen Ausweg mehr weiß. Und was es noch spannender macht: Alle Umfragen deuten zumindest derzeit darauf hin, dass die Griechen in klarer Mehrheit Nein zum Rettungsschirm sagen werden. Ohne zu wissen, wozu sie damit Ja sagen.

Ein griechisches Nein würde freilich von den meisten Miteuropäern – wenn auch nicht deren Regierungen – mit Erleichterung aufgenommen werden. Dann könnte man die für Griechenland bereitgestellten Gelder zur Stabilisierung der eigenen Banken verwenden und sich den Rest doch noch sparen. Dann wäre auch für die in alter Manier herumlavierenden Italiener die Stunde der Wahrheit gekommen. Dann wäre endlich Klarheit geschaffen, dass wir keine Eurokrise, sondern eine der staatlichen Schulden haben. Dann wäre das Tabu gebrochen, dass ein europäischer Staat nicht in Insolvenz gehen könne. Dann müssten sich die helfende Miteuropäer nicht mehr ständig beschimpfen und nachsagen lassen, dass die Annahme ihrer Hilfe eigentlich eine Gnade ist.

Für die Griechen wäre das freilich weniger erfreulich. Dann würden griechische Pensionen und Beamtenbezüge zumindest zum Teil ausfallen, weil niemand mehr der Regierung Geld borgt. Dann würden die Banken gestürmt und müssten nach wenigen Stunden schließen (wenn das nicht ohnedies schon vor dem Referendumstag angesichts der Entwicklung der Umfragen passieren sollte). Dann müsste die griechische Regierung noch härtere Maßnahmen durchziehen, als sie das „Rettungspaket" von ihnen verlangt hat. Dann wäre auch endlich klar, dass man durch ständiges Protestieren, Demonstrieren und Streiken sein eigenes Los nicht wirklich verbessert, sondern nur durch Sparsamkeit und Anstrengung. Aber das wissen viele Völker offenbar immer erst im Nachhinein.

Freilich ist auch durchaus möglich, dass den Griechen in den nächsten Wochen noch – für sie – rechtzeitig klar würde, was ein Nein zum bösen Griechenland-Rettungspaket bedeutet. Dann würde nämlich niemand mehr Griechenland retten. Dann kann kein europäischer Regierungschef mehr so selbstmörderisch sein, seine eigenen Bürger noch mehr zugunsten der reformunwilligen Griechen zu belasten.

Ein Ja würde für Premier Papandreou aber – endlich – bedeuten, dass er dann auch wirklich die versprochenen Sparmaßnahmen durchziehen und wieder ein wenig Vertrauen ins Land bringen könnte.

Manches mal schürzen sich historische Entscheidungen lange so wie dunkle Wolken zu, bis es dann plötzlich in einem Gewitter zur Entladung kommt. In einem zerstörerischen – oder einem reinigenden Gewitter. In den nächsten Wochen wird Europa jedenfalls gespannt auf den Wetterbericht vom Balkan achten.

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Verringern höhere Schulden die Arbeitslosigkeit?

30. Oktober 2011 14:41 | Autor: Andreas Unterberger

Schuldenquote in Prozent des BIP und Arbeitslosenquote seit 1970 im Vergleich

 

Quelle: "Quo vadis, Austria?" Industriellenvereinigung

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Fußnote 229: Ein kleiner Rechenfehler halt

30. Oktober 2011 12:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn das nun auch schon bei den Deutschen möglich ist: Wer soll da noch irgendein Vertrauen zu irgendeiner Angabe aus staatlichen oder europäischen Quellen haben?

Eine vom deutschen Finanzministerium kontrollierte staatliche "Bad Bank" hat sich um nicht weniger als 55,5 Milliarden Euro verrechnet. Das Erstaunliche: Der Irrtum erfolgte zugunsten des Steuerzahlers. Damit ist die deutsche Staatsverschuldung gleich um fast drei Prozent niedriger als zuletzt immer angegeben. Nur ein Vergleich, damit man sich die Größenordnung vorstellen kann: Der Rechenfehler beträgt mehr als drei Viertel des gesamten österreichischen Jahresbudgets. Gewiss kann man in dem Rechenfehler bei der HRE-Bad Bank FMS Wertmanagement (wo faule Hypothekenpapiere in Form einer sogenannten Bad Bank abgelagert worden waren) eine gute Nachricht sehen. Und derer mangelt es ja derzeit heftig. Vertrauensbildend in die staatlichen Finanzakrobaten ist das aber auch nicht - vor allem weil sich diese normalerweise immer zum Nachteil des Steuerzahlers "verrechnen". Siehe die griechischen Betrügereien oder ähnliche österreichische Tricks, mit denen man Schulden zu verstecken versucht.

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Die Panzerknackerbande

30. Oktober 2011 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Von der deutschen Linkspartei bis zu vielen Demonstrationen ertönt heute der Ruf: Verstaatlicht die Banken! Das fordern aber nicht nur extremistische Dummköpfe, sondern auch Medien und sogenannte Kulturschaffende.

Lernen Menschen eigentlich nie etwas aus der Geschichte? Lernen könnten sie etwa aus der Krise 2008/09. Damals sind vor allem jene Banken ins Schleudern gekommen, die direkt oder indirekt unter der Kontrolle der Politik standen: Von der Hypo Alpen-Adria über die meisten anderen Landes-Hypos und die Investkredit bis zur Kommunalkredit konnte man hierzulande genau – und um teures Lehrgeld – sehen, welche Folgen politische Eigentümerschaft hat. Auch in Deutschland sind primär die den Bundesländer gehörenden Landesbanken gegen die Wand gefahren. Wer weiter zurückblickt, findet mit Bawag, Länderbank, Zentralsparkassa, Creditanstalt oder Bank Burgenland viele weitere Beweise, welch schweres Unheil die Politik in der Eigentümerfunktion anrichtet.

Das heißt gewiss nicht, dass privatwirtschaftlich strukturierte Banken immun gegen Gaunereien wären. Aber ganz offensichtlich sorgen real existierende Eigentümer für viel effizientere Kontrollen und damit Barrieren gegen einen Crash als Politiker, die nur fremdes Eigentum verwalten.

Rufe nach Bankenverstaatlichung ertönen aber auch von vielen Politikern. Diese wollen neuerdings ständig Banken retten, die gar nicht nach Hilfe rufen. Diese wollen die Regierungen aber künftig nicht mehr bloß als Gläubiger, sondern gleich als Miteigentümer der Banken sehen.

Das klingt harmlos, sollte aber alle Alarmglocken läuten lassen. Denn es ist ja niemand anderer als die Staaten selbst, es sind also Regierungen und Politiker, die alleine die Hauptschuld an der schweren Krise tragen. Banken kommen derzeit nicht etwa deshalb in Schwierigkeiten, weil sie riskant spekuliert hätten oder weil Andreas Treichl binnen zweier Wochen seine Meinung über bestimmte Risken geändert hat, sondern weil Staaten krachen wie die Kaisersemmeln, obwohl sie noch vor kurzem als sichere Schuldner gegolten haben.

Und jetzt sollen ausgerechnet Staaten die Banken übernehmen? Das ist ungefähr so, wie wenn man der Panzerknackerbande die Kontrolle über den Goldschatz der Nationalbank gäbe.

Nun sind Rettungskredite an Banken nicht total auszuschließen, wenn nach einer Pleite Griechenlands nur dadurch eventuelle Domino-Effekte zum Schaden von Sparern und Realwirtschaft vermeidbar sein sollten. Aber wenn die Staaten künftig in den Banken auch als Eigentümer anschaffen wollen, dann wollen sie das nur deshalb, weil sie unser Bestes haben wollen. Nämlich unser Geld, das auf den Banken liegt. Selbst wenn Regierungen schwören, das nicht zu wollen, werden sie in Zeiten der Krise der Versuchung nicht widerstehen, in den Banktresor zu greifen.

Trotzdem schreien so viele Bürger nach einer Enteignung der Banken. Was irgendwie fassungslos macht.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Euphorie eines Drogensüchtigen

29. Oktober 2011 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Habe ich in meiner ersten Reaktion zu negativ auf den EU-Gipfel mit seinen lauten Erfolgsfanfaren reagiert? Aus mehreren Gründen bleibe ich bei meiner Skepsis, auch wenn man inzwischen mehr (freilich noch lange nicht alle) Details zu den Gipfelbeschlüssen weiß. Ja, gerade deshalb bleibe ich dabei. Denn sobald sich das schwierige Kleingedruckte geklärt haben wird, wird mit großer Wahrscheinlichkeit wohl noch weniger Grund zur Euphorie da sein.

Die Gründe für Beharrlichkeit in Sachen Skepsis, trotz einiger halber Lichtblicke:

  1. Sogar der deutsche Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der aus Angela Merkels unmittelbarem Umfeld kommt, sieht die Hebelung – also wundersame Vermehrung – der Mittel der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) „mit Sorge". Durch die Hebelung sollen nämlich aus den 440 Milliarden, die den ungefragten Steuerzahlern abgepresst worden sind, gleich mindestens eine Billion Euro werden. Die 440 Milliarden werden dabei nun doch nicht, wie ursprünglich geplant, direkt als Kredite weitergegeben. Sie haften vielmehr als Ausfalls-Versicherung für Kredite, die diese Fazilität anderswo aufnehmen will. Was natürlich das Risiko eines weitgehenden Ausfalls der Gelder der Steuerzahler stark erhöht.
  2. Inzwischen hat auch schon das deutsche Bundesverfassungsgericht die EFSF-Konstruktion zumindest in einer Detailfrage gekippt. Es verbot nur wenige Tage nach dessen Inthronisierung ein neues Geheimgremium des deutschen Bundestages. Dieses sollte Beschlüsse des 440-Milliarden-Rettungsschirms und andere Rettungsmaßnahmen genehmigen. Ein solches Gremium hat die deutsche Regierung als notwendig angesehen, damit Entscheidungen vertraulich vorbereitet werden und schnell fallen können.
  3. Griechenland wird sich langfristig auch mit der als Endziel angepeilten Staatsverschuldung von 120 Prozent nicht normal refinanzieren können. Das heißt: Griechenland bleibt krank, obwohl zu seiner Genesung die Krankheitskeime über ganz Europa verstreut worden sind. Dabei sind diese 120 Prozent noch die bestmögliche Entwicklung des nächsten Jahrzehnts. Es könnte trotz Gipfelhilfe auch viel schlimmer kommen.
  4. Die Gefahr, dass die Halbierung des Werts griechischer Papiere von den internationalen Märkten auch jetzt schon als Insolvenz gewertet wird, ist weiterhin gegeben.
  5. Obwohl viele Finanz- und Notenbankexperten das scharf kritisieren, wird die Europäische Zentralbank weiterhin ungehindert Staatspapiere aufkaufen, also weiterhin zu Lasten aller Sparer Geld drucken können. Positiv ist nur, dass die EFSF nicht als Bank gilt, die direkt Geld bei der EZB besorgen kann. Damit haben sich die Deutschen wenigstens in einem Punkt durchgesetzt.
  6. Es ist eine glatte Sauerei, dass bei der Bewertung des den Banken nun vorgeschriebenen Kern-Eigenkapitals nur staatliche Partizipationsscheine, nicht aber private einberechnet werden dürfen, obwohl die genauso für die Bank haften. Dadurch gerät nun die RZB der Raiffeisengruppe ins Schleudern. Warum hat 2009 die Republik so auf die Beteiligung des privaten Sektors an den Partizipationsscheinen bestanden, wenn die jetzt nicht anerkannt werden?
  7. Ebenso eine Diskriminierung ist es, wenn private Banken auf 50 Prozent ihrer Forderungen gegen Griechenland verzichten müssen, die (not-)verstaatlichte Kommunalkredit beispielsweise nicht.
  8. Die von der Europäischen Bankenaufsicht berechneten zusätzlichen Kapitalpuffer europäischer Banken zeigen – wie schon mehrere andere Indikatoren –, dass Österreich viel schlechter dasteht als Deutschland, die Niederlande oder Finnland, mit denen wir uns gerne in einem Atemzug nennen. Österreichs Banken brauchen demzufolge 2,9 Milliarden Euro, die deutschen 5,2. Dem Größenverhältnis zwischen den beiden Ländern entsprechend dürften jedoch die Werte in Österreich nur ein Zehntel der deutschen ausmachen. In Finnland oder den Niederlanden gibt es überhaupt keinen Bedarf an zusätzlichem Geld. In Frankreich, über dessen Banken zuletzt so bedrohlich geredet worden ist, beträgt der Bedarf 8,8 Milliarden: Angesichts der Größenverhältnisse stehen damit sogar Frankreichs Banken relativ besser da als die österreichischen.
  9. Die Wahrscheinlichkeit, dass wenigstens Italien jetzt mit der Geldverschleuderung durch den hochausgebauten Wohlfahrtsstaat (an dem sowohl die einstigen Christdemokraten wie die aggressiven Gewerkschaften hauptschuld sind) Schluss macht, ist zwei Tage nach dem Gipfel nicht gerade gestiegen. Denn schon reden die Gewerkschaften von Generalstreik, um für die Beibehaltung eines absoluten Verbots von Kündigungen durch Arbeitgeber zu kämpfen – eine wettbewerbsfeindliche Regelung, die es nicht einmal im Mega-Sozialstaat Österreich gibt. Wegen dieser trüben Aussichten muss Italien nach dem „Rettungs“-Gipfel schon wieder höhere Zinsen für seine Anleihen zahlen als vorher.
  10. Gewiss ist erfreulich, dass Nicolas Sarkozy jetzt wagt, die Einführung der 35-Stunden-Woche durch die Sozialisten als eines der Krebsübel des kränkelnden Landes anzusprechen. Nur kann niemand ernsthaft glauben, dass er deren Abschaffung ein Jahr vor dem Wahltag noch durchbringt. Und dann werden die Sozialisten regieren, die vermutlich wieder Jahre brauchen werden, um zu solchen Erkenntnissen zu gelangen (so wie einst Gerhard Schröder Jahre gebraucht hat, bis er vom Kuschelsozialismus auf die Agenda 2010 umgeschaltet hat).
  11. Erfreulich ist es auch, dass die EU-Bischöfe eine erstaunlich weise Erklärung veröffentlicht haben, die klar festhält: Die Ursachen der Krise seien vor allem in Politikerentscheidungen der letzten Jahrzehnte begründet, die nur auf Kurzfristigkeit beruhten und häufig genug mit Blick auf Wahlentscheidungen getroffen wurden. In einem Satz die ganze Wahrheit. Das wird jedoch Caritas&Co nicht hindern, wieder die Lüge zu verbreiten, dass Wirtschaft, Unternehmer und Banken die Schuldigen seien.
  12. Gar nicht erfreulich ist wiederum, dass die Schaffung eines europäischen Insolvenz-Regimes für insolvente Staaten wieder ganz in den Hintergrund gerückt ist.
  13. Dass auch in Österreich noch immer nicht alle die Notwendigkeit des Sparens verstanden haben, zeigt etwa die Reaktion Karl Aigingers, des Chefs des Wiener Wirtschaftsforschungsinstituts. „Es ist zu viel über Konsolidierung gesprochen worden, und zu wenig darüber, wie man das Wachstum stärken kann.“ Damit legt er der österreichischen Politik neuerlich die Leiter für weitere Schuldenmacherei. Zwar könnte man das Wachstum auch ohne neue Schulden, nämlich durch scharfe Deregulierung und Privatisierung fördern, aber davon redet Aiginger ganz bewusst nicht. Schließlich erhält das Wifo viele Aufträge von der schuldengierigen Arbeiterkammer.
  14. Und damit es auch etwas zu lachen gibt: Werner Faymann verkauft sich und sein Verhalten beim Gipfel (wie immer: Zustimmung ohne irgendeine konstruktive eigene Meinung) nun als Rettung der Spareinlagen. Das ist natürlich noch ein Grund mehr, sich um diese zu sorgen.

Noch einmal zurück zu den eingangs erwähnten freudigen Fanfaren ob der Gipfelbeschlüsse. Die erinnern stark an die Freude eines Drogensüchtigen, wenn er neuen Stoff bekommt. Obwohl er im Grund genau weiß, dass ihm nur noch ein scharfer wie schmerzhafter Entzug helfen würde. Nicht anders ist es um die europäische Schuldenwirtschaft bestellt.

Daher sollte es niemand sonderlich ernstnehmen, wenn die Börsen kurzfristig jubeln, weil das alles, woran wir noch Jahrzehnte zahlen und leiden werden, jetzt – vielleicht – ein oder zwei Quartalsergebnisse zu verbessern vermag.

 

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Euro-Leid und Euro-Lyse

27. Oktober 2011 16:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Der Rettungsschirm, zwar aufgestockt,
ist selber in Bedrängnis –
weil im Konzept bereits verbockt
aus Panik vorm Verhängnis.

Denn das, worum es letztlich geht,
ist nicht geborgter Glitzer,
es ist vielmehr die Bonität
der Tripel-A-Besitzer.

Und steht da einer unter Druck,
kommt schnell ein A abhanden –
doch auch beim Schirm ist ruckezuck
das Tripel-A zuschanden!

Was könnte sonst der Ausweg sein,
wie raus aus Sumpf und Nebel?
Da fiel wem Archimedes ein,
der Grieche mit dem Hebel:

Der meinte einst ja klipp und klar,
er könnt’ per Hebel eben
die ganze weite Welt sogar
aus ihren Angeln heben.

Und wenn sie auszuhebeln ist,
so scheint man nun zu denken,
dann klappt es wohl, mit Hebel-List
sie wieder einzurenken!

Nur leider hat’s zu kurz gefunkt:
Der Alte sagte nämlich,
Bedingung sei ein fester Punkt,
denn ohne den wär’s dämlich.

Ob so, ob so, als Fakt besteht
bei dem, was grad im Gange:
Am kürzern Hebelarm gerät
erst recht man in die Zange!

Was also tun fürs Tripel-A
am Rande des Infarktes?
Probiert’s mal in Amerika,
dem Hort des freien Marktes:

Ihr könntet dort auf einen Streich
– statt euch das Haar zu raufen –
mit Hebel-Milliarden gleich
die A-Verkäufer kaufen!

Ihr Hebler aber macht jetzt gar
den Schirm zur „Feuermauer“ –
ihn, der verstockt verdoppelt war!
Gibt’s ärgere Kalauer?

Schafft besser ihn zur Prosektur,
den Balg, den ruinösen –
es kann doch Euro-Lyse nur
vom Übel uns erlösen!

Pannonicus

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Die Räuber gehen jetzt auch betteln

27. Oktober 2011 01:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was hat nun dieser so laut betrommelte Schicksalsgipfel der EU gebracht? Natürlich nicht die in Aussicht gestellte Stabilisierung einer schwer verschuldeten Staatengemeinschaft. Die Sparankündigungen sind offensichtlich noch immer nicht ernst gemeint, wie beispielsweise ein Heinz Fischer sehr anschaulich zur gleichen Stunde in Wien bewiesen hat. Dafür ist man voll kaum noch bemäntelter räuberischer Energie den Banktresoren, also unserem Ersparten ein gutes Stück näher gekommen. Ebenfalls erhöht hat man durch eine riskante Hebel-Operation das Risiko, dass die Hilfsgelder und Garantien der Steuerzahler ganz verloren sind. Und ganz neu ist schließlich: Die EU-Chefs haben die Union in einen Verein der organisierten Bettelei verwandelt. Was nun wirklich eine neue Verfallsstufe darstellt. Tiefer geht’s wohl kaum mehr. (nachträgliche Ergänzung am Ende)

EU-Exponenten werden als wichtigstes Ergebnis dieses Gipfels in den nächsten Tagen reihenweise vor allem China, aber auch all die anderen Staaten heimsuchen, die es in den letzten Jahren durch Fleiß, Disziplin und Sparsamkeit zu etlichen Ersparnissen gebracht haben. Also durch all die Eigenschaften, die der real existierende Schulden-Sozialismus der meisten EU-Länder gar nicht so gern mag.

Ob die europäischen Bittsteller in China auch etwas Kleingeld bekommen werden? Wahrscheinlich schon – aber ganz sicher nicht ohne schmerzhafte Gegenleistungen, die wohl auch, aber nicht nur in einem totalen Boykott des Dalai Lama und einem Fallenlassen des demokratischen Taiwans bestehen werden. Schließlich regieren in Peking beinharte Machtmenschen, die nicht gerade zu einem Orden der christlichen Nächstenliebe werden wollen. Den europäischen Regierungschefs in ihrer Schuldennot sind aber Menschenrechte und Demokratie völlig wurscht.

Das, was man mit den Banken vorhat, ist klar. Man will sie unter dem scheinheiligen Vorwand erhöhter Eigenkapitalanforderungen teilverstaatlichen, damit man leichter an deren Geld herankann. Vielleicht können das die relativ starken deutschen Banken noch irgendwie abbremsen, die einst so stolzen österreichischen Banken scheinen zu schwach, zu orientierungslos und zu uneinig zu einer organisierten Verteidigung unserer Spareinlagen.

Natürlich spricht nichts gegen einen erhöhten Prozentsatz an notwendigem Eigenkapital. Das bringt zwar keinen Ertrag, aber Sicherheit. Völlig unklar und wohl nur als Schikane zu verstehen ist aber, wieso als anrechenbares Eigenkapital nicht auch sogenannte Partizipationsscheine und ähnliche Gelder angerechnet werden dürfen, die ja voll für die Einlagen haften. Und ein zweites ist noch schlimmer: Offenbar will man den Banken sogar verbieten, ihre Bilanzsumme durch Herunterfahren von Krediten und Einlagen zu reduzieren. Ein solches Verbot wäre freilich eine massive Grundrechtsverletzung, die gegen alle in den letzten Jahren viel beschworenen Menschenrechtskataloge verstoßen würde.

Dabei würde durch das Herunterfahren der Banken-Bilanzsumme das legitime Ziel einer Risikoreduktion beziehungsweise einer Erhöhung der Eigenkapitalquote voll erreicht werden. Der Anteil des sicheren Eigenkapitals wird ja automatisch größer, wenn sich die Bilanzsumme reduziert. Gerade eine solche Erhöhung der Sicherheit wollen aber die Staaten offenbar nicht. Der Grund ist klar: Denn dann würden Banken wackligen Euro-Ländern noch weniger Geld als zuletzt borgen. Sicher bekäme dann auch die Wirtschaft weniger Kredite. Aber es waren ja gerade die angeblich zu riskanten Kreditvergaben, welche den Banken als einziges vorgeworfen werden konnten. Erzwungene Kreditvergaben haben aber erstens mit einer freien Wirtschaft überhaupt nichts mehr zu tun, und sind zweitens genau das, was in Amerika die Wirtschaftskrise überhaupt ausgelöst habt ( das waren nämlich die vom Staat anbefohlenen Subprime-Hypotheken an einkommenslose Menschen).

Gleichzeitig glaubt man, die Banken gezwungen zu haben, auf 50 (oder mehr?) Prozent ihrer Forderungen an Griechenland verzichtet zu haben. Und zwar "freiwillig". Erst die nächsten Tage werden zeigen, ob dem wirklich alle Gläubiger Griechenlands freiwillig zustimmen. Und vor allem: Ob eine solche erzwungene Freiwilligkeit nicht weltweit als das bezeichnet wird, was sie ist: eine Insolvenz Griechenlands mit einer 50-prozentigen Quote. Falls die Rating-Agenturen noch einen Rest an Unabhängigkeit haben und nicht auch schon ganz von den Staaten vergewaltigt worden sind, dann müssten sie die Dinge beim Namen nennen.

Eine solche Insolvenz samt Schuldenschnitt ist zwar unumgänglich. Wenn sie aber beim Namen genannt wird, dann wäre das für Griechenland, aber indirekt auch andere Staaten noch viel schmerzhafter. Weil dann Griechenland eben als das gelten würde, was es ist: nämlich insolvent. Und damit würde auch die Fiktion kollabieren, dass europäische Staatsanleihen 100 Prozent sicher wären, "mündelsicher" sogar.

Irgendwie erinnert diese "Freiwilligkeit" an den "freiwilligen" Verzicht des 1918 gestürzten Kaisers oder an den "freiwilligen" Anschluss 1938 ans Hitler-Reich.

Wirtschaftlich ist dieser Umgang mit den Banken ein mörderisch gefährlicher Weg Richtung eines Neokommunismus, den die EU-Staaten da in ihrer Not einschlagen.

Umso schlimmer ist es, wenn der Sparwille der Staaten selbst nur in billigen Ankündigungen besteht, die aber offensichtlich nicht ernst gemeint sind. Das zeigte besonders anschaulich die Rede des Bundespräsidenten zum österreichischen Nationalfeiertag. Er forderte dort noch „Mehr soziale Gerechtigkeit“. Das, obwohl völlig klar ist, dass es nichts anderes als dieser ständige Ausbau sogenannter „sozialer Gerechtigkeit“, also schuldenfinanzierter Konsumausgaben, gewesen ist, der – auch – Österreich in eine überaus kritische Schuldensituation getrieben hat. Dennoch soll es laut Österreichs höchstrangigem Sozialdemokraten noch mehr davon geben.

Was zeigt, dass sie noch überhaupt nichts begriffen haben. Davon kann auch die billige Hetze Fischers gegen irgendwelche ungenannt gebliebenen „Finanzjongleure oder Rohstoffspekulanten“ nicht ablenken, die unverschämt viel verdienen würden. Gewiss haben vor allem in Amerika manche in manchen Jahren exorbitant gut verdient. Kluge Politik sollte daher immer solche Marktregeln setzen, dass übermäßige Profite durch mehr Wettbewerb verhindert werden (es sei denn, diesen Profiten stehen auch übermäßige Risiken gegenüber).

Wenn nun aber in Österreich die Sozialdemokraten gegen nicht näher definierte  „Finanzjongleure“ zu hetzen beginnen, dann ist das ganz sicher nur ein reines Ablenkungsmanöver: Es soll die eigenen Unterlassungen und Verschwendungen vertuschen. Denn erstens sind diese im Geld versinkenden „Jongleure“ höchstens in London, Singapur und New York zu finden und nicht in Wien; zweitens sind sie auch dort zweifellos nicht Regel-, sondern Einzelfälle, die von irgendwem aufgebauscht worden sind; und drittens: Wenn es in Österreich wirklich solche Jongleure geben sollte, dann sind die spätestens seit der Bundespräsidenten-Rede samt ihrem Geld über die Grenze und werden ganz sicher Fischers billiges – nein eigentlich: sehr teures – Populismusgerede von noch „mehr sozialer Gerechtigkeit“ nicht finanzieren. Das wird vielmehr wieder der Mittelstand tun müssen, den Fischer heuchlerisch zu schützen vorgibt.

In ganz ähnlicher Weise wird auch die europäische Politik des „Lieber Banken überfallen statt selber sparen“ nur dazu führen, dass die Banken des Euroraum rasch an Bedeutung verlieren werden – wenn sie nicht überhaupt große Geschäftsfelder ganz aus dem Euroraum hinausverlegen. Was sie hoffentlich zum Schutz unserer Spargelder tun werden.

Spätere Ergänzung: Die österreichische Finanzmarktaufsicht behauptete wenige Stunden nach dem Gipfel, dass das staatliche Partizipationskapital in den Banken sehr wohl auf die Eigenkapitalquote angerechnet würde. Das wäre eine spürbare Reduktion einer der in diesem Beitrag geäußerten Sorgen, nur steht die Aussage der FMA in Widerspruch zu dem offiziellen Wortlaut der Gipfelerklärung: "9% of the highest quality capital". Darunter ist bisher nie das zwangsverzinste, aber stimmrechtslose Partizipationsgeld verstanden worden, das der Staat den Banken vor zwei Jahren gegeben hat. Und Tatsache bleibt ebenso, dass das vor kurzem detailliert ausgearbeitetete Basel-III-Abkommen aller internationalen Notenbanken für weit geringere Eigenkapitalquoten eine Frist bis 2018 vorgesehen hatte.

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Achtung Banküberfall

26. Oktober 2011 00:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vor unser aller Augen findet soeben der größte Banküberfall der Menschheitsgeschichte statt. Jedoch die Mehrheit der Bürger klatscht dazu. Wie das? Und wer ist der Täter?

Täter sind die Staaten Europas. Sie sind fast alle durch ihre sich ständig eskalierende Schuldenpolitik schwerst verschuldet, mit denen sie – beziehungsweise die jeweils regierenden Parteien – seit Jahrzehnten die Bürger bestochen haben. Und nun sehen sie wie so mancher Pleitier in einem großen Banküberfall den letzten Ausweg. Die Staaten kommen aber nicht etwa heimlich in der Nacht oder durch den Keller, sondern tagsüber durch den Haupteingang.

Auf diesen Kern lässt sich der Hintergrund der Groteske um die ständig verschobenen und vertagten EU-Gipfel bringen. Es geht dabei um nichts anderes als um die detaillierte Vorbereitung dieses Banküberfalls und um den Konflikt zwischen den einzelnen Bandenmitgliedern über die Aufteilung der Beute.

Da keiner der Staaten ernsthaft – was unweigerlich heißt: schmerzhaft – sparen will, ist die Schuldenlast der Staaten schon so erdrückend, dass immer weniger Geldbesitzer bereit sind, Staaten weiteres Geld zu borgen. Daher sollen die Banken jetzt gezwungen werden, auf mehr als die Hälfte ihrer bisherigen Forderungen an Griechenland verzichten. Und wenn sie das einmal bei Griechenland getan haben, dann werden sie in loser, aber unweigerlicher Folge auch Portugal, Italien, Spanien und bald auch Frankreich ihrer Schulden befreien müssen. Mittelfristig werden wohl sogar die Finanzminister Österreichs und Deutschlands nach einer solchen Entschuldung lechzen.

Gewiss: Der zwangsweise Verzicht auf Forderungen passiert auch in jedem Konkurs. Das ist Teil des normalen Lebens, auch wenn dadurch viele Gläubiger selbst in Konkursgefahr kommen.

Jedoch gibt es für Staaten gar kein Konkursrecht. Darauf haben die Eu-Staaten – nein, nicht vergessen, sondern vorsätzlich und damit schuldhaft verzichtet, als sie die gemeinsame Währung eingeführt haben. Die Staaten wollten und wollen unbedingt jene Konsequenz vermeiden, den ein formeller Konkurs hat: Ein Masseverwalter übernimmt an Stelle des Pleitiers das Kommando, verwertet alle Vermögensbestände, die er noch vorfindet, und teilt deren Gegenwert gerecht auf die Gläubiger auf.

Einen solchen Masseverwalter wollen die EU-Länder aber nicht akzeptieren. Lediglich Deutschland kommt jetzt – viel zu spät – darauf, dass man diesbezüglich die Verträge unbedingt ändern müsste. Die anderen wollen aber alle keine Vertragsänderung, weil das die politische und diplomatische Klasse in allzu demütigender Weise entmachten würde (oder weil man es einer Boulevardzeitung versprochen hat . . .).

Dennoch hat man einst die gemeinsame Währung eingeführt, obwohl sie ohne ein Konkursrecht extrem krisenanfällig ist. Durch den gemeinsamen Euro ist nämlich das in der Praxis meistverwendete Ventil zur Verhinderung einer Pleite weggefallen: Das war die Abwertung der nationalen Währung samt dem damit verbundenen kräftigen Schnitt durch alle Einkommen und Vermögen jenes Landes.

Ohne Möglichkeit eines Staaten-Konkurses kann man aber nach geltendem Recht auch die Banken und sonstigen Sparer und Anleger nicht zwingen, auf einen bestimmten Prozentsatz ihrer Forderungen zu verzichten. Zwar haben die Banken im Sommer zu einem Großteil freiwillig zugesagt, im Gegenzug für die Garantie ihrer restlichen Forderungen auf 21 Prozent der Forderungen gegen Griechenland zu verzichten.

Bei einem Forderungsverzicht in Höhe der nun zur Diskussion stehenden 50 bis 60 Prozent wird es aber eine sichere Konsequenz geben: Eine Reihe von Gläubigern wird das nicht akzeptieren, sondern Exekution gegen Vermögenswerte Griechenlands führen, sobald sie dieser irgendwo habhaft werden. Das kann etwa zur Beschlagnahme von Flugzeugen oder Schiffen führen. Das kann auch jedes griechische Bankkonto in der Welt treffen. Womit ein Euroland praktisch vom internationalen Wirtschaftsleben abgeschnitten wäre.

Überdies würde ein erzwungener Forderungsverzicht dazu führen, dass auch die Anleihen aller übrigen Euro-Staaten von potenziellen Geldgebern als wackelig angesehen werden. Was zumindest zu erhöhten Zinssätzen für weitere Anleihen irgendeines europäischen Staates führen würde. Einschließlich jener Deutschlands. Das versucht die EU zwar nun durch den nächsten Gewaltakt zu verhindern, indem den Rating-Agenturen die Veröffentlichung der Bewertung von europäischen Krisenstaaten verboten werden soll. Wenn mein Spiegel ein hässliches Bild zeigt, schlage ich ihn halt kaputt. Aber das wird China&Co nur erst recht zögerlich machen, weitere Kredite Richtung Europa zu vergeben.

Daraus folgt nun fast zwingend die nächste Etappe des Bankraubs: Die Staaten versuchen jetzt, die Banken direkt zu enteignen. Denn sobald die Staaten als Eigentümer die Kontrolle über die Geldinstitute haben, werden diese verstaatlichten Banken plötzlich wieder – Überraschung, Überraschung – Kredite an Griechenland&Co vergeben und „freiwillig“ auf ihre alten Forderungen verzichten. Das Ganze wird dann euphemistisch „Umschuldung“ genannt, damit ein Teil der Sparer so blöd ist, sein Geld weiter in solchen Staatsbanken zu lassen – wenn sie nicht überhaupt per Gesetz dazu gezwungen werden.

Die Enteignung der Banken wird natürlich nicht freiwillig erfolgen, sondern durch Gewalt. Man zwingt die Banken zu Kapitalerhöhungen durch Eintritt des Staats als Aktionär. Banken, die sich dagegen wehren, bekommen die vielfältigsten Daumenschrauben angesetzt. Denn die Bankräuber können blitzschnell in die Rolle des Bankenaufsehers wechseln.

So hat es schon in der Vorwoche Hausdurchsuchungen der EU-Kommission bei allen großen Banken gegeben. Dies geschah unter dem Vorwand eines bis dahin von niemandem geäußerten Vorwurfs, dass die Banken den Zinssatz des Euribor manipulieren würden. Was nach Ansicht vieler Experten technisch gar nicht möglich ist.

Gleichzeitig setzt man die Banken auch durch ständige europäische Stresstests unter Druck: Noch im Sommer haben die politisch bestellten „Experten“ erklärt, dass die europäischen Banken einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 2,5 Milliarden haben. Jetzt ist plötzlich von 80 Milliarden Euro die Rede. Ob da noch irgendetwas glaubwürdig ist, ist der Politik längst völlig egal. Sie kämpfen um das Geld der Banken und nicht mehr um die eigene Glaubwürdigkeit.

Besonders grotesk ist der doppelte Vorwurf der Staaten an die Banken, mit denen diese auch moralisch auf die Anklagebank gesetzt werden: Die Banken hätten den Staaten erstens zu viel Geld geborgt, und die Banken würden zweitens den Staaten jetzt kein Geld mehr borgen. Zwar werden diese beiden einander zu 100 Prozent widersprechenden Vorwürfe meist nicht – wie hier – in einem Satz zusammen formuliert; in gewissem zeitlichem Abstand geniert man sich aber keineswegs, so widersprüchliche Anschuldigungen zu erheben.

Die Staaten schweigen hingegen total in Hinblick auf ihre eigene Mitschuld beziehungsweise auf jene der im Staatsbesitz befindlichen Nationalbanken: Diese haben nämlich durch die Basel-Abkommen offiziell dekretiert, dass Kredite an Staaten absolut sicher seien, daher auch nicht durch irgendwelche Bankreserven abgesichert werden müssten. Das erhebt freilich den Vorwurf der Staaten an die Banken, zu viele Kredite an Staaten vergeben zu haben, endgültig in den Bereich des Absurden.

Ein weiteres Instrument der Staaten, um den Weg zu den Banktresoren freizubekommen, sind neue Steuern: Bankensteuern, Kursgewinnsteuern, Finanztransaktionsabgaben. Das schmälert die Eigenkapitalbasis der Banken beträchtlich. Und gleichzeitig schreibt man den Banken höheres Eigenkapital vor, um sie noch weiter sturmreif zu schießen.

Überdies wird ständig auch von noch weiterem „Regulierungsbedarf“ geredet. obwohl die Banken seit langem extrem detailliert reguliert und kontrolliert sind. Die Möchtegernregulierer, also die Staaten, sind hingegen bei ihrer leichtfertigen Schuldenpolitik praktisch überhaupt nicht reguliert. Obwohl drastische Sparsamkeit der Staaten der einzige funktionierende Weg zur Sanierung wäre. Schuldenbrems-Regeln wie die Maastricht-Kriterien hat man einfach ignoriert.

Beim zweiten Objekt ihrer Begierde, dem Steuerzahler, kommen die Staaten mit weiteren Auspressaktionen derzeit schlecht voran. Davor schützt uns derzeit noch der deutsche Bundestag und das deutsche Verfassungsgericht ein wenig, die beide weitere Haftungen und Geldflüsse zugunsten der Schuldenstaaten verhindern.

Daher bleibt den Euro-Staaten nur noch der gefinkelte Plan des hier skizzierten Banküberfalls. Erstaunlich ist lediglich: Die Sparer (ob über Sparbuch, Anleihendepot, Lebens- oder Rentenversicherung) begreifen gar nicht, dass sie dessen eigentlichen Opfer sind. Sie bejubeln sogar zum Gutteil diesen Überfall, weil sie den vom staatlichen Propagandaapparat ausgestreuten Schauermärchen glauben, dass die Banken die Schuldigen an der Katastrophe seien und dass dort noch viel Geld zu holen sei.

Nur noch eine letzte Zahl, um zu zeigen, dass den Staaten dieses Aufbrechen aller Banktresore gar nicht viel helfen wird: Denn beispielsweise Österreichs Staatsverschuldung wird zu 80 Prozent von ausländischen Gläubigern gehalten. Die könnte man aber nur noch durch Einsatz des Bundesheeres berauben. Aber das steht leider derzeit fast zur Gänze als Kinderspielzeug am Heldenplatz . . .

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Die „Reichen“-Lüge der Gewerkschafter

25. Oktober 2011 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war in den letzten Wochen ein von Gewerkschaftern ständig verwendetes Argument. Es ist aber dennoch eine aufgelegte Lüge: Die Aktionäre hätten in den letzten Jahren so dick verdient, dass Rekordlohnerhöhungen gerechtfertigt wären. Wahr ist das Gegenteil: Niemand anderer als diese Gruppe der von den Linken so gehassten Kuponschneider hat in den letzten Jahren mehr verloren als irgendjemand sonst. Lohnempfänger, Bezieher niederer Pensionen oder Sozialhilfeempfänger haben hingegen auch in diesen fünf Jahren satte Realgewinne erzielt, also mehr als die Inflationsrate.

Warum die Wirtschaftskammer als Verhandlungspartner der Gewerkschaft solches nicht zu sagen wagt? Nun, sie ist geistig längst einer Mischung aus Greißlerdenken, personeller Ausdünnung und sozialpartnerschaftlicher Gehirnerweichung erlegen. Da besteht nicht mehr viel Hoffnung.

Noch schlimmer werden die Dinge übrigens, wenn nächstes Jahr auch in der Industriellenvereinigung ein ideologisch extrem weit links stehender Mann an die Macht kommt. Der Herr Kapsch hat nicht nur eine Vergangenheit am linken Flügel des Heide-Schmidt-LIF, wo man nur linke Gesellschaftspolitik, aber keine nennenswerte Wirtschaftsliberalität verfochten hat; er ist auch geschäftlich in hohem Ausmaß von der Gemeinde Wien und anderen staatlichen „Kunden“ abhängig.

Nirgendwo aber werden in der Politik die Interessen jener vielen Menschen des Mittelstandes vertreten, die durch den Kauf von Aktien oder Anleihen für ihr Alter, ihre Familie und Notfälle vorsorgen wollten.

Die Anleihe-Besitzer werden zumindest in Zukunft katastrophal geschoren werden. Es werden zweifellos nicht nur die Besitzer griechischer Staatsanleihen sein, welche Opfer radikaler „Haarschnitte“ werden. So nennt man ja neuerdings euphemistisch einen dramatisch Wertverlust, der im Falle Griechenlands sogar größer als 50 Prozent sein dürfte. Dieser Verlust wird die Käufer von Anleihen treffen ebenso wie jene, die auf dem Weg von Lebensversicherungen oder anderen Sparformen vorsorgen wollten. Statt „Haircut“ sollte man da lieber gleich „Headcut“ sagen.

Aber auch für jene, die das durch den Kauf von Aktien oder Aktienfonds vorsorgen wollten, schaut es schlecht aus. Für sie waren schon die letzten fünf Jahre bitter. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Vorjahr einen Lichtblick bedeutet hat. Denn vor fünf Jahren stand beispielsweise der österreichische Aktienindex über 4000 Punkten. Derzeit krebst er unter 2000 herum. Auch international war die Entwicklung keineswegs besser.

Natürlich hat es in einigen dieser Jahre bei einigen der Aktiengesellschaften Dividenden-Auszahlungen gegeben. Aber die haben niemals diesen Kursverlust abgedeckt, geschweige denn zusätzlich die Inflation, von deren automatischer Abdeckung Linke und Gewerkschafter bei ihren Froderungen wie von einem göttlichen Grundgesetz ausgehen.

Die Gesamt-Performance lässt sich zwar etwas schwerer berechnen als der reine Aktienwert, weil bei jeder Gesellschaft die Ausschüttungen unterschiedlich liefen. Das kann am ehesten bei einem Blick auf die Investmentfonds geschehen, die einen Durchschnitt durch die Entwicklung mehrerer Aktien bilden. So hat sich der Wert von „ESPA-Stock Vienna“, der in seriöse österreichische Aktien investiert, in diesen fünf Jahren einschließlich der Ausschüttungen halbiert. Würde man übrigens mit einem Datum vor vier Jahren vergleichen, wäre der Absturz noch viel dramatischer. Aber ich bleibe bewusst bei dem typischen Durchschnittswert von fünf Jahren, mit dem viele ernsthafte Analysen arbeiten.

Die Lüge „Die Reichen werden immer reicher“ wird dennoch ständig weiter verbreitet. Und wenn schon einen Tag die Gewerkschafter schweigen, dann holen die sogenannten Kulturjournalisten sofort irgendwelche „Experten“ wie den Sänger Harry Belafonte aus der Schublade, damit diese ähnliches verzapfen. Und keiner dieser Journalisten ist imstande nachzuschauen, was wirklich wahr ist.

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Sitzen wir in der chinesischen Falle?

24. Oktober 2011 18:42 | Autor: Georg Vetter
Rubrik: Gastkommentar

Es scheint, als träfen sich die 17 EU-Staaten in immer kürzeren Abständen, um die von Griechenland ausgelöste Schuldenkrise zu meistern.

Die Sache ist ja auch gar nicht so einfach. Wir haben mitbekommen, dass es einen Schuldenschnitt um die 50 Prozent geben muss. Um uns eine solche Maßnahme schmackhaft zu machen und die semantischen Aversionen niedrig zu halten, muss ein Begriff aus der Körperpflege herhalten: her mit dem Haircut.

Da die Märkte die Griechenland–Pleite schon vorweg genommen haben, sind die Kurse der hellenischen Anleihen bereits in den letzten Wochen in den Keller gerasselt. Andreas Treichl erklärte erst vor ein paar Tagen, dass die ERSTE Bank diese Papiere wegen der Erwartungshaltung der Investoren verkaufen musste. Ob dies auch die Kommunalkredit – also jene verstaatlichte Bank, der man besonders viele Griechen-Anleihen nachsagt – getan hat? Oder werden wir doppelt zahlen?

Politisch lässt sich der Haircut gegen institutionelle Investoren – so diese die genannten Anleihen überhaupt noch halten – scheinbar leicht verkaufen. Banken und Millionäre machen ja sowieso die Staatsfeinde Nummer eins aus.

Eine Gruppe lassen wir allerdings völlig außer Acht: Die Chinesen. Das Reich der Mitte hat vor ein paar Jahren beschlossen, einerseits seine militärischen Kapazitäten sowohl im Weltall als auch im Westpazifik zu erhöhen, andererseits mit kapitalistischen Methoden die Weltwirtschaft zu dominieren. Schon Alan Greenspan beschreibt in seinem Buch „The age of turbulance“ die erstaunlichen Fortschritte der chinesischen Finanzindustrie, deren Akteure zu einem guten Teil in den USA ausgebildet wurden.

Teil dieser chinesischen Strategie ist es offensichtlich, unter dem Vorwand der Hilfsbereitschaft, Staatsanleihen der taumelnden PIIGS-Staaten (Portugal, Irland, Italien, Griechenland, Spanien) aufzukaufen. Ganz so uneigennützig ist dies allerdings nicht. Erst letzte Woche setzte es aus China Drohgebärden, als sich der amerikanische Kongress daran machte, die eigene Volkswirtschaft vor den Chinesen in Schutz zu nehmen.

Jeder kann sich an seinen fünf Fingen ausrechnen, dass sich die führenden europäischen Politiker nicht einmal anzuklopfen trauen werden, ob man sich in China an einem Haircut beteiligen wolle. Mit anderen Worten: Die Chinesen werden wohl zum Nominale abgefunden werden, an den Kursdifferenzen und den überdurchschnittlich hohen Zinsen verdienen und sich auf den nächsten Schnitt im verschreckten Europa freuen.

Schon Sun Tzu hatte formuliert: „Der beste Weg einen Gegner zu besiegen, besteht darin, ihn davon zu überzeugen, dass er nicht gewinnen kann.“ Diese Überzeugung dürfte sich bei den europäischen Politikern derzeit breit gemacht haben. Denn jene Lösung, die dem Einfluss des libyschen Kapitals ein jähes Ende bereitete, scheidet aus.

Letztlich führt kein Weg daran vorbei, dass sich Europa von seinen Traumtänzereien verabschieden wird müssen, um in der Weltpolitik und in der Weltwirtschaft zu bestehen. Die Vollkaskomentalität des Wohlstandsstaates, dass vom Kindergarten über die Gesundheit bis zum Frieden alles gratis zu sein hat, wird in Zukunft wenig Platz haben. Mangels bedeutender Rohstoffe werden wir nur durch harte Arbeit unseren Wohlstand erhalten können. Von nachgefragter Ausbildung über marktfähige Produkte bis hin zu einem adäquaten Verteidigungsbeitrag werden wir uns schlicht und einfach anzustrengen haben.

Nur der verdient sich Freiheit, der täglich sie erobern muss.

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt mit Schwergewicht auf Gesellschaftsrecht und Wahrnehmung von Aktionärsinteressen in Publikumsgesellschaften.

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So vergeht der Ruhm der Welt

23. Oktober 2011 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der Wirtschaftskrise zum Trotz, erfreut sich eine Branche weiterhin weltweit bester Geschäfte: Die Rüstungsindustrie. Das in Schweden ansässige Internationale Friedensforschungsinstitut (SIPRI), beziffert das globale Volumen der Rüstungsausgaben des Jahres 2009 mit 1,531 Billionen Dollar, was einem Anstieg von sechs Prozent gegenüber 2008 und 2,7 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung entspricht.

So klamm können die Staaten gar nicht sein, als dass sie auf großzügige „Investitionen“ in ihr – nach dem Wohlfahrtskitsch – liebstes Steckenpferd verzichten würden: Waffen. Das Beispiel Griechenlands, das – dräuender Staatsbankrott hin oder her – soeben im Begriff ist, beachtliche 400 Stück amerikanischer M1-Abrams-Kampfpanzer zu beschaffen, ist bezeichnend. Während aber etwa die deutsche und die schweizerische Industrie am boomenden Rüstungsgeschäft prächtig teilhaben, geht der Segen an den österreichischen Unternehmen weitgehend vorbei.

Sucht man im Internet nach österreichischen Rüstungsbetrieben, gelangt man über das Stichwort Österreichische Militärgeschichte alsbald zum Punkt Rüstungshersteller. 15 Betriebe sind hier gelistet. Davon sind zehn nur noch von historischem Interesse – es gibt sie nicht mehr.

Um nur drei davon zu nennen: Die Österreichische Flugzeugfabrik in Wiener Neustadt, die Gewehrfabrik Wien auf dem Alsergrund, oder die Wöllersdorfer Werke wurden längst geschlossen. Militärisch genutzte Waffen werden im beispielhaft friedliebenden Land am Strome heute nur noch von Betrieben produziert, deren Zahl an den Fingern einer Hand abzuzählen ist.

Dabei verbinden sich mit Namen wie Joseph Werndl, Ferdinand Mannlicher oder Leopold Gasser zum Teil wegweisende Entwicklungen auf dem Gebiet der Waffentechnik. So produzierte Joseph Werndl, zusammen mit Karl Holub – nach der Niederlage der österreichischen Nordarmee gegen die Preußen bei Königgrätz – den ersten „echten“ Hinterlader für die Donaumonarchie: Das Werndl-Gewehr mit Tabernakelverschluß. Zuvor war der Versuch, den vorhandenen Bestand an Lorenz-Vorderladergwehren zu Hinterladern umzubauen (System Wänzl) an technischen Unzulänglichkeiten gescheitert.

Ferdinand Mannlicher entwarf ein 1886 patentiertes „Geradezugsystem“, das im Modell Mannlicher M-95 im Kaliber 8x50R seine Vervollkommnung fand. Diese Waffe, die, ähnlich wie das zeitgleich in der Schweiz entwickelte Schmidt-Rubin-Gewehr 1889, konstruktionsbedingt eine höhere Feuerfolge erlaubte, als konventionelle Repetiergewehre mit Kammerstengel, avancierte zur Ordonnanzwaffe der k.u.k. Armee.

Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wurden davon rund drei Millionen Stück in Steyr und in der Waffenfabrik Budapest gefertigt. Nach dem Krieg rüstete man die weiterhin von Militär und Polizei geführten Waffen auf die Patrone 8x56R um. Die Ausrüstung der Feldarmeen mit schweren Waffen (Artillerie) erfolgte zu einem großen Teil durch die Skoda-Werke im westtschechischen Pilsen. Die von der Wiener Firma Leopold Gasser produzierten Armeerevolver mit Spannabzug erfreuen sich in Sammlerkreisen noch heute großer Beliebtheit.

Derzeit beschäftigen sich in Österreich nur noch folgende Unternehmen in relevantem Ausmaß mit der Produktion militärisch genutzter (Waffen-)Systeme:

Der Erfolg von Produzenten militärischer Waffen ist in hohem Maße mit der Reputation verknüpft, die diese durch die Nutzung ihrer Produkte durch die Streitkräfte des Heimatlandes erwerben können. Einschlägige Referenzen stellen einen bestimmenden Faktor der Anerkennung dar. Österreichische Fabrikanten haben es daher bedeutend schwerer als ihre ausländischen Wettbewerber, da der heimischen Armee bekanntlich keine militärische, sondern – wenn überhaupt – eher Bedeutung als Objekt peinlicher parteipolitisch motivierter Ränkespiele zukommt.

Einen weiteren Nachteil bringt die Neutralitätsgesetzgebung mit sich, die in der Vergangenheit wiederholt dazu benutzt wurde, um Exportgeschäfte zu torpedieren. In diesem Zusammenhang sei ein bereits unter Dach und Fach befindliches, rechtlich einwandfreies Waffengeschäft mit Chile genannt. Es ging um den Export von Kürassier-Jagdpanzern.

Dazu weiß der deutsche „Spiegel“: Der linke Sozialist Erwin Lanc, damals Innenminister, verhinderte 1980 den Export von Steyr-Panzern nach Chile, ein Geschäft, dem Kanzler Kreisky, Verteidigungsminister Rösch und Außenminister Pahr bereits zugestimmt hatten. Gegen Panzerlieferungen an Argentiniens Militärjunta hingegen hatte Lanc nichts einzuwenden. Die Menschenrechtsverletzungen dort erschienen ihm „weniger arg".

In punkto moralisch verbrämter Heuchelei konnte und kann den Roten Kakaniens eben niemand das Wasser reichen. Zwar konnten dennoch insgesamt über 330 Exemplare des damals absolut auf der Höhe der Zeit befindlichen Jagdpanzers exportiert werden (z. B. nach Bolivien, Marokko und Tunesien). Allerdings wären wohl bedeutend größere Umsätze möglich gewesen, hätte ein höheres Maß an Rechtssicherheit für allfällige Interessenten geherrscht.

Schon davor, im Jahr 1977, gab es, unter der Ägide des parteilosen (später unter äußerst mysteriösen Umständen ums Leben gekommenen) Verteidigungsministers Lütgendorf eine Affäre um an Syrien gelieferte Steyr-„Sportgewehre“ (!) nebst ein paar Hunderttausend Schuß Munition. Besonders viel Staub wirbelte indessen im Jahre 1985 ein Skandal um die zum Voest-Konzern gehörende Firma Noricum auf.

Damals sollten 200 weitreichende GHN-45-Kanonen (Kaliber 155 mm) unter Bruch des Neutralitätsgesetzes an den Iran geliefert werden. Anstatt allerdings das längst obsolete Gesetz endlich zu entsorgen, verordnete sich die Republik lieber die Aufführung politisch korrekter Veitstänze – mit wirtschaftlich desaströsen Konsequenzen für das betroffene Unternehmen. Noricum ging wenig später pleite.

Trotz des für Waffenproduzenten nach dem Zweiten Weltkrieg beispielhaft ungünstigen Klimas im Lande, konnten einige Erfolge der heimischen Industrie von der Politik – trotz heißen Bemühens – nicht verhindert werden: Mit „Haflinger“ und „Pinzgauer“ konstruierten österreichische Ingenieure legendäre Militärfahrzeuge, die zu großen Exporterfolgen wurden.

Das Armee-Universal-Gewehr der Firma Steyr (StG 77 im Kaliber .223 Remington) erfreut sich bis heute weltweiter Anerkennung. Selbst die Filmschaffenden Hollywoods wurden längst auf diese interessante Waffe aufmerksam: In einschlägigen Action-Reißern findet sie sich stets in den Händen der Bösesten der Bösen…

Die mittlerweile für die verschiedensten Kaliber produzierte Glock-Pistole ist nicht nur bei der norwegischen Armee und zahlreichen Polizeieinheiten in den USA eingeführt, sondern zählt auch im Segment der privat genutzten Faustfeuerwaffen rund um den Globus zu den Verkaufsschlagern.

Die Philisterhaftigkeit, die in der Frage von Waffengeschäften im Allgemeinen und solcher von mit der Neutralitätsfrage verbundenen im Besonderen in der Alpenrepublik an den Tag gelegt wird, ist legendär. Österreich erwarb sich dadurch im überaus sensiblen Rüstungsgeschäft den Ruf eines dubiosen Akteurs. Die Diskriminierung im Waffengeschäft tätiger Unternehmen bei der Vergabe staatlicher Förderungen tut ein Übriges, um einschlägige Investitionen zuverlässig von Österreich fernzuhalten. Der Niedergang eines einst florierenden Industriezweiges wird unter diesen Umständen niemanden verwundern.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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Europa: eine große Idee zerbricht

22. Oktober 2011 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Europa steht am Rande des Zerbrechens: Zuerst wurde der EU-Gipfel um eine Woche verschoben, dann wurde schon vor Beginn des Gipfels eine „Unterbrechung“ beschlossen. Und nur noch eines ist klar: Es herrscht totale Ratlosigkeit, wie es weitergehen soll. Peinlicher geht’s nimmer.

Dabei geht es längst um die eigentlichen Existenzfragen der Union: Zahlen die Deutschen weiter für die Misswirtschaft in anderen, vor allem südlichen Ländern, wie sie es seit Jahrzehnten schon getan haben? Ziehen noch immer die moralischen Argumente, zuerst wegen deutscher Kriegsverbrechen, dann wegen der offenbar notwendigen Dankbarkeit für die großzügige Erlaubnis der Miteuropäer, sich wiederzuvereinigen? Wird Angela Merkel unter dem Druck der Schuldenmacher, insbesondere des französischen Staatspräsidenten Sarkozy wieder einmal einbrechen, so wie sie es schon mehrmals seit Mai 2010, also seit der ersten Griechenland-„Rettung“ getan hat? Oder hält diesmal der deutsche Widerstand, weil die Berliner Politik endlich erkannt hat, dass sie mit der ständigen „Rettung“ der Schuldenmacher längst das eigene Land gefährdet?

Merkel kann aber kaum mehr nachgeben, denn sie steht mit dem Rücken zur Wand. Sie bekommt keinen zusätzlichen Hilfs-Euro mehr durch das deutsche Parlament genehmigt. Ähnliches gilt wohl auch für die Slowakei, die Niederlande und Finnland, also jene Euro-Länder, welche die gemeinsame Währung nicht als Anlass zu hemmungsloser Schuldenmacherei verstanden haben.

Für Österreich gilt das alles natürlich nicht. Dieses Land hat ja seit längerem keine eigene Außen-, Europa- oder Währungspolitik mehr. Es ist geradezu rührend, wie sich ein Werner Faymann vor Europa-Gipfeln jedesmal um jede konkrete Festlegung herumdrückt, solange er noch nicht weiß, welcher Meinung er sein soll, solange ihm niemand aufschreiben kann, was denn am Ende der Gipfelbeschluss sein wird. Erst dann hat er ja seine überaus selbstsicher vorgetragene Meinung parat.

Gescheitert scheint – hoffentlich – jedenfalls der Versuch, den mit unseren Steuermitteln befüllten europäischen Haftungsfonds EFSF zu einer Bank zu machen, die sich bei der Europäischen Zentralbank refinanzieren darf. Denn das wäre der totale Persilschein, nein: Befehl, alle Euro-Druckmaschinen auf Volldampf einzuschalten.

Noch in Diskussion ist hingegen das Modell, aus den Haftungen der Euro-Staaten eine Teilkasko-Versicherung zu machen. Diesem Modell zufolge sollten die eigentlichen Kredite zugunsten Griechenlands und seiner Schuldengenossen auf dem freien Markt aufgenommen werden, die dann zu rund 20 bis 30 Prozent eine Ausfallversicherung durch den EFSF erhalten. Damit könnte man das Rettungsvolumen verfünffachen. Also: Erst wenn ein Kredit an Griechenland teilweise oder ganz ausfällt, werden die EFSF-Gelder aus Deutschland, Österreich & Co herangezogen. Diese aber zuerst! Und dann erst die eigentlichen Gläubiger. Damit ist freilich fast sicher, dass am Ende all das EFSF-Geld weg sein wird, das die einzelnen Staaten in den letzten Wochen durch Barzahlungen und Haftungen für diesen EFSF geschaffen haben.

Ein wenig harmloser klingt ein zweites Modell: Diesem zufolge würden die EFSF-Gelder bei einem Teilausfall nur zu jenem Prozentsatz herangezogen, zu dem auch der Kredit ausfällt. Dann wäre bei einer Pleite der EFSF nicht primär, sondern nur im gleichen Prozentsatz betroffen wie die privaten Kreditgeber.

Das zweite Modell hat aber noch mehr als das erste einen Denkfehler: Es ist wohl aussichtslos, ausreichend neue Geldgeber finden zu wollen, die bereit sind, zu 70 bis 80 (oder im zweiten Modell noch mehr) Prozent selbst das Risiko eines an Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und wohl auch Frankreich vergebenen Megakreditvolumens zu tragen. Scheint doch schon jetzt klar zu sein, dass sogar die Annahme einer 50-prozentige Rückzahlungsrate im Fall Griechenlands überoptimistisch ist.

Als drittes Modell bleibt der Internationale Währungsfonds. Das ist freilich jene Institution, die in den letzten Jahrzehnten primär Entwicklungsländer mit beinharten, aber wirksamen Sparauflagen unterstützt und saniert hat. Damit ist aber die EU und die Eurozone als stolze Selbsthilfegruppe endgültig gescheitert.

Die Deutschen lassen sich freilich von den weinerlichen Stimmen der Griechen und der versammelten Linken immer weniger beeindrucken, dass man einfach zu viel von den Griechen an Einsparungen verlange. Dass es deswegen ganz verständlich sei, dass diese ihre Sparzusagen nicht ernsthaft eingehalten haben.

Um dieses Gejammer zu widerlegen, genügt es, nach Irland zu schauen: Dieses Land ist durch Bankenkrachs im Vorjahr ebenfalls in eine ebenso tiefe Krise wie Griechenland gerutscht. Es ist aber inzwischen durch ehrliches und konsequentes Sparen – und ganz ohne Streiks! – wieder auf dem Weg der Besserung. Die irische Wirtschaft wächst wieder und die Arbeitslosigkeit geht zurück.

Statt neuer Kredite sollte man also den griechischen Gewerkschaftern (und ihren Apologeten etwa im ÖGB) ein paar Tickets nach Irland finanzieren, damit sie den Erfolg eines wirklichen Sparkurses sehen können. Irland zeigt: Ein solcher Kurs ist nicht nur eine Straße nach unten, sondern ein Sanieren führt am Ende wieder hinauf!

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Rede zum Rettungsschirm

21. Oktober 2011 05:42 | Autor: Richard Sulík
Rubrik: Gastkommentar

Hier folgen Auszüge aus der Rede Richard Sulíks, Slowakischer Parlamentspräsident und Chef der liberalen Regierungspartei „Freiheit und Solidarität“ (SaS), die er am 11.10.2011 zu der, von seiner Partei abgelehnten, Ausweitung des Euro-Rettungsschirmes hielt.

Vor sechzehn Monaten, genau am 12. Juni 2010, haben die Bürger in den Parlamentswahlen, nach vier Jahren Diebstahl und Vetternwirtschaft, einer Rechtsregierung das Mandat gegeben, aus der Slowakei ein besseres Land zu machen. Wir konnten uns über die Zusammensetzung der Regierung sowie über ihre Hauptthesen einigen. Einen Monat später haben wir gemeinsam hier im Nationalrat das Regierungsprogramm verlautbart. Darin stehen folgende Sätze:

„Die Regierung der Slowakischen Republik ist eindeutig für die Beibehaltung der Souveränität der Mitgliedsstaaten im Rahmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik…“

„Für die Slowakei ist es sehr wichtig, die Verschuldung der zukünftigen Generationen zu stoppen…”

„… wobei Teil der Änderungen auch ein klarer Mechanismus des gesteuerten Bankrotts eines Landes, das auf die Dauer eine unverantwortliche Budgetpolitik betreibt, sein muss."

Ich stelle fest, dass eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes eindeutig diesen Sätzen und damit gleichzeitig der Programmerklärung der Regierung widerspricht.

Im Artikel VI Punkt 1 des Koalitionsabkommens steht:

„Sollte einer der Koalitionspartner in einer ernsten Sache sowie gegen den Willen der restlichen Koalitionsmitglieder bei einer Abstimmung die Opposition unterstützen, stellt dies eine ernste Verletzung der Rechte der restlichen Partner dar.”

Ich stelle fest, dass es in Sachen des Euro-Rettungsschirmes zu einer groben Verletzung des Koalitionsvertrages kommen wird.

Unsere Regierung ist wahrscheinlich weltweit einzigartig, da sie das Vertrauensvotum mit der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm verbinden wird, der eindeutig im Widerspruch mit der Programmerklärung der Regierung, mit dem Koalitionsvertrag und vor allem mit dem gesunden Menschenverstand ist.

Was ist eigentlich dieser Euro-Rettungsschirm, wegen dem die Regierung zu Fall gebracht werden soll?

Im August des Vorjahres hat der Nationalrat den ersten provisorischen Euro-Rettungsschirm abgesegnet. Auch mit den Stimmen des SaS. Wir haben damals vor allem aus drei Gründen zugestimmt – es sollte sich lediglich um eine temporäre, drei Jahre dauernde Maßnahme handeln, es sollten nur Staaten, keine Banken gerettet werden und schließlich sollte nur jenen Ländern ein Kredit gewährt werden, bei denen mit einer Zurückzahlung gerechnet werden kann.

Ein Jahr später gilt nichts mehr davon. Das ist ein Gebrechen der gemeinsamen Währung. Es gelten keine Vereinbarungen, keine Zusagen, man kann sich auf nichts verlassen. Der Euro-Rettungsschirm wird nicht mehr provisorisch eingeführt, es können auch Banken gerettet werden – und durch den zweiten Kredit an Griechenland wurden auch die letzten Prinzipien über Bord geworfen.

Würde der Euro-Rettungsschirm nur provisorisch gelten, so wie ursprünglich vereinbart und abgesegnet wurde, hätte man Staaten retten können. Vom ursprünglichen Volumen in der Höhe von 250 Mrd. Euro wurden 70 Mrd. Irland und Portugal zugesagt, im Topf bleiben also noch 180 Mrd. Euro. 180 Mrd. Euro, mit denen man manches Land der Eurozone retten könnte.

Die Eurozone besteht nicht aus hundert oder zweihundert Ländern, sondern aus lediglich 17, deswegen ist es einfach, die Lage einzeln zu analysieren. Dabei stellen wir fest, dass die Rettung von vier kleinen Ländern, wie Belgien, Slowenien, Malta und Zypern, sowie von zwei großen Ländern – Spanien und Italien – in Frage kommt. Für die Rettung der kleinen Länder sind jene 180 Milliarden, die sofort im ursprünglichen provisorischen Euro-Rettungsschirm zur Verfügung stehen, ausreichend. Für die Rettung der zwei großen Länder wird auch der erweiterte Rettungsschirm nicht reichen.

Deswegen frage ich, warum es notwendig ist, den Euro-Rettungsschirm zu erweitern, wenn durch die reine Erweiterung kein weiteres Land gerettet wird? Diese Frage ist vor allem für jene wichtig, die mit dem Begriff „Solidarität“ argumentieren. Zur Beantwortung dieser Frage ist es erforderlich, eine weitere wichtige Änderung – einen Wandel der Kompetenzen – ins Auge zu fassen. Diese Änderung wurde am 21. Juli stillschweigend und ohne jegliche öffentliche Diskussion vollzogen. Im Zuge der Genehmigung dieser Änderung erhält der Euro-Rettungsschirm das Recht, Staatsanleihen zu kaufen, jedem beliebigen Land einen Kredit zu gewähren und vor allem Banken auch in gesunden Ländern zu retten.

Wie aus einem Bericht des Internationalen Währungsfonds hervorgeht, fehlen den Banken 200 Mrd. Euro, und siehe da, das ist fast genau jener Betrag, um den das Volumen des Euro-Rettungsschirmes von 250 Mrd. auf 440 Mrd. Euro angehoben werden soll. Frankreich hat schon verlauten lassen, dass es seine Banken gerne mit Mitteln des EFSF retten möchte, weil sich bei einer Alleinsanierung das Rating des Landes verschlechtern könnte.

Ich stelle fest, dass durch die Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes die Slowakei ausländische Banken retten wird.

Ich betone, dass die Slowakei ihre eigenen Banken allein, also nur mit Mitteln der slowakischen Steuerzahler, saniert hat, umso weniger verständlich ist es jetzt, wenn fremde Banken gerettet werden sollen.

Die Slowakei ist das ärmste Land der Eurozone. Wir haben auch die niedrigsten Löhne in der Eurozone. Trotzdem entwickeln wir Stolz und leben lieber bescheiden, als uns von jemandem retten zu lassen, wenn wir dadurch die Selbständigkeit und Unabhängigkeit verlieren würden, die wir durch die Entstehung der Slowakischen Republik im Jahr 1993 erlangt haben. Gleichzeitig sollen wir mit dem höchsten Anteil an öffentlichen Finanzen, also mit mehr als 35 Prozent zum EFSF, beitragen, im Unterschied zum Nachbarland Österreich, das im Vergleich mit uns nur weniger als die Hälfte dieser Quote zahlen muss. Für die Menschen bedeutet das, dass im Fall einer vollständigen Haftung jeder Bürger der Slowakei 300 Arbeitsstunden dafür leisten muss, in Deutschland reichen schon 120.

Ich stelle fest, dass die Slowakei das ärmste Land der Eurozone ist und gleichzeitig im Verhältnis zu seinen öffentlichen Finanzen am meisten zahlen muss.

Zusammenfassend steht eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes also im Widerspruch mit der Programmerklärung der Regierung, stellt eine grobe Verletzung des Koalitionsvertrags dar, ist vor allem zur Rettung ausländischer Banken bestimmt, und außerdem bedeutet eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes für die Slowakei die teuerste Lösung.

Leider hat keine sachliche Diskussion stattgefunden, die gesamte Argumentation beruhte auf dem Postulat „der Weltpolitik“. Ich habe um die Möglichkeit, vor den einzelnen Abgeordnetenclubs sprechen zu dürfen, gekämpft, aber unsere Partner haben das nicht gestattet. Am 1. Juli wollten wir verhindern, dass unser Finanzminister dem Griechenland-Kredit zustimmt, die Koalitionspartner haben es abgelehnt. Als wir eine Broschüre mit allen unseren Argumenten verfasst und herausgeben haben, wurden wir des Populismus bezichtigt…

Sie können sicher sein, dass wir sorgfältig alle Verträge und andere Dokumente studiert und die Argumente abgewogen haben. Wir sind zum Ergebnis gekommen, dass eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes massiv die slowakischen Steuerzahler schädigen wird. Mit massiv meine ich, dass wir hier nicht über Millionen, sondern über Milliarden Euro sprechen, die so eines Tages die Slowakei für immer verlassen sollen. Diese Schäden werden vielleicht noch zwei weitere Generationen zurückzahlen müssen.

Aus diesem Grund werden wir einer Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes nicht zustimmen. Ich weiß, dass wir damit sehr unkonform sind und habe keine Freude damit. Es geht jedoch um eine wesentliche Frage unseres Gewissens. Ich werde lieber in Brüssel für einen Exoten gehalten, als mich vor meinen eigenen Kindern schämen zu müssen. Wir kleben nicht an unseren Stühlen und brauchen auch keine vollen Tröge. Wir sind eine Partei der anständigen Leute. Das einzige, was wir verlieren können, ist unsere Ehre.

Die Verbindung des Vertrauensvotums mit der Abstimmung über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirmes halte ich für eine Erpressung und bin darüber sehr erstaunt, da sich die Frau Premierministerin, der SaS am meisten von allen Koalitionsparteien den Rücken gestärkt hat, noch vor einem Monat bei einer gemeinsamen Tagung von Koalitionsabgeordneten mit der Regierung in ?astá-Papierni?ka folgendermaßen geäußert hat: „… ich persönlich sehe keine Möglichkeit, eine andere Sache mit dem Thema Euro-Rettungsschirm zu verknüpfen” und: „Ich werde nicht die Verantwortung für eine politische Destabilisierung oder Budget-Ablehnung übernehmen.”

Frau Premierministerin, du hast das Vertrauensvotum mit einer Sache verbunden, die der Programmerklärung der Regierung sowie dem Koalitionsvertrag widerspricht. Zudem noch mit einer Sache, die massiv der Slowakei zu Gunsten ausländischer Banken schaden wird. Deswegen frage ich dich abschließend: Bist du tatsächlich überzeugt, dass du richtig handelst?

Richard Sulík ist Slowakischer Parlamentspräsident und Chef der liberalen Regierungspartei „Freiheit und Solidarität“ (SaS).

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SN-Kontroverse: Für die Griechen zahlen?

21. Oktober 2011 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Sollen wir für die Schulden der Griechen zahlen?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Wer im Glashaus sitzt...

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Vielleicht, in nicht allzu ferner Zukunft, sind die Österreicherinnen und Österreicher froh, dass es den erweiterten europäischen Rettungsschirm gibt und andere Rettungsmaßnahmen der EU für ihre Währung. Denn nicht nur Griechenland ist ein Fall für Spekulationen aller Art. Diese Woche drohte Moody's mit einer Herabstufung Frankreichs, das die belgisch-französische Großbank Dexia retten musste. Das würde in der Folge auch Deutschland hart treffen, denn Frankreich ist nach wie vor der wichtigste Handelspartner und vor allem der politische Verbündete Deutschlands, wenn es um Fragen der europäischen Einigung geht. Deutschland wiederum ist für Österreich der wichtigste Partner. Österreich wiederum ist eng mit den osteuropäischen Ländern - ob mit oder ohne Euro ist egal - verzahnt.

Die Erste Group Bank AG ist mit 17,4 Millionen Kunden eine der größten Bankengruppen in Zentral- und Osteuropa. Daher löste die Abschreibung von rund 1,8 Milliarden Euro durch die Erste einen internationalen Schock aus. Niemand weiß, wie es mit der Volksbank AG weitergeht, die einen Verlust von einer Milliarde Euro publizierte. Die Bawag, die bereits 550 Millionen Euro Staatskapital hat, macht ebenfalls Sorgen. Die Stadt Linz klagt sie wegen eines Swap-Geschäfts zu einem Frankenkredit. Der wurde so spekulativ abgeschlossen, dass aus abzusichernden 150 Millionen Euro deutlich mehr wurden. Ganz zu schweigen von den Unsummen, die die Rettung der Hypo Alpe Adria verschlungen hat. Jene neoliberal angehauchten Chauvinisten und Nationalisten aller Couleurs in diesem Land, die zurzeit ihren Finger so gern auf Griechenland richten, sollten daher lieber ihre Ganglien aktivieren. Dabei könnte der Satz von jenen, die im Glashaus sitzen und das Steinewerfen unterlassen sollen, hilfreich sein.


Das größere, aber spätere Übel

Andreas Unterberger

 

Aus Griechenland wie Italien werden täglich heftiger werdende Streiks gemeldet. Das bedeutet: Erstens, die Menschen dort haben noch überhaupt nicht begriffen, dass die Schulden ihres Landes ihre Schulden sind und nicht etwa die Deutschlands und Österreichs. Zweitens wird durch den Arbeitsausfall das Volkseinkommen der betroffenen Länder noch mehr schrumpfen. Und drittens verschwindet dadurch die Zahlungsbereitschaft in den wenigen EU-Ländern, die noch - noch! - als kreditwürdig gelten, endgültig.

Gewiss: Ein Crash Griechenlands hätte auch für andere gewaltige Folgen, egal, ob er nun als Totalpleite, als Umschuldung, als Haircut abläuft. Kreditgeber - von China bis zu den Pensionsfonds - würden danach noch zurückhaltender sein, einem EU-Staat Kredite zu geben. Dadurch würde sich jedenfalls auch die Finanzierung der österreichischen Staatsschuld weiter verteuern. Ein Flop der griechischen Staatsanleihen würde überdies etliche Geldinstitute in anderen EU-Ländern wackeln lassen und damit auch die dortigen Einlagen und damit auch die Realwirtschaft. Die Banken müssten dann durch die Steuerzahler aufgefangen werden, soll ein Flächenbrand mit Massenarbeitslosigkeit verhindert werden.

Eine schlimme Perspektive. Aber sie ist absolut harmlos gegen das, was Deutschland oder Österreich bevorsteht, wenn jetzt Griechenland & Co. noch einige Male um Hunderte Milliarden „gerettet" werden. Denn dann werden auch die scheinbar stabilen Länder in kurzer Zeit so dastehen wie Griechenland. Und es wird niemand mehr da sein, der dann noch einen totalen Flächenbrand bis hin zum Bürgerkrieg verhindern kann. Von „Rettung" sei da gar nicht mehr geredet. Eine dramatische Perspektive. Und leider geht Europa seit den ersten „Rettungsaktionen" im Mail 2010 genau den Weg des größeren Übels - nur weil dieses erst ein wenig später eintreten wird.

 

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Die Dampfwalze

20. Oktober 2011 06:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Sie kann sich bloß langsam bewegen,
ob vor ob zurück ist egal,
und wenn was im Wege gelegen,
dann walzt sie es platt radikal.

Sie tat es zuletzt mit Slowaken:
Dort rief wer, der Kaiser ist nackt!
Worüber die meisten erschraken,
von Angst ums Ersparte gepackt.

Doch falls einer trachtet zu trotzen,
macht prompt sich die Walze ans Werk,
und jener, der’s wagte, zu motzen,
ist nur mehr ein Aktenvermerk.

Es muss eben abgestimmt werden,
bis jeglicher Widerstand bricht,
das ist – wie für Schafe in Herden –
der Parlamentarier Pflicht.

Am besten, nicht lang überlegen
und tun, was von ferne diktiert,
und spricht die Verfassung dagegen,
dann wird sie zu Recht ignoriert!

All das haben Schein-Demokraten
noch obendrein Rettung getauft –
so werden die Völker verraten,
geknebelt, verpfändet, verkauft…

Pannonicus

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ÖGB im Überlebenskampf

20. Oktober 2011 01:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele waren überrascht, als Österreichs Gewerkschaften aus dem Stand den Hebel auf „Volle Aggression voraus“ drehten und schon nach der zweiten von ihnen abgebrochenen Verhandlungsrunde wider alle bisherigen Rituale flächendeckend zu streiken begannen. Diese kritische Überrschung scheint sofort wieder verflogen zu sein, als es inzwischen doch einen Konsens zwischen den Akteuren über eine - durchaus saftige - Lohnerhöhung gegeben hat. Dennoch sollte diese Streikeslust viel ernster analysiert werden. Denn in Wahrheit geht es für die Gewerkschaften selbst um einen unausweichlichen Überlebenskampf.

Sie sehen ihre letzte Chance, das ununterbrochene Abbröckeln der Mitgliederzahl endlich zu stoppen. Denn 2012 wird es wieder viel höhere Arbeitslosenzahlen geben; da wäre ein Streik noch viel schwieriger als in den letzten Wochen einer kurzen, aber heftigen Zwischenkonjunktur. Da sich die Konjunktur derzeit von Woche zu Woche verfinstert, musste man besonders rasch handeln, ehe die ersten Anträge auf Kurzarbeit (also Gehaltskürzung) eintreffen. Da kann man mit einem Streik allemal die eigene Wichtigkeit simulieren.

Das zweite Motiv ist die dumpfe weltweite Facebook-Protestbewegung, die völlig unabhängig von jeder Gewerkschaft entstanden ist.  Die Medien – immer voller Lust, jede Woche eine andere Sau durchs globale Dorf zu treiben, – berichten derzeit täglich begeistert über einige junge Demonstranten und Camper in der Wall Street, so wie sie zuvor ähnlich junglinken Aktionismus in Madrid, in Athen, in Genua oder im Audimax bejubelt haben. Da muss die altlinke Gewerkschaft irgendwie zeigen: Hallo, uns gibt es ja auch noch! Diese Rivalität, wer der größere Scharfmacher ist, wird noch von dem fast rührenden Aktionismus einiger Uraltpolitiker überschattet, die plötzlich alles kritisieren, was sie einst selbst getan haben – siehe Hannes Androsch und die Schulden.

Heute ist klar, dass die Pleite Griechenlands vor allem anderen auf die „Erfolge“ der dortigen Gewerkschaften zurückzuführen ist; diese haben seit der Euro-Einführung rund 30 Prozent höhere Lohnsteigerungen erkämpft als die deutschen, und rund 20 Prozent höhere als die österreichischen. Jetzt glauben Europas Gewerkschaften, wenn nun auch in Deutschland und Österreich die Löhne recht rasch steigen, dann mildert sich das Problem Griechenlands.

Welch Irrtum! Denn dann werden natürlich nicht die Probleme Griechenlands geringer, sondern nur jene Deutschlands und Österreichs größer. Deren Industrie liegt auf dem Weltmarkt ja nicht mit Griechenland und Portugal in Konkurrenz, sondern mit China, Brasilien, Vietnam, Indien und einem Dutzend anderer Länder.

Alle sind heute irgendwie „wütend“, aber in Wahrheit jeder über etwas ganz anderes. Und fast niemand will die traurige Wahrheit zur Kenntnis nehmen: Die sechseinhalb Jahrzehnte eines ständigen Nochmehr, eines Immerbesser und Immerreicher sind zu Ende. Die westlichen Kulturen stehen vor einem langen ökonomischen Abstieg. Ein überdehntes Wohlfahrtssystem auf Pump platzt, so wie 2007/08 die amerikanischen Subprime-Hypotheken geplatzt sind. Diese Millionen Kredite für Menschen ohne Einkommen waren ja ohnedies nur eine besonders eitrige Spezial-Blase der gesamten Wohlfahrtsblase.

Heißt das, dass ich den Arbeitnehmern keine Beteiligung an den Unternehmensgewinnen der letzten anderthalb Jahre gönne? Ganz im Gegenteil. Wenn es Gewinne gibt, sollten die in Form von Prämien, Einmalzahlungen oder formalisierten Gewinnbeteiligungen sogar in größerer Höhe als der jetzige Lohnabschluss an die Arbeitnehmer weitergegeben werden. Aber eben nur in jenen Betrieben, die auch wirklich Gewinne machen. Gibt es doch auch in Konjunkturphasen Firmen, die - vielleicht auch nur aus einem kurzfristigen Problem heraus - an der Pleite entlangschrammen.

Saftige Erhöhung der Kollektivvertragstarife für alle haben hingegen zwei negative Folgen: Erstens für die erwähnten Problembetriebe, und zweitens müssen diese Erhöhungen auch in den wahrscheinlich kommenden Krisenjahren voll ausbezahlt werden. Was dann noch viel mehr Betriebe ins Scheudern bringen wird. Das wird dann drittens vor allem den Jungen und Arbeitslosen schaden, denen solcherart jede Chance auf einen Job genommen wird, weil kein Arbeitgeber einen solchen viel zu teuren Arbeitsplatz neu vergeben wird.

Aber eine solche Lösung der Vernunft und der Solidarität hat bei der Gewerkschaft keine Chance. Denn dann würden die Arbeiter endgültig sehen, dass ihre Einkommen vom Erfolg des Unternehmens abhängig sind und nicht von den scharfmacherischen Tönen irgendwelcher privilegierter Funktionäre. Die eben nur an den Überlebenskampf der Gewerkschaft und nicht an die Sicherheit der Arbeitsplätze denken.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Der starke Staat als Ideal und Illusion

14. Oktober 2011 23:42 | Autor: Philip Plickert
Rubrik: Gastkommentar

Manche hat es richtig gefreut, als die Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise ausbrach. Endlich krache das morsche Gebäude des Kapitalismus in sich zusammen, dachten hartgesottene Linke. Auch weniger ideologisch festgelegte Zeitgenossen erkannten Endzeitsignale. Im September 2008 gab es Tage, da auch bürgerliche Politiker und Fachleute bis in die Spitzen der Zentralbanken eine Kernschmelze des Finanzsystems nicht für ausgeschlossen hielten. Drohte der Welt ein ökonomisches Tschernobyl? Es stand Spitz auf Knopf.

(Dieser ausführliche Beitrag verschafft einen gesamthaften Überblick über die wirklichen Ursachen der Finanzkrise. Der Autor Philip Plickert ist Wirtschaftsredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der Beitrag ist Teil des Sammelbandes „Konservative Korrekturen“(edition noir, ISBN: 978-3-9502494-2-2), der einige sehr mutige Analysen und Konzepte zu einer neuen konservativen Standortbestimmung enthält.)

Doch dann trat er auf: der Staat, der Retter. Mit Notmaßnahmen wurde das System stabilisiert. Er spannte gigantische Rettungsschirme über die wankenden Banken; Bürgschaften in Billionenhöhe beruhigten die Märkte. Es gab nach der Lehman-Pleite keine unkontrollierte Kettenreaktion im Finanzsystem. Auch der rasante Einbruch der Realwirtschaft zum Jahreswechsel 2008/2009, dessen Tempo und Tiefe durchaus mit dem Anfang der Großen Depression nach 1929 vergleichbar war, verlangsamte sich zur Jahresmitte 2009. Gegen Jahresende hatten fast alle Industriestaaten die Rezession gestoppt, eine Erholung begann. Just in dieser Zeit griffen auch die ersten großen Konjunkturpakete. Die zeitliche Koinzidenz ließ auf eine Kausalität schließen: Ohne den rettenden Eingriff des Staates hätte es einen Totalabsturz gegeben.

Achtzig Jahre zuvor hatte die Große Depression einen wirtschaftspolitischen Klimawandel hin zu einer Großen Repression wirtschaftlicher und politischer Freiheit gebracht. Das Vertrauen in die Marktwirtschaft – den ungeliebten Kapitalismus – war dahin. Es traten Regime hervor, die das scheinbare Chaos der Märkte durch Interventionen und Steuerung zu überwinden trachteten. Intellektuelle schauten neidisch in die Sowjetunion, die von keiner Rezession berührt war. Nicht nur im faschistischen Italien und im NS-Deutschland, sondern auch im Amerika des „New Deal“, dem Herzland des Kapitalismus, nahm der Staat die Wirtschaft an den Zügel. Zentrale politische oder korporatistische Kontrolle ersetzte die dezentrale Koordination durch Märkte.

Diese Geschichte wiederholt sich nicht, Gott sei Dank. Doch das Vertrauen in die Marktwirtschaft ist auch heute wieder erschüttert, nicht nur unter linken und linksliberalen Intellektuellen. Unter den Ökonomen finden jene mehr Gehör, die wie Nobelpreisträger Josef Stiglitz oder Paul Krugman für mehr Regulierung und Staatseinfluss werben. Die Finanzkrise sei eine historische Zäsur, meinte Stiglitz: 1989 habe der Fall der Berliner Mauer den Kommunismus diskreditiert, nun sei 2009 eine zweite Illusion zerstört worden: der „Marktfundamentalismus“ und Neoliberalismus.

Solche historischen Parallelen sollte das bürgerliche Lager zurückweisen. Sie beruhen auf einer Legende. Nicht die Marktwirtschaft oder neoliberale Politik haben in die große Finanzkrise geführt, sondern die Verletzung zentraler Regeln der Marktwirtschaft. Vor allem das Grundprinzip der privaten Haftung wurde außer Kraft gesetzt. Da sich an den impliziten Garantien der Staaten für große Finanzinstitute nichts Grundlegendes geändert hat, bleibt eine wesentliche Krisenursache latent bestehen. Noch beunruhigender: Auch das Muster der expansiven Geldpolitik, die in Amerika die Kreditpyramide entstehen ließ, deren Zusammenbruch die Welt erschütterte, scheint sich nicht grundsätzlich zu ändern.

So unbestritten das Versagen und die moralische Schuld skrupelloser Banken und Spekulanten auch ist, so bleibt die Klage darüber doch oberflächlich und lenkt von den tieferen Ursachen der Krise ab: Dem viel beklagten Marktversagen ging, wie im Folgenden erklärt wird, ein (Geld- und Fiskal-)Politikversagen voraus. Im Ursprungsland der Krise, den Vereinigten Staaten, war über Jahre eine Mischung aus expansiver Geldpolitik, stimulierender Fiskalpolitik und fehlgeleiteter Sozialpolitik am Werke, die mit viel „billigem Geld“ die Immobilienpreisblase schuf, deren Platzen die Weltwirtschaft erschütterte. Die staatlichen Akteure, die sich in 2008/2009 als Feuerwehr betätigten, waren zuvor die Brandstifter.

In der Krise wird nun Feuer mit Feuer bekämpft. Nicht mehr tragbare private Schuldenberge werden durch neue Schuldengebirge der Staaten ersetzt und übertroffen. Mit Massen an billigem Geld, das die Zentralbanken, vor allem die amerikanischer Federal Reserve (Fed) in die Märkte presst, sollen Verluste vermieden werden. Dabei wächst die Gefahr neuer Preisblasen und Fehlallokationen, längerfristig auch das Risiko hoher Inflation.

Als Konsequenz der Krise ertönt allseits der Ruf nach einer Rückkehr des „starken Staats“, der die Finanzmärkte in die Schranken weist und „den Kapitalismus“ zähmt. Krisenökonom John Maynard Keynes, der für konjunkturstimulierende Ausgabenprogramme eintrat, erlebt ein Revival. Umfragen zeigen, dass sich die Bürger insgesamt wieder mehr staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft wünschen. Doch was sich als „starker Staat“ darstellt, der Banken rettet, Unternehmen stützt, Branchen fördert, Subventionen vergibt und die Bevölkerung durch Sozialpolitik ruhig stellt, ist in Wirklichkeit ein schwacher, ein erpressbarer, ein getriebener Staat. In seinem Buch „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ benannte Walter Eucken vor mehr als einem halben Jahrhundert das paradoxe Phänomen: „Die Zunahme der Staatstätigkeit nach Umfang und Art verschleiert den Verlust der Autorität des Staates, der mächtig scheint, aber abhängig ist.“

Statt sich auf die Schaffung einer festen Rahmenordnung für die Wirtschaft zu beschränken, wird der Staat in den Wirtschaftsprozess hineingezogen. Der Versuch einer (pseudo-) keynesianischen Dauerstimulierung der Konjunktur, wie sie besonders Amerika seit längerem betreibt, schafft neue Risiken. Es besteht die Gefahr, dass die Konjunkturstimulierung nur Strohfeuer entfacht. Am Ende ist alles finanzpolitische Pulver verschossen. Wie in den siebziger Jahren droht verbrannte Erde.

Mit der gewaltigen Verschuldungswelle zur Bekämpfung der Krise sind einige Staaten nahe an den finanziellen Abgrund gekommen. Kenneth Rogoff, der ehemalige IWF-Chefökonom, nahm schon im März 2009 – mitten in der großen Rettungsorgie – das „Deficit Endgame“ in den Blick: „Während die Schulden steigen und die Rezession anhält, werden wir sicherlich erleben, wie eine ganze Reihe von Regierungen versucht, ihre Last durch finanzielle Repression, höhere Inflation, teilweise Zahlungsunfähigkeit oder eine Kombination aus allen dreien zu erleichtern.“ Obwohl die Rezession einer Erholung gewichen ist und die Weltwirtschaft wieder wächst, geht das „Deficit Endgame“ der Staatsfinanzen weiter.

Drei Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise hat eine dritte Welle die Staatsfinanzen erfasst. Die Vereinigten Staaten haben weiterhin zweistellige Defizitquoten. Aber nicht sie, sondern einige kleinere europäische Staaten, die mit dem Staatsbankrott kämpfen, stehen im Fokus der Finanzmärkte. Zur Stabilisierung ihrer Finanzen haben die Staaten der Euro-Währungsunion ihnen Notkredite gewährt. Wohin soll das führen? In eine gewaltige Transferunion, lautet die bittere Erkenntnis. Auf Dauer droht Europa daran Schaden zu nehmen.

Neben den akuten Schuldenproblemen gibt es weitere mittel- und langfristige Risiken für die Handlungsfähigkeit der Staaten. Die Belastungen werden in der Zukunft zunehmen. Während das Wachstumspotential abnimmt, steigen die Ansprüche an den Sozial- und Interventionsstaat. In diesem Essay wird beleuchtet, wie mittel- und längerfristig seine demographischen Grundlagen schwinden. All dies sind düstere Perspektiven, nur ein entschiedenes Gegensteuern könnte einige Fehlentwicklungen aufhalten. Doch die Politik hält sich mit Scheinlösungen, Ablenkungsmanövern und oberflächlichen, opportunistischen Korrekturen auf, sie bedient Interessengruppen, statt das Gemeinwohl durch einen stabilen ordnungspolitischen Rahmen zu fördern.

Die Phrase vom „starken Staat“ ist trügerisch. Wir sehen „big government“ am Werk, doch es überdehnt sich und droht zu scheitern. Konservative und Liberale hegen unterschiedliche Vorstellungen von den Grenzen der legitimen Staatstätigkeit. Grundsätzlich aber stimmen sie im Ziel eines handlungsfähigen, nicht überbordenden Staates überein. Die vergangenen Jahrzehnte waren vom Gegenteil geprägt: Trotz einer hohen Staatsquote ließ die Handlungsfähigkeit nach, der Staat wurde in den Wirtschaftsprozess und die Lobbyinteressen hineingezogen. Wachstumsstimulierende Subventionen und verzerrende Eingriffe in den Markt machten korrigierende Gegeneingriffe notwendig, im schlimmsten Fall wird der Staat zur „Rettung“ einzelner Akteure auf Kosten der Allgemeinheit genötigt.

Die fundamentale konservative Korrektur bestünde darin, Abschied vom Staat als Marktteilnehmer zu nehmen und den Staat wieder als glaubwürdigen Schiedsrichter über die Spielregeln eines transparenten Marktes zu etablieren. Darin zeigt sich die Autorität des Staates. Den Weg, diese Autorität wiederherzustellen, weist das geistige Erbe des frühen Neo- bzw. Ordoliberalismus, der die Soziale Marktwirtschaft in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland geprägt und zum Erfolg geführt hat. Dazu ist es notwendig, den Staat gegen die Versuchung opportunistischer Eingriffe zu immunisieren. Dies geschieht, wie am Schluss dieses Essays dargestellt, durch eine regelgebundene Wettbewerbs-, Geld- und Finanzpolitik.

Politikversagen als Ursache der Krise

Bis heute gilt die Finanzkrise vielen als „Marktversagen“. Der Beinahezusammenbruch des Systems zeige, wohin unverantwortliche Spekulation von größenwahnsinnigen und profitgierigen Bankern die Welt bringen könne. Dass es gierige, verantwortungs- und skrupellose Banker gibt, die in unentschuldbarer Weise mit dem Feuer spielen, ist offenkundig. Doch die Deutung der Krise als Folge eines reinen „Marktversagens“ greift zu kurz.

Vielmehr liegen die Gründe in einem komplexen, verhängnisvollen Zusammenspiel aus Markt- und Staatsversagen. Staatliche Geldpolitik hat das Aufblähen der Finanzblase ermöglicht, wie John B. Taylor, einer der renommiertesten Makroökonomen, gezeigt hat. Die große Krise wäre nicht entstanden ohne die Politik des „billigen Geldes“, die ein exorbitantes Kreditwachstum zugelassen hat. Dass die Kreditlawine in Amerika zu einem großen Teil über den Häusermarkt rollte, lag an der sozialpolitischen Zielsetzung, möglichst vielen Leuten zum Hauseigentum zu verhelfen. Diese beiden Faktoren sollen zunächst erklärt werden, bevor dann die mikroökonomischen Fehlanreize in den Banken untersucht werden.

Als Reaktion auf den Börsencrash nach dem Internet-Aktienboom sowie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 senkte die amerikanische Notenbank Fed unter ihrem Vorsitzenden Alan Greenspan sturzartig den Leitzins von 6,5 auf 1 Prozent. Auf diesem tiefen Niveau blieb er lange stehen. Die Fed war besorgt, dass die Wirtschaft nicht schnell genug nach der Rezession neue Arbeitsplätze schuf („jobless recovery“), zudem gab es eine verfehlte Deflationsdebatte. Erst Mitte 2004 begann Greenspan, „der Magier“, in kleinen Schritten die Geldpolitik zaghaft zu straffen. Da befand sich die Wirtschaft aber schon in einem kräftigen Aufschwung, die Preise am Immobilienmarkt kletterten in die Höhe.

Die Normalisierung des Zinsniveaus kam viel zu spät. Schon 2002 hätte die Fed nach der Taylor-Regel die Kreditexpansion drosseln müssen. Doch die Fed blieb auf expansivem Kurs. Ihre Devise lautete damals, dass man entstehende Blasen nicht erkennen könne. Und wenn eine Blase platze, dann könne man die Scherben aufsammeln und der Wirtschaft durch abermalige Zinssenkungen neuen Schwung geben. Das war Greenspans Devise, der damit die extrem expansive Geldpolitik rechtfertigte. Die wenigen warnenden Stimmen galten als Nörgler, etwa Raghuram Rajan, der IWF-Chefökonom, der 2005 in Jackson Hole vor Risiken durch die Kreditaufblähung warnte, oder William White, Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der schon 2003 den überexpansiven Kurs kritisierte. Beide ernteten feindselige Reaktionen, die Fed wollte allenfalls langsam die Zügel straffen. Das Potential für eine große Krise aus dem großen Kreditwachstum sah sie nicht.

Ein „asymmetrisches Muster“ der Geldpolitik – schnelle Zinssenkungen im Abschwung, zögerliche Zinserhöhungen im Aufschwung – ist schon seit den späten achtziger Jahren zu beobachten. Daraus folgt eine Welle wandernder Blasen in verschiedenen Märkten und Ländern – und letztlich ein Teufelskreis aus Geldschwemme, Euphorie, Blasen und Krisen. Die Notenbanken haben in jeder Wirtschaftskrise, beginnend mit der geplatzten Immobilienblase in Japan, immer mehr Liquidität in die Märkte gepumpt. Besonders stark war der geldpolitische Impuls der Fed nach 2001, noch verstärkt durch die gewaltigen Kapitalexporte der Chinesen nach Amerika, die das dortige Leistungsbilanzdefizit finanzierten. Die Hunderte Milliarden vagabundieren um die Welt und suchen nach Anlagemöglichkeiten. Nicht nur verzerrt der „billige Kredit“ die Preissignale an den Kapitalmärkten, er verführt auch zu übermäßigem Risiko und zu Über- bzw. Fehlinvestitionen.

Hintergrund dieser Krisenanalyse sind die Konjunkturtheorien der österreichische Ökonomen Ludwig von Mises, Joseph Schumpeter und Friedrich August von Hayek, die im Zuge der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise wieder entdeckt wurden. Sie interpretierten einen konjunkturellen Absturz als logische Folge des vorangegangenen, fehlgeleiteten Aufschwungs, der von zu billigem Geld und übertrieben positiven Erwartungen befeuert war. Die überzogenen Erwartungen können verschiedene Gründe haben, etwa einen „Hype“ um neue Produkte und Märkte („New Economy“) oder Finanzinnovationen (die Verbriefung von „Subprime“-Krediten, die den Kreditboom verstärkt hat). Die Märkte sind zunächst euphorisiert, doch kann der Herdentrieb der Anleger, den Hyman Minsky beschrieb, auch in die andere Richtung drehen und in Panik umschlagen.

Das Muster des geldpolitisch getriebenen „Boom“ und „Bust“ verläuft immer ähnlich: Im Boom wird mächtig investiert. Die Banken geben mehr und mehr Kredite aus. Der Risikoappetit der Investoren steigt, sie beginnen immer gewagtere und größere Projekte. Zugleich fühlt sich auch die Bevölkerung insgesamt reicher, sie gönnt sich mehr Konsum. Die Unternehmen machen mehr Profit, die Aktienkurse steigen. Irgendwann sind jedoch die Preise auf ein unhaltbares Niveau gestiegen. Das war am amerikanischen Immobilienmarkt 2007 der Fall. Die Euphorie der Spekulanten kann nun in Panik umschlagen. Banken verweigern neue Kredite, Unternehmen stoppen Investitionen. Am Ende steckt die ganze Wirtschaft in einer Rezession.

Eine solche Krise hat wenig mit Marktversagen zu tun; vielmehr war es eine staatlich ermunterte und verzerrte Spekulation, die schließlich platzte. Der ehemalige IWF-Chefökonom Rajan erinnert daran, dass Greenspan schon 2002 den Märkten versichert hatte, dass er nicht gegen Blasenbildung einschreiten werde. Die Fed werde aber im Fall eines Platzens einschreiten und den Übergang zur nächsten Expansion erleichtern. Dies war der berühmte Greenspan-Put – mit fatalen Folgen. Rajan schreibt dazu: „Die Logik war ... eindeutig gefährlich. Sie schürte die Flammen der Vermögenspreisaufblähung (asset price inflation), indem der Wall Street und den Banken quer durchs Land gesagt wurde, dass die Fed die Zinsen nicht anheben werde, um die Vermögenspreise zu drosseln, und dass sie, falls die Sache schrecklich schief ginge, einschreiten würde, um die Preise zu stützen.“ Das Versprechen der Rettung weckte „Moral hazard“, die Versuchung zu unverantwortlichem riskanten Handeln der Marktteilnehmer.

Während die lockere Geldpolitik die Kreditmassen schuf, die später wie Sprengstoff in den Bankbilanzen explodierten, war es eine gutmeinende Sozialpolitik, die das billige Kapital in den amerikanischen Häusermarkt lenkte. Auch hier war nicht ein unverzerrter Markt, sondern die lenkende Hand des Staates am Werke. Das sozialpolitische Ziel hieß „Wohneigentum für Jedermann“. Dazu wurde eine großzügige Hypothekenfinanzierung gewünscht und gefördert. Triebwerke waren die halbstaatlichen Immobilienfinanzierer Fannie Mae (gegründet 1936 vom linken New-Deal-Präsidenten Roosevelt) und Freddie Mac (gegründet 1968 vom linksliberalen Lyndon B. Johnson). „Fannie und Freddie“ übernahmen die Finanzierung eines Großteils der Hypotheken, die von Banken ausgegeben wurden.

Dass ein erheblicher Teil der Darlehen auch an Minderheiten und „sozial Schwache“ vergeben wurde, die sich später als „subprime“ entpuppten, geht auf den Community Reinvestment Act zurück, der 1977 vom sozial engagierten Präsidenten Carter eingeführt und danach vielfach verschärft wurde. Das Gesetz war ein typisches Produkt der Antidiskriminierungs- und Quotenpolitik. Unter Präsident Clinton wurde der CRA verschärft. Das Wohnungs- und Stadtplanungsdepartment schrieb 1995 den Banken eine Quote von 42 Prozent Hypotheken für sozial Schwache vor, nach 2000 sollten es 50 Prozent sein. Unter Bush wurde die Quote nochmals auf 56 Prozent erhöht – alles im Zeichen der „Ownership Society“, die auch aus Menschen mit wenig finanziellen Sicherheiten stolze Eigenheimbesitzer machen sollte. Im Extrem wurden sogar „Ninjas“ (no income, no assets, no job) mit Hypotheken bedacht.

Ein gewaltiger Preisboom gerade für Häuser im unteren Segment war die Folge. Die Zahlen der Hypothekengiganten Fannie und Freddie und der Federal Housing Administration (FHA), die Rajan erwähnt, machen schwindeln: 1997 wurden „Subprime“-Hypotheken für rund 85 Milliarden Dollar vergeben, bis 2003 stieg das jährliche Volumen auf 446 Milliarden Dollar und lag danach bei 300 bis 400 Milliarden Dollar neuen Krediten. Nach Schätzung von Edward Pinto, einem früheren Chief Credit Officer, hielten die Hypothekenriesen Fannie und Freddie, die FHA und andere staatliche Programme im Juni 2008 „Subprime“- oder Alt-A-Kredite für rund 2,7 Billionen Dollar. Das waren 59 Prozent aller Darlehen in dieser Kategorie. „Es ist sehr schwer, zu einer anderen Schlussfolgerung zu gelangen, als dass dieser Markt weitgehend vom Staat und von staatsbeeinflusstem Geld getrieben war“, urteilt Rajan.

Als die Medien über die „Subprime“-Krise zu berichten begannen, wurde kaum klar, was sich dahinter verbarg. Es galt auch als politisch nicht korrekt, geradewegs zu sagen, wer die „schlechten Hypotheken“ erhalten hatte. Der an der Harvard Universität lehrende schottische Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson fuhr damals nach Detroit, eine von der Krise besonders schwer getroffene Stadt, und besuchte die Stadtviertel mit den höchsten Kreditausfallrate. Eine „überproportionale Zahl von Subprime-Schuldnern gehörten ethnischen Minoritäten an“, berichtete Ferguson. „Als ich durch Detroit fuhr, begann ich mich zu fragen, ob ‚subprime’ in Wahrheit ein neuer Finanzeuphemismus für ‚schwarz’ war.“

Auch wenn es überspitzt formuliert klingt, ist doch sicher, dass die „Subprime“-Kreditschwemme im Wesentlichen aus einer staatlichen Lenkung in sozialpolitisch erwünschte Bereiche resultierte. Der Verkaufsdruck der Hypothekenvermittler, der vielfach angeprangert wurde, entstand unter dem Druck der CRA-Quoten. Der Immobilienboom endete für viele Hauseigentümer im Ruin. Die Hypotheken und andere Kreditschulden hingen wie Mühlsteine um ihren Hals, als der Wert der Immobilien zu sinken begann. Millionen Hauseigentümer wurden zahlungsunfähig. Sie entledigten sich der Last, indem sie den Hausschlüssel ihrer Bank zurückgaben. Die hatte nun faule Kredite in den Büchern, die mit unverkäuflichen Häusern besichert waren.

Und mit dem Vermögensverlust mussten die amerikanischen Bürger auch ihren Konsum reduzieren. Die schlichte Wahrheit ist, dass Amerika viele Jahre lang über seine Verhältnisse gelebt hatte: Mit der Politik des billigen Geldes, verstärkt durch die chinesischen Kapitalzuflüsse, wurde in den Vereinigten Staaten eine kreditgetriebene Investitions- und Konsumorgie gefeiert, die schon lange nicht mehr durch reale Ersparnisse gedeckt war. Von 1980 bis 2006, dem Vorabend der Finanzkrise, verdoppelte sich die private Verschuldung von 50 auf 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Sowohl die Geld- als auch die Fiskalpolitik half bei dem Spiel kräftig mit, getrieben von vage keynesianischen Ideen einer aktiven Konjunktursteuerung. 2007 war jedoch der Punkt gekommen, an dem dieses scheinbare Perpetuum Mobile nicht mehr weiterkam.

Die Krise verbreitete sich deshalb so rasend schnell um den Globus, weil die Hypothekenkredite durch Verbriefungen, vor allem ABS (Asset Backed Securities) und CDO (Collateralized Debt Obligations), weiterverkauft worden waren. Hunderttausende Hypotheken waren in diesen Wertpapieren zusammengefasst, die in mehrere Tranchen mit unterschiedlichen Renditen unterteilt waren. Da so viele Kredite in den Papieren zusammensteckten, galt das Risiko als gering, weil es breit gestreut schien. Allerdings waren die Risiken positiv korreliert, sobald der gesamte amerikanische Häusermarkt nachgab. Die Verbriefungen waren in Wirklichkeit eine Methode, die Risiken zu verschleiern und weiterzureichen. Auch dies hebelte das marktwirtschaftliche Prinzip der Haftung aus. Im Jahr 2007 begann der Markt für Verbriefungen auszutrocknen; sie verloren drastisch an Wert. Nun breitete sich der Fluch des billigen Geldes über den Globus aus, im Herbst 2008 wurde die Krise zum Flächenbrand.

In Deutschland hatten sich besonders die staatsnahen Landesbanken mit Verbriefungen eingedeckt. Nach einer Studie der Ökonomen Harald Hau und Marcel Thum machten die öffentlich-rechtlichen Banken 2007 und 2008 durchschnittlich zwei- bis dreimal so hohe Verluste wie die privaten Banken. Zudem stellten die Ökonomen auch einen eklatanten Mangel an Kompetenz in den Aufsichtsräten fest. Am schlimmsten war es in den öffentlich-rechtlichen Instituten, den Staatsbanken. Dort haben viele Aufseher kaum Banken- und Finanzerfahrung, merken die Forscher kritisch an. Diese bittere Erkenntnis sollte misstrauisch stimmen, wenn Politiker über inkompetente Banker schimpfen, die durch riskante Geschäfte hohe Verluste eingefahren haben. Politiker sind nicht die besseren Banker.

Kapitalismus und Bankensozialismus

Ohne Zweifel trägt die private Finanzwirtschaft einen großen Anteil der Schuld an dem Debakel, da sie leichtfertig auf eine gigantische Kreditpyramide setzte. Individuelle Gier und Größenwahn ergaben eine fatale Mischung. Doch von Marktversagen zu sprechen setzt voraus, den Begriff sauber zu definieren. In der Ökonomik sind drei Situationen bekannt, in denen es zu mehr oder minder schwerem Marktversagen kommen kann: bei externen Effekten, bei öffentlichen Gütern und bei asymmetrischer Information. Diesen dritten Fall, der bis zum Zusammenbruch von (Finanz-)Märkten führen kann, haben George Akerlof und Stiglitz treffend analysiert. Die Spannungen am Geldmarkt, der im Sommer 2007 stockte und im Herbst 2008 fast komplett austrocknete, war ein Beispiel dafür: Informationsasymmetrien und Intransparenz (jede Bank misstraute der anderen; jede konnte potentiell pleite sein) führte zur Lähmung des Marktgeschehens.

Der Finanzjournalist Walter Bagehot hat schon in seinem Klassiker „Lombard Street“ (1873) diese gefährliche Situation des allgemeinen Misstrauens beschrieben. Die Sorge der Sparer kann einen allgemeinen „Run“ auf die Banken auslösen, wie dies in England die Kunden von Northern Rock taten. Jeder Sparer handelt dabei individuell rational, indem er sein Geld abzieht, doch führt die Summe der Einzelhandlungen dazu, dass die Bank und die Ersparnisse untergehen. Bagehot folgerte, dass es einen „Lender of Last Resort“ geben müsse, eine oberste Instanz, die einschreite, um illiquide Banken zu stützen. Heutige Notenbanken gewähren die Liquidität meist zu sehr günstigen Zinsen. Sie stützen ganze Märkte und große Akteure, indem sie die Geldschleusen öffnen. Als 1987 der Hedge-Fonds LTCM nach einer gewagten Spekulation zusammenzubrechen drohte, hat die Fed den Markt mit Hunderten Milliarden Dollar geflutet. Das war ein starkes Signal an die Märkte. Und Greenspan wiederholte die Übung nach dem Zusammenbruch der „New Economy“.

Problematisch daran ist, dass die Märkte die Existenz einer obersten Rettungsinstanz mit ins Kalkül aufnehmen. Daraus entsteht das berüchtigte „Moral hazard“-Problem. Die ausgesprochene oder unausgesprochene Garantie verleitet zu übermäßiger Risikofreude, weil davon ausgegangen wird, dass im Falle zu hoher Verluste eine staatliche oder quasistaatliche Instanz eingreift und die strauchelnden Finanzinstitutionen auffängt. Sogenannte „systemrelevante“ Banken, die als „too big to fail“ (oder als „too connected to fail“) gelten, genießen einen impliziten Bestandsschutz. Aus Sicht der Bankmanager ist es daher rational, Spekulationen mit mehr Risiko einzugehen, die den Erwartungswert der Gewinne und individuellen Einkünfte maximiert.

Die implizite Staatsgarantie hebelt die Konkursgefahr aus, die untrennbar zur Disziplin des Marktes gehört. Es fehlt im Finanzsektor an privater Haftungsplicht, die konstitutiv für die Marktwirtschaft ist: Wer auf Gewinne spekuliert, muss auch für Verluste haften. Wer Chancen sucht, muss auch Risiken tragen. Walter Eucken, der Vordenker der neo- bzw. ordoliberalen Freiburger Schule und Gründervater der deutschen Sozialen Marktwirtschaft, formulierte in seinem Lehrbuch „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“: „Investitionen werden um so sorgfältiger gemacht, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet.“ Und weiter schrieb Eucken: „Die Haftung wirkt insofern also prophylaktisch gegen eine Verschleuderung von Kapital und zwingt dazu, die Märkte vorsichtig abzutasten. Nur bei fehlender Haftung kommt es zu Exzessen und Zügellosigkeit.“

Genau das ist in der Krise geschehen. Da allgemein die Erwartung eines rettenden „Greenspan-Put“ vorherrschte, wurde Kapital zu sorglos eingesetzt – und letztlich verschleudert. Nur eine Verstärkung der Haftung im Finanzsektor könnte solch unverantwortliches Verhalten zügeln. Das gilt für ganze Banken, die keine Bestandsgarantie haben dürfen, wie auch für einzelne Manager, die übermäßige Risiken eingehen. Daher müssen die Banken ihre Vergütungsstrukturen ändern, die durch asymmetrische Anreize die Risikoneigung verschärft haben. Bankmanager werden durch Boni-Versprechen, die an kurzfristige Gewinne gekoppelt sind, zu hochspekulativen Geschäfte verleitet.

Als Gegenmittel empfehlen sich Vergütungsstrukturen, die den Anteil der variablen Boni verringern und Haltefristen für Aktienoptionen vorsehen. Zum Bonus muss ein Malus kommen, wenn Verluste auflaufen. Das dämpft den individuellen Risikoappetit von Bankmanagern. Finanzsystemisch sind höhere Eigenkapitalvorschriften die richtige Antwort auf die Krise. Mit dem internationalen Regulierungswerk Basel III sollen die Eigenkapitalquoten schrittweise auf 10,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva erhöht werden. Mehr haftendes Eigenkapital bedeutet größere Sicherheitspolster, die Verluste abfedern, so dass Banken auf einer stabileren Grundlage stehen.

Das „Moral hazard“-Problem gegenüber der Gesellschaft – dem Staat – bleibt aber bestehen, solange Banken eine implizite staatliche Bestandsgarantie genießen. „Der Umgang mit systemrelevanten Instituten – die schwerste Hinterlassenschaft aus der Finanzkrise – ist weiterhin ungeklärt“, heißt es warnend im jüngsten Gutachten der deutschen „Wirtschaftsweisen“. Das Ziel der Staaten, „nie wieder in Geiselhaft durch den Finanzsektor genommen zu werden“, sei verfehlt worden. Sehr große und stark vernetzte Finanzinstitute werden deshalb systemrelevant genannt, weil von ihnen, wenn sie in Schieflage geraten, eine Gefahr für das gesamte Finanzsystem ausgeht. Es kann zu Dominoeffekten auf andere Finanzinstitute oder ganze Finanzmärkte kommen. Um das zu verhindern, werden die Systemrelevanten gestützt.

„Das Problem ist, dass die Gläubiger der systemrelevanten Finanzinstitute dies wissen, dass sie implizit eine Garantie durch den Staat genießen und dass diese wie eine Subvention wirkt“, kritisiert Beatrice Weder di Mauro, Ökonomieprofessorin in Mainz und Mitglied des Sachverständigenrats. Daraus folgen „massive Verzerrungen und Fehlanreize im Finanzsektor“.Beispielsweise können Banken einen Anreiz zu übermäßigem Wachstum sehen. Für die Volkswirtschaft – gerade in kleineren Staaten wie der Schweiz, Irland oder Island – erwachsen Risiken aus der Existenz übergroßer Banken.

Wie hoch diese Subventionen für die Großbanken sind, haben Ökonomen mit verschiedenen Methoden zu ermitteln versucht. Sie kommen auf unterschiedliche, doch stets sehr große Summen. Der Hauptwert der Garantie liegt darin, dass sich die Banken, die als „too big to fail“ (TBTF) gelten, am Kapitalmarkt günstiger finanzieren können, weil das Ausfallrisiko geringer ist. Nach Berechnungen von Dean Baker und Travis McArthur ergeben sich aus der Staatsgarantie um bis zu 0,5 Prozentpunkte geringere Zinskosten. Im untersten Rechenszenario kamen Baker und McArthur auf knapp 5 Milliarden Dollar, im obersten Szenario schätzten sie fast 35 Milliarden Dollar Subvention jährlich durch die impliziten Garantien für die amerikanischen Banken. Eine andere Studie hat anhand von Übernahmeprämien bei Fusionen, aus denen TBTF-Banken hervorgingen, den Wert der Subvention in den Vereinigten Staaten auf 14 bis 25 Milliarden Dollar geschätzt.

Kritischer gegenüber ihren Großbanken sind auch die Schweizer geworden. 2008 machten UBS und Credit Suisse Verluste von rund 30 Milliarden Franken, die UBS wurde anschließend vom Staat gestützt. Die Bilanzsummen der beiden Großbanken machten damals rund das Sechsfache des Schweizer BIP aus. Angesichts dieser Dimension wuchs in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit die Sorge, ob ein Zusammenbruch einer Großbank nicht die ganze Volkswirtschaft der Eidgenossenschaft gefährden würde. Nationalbankchef Philipp Hildebrand sagte, man müsse nun ohne Tabus über die Zukunft der Banken reden. Auch in Großbritannien regte sich heftige Kritik. Zentralbankchef Mervyn King regte ein „Testament“ für Großbanken an, damit diese im Krisenfall rasch aufgespaltet und abgewickelt werden könnten.

Gerade liberale Ökonomen wünschen sich Reformen der Bankenregulierung, um die Marktordnung wiederherzustellen. „Die Erwartung, dass es immer eine Rettung, einen Bail-out, geben wird, muss gebrochen werden“, fordert Boris Zürcher vom liberalen Schweizer Thinktank Avenir Suisse, der eine kritische Studie über das „too big to fail“-Problem verfasst hat. Wenn die Aussicht auf Rettung schwinde, hätte dies einen disziplinierenden Effekt auf die Banker und ihre Gläubiger. Zürcher schätzt den Wert der impliziten Subventionen für UBS und CS auf 3 bis 6 Milliarden Franken im Jahr. Das sei mehr Subvention für die Banker als für die Bauern der Schweiz. Darüber hinaus resultiert ein Wohlfahrtsverlust, weil der Wettbewerb zu Lasten der kleineren und mittleren Banken verzerrt wird.

Eine von der Berner Regierung berufene „Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Großunternehmen“ hat recht radikale Vorschläge gemacht: Auf mindestens 19 Prozent der risikogewichteten Aktiva sollten die Eigenkapitalquoten der Großbanken erhöht werden (das wäre fast das Doppelte der Basel III-Zielvorgaben), davon 10 Prozent hartes Eigenkapital und 9 Prozent in Form von bedingten Pflichtwandelanleihen („Contingent Convertibles“). Mit den CoCo-Bonds würden auch die Gläubiger einer Bank in die Pflicht genommen, wenn die Verluste einer Bank so hoch sind, dass die Eigenkapitalquote unter eine bestimmte Schwelle sinkt. Die Anleihebesitzer würden dann automatisch zu Aktionären und übernehmen Risiken. „Das Ziel ist, dass sich die Aktionäre und Anleihegläubiger nicht mehr darauf verlassen können, dass sie Verluste auf den Staat überwälzen können“, erklärt der St. Galler Wirtschaftsprofessor Manuel Ammann, der den Vorschlag in die Diskussion gebracht hat.

In Deutschland hat die Regulierung einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Für Banken soll es eine wirksame Insolvenzordnung geben, so dass auch systemrelevante Banken bei Überschuldung vom Markt geräumt werden. Nach dem neuen Restrukturierungsgesetz sollen quasi-bankrotte Banken aufgespaltet und geordnet abgewickelt werden. Finanziert werden soll das aus dem Topf der Bankenabgabe, in den jährlich 1,3 Milliarden Euro fließen sollen, die vor allem die großen Institute mit mehr als 100 Milliarden Euro Bilanzsumme zahlen müssen. Die Abgabe geht in die richtige Richtung. Um aber wirklich die „Too big to fail“-Garantie auszugleichen und dem Wachstumsanreiz entgegenzuwirken, müsste sie höher sein, hat der Sachverständigenrat klargemacht. Ob das geplante Restrukturierungsregime im Ernstfall wirklich greifen würde, ist völlig ungewiss. „Die Gefahr ist, dass solche Gesetze nicht funktionieren, weil im Notfall sehr wenig Zeit und die Unsicherheit groß ist“, meint Manuel Ammann. Die systemischen Großbanken bleiben also ein Risiko für die Allgemeinheit.

Wie in den dreißiger Jahren hat die jüngste Krise das öffentliche Image der Banker ruiniert. Finanzinstitute, die 1931 in einer Kettenreaktion zusammenbrachen, nachdem sie in den zwanziger Jahren, begünstigt durch das starke Geldmengenwachstum und riskante Investments, hohe Gewinne gemacht hatten, galten als Hauptschuldige des Desasters, das in die Weltwirtschaftskrise führte. Der Schimpfnahme „Bankster“ wurde geläufig. In der aktuellen Krise richtete sich die öffentliche Wut gegen Banker, die trotz hoher Verluste noch Millionen-Boni erhielten: Sie galten als Inkorporationen eines perversen Kapitalismus. Doch mit echtem Kapitalismus – verstanden als Wirtschaftssystem, das auf privaten Eigentumsrechten und privater Haftung basiert – hat dieses Finanzsystem eben nur begrenzt zu tun. Vielmehr erinnert es an halbseitigen Sozialismus: Gewinne landen auf privaten Konten, große Verluste werden sozialisiert.

Wie hoch die Kosten durch Bankenkrise, Bankenrettung und Wirtschaftskrise letztlich ausfallen, kann nur schwer geschätzt werden. Vieles ist noch im Fluss. In Deutschland stellte der Staat im Herbst 2008 knapp 500 Milliarden Euro – die gigantische Summe entspricht rund 20 Prozent des BIP – als Garantien und Kapitalhilfen in Aussicht, doch nur ein Teil wurde in Anspruch genommen. Die Kapitalhilfen, die zwischenzeitlich 21 Milliarden ausmachten, werden zum Großteil zurückgezahlt, nur in den Landesbanken sind einige Milliarden wohl dauerhaft verloren. Der Wert der „toxischen“ Papiere, die in den „Bad Banks“ für die Münchner Hypo Real Estate und für die staatliche WestLB ausgelagert wurden, ist unsicher. Der Bund hat für die Verbindlichkeiten der beiden „Bad Banks“ im Haushaltsjahr 2010 vorsorglich Schulden von 231 Milliarden Euro verbucht, doch können sich die Kurse erholen. Einen Teil der Hilfen für quasi-insolvente Banken muss der Staat aber wohl abschreiben. In Amerika hingegen könnte die Bankenrettung sogar einen Gewinn abwerfen, wie das Finanzministerium im April 2011 verlautete.

Eine Studie der Deutsche Bank Research machte schon früh eine relativ glimpfliche Rechnung auf. Dieser zufolge waren die direkten Kosten der Finanzkrise für die Steuerzahler geringer als angenommen – in den meisten Industriestaaten unter 1 Prozent. „Überraschenderweise dürfte die Krise damit im historischen Vergleich eine der am wenigsten kostspieligen werden“, schreiben die DB-Ökonomen. Zu den direkten fiskalischen Kosten kommen jedoch noch „enorme indirekte Kosten“ der Krise, räumten sie ein. Dazu zählen Verluste an Wirtschaftsleistung, Steuerausfälle, die Kosten für Konjunkturpakete und Ausgaben der Sozialsysteme wegen der Rezession sowie künftig höhere Zinslasten durch Staatsschulden und ein gedämpftes Wachstumspotential.

Lehren aus der Krise: Marktwirtschaft statt Finanzzauber

Das bislang Gesagte erlaubt ein Zwischenfazit zur Finanzkrise. Sie hatte mehrere Ursachen, kann aber nicht als reines Marktversagen klassifiziert werden. Eine moralisierende Erklärung mit der „Gier der Banker“ greift zu kurz. Vielmehr müssen institutionelle und politische Faktoren mit ins Bild genommen werden. Die Finanzkrise entstand zu einem großen Teil aus Politikversagen: Zum einen die Geldpolitik, die mit real negativen Zinsen eine übermäßige Verschuldung der amerikanischen Haushalte und einen Boom in bestimmten Sektoren anregte, begleitet von einer Sozialpolitik, die Immobilienkredite ohne Sicherheiten förderte; zum anderen eine Bankenregulierung, die es erlaubte, mit zu wenig Eigenkapital und viel Fremdkapital übermäßige Risiken einzugehen und diese mit Verbriefungen über die ganze Welt zu verteilen.

Zwei Hauptlehren für eine marktwirtschaftliche Ordnungspolitik nach der Krise sind zu ziehen:

Die erste Lehre betrifft die Zentralbanken. Sie müssen künftig viel vorsichtiger agieren. Ein Überangebot billigen Geldes führt zu Preisblasenbildung und zur Fehllenkung von Kapital. Doch verfolgt man die Krisenpolitik der Fed unter ihrem Vorsitzenden Ben Bernanke, der ungeachtet der wirtschaftlichen Erholung weiter massenhaft Liquidität in den Markt drückt, kommen Zweifel auf, ob nicht die nächste Krise programmiert wird. Der ehemalige IWF-Chefökonom Rajan warnt vor dem „Risiko, dass wir von Blase zu Blase gehen. Ebenso sieht es Ex-BIZ-Warner William White. Nach Ansicht vieler Beobachter wird die Fed die Leitzinsen noch für lange Zeit nahe Null lassen. Die Billiggeld-Lawine wird einen Anstieg der Inflationsraten zur Folge haben. Aufhorchen lässt, dass einflussreiche Ökonomen in Amerika und aus dem IWF höhere Inflation gar nicht schlecht fänden. Schon jetzt droht die amerikanische Liquiditätsschwemme die Schwellenländer zu destabilisieren, die mit hohen Kapitalzuflüssen kämpfen. Von einer symmetrischen Geldpolitik, die sich Regeln unterwirft und strikt das Ziel der Preisstabilität verfolgt, ist nichts zu sehen. Abermals steht in Amerika die kurzfristige Konjunkturstimulierung im Vordergrund.

Die zweite Lektion betrifft die Regulierung der Banken: Wir brauchen nicht einfach mehr, sondern eine bessere Regulierung und mehr Transparenz. Vor allem muss es künftig deutlich höhere Anforderungen an das haftende Eigenkapital der Banken geben. Wer die Chance auf Gewinn haben will, muss auch bei Misserfolgen die Konsequenzen tragen. Durch geeignete Insolvenzordnungen müssen Banken der Disziplin des Marktes unterworfen werden und sich ihre Risiken in höheren Finanzierungskosten ausdrücken. Die Stärkung der privaten Haftung ist der einzige anreizkompatible Weg der Regulierung, der eine Einmischung des Staates in die Geschäfts- und Kreditpolitik der Banken vermeidet, aber ebenso künftige Erpressung durch quasi-bankrotte Banken.

Wenn diese Reformen greifen würden, ergäben sie eine ordnungspolitische Revolution: Die Ohnmacht des Staates, der sich in der Not zur Rettung gezwungen sieht, würde zur tatsächlichen Stärke, die Hilfegesuche abzulehnen und private Finanzhasardeure nicht mit Steuergeld zu stützen.

Die heute viel gescholtenen neoliberalen Ökonomen haben schon vor siebzig Jahren, als Reaktion auf die damalige Wirtschaftskrise, ganz ähnliche Gedanken formuliert. Ihr Ansatz für eine echte Wettbewerbsordnung ist unverändert aktuell. Und sie widersprechen dem populären und politisch gezeichneten Zerrbild des historischen Neoliberalismus. Keinesfalls huldigte dieser einem regellosen „Laissez-faire“; zumindest auf die frühen Neoliberalen trifft das Gegenteil zu. Sie plädierten für einen starken Staat, der Regeln für den Wettbewerb setzt und durchsetzt. Die historischen Neoliberalen suchten, nachdem in den frühen dreißiger Jahren „der Kapitalismus“ in Verruf geraten war, nach einem modifizierten wirtschaftsliberalen Ansatz.

„Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist, und den ich mit meinen Freunden vertrete, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da wo er hingehört“, erklärte Alexander Rüstow, später Mitstreiter von Ludwig Erhard. Sein Vortrag 1932 vor der Ökonomenorganisation Verein für Socialpolitik gilt als die Geburtsstunde des deutschen Neoliberalismus. Er kritisierte das Ausgreifen des Staates über die Grenzen des Regelsetzens, das Eindringen in wirtschaftliche und gesellschaftliche Bereiche, die Interventionen, Subventionen und Hilfsmaßnahmen. All dies sei kein „Zeichen übermäßiger Stärke des Staates“, sondern „das genaue Gegenteil davon: nicht Staatsmacht, sondern Staatsohnmacht. Es ist Zeichen unwürdigster und jämmerlichster Schwäche.“ Der Staat werde nun von den Interessengruppen ausgenommen. „Jeder Interessent reißt sich ein Stück Staatsmacht heraus und schlachtet es für seine Zwecke aus“, warnte Rüstow.

Walter Eucken, der Kopf der Freiburger Schule, fand zur selben Zeit eine ganz ähnliche Position. Er beklagte einen Verflechtungsprozess von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, der seit dem neunzehnten Jahrhundert zu beobachten sei. Der in den Wirtschaftsablauf intervenierende post-liberale Staat rufe die politische Aktivität der betroffenen Gruppen hervor und werde in der Folge von organisierten Interessen okkupiert. Der Staat werde zur Beute der Lobbygruppen. In erster Linie richteten sich die Klagen dieser frühen Neoliberalen gegen Interventionen, die den Strukturwandel der Wirtschaft aufzuhalten versuchten; sie können aber auch auf die Strukturverzerrungen angewandt werden, die durch implizite staatliche Garantien etwa im Finanzsektor entstehen. Die Lobbymacht der Banken ist besonders stark – und ihr gegenüber erscheint der genötigte Retter Staat besonders schwach.

Ein fragwürdiges Keynes-Revival

Neben der Bankenrettung hat die staatliche Konjunkturstimulierung in der Krise ein ungekanntes Ausmaß erreicht. Im Herbst 2008, nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers, fielen die Investoren zunächst in Schockstarre. Die Wirtschaftsleistung, zuvor durch kreditfinanzierten Überkonsum und Überinvestition angeregt, brach ein. Damit war jener Moment gekommen, in dem John Maynard Keynes, der britische Krisenökonom (1883 - 1946), staatliche Ausgabenprogramme empfahl. Die Unsicherheit über die Zukunft war so groß, dass ein staatlicher Impuls notwendig schien, um wieder Vertrauen zu schaffen, damit die Wirtschaft nicht ins Bodenlose fallen würde. Schon vor Keynes haben (neo-)liberale Ökonomen für besonders schwere Krisen, wenn eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale drohe, konjunkturstimulierende Maßnahmen empfohlen. Wilhelm Röpke empfahl 1930/1931 eine staatliche „Initialzündung“, um die darniederliegende Wirtschaft wieder anzukurbeln. Allerdings war für Röpke klar, dass staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramme nur in absoluten Ausnahmezuständen gerechtfertigt seien. Doch nicht diese maßvolle, sondern die radikalere Version von Keynes wurde populär.

Als der Keynesianismus nach dem Zweiten Weltkrieg fast die ganze Volkswirtschaftslehre sowie die Wirtschaftspolitik der angelsächsischen, später auch kontinentaleuropäischen Länder erfasste, simplifizierten und vulgarisierten Keynes’ Anhänger die Lehre ganz erheblich. Aus dem Rat, in absoluten Krisen mit kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen die Wirtschaft anzuschieben, wurde in der Praxis ein dauerhaftes „deficit spending“ und zudem eine expansive Geldpolitik, um die Arbeitslosigkeit auf ein Minimum zu drücken. Auch bürgerliche Politiker hingen dem an. Präsident Richard Nixon etwa kündigte 1971 eine „Vollbeschäftigungsfiskalpolitik“ mit den Worten an: „Ich bin jetzt ein Keynesianer“.

Doch die Praxis der staatlich induzierten Nachfragebelebung endete im Desaster der Stagflation (stagnierende Wirtschaft bei steigender Inflation): Die Wirtschaft antizipierte die zusätzlichen Staatsausgaben und erhöhte schlicht die Preise; statt mehr Wachstum war mehr Inflation die Folge. Die Arbeitslosigkeit stieg nach dem Ölpreisschock, dagegen kamen immer neue fiskalische Impulse nicht an. Die Wirtschaft stagnierte, einzig die Inflation und die Schulden stiegen. Konjunkturpolitik wirkte wie ein Rauschmittel, das in immer größeren Dosen konsumiert wird: Erst stimuliert es kurzfristig, doch langfristig macht die Einnahme süchtig und ist extrem ungesund. Nach dieser Erfahrung der siebziger Jahre schien der Keynesiamus diskreditiert.

Nun ist der Geist des Keynesianismus erneut aus der Flasche gekrochen. Zumindest unter ernsthaften Ökonomen bleibt die Effektivität der Konjunkturpakete aber stark umstritten. Das Geheimnis der keynesianischen Ökonomie, das die staatlichen Konjunkturpakete in ihren Augen so attraktiv macht, ist der erhoffte Multiplikatoreffekt: Für jeden Dollar, den der Staat zusätzlich ausgibt, soll die Wirtschaftsleistung um deutlich mehr als einen Dollar steigen, weil die Unternehmen und Arbeitnehmer, die das Geld erhalten, ihrerseits Ausgaben tätigen und weitere Geschäfte anregen. Ein Multiplikator zum Beispiel von 5 hieße, dass der Staat 1 Euro in die Volkswirtschaft reinsteckt und damit 5 Euro Wirtschaftsleistung anregt, durch zusätzlichen privaten Konsum und mehr Investitionen. Die frühen Anhänger von Keynes glaubten tatsächlich an so gewaltige Multiplikatoren.

Nach den Enttäuschungen der siebziger Jahre wurde man bescheidener. Immerhin noch einen Multiplikator von 1,6 errechneten die amerikanischen Regierungsberater Christina Romer und Jared Bernstein 2009 für das 800 Milliarden Dollar schwere Konjunkturpaket der Vereinigten Staaten. Das hieße, dass die staatlichen Ausgaben fast 1,3 Billionen Dollar Wirtschaftsleistung anregen würden. Präsident Obama sprach von mehreren Millionen Arbeitsplätzen, die mit dem Programm „geschaffen oder gesichert“ würden. Wenn aber der Ausgabenmultiplikator unter 1 läge, würde der staatliche Impuls weniger Wirtschaftsleistung anschieben als er kostet. Die ganze Aktion wäre ein eklatantes Verlustgeschäft für die Steuerzahler. Genau dies legen aber neuere Studien zur Wirkung der jüngsten Konjunkturpakete nahe.

Zur Berechnung der Wirkung der europäischen Konjunkturpakete haben die Ökonomen Volker Wieland und Tobias Cwik von der Universität Frankfurt fünf unterschiedliche makroökonomische Modelle benutzt. Es sind allesamt Modelle, die (neo-)keynesianische Eigenschaften haben, vor allem Preis- und Lohnrigiditäten. Ihr ernüchterndes Ergebnis: Vier der fünf Modelle ergaben einen Multiplikatorwerte von weniger als 1. Nur ein Modell, das erwartungsgetriebene Verhaltensänderungen von Konsumenten und Unternehmen weitgehend ausblendet, brachte einen Multiplikator knapp darüber.

Nach diesen Berechnungen erscheint es wahrscheinlich, dass die Konjunkturprogramme insgesamt mehr gekostet als gebracht haben. Die geringe konjunkturelle Wirkung liegt vor allem an den Reaktionen der privaten Haushalte und Unternehmen, die der Absicht des Ausgabenprogramms entgegenlaufen. Weil die Bürger erwarten, künftig höhere Steuern zahlen zu müssen, um die Staatsschulden zu bedienen, schränken sie ihre Konsumausgaben ein. Hinzu kommt, dass bei höheren Finanzierungskosten durch höhere Zinsen die Unternehmen weniger investieren. Staatliche Ausgaben verdrängen somit privaten Konsum und private Investitionen („crowding out“).

Fragwürdig ist auch, ob mit direkten Staatsausgaben, zum Beispiel für Infrastrukturprojekte, eine bessere und vor allem anti-zyklische Wirkung erzielt werden kann. Bauinvestitionen, Straßen und Brücken sind Investitionen, die einen längerfristigen Nutzen stiften. Allerdings haben sie den Nachteil, dass sie nur mit einer Zeitverzögerung angestoßen werden können. Nimmt man die Reaktionsfrist der Regierung hinzu, bis sie die Rezession erkennt und Bauprojekte beschließt und dann tatsächlich beginnt, ergibt sich eine kritische Verspätung von mehrere Quartalen. Sie führt dazu, dass die konjunkturpolitischen Maßnahmen oft gar nicht mehr anti-zyklisch wirken. Sie setzen nicht im Abschwung ein, sondern erst in der Erholung und wirken somit pro-zyklisch, verstärken den Konjunkturzyklus, statt ihn zu glätten.

Das lässt sich empirisch auch in der jüngsten Rezession nachweisen. Sie begann im Euro-Raum schon im Januar 2008, wie die CEPR-Statistiken in der Rückschau ergaben, was damals aber noch nicht klar war. Dass sich die Wirtschaft in der Rezession befand, wurde allgemein erst im Spätsommer 2008 erkannt. Die großen Konjunkturpakete wurden Ende 2008 und Anfang 2009 verabschiedet. Ein Großteil der damit beschlossenen Projekte wurde aber erst 2010 verwirklicht. Die Baugeräte rollten erst, als die Rezession schon geendet hatte. Insgesamt haben die elf wichtigsten europäischen Staaten Konjunkturpakete beschlossen, die fast 100 Milliarden Euro im Jahr 2009 und 80 Milliarden Euro im Jahr 2010 umfassen. Das war jeweils rund 1 Prozent des BIP. Ihre Wirkung sollte dennoch nicht überschätzt werden, wogegen die Schulden dauerhaft bleiben.

Eine besondere Vergünstigung erhielt 2009 die Autoindustrie. Um sie in der Krise zu stützen, zahlte der Staat Abwrackprämien für das Verschrotten eines Altwagens beim Kauf eines Neuwagens. In Deutschland betrug die Prämie 2500 Euro, damit wurde der Absatz von mehr als 1,7 Millionen Autos, vor allem Kleinwagen, subventioniert. Insgesamt kostete die Förderung den Steuerzahler fast 5 Milliarden Euro. Die Autoindustrie jubelte über den Stimulus, doch Ökonomen erkannten darin lediglich ein Strohfeuer. Denn viele Käufer hatten wegen der staatlichen Prämie einfach einen geplanten Autokauf vorgezogen. Nach dem Ende der Prämie fiel der Absatz entsprechend schwächer aus. Eine Studie über die amerikanische Abwrackprämie (im Volksmund„Cash for Clunkers“, das Programm kostete rund 2,9 Milliarden Dollar) hat gezeigt, dass der Effekt der Prämie nach bloß acht Monaten komplett verpufft war. Der Nettoeffekt für die Branche war also längerfristig gleich Null – der Staat und die Steuerzahler blieben aber auf zusätzlicher Verschuldung in Milliardenhöhe sitzen.

Schon während der Rezession waren die kritischen Stimmen nicht völlig verstummt, die von keynesianischer Politik keine Wunder erwarten. In Amerika protestierten 200 Ökonomen, darunter die Nobelpreisträger James Buchanan, Vernon Smith und Edward Prescott in Anzeigen gegen den Ausgabenrausch der Regierung Obama. Sie erinnerten an das Schicksal Japans: Immer mehr Staatsausgaben konnten dort das „verlorene Jahrzehnt“ in den neunziger Jahren nicht verhindern. Die japanische Regierung legte damals fast ein Dutzend Konjunkturprogramme auf, die Wirtschaft belebte sich aber nicht. Einzig die Baukonzerne profitierten, die noch die letzten Küstenstreifen mit Straßen zubetonierten und Tunnel und Brücken bauten. Japans Nettoschuldenposition verschlechterte sich von rund 20 auf 120 Prozent des BIP, die Bruttoverschuldung stieg über 200 Prozent des BIP. Noch schafft es der japanische Staat, seine gering verzinsten Anleihen im Inland, bei der staatlichen Postbank und Pensionsfonds unterzubringen. Doch schon bald wird er sich auch auf dem internationalen Kapitalmarkt finanzieren müssen. Dann wird der Schuldendienst extrem belastend.

Die große Finanz- und Wirtschaftskrise war ein Turbo für die öffentliche Schuldenzunahme. Niemals zuvor in Friedenszeiten sind die öffentlichen Schulden so rasend schnell gestiegen; Harvard-Historiker Ferguson verglich die finanziellen Auswirkungen der Krise gar mit denen eines Weltkriegs. Im Durchschnitt sind die Industrieländer nun mit rund 100 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung verschuldet: Japan hält den traurigen Rekord, die Vereinigten Staaten liegen bei rund 100 Prozent, Großbritannien und Frankreich über 85 Prozent, Italien bei fast 120 Prozent Schuldenquote. Deutschland kann sich bei 75 Prozent stabilisieren (inklusive der Bad-Bank-Schulden sind es fast 80 Prozent), Österreich knapp darunter bei 72 Prozent. Im Durchschnitt des Euro-Raums ist die Schuldenquote nach der Prognose der EU-Kommission von 66 Prozent im Jahr 2007 auf 86,5 Prozent im Jahr 2011 geklettert.

Derart hohe Schuldenstände sind Gift für künftiges Wirtschaftswachstum. Sie nähern sich dem kritischen Schwellenwert von 90 Prozent des BIP, ab dem die Wirtschaft deutlich geschwächt wird, wie Carmen Reinhart von der University of Maryland und ihr Harvard-Kollege Kenneth Rogoff empirisch ermittelt haben. Bei 90 Prozent Schuldenquote ist das Wachstum im Mittel um etwa 1 Prozentpunkt niedriger. Für Schwellenländer liegt die kritische Marke schon bei 60 Prozent. Die Volkswirtschaften schleppen dann zu große Schulden mit sich; hohe Steuern dämpfen die Investitionen, das Produktivitätswachstum schwächt sich ab. Nach einer Studie von IWF-Ökonomen bremst eine Zunahme der Staatsschuld um 10 Prozentpunkte das Wirtschaftswachstum um 0,2 Prozentpunkte, bei sehr hohen Schuldenständen nimmt der Bremseffekt überproportional zu.

Die offiziell ausgewiesenen, expliziten Schulden sind nicht die ganze Wahrheit. Hinzu kommen in allen Staaten mit umlagefinanzierten Sozialsystemen weitere, noch größere implizite Schulden. Darunter fallen alle Verpflichtungen aus den Rentenversicherungen, die Pensionszusagen an die Beamten sowie die stetig steigenden Sozial- und Gesundheitskosten, die über staatliche Versicherungen finanziert werden. In Deutschland beträgt die explizite Staatsschuld inklusive Bad-Bank-Schulden rund 2 Billionen Euro – also knapp 80 Prozent des BIP. Hinzu kommt laut Schätzung des Sachverständigenrats ein verdeckter Schuldenberg von 270 Prozent des BIP. Das wären aktuell mehr als 6 Billionen Euro. Schulden in Sozialsystemen zu verstecken, erscheint als bequemer Weg, um Kosten in die Zukunft zu verschieben.

 „Fiskalischer Kindesmissbrauch“ nennt es der amerikanische Ökonom Lawrence Kotlikoff, der als einer der Ersten auf das Problem der verdeckten Schulden hingewiesen und sogenannte Generationenbilanzen und Nachhaltigkeitslücken ausgerechnet hat. Einer schrumpfenden Zahl von künftigen Beitragszahlern stehen die wachsenden Ansprüche der Transferempfänger in einer alternden Gesellschaft gegenüber. Unterbleiben drastische Reformen der Renten-, Sozial- und Gesundheitssysteme, dann werden die impliziten Schuldenberge nach und nach als Defizite sichtbar. Was für ein Schulden-Himalaya sich auftürmen könnte, hat die Ratingagentur Standard & Poor’s in einer Studie zu quantifizieren versucht. In den meisten entwickelten Staaten würden die Schuldenquoten bis zum Jahr 2050 theoretisch auf 300 Prozent des BIP steigen – völlig untragbare Lasten. Bevor es aber soweit kommt, wären die Staaten längst finanziell zusammengebrochen.

Stimulieren um jeden Preis

Schon die „große Rettung“ des Jahres 2009 hat die meisten Staaten völlig erschöpft. Ihre Reserven sind verausgabt, ihr künftiger Handlungsspielraum gering. Nun müsste das Ruder entschlossen herumgerissen werden. Statt Stimulus ist Sparen angesagt. Auch in Vereinigten Staaten wäre eine entschlossene fiskalische Bremsung notwendig, doch sind dort die Regierung und die Opposition über diese Frage tief zerstritten. Dort hoffen einige, die Schuldenquoten durch Wachstum reduzieren zu können. Diese Hoffnung kann aber trügen. Hohe Wachstumsraten weisen die Schwellenländer auf, die von der Krise kaum berührt waren. Deutschland profitiert mit seinem großen Exportsektor vom asiatischen Aufschwung, daher das Wachstum von 3,6 Prozent im Jahr 2010. Die deutsche Erholung sowie das osteuropäische Wachstum strahlen auf Mitteleuropa ab. Österreich erreichte 2 Prozent Wachstum erreichte und lag damit deutlich über dem Euro-Durchschnitt.

Die meisten westlichen Industrieländer sowie die Volkswirtschaften der Euro-Peripherie schleppen sich aber nur mühsam aus der Krise. Sie müssen sich schmerzhaft umorientieren. Verzerrte Wirtschaftsstrukturen mit aufgeblähtem Finanzsektor oder überdimensioniertem Bausektor gibt es in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Irland sowie in Spanien. Das Potentialwachstum dieser Länder ist für absehbare Zeit gedämpft, da die Finanzsektor- und Immobilienkrisen nachwirken. Bevor die Wirtschaft wieder stärker wächst und die Arbeitslosigkeit signifikant sinken kann, müssen sie sich strukturell neu ordnen. Einige Bereiche müssen „gesundschrumpfen“. In den Jahren des kreditgetriebenen Booms sind in Amerika viele Arbeitsplätze in der Industrie abgebaut und stattdessen höher bezahlte Jobs in (Finanz-)Dienstleistungssektor geschaffen worden. Das vermeintliche Produktivitätswunder hat das nominelle BIP aufgebläht, war aber nicht nachhaltig.

Gegen den schmerzhaften Prozess der Anpassung und Rückbildung sträuben sich mächtige Interessengruppen und Wählerschaften. Wird versucht, mit immer weiteren fiskal- oder geldpolitischen Stimuli eine Rückkehr zum alten, aufgeblähten Wachstumspfad zu erzwingen, wie dies die amerikanische Regierung und Zentralbank tun, läuft die Politik ins Leere. Sie hinterlassen einen wachsenden Schuldenberg und legen die Saat für Inflation.

Damit könnte sich die Erfahrung der siebziger Jahre wiederholen, die der zypriotische Ökonom Athanasios Orphanides, heute EZB-Ratsmitglied, analysiert hat. Auch damals überschätzten einige Zentralbanker die „Output-Lücke“ und unterschätzten folglich die „natürliche“, also strukturelle Arbeitslosenquote. Sie schossen aus vollen Rohren mit billigem Geld, um die Wirtschaft nach der Ölpreiskrise anzufeuern. Die Folge war aber nicht mehr Wachstum, sondern anziehende Inflationsraten.

Angesichts der ungebremsten Liquiditätsschwemme der Fed und der hohen amerikanischen Staatsverschuldung, die schon mehr als 14 Billionen Dollar beträgt, erscheint auf längere Sicht die Position des Dollar nicht mehr gesichert. China, der Hauptgläubiger der Vereinigten Staaten, macht sich Gedanken, wie es seine Devisenreserven (fast 2 Billionen Dollar) besser diversifizieren könnte. Davon könnte der Euro profitieren, wenn die europäische Gemeinschaftswährung nicht gerade selbst eine tiefe Krise durchliefe.

Die Währungsunion in der Zerreißprobe

Das Beben der Finanzkrise hat in der dritten Welle zu extrem hohen Staatsdefiziten geführt und in Europa schonungslos die Schwachstellen der Währungsunion offengelegt. Nach gut zehn Jahren Schönwetterperiode, in der die Währungsunion trotz Regelverstößen recht gut zu funktionieren schien, ist sie in einen Sturm geraten, der sie zu zerreißen droht. Schon vor der Festschreibung der Wechselkurse 1999 und der Einführung des Euro gab es zahlreiche Warnungen: Ein gemeinsames Währungsdach für Volkswirtschaften mit unterschiedlicher Wettbewerbskraft kann zu Spannungen führen. Der Euro-Raum ist kein „optimaler Währungsraum“, denn für eine gemeinsame Währung sind die Volkswirtschaften zu heterogen, die (Arbeits-)Märkte zu inflexibel und die Faktormobilität zu gering, um exogene Schocks auszugleichen. Ein grundlegender Irrtum der europäischen Politik war, in der Währungsunion auf eine immer weitere Konvergenz der Volkswirtschaften zu hoffen. Das Gegenteil trat ein: Nach 1999 gab es keine Konvergenz zu beobachten, sondern ein Auseinanderdriften, was die Wettbewerbsfähigkeit angeht. Das zeigte sich in den Leistungsbilanzen.

Die Südeuropäer erlebten zunächst eine Sonderkonjunktur, getrieben durch den EZB-Einheitsleitzins. Für Deutschland und Österreich, die mit niedrigen Inflationsraten in die Währungsunion gingen, war der EZB-Leitzins real zu hoch. Für die Peripherie, die höhere Inflationsraten hatten, war er zu niedrig. Die realen Zinsen lagen dort über Jahre im negativen Bereich. Dies war eine ungeheure Verlockung zur Verschuldung, die Kreditvolumina wuchsen rapide. In Spanien und Irland kam es zu Baubooms, der plötzliche scheinbare Reichtum heizte den Konsum an. Insgesamt leisteten sich die Südländer, die allgemein stärkere, kampfbereite Gewerkschaften haben, übermäßig hohe Lohnzuwachsraten, die nicht von der Arbeitsproduktivität gedeckt waren. Die Lohnstückkosten in Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Irland stiegen gegenüber der Vor-Euro-Zeit um rund ein Drittel, in gleichem Maß sank ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit.

Daraus folgten stark steigende Leistungsbilanzdefizite in den „Piigs“-Staaten und steigende Auslandsverschuldung, die in Finanzkrisen besonders gefährlich werden kann. In Griechenland wuchs das Leistungsbilanzdefizit 2009 auf extrem hohe 14 Prozent des BIP, Portugal kam auf mehr als 10 Prozent, Spanien auf 5,5 Prozent und Italien und Irland auf mehr als 3 Prozent des BIP. Griechenland und Portugal hatten auch ihren schwerfälligen öffentlichen Dienst erheblich ausgeweitet, die Ausgaben für die vom Staat Beschäftigten verdoppelten sich in einem Jahrzehnt. In jeder Hinsicht lebten diese Länder über ihre Verhältnisse. Zunächst konnte der Überkonsum durch Kapitalzuflüsse aus dem Norden und die drastisch sinkenden Zinsen finanziert werden. Als mit der Finanzkrise die Kapitalmärkte plötzlich die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung misstrauischer beobachteten, verlangten sie von den „Piigs“-Staaten schlagartig höhere Risikoprämien.

Konnten die südeuropäischen Länder vor dem Euro noch ihre Währungen abwerten, um ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, ist dieser Ausweg nun versperrt. Statt Wechselkursabwertung droht Zahlungsunfähigkeit – was die Gläubiger, allen voran französische und deutsche Banken, schwer getroffen hätte. Hinter den Kulissen drohten die Banken der Politik mit einer möglichen Kettenreaktion im Finanzsystem, falls die Anleihen von Griechenland oder anderen Peripherie-Staaten ausfielen. So wurde abermals eine Rettung mit Steuergeld erpresst. Eigentlich schloss der Maastricht-Vertrag einen „Bail out“ aus. Es hieß klar, dass die Teilnehmer der Währungsunion nicht für die Schulden anderer Mitglieder haften. Doch dieser Grundsatz wurde über Bord geworfen. Die solideren Mitglieder der Eurozone, allen voran Deutschland, haften nun für die Schulden der Peripherie.

Als sich die Schuldenkrise zuzuspitzen begann, hatte der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing noch eindringlich vor einer Verletzung der „No bail out“-Klausel gewarnt. Wer diesen Grundsatz aufweiche, der lege „die Axt an den stabilitätspolitischen Rahmen der Währungsunion“. Dass jeder Staat für seine eigenen Schulden und Defizite hafte, sei entscheidend für die finanzpolitische Disziplin. „Ohne das gäbe es kein Halten mehr“, warnte Issing. Im Mai 2010 gab es kein Halten mehr. Die Regierungen der Euro-Länder, die EU-Kommission und der IWF richteten eine Kreditlinie von 110 Milliarden Euro für Griechenland und dann einen Rettungsfonds mit 750 Milliarden Euro für sämtliche finanzschwachen Euro-Länder ein. 2013 soll an seine Stelle der European Stability Mechanism (ESM) treten, der sogar nominal 700 Milliarden Euro Volumen haben soll. Entsprechend der EZB-Kapitalquoten gibt Deutschland den Löwenanteil von maximal 168 Milliarden Euro Garantien und leistet von 2013 an schrittweise eine Bareinlage von fast 22 Milliarden Euro, Österreich haftet für bis zu 17,3 Milliarden Euro mit zahlt 2,2 Milliarden Euro in die unverzinste Bareinlage.

Aus der Währungsunion droht damit eine Transferunion zu werden. Die Gefahr, dass der Euro zur Haftungsgemeinschaft mutiert, haben Kritiker, etwa der Tübinger Ökonom Joachim Starbatty, von Anfang an vorausgesagt. Die Mehrheit der deutschen Wirtschaftsprofessoren stand den Plänen für eine Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) in den neunziger Jahren skeptisch bis ablehnend gegenüber. Doch ihre Vorbehalte wurden ignoriert. Denn der Euro war in erster Linie ein politisches, kein ökonomisches Projekt. Frankreich forderte von Deutschland die Aufgabe der D-Mark als Preis für die Wiedervereinigung. Die ökonomischen Begründungen der angeblichen Vorteilhaftigkeit einer gemeinsamen Währung wurden nachgeschoben.

Ein Damm gegen unsolide Fiskalpolitik sollte der Stabilitätspakt sein, der aber in den Jahren 2003 bis 2005 von Deutschland und Frankreich gemeinsam aufgeweicht wurde. Nun soll der Pakt zwar verschärft werden. Es bleibt aber dabei, dass es bei überhöhten Defiziten keinen Sanktionsautomatismus gibt. Der Prozess bleibt politisiert, weiterhin richten potentielle Sünder über aktuelle Sünder. Unter diesen Bedingungen wirken Sanktionsdrohungen nicht glaubwürdig. Auf die schiefe Bahn zur Vergemeinschaftung von Altschulden führte auch die Diskussion über Euro-Bonds, die von besonders integrationseifrigen Regierungen und der Kommission gefordert werden. Gemeinsame Anleihen würde den schlechten Schuldnern eine Entlastung auf Kosten der relativ guten Schuldner wie Deutschland und Österreich bringen. Dass der ESM künftig Anleihen finanzschwacher Euro-Staaten ankaufen darf, führt die Euro-Bonds durch die Hintertür ein.

Statt einer Vergemeinschaftung von Schulden empfehlen die meisten Ökonomen eine Insolvenzregel für Staaten. Griechenland, das bald 160 Prozent Schuldenquote hat, sollte eine Umschuldung gewährt werden. Damit gäbe es eine Beteiligung der Gläubiger an der Sanierung der Staatsfinanzen. Zumindest müssten EU-Hilfskredite aus Steuermitteln mit einem Schuldenmoratorium in Form einer Verlängerung der Laufzeiten verbunden werden. Die Anleger, die hochrentierende Piigs-Anleihen gekauft haben, würden dann wenigsten einen Teil der Risiken tragen, statt sie komplett auf die europäischen Steuerzahler abzuwälzen. Eine solche Regelung würde disziplinierend wirken, weil sie künftige übermäßige Schuldenmacherei bremst.

Wenn jedoch der Eindruck entsteht, dass die Steuerzahler der solideren Länder, allen voran Deutschland, die Niederlande und Österreich, die Zahlmeister der EU sind, wird die Akzeptanz der EU beschädigt. Die Euro-Verdrossenheit hat in der Krise einen Höhepunkt erreicht. Nach den Allensbach-Umfragen haben in Deutschland fast zwei Drittel der Bürger wenig oder gar kein Vertrauen mehr in die EU. Ohnehin hat sich die Mehrzahl der Bürger nur widerwillig in das Euro-Experiment gefügt, das wie vieles in der EU ein Projekt der Politik-Eliten war. Auch diese sind nun ratlos. Die Kluft zwischen Politik und Bürger wird breiter. In einer Transferunion werden sich die Nettozahler ausgenutzt und getäuscht fühlen, zumal wenn offenkundige Statistikfälschung wie in Griechenland vorliegt. Finanzielle Spannungen können zu politischen Spannungen führen. Der Euro würde dann zum Sprengsatz für Europa werden. Eine solche Entwicklung hat der amerikanische Ökonom Martin Feldstein in einem vieldiskutierten Aufsatz schon vor Beginn des EWU-Experiments prophezeit.

Im „Haus Europa” sind die Risse seit 2010 nicht mehr zu übersehen. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, flüchtete sich die EU-Elite in eine martialische Rhetorik. Von einem „Angriffskrieg“ ominöser internationaler Spekulanten war die Rede, gegen den Frankreichs Präsident Sarkozy eine „Generalmobilmachung“ ankündigte. Er wolle „ohne Gnade die Spekulation bekämpfen“.Einige prominente und besonnene Ökonomen hatten die Courage, dem Unsinn zu widersprechen, etwa Otmar Issing, der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank. Er widersprach der „Mär von der Spekulation“ und fragte: „Ist es Spekulation zu nennen, wenn Pensionsfonds und Lebensversicherungen versuchen, griechische Anleihen abzustoßen, um Schaden von ihren Versicherten abzuwenden?“ Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe nennt den Verweis auf die „notorischen Spekulanten … eine Art Schadenszauber, weiß doch mittlerweile jedes Kind, dass die Probleme nicht auf Spekulation zurückzuführen sind, sondern nicht selten auf handfeste Misswirtschaft.“

Da die mitteleuropäischen Steuerzahler über die Rettungsorgie nicht begeistert waren, malten die EU-Eliten eine drohende Katastrophe an die Wand, wenn einzelne Mitglieder wegen Zahlungsschwierigkeiten die Währungsunion verlassen müssten. Auf den Wirtschaftshistoriker Plumpe wirkt diese Drohkulisse wenig überzeugend. Er erinnert daran, dass es schon die verschiedensten Währungsunionen in der Geschichte gab, die alle irgendwann auseinanderfielen. „Ihr Zerfall trat in der Regel ein, wenn die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Teilnehmerländern zu groß wurden, um eine gemeinsame Währung sinnvoll erscheinen zu lassen, oder wenn sich ein oder mehrere Teilnehmer nicht mehr an die vereinbarten Spielregeln hielten. Ihr Zerfall war bisher kaum je ein ökonomisches Desaster.“ Ein Desaster wäre es nur für die jene Europapolitiker und EU-Bürokraten, die den Euro als ökonomisches Treibmittel einer politischen Zentralisierung des Kontinents sahen. Dieses Unterfangen, das mit Euro-Krise einen herben Rückschlag erleidet, versuchen sie dennoch fortzusetzen.

Die schleichende Transformation der Währungsunion in eine Haftungsunion steht erst am Anfang. Flankierend fordert die französische Regierung seit Jahren eine „Wirtschaftsregierung“, wogegen die deutsche Kanzlerin einen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ vorgeschlagen. Die Diskussion im Jahr 2010 drehte sich immer mehr um „makroökonomische Ungleichgewichte“, die es abzubauen gelte. Französische Politiker und Ökonomen plädierten für eine Art europäische Makro-Globalsteuerung, auch in Deutschland finden sich im linken Lager ein paar Fürsprecher dieser Idee. Wenn die Peripherie in den kommenden Jahren nicht wettbewerbsfähig wird, weil sie unter zu hohen Schulden leidet und zu geringe Innovationskraft hat, wird der Ruf nach Transferflüssen oder nach politischer Steuerung der Leistungsbilanzen immer lauter werden. Frankreich hat die zu geringen Lohnsteigerungen in Deutschland kritisiert. Die Forderung nach „Harmonisierung“ der Lohnpolitiken ist dabei nur der wenig kaschierte Versuch, die Produktionskosten des Konkurrenten zu erhöhen.

Die Schritte zu einer supranationalen, gemeinsamen Wirtschaftspolitik führen in jedem Fall zu mehr Vereinheitlichung. Durch mehr supranationale Vorgaben wird nicht nur die nationale demokratische Souveränität ausgehebelt. Eine zentralistische Politik nach dem Motto „one size fits all“ ist auch ökonomisch höchst fragwürdig in einem heterogenen Wirtschaftsraum.  In der Geldpolitik hat es zu Verzerrungen und Fehllenkungen geführt. Die von Frankreich propagierte „Wirtschaftsregierung“ bedeutete im Extrem eine Gleichschaltung der länderspezifischen Fiskal-, Sozial-, Tarif-, Renten- und Bildungspolitiken. Dies würde die europäische Vielfalt planieren und in eine Sackgasse führen. Europa wäre nicht mehr Europa. Denn gerade die Vielfältigkeit hat, historisch gesehen, das Entdeckungsverfahren ermöglicht, das Europa zu einer einzigartigen und führenden Region in der Welt macht. Es war dieser produktive Systemwettbewerb, der das historische „Wunder Europas“ (Eric L. Jones) ermöglicht. Durch mehr zentralistische Planierung würde Europa nicht „fit“ für den globalen Wettbewerb, wie die Befürworter einer „Wirtschaftsregierung“ versprechen, sondern sein Wachstumspotential tendenziell gemindert.

Die tickende demographische Zeitbombe im „alten Kontinent“

Die Wachstumsaussichten sind ohnehin gedämpft: Kurz- und mittelfristig wegen der Folgen der Finanz- und Schuldenkrise, die strukturelle Veränderungen erzwingt. Mittel- bis längerfristig werden die Auswirkungen des demographischen Wandels immer schärfer zutage treten. Die Bezeichnung Europas als „alter Kontinent“ bekommt einen neuen, düsteren Sinn. Mit einer überalternden Bevölkerung geht Dynamik verloren. Jeder einzelne wird natürlich die Verlängerung der Lebenserwartung als Geschenk zusätzlicher Zeit sehen. Gesamtgesellschaftlich dürften die Konsequenzen stark überalternder Bevölkerungen und einer fehlgesteuerten Zuwanderung jedoch zu existentiellen Belastungsproben führen. Schon heute gibt es in Mitteleuropa mehr 65-Jährige als unter 20-Jährige. Vor allem im Zusammenspiel mit der Verschuldung wird die Herausforderung deutlich: Immer weniger Nachkommen müssen immer größere Lasten schultern.

Mitte der sechziger Jahre erreichte die Geburtenrate mit deutlich über 2 Kindern je Frau – der sogenannten Babyboomer-Generation – einen kurzen Höhepunkt. Als die Geburtenraten dann einbrachen, wurden die Konsequenzen zunächst verdrängt, eine Debatte sollte nicht stattfinden und wurde gar diffamiert. Bevölkerungswissenschaft galt nach den NS-Missbräuchen als anrüchig. Dennoch bleibt die Demographie eine zentrale Größe, die sich nicht aus Gründen vermeintlicher „political correctness“ ignorieren lässt. Bevölkerungsentwicklungen sind träge Phänomene, doch gewinnen sie an Fahrt, wenn ein Einbruch der Geburtenrate so lange anhält. Seit fast vierzig Jahren liegt sie nun bei etwa 1,4 Kindern je Frau. Das ist rund ein Drittel weniger als das bestandserhaltende Niveau. Im Klartext heißt das: Jede nachgeborene Generation wird um ein Drittel kleiner sein als ihre Elterngeneration. Dieser Prozess führt in eine sich selbst verstärkende demographische Abwärtsspirale.

Die absoluten Zahlen verdeutlichen die epochale Verschiebung. Im letzten Jahr des Babybooms 1964 kamen in Deutschland (West und Ost) rund 1,35 Millionen Kinder zur Welt, dann sank die Geburtenzahl um mehr als ein Drittel. Vordergründig wird dies als „Pillenknick“ bezeichnet. Als tiefere Gründe erscheinen ein kultureller und ideologischer Wandel, das Forcieren neuer, emanzipierter Frauenrollenbilder, die das Muttersein in den Hintergrund drängten, sowie die zunehmende Individualisierung und Auflösung der traditionellen Familienstrukturen, deren Aufgaben zum Teil der Sozialstaat übernahm. Ökonomisch kann der Verzicht auf Nachwuchs als Reaktion auf veränderte (Opportunitäts-)kosten der Erziehung der Kinder gedeutet werden, deren „Wert“ (emotional und materiell) geringer geachtet wird. Nicht zu unterschätzen ist auch der demographische Effekt des Sozialstaats: Während die Kosten der Kindererziehung weitgehend bei den Eltern liegen, wird ihr ökonomische „Nutzen“ sozialisiert, indem sie Rentenbeiträge ins Umlagesystem zahlen, aus dem auch die Renten der Kinderlosen finanziert werden.

Den bisherigen Tiefpunkt der Geburtenzahl markiert in Deutschland das Jahr 2009, als nur noch 651.000 Kinder zur Welt kamen. Innerhalb von 45 Jahren hat sich die Basis des Nachwuchses halbiert. In Österreich lag die Geburtenzahl im Höhepunkt 1963 bei fast 135.000, heute werden weniger als 77.000 Kinder im Jahr geboren. Dies ist ein Rückgang der Geburtenzahl um mehr als 40 Prozent in nicht einmal zwei Generationen. Noch stehen die Babyboomer mehrheitlich im Erwerbsleben, doch werden sie etwa zur Mitte des Jahrzehnts ausscheiden. In den kommenden Jahrzehnten wird die Alterung in eine beschleunigte Schrumpfung der Bevölkerung übergehen. Das Ausmaß der zu erwartenden Bevölkerungsverluste nennt der bekannte Bielefelder Biograph Herwig Birg vergleichbar mit denen im Dreißigjährigen Krieg, der die Einwohnerzahl um etwa ein Drittel dezimierte und ganze Landstriche in Mitteleuropa entvölkerte.

Zum Teil füllen Einwanderer und ihre Nachkommen die demographische Lücke, doch nicht vollständig. Bis zum Jahr 2050 wird die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik von 82 Millionen auf 68 Millionen sinken, darunter sind nach der Berechnung von Birg dann rund 19 Millionen mit Migrationshintergrund. 2100 könnte die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik, wenn die demographischen Trends sich nicht drastisch ändern, auf 46 Millionen geschrumpft sein. Davon wären nur noch eine Minderheit von 21 Millionen ethnische Deutscher gegenüber einer Mehrheit von Zugewanderten und ihren Nachkommen.

Für Österreich ist eine noch schnellere Verschiebung der ethnischen Relationen anzunehmen. Nach der mittleren Schätzung von Statistik Austria wird die Bevölkerungszahl zwar bis 2050 von 8,4 auf 9,4 Millionen zunehmen, aber nicht wegen nennenswert steigender Geburtenzahlen, sondern als Folge einer erwarteten hohen Zuwanderung. Die autochthone österreicherische Bevölkerung schrumpft bis zur Jahrhundertmitte um 2 Millionen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sinkt nach der Prognose von Vonach und Tagesen auf etwa 52 Prozent. Am stärksten sind die demographischen Verschiebungen in den Städten und in der jungen Bevölkerung. In Wien könnte der Migrantenanteil bei den unter 40-Jährigen schon zur Jahrhundertmitte auf 73 Prozent der Bevölkerung anwachsen.

Langfristige demographische Prognosen stehen unter dem Vorbehalt, dass künftige Trends sich ändern können. Doch die mittelfristige Bevölkerungsentwicklung ist unentrinnbar durch den Geburtenstreik der vergangenen vierzig Jahre determiniert. Der Kindermangel bedeutet künftigen Elternmangel. Europas Bevölkerung wird demnach in nie gekanntem Maße schrumpfen. Abgesehen davon, dass der Mangel an Nachwuchs starke Zweifel am kulturellen Überlebenswillen aufkommen lässt, verdüstert er die volkswirtschaftlichen Perspektiven. Schon in diesem Jahrzehnt, wenn die Babyboomer in Rente gehen, wird das Potential an qualifizierten und leistungsfähigen Arbeitskräften deutlich knapper. Zugleich steigt deren Belastung durch Beiträge in die Sozialsysteme und die Versorgung der zunehmenden Zahl von Älteren.

Heute kommen noch drei Erwerbstätige auf einen Rentner, in einer Generation dürften es weniger als zwei sein. Wegen der schrumpfenden Basis an Erwerbspersonen (bis 2035 in Deutschland um rund 5 Prozent, danach beschleunigt) ist mit schwächerem Wachstum zu rechnen. Das Schweizer Prognos-Institut schätzt, dass selbst im günstigsten Szenario mit einer steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen, Älteren und Migranten die Wachstumsrate bis 2035 im Durchschnitt nur noch 1 Prozent beträgt und zuletzt auf 0,6 Prozent sinken wird.

Der demographische Wandel, der seit einigen Jahrzehnten schleichend abläuft, ist träge und dennoch so wuchtig, dass er die bisherigen Gesellschaftsordnungen in eine Zerreißprobe führen wird. Es drohen Verteilungskonflikte: Junge gegen Ältere, Gesunde gegen Kranke, Einheimische gegen Migranten. Die finanziellen Ressourcen des Sozialstaates werden härter als je zuvor umkämpft sein. In der Demokratie, in der die Präferenzen des Median-Wählers entscheidend sind, droht eine beschleunigte Umverteilung. Die Zahl der Sozialleistungsbezieher, die ein Interesse am Ausbau der Umverteilung haben, steigt, während die Steuern und Abgaben zahlende erwerbstätige Mitte schrumpft. Schon heute gehören in Deutschland 42,4 Prozent der Wahlberechtigten zur Gruppe derer, die ihr Einkommen hauptsächlich vom Staat beziehen. Dazu zählen Rentner, Arbeitslose sowie Empfänger anderer Sozialleistungen. „Es fehlt also nicht mehr viel, bis jeder zweite Wahlberechtigte vom Staat alimentiert wird“, warnt das Institut der deutschen Wirtschaft.

Angesichts der demographischen Entwicklung ist der Zeitpunkt absehbar, an dem die Sozialleistungsbezieher die Mehrheit der Wahlberechtigten darstellen. Zwar sind Transferbezieher kein geschlossener Wählerblock, doch tendenziell eint sie ihr Interesse an einem stetigen Transferfluss. In Deutschland ist zu beobachten, dass neben den Arbeitslosen die Rentner eine zunehmende Wählergruppe der Linkspartei bilden, die sich gegen die Rentenreformen mit dem demographischen Ausgleichsfaktor und der Anpassung des Renteneintrittsalters stemmt. Als in der Rezession 2009 die Arbeitseinkommen sanken, wurden die Renten nicht entsprechend gekürzt, stattdessen beschloss die schwarz-rote Regierung eine „Rentengarantie“. Das Aufweichen der Regel erfolgte aus rein politischem Opportunismus.

Die mächtigsten Wählerbataillone sind künftig die Älteren, die Transfer- und Sozialleistungsbezieher. Dies fällt ins Gewicht, wenn über die Verteilung knapper Ressourcen, etwa für junge Familien, für Bildung oder für die Rentenempfänger, gestritten wird. FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher hat den Begriff „Methusalem-Komplott“ geprägt, der Münchner Ökonom Hans-Werner Sinn warnte vor einer „Gerontokratie“. Nur die Abwanderungsdrohung der Jüngeren, der Steuer- und Abgabenzahler, kann den Zugriff des Sozialstaates auf ihre Einkommen bremsen. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Staat die Wünsche der Wähler bedient, indem er sich zulasten kommender Generationen verschuldet hat. Während die Sozialausgabenquote des deutschen Staatshaushalts seit den siebziger Jahren stark ausgeweitet wurde und nun mehr ein Drittel des BIP beträgt, ist die Investitionsquote des Bundes unter 9 Prozent gesunken. Der Schwerpunkt der Ausgaben liegt also auf Sozialkonsum.

In der demographischen Falle erscheint der Staat, der ein umfassendes, aber nicht mehr finanzierbares soziales Sicherungsversprechen gegeben hat, nicht mehr souverän. Er hat Handlungsspielräume verloren. Er ist nicht mehr Gestalter einer sozialen Ordnung, sondern Getriebener von Interessengruppen. Um heutige Wählerinteressen zu bedienen, schmälert er Zukunftschancen. Immerhin hat Deutschland mit der Schuldenbremse einen finanzpolitischen Riegel gegen weiteres opportunistisches Schuldenmachen eingezogen. Von 2016 an muss der Bund und von 2020 an müssen die Länder mit nur noch minimaler struktureller Neuverschuldung auskommen. Solche Schuldenregeln sind der einzige Schutz der künftigen Generationen gegen eine Ausgabenpolitik zu ihren Lasten.

Die Lebenserwartung der Menschen in Mitteleuropa steigt seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Selbst nach konservativen Schätzungen könnte sie jedes Jahrzehnt um etwa weitere 2 Jahre zunehmen. Während das allein ein Grund zur Freude sein könnte, bringt das drastische Schrumpfen der jungen Generation die Gesellschaft aus der Balance. Um die politischen Kämpfe um Rentenanpassungen zu entschärfen, wäre eine Regel zur dynamischen Anpassung des Renteneintrittsalters notwendig. Die hinzukommenden Lebensjahre würden dann nach einem festen Verhältnis auf Arbeits- und Pensionszeit verteilt, etwa zwei Drittel zu ein Drittel. Analog zur Schuldenbremse wäre dies eine Selbstbindung der Politik gegen die Versuchung einer wahltaktisch motivierten, opportunistischen Rentenpolitik auf Kosten der kleiner werdenden jüngeren Generationen.

Ausländer rein – aber die richtigen

Auf dem Arbeitsmarkt wird sich schon Mitte des Jahrzehnts die Nachwuchsknappheit schmerzhaft bemerkbar machen. Die Babyboomer gehen in den Ruhestand, geburtenschwache Jahrgänge treten ins Erwerbsleben ein. Einige Branchen klagen schon heute über Fachkräftemangel. Eine stärkere Aktivierung von Älteren und Arbeitslosen kann die Knappheit lindern, doch nur zum Teil. Daher ist Zuwanderung notwendig, die aber in radikaler Weise neu zu steuern ist. Sie muss nach den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes ausgerichtet sein und darf zugleich die sozial-kulturelle Aufnahmefähigkeit nicht überschreiten. Skepsis ist angebracht, ob dies gelingt, denn gerade in der Einwanderungsfrage haben sich die westeuropäischen Staaten über Jahrzehnt konzeptlos und schwach gezeigt.

„Insgesamt muss hier von einem Politikversagen gesprochen werden“, urteilt der Bremer Migrationsforscher Stefan Luft. „Der demokratische Rechtsstaat ist nicht in der Lage gewesen, die sich dynamisch entwickelnde Zuwanderung – von der Gastarbeiteranwerbung über den Familiennachzug – wirkungsvoll zu begrenzen.“ Zunächst wurden vor allem Ungelernte ins Land geholt, danach ein ungesteuerter Zuzug geduldet, der zu einem erheblichen Teil in die Sozialsysteme ging. Insbesondere die Türkei, die 1961 auf ein eigenes Gastarbeiterabkommen mit Deutschland drang, hatte einen Anreiz, ihren Bevölkerungsüberschuss nach Westeuropa abzuschieben. Von 1962 bis 1973 gab es einen Nettozuzug von etwas mehr als 3 Millionen Menschen aus Südeuropa und der Türkei nach Deutschland.

Die Erwerbsquoten waren anfangs hoch, die Situation wandelte sich aber mit der Rezession Mitte der siebziger Jahre. Während die meisten Italiener, Spanier, Griechen und Jugoslawen, die arbeitslos wurden, in ihre Heimat zurückgingen, blieb der Großteil der Türken. Sie waren die einzige Ausländergruppe in Deutschland, deren Zahl trotz des Anwerbestopps von November 1973 und der steigenden Arbeitslosigkeit weiter wuchs. Die türkische Zuwanderung fand mehr und mehr über den Familiennachzug statt. In einer regelrechten Kettenwanderung siedelten halbe ostanatolische Dörfer in mitteleuropäische Großstädte um. Hinzu kam in den frühen neunziger Jahren ein anschwellender Strom von Asylbewerbern.

Der großzügige deutsche Sozialstaat wirkt dabei als „zweipoliger Zuwanderungsmagnet“, wie es der Chef des Münchner Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn formuliert. „Mit der einen Seite stößt er die reichen Nettozahler ab, und mit der anderen zieht er die armen Kostgänger des Staates an.“ Eine Studie seines Instituts hat für Migranten im Durchschnitt knapp 2370 Euro jährlich Nettogewinn durch staatliche Leistungen errechnet. Dazu gehören Sozialhilfe, Wohngeld, Kindergeld, Mitversicherung von Angehörigen in der Krankenversicherung und die Nutzung öffentlicher Einrichtungen. Eine türkische Familie mit drei Kindern erhielt über zehn Jahren einen Nettotransfer des Sozialstaates von im Durchschnitt 118.350 Euro als „Wanderungsprämie“.Dieser Einwanderungsanreiz durch den Sozialstaat erklärt einen großen Teil der Fehlsteuerung der Migrationsströme.

„Von 1970 bis 2003 stieg die Zahl der Ausländer in Deutschland von 3 auf 7,3 Millionen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Ausländer blieb dagegen mit 1,8 Millionen konstant. Ein Großteil der Einwanderung nach Deutschland ging also am Arbeitsmarkt vorbei in das Sozialsystem“, stellt der FAZ-Herausgeber Holger Steltzner fest. Wer aber das „unkorrekte“ Tabuthema der Einwanderung in das Sozialsystem anspreche, müsse mit der Empörung der Wohlfahrtsanhänger rechnen. Inzwischen hat sich eine regelrechte Integrationsindustrie herausgebildet. Zu ihr gehört das Heer von Sozialarbeitern, Sozialverbänden und auch Kirchen, kommunalen Ausländerbeauftragten, Antidiskriminierungsstellen und multikulturellen Vereinen mit öffentlicher Förderung. Sie alle gehören zu den Stützen der Migrantenmilieus und haben versucht, Probleme mit der Sprachregulierung der „political correctness“ zu vertuschen.

Unbequeme Fakten zur Zuwanderung, die ein partielles Scheitern und hohe Kosten der Integration anzeigen, wurden viel zu lange tabuisiert. Verschweigen hilft aber nicht beim Lösen der Integrationsprobleme. Die Arbeitslosenquote von 18 Prozent der Ausländer in Deutschland übertrifft die gesamtdeutsche Quote von gut 7 Prozent um mehr als das Doppelte. In Österreich sind etwa 10 Prozent der Ausländer arbeitslos, zweieinhalbmal so viel wie unter den Einheimischen. Die Durchschnittswerte sind indes nur begrenzt aussagekräftig. Unter den westeuropäischen Ausländern ist die Arbeitslosenquote kaum höher als die der Einheimischen. Extrem hoch sind die Arbeitslosigkeit und Integrationsdefizite dagegen bei Zuwanderern aus dem arabischen und afrikanischen Raum sowie aus der Osttürkei, also aus Kulturkreisen, die dem europäischen fern stehen.

Von den in Deutschland lebenden Libanesen, die überwiegend als Asylanten kamen, beziehen ganze 90 Prozent Langzeitarbeitslosengeld (Hartz IV), wie die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen. Von den Irakern sind 65 Prozent, von den Afghanen 53 Prozent langzeitarbeitslos. Von den laut Statistik 1,65 Millionen türkischen Staatsbürgern in der Bundesrepublik beziehen immerhin 26 Prozent Hartz IV. Deutlich besser schneiden Kroaten und Serben ab, deren Hartz-IV-Quote von 8 Prozent nur wenig über dem deutschen Durchschnitt liegt. Hauptgründe für die erheblich höhere Arbeitslosigkeit sind die schlechte Qualifikation und mangelnde Sparbeherrschung. 76,5 Prozent der nicht-deutschen Arbeitslosen haben laut Statistik keine Berufsausbildung, unter den deutschen Arbeitslosen waren es 36,8 Prozent.

Unübersehbar wachsen in den Großstädten migrantische Milieus, die weder integrationsfähig noch -willig sind. Eine verfehlte multikulturalistische Duldungspolitik hat dazu beigetragen. „Die Vision einer multikulturellen Gesellschaft, in der jede Herkunftsgruppe unbeeinflusst ihre Eigenart ausleben sollte, ließ echte Integration nie zu, sondern stärkte das Leben in jenen Parallelgesellschaften, in denen sich die Unterschichten der Großstädte konzentrieren“, heißt es in einer vielbeachteten Studie des politisch neutralen Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Nach dieser Studie unterscheiden sich Migranten unterschiedlicher Herkunftsregionen signifikant nach ihren Intergrationserfolgen und -misserfolgen. Am besten schnitten die aus Osteuropa gekommenen Spätaussiedler mit deutschen Wurzeln ab, die sich relativ problemlos einfügten. Mit Abstand am schlechtesten integriert ist die Gruppe mit türkischem Hintergrund.

In keiner anderen Herkunftsgruppe finden sich mehr Menschen ohne Bildungsabschluss (30 Prozent) und weniger mit Hochschulberechtigung (14 Prozent). In keiner Gruppe war zudem die Tendenz zur Vermischung durch bi-kulturelle Ehen so gering wie bei den Türkischstämmigen, die mit 2,5 Millionen (etwa 800.000 sind eingebürgert) die größte Einwanderergruppe in Deutschland ausmachen. Nur jeder zwanzigste Türkischstämmige heiratete einen deutschen Partner. Offenbar stellt der Islam eine zusätzliche Integrationsbarriere dar. Ehepartner holen türkische Familien gerne aus dem Heimatland. Der Zustrom der „Importbräute“, wie sie die deutsch-türkische Soziologin Necla Kelek bezeichnet, erschwert es in jeder Generation neu, Anschluss an die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu finden. Sprach- und Bildungsmängel werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Von Europa nach Eurabia?

Mit der etwa doppelt so hohen Geburtenrate ist absehbar, dass der Anteil der türkischen und arabischen Migrantenpopulation exponentiell steigt. In manchen großstädtischen Vierteln wird er dominierend. In den Kindergärten und Schulen im Berliner Bezirk Neukölln, wo oftmals 90 Prozent einen nicht-deutschen Hintergrund haben, müssen sich faktisch die verbliebenen wenigen deutschen Jugendlichen integrieren. Aus Sicht der verbliebenen alternden einheimischen Bevölkerung sind diese Viertel überfremdet. Die sozialen Probleme vertreiben Eltern der Mittelschicht, übrig bleibt eine weitgehend perspektivlose Unterschicht. Viele Jahre galt Kritik an der ungesteuerten Zuwanderung als unanständig oder wurde als „ausländerfeindlich“ diffamiert. Nach Jahren des Verharmlosens und Beschönigens  hat der Problemdruck indes so zugenommen, dass die Verheißung einer multikulturellen „Bereicherung“ der Alltagserfahrung immer weniger entspricht.

In dieser Situation wirkte das provokante Buch „Deutschland schafft sich ab“ des ehemaligen Berliner SPD-Finanzsenators und Bundesbankers Thilo Sarrazin wie ein Befreiungsschlag für eine offene Debatte über Migration und Integration. Die überwältigend zustimmende Reaktion aus der Bevölkerung gab es nicht für die umstrittenen erbbiologischen Thesen, sondern für den Mut, ohne Rücksicht auf „political correctness“ die Konsequenzen des demographischen Wandels, der ungesteuerten Zuwanderung und der mangelnden Integration zu diskutieren. Weitere kritische Stimmen haben sich in jüngster Zeit hervorgewagt. So nennt der amerikanische Journalist Christopher Caldwell, der mehr als ein Jahrzehnt an den Brennpunkten islamischer Migrantenmilieus recherchiert hat, die gegenwärtige demographisch-kulturelle Umwälzung eine „Revolution in Europa“, die ein soziales Pulverfass schafft.

Im Extremfall kann gescheiterte Integration zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen. Ende 2005 sind erstmals offene Unruhen in den französischen Banlieues ausgebrochen. Die betongrauen Sozialsiedlungen vieler Vorstädte, bewohnt überwiegend von nord- und schwarzafrikanischen sowie arabischen Einwanderern und ihren Kindern, sind Zonen der Perspektivlosigkeit. Die Arbeitslosenquote liegt bei 40 Prozent, viermal so hoch wie der nationale Durchschnittswert. Unter den Jugendlichen ist weit über die Mehrheit ohne Job. Im Oktober 2005 löste der Unfalltod zweier Jugendlicher wochenlange Brandtstiftungen und Kämpfe mit der Polizei aus. Im Gesamtjahr 2005 wurden knapp 30.000 Autos und 5700 Bushaltestellen angezündet. Der „Spiegel“ beschrieb die Unruhen als „Intifada vor den Toren der französischen Hauptstadt“.

Der „Aufruhr in Eurabia“ könnte ein Menetekel für die Zukunft sein. Tausende Polizisten standen zigtausend aufgebrachten arabischen und afrikanischen Jugendlichen gegenüber. Erst Notstandsmaßnahmen und Ausgangssperren stoppten die offene Gewalt, die Spannungen bestehen weiter. Von Anzeichen, dass auch in hiesigen Zuwanderervierteln brenzlig wird, berichtet die deutsche Polizeigewerkschaft. „Es gibt Straßenzüge in manchen Vierteln Berlins, Hamburgs, Duisburgs, Essens oder Kölns, in die sich Polizisten nicht mehr alleine hineintrauen“, sagt der Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Bei Verhaftungen von türkischen oder arabischen Jungkriminellen komme es zu Zusammenrottungen. Es sei „bundesweit bekannt, dass diese Blitzmobilisierungen meist von jungen Männern mit türkischem oder arabischem Hintergrund ausgehen“ berichtet der Polizeigewerkschafter Wendt. „In solchen Vierteln wankt das staatliche Gewaltmonopol“.

Keine Zuwanderung mehr ins Sozialsystem

Über Jahre hat der Staat seine innere Schwäche durch die Zahlung von Sozialleistungen verdeckt und perspektivlose Zuwanderer auf diese Weise ruhigzustellen versucht. Das Alimentieren der Problemmilieus kann jedoch die Probleme noch verfestigen, da es den Druck zu eigener Anstrengung mindert. Wer das Abgleiten junger, geringqualifizierter Zuwanderer in Arbeits- und Perspektivlosigkeit verhindern will, muss früher und intensiver ihre Bildung fordern und fördern. Sanktionen für Integrationsverweigerer, die Kurse und Angebote nicht wahrnehmen, sollten selbstverständlich sein. Zwar haben jüngst die Regierungschefs Merkel, Sarkozy und Cameron „Multikulti“ für gescheitert erklärt, was als Wende in der Migrationsdebatte gesehen wurde, doch ist dieser Feststellung bislang wenig Konkretes gefolgt. Die deutsche „Leitkultur“-Debatte blieb weitgehend folgenlos. Allenfalls ist der Spracherwerb in den Fokus gerückt. Noch vor nicht allzu langer Zeit beklagten grüne Politiker die Anweisung zum Deutschsprechen auf dem Schulhof als „Zwangsgermanisierung“; solche Selbstverleugnungsverrenkungen sind vorbei.

Integration kann jedoch nur glücken, wenn die Umwelt im Viertel wie in der Schule noch von der Mehrheitskultur geprägt ist. Ist ein Viertel mehrheitlich von Migranten bewohnt, wird die Integration chancenlos. Die Politik schreckt dabei vor der Erkenntnis zurück, dass die Vergrößerung der zugewanderten Unterschicht zum Teil auch auf staatliche Sozialleistungen zurückzuführen ist. Gerade Geringverdienern setzen sie finanzielle Anreize zu einer höheren Reproduktion. Diese aber führt in einen Teufelskreis: Die Familien der Unterschicht haben mehr Kinder als in der Mittelschicht, die abwandert. Ihre materielle, Sprach- und Bildungsarmut wird weitergegeben. Das Problem der gering qualifizierten, oft arbeitslosen und desintegrierten Milieus verfestigt sich über die Generationen.

Der Bremer Soziologe und Demograph Gunnar Heinsohn hat in mehreren bemerkenswerten Aufsätzen an den sozialpolitischen Paradigmenwechsel der Amerikaner erinnert, der in den achtziger Jahren unter der Regierung Reagan begann und unter der Regierung von Bill Clinton vollendet wurde. Während in den kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten ein dauerhafter Sozialhilfebezug für die Unterschicht möglich ist, hat man in den Vereinigten Staaten seit 1997 den bislang lebenslangen Anspruch auf fünf Jahre begrenzt. Sozialhilfe kann kein Lebensmodell sein, hieß Clintons Botschaft. Vorbereitet hatte diese Reform die Studie „Losing Ground“ des Politologen und Ökonomen Charles Murray. Seine brisante These: Obwohl die Ausgaben für Sozialhilfe seit den sechziger Jahren stark gestiegen waren, hatte dies die Armut nicht verringert, sondern die Zahl der Empfänger immer weiter erhöht, weil junge Frauen sich mit unehelichen Kindern auf Kosten von „Vater Staat“ durchbringen konnten. Mehr Geldangebote verlockten dazu, Kinder als Einnahmequelle zu sehen.

Daraus zog Clinton schließlich die Konsequenz für eine radikale Reform: den Übergang von „welfare“ zu „workfare“. Für körperlich gesunde Menschen gibt es nur noch fünf Jahre Sozialhilfe, da diese kein „way of life“ sein dürfe. Während die amerikanische Linke laut „Rassismus“ schrie, weil vorrangig schwarze Familien betroffen seien, und prophezeite, die Reform werde zur massenhaften Verelendung führen, trat das Gegenteil ein. Der Druck, sich auf dem Arbeitsmarkt selbst seinen Unterhalt zu verdienen, erwies sich als heilsam. Die Zahl der Neuanträge von „welfare mothers“ sank. In Deutschland hingegen wagt sich die politische Führung nicht an solche Reformen. „Während deutsche Frauen außerhalb von Hartz IV im Durchschnitt nur ein Kind haben und leistungsstarke Migrantinnen sich diesem Reproduktionsmuster nähern, vermehrt sich die vom Sozialstaat unterstützte Unterschicht stärker – mit allen Folgeproblemen“, warnt Heinsohn. „So sind in der Hartz-IV-Musterkommune Bremerhaven die Jungen in Sozialhilfe mit einem Anteil von rund 40 Prozent an der männlichen Jugend für mehr als 90 Prozent der Gewaltkriminalität verantwortlich.“

Zuwanderung ist kein Schicksal, sondern kann und muss gesteuert werden. Echte Einwanderungsländer wie Australien, Neuseeland oder Kanada machen es vor. Dort werden mit einem Punktesystem junge, intelligente und qualifizierte Zuwanderer ausgewählt. Wer Universitäts- oder Berufsausbildung sowie Sprachkenntnisse vorweisen kann, der erhält eine Einwanderungs- und Arbeitserlaubnis. Solche Zuwanderer bringen Nutzen für die Volkswirtschaft, sind leicht in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren und tatsächlich eine Bereicherung. Sie sollten mit offenen Armen empfangen werden. In Australien und Kanada ist diese Politik ein voller Erfolg gewesen. Ihre Zuwanderer, darunter ein hoher Anteil von Asiaten, weisen im Durchschnitt sogar ein höheres Bildungsniveau als die Einheimischen auf.

In Europa haben die Erfahrungen der ungesteuerten Zuwanderung von Geringqualifizierten die Bürger misstrauisch gemacht. Nach jahrzehntelangen Versäumnissen wäre es die richtige Konsequenz, die Migration in die Sozialsysteme zu stoppen und endlich Zuwanderer nach Bedarf und Qualifikation auszuwählen. Auch die Wirtschaft muss umzudenken. Sie hat Migranten als billige Arbeitskräfte angesehen; bei Arbeitslosigkeit oder Familiennachzug wollte sie die Kosten auf den Sozialstaat abwälzen. Gegen eine solche Zumutung muss sich ein selbstbewusster Staat verwahren. Zuwanderungsgewinne privatisieren und Zuwanderungskosten sozialisieren ist mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar.

Das Drama des überdehnten Staates

Die Herausforderungen in den kommenden Jahren sind gewaltig. Nach der Krise muss eine neue Balance zwischen Wirtschaft, Staat und Gesellschaft gefunden werden. Die Rufe nach einem starken Staat, der mehr regulieren soll, kontrastieren mit einem realen Staat, der schon jetzt extrem viel eingreift. „Ist der Staat schwach, gehen wir unter; ist der Staat stark, erdrückt er uns“, zitiert Guy Kirsch, ein in der Schweiz lehrender Ökonom und Philosoph, den Schriftsteller Paul Valéry. Die Finanzkrise hat in drastischer Weise vor Augen geführt, dass ein schwacher Staat, der keinen festen Ordnungs- und Wettbewerbsrahmen vorgibt, durch die Eigendynamik einer Spekulation, die auf öffentliche Rettung vertraut, an den Rand des Abgrunds geraten kann. Die „Gier der Banker“ konnte nur vor dem Hintergrund mangelnder Haftung ihren zerstörerischen Lauf nehmen. In ihrer dritten Phase hat sich die Finanz- zu einer Staatsschuldenkrise ausgeweitet. Sie erzwingt nun, dass der Staat sich auf seine Kernaufgaben besinnt.

Stark ist nur der schlanke Staat, nur er bleibt auf Dauer handlungsfähig. Die real existierenden Staaten indes haben sich in vielerlei Hinsicht überdehnt. Die Staatsquoten und Staatsinterventionen nehmen nach der Quantität zu, doch die wachsenden Ansprüche der Interessengruppen überfordern letztlich die Mittel des Staates. Mit trockenem Sarkasmus schrieb der Publizist Rüdiger Altmann über den hypertroph wachsenden Staat, der immer weitere Bereiche der Gesellschaft überlagert und dennoch – es war die Zeit der 1968er – an Autorität verliert: „Er gleicht einem kastrierten Kater, der an Umfang zunimmt – was ihm fehlt, ist die Potenz.“

Von einer Ordnungsinstanz ist der heutige Staat zu einer Umverteilungsinstanz verkommen, die erpressbar wird, sei es von Banken, die als „systemrelevant“ gelten, sei es von großen Konzernen, die Sonderkonditionen für Investitionen aushandeln, sei es von zahlenstarken Wählergruppen, die Subventionen oder Sozialleistungen fordern. Diese Dialektik des überdehnten und damit geschwächten Staates haben die frühen Neoliberalen, wie Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow, früh erkannt und kritisiert. Sie kritisierten die erkennbare Tendenz zur sozialstaatlichen Bevormundung und Entmündigung und forderten eine Rückverlagerung von Verantwortung auf die Individuen. Weniger Staatsabhängigkeit, weniger Steuern und mehr Freiheit sollten den Leistungswillen wecken. Ein verengter, moralisch blinder Liberalismus, der übertriebenen Individualismus und reine „Selbstverwirklichung“ propagiert, war ihnen aber fremd. Eigenständigkeit und Eigenverantwortung sahen sie stets im sozialen Kontext von Familie, Nachbarschaft, Kirche und Vereinen.

Die frühen Neoliberalen Röpke und Rüstow lehnten einen ökonomistisch verengten, moralisch blinden Blick auf die Wirtschaft ab. Stattdessen betonten sie die soziologischen, die nichtmateriellen Voraussetzungen einer funktionierenden Marktwirtschaft, die auf Werten „jenseits von Angebot und Nachfrage“ beruht. In den Familien wird jenes Human- und Sozialkapital gebildet, ohne das eine bürgerliche Gesellschaft brüchig wird. Im Gegensatz dazu hat ein hedonistischer, bindungsfeindlicher Individualismus seit 1968 die kernfamiliären Bande der Solidarität stark gelockert. Ihre Funktion übernahmen zunehmend wohlfahrtsstaatliche Strukturen. „Vater Staat“ ermöglicht und fördert die Entledigung von herkömmlichen Pflichten zur familiären Solidarität. Zugleich wird damit die Klientel, die seiner Hilfe bedarf, immer größer, bis schließlich die kollektiven Sozialsysteme, auch durch die ungesteuerte Zuwanderung, überlastet sind.

Eine nachhaltige „Kultur der Freiheit“ hat der deutsche Verfassungsrichter Udo Di Fabio zu skizzieren versucht, der in seinem gleichnamigen Buch sowohl konservative als auch liberale Vorstellungen einer eigenverantwortlichen bürgerlichen Gesellschaft vorstellt. Er plädiert für eine Überwindung der etatistischen Selbstblockade und mehr Vertrauen auf die Selbstorganisationsfähigkeit komplexer Systeme wie der menschlichen Gesellschaft. Der Bürger soll von den Fesseln des überbordenden Steuerstaates befreit werden. Gleichzeitig plädiert Di Fabio – in Abgrenzung zum bindungsfeindlichen Individualismus – für mehr Sinn für diejenigen Gemeinschaften, allen voran die Familien, ohne die individuelle Freiheit gar nicht möglich wäre.

Der Ruf nach einem „starken Staat“, der in der Wirtschaftskrise laut geworden ist, darf nicht zu eine weitere Aufblähung und Überdehnung des Staatsapparats führen. Vielmehr ist ein Rückbau des Staates notwendig, um Ressourcen für dessen Kernaufgaben freizulegen. Zum Kern eines freiheitsgerechten, ordnungspolitisch gefestigten Staates gehört es, die innere und äußere Sicherheit zu wahren, Eigentum zu schützen und Regeln für die Wirtschaft aufzustellen. Eine solche Rahmenordnung geht vom Prinzip des Wettbewerbs, der Vertragsfreiheit, aber auch der privaten Haftung aus. Finanzinstitute, die durch ihre schiere Größe im Krisenfall staatliche Hilfen erpressen können, darf es in einer Wettbewerbsordnung nicht geben. Ein wahrhaft starker Staat muss geeignete Insolvenzregeln finden, um solche Institute geordnet abzuwickeln. Und auf supranationaler Ebene dürfen die Staaten nicht zu gegenseitiger Schuldenübernahme in Europa genötigt werden; auch hierfür braucht es geeignete Insolvenzregeln mit Beteiligung der Gläubiger.

Ein wahrhaft starker Staat muss sich zudem den Wünschen von Unternehmen und Interessengruppen entgegenstellen, die Subventionen oder Konjunkturhilfen fordern. Diese gehen zu Lasten der Allgemeinheit, die durch hohe Steuern und Abgaben belastet wird. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft addierten sich alle Subvention sowie steuerlichen Vergünstigungen in Deutschland 2009 auf 164,7 Milliarden Euro. Würden sämtliche sofort kündbaren Subventionen in einem Volumen von 119 Milliarden gestrichen, könnten im Gegenzug die Steuern radikal gesenkt werden. Der Spitzensteuersatz könnte von 47,5 auf 28,5 Prozent sinken, der Eingangssteuersatz könnte von 15,8 auf 9,5 reduziert werden. Oder die freiwerdenden Mittel könnten zur Haushaltskonsolidierung eingesetzt werden. So wäre die Schuldenbremse spielend einzuhalten.

Ein Staat, der nachhaltig agiert, darf zudem die demographische Entwicklung nicht negativ beeinflussen. Dies geschieht auf mehrere Weise: Zum einen setzt die Umverteilungsmaschinerie einen Anreiz dafür, dass sich eine alimentierte Unterschicht auf Kosten des Sozialstaates vermehrt. Dies müsste wie in den Vereinigten Staaten durch eine Reform des Sozialhilfebezugs verhindert werden. Zum anderen ist der umlagefinanzierte Sozialstaat auch für die Kinderlosigkeit vieler in der Mittelschicht mitverantwortlich. Auch diese entscheiden sich aus einem ökonomischen Kalkül gegen (mehr) Kinder. Ihre Erziehung ist teuer und belastet das elterliche Haushaltsbudget, ihre späteren Rentenbeiträge werden dagegen in den großen Rententopf für alle, auch die Kinderlosen, geworfen. „Der Staat sozialisiert die Erträge dieses Humankapitals“, kritisiert Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.

Durch diese finanzielle Umverteilung beeinflusst das Sozialsystem die demographische Entwicklung, indem es Kinderlosigkeit finanziell privilegiert. Das führt demographisch in den Abgrund. Wollte der Staat seine demographische Basis sichern, müsste er Familien mit Kindern steuerlich entlasten, etwa durch viel höhere Kinderfreibeträge oder ein Familiensplitting wie in Frankreich. Eltern mehrerer Kindern könnten höhere Renten entsprechend den Beiträgen ihrer Kinder erhalten, schlägt Sinn vor. Verfassungsrichter Udo Di Fabio nennt es die „neue soziale Frage“, warum der Fleiß und das Engagement der Mütter und Väter nicht als unentbehrliche Leistung anerkannt werden.

Die Illusion der Rundum-Versicherung in allen Lebenslagen, die der ausgedehnte Sozialstaat seit den siebziger Jahre vorgegaukelt hat, kann ein freiheitsgerechter Staat im 21. Jahrhundert nicht mehr bieten. Er muss seine knappen Mittel zukunftsgerichtet einsetzen, eben für den Nachwuchs und für dessen Bildung. Die Finanzkrise, die eine Abkehr vom Schuldenkurs erzwingt, bietet Chancen, sich von Überflüssigem zu trennen und auf das Wesentliche zu besinnen. Die ordnungspolitische Herausforderung nach der Krise besteht darin, eine neue Balance von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft zu finden, die Freiheit mit Verantwortung kombiniert.

Philip Plickert ist Wirtschaftsredakteur der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der Beitrag ist Teil des Sammelbandes „Konservative Korrekturen“(edition noir, ISBN: 978-3-9502494-2-2), der einige sehr mutige Analysen und Konzepte zu einer neuen konservativen Standortbestimmung enthält.

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SN-Kontroverse: Sind die Banken schuld?

14. Oktober 2011 01:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Sind die Banken schuld an der Finanzkrise?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Nehmer, Blöde und Verarschte

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Sie nehmen und nehmen und nehmen. Dabei gilt in der „hohen" Finanzindustrie: Je smarter die Banker, umso größer die Summen auf ihren Lohnzetteln und je fetter ihre Boni, desto größer das Desaster.

Wobei der Begriff Boni eine freundliche Umschreibung des Tatbestands der Bereicherung ist. Vorexerziert hat dies die nach den Prinzipien des Killerkapitalismus ausgerichtete US-Pleitebank Lehman. Wobei in Erinnerung gerufen werden darf, falls jemand an krankhafter Verdrängung leidet, wenn es ums Geld geht: Die Pleite war die Folge einer globalen, kreditfinanzierten Massenspekulation.

Das Glaubensbekenntnis des Neoliberalismus liefert dafür die Anleitung. Vermutlich gibt es nichts Massenverdummenderes auf dieser Welt als den Satz vom „fliehenden Kapital", den die Päpste des Killerkapitalismus nicht müde werden zu predigen.

Außer der Satz wird so interpretiert, dass dieses Kapital in ihre Taschen „flieht". Und dann geht ihnen wieder die Kohle aus, weil sie weiter munter spekulieren und dann werden die „blöden" Politiker beschimpft oder die Leut', die nix von der Wirtschaft verstehen.

Dafür dürfen diese sparen und zahlen und die Banken wieder retten, damit die smarten Herrn und Damen mit den fetten Bonikonten weiter ihrem feinen Treiben nachgehen können.
Super, denken sich da der „gemeine" Mann und die „gemeine" Frau auf der Straße. Es freut uns, dass es zum Beispiel einem Herrn T., seines derzeitigen Standes nach Vorstandschef der Erste Group, gelungen ist, einen prognostizierten Nettogewinn von 850 bis 950 Mill. Euro binnen weniger Tage in einen Verlust von 700 bis 800 Mill. umzuwandeln, und dass er seine Schulden bei uns in der Höhe von 1,2 Mrd. Euro erst ein Jahr später als geplant zurückzahlen will.

Nun ja, denken sich da die Leut', verarschen können wir uns selbst.


Haltet den Dieb!

Andreas Unterberger

 

Wenn man sich über beide Ohren verschuldet und keine Chance mehr hat, wieder auf die Füße zu kommen, gibt es eine seit ewig bekannte Strategie: den Gegenangriff. Sobald die Gläubiger ihr Geld einmal zurückwollen oder angesichts des Schuldenbergs keine weiteren Kredite geben, ruft man laut: Die Gläubiger seien gierig, seien Wucherer, seien Spekulanten.

Und wenn man kann, raubt man sie aus Rache auch gleich aus. Sei es mit Banküberfällen, sei es mit Armeen (wie Hitler 1938, um an das Gold und die Devisen der Oesterreichischen Nationalbank zu kommen), sei es mit Banken-, Finanztransaktions- oder Aktiengewinnsteuern. Wie derzeit viele Staaten.

Auch wenn sie sonst rundum versagt, schafft die Politik eines mit ihrem riesigen PR-Apparat und bestochenen Medien noch immer perfekt: die Produktion von Sündenböcken. Derzeit sind das eben die Banken. In Wahrheit hat aber niemand anderer als die Politik selbst die Schuldenkatastrophe ausgelöst. Die Behauptung, die Schulden seien Folge der - ohnedies fragwürdigen - Bankenhilfe 2008/09, ist absurd. Diese macht weniger als drei Prozent der Staatsschuld aus und wird bei uns wohl großteils zurückbezahlt. Politiker sind aber auch noch in vielerlei anderen Punkten an der Krise schuld. Man denke an den politisch motivierten Fehler der US-Niedrigzinspolitik; oder an die populistischen US-Hypothekengesetze, welche die Banken zu Subprime-Krediten gezwungen haben; oder an politische Banken wie Hypo Alpe Adria, Kommunalkredit oder die deutschen Landesbanken. Von den älteren gar nicht zu reden: Bawag, Bank Burgenland, Länderbank, Zentralsparkasse, CA .?.?.

An einem sind aber auch die Banken mitschuld: dass sie den Staaten überhaupt so lang Geld geborgt haben, war ein Fehler. Auch wenn bis heute die sogenannten Basel-Abkommen die Banken unter Druck setzen, noch so schwindlige Staatsanleihen zu kaufen.

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Der „Economist“ und unsere Staatsschulden

13. Oktober 2011 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eiskalte Panik befiel mich vor ein paar Tagen beim Lesen des „Economist“. Noch beklemmender war, dass seither niemand auf das reagiert hat, was dort über Österreich zu lesen war: Die renommierteste Wochenzeitung der Welt bezifferte unter Berufung auf die EU-Kommission die österreichische Staatsschuldenquote für heuer mit gewaltigen 102 Prozent des BIP. Das ist ein total anderer Wert als die 72 Prozent, von denen hierzulande die offizielle Statistik redet. (Mit einer nachträglichen Ergänzung auf Grund einer inzwischen erfolgten Korrektur - dennoch lasse ich den Beitrag aus Fairness-Gründen ansonsten unverändert)

Ist das ein feindlicher Akt oder ein ungeplanter Durchbruch der Wahrheit? Und warum wird das hierzulande mit Schweigen übergangen? Entweder will man die Zahl möglichst unter den Tisch kehren – oder niemand liest zwischen Nationalbank, Statistik Austria und Finanzministerium den „Economist“.

Ich analysierte die Zahl mit einem internationalen Finanzexperten. Des Rätsel wahrscheinliche Lösung: In Brüssel lässt man sich – durch griechische Erfahrungen ein wenig schlauer geworden – nicht mehr von offiziellen Statistiken abspeisen und rechnet lieber selbst. Und die Rechnung für Österreich sieht offenbar etwa so aus: Offizielle Schulden plus Hypo-Alpen-Adria-Haftung plus ÖBB-Schulden plus Asfinag-Schulden plus Haftungen für Kommunalkredit plus Abschreibungen für die sonstigen Bank-Risken.

Diese „Economist“-Horrorzahl ist aber immer noch nicht die ganze Wahrheit. Diese beträgt nämlich ein Vielfaches der 102 Prozent. Denn noch immer gibt es keinen kompletten Überblick über alle Haftungen und Garantien von Bund, Ländern und Gemeinden, oder über Schulden, die in Krankenhäusern und sonstigen Unternehmen der öffentlichen Hand versteckt sind.

Vor allem aber gibt es noch immer keine gesamthaften und seriösen Berechnungen der ungedeckten Billionen-Schecks der Pensionsversicherungen. Diese rechnen ja immer noch nach dem simplen Einnahmen-Ausgaben-Schema wie ein schlichter Einpersonen-Unternehmer. Was das Pensionssystem zu einem ungeheuren Pyramidenspiel mit absolut sicherem Kollaps macht.

Dafür sorgt nicht nur die alle zehn Jahre um rund zwei Jahre steigende Lebenserwartung, das gleichzeitig tief gesunkene Pensionsantrittsalter – in Österreich um vier Jahre niedriger als in der EU! – sowie der immer spätere Berufsbeginn. Dafür sorgt vor allem die demographische Katastrophe: Seit 1970 kommt jedes Jahr ein Drittel zu wenig Kinder auf die Welt. Damit fehlen die künftigen Zahler des Pensionssystems. Und auch die Zuwanderung hat sich als völlig untaugliche Antwort erwiesen. Sind doch die nach Österreich gekommenen Menschen noch in einem viel höheren Ausmaß als die Eingeborenen Wohlfahrtsempfänger, statt dass sie wie behauptet Träger und Zahler des Systems würden.

Das ist nun wirklich jeder Grund zur Panik, ganz egal wie die „Economist“-Daten im Detail zustandegekommen sind. Das macht aber auch klar, weshalb das Triple-A uns wohl nur noch wenige Monate erfreuen wird.

Inzwischen hat der der Economist doch seine Angabe auf 74 Prozent reduziert. Was aber leider nichts an der in dem Beitrag aufgezeigten Problematik ändert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Raus aus dem Euro!

12. Oktober 2011 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Im Zuge der Schuldenkrise, die Euroland fest im Griff hält, mehren sich im Heimatland Metternichs die Stimmen – vorzugsweise aus Kreisen notorischer Europaskeptiker – die einen Ausstieg aus dem Euro befürworten, um zum Schilling zurückzukehren. Das klingt, angesichts der dramatischen Situation der Gemeinschaftswährung, im ersten Moment verlockend.

Allerdings gilt es zu bedenken, dass das lastende Schuldenproblem von der Frage der Währungsunion unbedingt zu trennen ist. Die im Rahmen der entstehenden Transferunion bereits übernommenen Haftungen Österreichs wären durch einen Austritt aus der Eurozone nämlich keineswegs aus der Welt geschafft – ebensowenig wie seine massive selbst produzierte Staatsverschuldung.

Es ist keine Frage, dass in der Vergangenheit begangene Fehler zu jener zunehmend außer Kontrolle geratenden Lage geführt haben, in der sich die EU heute befindet. Ein Blick in die Vergangenheit: Dass ohne die Teilnahme der Wirtschaftslokomotive Deutschland das Projekt einer Gemeinschaftswährung gestorben wäre, noch ehe es das Licht der Welt erblickt hätte, liegt auf der Hand.

Deutschland musste in jedem Fall mit an Bord. Die Mehrheit der Deutschen war allerdings – dank ihrer zum Teil noch sehr wachen Erinnerungen an Hyperinflation und Währungsreform, die im 20 Jahrhundert zwei Mal zu einer nahezu vollständigen Entwertung ihrer Geldvermögen geführt hatten – nicht bereit, ihre harte DM zugunsten einer künstlichen Weichwährung aufzugeben. Daher wurde ihnen die Chimäre eines Gemeinschaftsgeldes verkauft, das dieselbe Qualität haben sollte wie die DM. Dass die Mehrzahl der Deutschen dennoch zu keiner Zeit bereit war, auf ihre Mark zu verzichten, war den politisch Verantwortlichen klar. Eine Volksabstimmung zu diesem Thema wurde daher wohlweislich vermieden.

Deutschland und die Stabilitätslüge

Der Euro war von seinen Anfängen an ein Projekt der Nomenklatura. Diese politische Elite hatte sich bereits damals – vor mehr als zehn Jahren – meilenweit von jener Basis entfernt, die sie vermeintlich repräsentiert. Sie traute dem dummen Volk den notwendigen „Blick für das Große, Ganze“, für die „höheren Ziele“ – und das angebliche „Friedensprojekt Euro“ niemals zu. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Selbstverständlich war die Vorstellung einer Gemeinschaftswährung, die ebenso hart sein sollte wie die DM, nicht nur gänzlich illusorisch, sondern zu keiner Zeit jemals gewünscht – insbesondere nicht von Frankreich. Dem eifersüchtig auf die wirtschaftlichen Erfolge Deutschlands schielenden Rivalen ging es vielmehr darum, den Boches ihre „Massenvernichtungswaffe DM“ aus der Hand zu schlagen.

Den Gegnern einer Europa beherrschenden deutschen Hartwährung kam dabei die Gunst der Stunde in Form der Deutschen Wiedervereinigung zur Hilfe. Die Zustimmung Frankreichs wurde – zumindest vorgeblich – an die Aufgabe der DM zugunsten eines europaweit einzuführenden Schwundgeldes gebunden. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Frankreich – angesichts der Zustimmung der Sowjets und der USA zum Vereinigungsprojekt – über die notwendige Macht zu dessen Verhinderung verfügt hätte.

Zur Beruhigung der deutschen Öffentlichkeit konnte das in Deutschland damals maßgebliche Duo Kohl/Waigel immerhin einige Bedingungen in den Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1992 einbringen, die sicherstellen sollten, dass die über die neue Währung wachende EZB die konservative Geldpolitik der Deutschen Bundesbank fortsetzen würde.

Wie wir heute wissen, wurden die als Stabilitätsgarantie gedachten „Maastrichtkriterien“ indessen von den allerwenigsten Mitgliedern der Eurozone je konsequent eingehalten – auch nicht von den hinter ihrer Formulierung stehenden Deutschen, die wiederholt die zulässigen Verschuldungsgrenzen von drei Prozent jährlicher Neuverschuldung, gemessen am BIP, verletzten.

Anders als etwa das linke Wiener Magazin „Profil“ im Juli analysierte, bestand der Kardinalfehler der Politbüros aber nicht etwa in der „willkürlichen Festlegung von Stabilitätskriterien“, sondern vielmehr in deren Nichtbeachtung. Denn der alte römische Rechtsgrundsatz Pacta sunt servanda gilt bis heute unverändert. Verträge nicht zu erfüllen, ist schlicht rechtswidrig.

Heute ist es, nachdem die „Maastrichtkriterien“ der kollektiven Nichtbeachtung zum Opfer gefallen waren, keine Überraschung mehr, dass auch andere innergemeinschaftliche Abmachungen, wie etwa das Verbot gegenseitiger Schuldenübernahmen oder des Ankaufs von Staatspapieren durch die EZB, beiseite geschoben werden, wenn die politische Opportunität es gerade zu gebieten scheint. Welche verheerenden Auswirkungen dieses Vorbild politischer Eliten, die ohne jedes Schuldbewusstsein routinemäßig lügen und gar nicht daran denken, Verträge auch einzuhalten, auf die Mentalität der Bürger hat, kann man sich unschwer ausmalen.

Fazit: Die Einführung des Euro war von der politischen Klasse als Vehikel zur Vorantreibung der von den europäischen Völkern mehrheitlich abgelehnten politischen Vereinigung gedacht. Das Kalkül: Ohne Nivellierung, insbesondere in sozialer und fiskalischer Hinsicht, würde die Sache nicht funktionieren. Denn eine Gemeinschaftswährung bringt es eben nun einmal mit sich, dass jenen Ländern, die zuvor ihrer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit mittels autonomer Währungspolitik gegensteuern konnten, dieses Mittel nicht mehr zur Verfügung steht.

Griechenland, Spanien, Portugal – aber auch Italien und Frankreich (das hinsichtlich seiner Wirtschaftskraft am meisten überschätzte Land innerhalb der Eurozone) sind dadurch betroffen. In dem Moment, da es zu Problemen kommt, haben die Eurozentristen sofort das Argument zur Hand, schleunigst kollektive Lenkungsmaßnahmen ergreifen zu müssen, um einen Zerfall der Union zu verhindern. Damit aber ist eine weitere, „alternativlose“, Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte verbunden.

Deutschland – der ewige Gefangene seiner jüngeren Geschichte – ist, wie die im Zuge der Schuldenkrise getätigten Aussagen seiner politischen Führer und die in der Vorwoche erfolgte Abstimmung über die „Eurorettung“ im deutschen Bundestag belegen, nur allzu gerne bereit, sich künftig von Brüsseler Bürokraten regieren zu lassen. Oder korrekter formuliert: das Land ist mit einer politischen Klasse geschlagen, die ausschließlich darauf bedacht scheint, es allen Nachbarn recht zu machen – und darüber die Interessen des eigenen Volkes verrät (für Österreich gilt recht genau dasselbe).

Raus aus dem Euro – geht das?

Zur Frage der Möglichkeit einer Rückkehr zu nationalen Währungen: Selbstverständlich ist die von den Eurozentristen aufgestellte Gleichung Kein Euro = kein Europa purer Nonsens. Eine Gemeinschaftswährung ist keineswegs unabdingbare Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben der Völker. Allerdings muß man sich – ganz besonders als Bürger eines Kleinstaates wie Österreich – über die Konsequenzen eines solchen Schrittes im Klaren sein.

Das Beispiel der Schweiz veranschaulicht das Problem: Obwohl dieses Land in vieler Hinsicht besser dasteht als Österreich, hat man es dort kürzlich für nötig befunden, die nationale Währung de facto aufzugeben, sich dem Euro zu unterwerfen und eine fixe Wechselkursbindung (ein Euro gleich 1,20,- SFr) einzugehen. In der Schweiz fühlte man sich dem im Zuge der Euro-Schuldenkrise einsetzenden Aufwertungsdruck auf den Franken offenbar nicht länger gewachsen. Die exportorientierte Industrie befürchtete schwere Verluste, da sie zunehmend Schwierigkeiten hatte, ihre Waren auf dem Weltmarkt abzusetzen.

Auch alle starken „Aussteiger“ aus dem Euro hätten vermutlich mit diesem Problem zu kämpfen. Die Wiedereinführung einer nationalen Währung, die dann indessen erst wieder fix an den Euro gebunden würde, ergäbe aber überhaupt keinen Sinn. Ferner erscheint die Vorstellung unrealistisch, Österreich könnte aus dem Euroraum austreten, wenn nicht zumindest Deutschland zugleich denselben Schritt tun würde. Deutschland aber wird dies – siehe die eben erfolgte Abstimmung zur „Eurorettung“ im Bundestag – wohl niemals wagen und sich lieber – zum Schaden seiner Bürger – in die Rolle als ewiger Zahlmeister der Transferunion fügen.

Ob das Geld nun Euro, Mark oder Schilling heißt, ist letztlich eine reine Geschmacksfrage. Etwas viel Wesentlicheres sollte bedacht werden: Die Qualität – die Werthaltigkeit und Beständigkeit der Währung. Immerhin hat selbst der als Inbegriff von Solidität geltende Schweizer Franken seit 1945 rund neunzig Prozent seiner Kaufkraft verloren.

Denn der Franken ist – wie einst der Schilling und heute der Euro – ungedecktes „Fiat Money“. Kein realer Wert, keinerlei materielle Deckung, sondern lediglich naive Hoffnungen „garantieren“ seine Kaufkraft. Und die hängt – in der Schweiz wie im Rest der Welt – ausschließlich von der Willkür der jeweiligen Machthaber ab. Und genau das ist der, wie sich nicht erst seit gestern zeigt, langfristig unhaltbare Zustand, nicht der Name, auf den die Währung hört.

Wenn also schon über die Rückkehr zu einer soliden Währung nachgedacht wird, dann aber gründlich: Abschaffung des Teilreservesystems der Geschäftsbanken und 100-prozentige Deckung der Währung durch Edelmetall! Das ergäbe einen Sinn. Denn allein Kaufkraft und Stabilität des Geldes zählen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Fußnote 228: Wiens verkehrter Stadt-Verkehr

12. Oktober 2011 14:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wien senkt die Jahres- und Monats-Tarife der Verkehrsmittel. Gut oder schlecht?

Das ist natürlich in ökologischer Hinsicht gut – falls es dadurch gelingt, mehr Menschen zum Fahren mit Straßen- oder U-Bahn zu bewegen. Falls das in spürbarem Umfang gelingt, würden vielleicht sogar die Intervalle geringer (und das Publikum mancher Linien im Schnitt weniger furchterregender), was dann noch mehr Wiener und Gäste zum Umsteigen zwingt. Also Lob für die Grünen? Die Kritik der Opposition, dass dafür der Einzelfahrschein teurer wird, ist zwar nicht sehr relevant. Die viel wichtigere Diskussion wird jedoch überhaupt nicht geführt, weder von Mehrheit noch von Opposition: Wo kommt das Geld her, das diese Ticket-Ermäßigung kostet? Das wird vor allem dann gewaltig viel sein, wenn sich die Hoffnungen auf einen gewaltigen Fahrgast-Zuwachs nicht erhöhen. Dabei würde Wien das Geld angesichts der weit über allen anderen Bundesländern liegenden Arbeitslosigkeit dringend brauchen, um sich wieder als Unternehmensstandort attraktiv zu machen. Statt dessen finanziert man die Ticket-Ermäßigung via Schulden. Angesichts der schon zuletzt rapide angestiegenen Verschuldung der Stadt-Finanzen, die ja auch Teil der gesamten Staatsverschuldung sind, ist das also ein weiterer Schritt hin zum Abbau der heimischen Kreditwürdigkeit. Und daher eine absolut verkehrte Maßnahme aus der grünen Traumwelt. Aber wenn‘s soweit ist, werden halt wieder Banken, Gier und Neoliberalismus schuld sein, und keinesfalls die ausgabengierigen Rot-Grün-Politiker . . .

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Korruption in der Gemeinwohl-Ökonomie

10. Oktober 2011 18:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Zurzeit liegt es schwer im Trend, den Ausbau der Gemeinwirtschaft zu fordern. Bei Staatsquoten jenseits der fünfzig Prozent beginnt für Christian Felber von Attac erst ein Minimum an Fairness.

Europas jüngere Geschichte zeigt bei diesem Niveau allerdings eher Sozialismus, Korruption und Kapitalvernichtung. Die Korruptionsfälle der letzten Wochen finden ihre Ursache nämlich ausschließlich in der Symbiose von Politik und Staatswirtschaft.

Summe Zuschüsse ÖBB = Österreichs Schuldenberg

Skandalunternehmen Nummer eins in Österreich sind die ÖBB. 43.000 Eisenbahner machen weniger Umsatz als die schweizerische SBB – mit 28.000. Dafür gehen die Österreicher zehn Jahre früher in Pension. Als Dank für all die Privilegien wählen Eisenbahner traditionell (zu über neunzig Prozent) die SPÖ. Zählt man die 220.000 Pensionisten noch dazu, kommt man auf über eine viertel Million Wähler, auf die die Spin-Doktoren zählen können. Bei 1,4 Millionen Stimmen für die SPÖ (2008) immerhin fast ein Fünftel.

Dabei bezahlt das Füllhorn für die Wählerbasis (wieder einmal) nicht die SPÖ, sondern der Bürger. Fünf Milliarden erhält das „rote Loch“ pro Jahr aus öffentlichen Mitteln, alleine zwei Milliarden gehen an die Pensionisten. Da wirken ein paar Millionen, die man an SPÖ-Werbeblätter überweisen musste, geradezu wie eine Okkasion.  Zusammengezählt bekamen unsere Eisenbahner seit dem Jahr 1955 (inklusive Zinsen) weit über 200 Milliarden Euro. Österreichs Schuldenstand 2011: 215 Milliarden und ein paar Zerquetschte.

Da hilft nur noch der Konkurs. Soviel privat wie möglich und so schnell wie leistbar. Notfalls sollen Private Busse Liniendienste übernehmen. Und wenn die inserieren, dann für Kunden- nicht zum Wählerfang. 

Telekom: sofort unters Volk

Millionen sollen hundert von der Bundespolitik eingesetzte Manager kassiert haben – rot wie schwarz. 28 Prozent der Aktien hält immer noch die Republik. Offensichtlich immer noch zu viel. Darum sollte auch die Telekom sofort demokratisiert werden, sprich: an die Bürger unseres Landes via Börse verkauft werden.

Warum sollte ein Staat im 21. Jahrhundert eine Telefonfirma betreiben, er baut auch keine Feuerwehrautos und füllt keine Limonade ab. Im Gegenteil zur erstgenanntem Firma sind die beiden letztgenannten nie durch Korruption und Politfilz aufgefallen.

Sowjetunion: Längst Pleite ohne Öl

Gemeinwohl-Ökonomie bedeutet Armut, Korruption und organisierten Diebstahl. Die Staatsbetriebe des Kommunismus hatten als oberstes Ziel die Förderung des Gemeinwohls – theoretisch. In der Praxis stahlen Werktätige, was nicht niet- und nagelfest war. Nicht zuletzt der Einfluss (wirtschaftsfremder) Politiker bescherte Genossenschaftern wie Staatsfabrikanten institutionalisierte Verluste über die gesamte Lebensdauer ihrer Fabriken. Ohne ihren Öl- und Erzreichtum wäre die sowjetische Gemeinwirtschaft schon in den 1970-ern pleite gewesen.

Wenn Politiker Wirtschaft spielen, dann geht das seit den Römern in die Hose. Es waren Politiker wie Werner Faymann, die via Kronenzeitung forderten: „Die AUA muss österreichisch bleiben“; Verkaufgespräche wurden abgesagt. Als der Flieger pleite war, musste der Steuerzahler noch 500 Millionen bezahlen, damit ihn überhaupt jemand wollte. Heute ist die AUA privat, sie stellt wieder erste Leute ein und sie schreibt brav Gewinne – und bezahlt Steuern, nicht wie früher umgekehrt. DAS ist Fairness, wie ihn nur Privatwirtschaft bieten kann.

Wer nach ungezählten – und unzählbaren – Skandalen heute immer noch für einen Ausbau der Gemeinwirtschaft schwärmt, ist so fern der Wirtschaft wie Nordkorea von der Demokratie. Oder er ist Politiker einer „gerechten“ Partei.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg und hat Europas erstes „Globalisierungskritik-kritisches“ Buch veröffentlicht: „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“.

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Der Dummheit freie Bahn

10. Oktober 2011 15:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ist  zweifellos ein schwerer Schock. Die „Erste Bank“ teilt uns Mitte Oktober plötzlich mit, dass sie heuer statt annoncierter Gewinne von 700 bis 800 Millionen plötzlich Verluste in der gleichen Höhe macht. Was noch eine optimistische Annahme ist, denn derzeit steht der Verlustmeter sogar über 900 Millionen Euro.

Zugleich ist es sehr wahrscheinlich, dass etliche andere Institute dem Beispiel der österreichische Paradebank bei gleicher Vorsicht und Ehrlichkeit wohl bald folgen müssen. Und niemand kann eine Garantie abgeben, dass das nun wenigstens alles gewesen ist.

Unter den Menschen grassiert seit einigen Wochen die gleiche Angst wie 2008/09, dass wir in eine lange Periode der Stagnation oder auch Depression verfallen. Und diese Ängste sind keineswegs unberechtigt. Der Double Dip, die an dieser Stelle schon mehrfach prophezeite Krise mit einem zweifachen Absturz, ist gerade dabei, wieder Wirklichkeit zu werden. Zum Unterschied vom letzten Mal können die Staaten aber kaum noch neue Schulden aufnehmen, um die Krise scheinbar wezuzaubern.

Beim jetzigen zweiten Absturz sind Ursache und Anlass noch viel eindeutiger zu identifizieren als beim ersten: Es ist die hemmungslose Ver- und Überschuldung vieler Staaten, die sich in den offiziellen Zahlen gar nicht zur Gänze widerspiegelt. Die Staaten haben jahrzehntelang – mit Erfolg – Wählerbestechung auf Schulden betrieben. Sie haben geglaubt, jedes auch nur scheinbare Problem, jede Forderung einer Lobby durch neue Ausgaben und damit neue Schulden decken zu können. Diese Schulden haben sie naturgemäß bei den Finanzinstituten gemacht, denen wir unsere Spargroschen anvertraut haben.

Diese Schuldenmacherei haben sich die Staaten mit Hilfe der angeblichen Währungshüter in den Notenbanken auch noch durch die sogenannten Basel-Abkommen erleichtert, die Staatsanleihen als absolut sicher hingestellt haben. Bis nun das Pyramidenspiel halt leider zusammengebrochen ist. Zuerst in Griechenland, und dann und dann und dann . . .

Das einzige, wozu die Politik heute noch imstande ist, ist auf die Banken zu schimpfen, ihnen „Gier“, „Spekulation“ oder gar „Casino-Mentalität“ vorzuhalten. Nur weil sie verliehenes Geld von den Staaten auch einmal zurückhaben wollen. Die Politik beschäftigt mit unserem Steuergeld einen gewaltig aufgeblähten Propagandaapparat, der mit Hilfe ahnungsloser und/oder bestochener Medien solche weitab der Wahrheit liegenden Dolchstoßlegenden verbreitet.

Den Banken sind durchaus auch Vorwürfe zu machen. Es sind aber zwei ganz andere Vorwürfe, als sie viele Medien verbreiten: Erstens, dass sie den Staaten (zu denen auch Gemeinden und Bundesländer gehören!) viel zu lange überhaupt etwas geborgt haben. Ein wirklich ordentlicher Kaufmann hätte eigentlich schon bei Überschreiten der offiziellen Maastricht-Schuldengrenze von 60 Prozent einem Land kein Geld mehr leihen dürfen (eine solche konsequente Haltung hätte zu Recht auch Österreich getroffen, mit Ausnahme des Jahres 2007, als sich die Härte von Sparmeister Schüssel in einem Schuldenrückgang niederschlug).

Der zweite Fehler der Banken: Sie haben in den letzten zwei Jahren ihre Öffentlichkeitsarbeit total eingestellt. Sie halten der demagogischen Denunziation der Politik nichts entgegen. Sie sind feig und untereinander zerstritten. Wer schweigt, beschuldigt sich selber. Das gibt der Dummheit und Bösartigkeit des politisch-medialen Komplexes total freie Bahn. Mit fatalen Konsequenzen.

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Österreich und Osteuropa, der Kirchturm und die Wahrheit

09. Oktober 2011 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die EU hat in den vergangenen Tagen ein Gipfeltreffen in Warschau veranstaltet. Von Ungarn bis Deutschland waren dort vor allem wichtige Nachbarländer durch den Regierungschef vertreten. Österreich jedoch durch einen Staatssekretär namens Wolfgang Waldner. Worum auch mehr? Es ist ja dabei nur um die östlichen Partnerschaften der EU gegangen. Also genau um jene Region, in der sich Österreichs einziges außenpolitisches Projekt der letzten Jahre abspielen sollte, nämlich die große Gaspipeline Nabucco.

Zwar hat das Büro Werner Faymanns einer Agentur gegenüber behauptet, der Bundeskanzler-Darsteller sei in Warschau bei der Eröffnung dabei gewesen. Allerdings findet sich in keinem einzigen offiziellen Dokument, auf keinem Photo ein Hinweis auf seine Präsenz. Auch gibt es keine einzige Aussendung von Partei oder Bundeskanzleramt mit irgendeinem noch so banalen Satz zu jener angeblichen Reise. Also wieder einmal eine glatte Unwahrheit. Diplomaten glauben, dass die Faymann-Reise nur deshalb vorgegeben wurde, damit sein Konkurrent Spindelegger nicht an seiner Stelle dort mit den Mächtigen Europas konferiert.

Aber wen soll eine solche spurenlose Scheinanwesenheit auch wundern bei einem Politiker, der uns sieben Jahres seines Lebenslaufes verschweigt, der ohne dazu befugt zu sein, ÖBB- und Asfinag-Inserate zu seinem eigenen Nutzen in Auftrag gegeben hat, der reihenweise mit hohen Kosten für den Steuerzahler Funktionsträger feuert, nur weil sie bei seinen schmutzigen Geschäften nicht mittun, der auch keine Zeit hatte, wenige Wochen davor den polnischen Staatspräsidenten bei dessen Österreich-Besuch zu empfangen?

Was ist das nur für ein Kontrast zu Zeiten, da Österreich noch eine Außenpolitik hatte, da sich mit Erhard Busek und Alois Mock gleich zwei österreichische Politiker besser denn irgendein sonstiger Westeuropäer perfekt in Osteuropa ausgekannt haben, da Bruno Kreisky auf Parteitagen stundenlang über Außenpolitik redete, da die SPÖ mit Peter Jankowitsch noch brillante Außenpolitiker hatte, da Wolfgang Schüssel und Ursula Plassnik zu wichtigen europäischen Persönlichkeiten wurden!

Das besonders Absurde: Wenn man in den letzten zwei Jahren nach Akzenten und Schwerpunkten der heimischen Außenpolitik gefragt hat, gab es ohnedies nur noch eine einzige Antwort: nämlich die angebliche Schwerpunktregion Schwarzmeer-Raum und die geplante Nabucco-Pipeline. Dieser Schwerpunkt ist der Regierung aber nur so viel wert, dass man lediglich einen neubestellten Staatssekretär der dritten Reihe zu einer Konferenz auf höchstem Niveau entsandt hat, bei der es genau um diese Region gegangen ist, auf der es jede Menge heikler Konflikte  zu besprechen gegeben hätte.

Angesichts einer solchen Regierung ist es kein Wunder, dass das einst groß herausgestellte Nabucco-Projekt knapp vor dem Tod steht, wie mehrere Experten bestätigen. Diese große Gas-Pipeline hätte zum ersten Mal Gas aus der Region östlich des Schwarzen Meeres nach Europa bringen sollen, ohne dass der Transport über Russland gegangen ist. Ein Land, von dem unsere Energieversorgung ja extrem abhängig ist, und das schon zweimal zur Erpressung eines anderen Landes den Gashahn einfach abgedreht hat.

Nabucco war also nicht nur ein wirtschaftlich extrem interessantes Projekt, sondern wäre auch für die österreichische Energieversorgung und -sicherheit extrem wichtig gewesen. Oder sind die grün-blau-orangen Faschingsscherze einer „österreichischen Energieautarkie“, denen sich freilich auch die beiden Minister Ahnungslos, also Mitterlehner und Berlakovich, verbal angeschlossen haben, wirklich schon Regierungspolitik? Denn ist eh wirklich schon alles wurscht.

Die paar Restösterreicher, denen hingegen noch nicht alles wurscht ist, muss ob des totalen Desinteresses der Regierung Faymann an Außenpolitik, an Osteuropa, an der österreichischen Wirtschaft, an der Versorgungssicherheit des Landes jedenfalls die nackte Panik befallen. Ist dieser Kanzlerdarsteller mit seinem Horizont eines Minimundus-Kirchturms wirklich nur zu einem gut, nämlich sich mit Hilfe dreier übler beleumundeter und bestochener Zeitungen und des linksradikalen ORF noch eine Zeitlang an der Macht zu halten?

 

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Der Fön meines Sohnes

06. Oktober 2011 15:42 | Autor: Robert Boder
Rubrik: Gastkommentar

Laura Rudas meinte unlängst zum Thema Studiengebühren im Parlament: „Weit über einhundert Fächer haben wir und zehn davon sind überfüllt“, um deutlich zu machen, dass es eigentlich kein Problem gibt.

Wen träfe es eigentlich, wenn in diesen zehn Fächern Studiengebühren eingeführt würden? Die Presse hat das unlängst in „Männerlos: Die Top Ten der Frauenstudien“ deutlich gemacht. Die Frauenanteile in den Fächern Psychologie und Philosophie auf Lehramt mit fast drei Viertel (10. Platz) bis Pädagogik mit 87,5 Prozent (1. Platz) hat man mit „Welche Motive auch immer die Frauen bei der Studienwahl antreiben, einige Fächer stürmen sie geradezu.“ zusammengefasst.

Mittlerweile nennt man diese Studienrichtungen öffentlich Massenfächer und unter Ausschluss der Öffentlichkeit habe ich schon „Plauderstudium“, „Billigmagister“ und andere, weniger schmeichelhafte Bezeichnungen gehört.

Das wäre ein Hallo, würde man hier fürs Studieren frauenfeindlich Geld verlangen, um Zugang und Markt zu regulieren, um die späteren Einkommen zu heben.

Vor einigen Jahren habe ich Mag. Barbara Prammer in einer Pressekonferenz – zugegeben, nicht ohne Schalk im Nacken, aber mit dem notwendigen Ernst – gefragt, ob man Mädchen nicht in die besser bezahlten Berufe zwingen könnte. Anlass dafür waren die zehn häufigsten und gering bezahlten Berufe, die Mädchen immer noch gerne wählen, wobei sich wiederum fünfzig Prozent für Frisörin, Verkäuferin oder Büroarbeit entscheiden, während die Buben in die besser bezahlte Technik streben. Gott sei Dank waren ORF und ATV mit Kameras dabei, und ich entkam mit der wertvollen Beute.

Dass ich das hier so unumwunden schreiben kann, erlauben mir viele Gespräche mit Funktionären der SPÖ, die, ohne dass Kameras dabei sind, zugeben, dass es da ein Problem mit den SPÖ-Frauen gäbe. Auch, dass da gelegentlich ein „Code Red“ ausgesprochen wird, wenn einer dieser Funktionäre den Pfad der Parteilinie verlässt und sich öffentlich zum einen oder anderen Gleichstellungsthema äußert, wenn es nicht Frauen als Benachteiligte innehat.

In der Parlaments-Enquete „Frauen in der Politik - mehr Frauen in die Politik" habe ich unter Gebrauch des politisch verpönten Konjunktivs, Zücken meines Wehrdienstbuches und in Replik auf Prof. Louise Pusch, die gemeint hatte, man werde eben die Männer zwingen, 100 Prozent ihrer Mandate abzugeben, auf echte Zwänge hingewiesen. Etwa dem Fehlen von Frauen beim Zivildienst. Der Skandal blieb aus, ich habe das ja nicht über Wehrpflicht gesagt. Niemand will das Thema wirklich in den Medien sehen, auch wenn diese schon nach Aussagen dazu fischen, wie etwa Daniela Kittner vom Kurier in der Pressestunde mit Minister Töchterle.

Wehrpflicht und Einkommensgleichheit

Ein unerwartetes Echo kam dann doch von Bundespräsident Heinz Fischer, der an dieser Enquete als Zuhörer teilgenommen hatte, als er ein paar Monate später in der Pressestunde zum Thema Wehrpflicht für Frauen meinte: „Frauen bekommen immer mehr Rechte, da kann man auch argumentieren, sie müssen mehr Pflichten übernehmen“. Klar, in seiner letzten Amtsperiode bliebe ein „Code Red“ derer, mit denen er innerparteilich wohl noch ein Hühnchen zu rupfen hat, wirkungslos. Der Rest ist bekannt. Nach einer Schrecksekunde musste Sport- und Verteidigungsminister Norbert Darabos die im Regierungsprogramm einhellig in Stein gehauene Wehrpflicht wegbekommen um den Kritikern der geschlechtsspezifisch einseitigen Ausrichtung der Wehrpflicht zuvorzukommen. Nicht auszudenken, würde das 2013 zum Wahlkampfthema gegen die Gleichstellungspartei und würden dann auch noch die Frauenstimmen abwandern.

Abgeleisteter Wehr- oder Zivildienst ist für einen Bewerber beim Einstieg in die Privatwirtschaft jedenfalls eine Zusatzqualifikation, die belegt, dass er unter Druck für ihn unbekannte Dritte, die er vielleicht gar nicht leiden kann, zu arbeiten versteht. Was auch Personalisten zu schätzen wissen und gerne mehr bezahlen, müssen ungeschriebene Regeln in hierarchischen Strukturen nicht extra kommuniziert werden. Darum sind sie ja auch ungeschrieben.

Der Equal-Pay-Day, der mittlerweile ja mehrmals im Jahr gefeiert wird, hat diesmal ein Interview mit SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter und Junge-Industrie-Vorsitzende Therese Niss hervorgebracht. Unter Bemühung der Gaußschen-Normalverteilung verwies Christoph Matznetter die niedrigen Frauenquoten in Führungspositionen auf an Körperteilen orientierte Fehlauswahl der Unternehmen, während Therese Niss auf ihre Branche verwies, wo es an fachlich qualifizierten Frauen mangle. Hätte sie Matzenetter geantwortet, dass man vorher gewichten muss, bevor man Kraut und Rüben unter eine Gaußsche Glocke steckt, ich hätte ihr einen Antrag gemacht. Unter der Voraussetzung, dass ich bei den Kindern daheim bleiben darf, was mich vermutlich aus der Nummer wieder herausgebracht hätte.

Schaut in die Kollektivverträge!

Dass die Arbeit in sogenannten „Frauenbranchen“ niedriger bewertet wird als jene in „Männerbranchen“ stimmt nicht, sagen die Gesetze. Visuell orientierte Leser sollten sich die im Berufsausbildungsgesetz verankerten (gesetzlichen) Ausbildungsverordnungen der letzten 30 Jahre zur Automechanikerin und zum Frisör ausdrucken. Und dann mittels Lineal die Höhe beider Stapel messen. Die wirklich interessierten können die Änderungen auch nachlesen und andere Berufe miteinander vergleichen. Konnte man früher mit Schraubenzieher und Schraubenschlüssel am eigenen KFZ etwas bewerkstelligen, braucht man heutzutage schnell mal einen Laptop, was sich in Aus- und Weiterbildung(szeiten) niederschlägt.

Man müsste über solche an der Realität vorbei orientierten politischen Bemühungen nach dem Vorbild von Thilo Sarrazin oder Jan Fleischhauer, der uns diese Woche mit einer Podiumsdiskussion beehrt, ein Buch schreiben. Nicht, dass es nicht schon versucht wurde, die ablehnenden Antworten der Verlage wären da wohl eine eigene Rubrik wert.

Nicht erst nach diesen Erfahrungen habe ich die Idee verworfen, meinem Ältesten den Taschenrechner wegzunehmen und ihm einen Fön in die Hand zu drücken, weil ohnehin bald alle Berufsgruppen ähnlich schlecht verdienen. Als seine Mutter und seine Lehrerin von seiner schönen Handschrift schwärmten und eine zeichnerische Berufsausbildung vorschlugen, musste ich die Notbremse ziehen, die unterschiedlichen Ausbildungserfordernisse und Kollektivverträge hervorkramen und ihm anhand der dortigen Gehaltstafeln auf die Zusammenhänge beim Einkommen hinweisen. Es waren mitunter die wertvollsten 30 Sekunden unseres Lebens.

Nicht so gut getroffen hat es seine Freundin, die Automechanikerin werden wollte, von ihrer (alleinerziehenden) Mutter aber darauf hingewiesen wurde, dass man da jeden Tag mit schmutzigen Händen heimkommt. Tatsache. Prompt ist sie in einer „Frauenbranche“ gelandet, hat aber jetzt die Kurve gekriegt und ist in die Technik gewechselt. Klammheimlich hoffe ich doch, dass sie dort so viel verdienen wird, dass sie dem Sohnemann ein paar Jahre bei den Kindern daheim finanzieren wird können. Auf dass meine Enkel nicht in die Fänge der durchgegenderten Erziehungsbranchen geraten, die den Zusammenhang zwischen Studium und überlaufenem Studium noch immer nicht reflektiert haben und ihre Gehaltszettel als Diskriminierung empfinden.

Nun, mein Sohn hat sich von seinem ersten selbstverdienten Geld keinen eigenen Fön gekauft, sondern eine Haarschneidemaschine und verpasst sich nun selbst, unterstützt von seiner Freundin, regelmäßig einen gepflegten Bürstenhaarschnitt. Darauf, dass er, wenn ihn der Ruf des Gemeinwohles in Form von Wehr- oder Zivildienstpflicht ereilt dort auf eingezogene Friseurinnen treffen wird, kann er ja nicht hoffen.

Robert Boder beschäftigt sich hauptsächlich mit betrieblichen und gesellschaftlichen Gleichstellungsfragen.

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Wenn die Ökonomen haften müssten

06. Oktober 2011 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Im alten China wurden Ärzte zur Rechenschaft gezogen, wenn ihre Ratschläge falsch oder wirkungslos waren. Dasselbe wäre heute für die Ökonomen am Platz. Was haben sie uns nur immer für falsche Ratschläge gegeben!

Das gilt etwa für die ständig falschen Inflations- und Konjunkturprognosen oder die Fehler der Rating-Agenturen.

Das gilt nun auch für die von der EU-Kommission gewünschte Finanztransaktionssteuer. Die EU-Ökonomen glauben, damit die „Spekulanten“ melken zu können, die sie anstelle der Schuldenpolitik für die nun in die nächste Etappe schlitternde Krise verantwortlich machen. Was zwar populär, aber für Europa extrem schädlich wäre.

Die Kommission erhofft sich davon 57 Milliarden Euro Einnahmen. Gleichzeitig aber gibt sie selbst zu, dass diese Steuer zugleich die Europäer ein halbes Prozent ihres BIP kosten wird. Wer glaubt, das sei wenig, sollte sich bewusst machen, dass das nicht weniger als 76 Milliarden Euro sind.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Schaden für Europa ist um fast 20 Milliarden größer als der „Nutzen“ (wenn man schon bereit sein sollte, weiteres Geld für die ausgabenwütige Politik als Nutzen anzusehen). Dieses Plus an Steuern ist überdies reine Utopie. Denn ein Großteil der Finanztransaktionen wird dann halt nicht mehr stattfinden, zumindest nicht in Europa, sondern in Singapur, Hongkong oder New York. Auch in Schweden glaubte man auch an eine neue Goldader in Form dieser Steuer. Doch ließ deren Einführung die Finanztransaktionen in Wahrheit auf drei Prozent fallen.

Ein anderer Sündenbock für die Krise waren bei linken Ökonomen die Leerverkäufe, also der Verkauf von Aktien, die man noch gar nicht hat. Dieses zweifellos riskante Instrument wurde gerne als eine Hauptursache der Krise geoutet. Spanien wie Italien haben es deshalb verboten. Seltsam, seltsam: Denn auch ohne diese Leerverkäufe geht die Krise dort munterer denn je weiter.

Aber jedesmal sind Öffentlichkeit, Politik und Medien erneut bereit, auch den absurdesten ökonomischen Verschwörungstheorien zu glauben. Das zeigte sich auch, als ein verschuldeter Hochstapler als Börsehändler auftrat und von der BBC eilfertig interviewt wurde. Um dort als seriös zu gelten, genügt es bei den meisten Medien offenbar schon zu sagen: „Goldman Sachs regiert die Welt“.

Auch der SPÖ-„Ökonom“ Jan Krainer gehört in diese unseriöse Kategorie. Ihm zufolge seien die nun schon 21,5 Milliarden Haftungen Österreichs für die Schuldenstaaten billiger als deren Insolvenz. Diese beweisfrei aufgestellte Behauptung würde aber nicht einmal dann stimmen, wenn es bei diesem Betrag bliebe, der schon heute immerhin mehr als 2600 Euro pro österreichischem Kopf ausmacht. Er wird sich aber mit Sicherheit noch vervielfachen, da man den alten Schulden ständig weiteres Geld nachwerfen muss, seit man einmal damit begonnen hat.

Aber Politiker werden ja genauso wenig zur Haftung herangezogen wie Ökonomen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Die Krise der EU

05. Oktober 2011 19:10 | Autor: Manfred Scheich
Rubrik: Gastkommentar

Das ist in der Folge ausnahmsweise ein englischer Text. Er wird hier entgegen den Usancen des Tagebuchs veröffentlicht, weil er von dem diplomatischen Schlüsselspieler des österreichischen EU-Beitritts stammt und in Österreich noch nirgendwo veröffentlicht worden ist. Manfred Scheich hatte rund um den Beitritt sowohl als zuständiger Sektionsleiter wie auch als Botschafter in Brüssel eine entscheidende Rolle gespielt, Österreich trotz aller Einwände wegen seiner Neutralität in die Gemeinschaft zu bringen. Umso gravierender ist seine heutige kritische Sicht auf den Zustand der EU.

Der Beitrag trägt den Original-Titel:
The European Union in Crisis? - New Challenges Within Changing Parameters 

The process of European integration, started very soon after the end of the Second World War, has been an undeniable political and economic success for which the adjective « historical » is for once fully applicable. After almost sixty years of its gradual development we are fully justified to say that the European project, embodied in the European Union, its objectives and institutions, has no desirable alternative.

Why, then, does the European Union seem to be in a serious crisis, reflected these days in the troubles about and around the structure and the functioning of the Monetary Union?

We have to recognize that fundamental political parameters have changed since the time of the Union’s founding, but we also have to admit to ourselves that the integration process has reached a stage, where the Union runs the risk of what is called « overreaching », i.e. it has extended integration into new areas without creating the necessary political and structural pre-conditions. This does not only endanger the functioning of the Union, but it may also put in question past accomplishments and weaken the confidence and committment of the Union’s citizens to the European project as such.

The present difficult situation of the Union, its undeniable crisis of identity, confidence and functioning can be ascribed to three main factors :

The two elements which served as forceful political catalysts in the creation of the European Community have practically vanished. They were the living memory of the two European World.

 Wars and their consequences and the acutely felt political and military threat from the counter system of Communism. The threat has disappeared and the overwhelming majority of today’s European citizens has no personal memory of the great wars during the first half of the 20th Century. With the disappearance of these catalyst forces the integration process has, however, largely lost its emotional basis, which during the first decades of the existence of the European Community had led to a situation where policies and steps decided in Brussels and which were understood to serve Western European unity almost automatically met with the acceptance by the vast majority of the population. Nowadays the Brussels developments and decisions have to be justified merely with rational arguments – and we agree, I think, that selling political decisions affecting established national interests and traditions with a rational appeal only is difficult.

Moreover, the European Community or Union has since its creation increased its membership from 6 to very soon 28 Members, i.e. by almost five times. It goes without saying that with each new member the internal heterogeneity of any community is inescapably increased or, in other words, its internal cohesion weakened – its cohesion in terms of cultural and political traditions, historical experience, level of economic development and concrete national interests. A high degree of internal cohesion is, however, of particular significance for a multinational construct, consisting of souvereign states like the European Union. The increased heterogeneity of the Union renders its functioning, i.e. its ability to decide and act efficiently more difficult and cumbersome and the risk of centrifugal forces taking over becomes greater. To counteract the situation, a strengthening of the supranational nature and structures of the Union would have been necessary. This, however, was not, or at least not adequately, done. 

Finally, a third element explains the actual difficulties confronting the European  Union : with the Maastrich Treaty of 1993 the Union has passed beyond the stage which one might call « negative integration », i.e. the abolition of obstacles to full market integration, realised by the four freedoms of the Internal Market, and has advanced the integration process into new and strategic fields of national policy making. A « Common Foreign  -, Security-, and Defense Policy » and the creation of a « Economic and Monetary Union » became treaty objectives. Thus, the integration process has gained a new dimension and has moved onto different playing grounds with new political challenges as far as the national interests and political outlooks of Member States are concerned.

In this last context I should like to draw your attention to a specific phenomenon which makes itself increasingly felt – a growing dominance by the big Member States. This can be considered as an objective consequence of the ambitions of the Maastrich Treaty, since in fields like a Common Foreign and Security Policy and an Economic and Monetary Union, volume and weight become decisive factors in policy making. The actual developments in the Euro or debt crisis are a good example.

I have pointed to three elements which illustrate the deep changes in the political parameters since the creation of the EU and help to explain the challenges and difficulties with which the Union is actually confronted : the disappearance of the catalyst forces which marked the first decades of its existence, the consecutive enlargements leading to an ever increasing heterogeneity and the advance of the integration process into new strategic fields of policy making.

Now, would there have been a way to cope better with the new challenges ? In theory, yes, had we complemented and accompanied the consecutive enlargements (above all the so-called Eastern enlargements, which practically doubled the membership) as well as the new ventures of the CFSP and EMU with a veritable strengthening of the supranational nature of the Union.

Not that one did not know, not that one did not try. But one has to admit that the pertinent efforts largely failed. Negotiators were aware during the negotiations leading to the Amsterdam Treaty that an institutional « deepening » should be a pre-condition for the forthcoming Eastern enlargement.   However, the political will and courage to realise an institutional break-through were lacking. The same held true in the case of the later Treaties of Nice and Lisbon. Certain progress had been made ; e.g. some extension of quality majority voting, but certainly not enough to meet the challenge. One may even say that on balance it was the intergovernmental dimension of the Union which had been strengthened.   It is not surprising that the call – if not the necessity – for steps of a supranational or federal character reappear in the context of the Euro crisis – think of the debate about an « Economic Government », an « Economic Finance Minister », etc. 

Whether the pressure arising from the crisis will be strong enough to make Governments overcome their unwillingness or hesitancy vis-à-vis transfers of more national competences to Union institutions remains to be seen.

Before this background we have to ask ourselves the question whether the Union in implementing the ambitious projects of the Maastrich Treaty has not overreached itself, given the political and institutional limits.

Let us look at the Monetary Union and the debt crisis. There is no doubt that the introduction of the Euro has rightly been considered as a crowning step in integration.   One cannot doubt its practical advantages for business and the common citizen. However, the second part of the project, i.e. the Economic Union, comprising a common fiscal policy together with the necessary institutions was left in abeyance. About ten years after the introduction of the Euro the system is now in an existential crisis.

Why ? The monetary system itself has been construed with a two-fold birth deficiency. It has bound together in the corset of a common currency a number of sovereign states among which deep divergencies exist in terms of economic « culture » and, above all, economic capabilities and performance. This has, secondly, been done without providing the contractual as well as institutional basis for a common economic governance to secure the appropriate common macro-economic, in particular fiscal policies.

The responsible political actors thought or hoped, that by simply setting a budget deficit criterion of 3% coupled with a sanction mechanism which in itself was economically doubtful and proved ineffective, as well as establishing the « no bailing-out rule », one could control the situation and everything would be in order. 

When the day of reckoning came the inefficiency of this construction came dramatically to light. The bailing-out rule was simply ignored, a rule which was, in particular for Germany, but also for other so-called stability countries, the key condition for accepting the common currency. I dare say that if at the time of the Euro introduction and in the light of the then prevailing conditions and assumptions, the present developments had been foreseen, the common currency might not have seen the light of day or had been differently construed from the start. There were, at the time serious warnings by many economists, but they were simply dismissed.

Now we have to cope with the consequences and do our best to save and consolidate the Common Currency. Whether the measures agreed upon up to now will prove sufficient remains to be seen. Doubts are justified. The lesson to be drawn, however, is to avoid in future to embark on ambitious integration projects without providing the necessary political and institutional basis.

We observe similar phenomena and deficits in two other fields of integration and cooperation, though with less dramatic and obvious consequences as in the monetary sector.   The Union is about to build a world-wide and costly EU diplomatic service without having developed a comprehensive Common Foreign and Security Policy which would in fact deserve the adjective « common » and on which one could base common action. CFSP is still an aspiration, a positive and noble aspiration, but not yet a reality. One must hope that those are right who pretend that the sheer existence of this diplomatic service will serve as catalyst and stimulus for the gradual creation of a veritable, comprehensive Common Policy.

Another example might serve to illustrate consequences of not providing the necessary basis for common policies and actions. The Internal Market foresees the establishment of free movement of persons across the Union’s internal borders. However, logic tells us that an internally borderless Union demands common asylum and migration policies, since the free movement is not only a blessing for EU citizens, but also for legal and illegal migrants entering the territory of the Union.   The consequences of the lack of the above-mentioned common rules could lately be observed in the relations between Italy and France as well as between Denmark and Germany. They threaten to undermine the Schengen Rules and thus one of the most important achievements of integration.

All the above examples show the risks which the implementaion of integration policies and steps can have if they are not underpinned by a common agenda and a firm political will of all Member States, by a full awareness of the political and practical consequences, and if they are not based on the necessary institutional structures. The examples also explain the present crisis and difficulties the Union faces. Failing to draw the necessary lessons from past mistakes could lead to a further weakening of the confidence and committment of the European citizens to the European Project as such, and thus, in the long run, threaten its very political legitimacy.

My presentation must not be construed as pessimistic in outlook, but rather as an explanation of the present state of the European Union and the internal challenges it faces. The European project which, I repeat, has no desirable political alternative, and is too valuable not to be under permanent critical scrutiny. This is the only way to correct mistakes, consolidate the achievements, and preserve and strengthen the basis for future development.

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Die Bürger als Bürgen und die Kärntner als Griechen

04. Oktober 2011 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Feigheit und Orientierungslosigkeit der europäischen Politiker sind die Hauptursachen, weshalb die Schuldenkrise zu einem Schrecken ohne Ende ausartet. Die Politik verwirrt die Bürger Europas zugleich auch bewusst mit ständig neuen technischen Konstruktionen und Ideen: Ausdrücke wie Bailout, EFSF, EMS, Luxemburger Zweckgesellschaft, Troika, Hebeln, Haircut schwirren durch die Medien und Politikeraussagen. Dabei können keine drei Prozent der Wähler und höchstens zehn Prozent der darüber abstimmenden Abgeordneten mit diesen Ausdrücken wirklich etwas anfangen.

Es geht jedoch immer um dasselbe: um die exzessive Schuldenmacherei der Politik, um deren Unwillen und Unfähigkeit, damit Schluss zu machen, und damit zwangsläufig um ständig neue Gelder für die Schuldenstaaten.

Dieser Unwille und diese Unfähigkeit der europäischen Politik und Diplomatie haben schon bei Gründung des Euro einen besonders schweren Fehler ausgelöst:  Sie haben in ihrer Ignoranz auf funktionierende Regeln für den Fall der Insolvenz eines Staates verzichtet. Das aber wurde mit der Einführung des Euro zur Katastrophe. Daran hätte freilich in einer interdependenten und globalen Welt und besonders in einer Union auch schon vorher großer Bedarf gestanden. Der gleiche Bedarf besteht im übrigen auch in Hinblick auf die Insolvenz großer Banken, die ja angeblich „too big to fail“ seien.

Freilich hat man einen solchen Insolvenzmechanismus auch innerösterreichisch nicht zustandegebracht. Es gibt ihn zwar für Gemeinden, aber nicht für Bundesländer. Es ist – auch wenn das keine einzige Partei thematisiert – ein unglaublicher Skandal, dass die Kärntner Landesregierung heimlich, still und leise Haftungen von fast 20 Milliarden Euro für eine einzige Bank eingegangen ist, und dass dann in der Stunde der Not der gesamtösterreichische Steuerzahler dafür gerade stehen musste. Genauer gesagt: Er ist von der Bundesregierung dazu gezwungen worden.

Um sich die Größenordnungen in Erinnerung zu rufen: Kärntens gesamtes Budget weist Einnahmen von weniger als zwei Milliarden auf. Das ist also genau ein Zehntel der Haftungen für die Hypo Alpen-Adria! Das Land könnte allein diesen Haftungen (zu denen ja auch noch die „normalen“ Schulden kommen!) nur dann nachkommen, wenn es zehn Jahre lang keinen einzigen Beamten, Straßenarbeiter oder Krankenhausbediensteten zahlen würde, wenn es so lange weder Gas- noch Stromrechnungen begleicht, wenn es keine einzige Schule renoviert , wenn es keinerlei Sozialhilfe auszahlt, wenn es die Politiker sowieso leer ausgehen lässt, und wenn auch sonst alle Ausgaben gestrichen werden.

Gegen dieses Kärnten nehmen sich in der Relation sogar die Griechen als Meister der Haushaltsdisziplin aus.

Der einzige Unterschied: Während der griechische Ministerpräsident wenigstens die Schuld auf Vorgängerregierungen schieben kann (sofern er seine einstige Beteiligung als Minister an einer solchen Vorgängerregierung ignoriert), ist in Kärnten abgesehen vom Unfallselbstmord des Jörg Haider die schuldige Regierungsmannschaft unverändert im Amt geblieben. Ja, die Kärntner zeigen nicht einmal eine Spur von Schuldbewusstsein, sondern sie schieben Gott und der Welt die Schuld für ihr eigenes Handeln zu. Und den Restösterreichern die finanziellen Konsequenzen.

Jeden Firmengeschäftsführer würde ein solches Verhalten als vorsätzliche Krida vor den Strafrichter bringen. Die Politik ist jedoch immun dagegen, weil sie immer den Bürger zum Bürgen für die politisch entstandenen Bürden machen kann.

Was die Kärntner zwar nicht entlastet, sondern den Beobachter noch zusätzlich besorgt macht: Möglicherweise haben auch andere Bundesländer in ähnlichen Dimensionen hasardiert. Nur weiß man es dort (noch) nicht, weil es ja nicht einmal ein Register gibt, in dem jede Haftung einer öffentlichen Körperschaft kundgemacht ist. Auch bei den Kärntner hat man die Dimensionen der Haftungen ja erst nach dem Crash der Bank erfahren – und da nur zitzerlweise.

Zurück nach Europa: Auch dort wird bis heute kein ernsthafter Mechanismus aufgebaut, wie eine Staatsinsolvenz abgewickelt werden könnte.

Weil sie keinen solchen Mechanismus gebaut haben, haben die EU-Politiker heute sogar teilweise recht, wenn sie davon reden, dass eine Insolvenz Griechenlands ein teures Chaos anrichten würde. Daher findet sich – allen Warnungen vieler Experten zum Trotz – so wie dieser Tage in Deutschland und Österreich letztlich immer eine Mehrheit, die dann doch wieder den Großschuldenstaaten neues Geld zukommen lässt. Und die Sprüche, dass das nun wirklich die allerletzte Hilfe gewesen sei, glauben ja nicht einmal mehr die Parlamentsstenografen.

Was die europäischen Entscheidungsträger freilich ignorieren: Durch diese Hunderten Milliarden Euro ist das Ende mit Schrecken nicht abgewendet worden. Dabei belasten sie schon heute jeden Deutschen, Niederländer und Österreicher vom Baby bis zum Greis über Nacht mit Tausenden Euro zusätzlicher Schulden pro Kopf. Der scheinbar abgewendete Schrecken wird am Ende mit hoher Wahrscheinlichkeit noch viel größer werden. Denn dann droht nicht nur Griechenland & Co die Insolvenz, sondern auch Deutschland und Österreich. Mitgegangen, mitgefangen.

Aber die Politik in ihrer Feigheit will das Chaos einer Pleite in einem der Euro-Länder möglichst hinausschieben. Zumindest über die nächsten Wahlen. Und Wahlen gibt es ja ständig irgendwo. Sie handelt dabei ähnlich wie dumme Aktionäre, die nur auf die Quartalsergebnisse eines Unternehmens schauen und nicht auf dessen  langfristigen Perspektiven. Oder wie ein Patient, der eine sicher schmerzhafte und riskante, aber notwendige Operation so lange hinausschiebt, bis es zu spät ist.

Die Politik handelt dabei entweder zynisch oder ahnungslos. Oder sie klammert sich irgendwie an die gesundbeterische Hoffnung, dass eine solche Pleite durch das viele Geld doch noch abgewendet werden könnte. Und dass dann – irgendwann – Griechenland, Irland, Portugal, Italien ihre Schulden zurückzahlen können.

Das erscheint aber schon aus folgendem Grund extrem unwahrscheinlich: Während Irland wirklich schon mit großer Effizienz spart, produzieren die anderen Schuldenländer trotz teilweise durchaus versuchter Sparmaßnahmen bis heute noch immer ein Primärdefizit. Das heißt: Sie verschulden sich auch dann noch ständig weiter, wenn man einmal – theoretisch – alle Zinsen, Annuitäten und Rückzahlungen alter Schulden außer acht lässt.

Wie kann man es da eigentlich von den viel ärmeren Bürgern der Slowakei verlangen,  gewaltige Summen für viel reichere Länder spenden zu müssen?

Glauben wir einmal für einen Moment den deutschen, österreichischen und niederländischen Politikern ihre Beteuerungen, dass die Griechen schon zurückzahlen werden. Wenn man ernsthaft daran glaubt, dann müsste man jedoch unbedingt auch den zweiten Schritt setzen.

Dieser wäre eine befristete Entmündigung von Regierungen und Parlamenten der Schuldenstaaten. Das bedeutet: Bevor ein Euro fließt, müsste eine Schuldenkommission der Gläubiger im betroffenen Land die Macht übertragen bekommen. Diese müsste über alle eher unwohl "wohlerworbenen" Rechte hinweg Beamte abbauen, Gehälter kürzen und Gesetze eliminieren können, die davon abhalten, dass jemand in Griechenland investiert und Jobs  schafft.

Das wäre gewiss eine Rosskur, aber sie wäre die einzige wirksame Hilfe, wenn man schon keine Insolvenzordnung hat. Die von Populisten und Linken daraufhin zu erwartenden Proteste müssten hingegen ignoriert werden. Nach 1945 haben in Mitteleuropa die Menschen auch nicht dadurch den Wiederaufstieg geschafft,dass sie gegen den Lebensstandard nahe dem Nullpunkt demonstriert oder gar unter Anleitung der Gewerkschaften gestreikt hätten. Die Gewerkschaften sind ja durch ihre überzogenen Lohnforderungen während des letzten Jahrzehnts von Griechenland bis Portugal die Hauptschuldigen an der Katastrophe geworden.

Natürlich werden die europäischen Regierungen zu feig sein, um diese Rosskur wirklich ernsthaft zu versuchen. Denn eine solche befristete Entmündigung kann natürlich auch in anderen Ländern passieren, wenn diese Schulden machen. Und dieses Risiko will natürlich kein Politiker eingehen. Dabei wäre es etwa auch für Österreich ein gewaltiger Segen, würde ein solcher Sparkommissar bisweilen eingreifen.

PS.: In Deutschland wird über all diese Fragen auf politischer, juristischer wie auch wirtschaftswissenschaftlicher Ebene wenigstens auf höchstem Niveau diskutiert. In Österreich hingegen nirgendwo.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Wie entwickelten sich die Lohnstückkosten in Europa?

30. September 2011 13:24 | Autor: Andreas Unterberger

Abweichung der Entwicklung der Lohnstückkosten vom Durchscnitt der Euro-Zone 2000-2008 und ab 2008 in Prozent

 

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Wollt Ihr den totalen Plan?

29. September 2011 03:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

In der Präambel des Entwurfs für den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) heißt es unter Punkt 3: „Die strenge Einhaltung des Rahmenwerks der Europäischen Union, der integrierten makroökonomischen Überwachung, insbesondere des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, des Regelwerks für makroökonomische Ungleichgewichte und der EU-Regeln zur wirtschaftspolitischen Steuerung sollen der erste Schutzwall gegen Vertrauenskrisen bleiben, die die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt berühren.“

Die Schlagzeile im Wirtschaftsteil der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom 24. 9. 2011 lautete: „Kostspieliger Kampf der EZB gegen den Kontrollverlust.“ Die Balkenlettern im „Economist“ der Wiener „Presse“ vom 28. 9. 2011 melden: „EU droht Banken mit Enteignung“.

Überwachung, Steuerung, Sorge um Kontrollverlust, geplante Enteignung. Das sind die Phänomene, die gegenwärtig auf der Agenda der politischen Eliten Eurolands ganz oben stehen – allesamt Elemente einer sowjetischen Planwirtschaft. Die zitierten Begriffe gemahnen eher an das „Kommunistische Manifest“, als an die gedankliche Basis einer Union freiheitlich verfasster Gesellschaften. Wie viel tiefer kann die EU, deren Vorläufer als eine den Wohlstand der Nationen mehrende Freihandelszone begonnen hat, noch sinken?

Die im Zuge der „Eurorettung“ von den dafür verantwortlichen Ökonomen und Politikern gezeigte Inkompetenz spottet jeder Beschreibung. Die Nachrichten, die seit Offenbarwerden der elenden finanziellen Lage Griechenlands verbreitet wurden, bilden eine erhellende Dokumentation der Orientierungslosigkeit der maßgeblichen Akteure, sowie der von ihnen betriebenen Desinformation der Öffentlichkeit.

Ein Vergleich der bei Ausbruch der griechischen Finanztragödie getätigten Aussagen mit dem aktuellen Stand der Dinge macht sicher: Hier paart sich vollständiger Mangel an Einsicht in die der Krise zugrundeliegenden Ursachen mit dem Fehlen jeglicher Moral. Macht und Verantwortung voneinander zu entkoppeln, wie der Ausschluss jeder Haftung für persönlich schuldhaftes Fehlverhalten, hat unschöne Folgen. Dass nicht die für Verschuldungsexzesse politisch Verantwortlichen in den Schuldnerländern – und die für allzu sorglose Kreditvergaben Zuständigen in den Geberländern – zur zivil- und strafrechtlichen Verantwortung gezogen, sondern stattdessen unbeteiligte Steuerzahler enteignet werden, ist ein Signal, wie es verheerender nicht sein könnte.

Unschuldige für die Verfehlungen Dritter zu bestrafen, ist einer zivilisierten Gesellschaft unwürdig. Wer ernsthaft meint, mit einer derart zynischen Politik dem „Friedensprojekt Euro“ einen guten Dienst zu erweisen, hat nichts begriffen.

Wer nun fragt, wie es möglich ist, dass als Konsequenz des erwiesenen Scheiterns der Planungsbürokratien eine weitere Ausdehnung ihrer Entscheidungsbefugnisse – bis hin zur Enteignung redlich erworbenen privaten Vermögens – auf den Weg gebracht werden kann, ohne dass sich ein Sturm der Entrüstung erhebt; wer fragt, wieso die Herolde der Systemmedien, die sich ansonsten über jeden noch so unbedeutenden „Skandal“ wochenlang zu entrüsten pflegen, der anmaßenden, abgehobenen und katastrophal in die Irre führenden Finanzpolitik der Eurokratie kaum eine kritischen Bemerkung widmen; der sollte nicht aus dem Blick verlieren, dass die Politik auf der Ebene der einzelnen Wohlfahrtsstaaten nicht anders läuft.

Auch hier ist keine Rede vom Zusammenhang zwischen Rechten und Pflichten, Macht und Verantwortung. Kein „politisch Verantwortlicher“ haftet je persönlich für seine Fehler. Kein die Zukunft der Jungen durch exzessive Verschuldung verbauender „Sozialexperte“ steht je für die Folgen der von ihm betriebenen gewaltsamen Umverteilung von den Produktiven zu den Unproduktiven vor dem Kadi. Im Gegenteil: der Konsum – also der den Wohlstand mindernde Kapitalverzehr – wird geradezu als Tugend gepriesen – quer durch alle Parteien.

Das dem medizinischen Vokabular entlehnte Wort von einer möglichen „Ansteckung“ anderer Staaten durch die griechische Krankheit ist in aller Munde. Allerdings stellt die strikte Quarantäne des Kranken gewöhnlich die erste Maßnahme zur Unterbindung einer Infektion Dritter dar! Schließlich ist dem Patienten nicht damit gedient, wenn am Ende auch seine Pfleger dahinsiechen. Im Falle Griechenlands indessen soll das nicht gelten – man nimmt den Patienten besonders innig zur Brust – was prompt zum befürchteten Ergebnis der kollektiven Ansteckung führen wird. Anstatt das gefährliche Leiden durch Isolation des Betroffenen an der Ausbreitung zu hindern, wird die gesamte Eurozone planmäßig infiziert – durch einen „Rettungsschirm“, der in Wahrheit eher einer Bazillenschleuder gleichkommt.

Mittlerweile wurde immerhin ein Tabu gebrochen: Der bis vor wenigen Wochen von den Politbonzen ausgeschlossene „Haircut“ (eine euphemistische Bezeichnung für die teilweise oder vollständige Enteignung der Gläubiger Griechenlands), wird hinter gut gepolsterten Türen vorbereitet. Weshalb nicht der kürzlich von außerhalb der Nomenklatura eingebrachte Vorschlag eines Abtauschs neuer Kredite gegen Sicherheiten eingehend geprüft wird, ist schleierhaft.

Jeder Private hätte so vorzugehen – und es ist nicht einsehbar, weshalb das erprobte Muster nicht auch im Falle maroder Staaten funktionieren sollte. Über genügend attraktive – und entsprechend werthaltige „Assets“ – z. B. Eilande, Kulturgüter und Transportmittel, verfügt die Heimat des listigen Odysseus ja. Weshalb diese (oder die Rechte zu deren kommerzieller Nutzung) nicht als Faustpfand an die Gläubiger übertragen? Das wäre ein Weg, den zu beschreiten möglich wäre, ohne bestehende Eigentumsrechte zu verletzen, wie das bei einem „Haircut“ der Fall wäre.

Indessen sind die „Eurokraten“ viel zu sehr von ihrem Genie und der Realisierbarkeit ihrer Vorstellungen von einer zentral gelenkten Planwirtschaft überzeugt, um auch nur irgendeinem alternativen Gedanken ernsthaft näherzutreten. Hayeks 1944 gezeichneter „Weg zur Knechtschaft“ mutet unserer Tage an wie eine hochaktuelle Momentaufnahme.

http://www.n-tv.de/wirtschaft/kolumnen/Bloss-nicht-verkaufen-article3726876.html

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wenn man einmal so viel Lobenswertes erfährt

28. September 2011 18:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Endlich gibt es wieder eine ganze Menge erfreulicher Dinge zu vermelden. Ganz abgesehen vom Wetter. Wir danken Barbara Prammer, Silvio Berlusconi, den Wiener Grünen, der FPÖ, der Schweiz (gleich zweimal), Wilfried Haslauer, der Wiener Stadtverwaltung, dem Land Niederösterreich und dem Bauernbund.

Ein wirklich süßer Einstieg in diese Lobesakkumulation ist das Eingeständnis der amtierenden Präsidentin des Nationalrats: "Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden“. Das hat sie (oder einer ihrer Geisterschreiber) wirklich schön auf den Punkt gebracht. Offen bleibt nur, warum ein Verlag aus dieser Orientierungslosigkeit von Barbara Prammer und ihrer Partei gleich ein ganzes Buch gemacht hat.

Silvio Berlusconi ist zuletzt immer wieder negativ aufgefallen. Für seine Ankündigung, alle Tunesier abzuschieben, die in den letzten Monaten nach Lampedusa "geflüchtet" sind, verdient er aber Anerkennung. Ganz im Gegensatz zu den weltfremden Gutmenschen in Medien und Linksparteien, die in den vergangenen Monaten voller Krokodilstränen die Weiterwanderung der Tunesier nach Österreich verlangt haben. Wenn Berlusconi seine Ankündigung auch noch zu realisieren imstande sein sollte – was noch sehr genau abzuwarten ist –, dann werden ihm zu Recht wieder viele Italiener seinen peinlichen Altherrentrieb für junge Mädchen nachsehen. Dies schon deshalb, weil alle drohenden Alternativen vielleicht zu larmoyantem Moralismus, aber sicher nicht zu energischem Handeln imstande sind.

Der nächste Lobesabsatz geht – wieder einmal – in die Schweiz: Dort hat nun auch ein Gericht die Strafe von immerhin 1400 Franken gegen muslimische Eltern bestätigt, weil diese ihre Töchter schon ab dem siebenten Lebensjahr nicht in den Schwimmunterricht geschickt haben. Das Gericht fand eine rundherum souveräne Begründung für sein Urteil – mit der einzigen Ausnahme, dass es das Tragen von Ganzkörper-Badeanzügen erlauben will.

Das bringt uns gleich zum Lob für die Freiheitlichen, die einen Vorstoß für Schuluniformen gewagt haben. Eine solche Schuluniforms-Pflicht würde nicht nur Kopftuch- und andere Unsinnigkeiten verbieten. Sie würde auch den schädlichen – und für manche weniger gut gestellte Eltern sehr belastenden – Markenfimmel beenden, der in etlichen Schulen unter den Kindern herrscht. Geradezu köstlich, wie manche Medien reflexartig zubeißen, nur weil ein Vorschlag von den Freiheitlichen kommt.

Noch einmal die Schweiz: diesmal als positiver Kontrast zur österreichischen Korruptions- und Gewerkschaftsbahn ÖBB. Die SBB erzielten auch zum Halbjahr einen Gewinn – und kündigen dennoch einen deutlichen Stellenabbau und Einsparugnsmaßnahmen an. Was fällt eigentlich dem ÖBB-Politruk Christian Kern dazu ein? Er schimpft auf seine Vorgänger.

Besonders großes Lob hat sich dieser Tage der Salzburger Schwarze Wilfried Haslauer verdient. Der bisher eher durch Fadesse aufgefallene Mann fand plötzlich Worte, auf welche die verbliebenen ÖVP-Sympathisanten seit Jahren gewartet haben. Er wagte es nicht nur, einige Wahrheiten auszusprechen, wie etwa, dass Werner Faymann „ein Kunstprodukt, geklont von seinen Beratern, politisch blutleer“ sei, der sich durch Steuergeld eine angenehme Berichterstattung kaufe, und der das „destruktive Element“ in der Regierung sei. Haslauer machte auch in einer seit längerem unüblich gewordenen Deutlichkeit seiner Partei klar, wohin der Weg gehen müsse: inhaltliche Erneuerung, mehr Selbstvertrauen – und Rückbesinnung auf bürgerliche Werte. Dass Michael Spindelegger postwendend auf Distanz zu Haslauer gegangen ist, trübt das Salzburger Spätsommerhoch freilich wieder aus Osten deutlich ein.

Im Wiener Gemeindebau ist ohne viel Aufsehens etwas passiert, was noch vor wenigen Jahren die üblichen Medien und viele Rotgrüne in laute „Faschismus!“-Warnrufe ausbrechen hätte lassen: In den Gemeindebauten sind nämlich 2800 Überwachungskameras aufgestellt worden. Angesichts von Kriminalität, Import uneuropäischer Sitten (sowie Mieter) und Vandalismus war das dringend notwendig geworden. Und kein Mieter regt sich über die Kameras auf, sondern viele freuen sich.

Auch die Wiener Grünen schaffen es zum ersten Mal auf die Lobesliste: Sie verlangen die Ausweitung der Parkpickerlpflicht auch für Bezirke außerhalb des Gürtels. Das wäre in der Tat dringend notwendig. Denn die Gebührenpflicht innerhalb des Gürtels lässt Zehntausende die Wohngebiete außerhalb des Gürtels mit ihren Autos überschwemmen, wenn diese in der Nähe von U-Bahn oder Straßenbahn liegen. Was dort nun mancherorts die Parkplatzsituation für die Wohnbevölkerung schlimmer macht als im innerstädtischen Bereich. Besonders ärgerlich ist ja, wenn viele der Autos aus Niederösterreich, dem Burgenland, der Steiermark, Deutschland, Polen, Tschechien oder der Slowakei dort oft wochenlang unbewegt stehen bleiben.

Weil aus Rechnungshof-Berichten sonst immer nur das Negative zitiert wird: Aus dem Sommer ist noch dickes Lob des Kontrollorgans für die Dienstrechtsreform der niederösterreichischen Landesbediensteten nachzuholen. Die Rechnungshofer fanden „in weiten Bereichen ein Referenzmodell für ein modernes, leistungsorientiertes Dienst- und Besoldungsrecht“. Wer hätte das den Pröll-Aktenträgern zugetraut?

Last not least dickes Lob für den Bauernbund, weil er Thilo Sarrazin nach Österreich bringt. Ist doch Sarrazin zusammen mit Jan Fleischhauer und Henryk Broder sicher das Beste und Mutigste, was es in Deutschland an politischen Autoren zu finden gibt. Wer noch einen „Kurier“ vom vergangenen Sonntag daheim herumliegen hat, sollte unbedingt das große Interview mit ihm nachlesen (oder gleich das große rote Sarrazin-Buch wieder hervorholen) und sich an messerscharf begründeten Erkenntnissen erfreuen. Wie:
- Integration ist in erster Linie eine Bringschuld;
- die Probleme mit dem Facharbeitermangel haben wir durch Zeugungsverweigerung und die Förderung des  türkischen Zuzugs selbst eingewirtschaftet;
- die Schulergebnisse der Türken sind auch in der Türkei selbst sehr schlecht, denn sie sind primär das Produkt kultureller Vererbung und nicht eines Versagens der österreichischen oder deutschen Schulen (was ja behauptet wird, um die Qualität dieser Schulen endgültig zu zertrümmern);
- oder der Vorschlag, Zuwanderer sollen für mindestens zehn Jahre keine Sozialtransfers bekommen, weil viele ja überhaupt nur dieser Sozialtransfers wegen herkommen.
Die Tatsache, dass eine wichtige ÖVP-Organisation Sarrazin ins Land holt, macht Hoffnung, dass die hiesigen Schwarzen nicht denselben Fehler machen werden wie die deutschen Schwarzen, die Sarrazin verteufelt haben, ohne ihn gelesen zu haben. Auch ein Sozialdemokrat kann nämlich mehr Recht haben als andere. Wenn nun auch noch Sebastian Kurz einen halben Tag in ein Gespräch mit Sarrazin investieren sollte, statt sich noch weiter bei Küberl&Co anzubiedern, dann wäre das das Schlagobers-Häubchen dieser langen Lobes-Liste.

 

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Fußnote 220: Die Bahn fährt, wo sie will

27. September 2011 03:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war nur eine Randbemerkung der Finanzministerin, aber sie zeigt das provozierende Desinteresse mancher Imperien in diesem Land am Sparen.

Es geht wieder einmal um die ÖBB. Diese, so enthüllte Fekter, haben praktisch noch nie über die Bundesbeschaffungsgesellschaft eingekauft, obwohl sie das Recht dazu hätten. Diese Gesellschaft verschafft ja durch ihre akkumulierte Marktmacht den einkaufenden Bundesbehörden vom Kanzleipapier bis zum Dienstauto oft 40 Prozent bessere Preise, als jeder andere in Österreich zahlen muss. Aber die ÖBB denken nicht daran, wirklich zu sparen, und kaufen daher lieber alles selber ein. Die Vermutung liegt nahe: Würde man alles zentral einkaufen, könnte man ja keine Steuergelder mehr zu Faymanns Freunden verschieben. Freilich kann man auch Fekter die folgende Frage nicht mehr ersparen: Warum bekommen die Bahnen unser Steuergeld eigentlich noch immer ohne ähnlich harte Auflagen, wie sie derzeit etwa die Griechen treffen? Dabei kommen uns Steuerzahler die ÖBB alljährlich teurer, als diese Griechenland-Hilfe vermutlich am Ende kosten wird. Und diese Hilfe bekommen die Griechen nur unter sehr genauen Bedingungen und Vorgaben. Ihnen wird diktiert, wie Beamtenbezüge und Pensionen zu kürzen sind,  was zu privatisieren ist und wie viele öffentliche Jobs abzubauen sind. Wer bankrott ist, muss ja auch dem Masseverwalter das Steuer überlassen. Nur die ÖBB nicht.

PS.: Der zweite von Fekter getadelte Sünder: Auch die meisten Unis bis auf die Wirtschafts-Universität verzichten weitgehend auf den Vorteil des gemeinsamen Einkaufs. Für die gilt aber ohnedies fast dasselbe wie für die ÖBB.

 

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Noch ist Griechenland nicht verloren

27. September 2011 00:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Überschrift mag angesichts der nun wohl unmittelbar bevorstehenden Pleite Griechenlands samt drastischem Schuldenschnitt überraschen. Aber gerade am Tiefpunkt kann es in Wahrheit nur noch aufwärts gehen. Vorerst noch unbemerkt von der ausländischen Öffentlichkeit, gibt es in Griechenland erste – erste! – Spuren einer Besserung. Denn so schlimm die Schulden und die längst unvermeidliche Staatspleite mit ihren gesamteuropäischen Folgen auch sind, so mies die griechischen Betrügereien auch sind: Das noch viel größere zentrale Problem des Landes ist die Mentalität der Menschen.

Diese Mentalität hat das Land ins Unglück gestürzt, und Schulden wie Pleite sind nur die Folge. Aber nun gibt es doch eine Reihe von Hinweisen, dass zumindest bei einem wachsender Teil der Griechen ein erstes Umdenken stattfindet. Sie spüren, dass der Weg der letzten Jahrzehnte an ein Ende angekommen ist.

Dieser Weg war vor allem einer der erfolgreichen Erpressung. Der Westen hat in den Jahren des Kalten Krieges auf Grund der aus Griechenland kommenden Signale immer wieder fürchten müssen, dass die Hellenen in den Kommunismus abgleiten oder zumindest die Nato verlassen und in einen antiwestlichen Neutralismus wechseln. Immerhin gab es in dem Land nach dem Weltkrieg einen blutigen Bürgerkrieg zwischen kommunistischen und prowestlichen Kräften.

Durch diese Erpressung haben die Griechen nicht nur die Aufnahme in die EU erzwungen. Sie haben auch zuerst den Amerikanern und dann den EU-Europäern viel Geld abgepresst. Sie haben dadurch auch ihre militärische Hochrüstung gegen die türkische Bedrohung im Konflikt um die Ägäis-Inseln sicherstellen können. Lassen wir dahingestellt, wie viel davon eine echte und wie viel eine übertriebene Bedrohung war. Tatsache ist jedenfalls, dass die Türken mit ihrer Invasion auf Zypern gezeigt haben, dass sie eine imperialistische Macht sind. Tatsache ist aber auch, dass die türkischen Einwohner Zyperns davor vielfältige Diskriminierung durch die dortigen (und von Athen unterstützten) Griechen erfahren hatten.

Erpressung war aber auch ein beliebtes innenpolitisches Machtinstrument. Mit regelmäßigen Streiks haben sich die Griechen wirtschaftlich nicht finanzierbare Lohnhöhen und soziale Ansprüche erkämpft, und versuchen all das heute noch so zu verteidigen. Knapp vor dem offenen Ausbruch der Schuldenkrise war Athen aber auch monatelang von Straßenunruhen linksradikaler Studenten lahmgelegt, denen die (damals konservative) Regierung und die Polizei unter dem Druck der linken Medien nach einem Todesfall nie energisch entgegenzutreten wagten.

Gleichzeitig haben es die Griechen nie verstanden, eine Industrie aufzubauen. Ausländische Investoren haben nicht nur die hohen Löhne und die vielfältigen sozialen Ansprüche griechischer Arbeitnehmer gescheut, sondern sich überdies immer als eher unerwünscht empfunden.

Das mag wohl auch mit griechischen Überlegenheitsgefühlen gegenüber allen Ausländern zu tun haben. Schließlich war das Land vor zweieinhalbtausend Jahren in der Philosophie, in der Mathematik, in der Architektur, in der bildenden Kunst, in der Dichtkunst, in der Entwicklung von Demokratie auf einem so hohen Stand, den andere Regionen Europas damals nicht einmal annähernd hatten, den diese zum Teil auch Jahrtausende später nicht erreichten. In mancherlei Hinsicht konnten sich die Griechen zu Recht als die Väter Europas ansehen – nicht nur in Hinblick auf die Wurzeln des Wortes Europa.

Diese unglaubliche Leistung der damaligen Griechen wurde aber für die späteren zum Ballast. Die Grundlage war weggefallen, aber das Überlegenheitsgefühl ist geblieben. Es äußerte sich etwa im hohlen Prunk des oströmischen Reiches, welches das römische um ein rundes Jahrtausend mehr schlecht als recht überlebte, bevor es von dem islamisch-osmanischen Vorstoß hinweggefegt wurde. Das nationale Überlegenheitsgefühl äußerte sich auch in der orthodoxen Religion, die in jedem Land mit ziemlichem Nationalismus verbunden ist, der im Fall Griechenlands noch durch den Ehrenvorrang der griechischen Orthodoxie übertroffen wird.

Die Geschichtsbücher sind voll von Beispielen, wie Nationen, die mehr oder weniger lang eine globale Führungsrolle hatten, nachher umso länger und tiefer abgestürzt sind. Portugal, Spanien, Rom sind die klassischen Beispiele. Aber auch Frankreich, Großbritannien und Russland haben bis heute Riesenprobleme beim Abstieg vom Gipfel der globalen Macht.

Dieses kollektivpsychologische Problem tritt naturgemäß bei Ländern nicht auf, die nie groß waren und die auch nie das gefährliche Glück eines Rohstoffreichtumes hatten: Finnland, Singapur, die Schweiz, Hongkong, Südkorea sind Länder, wo es den Menschen im Schnitt heute viel besser geht als im Rest der Welt. Auf diesem Weg sind heute auch Chinesen, Vietnamesen und noch etliche andere Länder unterwegs. Sie alle haben aus der Geschichte gelernt, dass nur der eigene Fleiß, die eigene Leistung dauerhaft entscheidend sind, und dass ihnen heute die globalisierte Weltwirtschaft auch die Chance bietet, die Früchte von Fleiß und Leistung zu konsumieren. Diese beiden Vokabel heißen auf Latein nicht ganz zufällig „industria“.

Zurück nach Griechenland: Die eigenen Unternehmer des Landes haben immer die Seefahrt, den Tourismus und Handel als interessanter empfunden denn die Industrie. Aber ganz ohne industrielle Wertschöpfung kann eine Wirtschaft nicht funktionieren. Vor allem wenn sie zusätzlich geplagt wird durch Nepotismus und Korruption, durch Steuerhinterziehung und Überbürokratisierung.

Vielleicht bin ich überoptimistisch, wenn ich die Signale einer ersten leichten Besserung zu sehen vermeine. Aber es gibt jedenfalls etliche Anzeichen, dass sich die Griechen nun erstmals intensiv und ehrlich um ausländische Investoren bemühen. Dass auch die Privatisierung nun endlich ernsthaft angegangen wird.

Das alles ist gewiss keine Entschuldigung für die griechischen Sünden. Und auch nicht für die vielen Fehler der Miteuropäer im Umgang mit dem Land, im sinnlosen wie teuren Hinauszögern der griechischen Pleite. Aber bei aller Tristesse sollten wir uns doch bewusst machen, dass ein so steiler Absturz auch die Grundlage für eine sehr gute nachfolgende Entwicklung sein kann.

Denken wir nur an Finnland: Das Land hat Anfang der 90er Jahre einen noch viel steileren Absturz erlebt als Griechenland derzeit. Das im BIP gemessene Volkseinkommen der Finnen schrumpfte damals um gewaltige 20 Prozent (Ursache war der Zusammenbruch der Sowjetunion, des bis dahin weitaus wichtigsten Handelspartners der Finnen). Aber genau dieser Schock hat die Finnen stärker gemacht. So wie das bei den Deutschen und Österreichern der Schock des absoluten Nullpunkts des Jahres 1945 nach drei Jahrzehnten voller Kriege, Not und Verbrechen getan hat.

Freilich lehrt die Geschichte auch, dass die Heilwirkung einer starken Krise nicht ewig anhält. Aber von dieser Sorge sind die Griechen ja vorerst noch wirklich sehr weit entfernt.

PS.: Dieser - vielleicht verzweifelt anmutende - Versuch, in der griechischen Krise auch so etwas wie eine positive Katharsis zu sehen, ändert nichts an der Notwendigkeit, die Pleite eindlich auch als solche zu bezeichnen. Und den Druck der internationalen Geldgeber aufrechtzuerhalten, dass die griechischen Spar- und Reform-Ankündigungen auch verlässliche Realität werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Linzer Schizophrenie oder: „Wer ist stärker: I oder I“?

26. September 2011 00:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der rote Ewald Nowotny vs. die rote Stadt Linz: Das ist Brutalität um Wucher, Arglist und viele Millionen. Und gleichzeitig eine Lehrstunde, wie bei der SPÖ die ständige antikapitalistische Rhetorik und die Realität auseinanderklaffen. Und in welchen Fällen die Grünen so ganz und gar gegen Untersuchungsausschüsse sind, die sie sonst täglich verlangen.

Für alle jene, die angesichts der vielen derzeit hochbrandenden Skandale die Details nicht im Kopf haben, was mehr als verständlich wäre: Der Finanzdirektor der roten Industriehochburg Linz hat zur „Absicherung“ eines Frankenkredits über 195 Millionen, also einer der von den Sozialdemokraten ständig so heftig getadelten spekulativen Wetten, eine weitere (noch viel riskantere) Wette abgeschlossen, bei der die Stadt maximal 30 Millionen Euro gewinnen, aber maximal 118 Millionen Euro verlieren könnte. Leider, leider hat sich der Franken nicht wunschgemäß entwickelt, sodass die Stadt schon einmal 24 Millionen nachschießen hat müssen. Weitere saftige Nachschusspflichten stehen bevor.

Das ist für den Steuerzahler und die Linzer bitter. Aber auch in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich.

Denn die Bawag unterstand zu jenem Zeitpunkt ausgerechnet einem gewissen Ewald Nowotny, einem braven Parteisoldaten, der seit Jahrzehnten immer böse über den Kapitalismus herziehen konnte (und der übrigens auch sehr lange verhindert hat, dass an die Wirtschaftsuniversität irgendwelche sachkundigen Nationalökonomen kommen).

Es ist schon sehr erstaunlich, welche Geschäfte diese Nowotny-Bawag damals ihren Kunden angedienert hat. Wobei ein solches Geschäft mit diesen Dimensionen und diesem Vertragspartner garantiert den Bawag-Vorstand durchlaufen musste. Wäre es – unmittelbar nach dem großen Elsner-Skandal! – anders, wäre es ein doppelt peinliches Versagen der bankinternen Richtlinien, für die natürlich wieder der Vorstand zuständig ist.

Das wirft jedenfalls ein mehr als fahles Licht auf den in der europäischen Schuldenkrise nur durch Profillosigkeit und Herumstottern auffallenden Nationalbankpräsidenten Ewald Nowotny. Wer schon die Linzer so riskant exponiert hat, tut der das nicht problemlos auch mit Österreich und Europa? In der europäischen Schuldenkrise wie auch im Fall Linz ging und geht es ja immer um eines: aktuelle Risiken durch Eingehen neuer, noch viel größerer Risiken zuzudecken, die aber erst später schlagend werden.

Wahrscheinlich handelten er und sein Team damals als Opfer der eigenen Vorurteile. Denn offenbar tritt bei Nowotny ein unter Linken häufiges Phänomen auf: Wenn man den Kapitalismus immer so verteufelt, verhält man sich dann selbst teuflisch, wenn man in diesem Kapitalismus an die Schalthebeln kommt. Das ist gleichsam eine 'self fulfilling prophecy'. Wenn man immer sagt, dass Manager im Kapitalismus kein Verantwortungsbewusstsein haben, dann ist man selber in der plötzlichen Rolle eines Managers verantwortungslos, weil es ja zum Rollenbild gehört wie der dunkle Anzug und das blütenweiße Hemd. Es gibt übrigens Studien, dass Bankiers viel seltener in Pleiten schlittern als Banker. Mit Bankiers sind jene aussterbenden Typen gemeint, die noch mit dem ganzen eigenen Vermoegen haften.

Interessant, wenn auch nicht wirklich beweiskräftig, ist übrigens auch noch der Umstand, dass sich Nowotny Ende 2007 wenige Monate nach diesem Linzer Deal aus der Bawag zurückgezogen hat. Das war schon ein dreiviertel Jahr, bevor er an die Spitze der Nationalbank und damit auch in die Europäische Zentralbank gehievt worden ist.

Vertrauen in unser Geld vermittelt dieser Mann jedenfalls in keiner Weise.

Jetzt wirft das knallrote Linz der damals noch knallroten Bawag jedenfalls Dinge wie „Wucher“ und „arglistige Täuschung“ vor. Die Stadt hat freilich schon im vergangenen Winter eine saftige Klage gegen die Bawag angekündigt, die im Mai eingebracht werde. Jedoch ist bis heute keine Klage überreicht. Denn Experten haben gleich einmal gewarnt, dass da zuvor gleich noch einmal weitere zwei Millionen Steuergeld für die Prozesskosten zu reservieren seien. Dabei hat die Bawag damals alle Risken offen gelegt. Die Stadt kann dem nur einen – fast heiteren – Vorwurf entgegenhalten: Die Bawag hätte wissen müssen, dass der Spitzenbeamte keine interne Ermächtigung zum Abschluss eines solchen Geschäftes hatte, auch wenn die Bank offensichtlich auf alle Risken hingewiesen hat.

Noch heiterer ist, dass in Linz nicht nur die SPÖ, sondern auch die Grünen sowohl einen Untersuchungsausschuss wie auch eine Einschaltung des Kontrollamtes abgelehnt haben. Sind das nicht die gleichen Grünen, die im Nationalrat fast täglich nach Untersuchungsausschüssen gegen alles und jedes verlangen, mit Peter Pilz eine als oberstem Ankläger, Einpeitscher und Richter in einer Person? Wie der Ort die Sichtweise ändern kann!

Das ist jedenfalls mindestens genauso schizophren wie das „Wer ist stärker; I oder I?“ der SPÖ.

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Dumm, frech und ignorant

25. September 2011 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

So präsentierten sich in der abgelaufenen Woche wieder allzu viele Akteure der staunenden Öffentlichkeit (sofern ihnen diese überhaupt noch zuhört). Es brauchte jedenfalls eine starke Dosis autogenen Trainings, um bei all diesen Äußerungen ruhig und gelassen zu bleiben, ob es sich nun um den Herrn Kern, den Herrn Pilz, die Frau Karl, den Herrn Lochs, den „Spiegel“ oder diverse Zuwanderungs-Fördervereine handelt.

Da gab es etwa den ÖBB-Generaldirektor Christian Kern, einen besonders üblen Politruk. Der ist nicht nur dadurch aufgefallen, weil aus der ÖBB in den letzten Tagen seltsam bereinigte Protokolle über die diversen Faymann-Inserate gekommen sind, sondern auch durch folgende vor Publikum angestellte Rechnung: Auch wenn es stimme, dass jeder Österreicher – also vom Baby bis zum Pflegefall – 2350 Euro Schulden nur der ÖBB wegen habe, so mache das nichts: Denn dem stehe ein Wert der ÖBB von 2450 Euro pro Österreicher gegenüber.

Wie bitte? Diese jedes Jahr satte Abgänge produzierende ÖBB soll dem von jedem ökonomischen oder juristischen Studium freien Herrn Kern zufolge auch einen Wert haben? Noch dazu einen so gewaltigen?

Da kann man nur eines sagen: Wer auch immer bereit ist, mehr als 19 Milliarden für diesen Betrieb zu zahlen: Bitte, bitte kaufen! Wir geben noch zehn Prozent Rabatt dazu, wenn jemand schnell kauft! Oh, da ist gar niemand bereit dazu? Einen Betrieb, in dem die Gewerkschaft das Sagen hat und der derzeit alljährlich sechs Milliarden Steuergelder verbraucht, den kauft niemand? Und schon gar nicht um diesen Preis? Ach, wie schade!

Aber wenigstens hat sich Herr Kern einmal mehr einen Platz im Buch der Chuzpe-Rekorde verdient.

Natürlich hat auch Peter Pilz diese Woche nicht ausgelassen, um seine Frechheiten zu produzieren. Er hat eine Konstruktion vorgestellt, wie trotz der Klagen der Justiz über die Störungen durch einen U-Ausschuss ein solcher gleichzeitig mit den intensiven Erhebungen der Strafverfolgungsbehörden stattfinden könne: Das Parlament solle halt „Rücksicht darauf nehmen, was die Justiz in bestimmten Fällen vorhat“.

Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Denn dazu muss natürlich die Justiz vorher dem Parlament – also allen Parteien! –  mitteilen, was sie denn so an Erhebungen vorhat. Sonst kann man ja nicht "Rücksicht" darauf nehmen. Das wird die Strafverfolgung in ohnedies sehr heiklen schwierigen Fällen logischerweise noch zehnmal schwieriger machen. Wenn also die Justiz beispielsweise vorhaben sollte, bei der Zeitung „Österreich“ oder bei „Heute“ eine Hausdurchsuchung wegen der Faymann-Inserate zu machen, muss das nach dem Pilz-Plan vorher dem Parlament mitgeteilt werden. Was natürlich postwendend in diesen Redaktionen bekannt werden wird. Der Vorschlag ist entweder absolute Blödheit – oder Pilz will die Rückkehr zur alten Inquisitionsjustiz, in welcher der Fürst der Einfachheit halber auch gleich die Rechtsprechung erledigt hat. Was für seine Günstlinge immer sehr günstig ausgefallen ist.

Nochmals Justiz: Jetzt kann Justizministerin Beatrix Karl aber jubeln, denn der Streit mit Litauen sei beigelegt. Man erinnert sich: Österreich hat trotz eines Auslieferungsbegehrens Litauens einen mutmaßlichen KGB-Gewalttäter nach wenigen Stunden unter massivem russischen Druck einfach wieder freigelassen. Österreich und Litauen haben jetzt also eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der es heißt, man wolle „künftig Fehler wie jenen im Fall Golowatow verhindern“.

Aber hallo! Das ist ja ein volles Schuldeingeständnis der Frau Karl! Sie hat also nach langen Ausweichversuchen und verächtlichen Äußerungen über Litauen nun doch zugegeben, dass da „Fehler“ begangen worden sind. Da fehlt jetzt freilich noch der logische zweite Schritt: Wer bitte, wird nun für diese Fehler zur Rechenschaft gezogen werden? Wo ist das Disziplinar- und Strafverfahren gegen die involvierten Beamten – oder der Ministerrücktritt, wenn Karl selber die Fehlermacherin gewesen sein sollte? Oder sollte es in diesem Lande gar selbstverständlich sein, dass bei Anruf des russischen Botschafters halt einfach das Recht gebogen wird, bis es kracht?

Persönlich wäre das Karl-Prinzip ja gar nicht so übel: Ich werde nach meinem nächsten Banküberfall halt auch sagen, dass ich einen solchen „Fehler“ künftig verhindern werde. Oder steht etwa nur die Spitze der Justiz über den Gesetzen?

Ein gewisser Herbert Lochs ist Rektor der Medizin-Uni. Er hat wie fast jeder Rektor nun einen eigenen Vorschlag gemacht, wie die maroden Unis zu finanzieren seien. Er schlägt „nach oben nicht begrenzte“ Studiengebühren vor – aber nur für Ausländer. Hingegen soll jeder Österreicher in der Regelstudienzeit über einen Studienscheck gebührenbefreit sein.

Ein erstaunlicher Vorschlag. Er zeigt, dass im heiligen Land Tirol nicht einmal die Rektoren über die Tatsache informiert sind, dass wir seit 16 Jahren in der EU sind. Und dort sind solche Unterscheidungen zwischen Inländern und Bürgern anderer EU-Länder halt leider gar nicht erlaubt – wie trickreich immer man sie zu tarnen versucht.

Der Papstbesuch in Deutschland zeigt, dass dort überraschenderweise durchaus noch eine starke und blühende Kirche zu finden ist. Jene – wenigen – linken Abgeordneten, die bei der Papstrede den Bundestag verlassen haben, haben sich hingegen eher blamiert, nachdem sie bei Dutzenden anderen Staatsoberhäuptern keinen solchen Boykott veranstaltet haben. Besonders skurril ist die Anti-Papst-Debatte in etlichen deutschen Medien, wobei der seit dem letzten Chefredakteurswechsel neuerlich ganz nach links gerückte „Spiegel“ mit seinem Cover „Der Unbelehrbare“ wieder einmal den Vogel abgeschossen hat. Was man auch immer vom Papst Ratzinger halten mag: Gott schütze die Kirche jedenfalls vor einem Papst, der sich von einem „Spiegel“ belehren lässt.

Die „Asylkoordination“ ist eine Lobby-Organisation für mehr Zuwanderung durch Asylanten, wie schon der Name allein verrät. Diese Woche hat sich der Verein besonders deutlich enttarnt. Er kritisierte, dass das Innenministerium seit einiger Zeit das Alter von sogenannten Flüchtlingen medizinisch überprüft. Diese Überprüfung geschieht, weil immer öfter erkennbar Ältere sich als jugendlich ausgegeben haben, um dadurch etliche Vorteile bei der Einwanderung nach Österreich zu lukrieren.

Der Kommentar dieser „Asylkoordination“ zu den Überprüfungen: „Dann sind Familien eben gezwungen, die jüngeren Geschwister zu schicken.“ Deutlicher kann man es gar nicht zugeben: Da geht es nicht um arme politisch Verfolgte, sondern um Menschen, die „geschickt“ werden, damit sie dann als arme Asyl-Waisenkinder bald die ganze Familie nachholen können.

Wieder einmal bestätigt sich, dass hier eine vielfältig organisierte und koordinierte Asyl-Industrie am Werk ist. Die in Wahrheit aber eine sich humanitär tarnende Schlepper-Industrie ist.

Da ich den Verein „Secondos plus“  nicht wirklich kenne, habe ich die Meldung zuerst für einen Scherz gehalten. Aber zumindest mehrere Schweizer Medien haben sie bestätigt. Sie zeigt, dass dieser Schweizer Immigranten-Verein schon eine Stufe weiter ist als unsere „Asylkoordination“. Denn einer seiner Exponenten stellt jetzt sogar schon die Abschaffung des Schweizer Kreuzes in der Fahne zur Diskussion. Ein Kreuz entspreche der multikulturellen Schweiz nicht mehr.

Auf seiner Homepage versucht der Verein das Tage nachher zwar irgendwie als Einzelmeinung zu relativieren. Womit er aber nur den Vorstoß bestätigt. Zugleich entdeckt man dort auch gleich etwas Anderes: Der Verein will jedenfalls die Schweizer Hymne umdichten. Damit sie Immigranten- und Geschlechter-tauglich wird. Das kommt einem dank Maria Rauch-Kallat hierzulande aber schon wieder sehr vertraut vor.

Bei linken und anderen ähnlich dummen Menschen gilt halt die Devise: Raubt den Menschen möglichst rasch alles, was ihnen Heimat gibt, was vertraut für sie ist. Ich möchte daher fast wetten, dass in Kürze auch in Wien die Entfernung des Kreuzes aus dem Stadtwappen verlangt werden wird. Oder hebt sich das Michael Häupl – nach seinem gloriosen Denkmal für den Massenmörder Che Guevara – noch als Schlager für den nächsten Wahlkampf auf?

 

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Auf zum Sieg der Lemminge!

22. September 2011 05:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Das Parlament gehört gehört,
entschieden höchste Richter –
wohl wissend, so ein Sprüchlein stört
kein Rettungsschirmgelichter.

Beim Abgang Starks, so stark der schien,
war auch man kaum betreten
und ließ ihn seiner Wege ziehn,
den Untergangspropheten.

Doch lästig war der Widerstand
vonseiten dieser Finnen:
Fürs Bare wollten sie ein Pfand –
ein Zeichen, dass die spinnen.

Ja, ein Slowake meinte dann,
dass eine Schuldenkrise
man nicht durch Schulden lösen kann –
welch Häresie, welch miese!

Ein nationaler Einzelgang
ist aber klar zu ächten,
weil hinderlich dem Rettungsdrang
der Guten und Gerechten.

Und wird’s vielleicht mal wirklich eng,
gibt’s ohnedies Chinesen,
die weltweit schon seit Onkel Deng
stets hilfsbereit gewesen!

Am Ende wagt es keiner mehr,
sich an die Stirn zu tippen,
und so marschiert das Lemmingheer
zum Endsieg Richtung Klippen.

Dort werden höflich ihrerseits
die Leerer aller Kassen
– wie abzusehen ist bereits –
den andern Vortritt lassen…

Pannonicus

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Franken oder nicht Franken?

22. September 2011 01:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist die Frage, die mir in letzter Zeit wohl am häufigsten gestellt worden ist: Soll man einen Frankenkredit jetzt umwandeln, wie allerorten geraten wird, oder nicht? Ich habe das lange mit einem Topexperten für den Schweizer und europäischen Finanzmarkt erörtert. Das hat uns zu folgender Wahrscheinlichkeits-Analyse gebracht – die natürlich in keiner Weise eine Empfehlung ist.

Erste Frage: Kann die Schweizer Nationalbank auf Dauer den Wechselkurs von 1,20 Franken für einen Euro verteidigen? Hier ist die Antwort relativ klar ein Ja. Eine Aufwertung der Währung verhindert man, indem man Franken druckt und Euro kauft. Das geht grundsätzlich unbeschränkt (umgekehrt gäbe es natürlich Grenzen, wenn man eine Abwertung verhindern will, da man dafür ja nur die bestehenden, nicht vermehrbaren Währungsreserven verwenden kann). Das Drucken von Franken dürfte in der Schweiz keinen oder nur geringen Inflationsdruck ausüben, sofern der Franken als Reservewährung dient, vom Ausland gehalten wird und den Schweizer Inlandskonsum daher nicht anheizt.

Zweite Frage: Will die Schweiz den Kurs auch auf viele Jahre verteidigen? Da kommt es auf die Inflation im Euroraum an. Sollte diese stark zunehmen, würden die Schweizer Inflation importieren, wenn sie (durch das Franken-Drucken) weiterhin den Wechselkurs stabil halten. Dass die Inflation im Euro-Raum anspringt, ist sowohl aufgrund der hohen Staatsschulden als auch der heißlaufenden Gelddruckmaschine in Frankfurt ein realistisches Szenario. Dadurch könnte die Schweiz eines Tages vor der Wahl zwischen Pest und Cholera stehen. Entweder sie importiert die Inflation oder sie lässt den Euro abwerten, was die Schweizer Wirtschaft unter starken Druck bringen wird.

In diesem Fall könnten die Eidgenossen wieder auf einen "Managed float" umsteigen. Das heißt, sie würden eine laufende leichte Aufwertung des Franken, aber keine massiven Kurssprünge akzeptieren.

Das Risiko ist also im wesentlichen das einer Inflation im Euro-Raum. Diese würde die Rückzahlung eines Euro-Kredit billiger machen, während ein Franken-Kredit hingegen relativ teurer wird. Wenn eine derartige Inflation mit ähnlichen Einkommenssteigerungen und Wertsteigerungen des Vermögens, also etwa einer Wohnung verbunden ist, ist das Risiko etwas abgesichert.

Könnte sich der Franken auch wieder abschwächen? Theoretisch ja. Dazu bräuchte es aber ein Krisenszenario, das die Schweiz stärker trifft als den Euroraum. So etwas ist im Moment schwer zu sehen.

Auch wenn sich durch den starken Eingriff der Schweizer Nationalbank das Risiko eines Frankenkredits vorerst reduziert hat, macht er langfristig etwas anderes fraglich: Bleibt die Zinsdifferenz zwischen Euro und Franken eine dauerhafte, zu der ja auch die zusätzlichen Gebühren kommen? Es lohnt daher auf jeden Fall, sich ein Angebot für eine Umschuldung machen zu lassen, um zu sehen, ob der Frankenkredit noch nennenswerte Vorteile hat.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 220: Von Pressburg lernen, heißt siegen lernen

22. September 2011 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was anderswo alles möglich ist! Und weshalb wir wirklich viel öfter nach Osten schauen sollten.

Immer öfter werden nämlich die mittelosteuropäischen Reformstaaten zu Vorbildern. Dinge, die hierzulande keine Partei auch nur laut anzudenken wagt, passieren dort einfach: So haben die slowakischen Bahnen alleine heuer schon mehr als 3000 Mitarbeiter gekündigt. Und nächstes Jahr sollen 2000 weitere folgen. Dennoch dreht sich die Welt samt der Slowakei weiter – obwohl die Gekündigten nicht etwa in eine bequeme Frühpension abgeschoben worden sind, sondern sich zumindest zum größten Teil eine neue Arbeit suchen müssen. Dafür hat die Slowakei eine Staatsschuldenquote, die nur halb so groß ist wie die österreichische. Und dennoch ziert sie sich, ihr Geld bei der Griechenland-Hilfe zu verbrennen.

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Zeit für GO AHEAD!

21. September 2011 23:42 | Autor: Nikolaus Kimla
Rubrik: Gastkommentar

Es braucht mehr Unternehmertum und wieder mehr Freiheit und  weniger Gleichmacherei: Was jetzt Not tut, ist eine Anleitung zum neuen „Mindset“.

Immobilienkrise, Kirchenkrise, Politikkrise, Eurokrise, Managerkrise, Schuldenkrise: Man könnte die Liste endlos fortsetzen, mit einem Wort: Krisen haben Hochkonjunktur. Und es scheint kein Ende in Sicht. Unbestritten ist: Es läuft etwas schief in unserem Wirtschaftssystem. Vielen Bürgern stößt die Ahnungslosigkeit der Verantwortlichen unangenehm auf, an manchen Orten macht sich Panik breit und es dämmert vielen, das etwas faul ist im System. Doch was tun? Wen fragen? Unterschiedlicher könnten die Kommentare in den verschiedenen Medien gar nicht sein.

Die Problemverlagerung zu einer speziellen Gruppe könnte ein bekannter, doch in einer Sackgasse endender, Lösungsansatz sein. Einst war eine Volksgruppe der Sündenbock, heute ist es eine ökonomische Gruppierung. Dieser Ansatz ist zu einfach und nicht plausibel, denn das Problem liegt tiefer. Es liegt an unserer grundsätzlichen Einstellung, und dafür sind wir alle mitverantwortlich.

Wir sind in wesentlichen Bereichen unserer Gesellschaft mangelhaft oder gar falsch „geprägt“. Wenn es uns jetzt nicht gelingt, die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Irrtümer zu überwinden, wird die Krise kein beziehungsweise ein schreckliches Ende haben.

Es gibt immer die Möglichkeit zu Handeln, eine Tat zu setzen, die notwendige Umkehr anzutreten, Verantwortung zu übernehmen für die ungewisse Zukunft. Vier Ansatzpunkte könnten ein Anfang sein, um konkrete Schritte einzuleiten.

Go ahead: Gleichheit ist die Zwillingsschwester der Gerechtigkeit

Thomas Mann schrieb: „Freiheit ist die Zwillingsschwester der Verantwortung“, es ist ein gesellschaftlicher Irrtum dies auf die Gleichheit und Gerechtigkeit übertragen zu wollen. Den Grundgedanken eines gerechten Systems in der von der Politik gesteuerten Umverteilung zu verankern, ist zu einer der politischen Hauptantworten in der Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise geworden. Mit höheren beziehngsweise neuen Steuern will man die „Wohlhabenden“ und alle anderen treffen, denen Schuld an der Krise gegeben wird – und so Gerechtigkeit schaffen. Dass dies allen Ernstes Resonanz findet, hat nicht nur mit einer hochgezüchteten Neidkultur zu tun, sondern auch damit, dass uns jahrzehntelang eingebläut wurde, Gerechtigkeit sei eine Funktion der Gleichheit.

Je gleicher eine Gesellschaft – in der politischen Praxis übersetzt mit: je weniger wir den „Wohlhabenden“ lassen – desto gerechter ist die Gesellschaft. Gemessen am Gini-Koeffizient, der Gleichheit (der Einkommensverteilung der Staaten im Vergleich) misst, müssten wir in Österreich freilich in einem der gerechtesten Länder der Welt leben. Denn Österreich ist eines der am meisten umverteilenden Länder. Aber Gleichheit hat eben nicht viel mit Gerechtigkeit zu tun.

Warum eigentlich Gleichheit? Rahim Taghizadegan bringt dies auf den Punkt: „Die Gleichheit wurde zum zentralen Ideal unserer Zeit. Sogar das große Wort der Gerechtigkeit wird heute fast nur noch synonym mit Gleichheit verwendet. Ungleichheit gilt als Inbegriff der Ungerechtigkeit. Die willkürliche Ungleichbehandlung und damit schlechtere Behandlung einzelner Menschen oder Volksgruppen, bis hin zum Massenmord, gab der Ungleichheit einen schlechten Namen. Als einzig akzeptabler Gegenpol erschien dabei die Gleichheit. Dabei wird jedoch stets die gleiche Würde des Menschen mit gleichen Ergebnissen verwechselt. Schließlich ist es gerade die Achtung der gleichen Würde der Menschen, die Respekt vor deren Verschiedenheit gebietet.“

Der zentrale Wert für eine positive gesellschaftliche Entwicklung ist und bleibt jedenfalls die Freiheit. Sie braucht Vielfalt und nicht Gleichheit. Statt Ungleiches zwangsweise zu nivellieren, müssen wir einen produktiven, klugen gesellschaftlichen Umgang mit Ungleichheit finden. Ungleichheit bringt uns weiter. Denn aus der Ungleichheit speisen sich jene dynamischen Veränderungs- und Entwicklungsprozesse, die für Wachstum und Wohlstand unverzichtbar sind.

Die Ökonomen der Österreichischen Schule waren etwas realistischer in ihren Annahmen. Sie lassen sich nicht dadurch verwirren, dass der Mensch gleich an Würde ist (oder sein sollte), um daraus zu folgern, Menschen seien sich tatsächlich völlig gleich. Gerade unsere Unterschiede sind doch interessant und werten uns auf. Die berechtigte und lobenswerte Sorge um den Schwächeren hat in der Ökonomie oft zu Scheuklappen geführt.

Go ahead: „homo oeconomicus“ als Ausgangspunkt für Wirtschaftsdynamik

Julius Friedrich Gans von Ludassy war der erste Ökonom der den Begriff des „homo oeconomicus“ prägte, „um vor einer unrealistischen Volkwirtschaftslehre zu warnen die sich mit Scheinmenschen befasst“. Woher kam dieses Denken, das einen Scheinmenschen erschuf und ein Kunstobjekt kreierte? In der Menschheitsgeschichte erscheint nämlich der einzelne Mensch nicht ins Gewicht zu fallen.

Auch heute haben viele das Gefühl, einzeln kaum etwas bewegen zu können. Die Massengesellschaften unserer Zeit erwecken den Eindruck, wir wären alle bloß entbehrliche Zahnrädchen in einem großen Getriebe. Manche mögen sich nur noch als Mitläufer empfinden, doch diese Vorstellung ist eine selbsterfüllende Prophezeiung: Das Leugnen der Freiheit beseitigt auch ihre letzten Reste.“

Unserer – mit einer Sozialquote um die 30 Prozent äußerst sozialen – Marktwirtschaft ordnen ihre Kritiker gerne ein überaus fragwürdiges Menschenbild zu: Den gierigen, dummen und rücksichtslosen Ökonomie-Menschen. Wir sollten das nicht hinnehmen. Über Werthaltungen und Menschenbilder braucht es in der Tat eine breite Diskussion – und zwar eine, die realistische Muster zu bieten hat. Die Österreichische  Schule der Ökonomie kann dafür Orientierungspunkte bieten. Denn sie formuliert jenseits des viel beschworenen, aber nie realen „homo oeconomicus“ ein realistischeres Menschenbild. Sie versteht unter Ökonomie die Lehre vom menschlichen Handeln. Sie eröffnet einen humanen Zugang, der sich am persönlichen Handeln und den persönlichen Zielen des Menschen orientiert.

Der einzelne Mensch ist Ausgangspunkt. Das Handeln, als die konkrete Entscheidung zwischen gegebenen Möglichkeiten, ist Gegenstand ihrer Forschung.? „Handeln ist bewusstes Verhalten. Handeln ist Wollen, das sich in Tat und Wirken umsetzt und damit verwirklicht.?Handeln liegt in der Natur des Menschen und seiner Welt, Handeln- Müssen ist dem Menschen durch die Bedingungen, unter denen er lebt, vorgeschrieben“, so Ludwig von Mises.? Dieses Handeln manifestiert sich im Menschenbild des freien Unternehmers. Freies und eigenverantwortliches Unternehmertum zu fördern und zu fordern ist daher mehr denn je ein Gebot der Zukunft.

Zum freien Unternehmertum gehört auch ein verantwortungsvoller und ehrlicher Umgang mit dem Risiko – ganz im Sinn der Tugenden des traditionellen Kaufmannes, der weiß, dass sich große Geschäfte nicht mit kleinen Risiken machen lassen. Erfolgreiche Unternehmer sind alles andere als übermütig; meist sind sie sogar extrem vorsichtig – eben weil sie Eigenes aufs Spiel setzen. Vorsicht und Mut widersprechen sich nicht.

Mehr freies und eigenverantwortliches unternehmerisches Denken und Handeln in allen gesellschaftlichen Bereichen zu fördern und zu fordern ist wohl die wichtigste Lehre aus allen Krisen. Dies verstärkt zu propagieren und deutlich zu machen, liegt heute mehr denn je in der Verantwortung von Meinungsbildnern und Entscheidungsträgern. Nur eine realistische Einschätzung des Handelns von Menschen schafft Wachstum.

Go ahead: Konsumiere dich reich

Wir leben in einer „instant society“, die dazu erzogen wurde auf Knopfdruck jeden Wunsch erfüllt zu bekommen. Das lässt sich durch viele gesellschaftliche Bereiche hindurch beobachten. In kaum einem anderen Bereich hat es aber so gravierende Folgen wie in der boomenden Kreditwirtschaft. Was auch immer wir uns an materiellen Gütern wünschen: Der billige Kredit macht es möglich!. „In nur 10 Minuten zum Geld  – Herzenswunsch – in zehn Minuten erfüllt! Der Superschnell- Kredit. (Auszug  aus der neuen BAWAG P.S.K Werbung)“

Konsumieren auf Pump stand am Beginn der amerikanischen Finanzmarktkrise, und an der dahinter stehenden Mentalität hat sich nichts geändert. Sie prägt auch heute das politische Handeln. Die Ergebnisse werden nur dramatischer: Wir leben in einer unverantwortlichen Weise von den Schulden, die wir den nächsten Generationen aufbürden. Europa und die USA haben über Jahrzehnte über ihre Verhältnisse gelebt. Es ist absurd, aber wahr, dass die reichsten Staaten der Welt die meisten Schulden angehäuft haben.

Innerhalb der letzten 40 Jahre hat sich die österreichische Schuldenquote von 18,8 Prozent auf 72,3 Prozent fast vervierfacht. Die Zinszahlungen werden höchst wahrscheinlich bis zum Jahr 2015 auf über zehn Mrd. Euro ansteigen. Doch nicht nur die Staatsschulden plagen uns. Diese Haltung hat sich nahtlos auf den Bürger übertragen. Es gilt am sogenannten schönen Leben teilzuhaben, doch wer die Zeche zahlen wird? – meist der Schuldennehmer selbst am wenigsten; und die Banken unterstützen diese Grundhaltung.

Unsere Schulden, und hier schließt sich der Kreis zum Gleichheitsirrtum, sind das Ergebnis der hohen Umverteilung. Die Schulden, die Österreich jahrzehntelang auf den Finanzmärkten aufgenommen hat, wurden vor allem für Sozialleistungen und Förderungen verwendet. Für Zukunftsinvestitionen blieb und bleibt kein Geld mehr. Nach Berechnungen der Industriellenvereinigung sind die öffentlichen Ausgaben für Investitionen in Österreich in den vergangenen 35 Jahren um über zwei Prozentpunkte des BIP zurückgegangen, während die Ausgaben für Transfers im gleichen Zeitraum um fast neun Prozentpunkte des BIP anstiegen. Schulden machen eben nicht heute reich, sondern morgen arm. Haushaltspolitische Vorsicht darf nicht bestraft, sondern muss belohnt werden – von der ganzen Gesellschaft.

Go ahead: Vertraue dem System der Wohlstandsversorgung

Nicht nur die Schuldenberge, die der Staat verursacht, sollten uns davon abhalten, seinen Umfang und seine Aktivitäten in Frage zu stellen. Die Idee, dass „der Staat“ voll und ganz für die soziale Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger sorgt, hat ebenso wenig Zukunft, wie die individuelle Vorstellung, dass man sich in jeder Lebenslage auf den „Vater Staat“ verlassen kann. Staatsgläubigkeit macht abhängig.

Mathias Horx hat das „Angebot“ des Sozialstaats sehr klar charakterisiert: „Wenn es dir schlecht geht, musst du gar nichts tun. Du kannst dich vor den Fernseher setzen und beruhigt abwarten, bis die Konjunktur wieder anspringt und wieder ein „Arbeitsplatz“ zur Verfügung steht.“ Das funktioniert heute nur nicht mehr, es ist auch unsozial, Menschen das abzunehmen, was sie – gewiss mit Ausnahmen – selbst können: Aktiv und tätig zu werden, sich eine Arbeit zu suchen.

Der Sozialstaat muss Aktivität und Eigenverantwortung fördern, statt sie zu hemmen. Die Ökonomen der Österreichischen Schule sind anti-kapitalistisch, wenn damit die Ablehnung der herrschenden Unordnung gemeint ist, und dennoch dem anmaßenden Antikapitalismus unserer Tage abgeneigt. Denn seit den frühesten Anfängen der Moderne haben all die ahnungslosen Interventionen die Lage immer nur noch schlimmer gemacht.

Eben weil sich die Österreichische Schule des Moralismus enthält, überlasst sie es den Einzelnen, sich selbst zum Besseren zu verändern und anderen ein Vorbild zu sein, anstatt darauf zu warten, dass eine bessere Gesellschaft oder ein besserer Staat den neuen Menschen hervorbringt, wie ihn die Moralisten gerne hätten. Die ehemalige deutsche Grün-Politikerin Adrienne Goehler fragt zu Recht: „Ist denn das Soziale beim Staat überhaupt nur am Besten oder auch nur leidlich gut aufgehoben? Welche Bedingungen braucht es, damit das soziale Engagement vom Staat an die Gesellschaft zurückgegeben werden kann? Welche gesellschaftlichen Transformationen brauchen wir, damit das Subjekt von Verantwortung erkennbar wird, und wer sollen diese Subjekte sein?“

Um solche Fragen beantworten zu können, müssen wir umdenken, was unser mentales Verhältnis zum Staat betrifft: Staatlicher Interventionismus be- und verhindert vielfach die Freisetzung unternehmerischer Kraft für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Um sie muss es jedoch gehen. Die große Herausforderung liegt heute darin, eine Kultur der Freiheit zu entfesseln, die ihren Namen auch verdient. Wir müssen in jeder Hinsicht unternehmerischer werden, um Krisenresistenz zu gewinnen. Gelingt das nicht, sind dramatische ökonomische und soziale Verwerfungen vorprogrammiert.

Mag Nikolaus Kimla  ist Geschäftsführender Gesellschafter der uptime Systemlösungen GmbH und Initiator des „GO AHEAD business summit 11 – Die Kernschmelze des Finanzsystems.

All die in diesem Text angesprochenen  Ideen stehen im Zentrum dieses Kongresses am 30. September und 1. Oktober im Palais Niederösterreich (ausführliches Programm unter www.go-ahead.at/summit). Für Abonnenten des Tagebuchs gibt es unter exklusiven „2 für 1“-Bedingungen Zutritt zum Kongress: Bei Bezahlung der Kongressgebühr von 690 € plus USt kann eine zweite Person unentgeltlich mitgenommen werden. Anmeldungen für diese Aktion unter Verweis auf das Tagebuch-Abo bei Martha Neumeister (01 713 6180 13) m.neumeister@uptime.at.

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So beginnen normalerweise Witze: Fischer, Faymann und Spindelegger reisen zugleich nach Amerika

20. September 2011 00:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bundespräsident, Bundeskanzler und Vizekanzler reisen aber in allem Ernst gleichzeitig nach Amerika. Da hält man ja wirklich den Atem an, um was für ein weltbewegendes Ereignis es da gehen mag.

Nun, es ist die UNO-Generalversammlung, also eine Veranstaltung, die nur Diplomaten für wichtig halten, die ansonsten alljährlich weltweit Gähnen verursacht. Für Österreich hatte sie ungefähr in den Jahren der Südtirolresolutionen, also vor einem halben Jahrhundert zum letzten Mal Relevanz.

Daneben haben die Herren eine Reihe von – nun nicht gerade weltumwerfenden Terminen: Herr Faymann wird Herrn Schwarzenegger treffen (kaum dass er Udo Jürgens die Aufwartung gemacht hat); Herr Spindelegger wird einem österreichischen Starkoch einen Orden umhängen; Herr Fischer wird eine Ausstellung besuchen und dort den Begriff des Schönen kritisch hinterfragen (ehrlich, so steht es in der Meldung).

Ansonsten sind auch noch einige Politikertreffen auf dem Reiseplan der drei, freilich ist keines davon mit einem Vertreter der ersten Liga.

Am seltsamsten ist aber das von Heinz Fischer besuchte Meeting zum Kampf gegen die „neuen Seuchen“. Das klingt nun wirklich aufregend und einer Reise wert. Seien doch diese neuen Seuchen für zwei Drittel der Todesursachen verantwortlich. Was um Himmels willen sind denn diese neuen Seuchen, die wir noch gar nicht kennen? Nun, es sind Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs und chronische Lungenerkrankungen.

Schon einmal davon gehört? Ich habe. Zufällig sind all meine Vorfahren, deren Todesursache ich noch kenne, an ihnen verstorben und das durchwegs schon vor längerer Zeit (um genau zu sein, ein Urgroßvater nicht, der ist von einem knapp davor freigekommenen Strafgefangenen in dessen erstem Rausch erstochen worden, aber das ist wieder eine andere Geschichte, die nicht hierher gehört).

Das also sind die Neuentdeckungen der famosen UNO. Wenn sie weiter so rasch mit ihren Entdeckungen ist, wird die Weltorganisation bald erkennen, dass Autos heute schon gefährlichere Fahrzeuge sind als Pferdefuhrwerke und auch diesem Faktum eine Weltkonferenz widmen.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich sind diese Erkrankungen eine weltweite Geißel. Nur: Was können Fischer und eine UNO-Sonderkonferenz tun, um sie zu mildern? Das einzige, was am ehesten helfen würde, ist mehr Forschung. Aber die kurbelt man nicht über Staatenkonferenzen an, sondern indem man den Pharmakonzernen die Möglichkeit lässt, mit neuen Produkten auch Geld zu verdienen, auch wenn es unserem Neidreflex widerspricht. Genau diese Möglichkeiten haben aber viele Staaten unter dem Druck des linken Populismus eingeschränkt. Ohne die Möglichkeit zu weiteren Profiten verlieren die Konzerne jedoch die Motivation zu teuren Investitionen in die Forschung. Gelingt es doch höchstens bei einem Prozent der um viel Geld erforschten Präparate, alle Test-Hürden zu überwinden, bis sie endlich beim Patienten landen. Ohne Forschung gibt es aber keinen Erfolg gegen die Krankheiten.

Fischers Besuch in New York wird da natürlich gar nichts ändern. Da war sein vielbelächelte Vorvorvorvorgänger Franz Jonas noch effektiver bei der Bekämpfung von Herz-Kreislauferkrankungen. Der hat die Österreicher am Nationalfeiertag wenigstens immer zum Wandern aufgefordert.

Die Konferenz macht sich aber auch schon dadurch lächerlich, dass sie von „neuen“ Seuchen spricht. Neu ist da gar nichts – außer dass in etlichen Drittstaaten nicht mehr so viele Menschen an Unterernährung sterben, sodass logischerweise der Anteil der Opfer dieser klassischen Krankheiten steigt. Neu ist nur eines, nämlich dass es jetzt doch wieder erlaubt ist, diese Krankheiten ins Zentrum zu rücken. In den letzten Jahren hat ja die internationale Politik unter dem Druck der Schwulsein-ist-schön-Lobby nur eine einzige Krankheit für bekämpfenswert zu halten gewagt, nämlich Aids. Aber bis die linke Szene anstelle eines Aids- einmal den viel notwendigeren Krebsball veranstaltet, wird noch sehr viel Zeit vergehen . . .

 

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Spindeleggers Eigentor mit vollem Anlauf

19. September 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ist der ÖVP-Obmann von allen guten Geistern verlassen? Zwei linke Journalisten hat es in der Pressestunde zwar nicht erschüttert, aber umso mehr schockierte Michael Spindelegger bürgerliche Zuhörer, als er dort kurzerhand eine Erhöhung der Einkommensteuer vorgeschlagen hat.

Mehr braucht die Partei wohl nicht mehr, um wieder einen Stock an Wählern zu verlieren. Da kann man nur sagen: Bravo! Entweder hat sich Spindelegger verredet oder er verjuxt bewusst sein einziges derzeitiges Atout, das ihm die SPÖ mit ihren fast täglich neuen Steuerplänen in die Hände gespielt hat.

Spindelegger zufolge könnten nämlich in einem neuen Steuersystem jene, die "ganz viel" verdienen, einen Beitrag leisten. Das gehe nicht in Richtung Eigentum, sondern man könnte darüber reden, auch diejenige heranzuziehen, die besonders viel verdienen. Soweit der ÖVP-Chef.

Was bitte kann der Mann mit diesen Formulierungen anderes meinen als eine Erhöhung der Steuersätze für die Gutverdienenden? Und glaubt er nicht, dass diese mit 50 Prozent Einkommensteuer von all ihren Einkünften durchaus schon „herangezogen“ werden und einen ganz ordentlichen „Beitrag leisten“? Weiß er nicht, dass nach den ehernen Gesetzen der stillen Progression binnen weniger Jahre auch immer die nur  mittelgutverdienenden Steuerzahler zu den gutverdienenden aufschließen?  Weiß er nicht, dass beide Gruppen ja von den ihnen scheinbar verbleibenden 50 Prozent erst recht wieder Mehrwert- und viele andere Steuern zu zahlen haben? Hat er mitgekriegt, dass die englischen Konservativen gerade eine Senkung der Spitzensteuersätze diskutieren? Führt regelmäßiger Kontakt mit Werner Faymann schon beim zweiten ÖVP-Obmann zu geistigen Aussetzern? Müsste nicht ein ÖVP-Obmann, bevor er nur einmal von Steuererhöhungen redet, fünftausendmal „Hacklerregelung, ÖBB-Milliarden, Inseratenkorruption, Subventionsweltmeister Österreich, Studienzugangsregelung“ und vieles andere mehr sagen?

Für seine Partei ist dieser offensichtliche Kurswechsel – wenn er nicht baldigst korrigiert wird – jedenfalls viel zerstörerischer als der von etlichen Medien aufgeblasene Fauxpas der Maria Fekter, die offenbar die eiserne Regel der Political correctness nicht beherrscht: Man darf alles mit allem vergleichen, nur nichts mit dem Holocaust und dem Nationalsozialismus. Das weiß bei Rot und Grün auch der letzte Hinterbänkler. Sie heulen bei einem solchen Vergleich durch einen politischen Gegner sofort los und können so jedes Sachargument beiseiteschieben. Dass die Caritas da mitheult, ist angesichts deren politischer Positionierung als SPÖ-Vorfeldorganisation in den letzten Jahren auch nichts Neues.

PS.: Spindelegger kann angesichts dieses Ausrutschers noch froh sein, dass seine Pressestunde in einem der vier großen Bundesländer, nämlich der Steiermark, nicht zu sehen war. Dort war nämlich plötzlich eine konkurrierende regionale Pressestunde angesetzt. Das war freilich aus ORF-Warte ein ganz bewusster Bosheitsakt gegen ihn. Wetten, dass es beim nächsten TV-Auftritt des SPÖ-Vorsitzenden kein solches Aussteigen eines Bundeslandes geben wird? Menschen mit einem politischen Gedächtnis wissen, wie die ÖVP in ihren guten Zeiten bei einem vergleichbaren Affront protestiert hätte, als sie noch funktionierende Stäbe und Kabinette gehabt hat – bis hin zu einer Absage der Pressestunde durch den jeweiligen Parteiobmann. Denn wer sich einmal vorführen lässt, der wird immer wieder vorgeführt.

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Eigene Lohnrunden für Frauen?

17. September 2011 16:42 | Autor: Viktor Pölzl
Rubrik: Gastkommentar

Die jüngste Forderung von Wolfgang Katzian (Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten) nach eigenen Kollektivvertragslohnrunden der Sozialpartner zwecks zusätzlicher Lohnerhöhungen für Frauen begeistert Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek: Die Wirtschaft solle das nicht blockieren. Auch Frauenpolitikerinnen fast aller Parteien äußerten sich positiv. Wirtschaftskammerpräsident und Sozialpartner Christoph Leitl ist dagegen.

Kollektivverträge wurden bisher geschlechtsneutral abgeschlossen, ein Abgehen davon wäre natürlich diskriminierend. Sollten Arbeitsnehmer vom Arbeitgeber zu niedrig eingestuft worden sein, erhalten sie kostenlosen Rechtsbeistand. Hingegen werden Männer, die durch Abschläge (infolge des bis 2034 verlängerten unterschiedlichen gesetzlichen Pensionsantrittsalters, das beispielsweise wegen Berufsunfähigkeit oft nicht erreicht wird) bis zu 15 Prozent weniger Pension erhalten können, nur weil sie Männer sind, im Regen stehen gelassen: Bei der Arbeiterkammer bestätigt man allenfalls die Diskriminierung, schränkt aber gleich ein: „Sie werden niemanden finden, der das laut sagt. Männer sind viel geduldiger als Frauen."

Und solange sich Männer stillschweigend diskriminieren lassen, ohne Gleichberechtigung einzufordern, wird das Spiel auf Kosten der Männer (denen fortlaufend ein schlechtes Gewissen eingeredet wurde und wird, um sie ruhig zu stellen) wohl weitergehen. Verlässliche Verbündete der Feministinnen sind übrigens auch manche sogenannte Männerberatungsvereine, die von Subventionen abhängig sind.

Die wirklichen Hauptprobleme sind das Auseinanderdriften der Gehälter zwischen „oben" und „unten" sowie atypische Beschäftigungen. Hiezu fällt Gewerkschaft/Politikern noch zu wenig ein. Davon lässt sich mit Forderungen wie der von Wolfgang Katzian gut ablenken – und auch die Wirtschaftskammer hat kein Interesse, diese heiße Eisen anzugreifen.

Gerade die verstärkte Aufnahme von Frauen beispielsweise in den öffentlichen Dienst, der Ministerin Heinisch-Hosek untersteht, führt dazu, dass die Schere zwischen den durchschnittlichen Einkommen von Männern und Frauen im Staatsdienst  steigt (derzeit 16 Prozent), zumal die neu eingestellten Frauen natürlich weniger Vordienstzeiten aufweisen. Und in der freien Wirtschaft, in der das Leistungsprinzip zählt (man mag dazu stehen wie man will), wird nicht nur auf gleiche Tätigkeit/Anwesenheitsdauer im Betrieb geschaut, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit/Bereitschaft zu Überstunden und zur Selbstausbeutung.

Diese ist bei Männern größer, da ihr Selbstwertgefühl besonders von ihrer Arbeit abhängt. Das ist bedauerlich, aber sie stehen auch unter dem Druck der Familie/von Frauen, die häufig noch immer erwarten, versorgt zu werden. Männer sind auch bei den Pendlern in der Überzahl, wobei Kosten dafür und die Stunden, die sie verpendeln, aus den Einkommensstatistiken wohlweislich ausgeklammert werden.

Viktor Pölzl ist Obmann des 2010 gegründeten überparteilichen Vereins Freimann mit Sitz in Graz, der sich bundesweit für Gleichberechtigung auch der Männer einsetzt.

www.freimann.at

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Rätsel gelöst

16. September 2011 20:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Viele blitzgescheite Leute
– oder etwa dumme auch? –
folgen fast fanatisch heute
einem kuriosen Brauch.

Nämlich alles abzukürzen –
in der Überzeugung meist,
Sprache solcherart zu würzen,
zu bereichern, wie es heißt.

Einer steht bei solchem Motto
aber jeweils da verdutzt –
der Normalverbraucher Otto,
selber auf O.N. gestutzt!

Grade hört er allerorten
ESM – und was das sei
in Normalverbraucherworten,
rätselt deshalb er dabei.

Also mal am Stammtisch fragen –
nun, das E führt bald zum Schluss,
dass es sich in unsern Tagen
um den Euro drehen muss.

Mit SM ist’s nicht so simpel –
hat’s mit Handy was zu tun?
Dient’s vielleicht zum Fang der Gimpel?
Ist dagegen wer immun?

Einer kann SM erklären
und sogar noch haargenau,
schaut er ja in allen Ehren
irgendein Bezahl-TV!

Nun kapiert man in dem Kreise
diesen ESM fürwahr –
und in lapidarer Weise
wird die eigne Rolle klar:

Trotz notorisch leerer Kassen
zahlen wir in dem Verein,
um missbrauchen uns zu lassen
und beschimpfen obendrein!

Nationaler Masochismus
– schließt am Heimweg Otto scharf –
ist wohl auch der einzge Ismus,
welcher national sein darf…

Pannonicus 

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SN-Kontroverse: Vermögen und Steuern

16. September 2011 10:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll in Österreich das Vermögen höher besteuert werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Hört auf die Superreichen!

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Österreich ist ein reiches Land für wenige. Österreich ist ein ungerechtes Land für viele. Während über zwei Drittel der österreichischen Haushalte über kein nennenswertes Geldvermögen verfügen, haben die obersten zehn (!) Prozent einen Anteil von 54 Prozent (!) am gesamten Geldvermögen. Das entspricht rund 238 Milliarden Euro.

Noch krasser schaut es bei der Beteiligung an Unternehmen aus: Rund 100.000 Personen besitzen Unternehmensbeteiligungen im Wert von 18,6 Mrd. Euro. Wobei die Top-1-Prozent dieser kleinen Gruppe - also 100 Personen -- Unternehmensanteile im Wert von 7,2 Mrd. Euro (38,7 Prozent) halten. Bei den Immobilien, die einen Wert von rund 880 Mrd. Euro ausmachen, verfügt das reichste obere Fünftel über mehr als drei Viertel, während 40 Prozent der Bevölkerung keine Immobilien besitzen. Österreich ist ein Steuerparadies für wenige. Österreich ist ein Hochsteuerland für viele. Aus Vermögenssteuern holt sich der Staat gerade einmal 1,4 Prozent seiner Steuereinnahmen, aber von den Arbeitnehmern und Konsumenten gut zwei Drittel. Das ist eine Schieflage, die zwangsläufig zu groben sozialen Verwerfungen führt. Würde man in Österreich die Einnahmen aus Vermögenssteuern auf die Höhe des EU-Durchschnitts von 5,4 Prozent anheben, kämen vier Milliarden Euro ins Budget. Damit könnte viel geholfen werden.

Selbst Superreiche wie etwa Ferdinand Piëch, Dietrich Mateschitz oder Hans Peter Haselsteiner warnen vor der Schieflage und treten für höhere Vermögenssteuer ein. Es könne nicht sein, dass aufgrund der Staatsverschuldung Sozialleistungen im großen Ausmaß gestrichen werden, während die Reichen einen sehr geringen Teil zum Steueraufkommen und damit zur Absicherung des Sozialstaats beitragen. Hört auf die Superreichen und schafft Steuergerechtigkeit!


Der Griff der grenzenlosen Gier

Andreas Unterberger

 

Diese Forderung von Rot-Grün zielt voll auf unseren Unterleib. Wer mag sie schon, die Superreichen, die wir zwar nur aus Illustrierten kennen, die aber bekanntlich wie Dagobert Duck im Geld baden!

Seriös diskutieren ließe sich erst, wenn die linken Populisten endlich sagen, was sie denn genau besteuern wollen. Das haben sie aber bis heute nicht getan. Denn dann würde sich herausstellen, dass da wenig überbliebe, vielleicht sogar ein Verlust. Das Geld auf der Bank? Das ist längst mit der KESt vulgo Sparbuchsteuer voll besteuert und fließt im Ernstfall schneller über die Grenzen, als die Abgeordneten aufstehen. Schmuck, Pelze, Sparstrümpfe? Die hat Werner Faymann schon ausgenommen (und der Mann ist doch seriös, oder?). Kunstwerke? Da wird die Kulturszene, deren Produkte dann kaum noch jemand kaufen wird, so laut protestieren, dass sich Rot und Grün bald erinnern, dass man diese Szene als Wahlkampfhelfer braucht.

Bleibt erstens das Betriebsvermögen, das ja vor der Abschaffung der Vermögenssteuer rund 90 Prozent der Erträge gebracht hat. Dessen Besteuerung wäre aber gar nicht gut für die Arbeitsplätze und andere Steuereinnahmen, wie jetzt auch Sozialdemokraten langsam erkennen. Bleibt zweitens Grund und Boden. Verschont man betriebliche Grundstücke, sind das die Häuslbauer. Die vom Staat unabhängigen Schlossbesitzer sind anders als im SPÖ-Schauermärchen recht selten. Die Einfamilienhausbesitzer werden staunen, wenn sie sich als jene Superreichen erkennen, von denen die SPÖ jährlich (!) mehr Geld eintreiben will, als Österreich bisher bei der Griechenlandhilfe verbrannt hat. Als Alternative ist nur denkbar, was den Herren Lacina und Fischer schon herausgerutscht ist: ein neuerlicher Raubzug auf Löhne und Einkommen der Leistungsträger. 50 Prozent sind ihnen in ihr grenzenlosen Ausgabengier nämlich noch immer zu wenig ...

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Mehr Gleichheit!

15. September 2011 22:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

An wirtschaftsfeindlichen Utopien hat es österreichischen Gewerkschafter noch nie gemangelt. Apparatschiki wie Wolfgang Katzian, seines Zeichens Chef der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), der seit Jahrzehnten keinen Betrieb von innen gesehen hat, und seine Bundesgeschäftsführerin Dwora Stein, die sofort nach Abschluss ihres Orchideenstudiums den Weg in die geschützte Werkstätte gefunden und niemals produktiv gearbeitet hat, werden nicht ruhen, ehe nicht die letzten Reste von Vertragsfreiheit im Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beseitigt sind.

Eben wurde von den beiden, die sich als maßgebliche Protagonisten im Klassen- und Geschlechterkampf verstehen, eine besonders skurrile Schnapsidee präsentiert: Um einem als dringend erkannten Bedürfnis abzuhelfen – angeblich verdienen Frauen untragbar wenig – sollen diese im Rahmen der jährlich stattfindenden Kollektivvertragsverhandlungen besonders berücksichtigt werden, indem ihre Löhne und Gehälter stärker angehoben werden als jene der Männer.

Die Forderung fußt auf dem Dogma, dass Ergebnisgleichheit „gerecht“ ist, nicht aber die Gleichheit vor dem Gesetz. Der Gedanke, dass unterschiedliche Begabungen, Leistungen oder Verhandlungsgeschick unterschiedliche Einkommen begründen können, und zwar nicht nur im geschlechterübergreifenden Vergleich, hat im begrenzten Vorstellungsvermögen von Gewerkschaftern keinen Platz. Dass der Gleichheitsfuror sich ausschließlich aufs Materielle – die Entlohnung – richtet, alle anderen ein Beschäftigungsverhältnis bestimmenden Aspekte aber ignoriert, zeigt die erschreckende Beschränktheit ihres Denkens.

Die Gewerkschaft hat sich ganz offensichtlich den Kampf zur Rückkehr von der Vertrags- zur Statusgesellschaft auf ihre Fahnen geschrieben. Die für den allgemeinen Wohlstand entscheidende „Durchlässigkeit“ der Gesellschaft soll beseitigt werden. Nicht mehr Fähigkeit, Bereitschaft und Willen etwas zu tun, wird damit zur ersten Voraussetzung für den persönlichen Erfolg, sondern die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kollektiv. Nicht mehr das Wohl des Ganzen steht im Zentrum des Politischen, sondern das einzelner Fraktionen – der Behinderten, ethnischer Minderheiten, oder eben das der Frauen. Ein verheerender Rückfall in längst überwunden geglaubtes Denken.

Wie die GPA sich den Umgang mit jenen Betrieben vorstellt, in denen die Istlöhne von Frauen und Männern längst angeglichen sind, bleibt ein Geheimnis. Sollte es zur Umsetzung dieser (verfassungswidrigen?) Benachteiligung männlicher Arbeitnehmer kommen, sind die Folgen, wie man sich anhand verschiedener Beispiele aus dem wirklichen Leben ausmalen kann, absehbar: So haben etwa ältere Dienstnehmer – dank ihrer hohen arbeitsrechtlicher Absicherung – im Falle eines Jobverlustes auf dem Arbeitsmarkt so gut wie keine Chance. Der intendierte Zweck wird nicht nur nicht erreicht, sondern das heiße Bemühen erweist sich gar als schädlich für die zu Schützenden (was auch für Behinderte gilt, die für den Arbeitgeber faktisch unkündbar sind). Wer drin ist, darf sich freuen, wer draußen ist, hat Pech gehabt.

Vor Einstellungsentscheidungen stehende Unternehmer, deren Interesse sich auf die Erfüllung ihres Unternehmenszwecks richtet, nicht aber auf die Umsetzung linker Gesellschaftspolitik, werden künftig möglicherweise geneigt sein, eher Männer als Frauen zu engagieren. Das wiederum wird der Politik nicht gefallen, was sie in einem nächsten Schritt wohl dazu veranlassen wird, den Unternehmen fixe Frauenquoten vorzuschreiben. Eine klassische Interventionsspirale. So könnte beispielsweise die Erteilung von Gewerbeberechtigungen nach einem „Genderschlüssel“ erfolgen – zumindest, solange mehr Männer als Frauen die Selbständigkeit anstreben. Als nächstes könnte die zwangsweise Schließung von Unternehmen, die nicht gendergerecht kooperieren, ins Auge gefasst werden. Totalitären Phantasien sind kaum Grenzen gesetzt.

Zusammen mit anderen Regulativen, restriktiven Arbeitszeitregelungen, lähmenden Gewerbevorschriften, kostspieligen Umweltauflagen, etc., sowie drückenden Steuerlasten, kommt es schrittweise zu einer vollständigen Knebelung vormals freier Unternehmer durch die Politik und die von ihr protegierten Gewerkschaften. Viel mehr als das formale Eigentum an den Betriebsmitteln – und natürlich das volle unternehmerische Risiko! – wird am Ende nicht übrigbleiben. Das nationalsozialistische Deutschland hat bereits anschaulich vorexerziert, wie man eine perfekte Planwirtschaft aufzieht, ohne privates Unternehmertum zu eliminieren. Sieht so das von der GPA angepeilte Ziel aus?

Die Vorstellung, wonach Löhne und Gehälter willkürlich festgelegt und den Betrieben – ohne Ansehen deren wirtschaftlicher Lage – oktroyiert werden können, ohne Schaden anzurichten, ist vernunftwidrig. Dass ausgerechnet jene wirtschaftsfernen Bürokraten, die in Parlamenten und Gewerkschaften das große Wort führen, über jenes Wissen verfügen sollten, das notwendig ist, um ökonomisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen, ist eine in grotesker Weise abwegige Erwartung.

Bislang ist immerhin noch niemand auf die Idee gekommen, den Betrieben Mindestgewinne oder Mindestausschüttungen vorzuschreiben. Denn auch betriebswirtschaftlich unbedarften Zeitgenossen leuchtet ein, dass der keineswegs garantierte unternehmerische Erfolg eine entscheidende Voraussetzung dafür bildet. Weshalb dann aber Mindestlöhne oder Lohnerhöhungen unabhängig vom Unternehmenserfolg, zentralbürokratisch und kollektiv zu verordnen sein sollen, ohne damit negative Folgen für die Beschäftigungssituation auszulösen, liegt im Dunkeln.

Die GPA und jene gar nicht wenigen Politiker, die sich umgehend hinter deren unbedachte Forderung nach Sonderlohnrunden für Frauen gestellt haben, tun den unselbständig erwerbstätigen Frauen keinen Gefallen. Denn es ist zwar durchaus möglich, Naturgesetze zu ignorieren; bei den Konsequenzen dieser Torheit ist es allerdings unmöglich. Wer gegen fundamentale Regeln der Ökonomie verstößt, und die absolut willkürliche Festlegung von Lohnerhöhungen für Frauen ist ein solcher Verstoß, wird erleben, dass daraufhin ebenso unerwartete wie unerwünschte Nebenwirkungen eintreten werden.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Warum die Linke doch nicht recht hat

15. September 2011 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war ein typisches Sommerthema auf den sogenannten Feuilleton-Seiten, also jenen Zeitungsteilen, wo Kraut und Rüben bunt gemischt von solchen Autoren dargeboten werden, die weder von Kraut noch von Rüben eine Ahnung haben. Diesem Prinzip folgend hat Herausgeber Frank Schirrmacher in der angesehenen Frankfurter Allgemeinen die These vertreten: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat.“ Das wurde sofort von vielen Feuilletonisten weiterkolportiert.

Dabei wurde ignoriert, dass der umtriebige Schirrmacher nur einer von fünf FAZ-Herausgebern ist, dass er weder für Wirtschaft noch Politik formale oder meritorische Kompetenz hat, und dass kein einziger seiner wirtschaftskundigen Kollegen seinen krausen Theorien gefolgt ist. Er kann sich lediglich auf den konservativen britischen Journalisten Charles Moore beziehen.

Die Kernthese der beiden ist in Wahrheit genau das, was ordnungsliberale Ökonomen als Moral hazard tadeln – immer schon und erst recht in der jüngsten Krise. Die Großen, also viele Banken, die vorher viel Geld verdient hatten, wurden in der Krise um das Geld der kleinen Leute gerettet. Das ist in der Tat zutiefst ungerecht. Insoweit haben die ökonomisierenden Feuilletonisten recht.

Völlig falsch ist aber die Behauptung, dass solche Rettungsaktionen Teil einer freien Marktwirtschaft wären. Ganz im Gegenteil. Die Bankenrettungen wurden von allen linken wie konservativen Parteien unterstützt, lediglich einige ordoliberale Politiker (etwa am Rand von FDP und CSU in Deutschland oder bei den US-Republikanern) haben dagegen protestiert.

Denn es ist ja geradezu Kern jeder liberalen Ordnungspolitik, dass ein Unternehmen, das bankrott ist, auch in Konkurs gehen soll. Der Konkurs ist die Gesundheitspolizei jeder funktionierenden Marktwirtschaft. Die Idee, dass beispielsweise eine Bank nicht in Konkurs gehen dürfe, ist einem Ordoliberalen total fremd. Sie ist einzig und allein in der Politik entstanden.

Diese fürchtete einen Domino-Effekt und hat daher viele Banken gerettet. Das aber erkennen heute auch über den harten Kern der Ordoliberalen hinaus immer mehr als fatalen Fehler. Denn die Rettungsaktionen waren zwar kurzfristig eindeutig schmerzlindernd – für andere Banken, für die Realwirtschaft, für den sogenannten Kleinen Mann. Langfristig sind dadurch aber nun viel größere Dominosteine bedroht, die niemand mehr retten kann: nämlich ganze Staaten und die zwei größten Währungen der Welt.

Die ahnungsarmen Kritiker der Marktwirtschaft übersehen noch ein weiteres: Auch am Beginn der Krise stand nicht der Markt, sondern falsche Interventionen der Politik in die Wirtschaft. Der populistisch motivierte Druck der US-Regierung auf die Banken, auch arbeits- und vermögenslosen Amerikanern Kredite zum Hauskauf einzuräumen, hat zwar zuerst eine Blase ausgelöst und Wählerstimmen eingebracht, dann aber mit dem unvermeidlichen Platzen der Blase die Krise ausgelöst.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Endspiel um Griechenland

13. September 2011 23:42 | Autor: Klaus R. Kastner
Rubrik: Gastkommentar

Das Endspiel hat begonnen. Selbst wenn Griechenland die Auszahlung der nächsten Tranche aus Paket I schafft und selbst wenn Paket II bewilligt wird, kann es die Vorgaben von EU und IWF auf Dauer nicht erfüllen, weil seine Wirtschaft darnieder liegt und weil noch keinerlei Maßnahmen erkennbar sind (weder seitens Griechenlands noch seitens der EU), wie man die Wirtschaft wieder in Gang bringen möchte.

Es fehlt ein industriepolitischer Entwicklungsplan, wie man eine Volkswirtschaft von einer verkrusteten und korrupten Freunderlwirtschaft in eine wertschöpfende Marktwirtschaft „drehen“ kann. Das ist kein Projekt für ein paar Monate oder zwei bis drei Jahre; das ist ein Generationenprojekt und muss entsprechend langfristig angelegt werden.

Volkswirtschaftler haben errechnet, dass Griechenland seit Einführung des Euro gegenüber Deutschland um circa vierzig Prozent teurer geworden ist. Die internationale Kaufkraft des griechischen Euro ist jedoch dieselbe geblieben wie jene des deutschen Euro. Somit hat Griechenland Produkte und Dienstleistungen in dramatischen Dimensionen im Ausland gekauft, statt sie selbst herzustellen. Die griechische Wirtschaft hatte ihr Geschäftsmodell schon vor Beginn der Finanzkrise verloren: Mit achtzig Prozent Dienstleistungen wurde sie eine Zombie-Wirtschaft, wo man sich gegenseitig Souvlaki zu erhöhten Preisen verkaufte und mit Geld, das man sich im Ausland borgte, bezahlte.

Von 2001-10 importierte Griechenland 446 Mrd. EUR und exportierte nur 146 Mrd. EUR. Trotz Rezession (sinkende Importe; sogar steigende Exporte) decken Exporte nach wie vor nur 40-45 Prozent der Importe (in den USA sind es 78 Prozent in Italien sogar 93 Prozent). Das Leistungsbilanzdefizit summierte sich in diesem Zeitraum auf 199 Mrd. EUR! Dieser Luxus der Wirtschaft wurde mit den Spareinlagen anderer Länder finanziert.

Von 2001-10 sind Griechenlands Auslandsschulden von 121 Mrd. EUR auf 409 Mrd. EUR gestiegen; das ist eine Netto-Erhöhung um 288 Mrd. EUR! Ganz wesentlich ist aber, dass die Auslandsschulden des Privatsektors (212 Mrd. EUR) höher sind als jene des Staates (187 Mrd. EUR). Selbst wenn man Griechenland alle seine Staatsschulden erlassen würde und wenn der Haushalt ausgeglichen werden könnte, wäre das Problem der Wirtschaft nicht gelöst.

Die griechische Wirtschaft „verbrennt“ Geld. Als Leistungsbilanzdefizit werden heuer mindestens 25 Mrd. EUR aus dem Bankensektor abfließen. Dazu kommt noch die Kapitalflucht von weiteren 25 Mrd. EUR (inoffizielle Schätzung). Bisher hat die EZB dieses „Loch“ im Bankensektor gefüllt. Man führe sich vor Augen, dass die EZB Steuerzahlergeld nach Griechenland schickt, damit wohlhabende Griechen ihr eigenes Geld – ganz legal via Bankkonten – ins Ausland überweisen können und damit die Wirtschaft massiv importieren kann, statt Produkte selbst herzustellen! Wie lange wird die EZB das noch machen können? – Derzeit hat sie bereits geschätzte 100 Mrd. EUR an den griechischen Bankensektor verliehen!

Griechenland ist zwar kein Fass ohne Boden, jedoch ein Fass mit drei großen Löchern: Haushaltsdefizit, Leistungsbilanzdefizit und Kapitalflucht. Beim Haushaltsdefizit wurden bereits (an und für sich sehr beeindruckende) Maßnahmen umgesetzt, aber viel ist noch zu tun. Solange man aber nicht das Leistungsbilanzdefizit und die Kapitalflucht in den Griff bekommt, hat Griechenland keine Chance.

Ein industriepolitischer Entwicklungsplan muss darauf abstellen, dass das Leistungsbilanzdefizit reduziert und dass die Kapitalflucht gestoppt wird. Von Exporten ist keine rasante Steigerung zu erwarten, weil Griechenland (noch) nicht sehr viel zum Exportieren hat. Auch die Einkünfte aus dem Tourismus wird man nicht rasant steigern könnten, weil sie bereits hoch sind und weil Griechenland – objektiv betrachtet – auch hier nicht wirklich wettbewerbsfähig ist (der griechische Tourismus lebt vom Kult).

Somit verbleiben als letzte Stellschrauben nur mehr Importe und Kapitalflucht, diese beiden stellen jedoch ganz große Stellschrauben dar. Importe müssen drastisch eingedämmt und soweit wie möglich mit Inlandsproduktionen substituiert werden. Und die offizielle Kapitalflucht via Bankkonten muss ganz einfach gestoppt werden.

Zurück zur Drachme?

Würde Griechenland Euroland verlassen und zur Drachme zurückkehren, dann würde all dies von selbst geschehen und zwar rasch: die neue Drachme würde 30-40 Prozent abwerten (mindestens!) und die Importe (und zwar alle Importe!) würden analog teurer werden. Kapitalflucht via Bankkonten gäbe es keine, weil dem Bankensektor die notwendigen Devisen fehlen würden. Ein Euro-Austritt – noch dazu ein ungeordneter – wäre jedoch im jetzigen Chaos wohl das größte von allen Übeln. Außerdem würden die Finanzvermögen der Griechen über Nacht um 30-40 Prozent entwertet werden. Bye, bye sozialer Friede!

Wenn ein Euro-Austritt das größte von allen Übeln ist und wenn Griechenland es mit der jetzigen Euro-Struktur nicht schaffen kann, dann muss Griechenland mit dem Euro – zumindest vorübergehend – eine Situation simulieren, als wäre es zur Drachme zurückgekehrt!

Vorübergehende Maßnahmen: Sonderabgaben auf Importe, die die Importe insgesamt um 30-40 Prozent verteuern (allerdings gestaffelt nach Priorität; z. B. null Prozent für lebenswichtige Güter und 100 Prozent für Luxusgüter); selektive Freihandelszonen, wo international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit neue Produktionen für die Importsubstitution aufgebaut werden können; und Kapitalkontrollen.

Damit würde man EU-Verträge verletzen (freier Güter-/Kapitalverkehr), aber Verträge kann man – vor allem vorübergehend – ändern. Ein Notstand erfordert Notstandsgesetze. Es ist für die EU allemal vorteilhafter, vorübergehende Ausnahmeregeln zu bewilligen, damit sich Griechenland in eine wertschöpfende Wirtschaft entwickeln kann, statt Steuerzahlergeld nach Griechenland zu schicken, um eine Zombie-Wirtschaft am Leben zu erhalten.

Ein neues Investitionsgesetz im Verfassungsrang muss gemacht werden, das dem Investor alle jene international wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen zusichert, die er sich wünscht. Die EU sollte dieses Gesetz garantieren, damit die Investoren kein politisches Risiko tragen müssen.

Der Investor findet ein wirtschaftliches Nirwana vor: er kann wettbewerbsfähig produzieren und er hat bereits einen Absatzmarkt. Und Sicherheit hat er auch.

Vermögende Griechen verfügen über Hunderte Mrd. EUR auf Bankkonten im Ausland. Das neue Investitionsgesetz muss darauf zielen, dass zumindest ein Teil dieser Gelder freiwillig nach Griechenland für Investitionen fließt. Griechen sind gute Geschäftsleute und erkennen Geschäftsmöglichkeiten rasch. Warum sollten vermögende Griechen in der Schweiz zwei Prozent verdienen wollen, wenn sie mit Investitionen in Griechenland bei gleicher Sicherheit ein Vielfaches davon verdienen könnten?

Warum selektive Freihandelszonen und nicht gleich das ganze Land? Weil man die ganze Wirtschaft eines Landes nicht auf einmal von A-Z umstrukturieren kann; das ergäbe eine Revolution. Stattdessen muss man hoffen, dass die Freihandelszonen gut funktionieren und dass im Zuge der Jahre die dortigen Rahmenbedingungen auf den Rest der Wirtschaft abfärben.

Oberste Priorität müsste sein, dass die Geschäftsgebarung in diesen Freihandelszonen absolut korrekt ist. Sollte sich auch dort das „griechische Wesen“ durchsetzen (Steuerhinterziehung, Korruption), dann müsste man das Projekt von Anfang an als gescheitert betrachten. Begleitmaßnahmen (anerkannte Wirtschaftsprüfer; möglicherweise sogar EU-Inspektionen) müssten gewährleisten, dass das griechische Wesen nicht Einzug halten kann.

Das große Risiko bei Importkontrollen ist, dass dieser Schutz vom Inlandshersteller missbraucht wird. Angenommen, eine importierte Zahnpastatube kostet einen Euro und die neuen Rahmenbedingungen in den Freihandelszonen ermöglichen es dem Investor, zu diesem Preis profitabel zu wirtschaften. Nehmen wir weiter an, dass die Sonderabgaben für importierte Zahnpastatuben vorübergehend mit 100 Prozent festgelegt werden, damit der Investor sein Geschäft aufbauen kann. Somit würde die importierte Zahnpastatube zwei Euro kosten. Die Gefahr ist, dass der gewitzte griechische Unternehmer dann seine Zahnpastatube um 1,99 EUR verkauft.

So kann das nicht funktionieren! Die Freihandelszonen haben zum Ziel, dass in Griechenland eine nachhaltige Inlandswertschöpfung aufgebaut werden kann. Sie sind nicht dazu da, dass ein gewitzter Unternehmer wettbewerbsfähig produzieren und zum doppelten Preis verkaufen kann. Die Benchmark muss immer der internationale Preis sein.

All das klingt stark nach Planwirtschaft, ist es aber nicht. Es hängt von der Gestaltung des Investitionsgesetzes ab, dass es keine Planwirtschaft wird. Wenn das Gesetz dem Investor ein interessantes Verhältnis Risiko/Ertrag gewährleistet, dann wird der Investor von selbst kommen.

Vorbilder in Lateinamerika

Chile hatte Ende der 1970er Jahre gezeigt, dass ein gutes Investitionsgesetz eine vormalige kommunistische Planwirtschaft in kürzester Zeit zum „Darling“ von internationalen Investoren „drehen“ kann. Warum sollte das Griechenland nicht auch gelingen? Argentinien hat in den letzten Jahrzehnten mehrere Stabilitätspläne gemacht, die dann auch jeweils eine Zeit lang funktionierten. Auslandsvermögen kamen immer rasch ins Land zurück und beschleunigten die Erholung. Beim Auftauchen der ersten Wolken am Wirtschaftshimmel verflüchtigten sie sich wieder. Der „Trick“, den Griechenland schaffen muss, ist, dass die Auslandsvermögen der Griechen nachhaltig im Land bleiben.

Die Regierung muss dafür sorgen, dass zahlreiche Investitionsmöglichkeiten – mit Business Plänen – ausgeschrieben werden. Wenn von geschickter PR-Arbeit begleitet, könnte es sogar gelingen, dass ein „Run“ auf diese Investitionsmöglichkeiten entsteht (nach dem Motto: „treten wir ein, bevor die Türe wieder zugemacht wird“).

Das griechische Staatsschuldenproblem wurde hier bewusst nicht angesprochen, weil es im Vergleich das einfachere Problem ist. Das Staatsschuldenproblem kann man mit ein paar Hundert Leuten in einem Konferenzsaal lösen (solange sich alle einigen). Einen industriepolitischen Entwicklungsplan zu erarbeiten und erfolgreich umzusetzen, das erfordert die besten Köpfe nicht nur Griechenlands, sondern von ganz Europa.

Wenn es aber einmal einen industriepolitischen Entwicklungsplan gibt, dann ist das Staatsschuldenproblem wesentlich einfacher zu lösen, weil die Geldgeber die Hoffnung haben dürfen, dass es doch wieder Licht am Ende des Tunnels geben könnte.

Klaus R. Kastner

Vier Jahrzehnte Bankmanagement in sechs Ländern (Österreich, Deutschland, England, USA, Chile, Argentinien), davon 1980-87 in Chile/Argentinien als Country Manager vor Ort einer der größten amerikanischen Gläubigerbanken; Studien an Harvard und INSEAD; derzeit in Griechenland tätig.

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Wie man den Euro noch retten könnte

13. September 2011 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Dass nun schon der zweite führende Mann in der Europäischen Zentralbank seinen Posten hingeschmissen hat, ist wohl mehr als geeignet, Panik und Furcht um unser Geld und um Europa zu entfachen. Die diversen politischen Beschwichtigungsversuche verlieren endgültig ihre Glaubwürdigkeit, ebenso wie die hinterhältige Strategie, jeden Kritiker der EZB-Politik entweder als hoffnungslosen Hinterwäldler oder gar als Rechtsradikalen zu denunzieren.

Seit eineinhalb Jahren druckt die EZB de facto ungedeckt Geld, um das konkursreife Griechenland zu retten. Sie lässt sich auch jetzt nicht von einer Fortsetzung dieser Praxis abbringen, obwohl alle nach Athen entsandten internationalen Inspektoren einig sind, dass die Griechen ihre Sanierungspolitik nur halbherzig betreiben und null Aussicht auf Sanierung besteht. Es wird weder ausreichend gespart noch zügig privatisiert.

Der Euro entpuppt sich immer mehr als Konstruktion, mit deren Hilfe vor allem die Mittelmeerstaaten ihre Schuldenwirtschaft über ein Jahrzehnt lang völlig ungestraft fortsetzen konnten. Und auch jetzt bleibt die Strafe aus, obwohl die Gläubiger jedes Vertrauen in die Zahlungskraft jener Staaten zu verlieren beginnen. Selbst wenn derzeit Portugal und Griechenland im Zentrum stehen, ist der Hauptschuldige Frankreich. Denn nur Paris war immer wieder imstande, die (sich vor der Nazikeule fürchtenden) Deutschen auf diesen halsbrecherischen Kurs zu zwingen. Und niemand anderer als die Franzosen stellen sowohl den EZB- wie auch den IWF-Präsidenten, haben aber selbst eine mehr als ungesunde Finanzpolitik.

Die beiden deutschen Rücktritte aus der EZB sind nun ein wichtiges Signal, dass in Deutschland ein Umdenken auf breiter Front eingesetzt hat. Gewiss erfolgt das eineinhalb Jahre zu spät und ist etliche Hunderte sinnlos eingesetzte Milliarden teurer, als hätte man gleich den Griechen ein konsequentes Nein gesagt. Aber immer gilt: Besser spät als gar nicht.

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble waren bei Ausbruch der Schuldenkrise ganz offenbar überrascht und überfordert, aber Schritt für Schritt haben sie sich den Realitäten und einem besseren Verständnis für ökonomische Zusammenhänge angenähert. Freilich müssen sie unbedingt noch etliche Schritte auf diesem Weg gehen. Der deutsche Bundespräsident Wulff etwa hat die beiden mit seiner überdeutlichen Absage an weitere Schulden jedenfalls schon weit überholt.

Auch in einigen anderen Staaten, die noch(!) die AAA-Kreditwürdigkeit haben, hat der Blick in das europäische Fass ohne Boden scharfe Abwehrreaktionen ausgelöst. Das gilt für die Niederlande und Finnland (auch unter dem Druck erfolgreicher Rechtsparteien). Das gilt nicht für Luxemburg (das ob seiner eigenen Kleinheit und seines Reichtums immer auf der sicheren Seite ist).

Und das gilt auch nicht für Österreich. Hier ist das Fehlen jeder kritischen Debatte der europäischen Schuldendiskussion geradezu erschütternd. Jetzt rächt es sich, dass Österreich ein ökonomisches Leichtgewicht wie Ewald Nowotny in die Nationalbank gehievt hat, dass Bundes- wie Vizekanzler ökonomisch ahnungslos sind. Und dass auch die Finanzministerin keineswegs eine Finanz- oder Makro-Ökonomin ist; sie ist zwar ein politisches Schwergewicht, aber bis vor wenigen Monaten mit ganz anderen Themen befasst gewesen. Sie muss sich erst komplett einarbeiten und versuchen, wenigstens ihre Partei schrittweise umzupolen.

Die EZB hat schon das Wichtigste verspielt, was eine Währung braucht, nämlich Vertrauen. Die Hauptschuld liegt aber bei der Politik zum Zeitpunkt der Euro-Einführung. Erstens hat man in sträflicher EU-Euphorie auch Staaten aufgenommen, die schon bei der Geburtsstunde die festgesetzten Kriterien meilenweit verfehlt haben. Zweitens hat man keinen Durchgriffs-Mechanismus einer europäischen Wirtschaftsregierung gegen Schuldensünder entwickelt. Statt dessen hat man – drittens – die Sünderländer mit zu Richtern über sich selbst gemacht. Und viertens hat man überhaupt auf das Allerwichtigste vergessen, nämlich die Vorgangsweise zu regeln, wenn ein Staat insolvent ist (auch wenn man objektiverweise hinzufügen muss, ein solches Konkursrecht fehlt auch in Österreich gegenüber überschuldeten Bundesländern).

Der Katzenjammer ist groß und die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Höhepunkts der großen Weltwirtschaftskrise wächst. Der sich in allen Konjunkturkurven als Tiefpunkt darstellen wird. Niemand weiß,  ob das drohende „W“ dieser Kurve jemals auch seinen letzten Aufwärtsstrich erreichen wird, oder ob die Kurve am zweiten Tiefpunkt hängen bleibt.

Was aber jetzt tun? Es hat wenig Sinn – so verlockend der Gedanke auch für viele sein mag –, jetzt den Euro-Raum zu zertrümmern. Das wäre fast genauso schädlich wie das unbekümmerte weitere Durchfüttern der diversen europäischen Schuldenmacher.

Weiteres Durchfüttern im Gegenzug für vage Versprechungen würde – im Gegensatz zu manchen oberflächlichen Berechnungen, die in den letzten Tagen abgedruckt wurden, – zwar kurzfristig tatsächlich den Schmerz lindern, aber langfristig am teuersten kommen. Denn dann schlägt das Phänomen des Moral hazard am heftigsten zu: Viele Regierungen (die ja auch Wahlen gewinnen wollen!) würden weiter Schulden machen, um ja nicht allzuviel Bürgerzorn auf sich zu ziehen; sie wissen ja, dass sie letztlich immer gerettet werden. Wer Griechenland rettet, hat dann kein Argument mehr, andere Verschwender nicht zu retten.

Die logischste Lösung wäre zweifellos, Griechenland pleite gehen zu lassen, also zumindest ab jetzt, alle weiteren Hilfszahlungen einzustellen. Das würde natürlich etliche Gläubiger der Hellenen mitreißen. Das wäre gewiss auch ein Schock, weil ja niemand weiß, wann der dadurch ausgelöste Dominoeffekt wieder aufhört. Es wäre aber immer noch billiger, manche Gläubiger als ganz Griechenland zu retten. Aber auch eine Gläubigerrettung macht nur dann einen Sinn, wenn die Rettungskandidaten an sich gesund sind. Dabei wären aber jedenfalls auch sie einem kräftigen Haarschnitt zu unterziehen, also keinesfalls zur Gänze zu retten. Das ist schon aus pädagogischen Gründen notwendig, damit künftig niemand mehr leichtfertig schuldenfrohen Staaten Geld borgt.

Als Alternative zum Absturz in einen solchen Bankrott kann man den Griechen aber auch die Einsetzung einer europäischen Schuldenkommission vorschlagen. Diese müsste befristet sowohl Regierungs- wie auch volle Gesetzgebungskompetenz über Griechenland bekommen. Eine solche Kommission darf dann ohne Zustimmung des griechischen Parlaments Gehälter kürzen, die Bürokratie abbauen, das Sozialsystem beschneiden, deregulieren und privatisieren. Dafür würden sich im Gegenzug die Europäer bereit erklären, weiter zu zahlen.

Das klingt hart, ist aber in der Staatengeschichte immer wieder vorgekommen. Das ist genau dasselbe, was ein Masseverwalter in einem Konkurs auch großer Unternehmen tun kann und muss. Natürlich geht das rechtlich nur, wenn vorher das griechische Parlament seiner eigenen befristeten Totalentmachtung zustimmt. Das setzt wiederum eine glaubwürdige Ankündigung der Resteuropäer in voller Ge- und Entschlossenheit voraus: Ohne Zustimmung zu einer bevollmächtigten Schuldenkommission wird kein einziger Euro mehr aus dem restlichen Europa nach Griechenland fließen. Nur dann ist eine solche – befristete – Zustimmung des Parlaments denkbar.

Natürlich wäre alles viel einfacher, wäre eine solche Konstruktion schon bei Schaffung des Euro vereinbart worden. Aber allzu lange über vergossene Milch zu jammern, bringt sie doch nicht zurück in die Flasche. Und vielleicht entsteht solcherart zumindest ex post die einst aus bequemer Realitätsverdrängung heraus „vergessene“ europäische Konkursordnung.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Wie böse sind die bösen Hedgefonds?

08. September 2011 00:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Ich bin ja schon für die Marktwirtschaft, aber diese von der Realwirtschaft total abgehobenen Wetten und Hedgefonds sind doch wirklich etwas Arges.“ Wer hat in letzter Zeit noch nie solche Äußerungen auch durchaus vernünftiger Menschen gehört? Die Sorgen sind verständlich. Bemüht sich doch niemand, den Mitbürgern die Funktionsweise eines Marktes zu erklären, der zugegebenermaßen etwas komplizierter als der Gemüsemarkt am Samstag ist.

Umso mehr sollte man sich bemühen, allgemeinverständlich zu kommunizieren und sich nicht hinter einem Insider-Jargon verbergen. Zumindest wenn man will, dass es auch weiterhin eine Marktwirtschaft gibt, die nicht vom politischen Populismus hinweggefegt wird.

Etwa das mit dem „Hedgen“ zu erklären ist gar nicht so schwer. Das geht etwa so: Hedgen ist durchaus wichtig für die ganz normale Realwirtschaft. Im Grund geht es immer um das Tragen eines Risikos, das dadurch entsteht, dass sich wirtschaftliche Vorgänge über einen längeren Zeitraum mit vielen unbekannten Risken hinziehen.

Drei konkrete Beispiele: Erstens ist da der Bauer, der sein Getreide an den Müller verkauft. Der Konsum der daraus gebackenen Semmel ist aber meist noch viele Monate entfernt. Dazwischen kann vieles passieren, was den Wert des Getreides bzw. Mehls beeinflusst: etwa ein Inflationsschub, etwa eine besonders gute oder besonders schlechte Welternte, Unruhen, Kriege, Brände, Lebensmittelvergiftungen, Rattenplagen oder aber auch eine Welle der Gesundheitspropaganda gegen den Konsum von Semmeln.

Wer trägt das Risiko dieser Asynchronität? Der Bauer? Der will fast immer gleich sein Geld. Der Müller? Der muss schon einen sehr dicken Geldpolster versteckt haben, um das gefahrlos auszuhalten. Oder eben ein Finanzdienstleister, ein Hedgefonds, der gleich bei der Ernte beide auszahlt. Der verlangt für dieses Hedgen, das Hergeben von Liquidität und Tragen von Risiken aber natürlich einen Preis.

Zweitens die Luftlinie, die jetzt schon Tickets für die weihnachtlichen Flüge verkauft, die aber nicht weiß, wie da der Treibstoffpreis ist. Sie sichert sich daher bei einem Hedgefonds oder einer Investmentbank gegen ein zu starkes Steigen ab. Sie zahlt also lieber eine Prämie, als einen Megaverlust zu riskieren.

Drittens der Versicherungskonzern, der Milliarden als Zahlungsreserve für Schadensfälle in Anleihen und Aktien angelegt hat. Auch der hedgt nun gegen die derzeit völlig unvorhersehbaren Risken der Börsen, um jedenfalls auf der sicheren Seite zu sein.

Jetzt frage ich mich nur: Wo liegt da das abgrundtief Böse im Handeln von Hedgefonds oder Investmentbanken, das uns Politik und Medien ständig vorgaukeln? Wie stünde die – immer das Gute verkörpernde – Realwirtschaft da, gäbe es nicht die Bösen, die mit ihr solche „Wetten“ abschließen? Diese Wetten sind in Wahrheit wichtige Versicherungsgeschäfte für die Realwirtschaft. Aber welcher Politiker will das schon wissen, wenn sich so herrlich dagegen wettern lässt?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Erhöht endlich die Steuern! Oder Was?

06. September 2011 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Mich stören Reiche, die ihre Einkommen an Steuern und Abgaben vorbeischwindeln können, zutiefst und emotional. Ich habe auch kein unmittelbares Eigeninteresse, ein strikter Gegner einer klassischen Vermögenssteuer zu sein – nirgendwo scheint mich das zu treffen, was da in Österreich und Europa angesichts der explodierenden Staatsschulden an neuen Steuerideen derzeit ausgekocht wird. Warum bin ich dann aber trotzdem (mit einer ebenso winzigen wie unrealistischen Ausnahme) strikt gegen höhere Steuern welcher Art immer, also auch der Vermögenssteuer?

Mit einem Satz: weil Vernunft, Gerechtigkeit und Staatsräson dagegen sprechen. Das sei an Hand von zwölf Argumenten konkretisiert.

Erstens sind Abgabenquoten in den meisten Euro-Staaten von weit über 40 Prozent viel mehr als das, was ein Staat jemals in der Geschichte den Menschen von all ihren erarbeiteten Leistungen wieder abgenommen hat. Bei den eigentlichen Leistungsträgern kommt man sogar auf fast zwei Drittel: Zur 50- (oder bei Lohnbeziehern 43–)prozentigen Einkommensteuer greifen da nämlich ja auch noch bei jeder Verwendung des verbliebenen Geldes neuerlich die gierigen Finger des Staatsmolochs zu. Gleichgültig ob er seine Zugriffe nun als Mehrwertsteuer, Tabaksteuer oder etwa Mineralölsteuer getarnt hat.

Bei diesen gewaltigen Summen kann kein noch so frommer Christ sagen, dass die Besserverdiener nicht so neidig sein sollen. Galt doch historisch sogar der Zehent – also die Ablieferung eines Zehntels der Erträge – den Christen als Obergrenze eines gerade noch tolerierbaren Zugriffs. Es ist daher moralisch mehr als legitim zu sagen: Nichts geht mehr, es reicht.

Zweitens ist allein dieses Tagebuch voll mit Hunderten Beispielen, wie Politiker mit diesem Geld sinnlos, ja schädlich um sich werfen. Nur einige österreichische Beispiele: Diese reichen vom fast weltweit niedrigsten Pensionsalter über die provozierend hohen Bezüge der Wiener Gemeindebeamten, über Europas einzige fast komplett unentgeltliche und zutrittsoffene Universitätenszene, über die dem Steuerzahler unvergleichlich teuer kommenden Bundesbahnen bis zur Rolle Österreichs als Rekordsubventionsgeber. Über diese Subventionen finanzieren sich Wirtschaft, Bauern und Kulturbetrieb, aber auch eine neue Parasitenschicht von Tausenden Vereinen mit angeblich sozialen, ökologischen, feministischen, kulturellen und sonstigen oft sehr nebulosen Zielen, bei denen aber das Geld vor allem in den Taschen der eigenen Mitarbeiter verschwindet. Diese reden dann  jedoch sofort von „neoliberaler Kälte“, wenn ihnen auch nur einmal beim Selbstbedienungsladen Staat Nein gesagt wird.

Wer hier mit Moral oder Gerechtigkeit argumentiert, deretwegen da noch mehr Geld hinausgeschmissen werden soll, ist entweder ein ahnungsloser Landpfarrer oder ein zynischer Lügner, der ein ungerechtes System durch den Ruf „Mehr Gerechtigkeit“ zu seinem eigenen Nutzen noch ungerechter machen will.

Drittens und noch gravierender ist die Tatsache, dass Steuererhöhungen am Ende meist weniger Geld in die Kassen bringen. Bei einigem Nachdenken wird der Grund auch völlig klar: Je weniger dem Einzelnen und seiner Familie von legal verdientem Geld bleibt, umso mehr rentiert sich legale Steuervermeidung (etwa indem man Finanztransaktionen wieder wie einst bar abwickelt oder im Ausland stattfinden lässt, etwa wenn Börse-, Banken- und Transaktionssteuern den Weg zur heimischen Bank verteuern); umso mehr wird man auch illegale Steuerflucht-Methoden anwenden (Pfusch, Rechnungsmanipulationen usw.); umso seltener hat man angesichts der zuvor skizzierten Verschwendung Gewissensbisse; und umso öfter wird man die Hände demotiviert in den Schoß legen und Aufträge mit dem Argument ablehnen: „Das interessiert mich nicht, ich habe keine Lust, für die Steuer zu arbeiten“.

Liberale Ökonomen haben schon in der Ära Ronald Reagans intensiv nachgewiesen, dass höhere Steuern weniger Erträge bringen (Laffer-Kurve). Das zeigt auch eine neue Studie der deutschen Zollfahndung, also einer gewiss nicht prinzipiell staatsfeindlichen Einrichtung, die unlängst im „Spiegel“ zu lesen war: Sie verglich den legalen deutschen Zigarettenabsatz zwischen 2003 und 2010: Dieser sank von 133 auf 87 Milliarden Stück. Denn gleichzeitig haben ständige Zigarettenverteuerungen den Schmuggel und die illegale (damit übrigens auch besonders gesundheitsschädliche) Produktion zunehmend interessanter für Raucher wie Gauner gemacht. Der Staat verlor trotz der ständigen Abgabenerhöhungen rund 300 Millionen Euro an Einnahmen.

Viertens zeigt die Geschichte der Vermögenssteuer in Österreich, dass sie einst in ganz überwiegendem Ausmaß von Unternehmen bezahlt worden ist. Das „Vermögen“ eines Unternehmens ist aber meist lebenswichtig für die Krisenfestigkeit von Betrieben und für die Finanzierung künftiger Investitionen und Arbeitsplätze. Sobald es jedoch einem persönlichen Konsum zugeführt wird, muss es ohnedies versteuert werden. Nimmt man jedoch alle Betriebsvermögen von der Steuerpflicht aus, dann ist es für vermögende Menschen sehr leicht, Privatvermögen in Betrieben zu verstecken, dann werden halt Villen an die eigene Firma verkauft und nur zurückgemietet (liegt doch ohnedies oft eine betriebsbedingte Hypothek auf der Villa).

Fünftens treffen Vermögenssteuern prinzipiell nur Vermögen, die schon versteuert worden sind. Das heißt dann oft, dass Einnahmen zum drittenmal versteuert werden müssen: Zuerst Einkommensteuer (bzw. Körperschafts- plus Kapitalertragssteuer), dann Vermögenssteuer, und drittens – wenn dann Gelder aus dem Vermögen ausgegeben werden – Mehrwertsteuer&Co.

Sechstens: Jede Vermögenssteuer ist eine Vermögensvertreibungsaktion, die daher jede Ertragsschätzung zur Makulatur macht. Gelder sind binnen einer Zehntelsekunde ins Ausland transferiert, ehe noch die erste Steuer vorgeschrieben werden kann; viele andere Vermögenswerte werden zumindest nicht mehr neu im Land der Steuerpflicht angeschafft. Vermögen, das im Inland angelegt ist, brächte aber auch ohne Steuer hier einen Nutzen: weil andere Steuerpflichten ausgelöst werden, weil Kapital ja investiert werden muss. Deswegen hat es sich ja für Österreich auch sehr positiv ausgewirkt, als nach Abschaffung der Vermögenssteuer und durch das Stiftungsrecht viel Geld ins Land geflossen ist.

Siebentens: Natürlich weiß auch ich, dass es viele Vermögen dubioser Herkunft gibt. Und natürlich habe ich Null Sympathien für solche Vermögen, die entweder aus direkt kriminellen Aktivitäten stammen oder durch ein Geflecht komplizierter und undurchsichtiger grenzüberschreitender Aktivitäten entstanden sind. Nur hat mir bisher noch niemand erklären können, wie eine neue Steuer diese Vermögen plötzlich in sichtbare und besteuerbare Gelder verwandeln kann, nachdem man ihrer bisher nicht habhaft geworden ist, weil es international zum Zweck der totalen Verwirrung vielfach verschoben worden ist.

Achtens gilt all das Gesagte auch für die in manchen linken Kreisen zuletzt besonders vehement geforderte Erbschaftssteuer. Für die Erben ist das zwar ein arbeits- und steuerloser Einkommenserwerb (wenn man von den Anstrengungen mancher Erbschleicher absieht). Für die meisten Erblasser ist die Verfügung über das in ihrer Aktivzeit angesparte Geld aber ein ganz entscheidender Aspekt. Denn die Zuwendung der erarbeiteten Geldes an die eigene Familie ist für viele ja der Hauptgrund, weshalb sie sich überhaupt anstrengen.
Auch familienlose Erblasser werden sich zu Lebzeiten genauso mit Tricks und Umgehungskonstruktionen gegen den Zugriff des Staates wehren. Auch für sie ist es eine zentrale Lebensentscheidung, ob sie ihr Geld der Kirche, dem Tierschutzverein oder der Erforschung des Kapitalismus widmen. Aus Sparbüchern werden daher heimlich weitergegebene Goldmünzen; je nach Steuerdetails wird schon zu Lebzeiten viel geschenkt; große Besitztümer werden in kleine, steuerfreie Brocken zerteilt; es gibt einen Grund mehr, in einem für sicher gehaltenen Ausland etwas anzulegen; und manche werden ihr Geld auch verjubeln, wenn sie ohnedies nicht mehr darüber verfügen können.

Neuntens – und das ist irgendwie noch beruhigend – gibt es auch ein gravierendes verfassungsrechtliches Hindernis gegen jede Art von Vermögens-, Schenkungs- und Erbschaftssteuer: Der Verfassungsgerichtshof sagt zu Recht, dass bei all diesen Steuern Grundstücke genauso wie Geld und Schmuck und andere Sachwerte zu behandeln sind. Das heißt: Auch die nach einigen Vorschlägen steuerfreien Schmuckstücke müssen besteuert werden. Das heißt ebenso: Eine Bevorzugung von Bauern und Häuslbauern durch die künstlich niedrig gehaltenen Einheitswerte, wie sie früher üblich war, ist ungerecht. Da aber bisher jede Partei geglaubt hat, die nächsten Wahlen zu verlieren, wenn sie die Grundsteuern erhöht, sind all diese Steuererhöhungsprojekte vorerst nur blödes Herumgerede oder wahltaktische Hetze gegen die „Reichen“. Solche Hetze kann eines Tages aber auch zu großen Verbrechen führen, wie es einst etwa der millionenfache Mord der Sowjets an den angeblich reichen „Kulaken“ (also grundbesitzenden Bauern) gewesen ist.

Zehntens wird in Bälde der vorerst von den Vermögenssteuerplänen scheinbar ausgenommene Mittelstand ebenfalls getroffen werden. Das geschieht ganz einfach auf dem Weg der ohnedies derzeit rasch zunehmenden Inflation. Genauso haben wir es ja auch bei der Einkommensteuer erlebt: Dort trifft der einst nur für wenige Reiche geltende Höchstsatz inzwischen längst in breiter Front den Mittelstand. Daher werden sehr bald die Eigentumswohnung plus Wochenendhäuschen plus Auto plus ein paar Schmuckstücke und einem Vorsorge-Konto auf der Bank eine alljährliche saftige Vermögenssteuer auslösen.

Elftens: Die irgend etwas Besitzenden, also die angeblich Reichen sind in aller Regel der dynamischste Teil der Gesellschaft, deren Aktivitäten meist dem ganzen Land nützen. Mit Sozialhilfe-, Grundeinkommen- und Ausgleichszulagen-Beziehern ist hingegen meist kein Staat zu machen. Mit ihnen ist nur eines möglich: nämlich Wahlen zu gewinnen.

Zwölftens: Von all den diskutierten Steuerideen brächte nur eine einzige wirklich Geld ein, nämlich eine höhere Steuer auf Grund und Boden, also etwas, was niemand davontragen kann. Eine solche Steuererhöhung wäre zwar auch kein positiver Beitrag zum Wirtschaftsstandort, hätte aber wenigstens ökologisch und raumplanerisch halbwegs einen Sinn, wenn man etwa nur verbaute („versiegelte“) Quadratmeter besteuert. Denn eines Tages wird Europa nur noch aus Beton – und aus vielen Steuern und Schulden bestehen. Nur genau diese Häuslbauer-Steuer will die Politik nicht, weil sie am Wahltag selbstmörderisch wäre.

Aber selbst wenn sich die Politik letztlich dem populistischen Diktat der Grundeinkommensbezieher unterwirft, wird die Vermögenssteuer außer Ärger nichts bringen. Daher bleibt den Staaten (also auch den Bundesländern, Provinzen und Gemeinden, dem Pensions- und Gesundheitssystem) am Ende doch nur eine Alternative: wirklich Sparen oder ein Crash auf dem Weg der Inflation.

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Korruption: Die Täter und die Ursachen

04. September 2011 01:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Korruption ist ein ganz schlimmes Übel. Ihr in den letzten Wochen dem Anschein nach immer üppiger gewordenes Wuchern schadet dem allgemeinen Wohlstand und kann das Land massiv zurückwerfen. Daher ist es schlimm, wenn Korruptionsfälle nur parteipolitisch instrumentalisiert werden, statt dass vor allem energisch ihre Ursachen bekämpft werden. Daher ist es dringend notwendig, einmal die Sachverhalte zu klären.

Erstens, wer sind die Korruptionisten? Und zweitens, unter welchen Rahmenbedingungen kann Korruption besonders gut gedeihen?

Die Täter

Nun, wer sind die Korruptionisten? In der schlichten Denkwelt eines Peter Pilz sind es einfach Schwarz und Blau. Da sich in den letzten Tagen erstaunlich viele Medien diesem Denken angeschlossen haben, sei die grundlegende Tatsache vorangestellt: Korruptionisten und Charakterschweine gibt es prinzipiell mit der gleichen Wahrscheinlichkeit in jeder Partei. Dennoch kann man den Grünen eines zugute halten: Nachdem sie noch nie regiert haben, hatten sie auch noch nie Gelegenheit, korrupt zu sein. Wenn man freilich sieht, wie zielgerichtet jetzt in Wien grüne Personalpolitik betrieben wird, macht man sich wenig Illusionen, dass Grüne prinzipiell besser wären.

Mag sein, dass ein starker moralischer Antrieb die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass jemand zum Dieb wird. Denn gläubige Menschen, überzeugte Patrioten, begeisterte Klassenkämpfer denken weniger an sich als an eine ihnen heilige Sache. Nur: Diese Menschen sind dann aber oft um der Sache, um der Partei willen umso energischer zu Gaunereien bereit. Für sie heiligt das Ziel die Mittel. Daher bleibt die Sauberkeit letztlich doch eine Frage des Charakters. Und den sieht man leider nicht von außen.

An dieser gleichmäßigen Wahrscheinlichkeit korrupten Verhaltens ändert auch die Tatsache nichts, dass SPÖ-Regierungsmitglieder bisher weitaus öfter strafrechtlich verurteilt worden sind als die irgendeiner anderen Partei. Oder dass jetzt die Staatsanwaltschaft die Buchhaltung des PR-Agenten Hochegger durchackert (was sie darf und soll), dass sie aber darüber hinaus auch in wohldosierten Teilstücken die Namen vor allem schwarz-blau-oranger Empfänger von Hochegger-Zahlungen an die Medien durchsickern lässt. Bei dem Durchsickern bleibt völlig ungeprüft, ob das legale oder illegale Zahlungen waren, ob der Zahlung eine Leistung gegenübersteht oder nicht. Niemand in der Staatsanwaltschaft kümmert sich auch um die Buchhaltung von SPÖ-nahen Lobbying-Agenturen, die vermutlich genauso interessant wären.

Dass dieses sich seit Jahren wiederholte Verhalten der Staatsanwaltschaft eine mindestens ebenso schlimme Serientäterschaft in Sachen Korruption darstellt, ist eine der vielen Tatsachen, die in der öffentlichen Diskussion total ignoriert werden. Ebenso wie die diesbezügliche Untätigkeit der Justizministerin als der obersten Vorgesetzten der Staatsanwälte. Und die Medien profitieren wieder von diesen Gesetzesverletzungen der Anklagebehörden, genießen und schweigen.

Welches Bild von den Abkassierern zeigt nun die Hochegger-Buchhaltung insbesondere in Zusammenhang mit der Telekom Austria? Vieles deutet darauf hin, dass der dominant rot geführte Betrieb, der sich lang der – bezahlten oder unbezahlten? – Gunst der roten Minister für Verkehr und Finanzen erfreut hat, nach dem Jahr 2000 plötzlich in beiden Häusern mit blauen Ministern konfrontiert war. Davor fürchteten sich die Telekomer sehr – waren sie doch gleichzeitig mit der für das langjährige Monopol-Amt bedrohlichen Konkurrenz anderer Anbieter bedroht.

Die Vermutung ist groß, dass man damals im blau-orangen Lager die Möglichkeit gesehen hat, endlich die Parteikassen anfüllen zu können, nachdem man das lange als rot-schwarzes Privileg angeprangert hatte. Freilich ist da noch gar nichts erwiesen – und schon gar nicht die Frage geklärt, wie viel des Geldes bei einzelnen Politikern und wie viel in der Partei gelandet ist. Was strafrechtlich freilich keinen Unterschied macht.

Der wirkliche Schaden sind aber gar nicht so sehr die mutmaßlichen Bestechungssummen, sondern der Schaden für den Wettbewerb. Denn das Verkehrsministerium hat offenbar den Übergang vom Staatsmonopol zum offenen Wettbewerb ein wenig zugunsten des alten Monopolisten fehlreguliert. Das ist zumindest ein durch Indizien belegter Verdacht.

Zusammen mit dem Fall Strasser also doch ein Beweis für die Verkommenheit von Schwarz-Blau? In der medialen Darstellung ist das ganz sicher so. Nur ist diese mediale Darstellung, wie vor wenigen Tagen hier skizziert, in einer skandalös grob einseitigen Weise irreführend. Offenbar will der ganz überwiegend links eingestellte Journalismus nun endlich den Beweis gefunden haben, dass er zu Recht Schwarz-Blau bekämpft hat. Und er ignoriert daher schon allein aus diesem Grund alle anderen Korruptionsaffären mit einem andersfärbigen Mascherl.

Dazu zählt etwa die vor allem Werner Faymann anzulastende Bestechung vor allem der Boulevardzeitungen durch Ministerien, durch die ÖBB und fast alle Versorgungsunternehmen im Einflussbereich der Gemeinde Wien. Wobei aber auch hier die ÖVP nicht unschuldig, wenn auch deutlich weniger belastet aussteigt: Siehe etwa die Medienpolitik einiger schwarzer Bundesländer, siehe den Werbe-Etat des burgenländischen Umweltministers.

Zu den weder von der Staatsanwaltschaft noch den Medien aufgearbeiteten roten Korruptions-Fällen zählen insbesondere die massiven Hinweise auf Parteifinanzierung aus dem Bawag-Prozess, zählt die Rolle des amtierenden(!) ÖBB-Aufsichtsratspräsidenten als einstiger Porr-Generaldirektor in der Buwog-Affäre – wo es gegen ihn weit stärkere Indizien gibt als gegen Karl-Heinz Grasser –, zählt die massive Beamtenkorruption in diversen Wiener Magistratsabteilungen, zählt die bis heute nicht erfolgte Anklage gegen den ehemaligen ÖGB-Boss Verzetnitsch.

Schon viel mehr Klarheit gibt es bei den Vorwürfen gegen den Telekom-Vorstand, mit massiven und kriminellen Manipulationen den Aktien-Kurs kurzfristig so hochgerissen zu haben, dass ihnen Millionen Boni zugeflossen sind. Allerdings ist dieser Skandal zwar nicht in puncto krimineller Energie, aber von der Management-Verantwortung her auch dem Haupteigentümer ÖIAG zuzuschreiben: Denn die ÖIAG hat im Telekom-Aufsichtsrat eine total unintelligente Bonus-Regelung fixiert gehabt. Der Bonus an die Telekom-Manager war nämlich von einem einzigen Zeitpunkt der Kurs-Entwicklung abhängig. Das war geradezu eine Verlockung zur Manipulation. Die Vereinbarung von Boni ist an sich weltweit üblich und sinnvoll, aber es sollte dabei immer um eine langfristige und nachhaltige Messgröße im Interesse von Unternehmen und Aktionären gehen, an der Zahlungen festgemacht werden.

In diesem Punkt geht es freilich nicht um Korruption im eigenen Sinn, sondern um klassischen Betrug und Untreue (und überdies um eine schwere Panne bei der Finanzmarktaufsicht). Daher zurück zur Korruption.

Der Nährgrund der Korruption

Noch wichtiger als die Frage „Wer sind die Täter?“ ist die zweite Frage: Welche Strukturen begünstigen Korruption und welche verhindern sie? Und da ist die Antwort ganz eindeutig: Je mehr der Staat in der Wirtschaft mitzureden hat, umso mehr Korruption gibt es.

Dabei ist es ziemlich gleichgültig, ob die staatliche Mitsprache in Form von Eigentum oder in Form von Gesetzen, Verordnungen und Bescheiden erfolgt. Einziger Unterschied: Im zweiten Fall kann die Öffentlichkeit etwas leichter einen Machtmissbrauch kontrollieren – sofern sich nicht die Täter hinter dem Datenschutz verbergen. Was sie immer öfter tun.

Bei Betrieben im öffentlichen Eigentum ist Kontrolle noch viel schwieriger. Denn öffentliches Eigentum bedeutet de facto immer Parteieigentum. Die Partei muss nur dafür sorgen, dass in einigen wenigen Schlüsselpositionen Vertrauensleute sitzen. Dann kann sie sich dort in jeder Hinsicht hemmungslos bedienen.

Was folgt aus all dem? Nun ganz eindeutig, dass die beste Strategie gegen Korruption ein Zurückdrängen des Staates, also von Bund wie Ländern ist. Je weniger Unternehmen in Staatshand sind, umso weniger Korruption kann es geben. Je weniger Gesetze der Staat macht, um unser Leben und das der Wirtschaft zu regulieren und reglementieren und einzuschränken, umso weniger Platz haben Lobbyisten, Sozialpartner & Co mit ihren windigen Aktivitäten.

Das besonders Tragische: Nicht einmal die ÖVP traut sich mehr wirklich, „Weniger Staat!“ zu verlangen. Und die SPÖ träumt sowieso immer von dem alles durchdringenden Staat, etwa nach dem Vorbild der Gemeinde Wien, welche die Stadt geradezu totalitär zu beherrschen versucht.

PS.: Die Rathausbonzen versuchen übrigens gerade, auch den allerletzten Journalisten mit Hilfe Faymanns aus einer Zeitung im Staatsbesitz zu verdrängen, der noch Wiener Skandale aufzugreifen gewagt hat. Aber immerhin: Während Chodorkowski im Gulag schikaniert wird, darf man bei uns frei herumlaufen. Und sogar dem Tagebuch ist noch nicht der Strom abgedreht worden. Das war die gute Nachricht zum Wochenende.

 

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Außer Kontrolle

03. September 2011 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das kommt davon, wenn man unabhängige Experten um ihre Meinung fragt. Seit wann aber tut denn eine Regierung so etwas? In Österreich werden ja auch immer nur solche Experten beauftragt, die in irgendeiner Weise von den jeweiligen Regierungsparteien abhängig oder beeinflussbar sind.

Aber hier ist von Griechenland die Rede und der Aufregung, die entstanden ist, als eine von der Athener Regierung selbst eingesetzte Haushaltskontrollkommission ihren Bericht abgeliefert hat. Die in diesem Fall wirklich unabhängigen Experten sind nämlich zu dem Schluss gekommen, dass die Entwicklung der griechischen Schulden „außer Kontrolle“ geraten ist. Und dass auch die Wirkungen des erst im Juli beschlossenen zweiten Rettungspakets der anderen Euro-Länder „zum großen Teil“ verpuffen würden.

Das „außer Kontrolle“ hat hier ganz augenscheinlich eine doppelte Bedeutung. Nicht nur die griechischen Schulden, sondern auch die Ergebnisse dieser Kommission sind offensichtlich außer Kontrolle geraten.

Entlarvend war daher auch die Reaktion des griechischen Finanzministers: Diese unabhängigen Experten verfügen halt nicht über die „Verantwortung“ internationaler Organisationen. Daher habe ihr Bericht nicht die gleiche Qualität wie die Berichte solcher Staatenvereine. Auch diese Unterscheidung kann man durchaus wörtlich nehmen, freilich anders, als der Finanzminister das gesagt hat.

Denn nichts könnte deutlicher den Wert der Studien und Stellungnahmen von EU, EZB, IWF und anderen Staatenvereinen qualifizieren als das Lob des griechischen Finanzministers, dass diese halt die Verantwortung pflegen. Was logischerweise heißt, die Wahrheit hat dabei zurückzutreten. Ziemlich degoutant. Die höchst verantwortungslose Konsequenz solcher „qualitätsvoller“ Berichte: Wir werfen dem schon verlorenen Geld immer weiter gutes nach. Solange uns halt noch wer etwas borgt . . .

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Fußnote 218: Die nächste Blase heißt Alternativenergien

02. September 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Rund drei Jahre lang hat jeder mittelklassige Politiker und jeder viertklassige Journalist in Europa und Amerika gewusst, wie wir trotz hoher Löhne, noch höherer Sozialleistungen und Steuern gegen die chinesische Konkurrenz bestehen können.

Nämlich durch den großen Wachstumssektor der Alternativenergien. Wegen der wunderbaren Exportmöglichkeiten auf diesem Feld hielten es unsere Politiker sogar für gerechtfertigt, dass wir zur Förderung der Alternativenergien jede Menge Schulden machen und viel strengere Regeln im Kampf gegen das angeblich schädliche (in Wahrheit den Pflanzenwuchs intensiv befördernde) CO2 einführen als jede andere Weltregion. Jetzt stellt sich – wie immer – heraus, dass ein solcher Vorsprung nur sehr kurz währt: Denn in den letzten Wochen ist in den USA nun schon der dritte Solarzellenhersteller binnen kurzem eingegangen. Allein die Firma Solyndra, in der sich CO2-Freaks von Obama bis Schwarzenegger gerne photographieren ließen, hat bis zu ihrer Pleite eine halbe Milliarde(!) Dollar staatlicher Unterstützung bekommen. Auch wir werden mit Garantie noch an den Schulden würgen, die uns unter der Grün-Psychose Politiker aller Parteien unter Missachtung der ökonomischen Grundrechnungsarten beschert haben, wenn die einschlägigen Firmen längst schon eingegangen sind.

 

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Unser Denken löst die Krisen aus

01. September 2011 01:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wir haben nur dann eine Chance, langfristig Finanz- und Schuldenkrisen zu entkommen, wenn wir uns endlich ein paar Denkfehler abgewöhnen. Einer davon ist das Gerede von „Gier“ und „Spekulation“ als Ursache von Krisen. In der guten alten Zeit waren demzufolge die Menschen offenbar nicht gierig und  haben nicht spekuliert. Was für ein Unsinn.

Der ewige Wunsch, mehr haben zu wollen, hat der Menschheit in Wahrheit viel Gutes gebracht, weil er ein starker Antrieb für Innovation und Fleiß ist. Ohne die „Gier“, besser und reicher werden zu wollen, würden wir noch immer zu 80 Prozent als Bauern vegetieren, die jährlich um den Ernteerfolg zittern, weil sonst Hunger und Tod drohen.

Auch spekuliert ist immer worden. Jeder Unternehmer, jeder kluge Familienvater versucht etwa, Erspartes möglichst gewinnbringend anzulegen – und muss dabei immer „spekulieren“, welches Risiko er eingeht.

Absurd ist es jedenfalls, wenn führende Politiker der größten Regierungspartei gegen „Spekulation“ auftreten, gegen „Spekulanten“ hetzen – obwohl sie selbst heftig spekulieren. Hat doch beispielsweise die Gemeinde Wien die Hälfte(!) all ihrer Schulden als Frankenkredit aufgenommen hat, eine klassische Spekulation mit Zinsen und Währungskursen. Solche „Spekulationen“ waren und sind legitim – ob sie auch erfolgreich sind, weiß man freilich immer erst im Nachhinein. Wer ganz ohne Risiko leben will, lebt aber ganz sicher besonders teuer. Das sollte im übrigen auch die Opposition begreifen und nicht so tun, als wäre jedes Risiko, das schlagend wird, ein vorsätzliches Verbrechen.

Ein noch schwerer Denkfehler ist der in Europa neuestens einzementierte Glaube, dass Staaten nicht bankrott gehen können oder sollen. Natürlich sollen sie das. Das ist angesichts des Hangs der Politik zum Geldausgeben bisweilen sogar unvermeidlich.  Nur bräuchte es dafür einen geordneten Ablauf.  Im 1806 aufgelösten Heiligen Römischen Reich hat es diesen gegeben: Hat sich ein Fürst übernommen, übernahm eine von Kaiser oder Reichstag eingesetzte Schuldenkommission wie ein Masseverwalter die ganze Administration des Fürstentums, hat diese restrukturiert und den Fürsten in dieser Zeit entmachtet.

Niemand kann erklären, warum man nicht auch bei Griechenland und Co ähnlich agiert. Wenn ein Parlament den Karren gegen die Wand fährt, hat es den Anspruch auf alleinige Führerschaft verwirkt. In der EU  hat man daraus aber keine Konsequenzen gezogen. Europa hat weiterhin keine Machtmittel in der Hand, wenn Griechen und Portugiesen ihre Spar-Versprechungen trotz riesiger Milliardenhilfen nicht einhalten. Daher sollten Europas Regierungschefs dringend eine moderne Insolvenzordnung für Staaten schaffen. Das wäre auch durchaus zum Vorteil dieser Staaten, die ja nach der Zeit der Insolvenz saniert ihre alten Rechte zurück bekommen – mit hoffentlich neuer Sparsamkeit.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Stelldichein der Ökonomenelite

31. August 2011 13:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Auf einem neuen Höhepunkt der Weltwirtschafts- und Finanzkrise trifft sich die Elite der Ökonomenzunft – immerhin 17 Nobelpreisträger – zum Gedankenaustausch. Der auf Erlösung von allen angeblich durch „entfesselte Märkte“ verursachten Übeln hoffende Otto Normalverbraucher richtet seine besorgten Blicke daher gebannt nach Lindau – den idyllischen Ort der Zusammenkunft der illustren Runde.

Woher, wenn nicht von dort, ist die Medizin zur Heilung der kränkelnden Weltwirtschaft zu erwarten? Doch ach: Der Berg hat gekreißt und geboren wurde nicht einmal eine Maus. Exemplarisch sind die Einlassungen des unbestrittenen Stars der Show, Joseph Stiglitz, des Nobelpreisträgers des Jahres 2001 und Lieblings der Sozialisten in allen Parteien. Mehr als einen Appell zur Fortsetzung der von der hohen Politik seit Jahren betriebenen monetären Pyramidenspiele hat er nicht anzubieten.

Deutlicher kann der intellektuelle Bankrott der etablierten Wirtschaftswissenschaften nicht dokumentiert werden. Denn, dass unbegrenztes Wachstum – und sei es nur jenes der ungedeckten Geldmenge – in endlichen Räumen nicht möglich ist, müsste auch Nobelpreisträgern, nicht nur Absolventen von Pflichtschulen, einleuchten.

Doch sollte man vielleicht etwas Nachsicht walten lassen? Wes Brot ich ess´, des Lied ich sing´ – gilt diese Regel nicht auch für die Wissenschaftselite? So gut wie alle der in Lindau versammelten Experten stehen im Sold des Staates oder staatsnaher Institutionen. Wer wollte ernsthaft von ihnen erwarten, dass sie ihre Arbeit dem Erkenntnisgewinn und nicht etwa der politischen Opportunität (d. h. ihrer Karriere) weihen?

Stiglitz & Co. sind Lakaien und Stichwortgeber der Staatenlenker. Diese wünschen im Amt zu bleiben. Zu diesem Behufe müssen den Untertanen phantastische Zaubertricks präsentiert werden, die der Notwendigkeit entheben sollen, der Wahrheit ins kalte Auge zu blicken. Der Wirtschaftspublizist Roland Baader („Gold, Geld und Gottspieler“) hat diese Wahrheit auf die griffige Formel gebracht: „Was wir vorausgefressen haben, werden wir nachhungern müssen.“

Anders gesagt: Ohne eine drastische „Ent-Täuschung“; ohne eine scharfe, möglicherweise jahrelang andauernde Rezession; ohne deflationäre Schocktherapie, wird ein Neubeginn auf soliden Fundamenten nicht möglich sein. Derlei Botschaften sind in Massendemokratien, die auf anstrengungsfrei zu erlangenden Wohlstand für alle programmiert sind, unverkäuflich. Niemand will sie hören.

Was Wunder, dass keiner der in Lindau versammelten Laureaten derartige Töne anschlägt. Es gibt eben keine staatsunabhängige Nationalökonomie. Vom strikt nachfrageorientierten, auf die Bekämpfung des mysteriösen Phänomens „Unterkonsumption“ gerichteten Hauptstrom der Volkswirtschaftslehre sind keine Impulse zu erwarten, die uns auf einen dauerhaft aus dem Schuldensumpf führenden Weg hinlenken.

Daher wird es die hohe Politik – unter den anfeuernden Zurufen korrupter „Experten“ – vorziehen, an der bereits schwindelerregend hoch aufgetürmten Pyramide weiterzubauen – man will ja schließlich wiedergewählt werden! Es wird – um ein anders Bild zu gebrauchen – auf immer höheren Seilen, mit immer kleineren Sicherheitsnetzen darunter, balanciert werden. Ob es zum Absturz kommen wird, ist nicht die Frage. Die Frage ist vielmehr: Wann?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Schwarz-blaue Schuldvermutungen und rote Schweigegewissheiten

31. August 2011 10:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es sind die unglaublichsten Dinge, die in diesem Land passieren. Diese sind nicht einmal zwischen Tschetschenien und Belarus mehr möglich. Die gehäuften Hinweise auf Korruption sind schlimm, aber die gibt es leider in vielen Ländern, und zwar überall dort, wo sich der Staat in die Wirtschaft einmischt. Aber das was da in den österreichischen Zeitungen passiert, ist anderswo absolut unvorstellbar.

Da bestätigt die Staatsanwaltschaft offiziell, dass gegen den Bundeskanzler und seinen Staatssekretär „wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Untreue“ ermittelt wird – und am nächsten Tag erwähnt fast keine Zeitung auch nur diese Tatsache.

Korruptionsermittlungen gegen den amtierenden Regierungschef würden anderswo den Staat erschüttern und zu lautstarken Rücktrittsrufen führen. Aber nicht bei uns in Österreich. Denn bei uns sind Strafverfahren gegen einen Regierungschef – oder auch gegen die Unterrichtsministerin wegen ihrer seltsamen Rolle bei der Kommunalkredit-Pleite – nicht der Erwähnung wert. Zumindest, wenn die Verdächtigen rot sind.

Eine lobenswerte Ausnahme ist die unter dem Kürzel RMA zusammengefasste Kette der österreichischen Bezirksblätter. Diese (mir in keiner Weise nahestehende) RMA hat über das sogenannte ots-Service der APA am Dienstagvormittag allen Zeitungen des Landes folgendes mitgeteilt: „Wie der Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft, Thomas Vecsey, der RMA bestätigt, wurde die Polizei aufgrund einer Anzeige jetzt mit Ermittlungen gegen Bundeskanzler Werner Faymann und Staatssekretär Josef Ostermayer betraut. Auslöser war eine Sachverhaltsdarstellung der FPÖ. Darin wirft der freiheitliche Generalsekretär Harald Vilimsky (unter Berufung auf (sic) Medienberichte) den beiden SPÖ-Politikern vor, während ihrer Zeit im Infrastrukturministerium Druck auf die ÖBB bei der Inseratenvergabe ausgeübt zu haben. Faymann wie Ostermayer dementieren diese Anschuldigungen. Vecsey bestätigt weiters, dass ,gegen Faymann und Ostermayer wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauchs und der Untreue ermittelt wird‘. Es gilt die Unschuldsvermutung.“

Nur zur Erläuterung: Wenn die Staatsanwaltschaft die Polizei mit Ermittlungen betraut und Anzeigen nicht gleich wieder zurücklegt, sieht sie den Vorwurf zumindest als inhaltlich schlüssig an. Auch wenn ich trotzdem ziemlich viel verwetten würde, dass diese Staatsanwaltschaft nie und nimmer eine Anklage gegen Faymann wagen würde. Dennoch wünsche ich dem einen mutigen Staatsanwalt (das ist natürlich nicht der Herr Vecsey), der die Causa aufgenommen hat, dass er sich nicht einschüchtern lässt.

Am Mittwoch aber blättere ich und blättere ich – und finde fast nirgendwo eine Zeile zu dem Skandal.

Es gibt eigentlich nur drei mögliche Erklärungen für die seltsame Ruhe im Blätterwald: Entweder die Staatsanwaltschaft hat den Zeitungen unter der Hand erklärt, dass das Verfahren ohnedies bald eingestellt wird. Oder die Medien sind tatsächlich schon bis auf die Knochen von ÖBB- und anderen Faymann-inspirierten Inseraten bestochen und müssen daher auch eine Aufdeckung der eigenen Rolle fürchten, wenn diese Inseratenkorruption (die auch schon von internationalen Transparenz-Experten als solche identifiziert worden ist) stärker thematisiert wird. Die dritte Erklärung: Sie sind allesamt so knalllinks, dass sie nicht einmal mehr die grundlegenden Fakten berichten.

Dafür aber sind die Zeitungen heftig dabei, gegen die drei Parteien rechts der Mitte zu hetzen: Fast gleichgeschaltet erregen sie sich darüber, dass gegen drei Minister der schwarz-blau-orangen Zeit behördlich ermittelt wird und sehen darin den Beweis, wie verkommen diese Regierung war. Und kein einziger Leser erfährt die Tatsache, dass zur gleichen Zeit gegen drei rote Minister mit mindestens genauso schlimmen Vorwürfen ermittelt wird. Obwohl das naturgemäß bei amtierenden Ministern mindestens genauso gravierend ist wie bei Hasbeenern.  Fast wie in einem totalitären System gleichgeschaltet attackieren die Zeitungen den damaligen Bundeskanzler – obwohl gegen den kein einziges Indiz vorliegt – und verschonen dem amtierenden. Wenn einem da nicht übel wird.

Die Regel ist klar: Gegen Schwarz-Blau-Orange gilt die Schuldvermutung und gegen Rot die Schweigegewissheit.

Selbst Vorgänge, die für jeden Juristen auf den ersten Blick als nicht rechtswidrig erkennbar sind, werden flächendeckend und für Nichtjuristen heftig dramatisierend aufbereitet. Nur weil sie schwarze oder blaue oder organge Politiker zu belasten scheinen. Oder weil sie vom (Ex-?)Kommunisten Peter Pilz vorgelegt werden.

Beispiel eins: Willi Molterer soll für einen oberösterreichischen Fußballverein bei der Telekom einen niedrigen fünfstelligen Werbungs-Auftrag, also Sponsoring im Gegenzug für Werbung erbeten haben. Wenn das rechtswidrig ist (was es nicht ist), dann ist das um ein Vielfaches größere Sponsoring der Verbund-Gesellschaft bei der Wiener Austria um ein Vielfaches schlimmer. Denn die größte österreichische Stromfirma wirbt ausgerechnet bei jenem Verein, bei dem der Abgeordnete, Gewerkschafts-Boss und vor allem SPÖ-Energiesprecher Wolfgang Katzian Präsident ist. Aber über die Werbung auf den Dressen von Sierning wird geschrieben, über jene der Austria nicht. Noch größer ist der Betrag, den Wiener Gemeindebetriebe Rapid an Geldern zuschieben. Und Präsident von Rapid ist ganz zufällig  . . .

Beispiel zwei: Wenn die ÖBB (Korruptionsbetrieb Nummer eins) Vorwürfe gegen den jetzigen Chef ihres künftigen Konkurrenten „Westbahn“, der früher ein ÖBB-Manager war, lancieren und das noch auf dem Umweg über Peter Pilz, müsste das allein schon denkenden Journalisten zu denken geben. Umso mehr müsste das der Fall sein, wenn auch hier ganz offensichtlich kein Verstoß gegen das Strafrecht vorliegt. Denn der Mann hatte einem (zweifellos mehr als dubiosen, aber deswegen nicht automatisch in jeder Handlung kriminellen) PR-Agenten das Namensrecht für „Railjet“ abgekauft. Dieses Namensrecht lag juristisch eindeutig bei dem PR-Agenten. Wenn nun – viele Jahre später – ein ÖBB-Mitarbeiter behauptet, dass eigentlich er als erster die Idee zu dem Namen hat, ist das lieb, aber juristisch völlig irrelevant. Und nur sofort erkennbarer Teil einer Hetzkampagne.

Der ORF hat wenigstens über die Ermittlungen gegen Faymann und Co berichtet. Freilich nur als trockene Meldung, während die Vorwürfe gegen Ex-ÖVPler wie Ernst Strasser oder Alfons Mensdorff-Pouilly seit Tagen Spitzenmeldungen sind und mit bewegten Bildern unterlegt werden. Was psychologisch die Sache viel stärker ins Gedächtnis einprägt.

PS zu ORF und Faymann: Bei dessen Sommerinterview wurden vom Staatssender absolut alle Fragen ausgelassen, die vielen Menschen Sorgen bereiten und die die Zukunft des Landes überschatten: Von der Migration, die rasch wachsende Islamisierung, die zunehmende Überalterung, die alljährlich steil ansteigende Staatsverschuldung bis zur Hacklerregelung. Gleichzeitig ließ es die Moderatorin Faymann durchgehen, dass er die Arbeiterkammer als „unverdächtigen Zeugen“ für seine Behauptungen anrief und bei der Vermögenssteuer eine auf den ersten Blick als verfassungswidrig erkennbare Variante vorschlug: Besteuerung von Geld und Grund, aber nicht von Schmuck und ähnlichem. Und wäre es nicht verfassungswidrig, würde es jedenfalls alle bevorzugen, die jetzt massiv ihr Bargeld in Gold wechseln. Wie sich der kleine Bundeskanzler mit den großen Lücken im Lebenslauf die Dinge halt so vorstellt.

 

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Von der Unmoral der Politik und der der Moral der Krise

31. August 2011 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Selbst kluge Menschen fragen immer wieder verzweifelt nach den Ursachen der Krise der letzten drei Jahre. Selbst wissenschaftlich gebildete Menschen lassen sich leicht durch die Politik in die Irre führen, die mit ihren großen Propagandaapparaten ein Einziges noch immer sehr gut kann: Schuldzuweisungen an andere auszustreuen.Was sie in der Krise intensiv getan hat.

Dabei kann wenig Zweifel bestehen, die Politik selbst – und zwar die vieler Länder – ist einer der ganz großen Ursachen der Krise. Das kann man freilich auch positiver klingend formulieren: Die Weltwirtschaft war in den letzten drei Jahrzehnten in so guter Stimmung, dass man jedes ökonomische Problem für lösbar hielt, dass man nachlässig wurde, dass man sich nicht auf große Krisen vorbereitete, dass man die Staaten hemmungslos verschuldete, dass man glaubte, alles durch Wachstum finanzieren zu können.

Daher heute noch einmal Eindrücke von der großen Tagung der Wirtschafts-Nobelpreisträger in Lindau. Am Montag hatte ich ja von den Therapie-Vorschlägen der wichtigsten Wirtschaftsexperten der Welt berichtet. Heute tue ich das – zugegeben in etwas unüblicher Reihenfolge – von deren Diagnosen.

Über die Komplexität der Ursachen scheint sich der Großteil der Ökonomie-Laureaten weitgehend einig. Freilich wagen etliche von ihnen nicht den geschützten Bereich ihrer Spezialdisziplin zu verlassen (wie es etwa die Spieltheorie oder der Behaviorismus sind, die sich ganz auf das Verhalten einzelner Firmen oder Konsumenten konzentrieren, ohne die großen Probleme anzugehen). Dennoch zeigt sich ein großes Ursachenbündel, das in der Summe von den anderen Preisträgern genannt wird. Wobei gar nicht alle in der Krise eine Katastrophe sehen:

  1. Die amerikanische Notenbank Fed hat nach 2003 falsch reagiert. Damals lief nach Ende der sogenannten dot-com-Krise (also dem Platzen der Blase viel zu hoher Aktienpreise für Hunderte Internet-Firmen, die nie Gewinn gemacht haben) die Wirtschaft wieder auf Touren. Die Fed hat dennoch die Zinsen viel zu lange niedrig gelassen. So etwa wörtlich William White, der Chefökonom der OECD. Gleichzeitig bildeten sich in einigen Bereichen Blasen – ein allzu steiler Preisanstieg. Gleichzeitig haben die amerikanischen Haushalte nichts gespart, sondern sich in den Jahrzehnten des Booms verschuldet.
  2. Die Finanzkrise startete im amerikanischen Immobilienmarkt: Die US-Regierung hatte den Fehler begangen, die Finanz- und Währungspolitik einzusetzen, um mehr soziale Gleichheit zu erzielen, das war ein Fehler. So etwa die Diagnose des deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, mit der auch amerikanische Nobelpreisträger übereinstimmen. Mit den Worten des Nobelpreisträgers Myron Scholes: „Das amerikanische Immobilienfinanzierungssystem hat völlig versagt. Die staatlichen Hypothekenbanken gingen völlig unkontrolliert unkontrollierte Risken ein.“ Auch Robert Mundell, ein weiterer Laureat, sieht in der Hypothekenkrise den „ersten Akt“ der Rezession.
    Alle meinen sie dasselbe: Um auch Minderheiten wie Schwarzen und lateinamerikanischen Zuwanderern ein Eigenheim zu ermöglichen, hat die Regierung erzwungen, dass Banken solchen Familien auch dann einen Hypothekarkredit geben, wenn diese weder Sicherheiten noch ein fixes Einkommen haben. Diese Hypotheken waren oft sogar höher als der Wert des Hauses. Das hat zwar kurzfristig einen Immobilienboom ausgelöst und die Unterschichten politisch befriedet. Das hat aber unweigerlich nach Platzen dieser Blase, also beim Sinken des Wertes der Häuser, reihenweise zum Platzen der Kredite und zu Zwangsversteigerungen führen müssen.
  3. Überaus oft sprachen die Nobelpreisträger vom „Moral hazard“ und seinen schädlichen Folgen. Moral hazard bedeutet, dass man bei Eingehen eines hohen Risiko viel gewinnen – aber praktisch nichts verlieren  kann. Denn der Steuerzahler springt ein. „Moral Hazard ist allein imstande, große Krisen auszulösen.“ So etwa Nobelpreisträger Roger Myerson. Und sein Kollege William Sharpe: „Man konnte ein viel zu hohes Risiko eingehen und trotzdem sicher sein, von anderen gerettet zu werden.“ John Nash, Veteran unter den Preisträgern, nannte das gleiche Phänomen „Ehrlichkeitsfaktor“.
  4. Viele Kontroversen löste hingegen Robert Mundell aus: Er sieht Währungskriege als die Ursache aller Krisen – und will deswegen die großen Währungsblöcke fix aneinanderbinden. Was freilich bei den Europäern Kopfschütteln auslöst. Sind doch ihre Probleme nicht zuletzt dadurch entstanden, dass schon der Euro ein viel zu großer Währungsblock zu sein scheint.
  5. Durch einen künstlich zu niedrigen Kurs der chinesischen Währung ist ein Liquiditäts-Exzess entstanden, so nochmals White. Das heißt: Auch die Chinesen haben dafür gesorgt, dass zu viel Dollar und Euro im Umlauf waren und trotzdem die Industrieprodukte nicht teurer wurden. Was normalerweise bei zu großem Geldumlauf passiert.
  6. In den Boom-Phasen entstanden nationale Blasen. Das sind stark angestiegene Preise für bestimmte Werte. In diese Blasen sind aber auch viele globale Gelder hineingeflossen (Myerson).
  7. Die Geldpolitik der Europäischen Notenbank war für etliche Länder an der europäischen Peripherie „völlig falsch“ (White). Diese Länder kamen im ersten Euro-Jahrzehnt trotz überhöhter Lohn- und Preiszuwächse durch den Euro viel zu leicht zu Krediten, obwohl das Gegenteil richtig gewesen wäre.
  8. Die Regierungen in Europa und Amerika haben zu weitgehende Zusagen in Hinblick auf die Pensions- und Gesundheitsversorgung gegeben; was laut William Sharpe besonders im öffentlichen Dienst der Fall war.
  9. „Alle Länder hatten eine asymmetrische Fiskalpolitik. Sie glaubten an den ewigen Boom.“ (White). Das heißt übersetzt: Sie haben auch in Boom-Phasen Schulden gemacht, obwohl selbst nach dem als Schuldenpapst der Linken geltenden Keynes in diesen Phasen Überschüsse zu erzielen wären. Von diesen Schulden haben damals alle profitiert, aber nach dessen Ende wurden automatisch die Defizite hinaufgetrieben.
  10. Der zypriotische Nobelpreisträger Christopher Pissarides analysiert ein Detailproblem der Vorkrisenpolitik, nämlich die Fehler im Arbeitsmarkt: „In Griechenland ist die Teilzeit überreguliert, daher zu teuer. In den Niederlanden werden die Menschen hingegen zu Teilzeittätigkeit ermutigt.“
  11. Joseph Stiglitz hat seine eigene Erklärung für die Krise: „Die große Depression der 30er Jahre war am Übergang von der Landwirtschaft zur Industrie. Jetzt geht es um den Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Man muss daher die Arbeitskräfte durch Strukturpolitik aus einem sterbenden Sektor herausführen. Dennoch wird es immer eine normale Arbeitslosigkeit geben und daher dürften die Versuche die Wirtschaft zu stimulieren, kontraproduktiv sein.“
  12. Die Eurokrise ist, so macht Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut klar, gar keine Währungskrise, sondern eine Mischung aus anderen Krisen (Bankenkrisen, Staatsschuldenkrise). Die Krisen in Griechenland und Portugal sind ohne Verbindung zur Finanzkrise entstanden (also nur durch ständig zu hohe Regierungsausgaben); jene in Irland und Spanien hingegen stehen in Verbindung mit den Aktionen der dortigen Regierungen, die viel zu großen Banken des Landes zu retten.
  13. Die impliziten Schulden der Staaten übersteigen die expliziten, also die offiziell angegebenen um ein Vielfaches. (Nobelpreisträger Edmund Phelps schätzt sie für die USA auf 70 bis 80 Billionen Dollar). Dabei geht es um versteckte oder ausgelagerte Schulden, Haftungen und Zahlungsverpflichtungen (In Österreich wären das etwa die Pensionszusagen, das Gesundheitssystem, die ÖBB, die Asfinag, die Haftungen der Bundesländer und Gemeinden).
  14. Manche Banken haben, wie wenn sie ein Hedgefonds wären, mit viel zu vielen Krediten gearbeitet (Scholes).
  15. Die Ratingagenturen hatten mit falschen Modellen bewertet (ebenfalls Scholes).
  16. Griechenland macht heute noch ein Primärdefizit. Es gibt also, auch wenn man Zinsen- und Schuldenzahlungen abrechnet, trotz Sparpaketen noch immer mehr aus, als es jedes Jahr einnimmt. Das erinnert an die Weimarer Republik der deutschen Zwischenkriegszeit, wo auch dann, wenn man die oft genannten Reparationszahlungen an die Siegermächte abzieht, jedes Jahr mehr ausgegeben als eingenommen worden ist (Hellwig).
  17. „Die vielfach beklagten hohen Lebensmittelpreise haben auch eine positive Seite“, so James Mirrlees, ein weiterer Preisträger. „Denn sie haben viele Menschen aus der Armut herausgebracht.“ Womit er vor allem die in den Dörfern der Dritten Welt lebenden Lebensmittelproduzenten meint. Unser Blick sei zu stark von den städtischen Protesten gegen teurere Lebensmittel geprägt. Außerdem haben die höheren Preise die Lebensmittelproduktion gesteigert.
  18. Sein Kollege Edward Prescott fand sehr viel Zustimmung, zumindest unter den marktwirtschaftlichen Ökonomen, als er die Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit von Krisen sogar verteidigte. „Die Konjunkturzyklen sind die beste Antwort auf Schocks für das Wirtschaftssystem zu reagieren. Daher gehen alle Versuche, die Wirtschaft zu stabilisieren, in die Irre.“ Das war – für mich – wohl der grundlegendste Analyseansatz. Denn er bedeutet im Klartext: Die Konjunkturpakete helfen nichts, verzerren nur die Entwicklung – und hinterlassen immer größere Schulden.

Fazit: Viele der genannten Punkte haben den giftigen Krisencocktail gemischt. Manche Experten sehen freilich auch durchaus Positives in einer Krise. Andere Ursachenforscher vertreten hingegen wieder eher eine originelle Einzelmeinung. Und wenn man sich Prescotts Sichtweise anschließt, dann lag der wirkliche Fehler gar nicht vor der Krise, sondern in den falschen Reaktionen auf die Krise.

Letztlich gibt es jedenfalls ganz sicher nicht „den“ Hauptschuldigen. Letztlich ist aber auch fast niemand nur ein unschuldiges Opfer der Krise. Zumindest sind die Bürger als Wähler dafür verantwortlich, dass sie die Parteien für ihr verantwortungsloses Verhalten nicht bestraft haben.

Diesen vielen Analysen darf man freilich auch eine Erkenntnis des normalen Lebens hinzufügen. Dort gilt wie in der Wirtschaftswissenschaft das gleiche Prinzip: Nachher ist man immer viel schlauer.

 

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Chuzpe in allen Farben

30. August 2011 01:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In diesem Land passieren so viele Dummheiten, Bösartigkeiten und Seltsamkeiten, dass man als deren Chronist oft ins Schwitzen gerät. Daher muss man bisweilen zum Mittel der Kollektivabfertigung, zur neuerdings modischen Sammelklage greifen. Heute gegen die Herrn Schieder, J.Pröll, Ellensohn, Kräuter, E. Rasinger und Wrabetz, gegen blau-orange Kärntner, rote Steirer und grüne Greenpeacler.

Sehr begrenzte Intelligenz hat etwa der SPÖ-Staatssekretär Andreas Schieder gezeigt. Denn er hat ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt im geifernden Klassenkampfton nach höheren Krankenversicherungsbeiträgen der „Reichen“ verlangt, da die Krankenversicherungen überraschend einen Überschuss melden. Er hätte aber ein wenig besser recherchieren sollen, wenn er schon das Sommerloch zum Anpreisen linker Ladenhüter nutzen will. Freilich könnte man solche ständige Attacken rot-grüner Politiker auf die Reichen auch anders als nur in der Kategorie Dummheit qualifizieren, würde man die gleiche Logik anwenden, wie sie Rot und Grün im Fall des norwegischen Massenmörders B. gegenüber Islamkritikern anwenden: nämlich als Anstiftung zur Kriminalität. Wer die angeblichen Reichen so konsequent attackiert wie Islamkritiker die gewaltverherrlichenden Aussagen jener Religion, der ist nach jener Logik zweifellos genauso schuld, wenn eines Tages auch bei uns die Autos angeblich Reicher brennen wie jetzt in Berlin oder wenn die Supermärkte vom Mob geplündert werden wie vor kurzem in England. Wobei bei Schieder wohlgemerkt jeder ein verstärkt zu schröpfender Reicher ist, der mehr als 4020 Euro pro Monat verdient!

Der Mund blieb einem dieser Tage offen, als man erfuhr, dass die Hypo Alpen-Adria bis jetzt an das Land Kärnten eine sogenannte Haftungsprämie gezahlt hat. Das ist eine an sich übliche Entschädigung dafür, dass Kärnten mit 20 Milliarden Euro für Kredite der Bank haftet. Nur: Das Bundesland haftet de facto gar nicht mehr dafür. Denn die Bundesregierung hat vor fast zwei Jahren die am Rande des Bankrotts stehende Bank übernommen und diese mit viel Steuergeld gerettet. Der damals für diesen Unsinn hauptverantwortliche Finanzminister Josef Pröll hatte das mit folgender Begründung getan: Kärnten wäre von den Haftungen total überfordert und müsste sofort in Konkurs gehen. Dabei hat Pröll damals nur von sechs Milliarden Kärntner Haftungen gewusst und noch gar nicht deren vollen Umfang gekannt. Wie aber reagiert das Land Kärnten auf den Zahlungsstopp der Hypo? Statt schuldbewusst ob der grob fahrlässigen Haftungs-Politik von Blau/Orange den Kopf einzuziehen, verlangt das Land frech die Weiterbezahlung der Haftungsprämie. Stammt das Wort Chuzpe am Ende nicht aus dem Jiddischen, sondern aus dem Kärntner Dialekt?

Chuzpe oder Ahnungslosigkeit? Eines von beiden muss den grünen Wiener Koalitionsdrahtzieher David Ellensohn bewegt haben, als er in einem Interview die skandalösen Wiener Preiserhöhungen zu rechtfertigen suchte. Er behauptete, gäbe es in Österreich eine Vermögenssteuer, gäbe es keine Preiserhöhung. Damit sind die – vermeintlichen – Erträge einer solchen Steuer von Grün oder Rot locker schon zum dreißigsten Mal verbal für irgendetwas verwendet worden, von Steuerermäßigungen bis zur Uni- und Pflegefinanzierung. Das ist zumindest Chuzpe. Diese entpuppt sich als totale Ahnungslosigkeit, wenn man sich den genauen Wortlaut Ellensohns zu Gemüte führt. Er verlangt nämlich „Vermögenssteuern auf die Superreichen auf Schweizer Niveau“. Der Mann weiß offenbar nicht, dass die Schweiz das liebste Ansiedlungsland für die Superreichen aus aller Herren Länder ist – und das aus einem einzigen Grund: Weil die Superreichen dort zumindest in vielen Kantonen so wenig Steuern zahlen wie in keinem anderen Land (was aber der Schweiz in der Summe mehr Einnahmen bringt, als wäre sie ein Hochsteuerland).

Nochmals die Wiener Grünen: Ebenfalls Chuzpe ist ihr Nein zu einem Untersuchungsausschuss, der die vielen neuen Korruptionsskandale rund um das AKH aufarbeiten soll. „Keine Notwendigkeit“ meinen sie. Dabei sind die Grünen überall dort, wo sie nicht mitregieren, die häufigsten Rufer nach solchen Untersuchungsausschüssen. Wohl noch nie hat hierzulande eine Partei für ein winziges Zipfelchen der Macht- und Postenteilhabe so schnell alle Grundsätze aufgegeben, für die sie vorher mit großem Gedröhne behauptet hatte zu stehen.

Ahnungslosigkeit muss man dem schwarzen Gesundheitssprecher Erwin Rasinger attestieren. Denn er will dem Gesundheitssystem durch eine Erhöhung der Tabaksteuer mehr Gelder verschaffen. Unabhängig von der Frage, ob in diesem System wirklich so effizient und sparsam gewirtschaftet wird, dass man überhaupt über mehr Einnahmen reden müsste, scheint sich Herr Rasinger jedenfalls bei der Tabaksteuer nicht auszukennen. Denn beispielsweise aus Deutschland ist soeben gemeldet worden, dass die Einnahmen aus dem Zigarettenverkauf um zweistellige Prozentsätze zurückgehen: (leider) nicht, weil weniger geraucht wird, sondern weil die teuren legalen Zigarettenpreise europaweit den Schmuggel der giftigen Ware sehr profitabel gemacht haben. Damit bringt jede Preiserhöhung nicht mehr mehr, sondern immer weniger Geld in die Kasse. Damit niemand falsche Schlüsse zieht: Ich bin seit mehr als drei Jahrzehnten Nichtraucher.

Öffentlich eher unbemerkt ist auch eine Chuzpe des roten Parteisekretärs Günther Kräuter geblieben. Er hat in einem Interview seine „Gesprächsbereitschaft“ über eine Aufwertung der ÖIAG verkündet. Freilich nur unter einer Bedingung: Zuvor müsse dort das System des sich selbst erneuernden Aufsichtsrates abgeschafft werden. Mit anderen Worten heißt das völlig ungeniert: Wir wollen endlich auch dort wieder den parteipolitischen Proporz haben (und so ganz nebenbei zusammen mit den Belegschaftsvertretern die Mehrheit). Dabei ist gerade dieser ÖIAG-Aufsichtsrat eine der größten und bisher unangetasteten Erfolgsstories der schwarz-blauen Ära: Wenn aus dem – von lauter Spitzenmanagern und Unternehmern gebildeten – Aufsichtsrat ein Mitglied ausscheidet, entscheidet der Aufsichtsrat selbst über die Nachfolge. Ohne dass irgendein Politiker mitreden könnte. Genau dieses System hat nach Jahrzehnten der Parteibuchwirtschaft eine Entpolitisierung der einstigen Megaproblemzone „Verstaatlichte Industrie“ gebracht und einen großen Schuldenberg in eine sehr positiv bilanzierende Holding verwandelt. Die SPÖ will aber ganz offensichtlich lieber eine Struktur und damit Misswirtschaft wie bei ÖBB und ORF, wo jeweils ihre Minister die entsprechenden Räte dominierend beschicken.

Apropos ORF: Voll Staunen konnte man hören, wie der brave Parteisoldat Alexander Wrabetz vor seiner durch die rotgrüne Dampfwalze gesicherten Wiederwahl als Generaldirektor eine Reihe neuer Programme ankündigte. Dabei hieß es doch immer, der ORF pfeife aus dem letzten Loch und brauche dreistellige Millionenbeträge des Steuerzahlers. Ein enger Wrabetz-Mitarbeiter schmunzelte, als ich ihn auf diese Diskrepanz ansprach: Das sei ja alles nur Wahlkampf und werde eh nicht so kommen. Aha. Habe ich heute schon das Wort Chuzpe verwendet?

Auf Plakaten mit dem Photo lieber Kinder und Teddybären wirbt Greenpeace um Spenden (die der Verein ja trotz der vielen von Greenpeace ausgestreuten Unwahrheiten immer noch von etlichen Mitbürgern bekommt). Wie aber formuliert die grüne Vorfeld-Organisation ihren Appell? „Mit Ihrer Spende Greenpeace Eingreiftrupps ausrüsten.“ Man stelle sich vor, was im Lande los wäre, würde irgendeine Partei oder Gruppierung rechts der Mitte eine so militant-aggressive Sprache verwenden! Die „Eingreiftrupps“ wären sofort als neue SA entlarvt und das „Rüsten“ würde überhaupt als Kriegserklärung erkannt; in „Falter“, „Profil“ und „Standard“ würden Protestaufrufe mit langen Unterschriftslisten der linken Szene veröffentlicht; Tarek Leitner würde mit vor Erregung zitternder Stimme einen pointierten ZiB-Beitrag moderieren; und selbstverständlich würde auch die Wiener Staatsanwaltschaft aktiv. Aber bei Greenpeace ist natürlich alles anders. Auch wenn manche nur deshalb für die Greenpeace-Rüstung spenden, um nicht selber ins Visier irgendeiner Eingreiftruppe zu geraten.

In Fohnsdorf schließlich tritt der frühere SPÖ-Bürgermeister auf einer Namensliste zur vorzeitigen Neuwahl des Gemeinderates an. Gegen ihn gibt es schwere Vorwürfe des Bundes- und Landesrechnungshofs sowie staatsanwaltschaftliche Erhebungen. Er ist deshalb des Amtes enthoben und veranlasst worden, seine SPÖ-Mitgliedschaft ruhend zu stellen. Das klingt ehrenvoll für die steirische SPÖ. Weniger ehrenvoll ist freilich, dass die gesamte SPÖ-Mannschaft Fohnsdorfs nun auf dieser angeblichen Namensliste kandidiert und dass es daneben nicht einmal pro forma eine SPÖ-Liste gibt. Und das in einem Ort, wo die Partei zuletzt über 70 Prozent der Stimmen erreicht hatte! Habe ich am Ende schon wieder das Wort Chuzpe gehört?

 

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Der Großangriff auf einen Mächtigen?

29. August 2011 15:42 | Autor: Georg Vetter
Rubrik: Gastkommentar

Die jüngsten Nachrichten im Zusammenhang mit der Telekom-Affäre enthielten zwei wirklich interessante Meldungen: Erstens sei Hubert Gorbach Teil des korrupten Systems und zweitens werden nun auch Telekom-Deals wie jene in Bulgarien und Weißrussland geprüft werden.

Ähnliches hatten wir schon erwartet, als man uns nach der Aufdeckung der Kursmanipulation im Jahr 2004 darauf vorbereitete, dass erst zwanzig Prozent des Eisberges bekannt seien. Ein Kronzeuge, der nur dann straffrei bleibt, wenn er alles auf den Tisch legt, hatte ja ausgesagt.

Hoppala, denke ich mir: Hubert Gorbach? Der sitzt doch im Aufsichtsrat der RHI? Die RHI gehört doch Martin Sch.? Bulgarien? Den Deal hat doch Martin Sch. eingefädelt? Weißrussland? Das war doch auch Marin Sch.?

Martin Sch. ist einer der geheimnisumwittertsten Österreicher. Und einer der reichsten. Und einer, zu dem Alfred Gusenbauer am ersten Abend seiner Kanzlerschaft zum Essen eingeladen war.

Heißt also die Übersetzung von: „Das sind nur die ersten zwanzig Prozent!“ auf Deutsch: „Martin, wir haben Dich!“? Wahrscheinlich sehen wir das alles viel zu schwarz. Als WikiLeaks Ende des letzten Jahres ankündigte, in einem Monat sensible Daten einer großen Bank zu veröffentlichen, passierte auch nichts…

Wir dürfen auf die nächsten Tage gespannt sein. Martin Sch. ist bekanntlich bestens vernetzt.

Die Telefone werden heiß laufen und irgendwie wäre ich gerne eine kleine Wanze in einer der großen Agentur- oder Redaktionsstuben unseres Landes.

Wir werden sehr genau zu beobachten haben, wer und was in den nächsten Tagen alles auftaucht. Wer Opfer und wer Täter sein will, wer zum Bauernopfer und wer zum Bauerntäter gestempelt wird. Und ob irgendwo die große Ablenkung beginnt – hier ein grauslicher Mord, dort ein widerlicher Inzestfall – und wir anschließend zur Tagesordnung übergehen.

Wer frei von Schuld ist, setze sich einen Heiligenschein auf und empöre sich.

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt mit Schwergewicht auf Gesellschaftsrecht und Wahrnehmung von Aktionärsinteressen in Publikumsgesellschaften.

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Sieben magere Jahre - und die Rezepte, um sie fetter zu machen

29. August 2011 01:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es tut wohl, seine geistige Festplatte in Sachen Finanz- und Schuldenkrise durch die weltweit besten Wirtschaftsexperten mit neuem Wissen und neuen Zusammenhängen aufladen zu lassen. Zugleich aber kann das auch deprimieren. Das ist meine persönliche Bilanz nach einer Woche mit 17 Wirtschaftsnobelpreisträgern und Hunderten internationalen Ökonomen. Zu etlichen dieser Erkenntnisse an ruhigeren Tagen mehr – beispielsweise jenem, warum Österreich auch in den nächsten Jahren wohl keinen Nobelpreis bekommen wird. Heute aber zur zentralen, alles dominierenden Frage: Wie kann man die Finanz- und Schuldenkrise in den Griff bekommen. Ja, kann man das überhaupt noch?

Die Analysen der Nobel-Laureaten im deutschen Inselstädtchen Lindau heben sich jedenfalls in ihrer Klarheit wohltuend von dem ab, was man tagtäglich hierzulande von Politik und sogenannten Wirtschaftsexperten zu hören bekommt. Das gilt auch dann, wenn sie untereinander nicht in jedem Aspekt einer Meinung sind. Und ebenso dann, wenn diese Analysen zu eher deprimierenden Ausblicken führen.

Denn abgesehen von einer nicht sonderlich ernst zu nehmenden populistischen Ausnahme gab es keinen einzigen unter den versammelten Experten, der vorgeben würde, er hätte ein alleinseligmachendes Rezept, wie man die aktuelle Krise leicht beenden beziehungsweise (je nach Sichtweise) die nächste Krise verhindern könnte.

Denn erstens sind Krisen immer unvermeidlich. Und zweitens haben allzu viele Fehler der letzten Jahre alle schnellen und leichten Lösungen vermauert.

Die Instrumente funktionieren nicht mehr

Am brutalsten brachte das der OECD-Chefökonom William White auf den Punkt: „Die Wirtschaft ist geschwächt und wir haben alle wirtschaftspolitischen Instrumente erschöpft. Sowohl bei den öffentlichen Haushalten wie auch bei der Währungspolitik. Sämtliche Zentralbank-Instrumente werden nicht mehr funktionieren.“ Kurz, trocken und hoffnungslos.

Dennoch bekommt man von anderen Diskutanten Etliches an Empfehlungen zu hören. Der amerikanische Nobelpreisträger Roger Myerson etwa empfiehlt genau das, was viele Sparer am meisten fürchten, und was schon jetzt – freilich uneingestanden – den Kurs etlicher Zentralbanken zu prägen scheint: „Die Zentralbanken sollten auf ein dreiprozentiges Preisband abzielen.“

Auch wenn er das I-Wort nicht in den Mund nimmt, weckt Myerson mit solchen Tipps die Sorge vor einem Inflationsschub, der – ebenfalls unausgesprochen – die Schuldenlast der Staaten reduzieren könnte. Denn bisher gilt eine Inflationsrate von höchstens(!) zwei Prozent als Maxime etwa der Europäischen Zentralbank.

Ganz anders als Myerson hingegen sein Kollege und Landsmann Myron Scholes: Dieser empfiehlt dringend, dass sich Regierungen und Zentralbanken nicht in die Wirtschaft einmischen sollten. Das heißt freilich nicht, nichts zu tun. Von den Staaten verlangt Scholes vielmehr strenge Schuldendisziplin und von den Banken, dass sie deutlich transparenter werden müssen. Niemand wisse ja bei einer Bank: „Was ist sie wirklich wert?“

Scholes meint mit mehr Transparenz vor allem eine Änderung der Bilanzierungsregeln. Seine Vorstellungen zielen dabei freilich genau in die Gegenrichtung dessen, was sich etwa in Österreichs Finanzwelt so manche wünschen: Denen geht nämlich schon die in den letzten Jahren unter internationalem Druck gestiegene Transparenz viel zu weit; sie wollen am liebsten wieder das alte österreichische Handelsgesetzbuch alleine in Kraft haben.

Dieses hatte mit dem Anschaffungsprinzip beispielsweise dazu geführt, dass in jeder Bilanz viele versteckte Reserven stecken, die nur Insidern bekannt sind. (So hat einst beim stürmischen Kauf der Creditanstalt zweifellos der Generaldirektor der meistbietenden Bank Austria am besten unter allen Kaufinteressenten gewusst, was die österreichische Traditionsbank wirklich wert ist.)

Bessere Bilanzierungsregeln stehen auch im Rezeptbuch von William Sharpe, einem weiteren Laureaten. Er meint damit insbesondere die Staaten: „Bei der Bilanzierungsehrlichkeit sind ja die Regierungen besonders schlecht.“ Ein weiteres Sharpe-Rezept, das freilich auch er selbst nicht für alleinseligmachend hält: Man könnte versuchen, allzu große Banken aufzuspalten.

Der Ruf nach mehr Bewertungswahrheit hängt auch eng mit einer weiteren Empfehlung zusammen, die sowohl von Scholes wie auch von Myerson und vom Chef des deutschen Max-Planck-Instituts für kollektive Güter, Martin Hellwig, gegeben wird: „Wir brauchen endlich intensive internationale Bemühungen um Insolvenz-Regeln.“

Denn auch heute gibt es noch keine klaren Regeln, was passiert, wenn große multinational tätige Finanzinstitute und insbesondere ganze Staaten bankrott gehen. Nach Ansicht vieler Regierungen sind diese „too big to fail“ und werden fast immer um teures Geld "gerettet".. Dabei ist ein ordentliches Insolvenzrecht die wichtigste Sanitätspolizei jeder Marktwirtschaft; der Kommunismus ist unter anderem daran zugrunde gegangen, dass dort kein Unternehmen, keine Organisation in Konkurs gehen konnte, wodurch marode Schuldenproduzenten jahrzehntelang weiterexistieren konnten.

Für den optimistischen Teil der Überlegungen wäre eigentlich funktionsbedingt Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister, zuständig. Freilich rutschten auch ihm einige erstaunlich ehrliche Sätze heraus, die zeigen, was der mächtigste Mann des europäischen Währungsraums wirklich denkt: „Uns stehen wohl noch sieben schlechte Jahre bevor.“ Und: „Die Europäische Währungsunion wird keinen Erfolg haben, wenn einige Länder ihre Möglichkeiten missbrauchen.“ Und: „Risiko und Verantwortung müssen wieder mehr zusammengehen.“

Schäubles Forderung: Die Defizitstaaten – das sind freilich in Wahrheit alle Euro-Länder – müssten ihre „unhaltbaren“ Defizite reduzieren und rasche Strukturreformen setzen. Dabei hob er ganz besonders die Notwendigkeit einer größeren Flexibilität der Arbeitsmärkte hervor (was vor allem die leichtere Kündbarkeit von Mitarbeitern bedeutet; denn nur, wenn man auch leicht wieder einen Mitarbeiter abbauen kann, werden Arbeitgeber solche in größerem Umfang aufnehmen).

In Hinblick auf die Finanzmärkte klingt Schäuble freilich recht widersprüchlich. Einerseits fordert er wie viele andere mehr Regulierung für die Finanzmärkte. Andererseits musste der Politiker Schäuble aber selbst zugeben: „Die Märkte sagen den Regierungen Dinge, die diese nicht gerne hören; sie sind daher notwendig.“

Jeder weitere Wunsch nach noch weiteren Regulierungen löst die Sorge aus, dass die Regierungen die Märkte in eine ganz bestimmte Richtung regulieren werden: nämlich so, dass diese den Regierungen nicht mehr so oft die von Schäuble noch gelobten unangenehme Dinge sagen können. Schließlich sind die Regierungen ja selbst die undiszipliniertesten Schuldenmacher.

Die Tendenz der Regierungen, Kritiker zu knebeln, sieht man ja etwa schon an ihrer Kampagne gegen die Ratingagenturen, seit diese gewagt haben, die Kreditwürdigkeit einzelner Staaten in Frage zu stellen. Diese Tendenz sieht man auch an den sogenannten Basler Abkommen, die den Banken völlig verzerrende Eigenkapital-Regeln auferlegen: nämlich zugunsten der Staaten. Es ist durch Basel für jede Bank viel angenehmer und billiger, einem Staat Kredite zu geben als einem Unternehmen. Denn einen Kredit an Staaten und Länder müssen Banken nicht mit den sonst üblichen dicken und daher teuren Eigenkapitalpölstern absichern (die ja keine Zinsen abwerfen). Nicht zuletzt deshalb hatten auch unseriöse Staaten bis vor kurzem immer noch Kredit bekommen.

Zurück zu den Empfehlungen der Nobelpreisträger selbst: Weitgehend Konsens herrscht darüber, dass die Banken jedenfalls mehr Eigenkapital halten müssen. Das wird diese automatisch kleiner und risikobewusster machen.

Das wird aber auch die Kredite knapper machen. Myerson fürchtet außerdeem, dass höhere Eigenkapitalpflichten der Banken die Versuchung weiter erhöhen wird, Geschäfte in sogenannte Schattenbanken auszulagern. Das bedeutet, dass riskantere Finanzgeschäfte über solche Firmen abgewickelt würden, die gar keine Banken sind, und die daher viel weniger kontrolliert und reguliert werden.

William Sharpe setzt noch aus einem anderen Grund nicht allzu viel Hoffnung auf strengere Regulierungen der Finanzwelt: „Smarte Leute wissen immer, wie Regeln zu umgehen sind.“ Was auch ein Experte aus der wirklichen Finanzwelt im Privatgespräch bestätigt: Schon heute werden international Finanzierungskonstruktionen angeboten, welche die noch gar nicht geltenden Vereinbarungen über höhere Eigenkapital-Pflichten ganz legal zu umgehen versuchen.

Einen interessanten Therapie-Akzent setzt ein weiterer Preisträger, nämlich Edmund Phelps: Entscheidend sei, kleineren und mittleren Unternehmen und auch kleinere Banken ausreichend Mittel zukommen zu lassen.

Manche werden nun fragen, wo in dieser Aufzählung die Empfehlungen von Joseph Stiglitz bleiben. Ist dieser doch der meist publizierende unter den Nobelpreisträgern, und auch durch seine Pointensicherheit sehr bekannt. Der gute Mann hat sich jedoch in Lindau als Populist im Nobelpelz entpuppt. Sein Rezept für die Schuldenkrise: Die Deutschen (und damit natürlich auch Österreicher und Niederländer) hätten ohnedies noch genug Geld, um durch weitere Hilfsaktionen für Griechenland & Co die Dinge in den Griff zu bekommen. Stiglitz ist daher gegen das Verlangen, dass Länder wie Griechenland viel sparsamer sein müssten. Er gibt sogar der – inhaltlich in Wahrheit total diffusen – spanischen Protestbewegung taxfrei „recht“.

Besonders negativ fiel Stiglitz dadurch auf, dass er von einer "ganz anderen Welt" schwärmte, „die möglich sei“. Ohne dass er diese freilich näher zu beschreiben versuchte. Solche gut klingenden, aber hohlen Phrasen erinnern jedenfalls intensiv an die Taktiken totalitärer Verführer der letzten hundert Jahre. Auch die haben immer jungen Menschen eine ganz andere Welt versprochen.

Fünf zentrale Strategien gegen die Krise

Welche Ratschläge würde der Autor selbst nach einer Woche intensiver Gehirnwäsche durch eineinhalb Dutzend der spannendsten Ökonomen der Welt zu geben versuchen? (Freilich fragen Österreichs Politiker ohnedies nirgendwo um Rat, wissen sie doch selbst nicht einmal darüber Bescheid, was sie alles nicht wissen):

Denn über allem steht das Zitat von Myron Scholes: „Wir wissen nicht, wann die nächste Krise kommt.“ Aber sie kommt. Oder hat vielleicht sogar schon begonnen.

 

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Bürgerkrieg in Europas Städten

28. August 2011 00:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Erstaunlich und eindrucksvoll, wie schnell die Briten die Unruhen und Plünderungen nach vier Bürgerkriegstagen wieder gestoppt haben. Skurril und lächerlich hingegen, wie sich Linksjournalisten geradezu enttäuscht zeigen darüber, dass die erhoffte Weltrevolution wieder einmal ausgeblieben und vorerst nicht mehr aufgeflammt ist. Und noch viel skurriler und lächerlicher sind die sogenannten Menschenrechtsvereine, die lautstark das Durchgreifen gegen Plünderer, Gewalttäter und Anstifter beklagen.

Offenbar haben die Opfer der Unruhen – etwa jene Angestellten, die ihren Job in den zerstörten Geschäften verloren haben – keine Menschenrechte. Offenbar wäre es diesen Menschenrechtsvereinen lieber, die Unruhen wären monatelang so weitergegangen, nur damit ja keiner der armen Jugendlichen zu hart angefasst wird. Obwohl gerade diese Härte leider ganz offensichtlich die einzige Sprache ist, welche diese Typen verstehen.

Dasselbe hat sich ja in der Reagan-Ära auch in den USA gezeigt, als die einst vor Kriminalität überkochenden Stadtzentren der Großstädte durch eine konsequente Zero-Tolerance-Strategie, bei der auch das kleinste Vergehen bestraft wird, wieder zivilisiert worden sind. Auch damals haben sich in den USA und noch mehr in Europa vermeintlich gute (in Wahrheit freilich nur kurzsichtige) Menschen darüber aufgeregt. Aber trotz dieser einstigen Kritik hat seither auch kein demokratischer Präsident, kein linker Bürgermeister diese Strategie umzukehren gewagt.

Das heißt nun gewiss nicht, dass es nicht auch andere sinnvolle Strategien gegen fehlgeleitete Energien junger Männer gibt. Diese machen aber nur als Zusatz zu einer glaubwürdigen Recht-und-Ordnung-Strategie einen Sinn, nicht als Ersatz dafür.

Falsch ist lediglich eine einzige, aber leider sehr verbreitete Reaktion: den Jugendlichen einzureden, nicht sie, sondern die Gesellschaft wäre an allem schuld; ihnen zu sagen, weil sie keinen Job haben, wären sie ein Opfer, was eine Täter-Rolle logischerweise ausschließt; zu argumentieren, solange ein Banker so viel verdient, sei es verständlich, Kaufhäuser zu plündern.

Welche Begleit-Strategien zu Law and Order sind aber wirklich sinnvoll? Da gibt es einmal die oft erfolgreich angewendeten Wunderdrogen Sport und kulturelle Kreativität. In beiden Bereichen finden auch arbeitslose junge Menschen ein Ziel und werden zu Disziplin gezwungen. Anders formuliert: Ihre Hormone werden von destruktivem Verhalten abgelenkt. Das hat oft genug gewirkt. So waren Österreichs Fußballer gerade in den Zeiten der größten Not am erfolgreichsten; so sind durch Basketball, Leichtathletik und Boxen viele schwarze Amerikaner statt ins Gefängnis zu erfolgreichen Karrieren gekommen; so sind die venezolanischen Jugendorchester voller Unterschicht-Kinder ein weltweit bekanntes Modell geworden.

Über solche natürlich nur langfristig wirksame Initiativen sollten auch die Briten ein wenig mehr nachdenken.

Ebenso sollte man europaweit über mehr Jobs für die Jugendlichen nachdenken. Die entstehen freilich nicht durch Anordnung, sondern durch ganz andere, teilweise unpopuläre Maßnahmen. Ein winziges, aber signifikantes Beispiel hat mir ein heimischer Tischler erzählt: Er hat aufgehört, Lehrlinge zu beschäftigen, als ihm die Behörde verboten hat, Lehrlinge über eine Leiter auf einen Dachboden in der Werkstatt steigen zu lassen, und er eine eigene Treppe bauen hätte müssen.

Genau solche Beispiele sind es, die mit dem so abstrakt klingenden Wort „Deregulierung“ gemeint sind, und die in der Summe europaweit Millionen Jobs kosten.

Genauso schädlich sind zu hohe Gehälter: Je erfolgreicher Gewerkschaften sind, umso mehr profitieren zwar die glücklichen Besitzer eines Jobs, umso weniger Jobs gibt es aber für jene, die noch keinen haben. Wenn ein neuer Mitarbeiter mehr kostet, als er bringt, wird er logischerweise halt nicht angestellt werden. Vor allem, wenn man ihn später nicht kündigen darf. Da können die Gewerkschaften noch so sehr auf Regierung oder Unternehmer schimpfen, an den (für Arbeitgeber) in manchen Ländern mehr als abschreckenden Arbeitskosten sind die Gewerkschaften selber hauptschuld.

Noch schädlicher aber sind Grundeinkommens-Projekte und Sozialhilfen, bei denen arbeitsfähige Menschen praktisch genauso viel verdienen wie arbeitende. Das lässt Jugendlichen jede Suche nach einem Job – so bescheiden der am Anfang auch sein mag – als eine völlig überflüssige Kraftanstrengung erscheinen.

Könnten die Regierungen nicht auch selbst Beschäftigungsprogramme auflegen? So hört man es mancherorts. Solche Programme haben aber halt die Tendenz, sehr rasch unfinanzierbar zu werden. Egal wie man sie tauft. So sind etwa in Österreich die vielen überschüssigen Eisenbahner und die viel zu jungen Frühpensionisten ja auch nichts anderes als versteckte Arbeitslose. Deren Kosten ruinieren die Republik. Dennoch sind Programme sinnvoll, wo Jugendliche, die Anspruch auf eine soziale Unterstützung haben, jedenfalls auch arbeiten müssen – und sei es nur, um die von Touristen verunreinigten Wanderwege wieder zu säubern.

Viel wichtiger als Beschäftigungsprogramme ist aber eine gute und zielgerichtete Bildungspolitik. Es gibt viele sehr ernsthafte Hinweise, dass die großen Probleme mit Jugendlichen gerade in Großbritannien sehr intensiv mit dem britischen Gesamtschulsystem zusammenhängen. Eine gute Ausbildung gibt es dort nämlich fast nur noch in den extrem teuren Privatschulen – oder in sehr teuren Wohnvierteln, in welche Eltern bewusst hinziehen, um eine gute Schule für ihre Kinder zu ergattern.

In den schlechten Schulen hingegen hat man noch mehr als bei uns den Lehrern jedes Zwang- und Druckmittel gegen undisziplinierte Kinder aus der Hand genommen. Sodass diese dann oft wirklich erst von der Polizei Grenzen gesetzt bekommen. Was natürlich für eine sinnvolle Lebensperspektive viel zu spät ist.

Gleichzeitig fehlt in Großbritannien etwa ganz das hervorragende österreichische Berufsschulsystem, das zumindest außerhalb der Großstädte auf sehr guten und stark nach Leistung differenzierenden Hauptschulen aufbaut. Das also auch jenen Kindern eine befriedigende Berufsperspektive vermittelt, die von zuhause ohne kulturellen und Bildungshintergrund ins Leben geschickt worden sind.

Keineswegs ignorieren darf man aber auch den ethnisch-kulturellen Faktor der Unruhen. Es gibt zwar Täter mit allen Hautfarben. Aber es gibt einen übersignifikant großen Anteil von Tätern mit schwarz-karibischer Abstammung und von solchen, deren Vorfahren aus Pakistan oder Bangladesh stammen, was viele Medien verschweigen.

Wobei die Zuwanderer aus Indien und China im Gegensatz dazu extrem erfolgreich und friedlich sind – obwohl Inder ja rein äußerlich nicht von den Pakistanis zu unterscheiden sind. Dass die britischen Moslems in erstaunlich großen Teilen eine extrem problematische und schlecht integrierte Gruppe sind, hat sich ja auch schon bei den diversen terroristischen Aktivitäten gezeigt – die nach Meinungsumfragen unter den auf der Insel lebenden Moslems erschreckenderweise von rund 20 Prozent gutgeheißen werden.

Bei der Ursachenforschung für die britischen Unruhen stößt man schließlich auf noch einen Faktor, der zumindest bei den Zuwanderern aus der Karibik wichtiger ist als Law and Order, wichtiger als Jobs, wichtiger als ein maßgeschneidertes und disziplinierendes Schulsystem: Das sind die Familien; oder genauer gesagt deren Fehlen; oder noch genauer: das Fehlen der Väter.

In britischen wie amerikanischen Slums wächst der Großteil der jungen Menschen vor allem schwarzer Hautfarbe ohne Väter auf. Diese sind meist rasch nach der Zeugung wieder abgehauen. Und in jenen wenigen Fällen, wo sie vorhanden sind, ist ein Gutteil der Väter nicht gerade an Erziehung interessiert, nicht gerade ein Vorbild.

Was das Schlimmste daran ist: den verschwundenen Vätern fehlt jedes Unrechtsbewusstsein, wie es in wertkonservativ geprägten Gesellschaften in solchen Situationen noch auftritt. Die flüchtigen Väter müssen auch mit keinerlei gesellschaftlicher Verachtung mehr rechnen. Man wird sich doch nicht gleich um jedes Kind kümmern müssen, dass man halt einmal gezeugt hat. Man sollte höchstens aufpassen, nicht legal zu arbeiten, da man ja sonst Alimente zahlen müsste.

Dabei zeigt jede internationale Statistik, dass vaterlos aufgewachsene Kinder viel öfter psychisch krank sind, viel häufiger in der Sozialhilfe und im Gefängnis landen. Sie haben niemanden, der ihnen ein Vorbild sein könnte, an dem sie sich reiben könnten, der sie beschützt und gegebenenfalls auch bestraft, der darauf schaut, dass sie in die Schule (oder gar Kirche) gehen.

Wenn sich die westlichen Gesellschaften nicht diesen Defiziten zu stellen beginnen, dann werden die heißen britischen Sommertage nur eine Generalprobe für künftige Katastrophen sein. Und niemand soll glauben, diese könnten nicht auch vor unserer Haustür passieren.

Man denke nur an die signifikant höhere Verbrechensrate von Jugendlichen türkischer Abstammung, wie sie etwa aus Deutschland bekannt ist (In Österreich hat man derartige statistische Spuren möglichst zu verwischen versucht). Die lustigen Auto-Verbrennungen in französischen Städten und nun in Berlin sind aber geographisch und soziologisch Österreich schon bedenklich nahe. Nur wagt in Deutschland niemand, mit der gleichen Härte energisches Durchgreifen zu verlangen, wie es etwa der britische Premier tut. Dieser wird mit Sicherheit auch politisch gestärkt aus den Unruhen herausgehen. Trotz der Belastung durch die peinliche Nähe zum Verlagshaus Murdoch und dessen seit einigen Tagen bekannt gewordenen kriminellen Recherche-Methoden.

Man sollte aber auch die positiven Erfahrungen aus den Unruhen nicht ignorieren: Sie haben Nachbarschaften wieder viel stärker zusammengeschweißt. Hunderte Jugendliche – ebenfalls aller Hautfarben – machen freiwillig und unbezahlt Aufräumarbeiten. Es gibt viele Menschen, die der Polizei die Identität der auf Photos der Überwachungskameras festgehaltenen Übeltäter enthüllen. Diese Photos haben die bei unseren Linken und Juristen so verpönten Kameras übrigens noch populärer gemacht hat, als sie ohnedies schon waren.

Weiters haben die Briten mit „Tough love“ ein hochinteressantes Konzept entwickelt: Sie kürzen einerseits arbeitslose Grundeinkommen und fördern andererseits alle Initiativen, die arbeitslosen Jugendlichen einen echten Job verschaffen.

Am grundlegendsten ist aber eine von David Cameron nun in die Wege geleitete Neuorientierung des Denkens: Anstelle des schwachsinnigen Gender-Mainstreaming will er nun in Richtung eines "Ehe- und Familien-Mainstreamings" gehen. Jede politische Maßnahme wird künftig einem "Familien-Test" unterworfen, bevor sie Gesetz werden kann. Gewiss: Da muss man immer abwarten, wie die Wirklichkeit aussieht. Aber schon die Ankündigung ist einer der wichtigsten Paradigmenwechsel im politischen Denken europas seit Jahrzehnten.

Wir könnten und sollten viel aus den britischen Erfahrungen lernen. Was freilich zuerst das Bewusstsein voraussetzt, dass es auch anderswo solche Unruhen geben kann.

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Eurobonds: das wahrscheinliche Szenario

27. August 2011 00:07 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Kommen die Eurobonds? Darüber debattiert derzeit die ganze Finanzwelt. Ich wage fünf Prophezeiungen:

Erstens, die Eurobonds werden – in der nächsten Krisenetappe – kommen.
Zweitens, sie werden den Zinsen-Druck auf die größten Problemländer mildern.
Drittens, diese Milderung wird nur einige Monate wirksam sein, auch deshalb, weil viele Regierungen ihre Sparversprechungen nicht einhalten.
Viertens, unter den enorm steigenden Zinsen für die Eurobonds werden sehr rasch die (scheinbar noch) stabilen Länder so leiden, dass es dort zu politischen Explosionen kommt, die den Euroraum sprengen werden.
Und fünftens wird es nur mit Mühe gelingen, die EU – in einem deutlich geschwächten Zustand – über dieses Euro-Ende hinaus am Leben zu erhalten.

Da ich kein Hellseher bin, kann es gewiss auch anders kommen. Aber diese Entwicklung hat eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich.

Denn in den nächsten ein oder zwei Jahren wird sich wohl die – kurzfristig sogar richtige – Überzeugung durchsetzen, dass die Eurobonds billiger kommen als Direktzahlungen und die Haftung für jeden neuen Kredit der PIIGS-Staaten (und wohl noch einiger anderer).

Sehr bald werden aber die Anleger entdecken, dass die große Sparsamkeit neuerlich nur eine leere Versprechung war, dass trotz „Euro-Wirtschaftsregierung“ die bisherige Politik weitergeht. Die Argumente für ein Anhalten der Schuldenpolitik stehen nämlich schon auf Abruf bereit: „Man darf die Konjunktur nicht abwürgen“, „Zuerst muss man ins Wachstum investieren, dann erst kann man an Schuldenabbau denken“, „Die Sparpolitik trifft gerade die Ärmsten“, „Die . . . -Regierung findet leider keine Mehrheit im Parlament für die Sparmaßnahmen“, „Die Oberstgerichte verbieten die Kürzung wohlerworbener Rechte“, „Es drohen soziale Unruhen; da muss man mit Geld gegensteuern“.

Diese Argumente sind altbekannt und haben ja gerade die Schuldenkrise ausgelöst. Sie haben nur in einem recht: dass Widerstand der Straße, der Parlamente, der Gerichte durchaus wahrscheinlich ist.

Deren Widerstand wird sich aber nicht nur gegen die Sparmaßnahmen richten, sondern noch viel stärker gegen die neuerliche aufgezwungene Umverteilung von den Deutschen, den Skandinaviern, den Niederländern, den Österreichern zu den verschwendungsfrohen Südländern. Denn schon in den letzten Jahrzehnten sind ja ergebnislos Billionen Richtung Süden geflossen: Nicht nur durch die Rettungspakete der letzten 18 Monate, sondern auch durch die gewaltigen Kohäsions- und Strukturprogramme der EU, die ja schon längst eine Transferunion ist. Dazu kommen beispielsweise noch die gewaltigen Mittel, welche die Norditaliener für den Mezzogiorno zahlen müssen. Daher droht ja auch schon Italien das Zerbrechen. So wie der EU und dem Euroland.

Ab irgendeinem Zeitpunkt machen die Menschen eben nicht mehr mit, wenn sie unter dem Titel „Solidarität“ ausgeraubt und verhöhnt werden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Moral und Europas Schuldenpolitik

25. August 2011 00:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ich hatte schon überlegt, den Saal zu verlassen. Hatte ich doch in meinem Leben schon allzu viele Politikerreden gehört, die meist immer auf den gleichen Nenner zu bringen waren: mit großem Tamtam inszeniert, aber inhaltlich langweilig, nichtssagend, alle heiklen Punkte auslassend oder mit Floskeln übergehend. Dann bleibe ich da im deutschen Lindau bei einer großen Konferenz von 17 Wirtschafts-Nobelpreisträgern halt doch sitzen und es kommt zur unvermeidlichen Begrüßungsrede von Christian Wulff, dem deutschen Bundespräsidenten.

Und ich kam ordentlich ins Staunen. Der Mann spricht in einer Art und Weise Klartext, die ich von einem heimischen Staatsoberhaupt noch nie gehört habe, und die ich in den letzten Jahren auch von keinem österreichischen Regierungsmitglied gehört habe. So sehr ich sie mir auch gewünscht hätte.

Der Wulff-Auftritt geht Hand in Hand mit einem Erwachen auch etlicher anderer deutscher Spitzenpolitiker, die voll Schock erkennen, wie falsch ihre Reaktionen auf die Banken- und Schuldenkrise in den letzten zwei Jahren waren, und die nun offenbar einen Richtungswechsel vornehmen, dass die Reifen nur so quietschen. In Österreich gibt es hingegen nicht einmal den Ansatz einer kritischen Debatte der Regierung zur Schuldenkrise, wie sie neben Deutschland auch schon in den anderen (Noch-)Triple-A-Ländern Niederlande und Finnland intensivst stattfindet. (Lediglich Luxemburg gibt sich noch den alten Träumen hin).

Wer sollte sie aber bei uns auch führen? Bundespräsident, Bundeskanzler wie Vizekanzler, aber auch alle drei Oppositionschefs sind wirtschaftlich ahnungslos. Lediglich in Kabinett und Beamtenschaft des Finanzministeriums scheint es noch ein paar Resthirne zu geben.

Was hat Wulff denn hier in Lindau so alles gesagt? Unkommentiert in der Folge einfach der Wortlaut einiger der für österreichische Ohren so ungewohnt klingenden Zitate. Fast alle drehen sich um die europäische Schuldenkrise und die von den Wackelländern wie auch von der politischen Linken verlangte weitere Megahilfe in Form weiterer Kredite, Garantien und sogar Eurobonds:

In Österreich müsste man eigentlich nur den Namen Deutschland durch den des eigenen Landes ersetzen und könnte die Rede problemlos übernehmen. Bevor das aber ein Politiker schafft, müsste einiges mehr geschehen:

Die ÖVP müsste begreifen, dass das tägliche Mantra „Europa, Europa, Europa“ längst kein sinnvolles Konzept mehr ist; die Opposition müsste endlich damit aufhören, wöchentlich neue populistische Ideen für weitere teure Geldverschleuderungen zu präsentieren; und die SPÖ müsste sich endlich von ihrem Schuldenfetischismus und den diesbezüglichen Einflüsterern aus der Arbeiterkammer trennen.

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Die Justamentler

24. August 2011 23:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Selbst wenn’s manche gern verdrängen,
ganz im Geist der neuen Zeit:
Öl mit Wasser zu vermengen
ist und bleibt nicht sehr gescheit.

Denn was separat von Nutzen,
taugt dann als Kompositum
nicht einmal zum Zähneputzen
und Motoren bringt es um.

Auch entmischen sich die beiden
– eins sinkt runter, eins steigt rauf –
lenkt ja heimlich und bescheiden
die Physik der Dinge Lauf.

Außer bei konstantem Schütteln
sind drum bald die zwei getrennt,
dran kann kein Minister rütteln
und erst recht kein Parlament!

Besser kann indes man schwätzen
in der Eurokraten-Zunft,
fernab von Naturgesetzen
und von praktischer Vernunft:

Keck sagt eine dieser Flöten,
zu der Euro-Rettung sei
gar ein „Quantensprung“ vonnöten –
Richtung Euro-Einheitsbrei.

Na, von Quanten hat, was wetten,
dieser Knabe keinen Tau,
aber seht, beim flotten Retten
sind jetzt Finnen extra schlau:

Wollen Bares von den Griechen,
ist den meisten doch bewusst,
Rettung all der Euro-Siechen
bringt am Ende nur Verlust.

Und zum Glätten böser Wogen
gibt es wieder mal spontan,
gleichsam aus dem Hut gezogen,
einen Ähndschie-Sarko-Plan!

Laufend treibt’s halt solche Blüten,
wenn man Wirklichkeit verdrängt
und berauscht von Euro-Mythen
krampfhaft Öl und Wasser mengt…

Pannonicus

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33 Prozent und kein bisschen schuldbewusst

21. August 2011 00:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das einzige, was die Wiener Rathaus-Genossen und ihre grünen Speichellecker noch schaffen, ist ihre Skandale mit allen möglichen Tricks zu verstecken. Das zeigt die jüngste Preislawine, die das Rathaus auf die Wiener loslässt. Aber auch diese Tricks werden den Zorn der Stadtbürger nicht dämpfen. Dazu ist das Vorgehen der rot-grünen Genossen zu unverfroren.

Dennoch ist es mehr als einen nur professionellen Blick wert, wie sie dabei taktiert haben.

  1. Die Erhöhungen werden in einem einzigen Schwall losgelassen, sodass die Opfer gar nicht mehr richtig mitkommen.
  2. Sie werden ausgerechnet am Höhepunkt der Urlaubssaison bekanntgegeben, sodass möglichst wenige Wiener etwas davon mitbekommen.
  3. Sie werden zu einem Zeitpunkt vorgenommen, da sich Rot und Grün weit und breit keiner Wahl stellen müssen.
  4. Diese Erhöhungen – zweifellos der dramatischste kommunalpolitische Schritt des Jahres – werden nicht etwa vom Bürgermeister (der wie immer lieber den Freizeitwert seines hohen Einkommens genießt) oder zumindest einem Stadtrat bekanntgegeben, sondern von einem anonymen Sprecher der untergetauchten Küsschen-Küsschen-Finanzstadträtin. Dabei sind ja durchaus nicht alle Stadträtinnen auf Urlaub, sondern zumindest zwei waren gleichzeitig an der Öffentlichkeitsfront aktiv: Die eine bejubelte, dass in den letzten eineinhalb Jahren 500 schwule Paar geheiratet haben (was in Wahrheit angesichts des großen Trommelwirbels zur Einführung dieser Institution lächerlich wenig sind); und die andere sagte wieder einmal irgendetwas Bedeutendes zur Mülltrennung, was mir nur leider entfallen ist, kaum dass ich es gelesen habe.
  5. Rathauspostillen wie „Heute“ bringen die Preiserhöhungen raffiniert schon im Untertitel gleichsam entschuldigend mit der Inflation in Zusammenhang. Und kommentieren lieber eine neue Fernsehsendung als diesen Raubzug.
  6. Und der SPÖ-hörige ORF versteckt die Wassergebühren hinter einer Meldung über Gaspreiserhöhungen, die primär sicher nicht von österreichischen Tätern verursacht sind.

Nun: Ich bin durchaus der Meinung, dass auch kommunale Betriebe kostendeckend arbeiten müssen. Künstlich niedergehaltene Preise sind langfristig der absolut falsche Weg. Aber sich einfach automatisch an die allgemeine Inflationsrate anzuhängen, ist schlicht ein himmelschreiender Skandal, weil völlig unbegründet.

Denn diese Inflationsrate wird weltweit nur durch zwei Bereiche nach oben gepusht, ohne die sie viel niedriger wäre: durch die steil steigenden Energiepreise und durch die ebenfalls deutlich nach oben gehenden Lebensmittelpreise. Beide Male ist die Ursache klar: die rasch steigende Nachfrage bei naturgemäß limitiertem Angebot. Die Nachfrage steigt, weil die Weltbevölkerung zunimmt und weil Chinesen, Inder und die Einwohner Dutzender anderer auf den kapitalistischen Weg eingeschwenkter Schwellenländer nun reicher und damit starke Konsumenten geworden sind.

Das alles treibt unweigerlich die Preise weltweit in die Höhe. Keine dieser Ursachen gibt es jedoch beim Wiener Wasser, das um nicht weniger als 33 Prozent teurer wird. Die Wassernachfrage in Wien stagniert nämlich (durch Nutzwasseranlagen, durch sparsame Klospülungen usw). Es gibt auch keinen internationalen Wettbewerb um das Wasser. Niemand kann es uns wegtrinken (und wenn es einer könnte, wäre es sogar ein gutes Geschäft, weil genug davon da ist – nicht nur in diesem Regensommer). Es sind auch keine großen neuen Investitionen nötig – denn bei der Wasserversorgung profitiert das rote Wien bis heute von den großen Werken kaiserlicher Beamter sowie liberaler und christlichsozialer Bürgermeister.

Trotzdem wird rotzfrech das Wasser in der Dimension der Inflationsrate verteuert. Das Herumgestottere als Begründung, dass man ja den Schutzwald in den Quellgebieten pflegen müsse, ist nur noch lächerlich. Jeder andere Waldbesitzer kann seinen Wald ja auch ohne teuren Griff in die Wiener Badewannen pflegen.

Die Erhöhung hat zwei andere Ursachen: Erstens braucht die Gemeinde für ihre vielen korrupten Geschäfte immer mehr Geld. Wenn das Rathaus seinen gesamten Bedarf bewusst nicht über die billigsten Einkaufsquellen wie die Bundesbeschaffung bezieht, muss die Differenz am Ende ebenso jemand bezahlen wie die Zig-Millionen Euro, die alljährlich für Bestechungsinserate in Boulevardzeitungen und die sonstige rot-grüne Propaganda aufgewendet werden. Auch die vielen Skandale rund um Wiener Bauprojekte kosten viel Steuergeld.

Und zweitens zeigt sich an Hand der Preisexplosion, die jeden Wiener alljährlich eine dreistellige Euro-Summe kosten wird, dass Betriebe unter der Macht und Kontrolle von Politikern und Beamten in aller Regel immer viel teurer wirtschaften als jeder Privatbetrieb. Man könnte beispielsweise die Wiener Wasserversorgung zu einem guten Preis privatisieren. Das ginge, selbst wenn der Käufer vertraglich garantieren muss, dass der Abnehmerpreis im Gegensatz zur jetzigen Praxis maximal um den halben Inflationssatz steigen darf, und wenn vertraglich fixiert ist, dass die Wasserwerke sofort wieder enteignet werden können, wenn sich am Versorgungsgrad oder der Wasserqualität etwas verschlechtern sollte.

Privatisiert werden Wasserversorgung und andere Infrastrukturbetriebe nur aus einem einzigen Grund nicht: Man weiß nicht, wie man dann die Partei und die rot-grüne Propaganda finanziert; wie man dann die eigenen Parteigänger mit Posten bedient; wie man dann den Wiener Beamten die – trotz einer steil steigenden Verschuldung der Stadt – weit über dem Niveau des Bundes und der anderen Länder liegenden Gehälter zahlen kann. Was aber wichtig ist, sind diese Beamten doch die letzten verlässlichen SPÖ-Wähler in dieser ungetreuen Stadt.

PS: Genau diese politische Hemmungs- und Verantwortungslosigkeit, aber auch die „Erfolge“ der Gewerkschaften sind im übrigen dafür verantwortlich, dass in Österreich die Preise um gefährliche 3,8 Prozent gestiegen sind, während es in Deutschland nur 2,6 Prozent waren. Dieser österreichische Weg in eine Mega-Inflation ist ein neuer, aber sehr wirksamer Faktor, der dafür sorgt, dass Österreich wirtschaftlich wieder weit hinter Deutschland zurückbleiben wird. Denn die Inflation reduziert rasch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, wie es ja schon Griechen, Spanier oder Italiener erleben mussten. Die Inflation tritt als Totengräber des österreichischen Wohlstandes und als Ursache der nächsten – und mit Sicherheit noch viel größeren – Krise an die Seite der Hacklerpensionen, der überflüssigen Budgetdefizite (auch da ist das Land Wien übrigens Spitzenreiter), der Verlustmaschine ÖBB, der viel zu hohen Spitalskosten und der überbordenden Bürokratie.

 

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EU-Wirtschaftsregierung löst keine Probleme

18. August 2011 17:42 | Autor: Barbara Kolm
Rubrik: Gastkommentar

Die Überschuldung ist struktureller Natur und hat ihre Ursachen in den nicht mehr finanzierbaren Sozialsystemen.

Eine gemeinsame EU-Wirtschaftsregierung ist genau der falsche Weg, Stabilität in Europa herzustellen. Die europäischen Spitzenpolitiker scheuen sich offensichtlich, das Problem der Staatsverschuldung aktiv anzugehen und versuchen durch Schaffung zusätzlicher Staatsapparate, der Krise Herr zu werden. Vielmehr ist es höchst an der Zeit die steigende Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen und Staatsseitig wieder mehr einzunehmen als auszugeben.

Staatsverschuldung ist nichts anderes als die Umverteilung von unten nach oben, sie resultiert aus politischen Entscheidungen, die unter bestimmten Regeln getroffen werden. Dabei setzen die Regeln des politischen Wettbewerbs Anreize, defizitfinanzierte Privilegien zu vergeben. Dennoch konnten bislang weder nationalstaatliche noch europäische Regelungen eine politische Anreizverschiebung bewirken.

Als Folge hat die Staatsverschuldung in den meisten europäischen Staaten fast kontinuierlich zugenommen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat diese Tendenz verstärkt und zu neuen Schuldenhöchstständen geführt. Die hohe Staatsverschuldung mit der Krise zu begründen ist ungerechtfertigt. Dies wird deutlich, wenn man die Entwicklung der Schuldenstände respektive Ausgaben pro Kopf der vergangenen Jahrzehnte analysiert.

Die Überschuldung ist struktureller Natur und hat ihre Ursachen in den nicht mehr finanzierbaren Sozialsystemen, aber auch im steigenden Mangel der Wettbewerbsfähigkeit der Einzelstaaten. Die zukünftigen Generationen bekommen neben der Schuldenlast auch ein defizitäres Sozialversicherungssystem vererbt.

Theoretisch müssen Schulden zurückgezahlt werden, womit sich keine Manövriermasse für die nächsten Generationen ergibt. Um einer möglichen Zahlungsunfähigkeit zu entgehen, erfolgt vermehrt politischer Druck auf die Zentralbank, ihre Geldpolitik an die Finanzpolitik anzupassen. Das „Bail-out“ Griechenlands sowie die in den letzten Monaten unternommenen Schritte der Europäischen Zentralbank zeugen davon.

Allerdings stellen diese Vorgänge keine langfristig tragfähigen Auswege aus der Schuldenfalle dar. Nicht die Schaffung eines zusätzlichen Staatsapparates, wie eine EU Zentral- oder Wirtschaftsregierung, schafft Stabilität, vielmehr müssen Ausgabensenkungen und Reformen im Sozialversicherungssystem stattfinden sowie eine effektive, institutionelle Schuldenbeschränkung konstituiert werden.

Barbara Kolm ist Ökonomin, Generalsekretärin des Hayek-Instituts und Direktorin des Austrian Economic Center.

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Wie raus aus dem Euro?

18. August 2011 15:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Die beste Gelegenheit die Europäische Währungsunion zu verlassen, bestünde jetzt darin, die notwendige parlamentarische Verabschiedung der neuen, am 21.Juli 2011 vorgeschlagenen Änderungen der Bestimmungen über die EFSF (Europaen Financial Stability Facility) zu verweigern; ferner darin, der Absicht, die EFSF ab 2013 durch den ESM (European Stability Mechanism) zu ersetzen, eine Abfuhr zu erteilen, sowie die grundlegende Änderung des Lissabon-Vertrags durch die Einfügung einer Bail-out-Klausel als Bruch der europäischen „Verfassung“ nicht zu akzeptieren.

Worin die als allererstes anstehenden Änderungen der EFSF-Vereinbarungen bestehen und weshalb sie unzumutbar sind, wurde im Gastkommentar „Der Tanz auf dem Vulkan“ (http://www.andreas-unterberger.at/2011/07/der-tanz-auf-dem-vulkan/) geschildert.

Falls unsere Volksvertreter nicht als Volksverräter gelten wollen, werden sie alle EU-Vorschläge und ihnen entspechenden Regierungsvorlagen ablehnen, die Österreich in eine Transfer-, Haftungs-, Schulden- und Fiskalunion hineinzwingen würden. Der volkswirtschaftliche Schaden, der aus einer Zustimmung zu einer solchen „Unionisierung“ resultieren würde, übersteigt bei weitem den Nutzen des Souveränitätsverlustes. Darüber sind sich heute praktisch alle ernstzunehmenden Volkswirte einig. Allein die Verluste aus Transfers und für die zu erwartende Erhöhung der Zinsen auf die Staatsschuld infolge Bonitätsverlustes werden für Österreich auf fünf Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Der Austritt aus der Währungsunion ist weit weniger kompliziert als ihn die Horrorszenarien in den EU-nahen Massenmedien ausmalen. Währungsunionen sind, das wissen wir aus der Geschichte, immer wieder zerbrochen (meist nach Kriegen). Für die letzten dreißig Jahre gibt es auch genügend Beispiele für eine geordnete und friedliche Auflösung. Ein gutes und lehrreiches Anschauungsmaterial bietet die Auflösung der tschechisch-slowakischen Währungsunion im Jahr 1992/93.

Beispiel Tschechoslowakei

Nachdem durch Volksabstimmungen in der Tschechoslowakei im Jahr 1992 beschlossen worden war, sich zu trennen, entstanden aus dem bis dahin einheitlichen Staatsgebilde mit Wirkung von 1. Januar 1993 an mit der Tschechei und der Slowakei zwei neue, souveräne Staaten. Sie bildeten eine Währungsunion unter Beibehaltung der bisherigen Währung, der tschechischen Krone. Diese Währungsunion hielt allerdings nur 6 Wochen. Am 8. Februar 1993 wurde zwischen beiden Staaten vereinbart, sie zu beenden.

Der Grund für die Auflösung war naheliegend. Solange Tschechien und die Slowakei einen einzigen Staat bildeten, bestand zwischen ihnen eine Transferunion, durch die das Bruttosozialprodukt des slowakischen Gebietes durch Zuschüsse in Höhe von vier bis acht Prozent aus tschechischen Provinzen gestützt wurde. Nach der Trennung in zwei Staaten bestand seitens der Tschechen kein Interesse mehr an solch einseitigen Subventionen und an der Aufrechterhaltung einer Währungsunion.  Beide Staaten bildeten an sich ja auch keinen einigermaßen homogenen Wirtschaftsraum. Die Anpassungsprobleme der Slowakei auf dem Industrie- und Bergbausektor waren außerordentlich groß und erforderten wirtschafts- und währungspolitisch freie Hand.

Um jedes Chaos zu vermeiden, wurde am 19. Januar 1993 die Auflösung der Währungsunion im Detail ausgehandelt, der Beschluss zur Auflösung am 3. Februar öffentlich bekannt gemacht und am 8. Februar durchgeführt. Tschechische Kronen wurden durch die slowakische Krone im Verhältnis 1:1 ersetzt. Vorübergehend wurde der Kapitalverkehr zwischen beiden Ländern unterbrochen. Abhebungen von den Bankkonten wurden beschränkt, ebenso die Umwandlung der einen in die andere Währung.

Um den Güter- und Zahlungsverkehr ungestört aufrecht zu erhalten, wurde eine Clearing-Stelle eingerichtet. Die Bandbreite, um die beide Währungen zum ECU  (European Currency Unit) schwanken konnten, wurde auf fünf Prozent (in beiden Richtungen) begrenzt. Alle Zahlungen für Güter, Dienstleistungen und Kapitaltransfers wurden zum vereinbarten Clearingkurs abgerechnet. Für Forderungen, die vor dem Februar 1993 entstanden waren, erfolgte die Umrechnung zum festen Kurs von 1:1. Das Clearingsystem wurde von beiden Regierungen garantiert und von ihren Notenbanken bis 1995 aufrecht erhalten.

Jede Regierung räumte der anderen eine Kreditfazilität ein, um Defizite in der Zahlungsbilanz auszugleichen. Soweit diese Fazilität nicht ausreichte, mussten Differenzen in konvertiblen Währungen (Dollar, D-Mark) ausgeglichen werden. Die Vereinbarungen blieben in Kraft, bis schließlich beide Währungen konvertibel wurden und auf den Finanzmärkten gehandelt werden konnten.

Die Auflösung ging relativ reibungslos vonstatten. Sie wurde durch die Orientierung an einer Ankerwährung (ECU) erleichtert. Der Verkehr von Kapital, Gütern und Dienstleistungen zwischen beiden Ländern war nur kurz beeinträchtigt. Sehr bald überschritt er das alte Niveau.

Wie das Beispiel zeigt, ist es ausschließlich der politische Wille, von dem es abhängt, eine Währungsunion aufzulösen. Ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten, etwa beim Export, sind bei abgestimmter Währungspolitik nicht zu erwarten. Es gibt in der EU auch keine rechtlichen Hindernisse, die ein souveränes Mitglied am Verlassen der Währungsunion hindern könnten. Kein souveräner Staat kann gezwungen werden, der Veränderung von internationalen Verträgen zuzustimmen, wenn eine solche Zustimmung seinen Interessen widerspricht.

Konstruktionsfehler der Währungsunion

Die  Europäische Währungsunion, das gestehen heute praktisch alle anerkannten Fachleute ein, ist gescheitert. Von der Gründung bis heute leidet sie an unbehebbaren Konstruktionsfehlern. Das gibt jetzt sogar der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble, zu (siehe dazu den Gastkommentar „Der Tanz auf dem Vulkan“: http://www.andreas-unterberger.at/2011/07/der-tanz-auf-dem-vulkan/).

Die politische Union, welche die Voraussetzung für die Währungsunion gewesen wäre, ist nicht zustande gekommen, sie wird von den Völkern mit Recht strikt abgelehnt. Die Mitglieder der Europäischen Union sind wirtschaftlich, politisch, kulturell und sozial viel zu verschieden, um sie über einen Kamm scheren zu können. Produktivität, Wettbewerbsfähigkeit und Lohnstückkosten klaffen auseinander und lassen sich ohne Gewaltmaßnahmen – erforderlich wären einschneidende Kürzungen der Löhne und Sozialausgaben in den PIIG-Staaten – politisch nicht durchsetzen.

Die jetzt vorgeschlagenen Regelungen sind nichts anderes als „ein Weg ins Verderben“ (Hans-Werner Sinn). Auf komplexe Anforderungen, das hat kürzlich der Systemanalytiker John L. Casti vom Internationalen Institut für Systemanalyse in Laxenburg (im STANDARD vom 8. August 2011, S. 19: „Die EU in der Komplexitätsfalle“) überzeugend ausgeführt, können kleine staatliche Einheiten wesentlich schneller und differenzierter antworten als große. Wenn sich die Probleme häufen, vertrauen große Einheiten auf den Ausbau ihrer Bürokratie bis zu dem Punkt, an dem alle Ressourcen aufgebraucht sind, „nur um ihre gegenwärtige Struktur zu erhalten“.

Wären die Problemländer, so führt er aus, „nicht in der Eurozone, hätten sie viele Optionen zur Verfügung um eine Zeit wirtschaftlicher Veränderung zu bewältigen. Sie könnten zum Beispiel ihre eigenen Währungsprobleme regeln“ und müssten sich nicht „dem Diktat der Europäischen Zentralbank fügen“. In der Tat haben das die meisten Staaten unseres Kontinents, die nicht in der Währungsunion sind, bewiesen.

Ganz zu schweigen von jenen, die es vorzogen, nicht der Europäischen Union beizutreten. Gutes Geld dem schlechten nachzuwerfen, führt nach Casti unweigerlich „zum Zusammenbruch des Euro“. „Die einzig offene Frage“ ist für Casti, „ob sich die EU – analog zum Euro – schließlich selbst als Experiment erweisen wird, das zwar gut gemeint, im Endeffekt (aber) ein Fehlschlag war“.

Fürs erste jedenfalls ist Österreich gut beraten, wenn es seine Zustimmung zu den anstehenden Vertragsänderungen verweigert und im Übrigen die Entwicklung der EU zu einer politischen Transfer-, Haftungs-, Schulden- und Fiskalunion, zu der ja nun auch Deutschland seinen Widerstand aufgegeben hat, mit allem gebotenen Nachdruck ablehnt.  Diese Ablehnung hindert die restlichen Länder der Eurozone nicht, die Brüsseler Beschlüsse durchzusetzen.

Solange nicht Länder die Ratifikation verweigern, deren Haftungsquote fünf Prozent in Summe übersteigt, steht der Durchsetzung nichts in Wege. Österreich braucht also nicht das Odium auf sich zu nehmen, eine Entwicklung zu blockieren, welche die politische Führung der anderen Länder für zweckmäßig hält, die jedoch von der österreichischen Bevölkerung abgelehnt werden wird, sollte es zu der von Bundeskanzler Faymann hoch und heilig versprochenen Volksabstimmung bei grundlegenden Vertragsänderungen kommen. Dass solche „grundlegenden Vertragsänderungen“ jetzt vorliegen, welche den Charakter des Lissabon-Vertrages allein schon durch die Einfügung  einer Bailout-Klausel entscheidend ändern, darüber besteht kein Zweifel.

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Sein jüngstes Buch, „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011), setzt sich eingehend mit Fragen der Europäischen Union auseinander.

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Vom Nutzen der Ökonomen

18. August 2011 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das IHS erhält mit Christian Keuschnigg einen neuen Chef. Entgegen allen Befürchtungen fiel die Wahl auf einen vernünftigen Mann mit gutem Durchblick. Dennoch ist es schade, dass Österreichs bester Ökonom, Christian Helmenstein, nicht zum Zug kommt, weil er halt das Formalerfordernis einer Fußnotenakkumulierung in Form einer Habilitation nicht erfüllt.

Ein solches Werk ist aber in Wahrheit für den Job völlig irrelevant. Die Plagiatsaffären sollten uns eigentlich lehren, solche formalistischen Fußnotenakkumulierungen nicht mehr allzu ernst zu nehmen. Denn es kann ja nicht sein, dass die Klugheit eines Textes weniger wichtig ist als penible Zitiergenauigkeit.

Zurück zum IHS: Da zumindest unter den vorhandenen Kandidaten der beste für die Leitung des zweitgrößten Wirtschaftsforschungsbetriebs Österreichs genommen worden ist, scheint dort alles in Butter. Das ist es aber ganz und gar nicht. Denn das „Institut für Höhere Studien“ wird genauso wie das noch größere „Wirtschaftsforschungsinstitut“ vom selben Grundübel geplagt: Es hat kein stabiles finanzielles Fundament. Es lebt von jährlich erneut fälligen Subventionen einzelner Ministerien und von Forschungsaufträgen, die wieder überwiegend aus politisch gesteuerten Institutionen kommen.

Da halt überall Menschen agieren, gilt ein kritischer Bericht als nicht sehr förderlich für die Vergabe des nächsten Auftrags. Ganz 'zufällig' ist vom Wifo so gut wie nie eine Kritik an Arbeiterkammer oder Sozialministerium zu hören, und beim IHS keine am Finanzministerium.

Gewiss: Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Aber eigentlich sind ja wir Steuerzahler die Fütterer. Und wir wären sehr wohl dringend an objektiven Studien von wirklich voll unabhängigen Wirtschaftsforschern interessiert. Die bekommen wir aber nicht, zumindest nicht auf einer umfassenden Basis.

Damit ist zwar nicht unterstellt, dass die Forscher bewusst etwas Unrichtiges sagen. Aber manchen Themen nähern sie sich halt nur sehr zögerlich. Das ist umso schmerzhafter, als gleichzeitig an Österreichs Unis in Sachen Volkswirtschaft überhaupt totale Ebbe herrscht. Die wenigen Professoren, die internationalen Rang haben, stellen ihr Wissen lieber privaten Klienten gegen gutes Geld vertraulich zur Verfügung. Der Großteil der übrigen Uni-Ökonomen bewegt sich trotz des idealen Rahmens einer wirklichen Unabhängigkeit auf sehr bescheidenem Niveau. Das darf uns allen nicht gleichgültig sein.

Denn es täte dem Land sehr gut, würden bei uns ähnlich wie in Deutschland Hunderte Professoren kritische Stellungnahmen zur Sinnhaftigkeit der diversen Euro-Rettungsschirme veröffentlichen. Es gibt in Österreich nicht einmal eine offene Debatte dazu. Statt dessen herrscht die Devise: Wir sind ohne Einwände jeweils für das, was gerade europäische Mode ist. Da könnte man sich die Ökonomen aber auch gleich ganz sparen.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

 

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Deutsch-französische Placebo-Verteilung

17. August 2011 01:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Da sage noch einer, dieses Europa sei langweilig. Es ist ganz im Gegenteil sogar mitten im August für große Lacherfolge gut. Für mehr taugt die „Euro-Wirtschaftsregierung“ freilich nicht, die da nun von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy angekündigt worden ist.

Hinter diesem hochtrabenden Titel verbirgt sich nämlich nicht mehr als eine zweimal pro Jahr stattfindende Zusammenkunft der europäischen Staats- und Regierungschefs. Also jener Gruppe, die ohnedies jetzt schon rund vier Mal pro Jahr tagt. Also jener Gruppe, deren Angehörige selbst die Hauptverantwortlichen für die Schuldenkrisen in fast allen europäischen Ländern sind. Was soll sich da irgendein Europäer von zwei weiteren Treffen dieser Schuldenkaiser erwarten?

Schon gar nicht gibt der nominierte Vorsitzende irgendeinen Anlass zur Hoffnung. Denn dieser ist der schon bisher durch die totale Absenz jeder Führungs- oder Durchschlagskraft beliebte EU-Ratspräsident Herman van Rompuy. Er hat noch nie einem der Regierungschefs mit einem kritischen Wort nahezutreten gewagt. Da ist er natürlich perfekt als neuer Finanzaufseher geeignet.

Glauben Deutschlands und Frankreichs Chefs wirklich in vollem Ernst, mit solchen Potemkinschen Dörfern den Zweiflern wieder ihren Glauben an den Euro zurückgeben zu können? Glauben sie wirklich, dass man mit solchen Mätzchen die Sparer dazu bewegen kann, wieder den europäischen Regierungen ihre Altersvorsorge anzuvertrauen?

Ach ja, fast hätt ich‘s vergessen: Eine Schuldenbremse soll auch kommen. An dieser ist nur noch das winzige Detail offen, wie sie denn eigentlich funktionieren soll: So schlecht wie in den USA oder so unwirksam wie in Deutschland? Nach dem bisherigen Planungsstand soll halt jede Regierung selbst irgendwie eine irgendwie konstruierte Art Bremse beschließen und diese dann irgendwie einhalten. So wie dieselben Regierungen ja schon bisher irgendwie alle europäischen Beschlüsse in Richtung auf Sparsamkeit umgesetzt haben. Oder irgendwie auch nicht.

Dafür haben Merkel und Sarkozy wieder einmal eine neue Steuer angekündigt. Was uns natürlich endgültig von der Führungskraft des Duos Merkel-Sarkozy überzeugt.

Warum so destruktiv, Herr Unterberger? Hauptsache, die Richtung stimmt.

Sie stimmt natürlich nicht. Seit Europa angefangen hat, bankrotte Staaten zu retten, statt den von der Marktwirtschaft vorgesehenen normalen Konkurs-Mechanismus in Kraft treten zu lassen (den übrigens noch jedes betroffene Land im Rückblick recht gut überlebt hat), gleichen die Bemühungen der europäischen Staatschefs nur noch dem verzweifelten Umsichschlagen eines Ertrinkenden. Denn seit nicht mehr nur drei europäische Kleinstaaten das Vertrauen der Gläubiger verloren haben, sondern zunehmend auch drei ganz große Länder – Spanien, Italien und Schritt für Schritt auch Frankreich –, müsste selbst ein Blinder sehen, dass der Weg absolut falsch war.

Es gibt freilich auch keinen sicheren Weg mehr zurück. Man tut sich halt schwer, den Spaniern zu verwehren, was man Griechen, Portugiesen und Iren geradezu aufgedrängt hat. Aber Europa hat nach der Verschwendung vieler Hunderter Milliarden einfach nicht das Geld, um auch die Großen zu „retten“.

Die Schuldenlasten auf Europa – ja, auch jene auf Deutschland und Österreich (auch wenn die es noch gar nicht begriffen haben) – können nur noch durch zwei Methoden abgebaut werden: entweder durch eine starke Inflation oder durch die Zahlungsunfähigkeit. Ausbaden müssen wir es so und so alle. Samt den damit unweigerlich verbundenen sozialen und politischen Unruhen, die ja schon allenthalben begonnen haben.

Warum kann nicht doch eine Schuldenbremse funktionieren? Wir Europäer wissen das halt, weil wir schon so unsere Erfahrungen haben. Weil ja schon die Sanktionen wegen Verletzung der – viel konkreteren! – Maastricht-Kriterien jedes Mal prompt unterblieben sind, sobald sie fällig gewesen wären. Weil wir in einer Demokratie mit starken Zentrifugalkräften leben. Weil ja schon die Republik Österreich (trotz einer besseren verfassungsrechtlichen Ausstattung!) landesintern mit allen Plänen einer effektiven Schuldenbremse gegenüber Ländern und Gemeinden gescheitert ist.

Wie bitte soll da ein Gremium der – an der Krise selbst hauptschuldigen! – Regierungschefs ohne jede politische oder juristische Macht gegenüber einzelnen Staaten plötzlich eine wirksame Schuldenbremse exekutieren können?

Der ganze Plan ist unwirksamer als ein Placebo.

PS: Einen frappierenden Kontrapunkt zu all dem Schwachsinn liefert Belgien. Es hat noch immer weitgehend das Vertrauen der Kreditgeber, obwohl es eine höhere Schuldenquote als etwa Portugal hat! Hängt das vielleicht gar damit zusammen, dass Belgien nun schon seit über 14 Monaten keine Regierung hat? Beweist das vielleicht gar, dass die Anleger zunehmend schon mehr Vertrauen in solche Länder haben, in denen Regierungen nicht mehr ständig neue schuldenfinanzierte „soziale Errungenschaften“ unters Volk streuen können?

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A, A, A…

14. August 2011 15:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

A, A, A, das dicke End’ ist nah,
Tripel-A ist schon vergangen,
doch wir werden mitgehangen,
A, A, A, da hilft auch kein Blabla.

E, E, E, zuviel an Abführtee,
mehr und mehr ist abzuschreiben,
weil wohl nimmer einzutreiben,
E, E, E, o wei und jemine.

I, I, I, es blüht die Perfidie,
Rettungsschirme und Pakete,
gutes Geld für faule Knete,
I, I, I, sind stets ein Schuss ins Knie.

O, O, O, denn gleich bei Waterloo
thronend in den Tintenburgen,
werken Pleite-Dramaturgen,
O, O, O, nur Leerverkauf macht froh.

U, U, U, wir sehn belämmert zu,
laufend wird uns was versprochen
und im Handumdrehn gebrochen,
U, U, U, gemolken wird die Kuh.

W, W, W, verschenkt sind Heu und Klee,
aber mit getürkten Daten
wird uns zu Geduld geraten,
W, W, W, bald kommt die Frühlingsfee.

X, X, X, sind lauter alte Tricks,
unser Gold ist längst verschwunden,
in Fort Knox wird’s nie gefunden,
X, X, X, wir lernen eben nix.

Z, Z, Z, gepfändet Tisch und Bett,
weiter gehn wir brav zu Wahlen,
werden ewig weiterzahlen,
Z, Z, Z, denn wir sind lieb und nett…

Pannonicus

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Was Jobs, Kurse und Wachstum wirklich killt

11. August 2011 00:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war eine politische Illusion zu glauben, dass sich die Welt an die ständigen Schreckensmeldungen aus Europa gewöhnt hätte. Kaum waren jeweils die Hunderte Milliarden schweren Rettungspakete geschnürt, war schon klar, dass sie zu klein waren. Was sofort den Ruf nach weiteren Paketen auslöste. Die Börsen schöpfen zwar bei jedem Paket ein paar Tage Hoffnung. Aber immer wieder setzt sich die Depression durch. Der Glaube schwindet, dass mit solchen Paketen, die gigantische Summen scheinbar aus dem Nichts schaffen, irgendetwas zu retten wäre. Die Beschwichtigungsreden von Politikern schaden nur noch deren Glaubwürdigkeit, und können die Stimmung nicht mehr bessern.

Eine der Hauptursachen der Krise findet sich in einem eher unbeachtet gebliebenen EU-Bericht. Ihm zufolge müsste etwa Spanien die Löhne um zweistellige Prozentsätze senken. Ähnlich Portugal und Griechenland. Nur so können sie wieder wettbewerbsfähig werden. Nur dann würde in diesen Ländern wieder investiert. Nur dann gäbe es wieder mehr Jobs für die schon fast zur Hälfte arbeitslosen Jungen. Das heißt aber mit anderen – nicht ausgesprochenen – Worten: Solange das nicht passiert, fließen die Hilfsgelder in ein Fass ohne Boden und können jeweils nur kurze Zeit die Illusion eines vollen Fasses erwecken.

Damit aber zeigt sich, dass das ökonomische Problem der Finanz- und Schuldenkrise in Wahrheit vor allem ein politisches Problem ist. Das macht die Krise aber noch viel schwerer lösbar. Denn in keinem einzigen Land scheint die politische Energie vorhanden, den Menschen einen so hohen Reallohnverlust aufzuzwingen. Dabei geht es gar nicht mehr nur um die Angst der Machthaber vor einer Abwahl – die zuletzt mit Ausnahme der stabilen und sparsamen Länder im Norden ohnedies überall schon zur Regel zu werden scheint. Ein solcher drastischer Gehaltsschnitt könnte aber sogar auch revolutionäre Unruhen auslösen.

Da wird es schon fast verständlich, wenn auch nicht verzeihlich, dass die Politik halt immer doch lieber irgendwie weiterwurstelt. Und dass sie nicht wagt, ihren Bürgern die ganze Wahrheit zu vermitteln.

Verschlimmernd kommt dazu, dass auch heute noch viele Gewerkschaften der These anhängen, „mehr Kaufkraft“ wäre ein Mittel, der Krise zu entkommen. Mit Kaufkraft meinen sie aber nichts anderes als Lohnerhöhungen, die nicht auf Produktivitätsgewinnen, sondern auf weiteren Schulden beruhen. Diese reduzieren automatisch das Angebot an Jobs. Dazu kommen weitere sinnlose Kostenbelastungen für Europas Wirtschaft, an denen zwar die Gewerkschaften nicht schuldig sind, dafür aber die Parlamente: Etwa die die Stromkosten in die Höhe treibenden Förderungen für technisch wenig ergiebige Alternativenergien.

Dennoch ein Hoffnungsschimmer zum Schluss: Italiens Gewerkschaften haben ein Papier unterschrieben, in dem sie zwar (noch) nicht für Lohnsenkungen sind, aber für Privatisierungen, Flexibilität und Liberalisierungen. Das waren bisher ganz ungewohnte Töne.

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Die hektischen Retter hecheln weiter

08. August 2011 12:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der befürchtete schwarze Montag an den Aktienmärkten fiel also nur grau aus. Jetzt will man darin ein Verdienst der seltsamen Sonntagsaktivität der EU sehen, die sich offensichtlich hat einreden lassen, dass die Anleger Entschlossenheit und rasche Entscheidungen von der Politik erwarten. Hauptsache, irgend eine Entscheidung? Würden diese ominösen Märkte nicht eher durch die richtigen Entscheidungen beruhigt? Diese Frage darf man offensichtlich gar nicht mehr stellen.

Also gab es entschlossen mahnende Worte von Merkel und Sarkozy an Spanien und Italien, die eine folgenschwere Verlautbarung der EZB flankierten: Man werde umgehend italienische und spanische Staatsanleihen zu kaufen beginnen. Und das tut sie nun. Als ob das nicht erst recht in die Katastrophe führte.
Wenigstens einer scherte aus dem Jubel über so viel Pseudo-Entschlossenheit aus: Der Bayer Horst Seehofer sagte lapidar, was da passiert. Das ist eine Vergemeinschaftung der Schulden an den Parlamenten vorbei, wetterte er, denn das sei eben nichts anderes als die Unterstützung der Schuldenmacherei der PIIGS, so lange bis auch die Netto-Zahler, allen voran die Deutschen, zusammenbrechen. Es erheben sich auch Forderungen nach einer parlamentarischen Behandlung dieser zweifelhaften Rettungsaktionen – in Deutschland, nicht bei uns.
Und im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen durften – anders als bei uns - renommierte Wirtschaftswissenschafter sogar sagen, dass es falsch sei, den Märkten hinterherzulaufen. Ruhe walten lassen und richtig handeln, heiße vielmehr die Devise.
Es gibt nur eine richtige Entscheidung und die müsste wirklich rasch getroffen werden: Nicht die Schulden sind zu vergemeinschaften, sondern die Anstrengungen, dass jeder EU-Staat den eigenen Haushalt in Ordnung bringt. Aber davon sind wir weit entfernt. Uns legt man zu den eigenen Schuldenmilliarden lieber auch noch die Schulden anderer auf die Schultern. Und regiert selbst weiter auf Pump. Aus Feigheit vor dem Wähler, bei dem man sicher zu sein glaubt, dass er weder die Gefahr einschätzen kann, die ihm aus der „Rettung“ der PIIGS zuwächst, noch dass ihm die Verschuldung des eigenen Staates überhaupt bewusst ist – solange man ihm nichts von dem wegnimmt, was er ohnehin selbst bezahlt. Und so retten und retten wir, bis uns keiner mehr retten kann.

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Die Panik oder: Wann ist irgendwann?

06. August 2011 00:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Trau niemandem mehr. Der globale Kurssturz an den Börsen war zwar im Zeitpunkt nicht vorherzusagen gewesen. Das ist bei solchen, einer Massenpanik gleichenden Entwicklungen nie der Fall. Aber dass wir im letzten Jahr nur ein kurzes „Zwischenhoch“ erlebt haben, das war bei einiger Nüchternheit von Anfang an klar. Dieser Begriff ist daher auch in diesem Tagebuch im letzten Jahr mehr als ein halbes Dutzend Male verwendet worden. Dennoch ist es nicht wirklich logisch, dass jetzt ausgerechnet Aktien so rapide an Wert verloren haben.

Das ist letztlich nur noch psychologisch erklärbar. Denn Aktien verkörpern immerhin Sachwerte, während Staatsanleihen nur noch auf dem naiven Glauben aufbauen, dass die Regierungen den gigantischen Schuldenberg jemals abbauen können. Dieses noch immer vielerorts vorhandene Vertrauen in Staatspapiere gleicht in Wahrheit der Einstellung eines Lotteriespielers, der im Vertrauen auf eine winzige Chance wöchentlich dem Finanzministerium freiwillig große Beträge abliefert. Denn auch außerhalb der PIIGS-Länder haben die Staatsschulden unbewältigbare Dimensionen angenommen.

Natürlich lassen sich die Börsewerte nicht ganz von den Anleihewerten abkoppeln. Denn die Staaten in ihrer Verzweiflung sind zu allem imstande, also auch dazu, dass sie hemmungslos auf all unsere Sachwerte greifen. Projekte wie eine Kursgewinnsteuer sind da nur ein erster Schritt gewesen. Der nächste sind die von linken Parteien schon vehement geforderten „Vermögenssteuern“, die in Wahrheit wieder ganz überwiegend Unternehmen treffen, die aber die einzige Quelle eines eventuellen Wachstums, von Jobs und Wohlstand sein können. Und bald werden sie auch wieder verstaatlichen und enteignen wollen. So wie die Sowjets einst die Kulaken gejagt haben, also die freien Bauern.

Dass man dem Staat alles zutrauen kann, zeigt sich etwa in Italien. Dort veranstaltete eine süditalienische(!) Staatsanwaltschaft vor wenigen Stunden in Mailand Razzien bei einer Ratingagentur. Diese hätte „unbegründet und unvorsichtig“ gehandelt. Das wagen die Schergen eines Landes zu sagen, das die zweithöchste Verschuldung der Welt hat! Das wagen Beamte aus Apulien von sich zu geben, die seit Jahrhundert sehr gut mit der Mafia und von nordeuropäischem Geld leben!

Es gilt ganz offensichtlich die Devise: Niemand darf mehr die volle Wahrheit sagen! Zertrümmert alle Spiegel, damit niemand mehr sieht, wie hässlich wir Schuldenmachergesellschaften geworden sind.

Aber nicht nur Süditaliener, sondern auch viele Politiker sind mit solchen Dolchstoßlegenden immer sehr rasch bei der Hand (und die ihnen hörigen Journalisten sowieso). Wenn die Menschen massenweise das Vertrauen in den von der Politik angerichtet Scherbenhaufen verlieren, dann sind entweder die Ratingagenturen oder die Banken, die Spekulanten oder die „Profiteure“ (neuester O-Ton SPÖ-Staatssekretär Schieder) schuld, aber niemals jene, die jahrzehntelangen Stimmenkauf mit immer mehr Verschuldung betrieben, also von fremdem Geld „profitiert“ haben. Und niemals jene Wähler, die jene gewählt haben, die am lautesten und am meisten versprochen haben.

Sie alle taten das immer im Glauben, die Rechnung müsse irgendwann viel später ein anderer zahlen. Jetzt ist halt die Stunde „Irgendwann“ gekommen. Und der andere sind wir.

Auch wenn rückwirkende Gesetze jede Rechtsstaatlichkeit verletzen, so bekommt man derzeit fast Verständnis für das ungarische Vorhaben, die exzessiven Schuldenmacher aus der sozialistischen Regierungsperiode strafrechtlich zu verfolgen (nachdem die ungarischen Wähler sie schon mit nassen Fetzen davongejagt haben). Ungarn ist ja jenes Ostland, das schon am weitesten in den südlichen und westlichen Schuldenschlendrian verfallen ist.

Was aber tun? Sicher das Gegenteil von dem, was die Regierungen vermutlich jetzt wieder tun werden: nämlich dem verlorenen Geld noch viel gutes Geld nachzuwerfen, und immer neue Schuldpapiere in Umlauf zu setzen, damit vielleicht doch einmal eine Inflation alle Schulden (und halt auch Ersparnisse) auffrisst.

Wir müssen in Wahrheit die Dauerkrise wie das Jahr 1945 ansehen. Das ist eine Stunde null, wo der Wohlfahrtsstaat drastisch beschnitten werden muss; wo „wohlerworbene Rechte“ intensivst hinterfragt werden müssen, ob sie durch irgendeine echte Leistung oder nur auf dem Papier entstanden sind; wo die Staaten alle protektionistischen Regeln und alle bürokratischen Schikanen abschaffen müssen; und wo die Staaten nur noch auf das Notwendige und Machbare reduziert werden. Wir dürfen vor allem keinem Politiker mehr glauben, der mit irgendwelchen rasch geschnürten Rettungspaketen Abhilfe verspricht.

Der Glaube ist freilich gering, dass Europa zu einer solchen Rosskur bereit ist. Statt dessen wird es im Schlamm einer Dauerkrise steckenbleiben. Und es wird, so wie es die Griechen schon seit mehr als 2000 Jahren tun, von der einstigen Größe nur noch träumen, aber in keiner Weise mehr zu neuer Kraftanstrengung imstande sein. Oder es wird so wie Argentinien auf einen Standard nahe der Dritten Welt absinken – obwohl das Land in der Zwischenkriegszeit eines der wohlhabendsten Länder der Welt gewesen ist.

 

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Cheers for the Tea Party

01. August 2011 00:27 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der amerikanische Schuldenstreit ist vorüber, meldet uns alle Welt. Man darf jedoch an der Meldung ein wenig zweifeln. Denn erstens stehen uns noch dramatische Stunden bevor, bis der verkündete Kompromiss in Tüchern ist. Und zweitens ist es viel leichter zu sagen, dass man ein bestimmte Summe einspart, als ganz konkret zu sagen, wer aller denn genau von den Einsparungen getroffen sein wird. Das gilt insbesondere bei unvorstellbar hohen Summen im Billionenbereich.

Die genauen Opfer der Einsparungen sollen aber erst in einigen Monaten feststehen. Man kann daher wetten, dass die nächsten Wochen noch voll von unzähligen rührseligen und warnenden Berichten sein werden, in denen soziale, militärische, gewerkschaftliche, landwirtschaftliche, regionale, Entwicklungshilfe- oder Branchen-Lobbies dagegen protestieren, dass ihnen Geld genommen wird. Ich bin noch extrem gespannt, ob sich die amerikanische Politik am Schluss im Herbst auch auf das Kleingedruckte einigen wird können. Dieses wird nämlich noch sehr großen Gegendruck erzeugen.

Vorerst jedenfalls hat sich nach allen vorliegenden Informationen der harte Flügel der Republikaner durchgesetzt. Und das ist gut so: Es kommen massive Einsparungen und keine neuen oder höhere Steuern, wie sie die Demokraten bis zuletzt gewollt haben.

Wer im Gegensatz dazu an das letzte österreichische Sparpaket zurückdenkt, der hat den gegenteiligen Prozess beobachten können: Der damalige ÖVP-Obmann schwor noch am Beginn des Jahres 2010 „Keine neuen Steuern und keine Steuererhöhungen“. Am Schluss sind es dann viel mehr Steuererhöhungen als Einsparungen gewesen, welche die Defizit-Lücke geschlossen – nein: ein wenig kleiner gemacht haben. Man mag nun rätseln, ob Werner Faymann als Exponent der Big-Spender-Partie so viel erfolgreicher ist als Barack Obama – oder ob die ÖVP ein so viel schlechterer Vertreter der „Weniger-Staat-Idee“ ist als es die Republikaner sind. Am Ergebnis ändert der Unterschied nichts.

Die Tea Party hat damit zweifellos einen gewaltigen Erfolg erzielt, während sich Obama schlauerweise blitzschnell anderen Themen, etwa den Auseinandersetzungen in Syrien zuwendet.

Das oberste Ziel der Tea Party war ja: keine Steuererhöhungen und Kampf dem Defizit. Beide Ziele hat die Party nun an die Spitze der amerikanischen Agenda setzen können. Und wenn es in den kommenden Monaten doch keine Einigung auf Einsparungen in der vereinbarten Höhe geben sollte, dann sind Obama und die Demokraten ganz eindeutig die Schuldigen. Während ja jetzt die meisten Medien noch versuchen konnten, die konsequente Sparpolitik der Tea Party zu verteufeln.

Das zeigt, dass konsequenter Einsatz der Bürger zumindest in Amerika doch noch Big Government samt Big Media besiegen kann. Das macht Amerika aber auch wieder zu einem attraktiveren Land für Geldanleger. Denn erstmals seit dem Kampf Gingrich gegen Clinton in den 90er Jahren hat der US-Kongress nicht einfach die regelmäßige Erhöhung der verfassungsrechtlichen Verschuldungsgrenzen abgenickt. Damit gibt es endlich ein ganz starkes Zeichen gegen zu gierige und verschwenderische Regierungen.

Die Drohung mit einer Verschlechterung der amerikanischen Ratings, falls sich die Tea Party durchsetzt, war ein leicht durchschaubarer Trick der Demokraten und der ihnen hörigen Journalisten gewesen. Denn natürlich ist jenes Land ein besserer Schuldner, das wieder mit voller Kraft zur Sparsamkeit zurückzukehren beginnt, als ein Land, das ständig die Schulden in die Höhe schießen lässt. Ein verschlechtertes Rating würde es nur dann geben, wenn die US-Regierung ihre eigenen Schulden nicht bedient. Das aber wäre das absolute Ende der Obama-Administration gewesen. Und das will der Präsident wohl nicht, daher hätte er eher die Beamtengehälter ausgesetzt als die Bedienung der amerikanischen Schulden.

Auf Grund tausendfacher historischer Erfahrungen ist es absolut sicher, dass Sparmaßnahmen das Wirtschaftswachstum viel weniger treffen als Steuererhöhungen. Denn Geld in Händen von Politikern und Beamten wird immer viel ineffizienter ausgegeben als in den Händen der Bürger.

Ganz ignorieren sollte man dabei auch das Gerede „Es soll ja nur die Reichen treffen“. Denn Steuererhöhungen treffen immer alle. So wie bei uns ja auch die letzte Bankensteuererhöhung natürlich jeden Inhaber eines Sparkontos getroffen hat. Obwohl es in der Faymann-Rhetorik nur gegen die reichen Generaldirektoren gegangen ist.

In der Hoffnung, dass dort nicht nur Tee getrunken wird: Three cheers for the tea party.

Warum gibt es bei uns noch immer keine?

 

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Fußnote 211: Mörderische Hilfe

28. Juli 2011 02:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein neuer Beweis, dass zu viele Hilfe ein Volk und ein Land nur krank macht.

Dieser Beweis besteht in einer neuen EU-Statistik, die auflistet, wieviel Geld die Landwirte jedes Mitgliedslandes pro Hektar bekommen. Da liegt ausgerechnet – Griechenland mit 575 Euro einsam an der Spitze (während die beiden nächstplatzierten Förderungsoptimierer nur noch zwischen 414 und 434 Euro bekommen). Die österreichischen Bauern liegen übrigens mit 224 Euro pro Hektar in der schlechteren Hälfte, dabei leben ja auch sie zu nicht weniger als zwei Dritteln von den Steuern anderer Menschen. Das sind unglaubliche Zahlen (hinter denen Experten übrigens auch wieder massiven Betrug durch die Griechen sehen). Griechenland ist mit den Milliarden aus Struktur- und Kohäsionsfonds ohnedies schon seit Jahrzehnten in der Spitzengruppe der Abkassierer. Mit der wir jetzt schon wieder „solidarisch“ sein müssen, wie uns die Politik belehrt. Noch wichtiger als der Zorn ist aber die Erkenntnis, dass die Abhängigkeit eines Landes von ausländischer Hilfe dieses Land jeder Leistung, jeder Eigenverantwortung total entwöhnt. Und dass es auch für das Land weit besser gewesen wäre, es hätte keine Hilfe bekommen.

 

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Der Zauberlehrling und das Lohnwunder

28. Juli 2011 00:48 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Also sprach der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts: „Es muss auch wieder Reallohnzuwächse geben.“ Denn der private Konsum wachse nur um rund ein Prozent jährlich. Das sei „eigentlich zuwenig in einem Aufschwung“.

Ein toller Zauberlehrling, dieser Herr Aiginger. Jeder, der einen Lohn oder eine Pension bezieht, kann die Sektkorken knallen lassen. Nur: Der gute Mann irrt heftig.

Denn er sagt nicht dazu, dass insbesondere in Österreich der Konsum und auch die Reallöhne am Höhepunkt der Finanzkrise im Gegensatz zu vielen anderen Ländern besonders stark gewachsen sind – verloren haben damals nur die Sparer, Anleger und Unternehmer. Dass also eine Zurückhaltung bei den Löhnen lediglich das überhöhte Lohnwachstum von 2009 kompensiert.

Denn er sagt nicht dazu, dass sein Wifo in recht hohem Ausmaß von Aufträgen der Arbeiterkammer lebt, die noch in jeder Wirtschaftslage Lohnerhöhungen und Schuldenmacherei als Lösung angepriesen hat.

Denn er sagt nicht dazu, dass sich über höhere Konsumausgaben in Österreich mehrheitlich das Ausland freuen kann. Denn die Mehrheit dieser Ausgaben fließt direkt an ausländische Produzenten – was chinesische, vietnamesische, taiwanesische, malaysische Staatstresore längst vor Euro- und Dollar-Noten überquellen lässt.

Denn er sagt nicht hinzu, dass auf dem Arbeitsmarkt längst die Löhne für die knappen qualifizierten Arbeitskräfte zu steigen begonnen haben und vor allem in den nächsten Jahren noch weiter kräftig steigen werden. Facharbeiter (der richtigen Spezialisierung), Techniker, Programmierer, Manager brauchen sicher in den nächsten Jahren keine kollektivvertraglichen Gehaltsrunden. Sie können sich durch Verhandlungsgeschick oder Jobwechsel satt verbessern – und dementsprechend mehr konsumieren. Wer jedoch völlig unqualifizierte Arbeitskräfte, zunehmend aber auch die Tausenden Absolventen der von Arbeitgebern nicht nachgefragten Studienrichtungen noch teurer macht, der raubt ihnen noch mehr der ohnedies schon knappen Arbeitschancen. Und macht sie zu – von Schulden auf die Zukunft bezahlten – Grundeinkommensbeziehern.

Denn Karl Aiginger sagt letztlich auch nicht dazu, dass über das echte Produktivitätswachstum hinausgehende Lohnerhöhungen zum Zweck der Konsumerhöhung eine planwirtschaftliche Milchmädchenrechnung sind, in deren Folge österreichische Unternehmen im internationalen Wettbewerb zurückfallen werden. Nur Milchmädchen können nämlich glauben, das jüngste Zwischenhoch könne jahrelang weitergehen. Die für die Wirtschaftsforscher überraschenden Wachstumszahlen sind einzig Folge der Tatsache, dass nach den Schockjahren der Finanzkrise derzeit viele betriebliche wie private Investitionen nachgeholt werden, dass die ungehemmte Geldschöpfung durch europäische und amerikanische Notenbanken natürlich kurzfristiges Wachstum nach sich ziehen musste. Nichts davon ist aber nachhaltig und langfristig wirksam.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Der Tanz auf dem Vulkan

27. Juli 2011 22:31 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Die Beschlüsse der Brüsseler EURO-Chaostruppe vom 21. Juli 2011 liegen nun auf dem Tisch.

Wer nicht haushalten kann und überschuldet ist, bekommt noch mehr Geld. Wem das Zahlen nicht möglich ist, der braucht erst in 30 Jahren ans Rückzahlen zu denken, wenn die Kapitalien durch die Inflation entwertet sind. Vereinbarte Zinsen werden ermäßigt oder auf Jahrzehnte gestundet.

Banken, die sich verspekuliert haben, bekommen neues Kapital vom „Stabilitätsfonds“ der EU. Wenn der Steuersäckel zu viele Löcher hat, wird er aus der unerschöpflichen EU-Quelle vorsorglich gespeist. Der Markt wird außer Kraft gesetzt. Geld entsteht aus dem Nichts. Die Chaoten lassen heute die Puppen tanzen. „Nach uns die Sintflut“ ist ihre Devise.  

Der Teufel in Person des Hedgefondsmanagers amüsiert sich königlich über Sarkozy, Merkel, Juncker und die Adabeis in der Chaostruppe. So zu lügen wie die, traut sich nicht einmal er. „Private“ an der Griechenlandrettung beteiligen? Na sicher, am Profit! Unser Hedgefondsteufel hat am 19. Juli noch schnell Bankaktien gekauft und nach zwei bis drei Tagen verkauft – mit 10-15 Prozent Gewinn. Der Wert der Banken ist dank der Beschlüsse  gleich um einige Milliarden Euro gestiegen.

Jetzt garantiert die EU den Banken auch noch ihre aufgekauften Anleihen überschuldeter Staaten zu 100 Prozent. Die Cleveren der Finanzbranche haben schnell vor dem Gipfel griechische Anleihen zu Diskontpreisen gekauft, die sie ein paar Tage später ebenfalls mit 15 Prozent Gewinn abgestoßen haben. Jetzt kommen die Banker und ihre Hedgefondsteufelchen in den Steueroasen mit dem Geldzählen kaum noch nach. 

Die EU hat ihnen zu einer Gewinnmaschine verholfen, einer Art Perpetuum mobile. Banken kaufen gutverzinsliche Staatsanleihen, die sie bei der EZB als Collateral hinterlegen, um flüssige Mittel zu niedrigeren Zinsen zu bekommen, die sie wieder zum Kauf von höherverzinslichen Staatsanleihen verwenden, die sie als Collateral bei der EZB hinterlegen, um flüssige Mittel zu niedrigeren Zinsen zu  bekommen … usw. Wunderbare Geldvermehrung im Kreislauf, risikofrei. Was will man mehr als Banker? Kommerzielle Kreditvergaben an noch so aussichtsreiche Unternehmungen samt mühevollen Kreditprüfungen kann man sich ersparen. 

„Der EURO ist stabil“, „wir sorgen für Stabilität“, behauptet unsere Chaostruppe und sorgt für die Bocksprünge auf den Finanzmärkten. Jedes Mal, wenn sie sich trifft, verursacht sie Schockwellen, welche die Spekulanten ausnützen. Jetzt ist sie dabei, einen „Stabilitätsmechanismus“ (ESM) einzurichten, der auf Dauer, genauso wie sein befristeter Vorgänger (EGSF), Instabilität hervorbringt. Vor jedem Beschluss herrscht das große Zittern.

„Was wir da machen, kostet den Steuerzahler nicht einen Cent“. Stimmt, es kostet ihn nur seinen Wohlstand und seine Zukunft sowie die seiner Kinder und Kindeskinder. Entweder wird kaputtgespart oder kaputtinflationiert. Geschehen wird wohl beides. 

Die Ersparnisse auf dem Sparbuch werden jeden Tag weniger wert. Die „kalte Enteignung“ braucht keine Steuern, das Aufblasen des Geldvolumens genügt. Die Kaufkraft von Löhnen und Sozialleistungen schmilzt, die Mieten steigen, die prekären Lebensverhältnisse nehmen zu. Die Preise der Güter des täglichen Bedarfs steigen rapid. Mit sieben Prozent liegt ihr Index doppelt so hoch wie der für die ganze EU ausgewiesene Verbraucherpreisindex. Für Mehl zahlen wir 70 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Semmel wird zum Luxus (+ 30 Prozent). Das Heizen unserer Wohnung wird zum Problem (+ 17 Prozent), Ausfahrten mit unserem Auto unterlassen wir besser (Diesel + 36 Prozent) 

Die EURO-Währung „währt“ nicht mehr. Als Weichwährung macht sie dem Dollar Konkurrenz, der jetzt abzustürzen droht. Der Goldpreis ist seit Einführung des EURO um zehn Prozent p.a. gestiegen. Gegen den Schweizer Franken hat der EURO 30 Prozent verloren, dabei wurde die Schweiz von der Finanzkrise noch schwerer gebeutelt als der EURO-Raum. Für die Importe an Energie, Rohstoffen und Nahrungsmitteln müssen wir jetzt um 30 Prozent mehr zahlen als die Schweiz. Nicht erfreulich für ein Importland, wie wir es sind.

Die Staatsquote am Bruttosozialprodukt nimmt kontinuierlich zu, die Leistungen des Staates werden immer weniger, er „lagert sie aus“. Statt dass der Staat sie bezahlt, müssen wir unser Portemonnaie öffnen auf Kosten unseres Lebenstandards. Trotzdem steigt das Budgetdefizit in – noch vor wenigen Jahren, da der eine oder andere Tag noch „gut begann“ – unvorstellbare Höhen. In Wahrheit sind wir pleite. Wir sind ein Schuldner, der sich bei bester Bonität nur noch über Wasser hält, indem er noch mehr Schulden macht.

Früher oder später führt das zum Crash. Der Gang ins Casino hat leider auch nichts genützt: Die Cross Border Leasing-Geschäfte, die Veranlagungen in „strukturierte Produkte“, die „Swaps“, sie gingen fast alle in die Hose. Bund, Länder, Gemeinden, ÖBB, Donaukraftwerke haben große Teile des Vermögens der Bürger verspielt, Pensions- und Wohnbauförderungsfonds Milliarden und Abermilliarden verloren. Und damit wiederum ein Stück Zukunft und Rücklagen für schlechtere Zeiten.

Und jetzt also noch die verrückten Beschlüsse von Brüssel. Von ihnen sagt nun selbst der Präsident der Deutschen Bundesbank – Schönredner Novotny, schreib es dir hinter die Ohren! – dass sie „die Grundlagen der auf fiskalischer Eigenverantwortung beruhenden Währungsunion schwächen. Indem umfangreiche zusätzliche Risiken auf die Hilfe leistenden Länder und deren Steuerzahler verlagert werden, hat der Euro-Raum einen großen Schritt hin zu einer Vergemeinschaftung von Risiken im Falle unsolider Staatsfinanzen und gesamtwirtschaftlicher Fehlentwicklungen gemacht. Künftig wird es noch schwieriger, die Anreize für solide Finanzpolitik aufrechtzuerhalten”.

Jetzt geht es mit Riesenschritten auf die Fiskal-, Schulden-, Haftungs- und Transferunion mit EU-Wirtschaftsregierung  und schließlich politische Union zu, die niemand wollte. Hilfsteufelchen   Claude Juncker leistete ganze Arbeit: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt“. Und wenn es Geschrei gibt, „müssen wir halt lügen“.

Bürger und Parlamente werden nicht mehr gefragt. „Ist auch nicht nötig“, sagt unser Bundeskanzler im Duo mit der Finanzministerin. Gesetz und Recht zählen nicht, die Verfassung wird außer Kraft gesetzt, der Lisssabon-Vertrag mit „Ratsbeschluss“ grundlegend verändert, die „No-Bailout“-Klausel einfach aufgehoben, der einst als „Katastrophenhilfe“ eingerichtete „Stabilitätsfonds“ (EFSF/ESM) zum Geldesel-Streck-dich aufgemöbelt. Ein ganz eindeutiger Rechtsbruch. Doch Klagen sind nutzlos, längst wurde unsere Justiz in lebensentscheidenden Fragen „zur Hure der Politik“. 

Was also tun? FPÖ und BZÖ sind bei Ausweitung der Griechenlandhilfe und den weiteren Haftungsübernahmen machtlos, die einfache Mehrheit  der Österreichischen Verräter-Parteien (ÖVP/SPÖ) genügt vorerst, doch wenn es nach Faymann und seiner Finanzministerin geht, kommt das nicht einmal ins Parlament. Der Dauerrettungsschirm ESM – der letzte Atemzug vor dem Tod des österreichischen Souveräns – bedarf der Verfassungsmehrheit. Trotz Opposition von FPÖ und BZÖ wird sie erreicht, denn die Grünen, so ließ Herr Kogler durchblicken (Der Standard, 23./24. Juli, S. 11) werden nach den bereits gesetzten „Schritten in die Richtige Richtung“ zustimmen. Sie waren billig zu haben. 

In Scribes „Tanz auf dem Vulkan“ genügten ein paar Couplets, um vor dem Schafott zu retten und den König zu stürzen. Wir dürfen das aufgestaute Missfallen durch Eintrag in Andreas Unterbergs Tagebuch ablassen  – „das Ventil der Machtlosen.“ Stürzen wird das niemanden.

Friedrich Romig 

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Sein jüngstes Buch „Der Sinn der Geschichte“ erschien im Juni 2011 im Regin-Verlag, Kiel.

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Vollgas mit Schuldenbremse

21. Juli 2011 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Derzeit fällt in jedem Gespräch über die internationale Finanzmisere früher oder später das Zauberwort, das offenbar alle Probleme löst: Schuldenbremse. Deutschland etwa hat sie schon beschlossen, freilich nur für die Zukunft. Bis 2016 soll dort die Neuverschuldung des Bundes auf 0,35 Prozent des BIP zurückgeführt werden. Ein wunderschönes Ziel – aber wer daran glaubt, sollte besser ins Casino gehen. Dort haben seine Wunschträume nämlich eine höhere Realisierungschance.

Wie das, werden manche fragen. Steht die Schuldenbremse doch sogar im deutschen Grundgesetz. Dort ruht sie freilich schon seit 1949. Und sie hat das gleiche Schicksal erlitten, wie es etwa gerade der Verschuldungsgrenze der Vereinigten Staaten passiert. Denn wenn sich die Konsequenzen einer solchen Bremse oder Grenze zuspitzen, wenn ihre Folgen konkreter zu werden drohen, werden alle Schranken übersprungen. In Amerika etwa wird am Schluss zweifellos auch die Opposition weitere Kreditaufnahme genehmigen. Denn wer könnte es verantworten, so wird argumentiert, wenn Spitäler, Ämter, Polizei und andere wichtige öffentliche Einrichtungen schließen müssten? Für die weniger folgenschweren Sparmaßnahmen ist es im letzten Augenblick freilich immer viel zu spät.

Neben solchen Erpressungen gibt es auch viele Tricks, Schulden zu verstecken. Sie werden ausgelagert oder durch geheime Haftungen getarnt. So hat vor zwei Jahren niemand außerhalb von Klagenfurt von den rund 20 Milliarden Euro Haftungen der Kärntner Landesregierung für die Hypo Alpe-Adria auch nur gewusst. Noch im Oktober 2009 sagte mir der österreichische Finanzminister in einem Hintergrundgespräch, dass die Kärntner HAA-Haftungen 6 Milliarden ausmachen würden. Und schon dieser noch relativ geringe Betrag hat gereicht, dass er bereit war, wider alle Sparsamkeitsschwüre eine sehr teure Feuerwehraktion zu starten.

Auch die deutsche Schuldenbremse ist völlig unglaubwürdig. Hat Deutschland doch soeben einen Beschluss gefasst, der allein die gesamte Sparsamkeitspolitik killen wird: nämlich den Atomausstieg. Dessen Konsequenzen sind zwar noch unabsehbar, aber jedenfalls sowohl für staatliche Budgets wie auch die Investitionsfreude der energieabhängigen Wirtschaft verheerend.

Gleichzeitig trägt Deutschland die Hauptlast der dreistelligen Milliardenbeträge, die neuerdings alljährlich nach Griechenland geschickt werden. Es gibt Studien, dass letztlich 50 Prozent davon am Ende – oft erst nach Umwegen – den deutschen Steuerzahler treffen. Dazu kommt ein gewaltiges Problem, das man seit langem kennt: Heerscharen an Babyboomern gehen nun in Pension – und wollen dann insbesondere auch die teuren Beamtenpensionen kassieren. Auch dafür wurde kein Euro zurückgelegt.

Da bleibt nur ein Ratschlag: Sollte wieder jemand von Schuldenbremse faseln, dann lachen Sie ihn einfach aus, wenn auch voll Verzweiflung. Wir sind mit Vollgas unterwegs, und keine Bremse greift.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wie die Gewerkschaft den Binnenmarkt zerstört

20. Juli 2011 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Am Schluss will es meistens niemand gewesen sein. Doch diesmal sind die Täter bekannt: Gewerkschaften, Arbeiterkammer und EU-Bürokratie sind die Haupttäter, die EU-Gesetzgeber (Parlament, Regierungen und Kommission) wie auch die österreichische Finanzbürokratie sind Nebentäter. Es geht um einen geradezu unglaublichen weiteren Zuwachs an bürokratischen Exzessen. Dieser wurde durch das europäische Entsenderecht und die angebliche Dienstleistungs-„Freiheit“ ausgelöst.

Diese hat zehnmal mehr Bürokratie ausgelöst, als vorher für den gleichen Vorgang in der angeblichen Dienstleistungs-Unfreiheit notwendig gewesen ist. Wenn es überhaupt eine bürokratische Regelung dafür gab.

Der Sachverhalt, den mir ein Tagebuch-Leser vorgelegt hat, ist klar: Er betreibt ein Software-Entwicklungs-Unternehmen in Wien und hat einen deutschen Kunden an der Angel. Ein Mitarbeiter dieses Kunden macht kurz in Wien Station, um die Kooperation zu besprechen. Und man trifft sich am Wiener Flughafen zu einer Besprechung, ehe der Deutsche wieder abreist.

Was aber eröffnet der angereiste Gesprächspartner als erstes: Er müsse für die österreichische Finanz ein zweiseitiges Formular ausfüllen, so wie seit Jahresbeginn jeder in dienstlichem Zusammenhang nach Österreich kommende EU-Bürger. Selbst wenn die Anreise nur einem halbstündigen Gespräch dient. Der penible Deutsche hatte das Formular gleich mit.

Geht es noch absurder? Warum lässt man die Gewerkschaften den einzigen wirklichen Sinn der EU so zynisch ruinieren, nämlich den, einen gemeinsamen Markt herzustellen? Glaubt irgendein Politiker, solche Bürokratie-Exzesse wären sinnvoll oder gar populär?

Das Motiv der Gewerkschaft ist angeblich die Verhinderung von Lohndumping, also von zu billigem Arbeiten durch EU-Ausländer in Österreich. Nun: Diejenigen, die solches vorhaben, werden sich ganz gewiss auch durch solche Fragebogenschikanen nicht aufhalten lassen.

Dieses seit Jänner vorgeschriebene Formular der österreichischen Finanz (ZKO 3) ist nur als reine Schikane zu bezeichnen – auch in weniger lächerlichen Fällen als bei jenem Gespräch mit einem deutschen Kunden. Denn das Formular macht beispielsweise keinen Unterschied, ob da ein Auftraggeber oder ein Auftragnehmer anreist. Denn auf diesem Formular sind für jede einzelne „Entsendung“ nicht weniger als 48 Rubriken auszufüllen. Für viele davon braucht man schon einen eigenen Rechtsberater, um zu erkennen, was oder wer da eigentlich gemeint sein soll. Oder weiß der werte Leser beispielsweise, wer im konkreten Beispiel das sein soll: „Beauftragte Person (Weisungsberechtigt gegenüber der entsandten Arbeitnehmerin/dem entsandten Arbeitnehmer)“? Wer ist da zugleich „beauftragt“ und „weisungsberechtigt“?

Das einzige, was diese kranke Bürokratie offenbar noch zusammenbringt, ist die krampfhafte Vergenderung aller Formulare. Dadurch werden diese freilich noch viel unverständlicher, wohl auch für die Formular-Verfasser.

Sosehr man aber die Bürokratie tadeln muss: Die Hauptschuld bleibt bei den Gewerkschaften – den österreichischen an der Spitze! –, die solches durchgesetzt haben. Sie haben der europäischen Idee eines gemeinsamen Marktes zur Förderung von Frieden und Wohlstand viel mehr Schaden angetan, als es die oft getadelten Europaskeptiker je geschafft haben.

Diese aber können sich ins Fäustchen lachen. Das antieuropäische Geschäft besorgen andere, die Gewerkschaften und die diesen willfährigen Politiker und Bürokratien. Die Ernte wird natürlich bei den Europagegnern landen.

Mir bleiben da nur noch zwei Fragen: War nicht Österreich so stolz darauf, in seiner Präsidentschaft die den ganzen Unsinn auslösende Dienstleistungsrichtlinie durchgebracht zu haben? Wundert es wen, wenn es sich dieser Deutsche künftig zehnmal überlegen wird, wieder einen Auftrag nach Österreich zu vergeben, wenn das mit so viel Schikanen erschwert wird?

PS: Und wenn jetzt manche meinen, nur ein Deutscher kann das alles so penibel ernst nehmen, dann haben sie vielleicht recht. Aber was ist das für ein Staat, was für ein Europa, das ständig Regeln ausspeit, die niemand mehr ernst nehmen kann und will? Und wo, wie in einer Negativ-Lotterie, halt bisweilen manche Übeltäter erwischt und bestraft werden, und die anderen munter weitertun. Denn anders als rechtswidrig kann man da gar nicht weitertun.

 

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Geballte Ethik

19. Juli 2011 22:50 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Der Vogel Strauß hat Hausverstand –
sofern nicht Zeichen trügen:
Er steckt das Köpfchen in den Sand
und hat schon sein Vergnügen.

Denn seht, dass Strauss zu solch Behuf
was anderes verwendet,
das ruinierte seinen Ruf,
und seine Laufbahn endet!

Doch der Fauxpas des noblen Herrn
– das muss man hier ergänzen –
hat auch für andre nah und fern
gewisse Konsequenzen.

So kam bereits Christine dran,
die ihn im Amt beerbte:
Sie ist zwar zweifellos kein Mann
und gilt nicht als Verderbte.

Trotz allem, quasi unter Zwang,
hat nun sie unterschrieben,
was andern puncto Sturm und Drang
bisher erspart geblieben:

Die höchsten Standards wurden Pflicht
für ethisches Verhalten –
Privates muss diskret und schlicht
sie künftiglich gestalten.

Ein strenges Ethik-Seminar
muss auch sie absolvieren,
zudem wird ein Berater gar
ihr ethisch assistieren.

Und sicher geht jetzt nichts mehr schief,
denn jährlich muss sie beichten –
vorm Direktoren-Kollektiv
aus Ethikern, geeichten!

Was wetten, dass das Schule macht:
Die Ethik-Institute
sind hochrentabel über Nacht
dank Paukerei fürs Gute.

An Ethik-Börsen spekuliert
man nur in Ethik-Waren,
und alle werden observiert
von Ethik-Kommissaren …

Pannonicus

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10 Erklärungen zur europäischen Finanzkrise

17. Juli 2011 00:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Heute einmal der Versuch, die Analyse der europäischen Schuldenkrise in zehn markanten Punkten zusammenzufassen.

1.    Die europäische Finanzkrise war seit vielen Jahren vorhersehbar gewesen. Nur der genaue Zeitpunkt des Ausbrechens einer solchen Krise ist letztlich immer überraschend.

2.    Der zentrale politische Fehler des Euro und der EU: Die eigenen Regeln und Ankündigungen wurden nicht ernst genommen. Das passierte zum ersten Mal schon bei der Aufnahme von Staaten in den Euro, welche die laut verkündeten Kriterien nicht erfüllt haben. Der dadurch eingetretene Glaubwürdigkeitsverlust ist weder in der Politik und ganz besonders nicht in der Finanzwelt wiedergutzumachen.

3.    Wir haben keine Euro-Krise, sondern primär eine schwere Schuldenkrise zahlreicher Staaten, die auch ohne Euro schlagend geworden wäre. Sie wird nur von den Regierungen und Notenbanken gerne als Euro-Krise ausgegeben, um von der eigenen Schuld daran abzulenken.

4.    Es war ein historischer Fehler der EU-Staaten wie Österreich, im Mai 2010 den Märkten in den Arm zu fallen, als sie endgültig das Vertrauen in Griechenland verloren haben, auch wenn sich Griechenland seither durchaus angestrengt hat. Die griechischen Maßnahmen sind für viele Griechen einschneidend, aber dennoch unzureichend, um die Verschuldungskrise zu lösen.

5.    Diese schweren Fehler sind nicht mehr rückgängig zu machen. Jede heute mögliche Lösung kann nur noch unter schmerzhaften Folgen für ganz Europa erzielt werden.

6.    Die EU ist in einer tiefen inneren Struktur- und Sinnkrise, die durch die Schuldenkrise nur völlig überdeckt wird. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich Konstruktionsfehler und faule Kompromisse in der EU zusammen mit den Folgen des unstillbaren Machtdrangs der Brüsseler Bürokratie so angehäuft, dass man auch erstmals einen Zerfall der Union für möglich halten muss.

7.    Die beste Überlebensstrategie für Europa wäre, die EU auf die Verteidigung eines guten und funktionierenden Binnenmarktes zu reduzieren und alle Versuche zurückzunehmen, ein supranationaler Einheitsstaat zu werden.

8.    Eine EU-Wirtschaftsregierung hätte die gleiche Wirkung wie ein Kartell zur Beendigung des Wettbewerbs: Die Steuern würden gewaltig nach oben gehen. Die Kosten müssten Konsumenten und Steuerzahler zahlen.

9.    Die versprochene positive Wirkung einer solchen Wirtschaftsregierung, nämlich strengere Budgetdisziplin, wird hingegen ausbleiben. Sind doch die meisten Staaten nicht einmal imstande, Gemeinden und Regionen am exzessiven Schuldenmachen zu hindern.

10.   Durch den Abbau des inneren Wettbewerbs und die Außerkraftsetzung der No-Bailout-Klausel wie auch durch die schwere Schuldenlast  ist Europa noch weniger für den Wettbewerb mit asiatischen und anderen Schwellenländern gerüstet als in den letzten Jahren.

 

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Ein Kartenhaus stürzt ein: Silvio ist Europas letzte Hoffnung

11. Juli 2011 00:44 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Und jetzt Italien. Das einzig Überraschende daran ist, dass Italien nun doch vor Spanien das Vertrauen der internationalen Geldanleger verliert. Eigentlich hatte lange vieles auf eine umgekehrte Reihenfolge hingedeutet. Das ändert nichts daran, dass die Italien-Panik die finale Katastrophe für Europa einläuten könnte. Besonders spannend ist der Ausbruch der italienischen Krise aber auch in Hinblick auf die Person Silvio Berlusconis.

Denn der italienische Ministerpräsident mit dem Hang zu jungen Mädchen hatte erwiesenermaßen sehr lange eine sehr positive Funktion, die freilich von den meisten Medien nicht erkannt worden ist oder aber bewusst verschwiegen wird. Er hat dem Land nämlich jahrelang das überlebensnotwendige Vertrauen der Gläubiger verschafft. Immerhin hat Italien ja seit langem die zweithöchste Verschuldungsquote in der EU – und dennoch hat es als einziges der PIIGS-Länder während der Krisenjahre keinen Verlust seiner Ratings hinnehmen müssen.

Da das Verhalten der Märkte oft mehr durch Psychologie als durch die reinen Zahlen erklärt wird, hat Berlusconis Machismos mehr Vertrauen ausgestrahlt als sanfte Intellektuelle, fade Apparatschiks, verbissene Ideologen, fromme Priestertypen oder realitätsfremde Idealisten. Alles hatten wir ja in Italien zur Genüge.

Berlusconi hat Italien zum ersten Mal über Jahre hinweg eine stabile Regierung samt arbeitsfähiger Parlamentsmehrheit verschafft. Er hat auch den weiteren Zuwachs der Staatsschuld im Widerspruch zur italienischen Tradition in den letzten Jahren eingebremst. Und er hat für eine wirtschaftsfreundliche Gesetzgebung gesorgt. Vor allem aber wissen alle, dass ohne Berlusconi dem Land wieder das übliche Chaos rasch wechselnder und total entscheidungsunfähiger Regierungen droht. Die erotischen Vorlieben Berlusconis waren zwar den Medien wichtig, den Gläubigern aber völlig wurscht – ebenso wie sie das beim Chef des Internationalen Währungsfonds waren.

Jetzt aber scheinen die Gläubiger noch vor den oft als böswillige Panikmacher gescholtenen Rating-Agenturen das Vertrauen in Italien zu verlieren. Die Zinsen, die Italien fürs Geldausborgen zahlen muss, schießen seit Freitag in die Höhe; die Kurse für italienische Bankaktien hingegen seit einiger Zeit in die Tiefe.

Und wieder hängt die Entwicklung eng mit Berlusconi zusammen. Die Anleger sehen, dass Berlusconi an reformerischer Gestaltungsmacht stark abgebaut hat. Sie rechnen damit, dass il presidente nicht mehr lange amtieren wird. Die von seinen Gegnern angestrengte Prozessflut treibt ihn in die Enge, die Umfragen verschlechtern sich, und in den letzten Tagen hat Berlusconi sogar selbst erstmals angekündigt, bei den nächsten Wahlen nicht mehr zu kandidieren.

Dass Berlusconis nahes Ende die Investoren verschreckt, kann noch als Kompliment für ihn verstanden werden. Aber in den letzten Tagen hat er auch selbst einen schweren Fehler begangen. Er hat nämlich öffentlich Kritik an seinem Finanzminister Tremonti geübt. Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da Tremonti ein auch in den eigenen Reihen unbeliebtes Sparpaket durchzuboxen versucht. Da ist in Berlusconi angesichts seiner eigenen bedrängten Lage offenbar der alte Populist durchgebrochen. Daraufhin riss jedoch den Märkten der Geduldsfaden.

Italiens letzte Hoffnung: Die dramatischen Stunden dieses Wochenendes waren nur eine Drohgebärde der Märkte mit der Botschaft: „Tremontis Sparpaket muss zur Gänze realisiert werden“.

Falls die Märkte aber mehr im Sinn haben als reine Drohgebärden, oder falls Tremonti scheitert, dann steht nicht nur Italien, sondern auch Europa lichterloh in Flammen. Dann war Griechenland nur ein schwaches Vorspiel zu dem, was jetzt auf uns zukommt. Angesichts der Größenverhältnisse sind die unfassbaren 1,5 Billionen durchaus realistisch, die schon kolportiert werden. Es geht also nicht mehr nur um Mill., und nicht mehr nur um Mrd., sondern gleich um Bill. So wie zuletzt in der Inflation der 20er Jahre. Nur der Verdeutlichung halber: Zwischen jeder dieser Abkürzungen steht der Faktor 1000.

Wenn sich Italiens Situation aber weiter verschlechtert, werden zwar all jene recht behalten haben, die vor der Griechenland-Hilfe als einem katastrophalen Präjudiz gewarnt haben. Das wird aber auch ihnen nichts mehr nützen. Opfer werden alle Europäer. Sie können zwar die Faymanns und Merkels und Sarkozys aus dem Amt jagen (und hoffentlich den besonders üblen Herrn Juncker mit dazu). Das Unglück ist aber nicht mehr zu verhindern. Und kommt offenbar noch rascher als ohnedies befürchtet auf uns zu.

Alles deutet darauf hin, dass es nun zu einer offenen Feldschlacht zwischen Notenbanken und Regierungen kommen wird; dass die Europäer in ihrer verzweifelten Flucht den Goldpreis noch weiter in die Höhe treiben werden; dass die Investitionen rasch wieder versiegen werden; dass auch viele andere Staaten Europas und Nordamerikas ihre Anleihen kaum noch verkaufen werden können; und dass überdies gleichzeitig der skurrile und vertrauensbeschädigende Plan rasch wieder entsorgt werden muss, die privaten Gläubiger Griechenlands halb zu enteignen, ohne dass das aber als Insolvenz gewertet werden sollte.

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Lieber Herr Schäuble!

10. Juli 2011 20:08 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Vorbemerkung: Wolfgang Schäuble, seines Zeichens Finanzminister Deutschlands, hat in einem geradezu emphatischen „Eingangsvortrag“ vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Rettungsaktionen für Griechenland, Irland und Portugal verteidigt, die von 50 Klägern als Rechtsbruch angesehen werden. Der Gerichtshof, das lässt sich heute schon sagen, wird den Klagen – wenn er sich denn überhaupt als zuständig erklärt – nicht stattgeben. Noch immer hat sich die Justiz in entscheidenden Fragen der Politik gebeugt.

Wir wollen deshalb auch gar nicht auf juristische Fragen, etwa den Bruch des Bailout-Verbots, eingehen. Was uns zu diesem Brief veranlasst, ist die tiefe Enttäuschung über einen Mann, der in unseren Augen Vorbild auch für unsere österreichischen Politiker hätte sein können, brachte er  in den Staat doch so etwas wie „sittliche Substanz“ ein, ohne die kein Staat existieren kann. Nach dem Auftritt Schäubles vor dem Richtersenat müssen wir uns fragen, wie es denn dieser Mann, den wir für grundehrlich gehalten haben,  mit seinem Gewissen vereinbaren kann, eine Politik zu vertreten, die den Bürger hintergeht, ihn hereinlegt, täuscht und auf nichts anderem aufbaut als auf Lug und Trug.

Dem österreichischen Leser bleibt es überlassen, wie er die Situation in seinem Lande beurteilt und  welche Schlüsse er zieht. Argumente, wie sie Herr Schäuble vorbringt, sind in ähnlicher Weise ja auch hier zu hören.

Lieber Herr Schäuble,

Sie stellen gleich eingangs Ihrer Ausführung vor dem Bundesverfassungsgericht die Frage, ob eine Währungsunion ohne politische Union funktionieren kann. Wie können Sie diese Frage stellen, die doch schon hunderte Male beantwortet wurde, nämlich mit einem klaren Nein? Warum sagen Sie den Richtern nicht klipp und klar, dass die Europäische Währungsunion nach einem falschen Konstruktionsprinzip errichtet wurde und schon deshalb, wenn nicht heute, so doch morgen, zum Scheitern verdammt ist?

Sie verweisen auf den „Grundgedanken“, die wirtschaftliche der politischen Union vorausgehen zu lassen. Sie bemerken gar nicht, dass Sie damit den Gründungsvätern unterstellen, Marxisten gewesen und Marxens Lehre von Unterbau (Ökonomie) und Überbau (Staat, Union) gefolgt zu sein. Wenn die Union nichts anderes ist als der Reflex ökonomischer Interessen, der Klassenherrschaft und Ausbeutung, dann hätten Sie als christlicher Politiker vor den Richtern Ihre Abscheu vor einem solchen Gebilde zum Ausdruck bringen müssen. Eine auf marxistischen „Grundgedanken“ beruhende Union wollen die freiheitsbewussten Bürger der Bundesrepublik sicher nicht. 

Als „Erfolgsgeschichte“ haben Sie die hinterlistige Vorgehensweise bezeichnet, „durch begrenzte Einzelermächtigung schrittweise handlungsfähige Institutionen der Union aufzubauen“ und die Staaten ihrer  Souveränität zu entkleiden. Sie machen vor dem Gericht nicht deutlich, dass das gegen den Willen der Bürger geschah, wie das die Abstimmungen über die EU-Verfassung, dort wo sie abgehalten wurden, gezeigt haben.

Mit Recht heben Sie hervor, dass „niemand einen europäischen Superstaat will.“ Aber an der schleichenden Auflösung des eigenen Staates wollen Sie festhalten. Missachten Sie hier nicht den Willen des Volkes? Glauben Sie, das Volk habe ein „falsches Bewusstsein“, Sie und Ihre Freunde aber das richtige? Wollen Sie sich wirklich der Übertölpelungstaktik des Euro-Gruppenvorsitzenden Juncker anschließen? Begehen Sie hier nicht Demokratieverrat?

Fälschlich behaupten Sie, die europäischen Länder seien zu klein um in einer „globalisierten Welt“ ihre Interessen wahrzunehmen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Zeigen nicht die Schweiz oder Norwegen, aber auch jene EU-Mitglieder genau das Gegenteil, die nicht Mitglieder der Währungsunion sind? Fast alle von ihnen haben die Krise besser bewältigt als die Mitglieder der Währungsunion. Gerade Sie sollten wissen, dass Größe kein Erfolgsmerkmal ist und Quantität nicht automatisch in Qualität umschlägt. Europa verdankt seine Größe der Vielfalt, nicht der Einheit und Uniformierung.

Sie heben hervor, dass die Übertragung der Geldpolitik auf die europäische Ebene (EZB) unter Beibehaltung der Fiskalpolitik in der nationalen Kompetenz zur Schuldenkrise geführt hat, weil die paktierten Stabilitätskriterien nicht eingehalten wurden. Sie verschweigen, dass von vorneherein niemand an die Einhaltung dachte und der Stabilitätspakt schon bei der Gründung der Währungsunion gebrochen wurde.

Er war ja nur zur Beruhigung und Täuschung der deutschen Bürger gedacht, die an der Deutschen Mark hingen. Und mit Recht halten sie fest, dass nach der Ablehnung von automatischen Sanktionen auch in Zukunft nicht mit der Einhaltung der „verschärften“ Stabilitätsvorschriften zu rechnen ist. Hätten Sie da nicht den Richtern reinen Wein einschenken müssen? Und halten Sie es für vertretbar zu verschweigen, dass die EZB ihre Regeln gebrochen hat und heute auf  einem Paket von uneinbringlichen Forderungen sitzt, für die wiederum Deutschland eintreten muss, will sie den Konkurs der EZB vermeiden?

Profitabilität der Währungsunion

Sie behaupten, Deutschland habe von der Währungsunion am meisten profitiert. Für diese Behauptung haben Sie keinen Beweis erbracht. Deutschlands Exporte in Länder, die nicht der Währungsunion angehören, sind stärker gestiegen als jene in die Euroländer. Was sie „Profit“ nennen, hat in Wahrheit zu schweren Verzerrungen in den Außenbilanzen geführt. Die Währungsunion hat die Übertragung von Volksvermögen  ins Ausland erleichtert und das ging dort zu einem guten Teil  zusammen mit inländischen Arbeitsplätzen verloren.

Um sich über die Profitabilität zu informieren, hätte ein Gespräch mit Ihrem Präsidenten des Wirtschaftsforschungsinstituts Hans-Werner Sinn genügt. Es gibt keinen Beweis dafür, dass der Gemeinsame Markt für Deutschland von Vorteil war. Großmärkte sind von Vorteil für Großbetriebe. Kleinbetriebe, Nahversorgungsbetriebe, viele Betriebe des deutschen Mittelstands sind verschwunden. Prekäre Dienstverhältnisse, Arbeitslosigkeit etc. haben erschreckende Ausmaße erreicht. Sie haben, Herr Schäuble, mit ihrer Behauptung der Profitabilität der Währungsunion für Deutschland die Richter schlichtweg belogen.

Der EURO, so meinen Sie, sei „beeindruckend stabil.“ Davon kann keine Rede sein, denn dann wäre es nicht zu „Blasen“, Bankenpleiten, oder Überschuldungen von Staaten gekommen. Die Inflationsrate bei Gütern des täglichen Bedarfs, Nahrungsmitteln, Restaurantpreisen, Serviceleistungen, Grundstücken, Immobilien, Mieten, Aktienkursen, Rohstoffen, Energie, Treibstoffe,  werthaltigen Metallen wie Gold und Silber liegt bei sieben bis zehn Prozent jährlich. Der Außenwert des EURO hat gegen eine relativ stabile Währung wie dem Schweizer Franken dreißig Prozent an Wert verloren! Nein, von Stabilität kann keine Rede sein.

Wiederum mit Recht erwähnen Sie, dass die Währungsunion die Zinsspreads für Staaten, die über ihre Verhältnisse lebten, nicht ausreichend reflektiert hat. Aber eben an dieser „Fehlentwicklung“ ist die Währungsunion mit ihrem gemeinsamen Finanzmarkt schuld. Ihre Pflicht wäre es gewesen, die Richter auf diesen unbehebbaren Konstruktionsfehler der Währungsunion aufmerksam zu machen.

Stattdessen treten Sie dafür ein, die Reaktionen der Finanzmärkte auch in Zukunft zu unterlaufen, sei es durch die Griechenlandhilfe, die Schaffung eines Finanzstabiltätsfonds oder die Nutzung des European Financial Stability Mechanism (60 Milliarden EURO), an dem auch Nicht-EURO-Mitglieder beteiligt sind. Wie können Sie für „Marktwirtschaft“ eintreten, Sie aber gleichzeitig auszuschalten versuchen? Wie können Sie das den Richtern erklären? Halten Sie die für dumm?

Den Schluss Ihrer Ausführungen bilden die üblichen Stehsätze über „Solidarität“, „Stabilität“, „Demokratie“ und „Frieden“. Staaten kennen keine „Solidarität“, sondern Interessen. „Stabilität“ ist im Kapitalismus längst ersetzt durch „creative destruction“. Die „Demokratie“ wird durch die „Vertiefung“ der EU ausgehebelt, denn Demokratie gibt es nur auf nationaler Ebene (Vaclav Klaus). Und der „Frieden“ wird in Europa bewahrt nicht durch die Union, sondern durch die NATO. Der EURO aber spaltet Europa, verbaut der Jugend ihre Zukunft, führt zu politischer Instabilität und Straßenkämpfen.

Lieber Herr Schäuble, versuchen Sie doch nicht den Richtern wie der ganzen Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen und sie in die Irre zu führen. Reden Sie Wahrheit! Die Beteiligung Deutschlands an den Rettungsfonds ist nicht im Interesse Deutschlands. Die horrenden Beiträge und Haftungen gefährden Deutschlands Wohlstand. Wären sie ehrlich, müssten sie das den Richtern sagen.

Der Eingangsvortrag Schäubles ist abrufbar unter:

http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_1270/DE/Presse/Reden-und-Interviews/20110705-Rede-M-BVerfG.html?__nnn=true

Univ.-Dozent Dr. Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen.

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SN-Kontroverse: Vermögenssteuern

08. Juli 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die Einführung von Vermögenssteuern sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Die Verantwortung der Vernunft

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Es gibt die Verantwortung der Vernunft. Diese speist sich aus der Einsicht in Notwendigkeiten und die klare Benennung von bestimmten Verhaltensweisen. So ist es kriminell, wenn jemand mit 300 Stundenkilometern auf der Autobahn mit einem Motorrad fährt. Noch dazu mit der Freundin oder dem Freund auf dem Beifahrersitz. Es bedarf gut ausgebildeter Sicherheitskräfte, um solche Menschen, die sich nicht und nicht an gemeinsame Spielregeln halten wollen, zu stoppen. Die Ausbildung dieser Experten ist sauteuer.

Nicht viel anders verhält es sich mit der Anhäufung von Vermögen in einem Verhältnis, das die Proportionen sprengt. In Österreich ist dies der Fall. Und die gefährliche Schieflage mahnte Bundespräsident Heinz Fischer dieser Tage an. Entstanden ist die Schieflage durch die Abschaffung der Erbschaftssteuer und die geringe Besteuerung von Vermögen in Österreich, das in diversen Stiftungen parkt.

Es gibt gute Vorschläge diese immer gefährlicher werden Schieflage in der Republik zu beseitigen. So könnte eine geringe Erbschaftssteuer mit einem Freibetrag bis zu 700.000 Euro und eine „Erbschaftsersatzsteuer" auf Stiftungsvermögen eingeführt werden. Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, derzeit turnusmäßige Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz, schlägt eine Widmungsabgabe auf Grund vor. Recht hat sie, wenn sie sagt, dass der größte Hohn in unserem Steuerrecht ist, dass man/frau mit einem Beschluss einer Gemeindevertretung Millionär werden kann - wenn Grünland in Bauland umgewidmet wird - und dafür keinen Cent Steuer zahlt. Gerade in der „Sound of Music"- Stadt oder in der k&k Stadt Wien und dem angrenzenden Niederösterreich ein großes Problem.

Oder anderes formuliert: Wer will schon in unsicheren Slums mit seinen Enkeln Urlaub machen?


Widerlich und dumm

Andreas Unterberger

Es ist eine der widerlichsten sozialistischen Ideen, die eigene progressive Schuldenmacherei ständig durch neue Steuern finanzieren zu wollen. Obwohl uns der Staat ohnedies schon 44 Prozent unserer Leistungen durch die diversesten Abgaben raubt. Für den Privilegienstadel ÖBB, für die diversen Frühpensionsformen, für Subventionen, für die aufgeblähte föderalistische Verwaltung, um nur die vier neben den Schuldzinsen teuersten (und sinnlosesten) Dinge zu nennen.

Das ist ungeheuerlich, auch wenn man ständig gebetsmühlenartig das Wort Gerechtigkeit vor sich herplappert. Dabei vergisst man, dass die Erbschaftssteuer vom Verfassungsgericht gerade wegen ihrer Ungerechtigkeit aufgehoben worden ist.

Das Übelste daran ist, dass dieser Staat, der uns ohnedies immer mehr von unserer Freiheit nimmt, damit wieder in unseren Schubladen nach geheimem Schmuck und Golddukaten zu stöbern beginnt. Nur weil wir gespart haben.

Wer glaubt, dass er ohnedies kein Vermögen hat, irrt oft. Samt einem marktkonform bewerteten Einfamilienhaus, Auto und Sparbuch erreicht ein „Vermögen" nämlich sehr leicht die von linken Politikern vorgeschlagene Grenze von 500.000 Euro - spätestens, wenn die von der Schuldenpolitik ausgelöste Inflation diese „Werte" in die Höhe treibt. Dazu kommt, dass sie in aller Regel von schon hoch versteuertem Einkommen erworben sind, also zum zweiten Mal besteuert werden. Mafia-Banden erwischt der Staat hingegen so und so nicht.

Wer mit Grundsteuern einiger anderer Länder argumentiert, verschweigt bewusst, dass mit diesen oft kommunale Abgaben wie Kanalgebühren abgegolten werden. Und vor allem ignorieren die Vermögenssteuer-Anhänger, dass die wirklich großen Geldvermögen schneller ins Ausland transferiert sind, als die Abgeordneten ihre Gesäße zur Einführung einer Steuer heben können. Diese Vermögen nützen aber uns allen viel mehr, so lange sie im Lande sind. Mit und ohne Neidgefühle.

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Zurück zum Plastiksackerl

07. Juli 2011 00:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Zuerst die gute Nachricht: Ganz im Westen und im Norden regiert noch die wirtschaftliche Vernunft. Im Rest Europas ist sie jedoch dahingeschmolzen. Anders ist es nicht zu erklären, dass jetzt auch die EU-Kommission eine Finanztransaktionssteuer vorschlägt, samt einer saftigen Erhöhung ihres Ausgabenrahmens. Und dass sie damit vielerorts auf Zustimmung stößt.

Besonders erstaunt, dass sogar der Chef der europäischen Liberalen, der Belgier Guy Verhofstadt, diese neue Steuer lobt. Der Liberalismus ist offensichtlich schon ganz schön weit herumgekommen, wenn sein oberster Repräsentant in der EU eine Steuererhöhung „einen fantastischen Vorschlag“ nennt. Dass die selbsternannten liberalen Parteien mit Liberalismus nicht mehr viel zu tun haben, sieht man freilich auch am orientierungslosen Zerfall der deutschen FDP. In Österreich haben wir sicherheitshalber gar keine liberale Partei, daher brauchen wir uns gar nicht erst den Kopf zu zerbrechen, was am Jubel über neue Steuern noch liberal sein soll.

Dass die Wiener Regierung unreflektiert für eine Transaktionssteuer ist, wissen wir ohnedies schon lange. Blöd ist nur, dass jetzt die EU selbst jene Steuer kassieren will, auf die Rot und Schwarz schon gelauert haben.

Umgekehrt kommt vielleicht auch die EU mit ihrer Geldgier – die den Finanzrahmen 2014 bis 2020  aufbessern soll – zu spät. Denn Italien hat soeben in seiner Finanznot beschlossen, diese Steuer im Alleingang einzuführen. Und begreift nicht, wie sehr sich damit einer der ältesten Finanzplätze Europas selbst schadet.

Man muss jetzt jedenfalls ganz auf die eine solche Steuer strikt ablehnenden Skandinavier und Briten hoffen, damit der Unfug nicht europaweit Wirklichkeit wird. Aber derzeit wird ja in Europa offenbar jeder Unfug Wirklichkeit. Bevor die EU auf die vielen Geldverschwendungsprojekte verzichtet, lassen sich ihre Machthaber nur das einfallen, was Politikern immer einfällt: Steuern, Steuern, Steuern. Die EU-Kommission will einfach mehr Geld zum Ausgeben haben.

Und warum ist das ein Unfug? Weil die Lasten auf der europäischen Wirtschaft diese immer weniger wettbewerbsfähig machen; weil immer mehr Investitionen abwandern; weil die europäischen Länder ohnedies schon die höchsten Steuerquoten der Welt zu tragen haben; weil bis auf seltene Ausnahmen die Politik mit Geld viel schlechter umgeht als Bürger oder Wirtschaft; weil der Finanztransaktionssteuer wegen künftig viel Geld, Zeit und Gehirnschmalz unproduktiv für komplizierte Konstruktionen verschwendet werden wird, um die neue Steuer zu umgehen; weil nichts so schnell aus Europa weg ist wie Kapital; weil Finanzzentren wie Singapur oder Hongkong nur darauf warten, europäische Vermögen aufzunehmen; weil dadurch unweigerlich jede noch so harmlose Banküberweisung mit einer zusätzlichen Mittelstands-Steuer belastet wird.

Oder sollen die Menschen ihren Obolus künftig wieder im Plastiksackerl beim Finanzamt, beim Hausverwalter, beim Stromlieferanten abgeben?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Dummheit ist kein österreichisches Privileg

06. Juli 2011 01:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man könnte ja versuchen, es positiv zu sehen: Irgendwie ist es tröstlich, dass Dummheit kein österreichisches Privileg ist. Freilich kann man es auch sehr negativ sehen, wenn die Dummheit das gemeinsame Kennzeichen aller westlichen Gesellschaften zu sein scheint. Und wenn der diesbezügliche Unterschied zwischen den einzelnen Ländern nur ein ganz marginaler ist. Das wird indirekt auch durch die jüngste Analyse der „Financial Times“ bestätigt, derzufolge Europa wie Amerika gemeinsam gegen die steil aufsteigenden Schwellenländer untergehen werden.

Es ist jedenfalls erstaunlich, wie sehr die Politik, aber oft genug auch die Wirtschaft rundum glaubt, zwingende Logik durch populistische Phrasendrescherei ersetzen zu können. Einige neue Beispiele:

Das österreichische Parlament beschließt diese Woche die Einführung von Wartelisten bei Operationen. Niemand soll rascher drankommen, weil er zahlt beziehungsweise eine Sonderversicherung hat.

Meinen die das wirklich ernst? Dann verstehen sie absolut nichts vom Funktionieren des Gesundheitssystems. Denn die Einnahmen von Sonderpatienten sind für viele Spitäler ein Eckpfeiler der Finanzierung. Und sie sind auch für viele Ärzte ein entscheidendes Zusatzeinkommen zu eher kargen Grundgehältern. Daher werden Spitäler wie Ärzte alles tun, um weiter diese Einnahmen zu lukrieren. Selbst um den Preis, dass dann wieder einmal ein „Aufdecker“-Journalist schreibt: Es gibt sie noch immer, die Zweiklassenmedizin.

Sollte es aber wirklich gelingen, den Sonderpatienten im öffentlichen Spitalswesen jedes Privileg zu nehmen, werden diese auf private Spitäler ausweichen, die dann aufblühen werden. Hingegen wird sich an den öffentlichen Spitälern die Finanznot verschlimmern. Gleichzeitig werden die besten Ärzte von dort wegwandern, oder nur noch so tun, als ob sie im öffentlichen Spital voll arbeiten.

Da – allen Sonntagsreden von Politikern und Ärztefunktionären zum Trotz – die Marktmechanismen immer wirken, würde es auch Konsequenzen haben, wenn man als nächsten Schritt die Privatspitäler entrechtet und damit zur Schließung zwingt. Denn dann würde zweierlei passieren: Eine Gruppe würde ihre Privatversicherung kündigen und damit endgültig dem Gesundheitssystem Milliarden entziehen; eine andere Gruppe würde sich halt im Ausland rasche Operationstermine verschaffen. Denn wenn es um ihre Gesundheit geht, tun viele Menschen alles (außer gesund zu leben – aber das ist ein anderes Thema). Selbst ferne Länder wie Thailand bieten schon zahlungskräftigen Kunden jede gewünschte Operation in durchaus komfortablen Kliniken an.

Da bleibt dann unserer schlauen Politik als letzter Ausweg wohl nur noch nach dem Vorbild des alten Ostblocks die Menschen mit Stacheldraht und Selbstschussapparaten entlang der Grenzen am Verlassen des Landes zu hindern.

Ähnliche Intelligenzprobleme sind aber auch der deutschen Koalition zu attestieren: Da beschlossen die Parteichefs von CDU, CSU und FDP die Grundsätze einer Steuerreform: „Kleine und mittlere Einkommen werden zum 1. Jänner 2013 steuerlich entlastet, und wir werden die kalte Progression vermindern.“

Ganz abgesehen davon, dass Deutschland noch immer neue Schulden macht: Begreifen diese Parteien denn nicht, dass die beiden Satzteile von der Logik her absolut unvereinbar sind? Wenn man nämlich die kleinen und mittleren Einkommen entlastet, dann wird per definitionem und mit absolut zwingender Konsequenz die Progression umso schlimmer, also der Unterschied der Steuerlast, wenn man einmal mehr verdient als zuvor. Diese Progression kann man nur dadurch mildern, indem man insbesondere die höheren Einkommen entlastet – oder gleich die Flat tax einführt, die sicher die sinnvollste Steuerform wäre.

Wer nichts dergleichen tut, der nimmt vielen Menschen den Ansporn, mehr zu arbeiten, fleißiger oder kreativer zu sein. Wenn einem nicht nur absolut, sondern auch relativ immer mehr weggenommen wird, wirkt das eindeutig demotivierend. Außerdem wissen die Bezieher mittlerer Einkommen längst: Auch wenn sie derzeit noch von den allerhöchsten Steuersätzen weit entfernt scheinen, so wird sie die Inflation in absehbarer Zeit in diese Steuersätze treiben, selbst wenn sie der Kaufkraft nach gleichviel verdienen.

Zugegeben, bei den Grünen konnte man noch selten sonderliches ökonomisches Wissen orten. Aber es macht doch staunen, wenn der grüne Abgeordnete Kogler eine ganze Fernsehsendung lang unwidersprochen behaupten kann, dass die Budgetprobleme ja nur Folge der Bankenhilfe aus dem Budget seien.

Weiß der Gute nicht, dass sich selbst dann, wenn die gesamte Bankenhilfe schief gehen, also nicht zurückbezahlt werden sollte, die Staatsschuld maximal um drei Prozent erhöht? Ganz abgesehen davon, dass sowohl Raiffeisen wie Erste Bank mit großer Sicherheit die Staatshilfe zurückzahlen werden. Der Großteil des restlichen Risikos ist hingegen durch staatsnahe Banken wie insbesondere die Hypo Alpe-Adria und die staatlichen Haftungen für diese verursacht worden. Dies jener Partei ins Stammbuch, die beim Wort „Privatisierung“ den heftigsten Schüttelfrost vor lauter selbstdiagnostizierter sozialer Kälte bekommt.

Alles andere als intelligent ist auch das Verhalten der USA im Afghanistan-Krieg: Barack Obama lässt nun Tausende Truppen abziehen, obwohl es eine Halluzination sein müsste, wenn man den Krieg dort als beendet oder gar gewonnen erklärt. Um nicht missverstanden zu werden: Ich habe angesichts der Rahmenbedingungen das dortige Engagement immer für einen Fehler gehalten. Aber es wird zum doppelten Fehler, wenn man so wie einst in Vietnam einfach mitten im Krieg abzieht, und damit all die gefallenen und verstümmelten Soldaten zum Opfer einer totalen Sinnlosigkeit erklärt.

All das geschieht nur, um mit besseren Karten in den nächsten amerikanischen Wahlkampf gehen zu können. Das ist vielleicht nicht unintelligent in Hinblick auf Obamas eigene Nutzenoptimierung. Aber es ist jedenfalls ziemlich beschämend.

Nächstes Beispiel an durch Populismus ersetzter Intelligenz ist die deutsche Telekom. Bei dieser sollen gerade in einem Gewaltakt drei der sieben Vorstandsposten durch Frauen besetzt werden. Das heißt nun nicht, dass Frauen im Prinzip nicht für Vorstandposten geeignet wären. Aber nach allem, was man von der deutschen Telekom hört, stand bei dieser Entscheidung zuerst fest, dass es lauter Frauen sein müssen. Statt dass man einfach den Besten sucht, ganz unabhängig vom Geschlecht.

Mit dieser Vorweg-Fixierung auf das Geschlecht reduziert man automatisch das Reservoir auf weniger als ein Viertel, in dem man nach den besten Kandidaten für den Vorstand sucht. Denn der Anteil der Frauen ist noch immer sehr überschaubar, welche die Mühen einer Managerkarriere bis zur zweiten Ebene hinauf auf sich nehmen, um dann vielleicht Vorstandschancen zu haben. Damit ist logischerweise das Risiko viermal größer, dass man nicht die optimale Lösung findet. Und selbst wenn eine der Frauen eigentlich der beste Kandidat gewesen wäre, wird ihr trotzdem unweigerlich ewig das Negativimage der Quotenfrau anhängen.

Sich dabei von irgendwelchen Frauenforschungsprofessorinnen Gutachten schreiben zu lassen, dass ein hoher Frauenanteil die Geschicke eines Unternehmens verbessert, ist nicht wirklich überzeugend. Ich habe jedenfalls genauso oft Frauen an solchen Aufgaben scheitern gesehen wie Männer. Zum Teil sehr dramatisch.

 Immerhin geht es bei der Deutschen Telekom um viel Geld von Aktionären, also überwiegend von Menschen, die damit für ihr Alter vorsorgen wollten. Machen da nicht ein paar Spitzenmanager populistische und eitle Spielchen auf Kosten dieser Aktionäre? Sie setzen dabei ja nicht eigenes Eigentum aufs Spiel. Und sie wissen genau, dass man mit solchen Spielchen am leichtesten persönlichen Applaus in den Medien bekommt.

Apropos Dummheit der Wirtschaft: Der Schwachsinn, der von so manchen Wirtschaftsführern zum Thema Gesamtschule und Migration verbreitet wird, zeigt ebenfalls, dass das Managerhirn oft nur sehr einseitig entwickelt ist.

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Fußnote 209: Der Hai als Spekulant

06. Juli 2011 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alfred Gusenbauer diversifiziert sich.

Bisher waren sie die Bösewichte schlechthin. In der von vielen Journalisten nachgeplapperten rot-grünen Propaganda sind „Finanzhaie“ und „Spekulanten“ noch die mildesten Ausdrücke für Risikokapitalisten. Jetzt ist freilich auch Alfred Gusenbauer, der langjährige SPÖ-Chef und kurzjährige Bundeskanzler, ein solcher. Er hat bekanntgegeben, dass er mit Freunden eine Gesellschaft gegründet hat, „um in das Geschäft mit Risikokapital einzusteigen“. Dabei will er auch Sanierungskandidaten aufkaufen – nicht gerade ein Job für Zartbesaitete, bei der man auch in Frontalkonfrontationen mit der Gewerkschaft kommt. Um nicht missverstanden zu werden: Ich halte das Stellen von Risikokapital für einen unverzichtbaren Mechanismus in einer Marktwirtschaft. Wenn niemand unter dem Risiko, auch sein ganzes Geld zu verlieren, in Dinge investiert, kann nichts Spannendes entstehen. Nur Risiko bringt unser aller Wohlstand voran. Hört man freilich die ständige rotgrüne Antikapitalismus-Hetze, dann wundert man sich, dass Menschen wie Gusenbauer eigentlich noch frei herumlaufen dürfen. Oder darf man mit dem richtigen Parteibuch in der Tasche auch ohne moralischen Makel spekulieren? Und noch eine Frage ist interessant: Was ist der wahre Gusenbauer? Der vor 2008 oder der von heute?

 

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Die Zukunft des Euro

05. Juli 2011 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Als ich Mitte der 90er Jahre einen Halbtag an einem spannenden Seminar mit Milton Friedman teilnehmen durfte, schrumpfte der Mann in meinen Augen vom großen Mythos auf seine physische Größe zusammen. Die bekanntlich sehr gering war. Mir war klar: Der Nobelpreisträger wollte originell sein. Was immer am leichtesten geht, wenn man der großen Mehrheit der Ökonomen widerspricht.

Denn Friedman warnte die Europäer heftig vor der Einführung des Euro. Das klang nicht nur originell, sondern auch nach typischer Interessenpolitik einer Großmacht: Die USA bangten um die Rolle des Dollar als Weltreservewährung, die ihnen viele Dividenden bringt.

Seit dem Vorjahr baut sich mein Milton-Friedman-Mythos aber langsam wieder auf. Friedman hatte wohl nicht mit seiner gänzlichen Ablehnung des Euro recht, aber dennoch war seine Kritik richtig: So wie der Euro eingeführt wurde, war es ein schwerer Fehler!

Kurz darauf konnte ich in einem Hintergrund-Gespräch mit einem Euro-freundlichen Finanzminister eines großen (nicht deutschsprachigen) EU-Landes die Friedman-Thesen durchdiskutieren: Was ist, wenn Euro-Länder trotz der Maastricht-Kriterien undiszipliniert sind, wenn sie den Forderungen der Gewerkschaften ständig nachgeben, wenn sie große Defizite produzieren, wenn sie Gehälter und Preise schneller steigen lassen als andere Länder beziehungsweise schneller, als der Produktivitätszuwachs erlaubt? Ein solches Land kann ja im Euro-Raum die eigene Währung nicht abwerten. Damit fehlt die wichtigste Gegenmaßnahme, durch die früher die „Erfolge“ der Gewerkschaften regelmäßig wieder wertlos geworden sind.

Die Antwort jenes Finanzministers war richtig und logisch: „Den bestrafen die Märkte.“

Wenn Griechenland für Anleihen 23 Prozent Zinsen zahlen muss und Deutschland nur 1,6 Prozent, dann ist der Unterschied die Strafe der Märkte (auch wenn sich deren Höhe tagtäglich ändert).

Die Frage ist nur: Ist es richtig, dass auch die Europäische Zentralbank, die EU und die sich solidarisch erklärenden Euro-Staaten jetzt gemeinsam mit den Griechen diese Strafen zahlen? Sind wir da nicht genau in der Situation des in der Literatur oft beschriebenen Verschwenders, der immer Besserung schwört, wenn er den reichen Onkel anpumpt? Und der alle Schwüre vergisst, sobald er das Geld hat . . .

Erfolge und Misserfolge der Griechen 

Was haben die Strafen nun konkret in Griechenland bewirkt? Da stehen etliche Erfolge auch vielen Misserfolgen gegenüber.

Die Erfolge:

Unabhängig von der disziplinierenden Wirkung von Strafen kommt auch aus einer anderen Ecke ein Hoffnungsstrahl: Den Griechen dürfte im Sommer 2011 ein Tourismus-Boom bevorstehen: Die Buchungen sind trotz der Abschreckung durch Fähren- und Fluglotsenstreiks stark gestiegen. Dieser Boom ist Folge der noch viel größeren Skepsis der Touristen gegenüber Ägypten und Tunesien.

Positiv ist prinzipiell auch, dass die Miteuropäer diesmal schon Monate vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit Griechenlands Maßnahmen zu diskutieren begonnen haben. Sie tun sich freilich dennoch mit der Antwort schwer. Denn die übereilte und falsche Husch-Pfusch-Aktion des Mai 2010, als Griechenland 110 Milliarden Hilfe zugebilligt worden sind, erweist sich immer mehr als katastrophaler Fehler mit langfristigen Folgen. Und diese können nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Den Erfolgen stehen viele Negativa gegenüber:

Neben diesen Enttäuschungen sollte man auch die gefährlichen und noch viel wichtigeren psychologischen Wirkungen einer neuen Griechenland-Hilfe auf andere Euro-Staaten nicht ignorieren. Diesen wird ein ganz falsches Signal gesendet: „Es gibt immer einen, der Euch herauspaukt.“ Das ist in einem Europa, welches das Prinzip Eigenverantwortung ohnedies weitgehend verlernt hat, sehr gefährlich.

Noch schlimmer aber ist, dass die EZB als Hüterin der Stabilität umgefallen ist. Sie hat mit Taschenspielertricks die eigenen Regeln und den eigenen Auftrag umgangen und steht nun mit einem Tresor voller wertloser griechischer Staatspapiere da. Auch wenn die genaue Summe geheimgehalten wird, ist klar, dass die EZB bald Bedarf an Kapitalerhöhungen haben wird. Die Zentralbank wurde als Mülldeponie missbraucht. Und sie ließ es sich gefallen.

Keine Euro-Krise, sondern eine Schuldenkrise

Rund um den Mai 2010 gab es fast keinen Politiker, der die Hilfsaktion für Griechenland nicht damit begründet hätte, dass man damit den Euro rette. Das war aber die Unwahrheit. Es gab und gibt keine Euro-Krise, sondern eine schwere Schuldenkrise vieler Staaten (in und außerhalb der EU). Diese Krise wäre auch ohne Euro schlagend geworden. Das Wort Euro-Krise haben nur die Spin-Doctoren der Politik zur Ablenkung von der politisch verursachten Schuldenkrise erfunden. Die Euro-Gegner hingegen wollen durch dieselbe Wortwahl etwas ganz anderes bewirken, nämlich gleich den Euro zu killen.

Viele Industrieländer bekommen heute aber in Wahrheit die Rechnung dafür serviert, weil sie verleitet von populistischen Politikern massiv über ihre Verhältnisse gelebt haben. Das trifft – mit nationalen Unterschieden – in den meisten Ländern sowohl die staatliche wie auch die private Verschuldung.

Diese Schuldenkrise muss zu dramatischen Folgen führen, deren Details freilich noch offen sind. Am wahrscheinlichsten ist eine signifikante Intensivierung der Inflation. Durch eine Inflation können viele europäische Staaten ihre Schulden am leichtesten in den Griff bekommen. Das gilt tendenziell auch für die derzeitigen Vorzugsschüler Deutschland, Niederlande und Österreich.

Die Einführung des Euro ist hingegen trotz der Schuldenkrise vieler Länder ein großer Erfolg: Sie hat vor allem den Industrie-orientierten Ländern eine starke Verbesserung der Handelsbilanz ermöglicht. Die Importländer können ihnen nicht mehr durch ständige Abwertungen den Markt rauben. Exporteure sparen ferner teure Transaktionskosten, etwa die Absicherung gegen Währungsschwankungen.

Aber dennoch ist klar: Rund um die Einführung des Euro sind katastrophale Fehler begangen worden, die heute seine Erfolge überschatten. Der zentrale politische Fehler war, dass die eigenen Regeln nicht ernst genommen worden sind. Man hat dadurch auch viele solcher Länder in den Euro-Raum aufgenommen, welche die Bedingungen nicht erfüllen.

Es hat zwangsläufig negative Beispielsfolgen, wenn Politiker die selbst gesetzten Regeln ignorieren. Wer einmal lax bei den Regeln ist, wird meistens nie mehr ernst genommen.

Die wichtigsten Regelbrüche:

-         Die laut propagierten Stabilitätskriterien wurden in Wahrheit ignoriert. Es wurden von Anfang an Staaten aufgenommen, welche die Maastricht-Kriterien nicht einmal annähernd erfüllten. Dennoch hat damals die EU-Kommission dem Rat Land für Land „empfohlen“, die Kriterien „für eingehalten zu erklären“. Obwohl sie eindeutig nicht erfüllt waren.

-         Man hat ebenfalls auf Konsequenzen verzichtet, als später die beiden Schwergewichte Deutschland und Frankreich gegen diese Kriterien verstießen. Was vielen anderen erst recht Mut zur Sünde machte.

-         Im Mai 2010 wurde die No-Bailout-Klausel brutal verletzt. Der Artikel 125 des EU-Vertrages verbietet es ja ausdrücklich, dass die EU oder Mitgliedsländer für die Schulden eines anderen Mitgliedslandes einstehen.

-         Man hat auch seither die eigene Glaubwürdigkeit weiter demoliert: Die Zeitungsarchive sind voll der Ankündigungen, dass Griechenland, Irland, Portugal keine Hilfe benötigen – bis es wenige Tage später immer ganz anders war.

-         Man hat Griechenland nach dem Mai 2010 viel zu lang scharfen Druck in Richtung auf echte Reformen erspart.

Dafür wurde an einer anderen EU-Regel festgehalten: nämlich an der Notwendigkeit einer nationalen Kofinanzierung, wenn ein Land EU-Förderungen in Anspruch nehmen will. Die Griechen haben aber kein eigenes Geld mehr für diese Kofinanzierung und dadurch für sie reservierte Milliarden aus dem EU-Budget verloren. Das ist zwar eine an sich sinnvolle Regel – sofern man akzeptiert, dass die EU eine Transferunion ist, in der Länder und Regionen vor allem im Süden des Kontinents seit Jahrzehnten von Zuschüssen anderer leben und dadurch der Selbstverantwortung total entwöhnt worden sind. Aber im Falle Griechenlands zeigt die Kofinanzierungsregel, dass sie jedenfalls nicht immer sinnvoll ist.

Wie auch immer die Causa Griechenland weitergeht: Es gibt große Gefahren für die Stabilität auch vieler anderer europäischer Staaten. Es gibt aber keine unmittelbare Gefahr eines Zerfalls des Euro. Die nach einem Zahlungsausfall Griechenlands erwarteten wilden Kursausschläge der Währung werden sich binnen kurzem wieder stabilisieren. Der Euro wird erst dann zerfallen, wenn die EU als Ganzes zerfällt. Was freilich – aus ganz anderen Gründen – nicht mehr so unwahrscheinlich ist wie vor zehn Jahren.

Viel größer ist aber jetzt schon die Gefahr, dass Staaten ihre riesigen Schuldenlasten nur noch durch Inflationierung loswerden können. Sie wollen das auch insgeheim. Denn es ist praktisch, wenn man edle Ziele wie Euro-Rettung und Solidarität vorschieben sowie den Handel und „Spekulanten“ als Schuldige geißeln kann, statt sich selbst zur Verantwortung für die eigene Schuldenwirtschaft bekennen zu müssen.

(Dieser Text erscheint in einer ausführlichen Version in „Der Hauptstadtbrief“ einem in Berlin erscheinenden Dienst für Top-Entscheidungsträger.)

 

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ORF und Rathaus: ein österreichisches Sittenbild

04. Juli 2011 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein neues Quoten-Tief beim ORF und ein Arbeitslosigkeits-Hoch in Wien. Das hängt nur scheinbar nicht zusammen. Mit diesen zwei Fakten lässt sich jedoch ein sehr anschauliches österreichisches Sittenbild zeigen.

Beginnen wir mit Wien. Während fast ganz Österreich derzeit in einer von Deutschland aus überraschend stark strahlenden Konjunktursonne badet, während die Konjunkturforscher ihre Prognosen neuerlich nach oben revidieren mussten (was bei deren Prognose-Verlässlichkeit freilich an sich nicht viel heißt), während österreichweit die Arbeitslosigkeit stark abnimmt: Genau in dieser Zeit nimmt die Arbeitslosigkeit in Wien (und Kärnten) stark zu. In der Bundeshauptstadt tut sie das gleich um starke 6,9 Prozent.

Diese Zahl ist nun keineswegs ein zufälliger Ausreißer, sondern Fortsetzung eines anhaltenden Trends. Ist doch in Wien die Arbeitslosigkeit seit langem viel, viel höher als im Rest des Landes, also nicht nur während der Aufwärtsphase eines Konjunkturzyklus, wie jetzt von den SPÖ-Propagandisten ausgestreut wird.

Die hohe Arbeitslosigkeit in Wien ist mit absoluter Sicherheit Folge der tief verwurzelten wirtschaftsfeindlichen Gesinnung der Wiener Machthaber. Signifikant war etwa ein Ausspruch des aus dem Wiener Rathaus stammenden Bundeskanzler-Darstellers, als dieser einmal – ungewöhnlicherweise – auf Leistung und Leistungsträger zu sprechen kam: Die Berufe, die ihm dazu einfielen, waren nämlich fast durchwegs Tätigkeiten im öffentlichen Dienst. Das zeigt wieder einmal, dass die Sozialisten einfach nicht begreifen können, wo wirklich Wertschöpfung entsteht, durch die einzig und allein dann auch die Beamten und vieles andere mehr finanziert werden können.

Von der wirtschaftsfeindlichen Gesinnung dieser Stadt kann auch jeder ein Lied singen, der in Wien ein Unternehmen starten oder ein Haus bauen will. Wer nicht schmiert, wird schikaniert. In den meisten anderen Bundesländern – vor allem jenen im Westen mit Oberösterreich an der Spitze – geht es hingegen viel schneller und sauberer zu.

Szenenwechsel zum ORF. Dieser erreichte im Juni mit einem Marktanteil von nur noch 33,4 Prozent seinen absoluten Tiefpunkt. Die Führungs-Mannschaft des Alexander Wrabetz hat hingegen bei Amtsantritt einen Marktanteil von wenigstens noch 40 Prozent versprochen. Was Rot und Grün und offenbar auch Orange freilich nicht abhält, Wrabetz wiederzuwählen.

Die Österreicher müssen zwar alle nur für den ORF Zwangsgebühren zahlen, aber schon zwei von drei Landsleuten schauen im Schnitt anderen Sendern zu, also ausländischen oder den langsam doch wachsenden österreichischen Privatsendern.

Viele Zeitungen haben dem in ihren Berichten darüber den vom ORF ausgestreuten Beschwichtigungshinweis hinzugefügt, dass zumindest die „Zeit im Bild“ einen höheren Marktanteil erzielt habe als im Vorjahr. Dazu muss man freilich zweierlei wissen: Erstens trauen sich die Zeitungen nicht, sich allzu kritisch mit dem ORF anzulegen, weil sie sonst dort nicht zitiert werden oder auftreten dürfen. Und zweitens lässt sich dieser relative ZiB-Erfolg ganz einfach damit erklären, dass im Vorjahr die Fußballweltmeisterschaft viele Menschen von der ZiB weggelockt hatte. Da ist es eine zwangsläufige Automatik, dass dann ein Jahr später wieder einige zur Hauptnachrichtensendung zurückkehren. Die katastrophale und elegant übergangene Wahrheit ist aber, dass auch ohne WM die Zeit im Bild nur noch eine Minderheit der Österreicher als Zuseher findet. Obwohl dort eigentlich der Anspruch des ORF auf das Gebührenprivileg kulminieren sollte.

Was ist nun aber die Querverbindung zwischen diesen beiden überaus aufschlussreichen Zahlen? Dieser zeigte sich in der einzigen „Zeit im Bild“ der Vorwoche, die ich mir in altem Pflichtbewusstsein angetan habe (der Rest blieb mir durch eine Fülle anderer Aufgaben erspart).

In dieser Sendung wurde breit über die eingangs angesprochenen Juni-Zahlen des Arbeitsmarkts berichtet. Dabei zeigte sich ganz das journalistische Elend des Wrabetz-ORF. Da wurde nicht nur im Ton eines Regierungspropagandasenders formuliert. Da wurde auch kein Wort darüber verloren, dass das vor allem mit den noch viel steileren Zuwächsen in Deutschland, dem weitaus wichtigsten Wirtschaftspartner des Landes, zu tun hat. Und da wurde vor allem die Wiener Arbeitslosigkeits-Katastrophe nicht angesprochen.

Solche Manipulationen, einseitige Darstellungen und Unterdrückungen wichtiger Fakten werden in Einzelfällen von den Zusehern meist übersehen. In der ORF-üblichen Regelmäßigkeit und Häufung (die man praktisch täglich aufzeigen könnte) wird das aber durchaus auch von einfachen Staatsbürgern gespürt. Diese verlieren daher zunehmend das Interesse an einem desinformierenden Propagandasender. Sie wenden sich vom Fernsehen ab, und wenn sie doch noch Fernsehen, wenden sie sich vom ORF ab.

Mit anderen Worten: Nur damit die SPÖ nicht böse ist, verspielt man das Vertrauen der Kundschaft, die normalerweise die wichtigste Basis der Existenzberechtigung eines Mediums sein sollte. Zugegeben: Neben der Rücksicht auf die SPÖ ist es auch die linksradikale und Grün-Einstellung der Redakteurs-Mehrheit, die der Erosion des ORF Vorschub leistet (und die oft weit über den biederen Mainstream der Faymann-Häupl-SPÖ hinausgeht).

Dieser Tage zeigte noch ein weiteres starkes Indiz, dass für die um ihre Wiederwahl kämpfende ORF-Führung vor allem der starke Mann der SPÖ im Wiener Rathaus wichtig ist. Und nicht die unternehmerischen Interessen des größten Medienbetriebes Österreichs. Der ORF erwarb nämlich eine Option zur Übersiedlung auf ein neues Grundstück in St. Marx. Dort will ihn das Rathaus mit aller Gewalt hinbringen, um das dortige Stadtentwicklungsprojekt endlich mit Leben zu füllen. Was angesichts der erwähnten Feindschaft des Rathaus-Apparates gegen die Privatwirtschaft wie bei vielen anderen planwirtschaftlichen Vorhaben der SPÖ-Bürokratie nicht gelingt. Ziehen doch sogar immer mehr Europazentralen von Konzernen aus Wien ab.

Für den ORF tut es bei dieser Entscheidung absolut nichts zur Sache, dass St. Marx die weitaus teuerste Variante für seine bauliche Zukunft ist. Wenn das Geld wieder einmal aus ist, erhöht man halt wieder einmal die Gebühren oder greift wieder in die Budgetkassa. Das ist ja immer noch gelungen.

PS: Ach ja, fast hätte ich es übersehen: In Wien regieren neuerdings auch die GrünInnen mit. Und die haben nun durchaus etwas gegen die Arbeitslosigkeit getan, zumindest jene unter ihren Parteigängern: Sie schaffen den Posten eines „Fahrradbeauftragten“. Das wird eine „Führungsposition“, wie betont wird, was immer eine Umschreibung für einen besonders hohen Gehalt zu Lasten der Steuerzahler ist. Mit diesem Führer wird der Terror der Fahrradlobby in Wien mit Sicherheit freilich noch schlimmer: also der auf Gehsteigen dahinzischenden Radfahrer, der gegen Einbahnen fahrenden Radfahrer, der Ampeln und Vorrangzeichen missachtenden Radfahrer, der nächtens ohne Licht fahrenden Radfahrer und der kaum benutzten Fahrradständer, die der Wohnbevölkerung Parkplätze rauben.

PPS: Am Sonntagabend durfte man schon wieder intensiv über den Links-ORF staunen (was sollte man bei diesem Wetter auch sonst tun?). Die ZiB berichtet über die Sankt Pöltner Gemeinderatswahl, verschweigt dabei aber die Verluste der Grünen. Dabei haben diese rund ein Drittel ihrer Wähler verloren, was absolut wie relativ das weitaus schlechteste Ergebnis einer Partei war. Jetzt wissen halt auch die Sankt Pöltner, was sie von der sogenannten Information im ORF zu halten haben. Dass am gleichen Tag Heinz Fischer nur zwei linksgerichteten Journalisten in der Pressestunde gegenübersaß, ist dort ja geradezu schon Routine.

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Rückkehr zum gesunden Menschenverstand

02. Juli 2011 20:44 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Eine im Rahmen einer Veranstaltung der „Go Ahead Plattform für Führungskräfte“ erfolgte Buchpräsentation geriet zur Generalabrechnung mit den Defiziten der Lehren der herrschenden Hauptstromökonomie. Rahim Taghizadegan, Gründer des Instituts für Wertewirtschaft und Autor des eben erschienenen Buches „Wirtschaft wirklich verstehen“, begann seine Ausführungen mit einem Zitat des an der London School of Economics lehrenden Willem Buiter, der im Zusammenhang mit der aktuellen Wirtschaftskrise wörtlich von der „Unbrauchbarkeit der neoklassischen Theorie“ sprach.

In der Tat zeigten sich sämtliche Vertreter der Zunft – inklusive mehrerer Nobelpreisträger – vom Ausbruch der Krise völlig überrascht. Keiner hatte das Unheil kommen sehen. Die wenigen Mahner, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen wurden, entstammten ausnahmslos dem Lager der einst von Carl Menger begründeten und aus ideologischen Gründen heute weithin ignorierten „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre“.

Es sei, so Taghizadegan, erforderlich, das Phänomen der Krise zu verstehen. Die Krise bedeute letztlich die Aufdeckung eines Auseinanderklaffens von Illusion und Realität. Die ausschließliche Betrachtung von Symptomen einer Krise führe nicht weiter. Vielmehr müsse man sich der Betrachtung von Strukturen widmen, die zu Krisen führen. Es scheine paradox, dass ausgerechnet jene Schule, deren Exponenten als einzige seit Jahren vor den unausweichlichen Folgen einer ungebremsten Geld- und Kreditexpansion gewarnt hatten (einer massiven Rezession und einer möglichen Hyperinflation nämlich, Anm.) sich nicht darauf einlässt, quantitative Prognosen zu stellen.

Praktische Handlungsanleitungen, á la „wie werde ich trotz Krise reicher?“ dürfe man von der Österreichischen Schule nicht erwarten. Der Grund dafür: Da sämtliche wirtschaftlichen Entscheidungen durch jeden einzelnen Akteur im Zustand der Ungewissheit getroffen werden; sämtliche entscheidungsrelevanten Präferenzen sich laufend und unvorhersehbar ändern (das durch die Katastrophe in Japan ausgelöste „Atomaustiegsszenario“ in Deutschland ist ein hochaktuelles Beispiel, Anm.); individuelle Präferenzen eben nicht in geldwerten Nutzen umgerechnet und zu Aggregaten verarbeitet werden können, sei jede wirtschaftliche Handlung am Ende das Ergebnis einer „Spekulation“. Komplexes menschliches Handeln durch mathematische Modelle abbilden zu wollen, wäre daher ein zwangsweise zu Fehlprognosen führendes Unterfangen.

Die Hauptstromökonomie schaffe die Illusion kalkulierbarer Nutzenaggregate und bereite damit über die ausschließliche Orientierung an Nützlichkeitserwägungen der Ideologie des Utilitarismus den Weg. Überwiege ein behaupteter, aus einer bestimmten Politik folgender Nutzen für die Gruppe A den für die Gruppe B dadurch entstehenden Schaden – wäre also eine „gesellschaftliche Nettonutzenmaximierung“ zu erreichen – wäre damit auch jeder (moralische) Einwand vom Tisch.

Nicht umsonst habe der 1974 zu Nobelpreisehren gekommene Exponent der „Austrian Economy“, F. A. Hayek, davor gewarnt, dass Ökonomen sich zu Herolden der Nützlichkeit machen und den Mächtigen wohlfeile Handlungsanweisungen liefern. Nach seiner Überzeugung hatten gute Ökonomen stets „unpopulär“ zu sein.

Der früher herrschende Glaube an die Unfehlbarkeit des Papstes sei in unseren Tagen durch den verhängnisvollen Glauben an die Unfehlbarkeit des Nobelpreiskomitees und verschiedener „Experten“ für alle Lebensbereiche ersetzt worden. Daraus resultiere die trügerische Gewissheit, daß man das Denken – insbesondere in Fragen, welche die Wirtschaft betreffen – vollständig an die dafür zuständigen Fachleute delegieren könne.

Nassim Talebs 2007 publiziertes Buch „Der Schwarze Schwan“ zeige die Problematik, die eine einseitige Orientierung an Expertenstatistiken mit sich bringe. Das zu einiger Popularität gelangte „Truthahnchart“ (der Truthahn erfreut sich 1000 Tage lang eines, dank üppiger Fütterung, wunderbaren Lebens, um am 1001. Tag geschlachtet zu werden) macht deutlich, worum es geht: Das den „Wohlstand“ des Truthahns abbildende Chart verfügt – wie die meisten Statistiken der Mainstreamökonomen – über so gut wie keine Aussagekraft. Die Zukunft ist eben stets ungewiß!

Die Figur des Unternehmers, die in der Österreichischen Schule eine zentrale Rolle spielt, kommt in der Neoklassik so gut wie nicht vor. Gerade dem Unternehmer aber, also jenem Akteur, der mehr als alle anderen das Risiko von Entscheidungen im Status der Ungewissheit schultert, komme in der modernen Gesellschaft größte Bedeutung zu.

Fragen wie „was ist ein Wert? Was ist ein Preis? Was ist Geld?“ würden von der herrschenden Lehre ausgeblendet. Hier herrsche das Denken in Kategorien abstrakter Kapital- und Konsumfunktionen, in Aggregaten mechanisch agierender Individuen, nicht aber die Analyse der von einzelnen Menschen gezeigten Handlungen. Das Wohlergehen einer Gesellschaft resultiere jedoch aus konkreten Handlungen, welche durch laufende, von vielen unbekannten Faktoren bestimmte Korrekturen gekennzeichnet seien. Da die Österreichische Schule an der Beobachtung realen menschlichen Handelns ansetzte, nicht etwa an Aktivitäten grober Zerrbilder, wie dem des „Homo oeconomicus“, handle es sich dabei um die praxisnächste Form der Wirtschaftstheorie.

Der Umstand, dass die Zahl der Ökonomen in umgekehrtem Verhältnis zur Prosperiät einer Gesellschaft stehe, werde durch das Beispiel der UdSSR belegt: Nirgendwo sonst hätten mehr Ökonomen gewirkt als gerade dort. Fazit: Um Wirtschaft wirklich zu verstehen, bedarf es keineswegs der Orientierung an von Makroökonomen bestimmtem Neusprech, sondern „nur“ der Einsicht in die Grundlagen menschlichen Handelns …

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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SN-Kontroverse: die nächste Griechenland-Hilfe

01. Juli 2011 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel: 

Ist die Hilfe Europas für Griechenland richtig?

 In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Was kostet der Frieden?

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Vor zwanzig Jahren tobte in Südosteuropa ein Bürgerkrieg. Unendlich grausam wie jeder Krieg. Mit Opfern, deren Namen keiner mehr nennt. Wie es dazu gekommen ist wenige Monate nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, die Eigendynamik der geschürten Nationalismen und der sich aufschaukelnden Grausamkeiten, die tief sitzende Menschenverachtung der Kriegstreiber - egal auf welcher Seite sie zu finden sind - hat jetzt der seinerzeitige Kriegsberichterstatter auf dem Balkan, Friederich Orter, in seinem hervorragenden Dokufilm „Waffenruhe" in der ORF-Reihe Menschen und Mächte nachgezeichnet. Ohne großartige Schuldzuweisungen an eine der nationalistischen Seiten. Der Film zeigt was Krieg ist: Für jede Frau, für jeden Mann, für jedes Kind; selbst viele, viele Jahre danach.

Mitursachen für diesen Krieg in Europa am Ende des 20. Jahrhunderts, der viele geistige Väter und Mütter auch in der EU hatte, waren das ökonomische Desaster und der mangelnde politische Wille zum Zusammenhalt in Ex-Jugoslawien. Große ökonomische Misswirtschaft erzeugt Korruption, nährt Privilegienritter und Ungerechtigkeiten, diese wiederum ist Nährboden für extrem ungleiche Gesellschaften mit wenigen Superreichen und vielen Darbenden. Das ist und war und wird es immer bleiben: Der Sumpf in dem Nationalisten, Faschisten, linke und rechte Diktatoren, Revolutionäre und Reaktionäre mit stumpfsinnigen Parolen Gehör bei den Massen finden. Und der Schlachtruf mit denen diese dann ins Gemetzel geschickt werden ist stets der gleiche: Seht her, Dein Nachbar, Deine Nachbarin hat mehr und lebt besser! Nehmt es ihnen weg! Griechenland brennt. In der Nacht auf Donnerstag gab es 150 Verletzte. Diesen Brand zu löschen ist JETZT Aufgabe Europas. Damit es kein Flächenbrand wird. Noch geht es hoffentlich mit Geld.


Die Pleite kommt – je später umso ärger

Andreas Unterberger

 Bei einer Pleite Griechenland gibt es einen Schock, der uns alle teuer kommt." Ein an sich richtiger Satz. An ihn glaubend lässt Europa zur weitere 120 Milliarden Euro springen - und mehr: Auch die freiwillige Beteiligung privater Gläubiger wird dadurch erkauft, dass diese für Teile ihrer Forderungen an Athen nun europäische Garantien bekommen.

Dieser erste Satz braucht freilich dringend auch noch den zweiten Teil, damit er zur ganzen Wahrheit wird: „Griechenland ist schon im Zustand der Pleite, sodaß der Schock jedenfalls eintreten muss - je später umso ärger." Das Land ist so überschuldet, dass es seine Schulden nie zahlen kann. Es sei denn, man stürzt den Euro in eine Inflation, die alle Schulden in ein Taschengeld verwandelt. Dem schon verlorenen Geld weiteres gutes Geld nachzuwerfen, löst normalerweise als Konkursverzögerung und Untreue (in diesem Fall zu Lasten der Steuerzahler) Strafhaft aus.

Politik und Notenbanken können nicht bestraft werden. Schließlich macht die Politik selbst die Strafgesetze. Warum aber tun sie es überhaupt? Weil sie der Stunde der Wahrheit so lange wie möglich zu fliehen versuchen. Sie hoffen, dass der dann unweigerlich noch viel schlimmere Crash nicht mehr ihnen angelastet wird. Noch mehr fürchten sie die Erkenntnis der Bürger, dass auch anderswo griechische Politik gemacht wird: steigende Staatsverschuldung, Verstecken von Staatsschulden, zu niedrige Zinsen, zu hohe Sozialausgaben, den Produktivitätszuwachs übersteigende Lohnerhöhungen, Überregulierung, zu späte Privatisierungen. Da diese Sünden fast allen Ländern und Parteien wie auch vielen „unabhängigen" Zentralbanken angelastet werden, hat niemand Interesse, dem Schrecken endlich ein Ende zu bereiten. Und Sparer oder Steuerzahler werden ja nicht gefragt.

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Von den Schweden lernen

30. Juni 2011 00:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Blickt man in Europa um sich, gibt es nur wenige Länder, in denen noch die wirtschaftliche Vernunft regiert. Schweden springt da derzeit am stärksten ins Auge. Das ist auch der Grund, warum die dortige Regierung im Amt bestätigt worden ist, was sonst kaum noch eine schafft (nicht einmal „große“ Koalitionen sind ja davor geschützt, zur Minderheit zu werden).

Die Schweden haben ihren Sozialstaat so kräftig gestutzt, dass er finanzierbar geworden ist. Sie wissen, dass man länger arbeiten muss, wenn man länger lebt und weniger Kinder hat: Daher ist das durchschnittliche Pensionsantrittsalter um volle vier Jahre höher als in Österreich.

Sie verbrennen ihr Geld nicht bei diversen Griechenland-Rettungsaktionen. Und sie wissen, dass man den Bürger nicht dazu besteuern darf, um marode Unternehmen zu finanzieren. Selbst wenn das Unternehmen Saab heißt und eine große schwedische Traditionsmarke ist. Die Regierung in Stockholm hat sich auch nicht durch die – durchaus realistische – Drohung einschüchtern lassen, dass sonst halt chinesische Firmen Saab kaufen. Sie hat strikt jede Hilfe abgelehnt. Das imponiert.

Die drohende Übernahme durch chinesische Käufer wird in den nächsten Jahren bei vielen maroden Firmen zum Argument werden. Schließlich hat China 30 Jahre hart gearbeitet und sitzt nun auf fast drei Billionen Dollar an Devisen, die es in Sachwerte verwandeln will, bevor eine Dollar- und Euro-Inflation ihre Tresore entwertet. Dieses Geld wird zwingend auch in Europa landen. Das durch staatliche Rettungsaktionen zu verhindern, wäre absolut unfinanzierbar. Solche Aktionen sind nur dort vernünftig, wo sie zur Überbrückung von Liquiditätskrisen bei ansonsten solventen und lebensfähigen Firmen dienen.

Die Autobranche ist eine Industrie, in der ganz sicher nicht alle Firmen überlebensfähig sind. Denn sie hat selbst in guten Zeiten gewaltige Überkapazitäten gehabt. Darüber kann auch der jüngste Boom nicht hinwegtäuschen. Da haben viele aus Inflationsangst Bargeld in etwas Handfestes getauscht, da haben sich Nachholkäufe nach den zwei Krisenjahren in schönen Zuwachszahlen niedergeschlagen.

Von den Schweden sollten auch die Deutschen lernen. Denn die Berliner Regierung hat sich – zumindest verbal – schon wieder eingemischt, als Informationen über einen möglichen Verkauf von Opel durch GM zu kursieren begonnen haben.

Kein Zweifel: Am Schluss wird es wie bei Großflugzeugen nur noch ganz wenige Weltkonzerne geben, die Autos bauen. Und weder Opel noch Saab werden dazugehören, selbst wenn sie jetzt nochmals gerettet werden. Gewiss ist das für die Mitarbeiter schmerzhaft. Springt jedoch vorher der Staat als Helfer ein, wird das traurige Ende nur hinausgezögert – aber die Sache für das ganze Land schmerzhaft. Außerdem wissen wir spätestens seit Schumpeter: Neues kann nur entstehen, wenn man das Alte vorher sterben lässt.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Griechen kassieren, die Banken bekommen Garantien: von wem nur, von wem?

29. Juni 2011 16:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Griechen haben dem Sparpaket zugestimmt. Das schmerzt sie, aber es wird das Land dennoch nicht sanieren. Es macht nur den Weg für weitere verschwendete Hilfsmilliarden frei. Die Griechenland-Hilfe belastet jedoch den europäischen Steuerzahler insgeheim noch mehr als offiziell bekannt.

Das Sparpaket wird dennoch die griechischen Gewerkschaften – die Hauptschuldigen an der griechischen Krise – noch aggressiver machen. Und die radikale Linke ist immer für jede Form der Gewalttätigkeit gut. Aber das ist jetzt nur noch eine Randfrage.

Viel seltsamer ist, dass in den letzten Tagen durch die europäische Politik ein Klima geschaffen worden ist, als ob der Rest Europas dankbar sein müsse, den Griechen durch einen weiteren dreistelligen Milliardenbetrag helfen zu dürfen. Irgend etwas scheint da verquer zu laufen.

Noch Seltsameres spielt sich um die freiwillige Beteiligung der westlichen Banken an der Hilfsaktion ab, die praktisch parallel finalisiert wird. Dabei  ist nun klar geworden, warum die Banken entgegen bisherigen Annahmen wohl wirklich freiwillig zustimmen werden: Denn ihnen werden nun längerfristige Garantien Dritter dafür geboten, dass sie die griechischen Anleihen am Fälligkeitstag nicht einkassieren. Im Falle einer Umschuldung oder eines Konkurses hätten die Banken hingegen einen guten Teil ihrer Forderungen an Griechenland abschreiben müssen.

Alles wunderbar? Nicht ganz. Denn das eigentliche Opfer ist wieder einmal nicht gefragt worden. Dieses Opfer ist niemand anderer als der europäische Steuerzahler, der über verschachtelte Zwischenkonstruktionen nun auch für die bisher privaten Forderungen an Griechenland haften soll. Er hat es nur noch nicht mitbekommen. Denn die nächste Etappe des Großbetrugs wird wieder einmal sehr geschickt getarnt.

Wenn das wirklich stimmt, was da aus den Geheimverhandlungen so durchsickert, dann wird einem wirklich übel. Für den Normaleuropäer ist es nämlich völlig wurscht, ob er am Ende auf dem Weg direkter Kredite seines Staates, oder über die Europäische Zentralbank, oder über den Währungsfonds, oder eben jetzt über die Haftungen für Forderungen der Banken zur Kassa gebeten wird. Man weiß auch wieder einmal, was man von großspurigen Ankündigungen von Faymann & Co halten darf, dass nämlich auch die privaten Gläubiger zur Kassa gebeten werden. Zur Kassa vielleicht schon – aber nur wenn ihnen der Steuerzahler auch dafür haftet. Der einzige, der ihm dabei hilft, ist der Sparer, dessen Sparguthaben entwertet werden.

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Europa schafft sich ab

28. Juni 2011 19:50 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Altabt Gregor Graf Henckel von Donnersmarck toppt noch Thilo Sarrazin: Nicht nur Deutschland schafft sich ab, sondern „ganz Europa ist im Begriff sich abzuschaffen“, gibt er uns in einem Interview zu verstehen, das zu Ostern in der „Jungen Freiheit“ (Berlin vom 22. 04., Nr. 17/2011, S. 3) erschienen ist. Schon aus demographischen Gründen wird es „in zweihundert Jahren keine Europäer in unserem Sinne mehr geben“. Wir haben keine Lust mehr auf Zukunft, wir scheuen uns Bindungen einzugehen, wir setzen Freiheit mit Bindungslosigkeit gleich und Wohlstand mit Freiheit.

Wir haben uns „quasi in einen Suizid gestürzt“, lassen unsere Ehen vor die Hunde gehen, töten unsere Kinder noch im Mutterleib oder verhüten, dass sie überhaupt entstehen. Europa hat sich einer „verhängnisvollen säkularen Weltanschauung“ verschrieben, „die sich aus einer pervertierten Aufklärung entwickelt hat“. Wir unterwerfen uns dem Diktat eines säkularisierten Relativismus, „der sich in Europa breitmacht und die eigentliche Gefahr unserer Zeit ist“. Wir können uns kaum noch vorstellen, wie wir uns daraus befreien können. „Jetzt stehen wir am Abgrund.“

Gerade in diesen Tagen erleben wir, wie der Abgrund sich auftut und die Europäische Union zu verschlingen droht. Wer nach Griechenland blickt, das Mutterland europäischer Kultur und Demokratie, sieht eine kleine Welt, in der die große ihre Probe für den Zusammenbruch hält. Wir leben in einem „Europa, das die Lüge heiligt“, titelte die Süddeutsche Zeitung (28/29. Mai 2011) im Hinblick auf die verzweifelten Rettungsaktionen für Griechenland und für die „Euro-Stabilität“. Die leidenschaftliche Rede, mit der der griechische Regierungschef Papandreou im griechischen Parlament um Vertrauen warb, bestand aus lauter leeren Versprechungen, Widersprüchen und Beschuldigungen. Sein Aufruf zum „nationalem Schulterschluss“ stieß bei der Opposition auf taube Ohren und spaltete das Volk.

Vor dem Parlament wurde demonstriert, die Polizei musste Tränengas versprühen und mit Gummigeschossen gegen die Menge vorgehen. Eine bessere Zukunft durch Kaputtsparen, Beamtenentlassungen, Kürzung von Sozialleistungen, Pensionen, Gehältern und Löhnen, Erhöhung von Steuern und Verscherbelung von Staatseigentum – damit die Demokratie in Griechenland retten zu wollen, das wurde im Parlament zur Lachnummer und führte vor dem Parlament zu Wutausbrüchen.

Folgen der letzten Griechenland-Episode

Höhnische Kommentare folgten schon nach Minuten. Sich von EU, EZB und IWF vorschreiben lassen, was in Griechenland zu geschehen hat – das soll Demokratie sein? Das glauben doch wohl nur Verrückte. Und im deutschen Nachrichtensender NTV war zu hören: Griechenland wird seine Schulden nie zurückzahlen, die Währungsunion verhindert das. Und wörtlich: “It is a perversion to separate the money system from the state“, meinte eine in London wohlbekannte Sozialökonomin im Interview kurz nach Papandreous Rede. England wird sich, so versicherte der britische Premier, an der verunglückten Rettungsaktion der EU wieder nicht beteiligen und auch verhindern, dass Griechenland mit den geplanten Aufstockungen und Umschuldungen unter den alten oder den neuen EU-Rettungsschirm (EFSF oder ESM) flüchten kann.

Im Spiegel der Vorwoche (Nr. 25 vom 20.6.) konnte man bereits den „Nachruf auf eine gemeinsame Währung“ lesen. In der PRESSE (Spectrum)  schrieb Stephan Schulmeister über das „Endspiel um den Euro“. Trotz polemischer, ideologisch bedingter Ausfälle gegen Ratingagenturen, „Alchemiebanken“, Credit Default Swap-Spekulationen und trotz der falschen Unterstellung von US-Interessen an der Zerstörung des EURO-Währungssystems lieferte er eine viel zitierte Analyse.

Der EURO, so meint er, sei  nur zu retten durch einen „Europäischen Währungsfonds“ nach Muster des IWF, Begebung von Eurobonds, für die alle Mitgliedsländer haften, und eine EZB, die „Geld aus dem Nichts“ in unbeschränktem Ausmaß schaffe und damit die Banken mit frischem Geld für die Staatseinleihen versorgen könne. Ein Ponzischema auf EU-Ebene ist sein Rezept. So ausgeschlossen ist es nicht, dass in Panik geratene Politiker diesen Gifttrank schlürfen, der sie Zeit gewinnen lässt und ihrer Verantwortung enthebt.

Schulmeister gehört mit Aiginger und Schratzenthaler zu der in Fachkreisen so genannten „Linken Bande“ des Wifo. Zusammen mit dem berüchtigten Brüsseler ORF-Sprecher, Raimund Löw aus der Gruppe Revolutionärer Marxisten und Trotzkisten, wünschen sie sich die Umwandlung der Europäischen Union in eine Transfer-, Haftungs- , Schulden-, Fiskal- und Sozialunion, geleitet von den „Hohen Kommissaren“, die wie einst der Oberste Sowjet mit einer Art Wirtschaftsregierung die Brüsseler „Gospläne“ durchsetzen. In einer konzertierten Aktion bietet der ORF diesen Traumtänzern eine Bühne, von der aus sie ihren abstrusen bürger-, eigentums- und staatsinteressen-feindlichen Marxismus langsam und unterschwellig unter die Leute bringen und gleichzeitig FPÖ und BZÖ vorführen können, und sei es auch nur mit der Frage nach der Ehrenbürgerschaft Hitlers in Amstetten.

Die Sünden der EZB

Unsere auch in der ÖVP vorhandenen Linken erhalten Unterstützung durch den im Abgang befindlichen Präsidenten Jean-Claude Trichet, dem es ja nicht nur gelang durch Bruch aller Regeln seine EZB in eine konkursreife Bad Bank für Schrottanleihen zu verwandeln, sondern der sich jetzt auch noch erkühnt, einen „europäischen Finanzminister“ zu fordern, der aus der EU einen Geldverschiebebahnhof machen würde.

Ihm sprang jüngst der wenig rühmliche frühere Präsident der Europäischen Entwicklungsbank, Jacques Attali, bei, der eine eigene EU-Steuer als „europäische Wertschöpfungsabgabe“ zur Bedienung der zu begebenden europäischen Anleihen forderte und außerdem vorschlug, die Fristen für die Rückzahlung der griechischen, portugiesischen und irischen Schulden auf einen Zeitraum von 20 Jahren zu erstrecken. Immerhin ist er so ehrlich, die in Währungsfragen ahnungslosen Politiker darauf aufmerksam zu machen, dass „Griechenland seine Schulden nie zurückzahlen wird“ und „keine Gemeinschaftswährung sich dauerhaft und ohne einen dominanten Staat“ bzw. ohne eine Form von Zentralregierung (wie in den USA) etablieren kann (vgl. Der Standard, 21. Juni 2011, S. 39).

Die Dinge sind auf Schiene, der deutsche Finanzminister Schäuble lässt sich von Herrn Ackermann, Chef der Deutsche Bank, vorschreiben, was er zur Rettung des EURO zu tun hat und wie er sich in Brüssel verhalten soll. Trichet hat im Mai an griechische Banken nochmals Rekordsummen ausbezahlt und deren Obligo auf 97 Milliarden EURO erhöht. Trichet wird jetzt durch Herrn Mario Draghi aus Italien ersetzt, der bei Goldmann & Sachs lernte, wie man die Brüsseler austrickst.

Für Tricks findet er in der EU ein weites Betätigungsfeld. Italienische „systemische“ Banken haben sich mit Staatsanleihen übernommen und dürften an den Stresstests scheitern. In Mailand wurde ihre Notierung am Freitag (24. 06) zeitweise ausgesetzt, ihnen und dem italienischen Staat droht die Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit.

Das alles wird jetzt noch ergänzt durch die am Fronleichnamstag verkündete und von der Öffentlichkeit kaum bemerkte Übernahme der Garantien für die Beiträge des IWF durch die EURO-Mitgliedsländer, die am alten und neuen Griechenlandrettungspaket mitmachen. Ohne deren Haftung, so verlangt es der IWF, werden weitere Tranchen schon vereinbarter Kredite nicht ausbezahlt, geschweige denn wird sich der IWF an irgendwelchen Aufstockungen beteiligen.

Wiederum trifft das ganz besonders Deutschland, aber auch Österreich, die, so scheint es Absicht, an den Haftungsübernahmen ersticken sollen. Ihnen werden jetzt Horrorszenarien vorgespielt, die angeblich eintreten werden, wenn sie die Pleitestaaten nicht mehr unterstützen sollten. Rücksichtslos sind sie der Erpressung durch die PIIG-Staaten, die EU, die EZB und den IWF ausgeliefert. Die Chance, sich der Erpressung zu entziehen ist gleich null, mögen FPÖ und BZÖ auch Zeter und Mordrio schreien oder in Deutschland ein paar Kollegen des Michael Kohlhaas, die noch nicht begriffen haben, dass die Justiz die Hure der Politik ist, sich beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe beklagen.

„Germany must perish“ und Österreich muss kuschen. Wien und Berlin werden regiert von Brüssel, Brüssel von Washington und Washington von der Wallstreet. Über die Abschaffung Europas kann man jetzt nur mehr räsonieren. Macht nichts, meint unser Gewährsmann Henckel von Donnersmarck: „Die Welt wird auch ohne Europa weiterbestehen“.

Univ.-Dozent Dr. Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen.

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Wohlstand oder Sozialismus – Ein Drittes gibt es nicht

28. Juni 2011 13:38 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Als Paul Watzlawick den Satz „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst“ formulierte, hatte er dabei keine weltweite Schuldenkrise im Sinn. Auf die, mit der wir seit ihrem Ausbruch anno 2007 konfrontiert sind, trifft dieser Befund allerdings zu wie auf nichts anderes!

Sämtliche Versuche des politischen Establishments, den Ernst der Lage kleinzureden, sind bislang gescheitert. Die angesichts der hartnäckigen Bedrohung des Weltfinanzsystems die politischen Klasse beherrschende Ratlosigkeit ist nicht zu übersehen. Der unter den staatsnahen Nationalökonomen herrschende, totale Erklärungsnotstand rundet das Bild harmonisch ab. Einigkeit herrscht nur in den flügellahmen Versuchen von Polit- und Finanzbürokratie, außerhalb des Kreises der für das Debakel tatsächlich Verantwortlichen, Sündenböcke zu suchen.

Indessen ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit der politischen Führer, das – durch ihre ausschließlich an Kurzzeiteffekten orientierte Politik angerichtete – Schuldendebakel in absehbarer Zeit zu vertretbaren Kosten beenden zu können, auf einem Tiefpunkt angelangt. Es wird sich erst weisen, ob die durchsichtige Taktik, „gierigen Spekulanten und Bankern“ den Schwarzen Peter zuzuschieben, erfolgreich sein wird.

Auch ob es den Politbüros tatsächlich gelingt, die perfiden (noch dazu amerikanischen!) Ratingagenturen für den dräuenden Kollaps des Euro verantwortlich zu machen, weil die sich erfrech(t)en, die Bonität so hochseriöser Debitoren wie Island, Portugal oder Griechenland in Zweifel zu ziehen, wird sich noch herausstellen. Eines allerdings haben Krethi und Plethi nach dem von gestandenen Planwirtschaftern und Feinden der Freiheit jahrelang geschossenen Trommelfeuer inzwischen begriffen: „Der Kapitalismus“ funktioniert nicht.

Ginge es nicht dummerweise um die Zukunft von Generationen, könnte man diesen Befund als das abtun, was er ist: purer Unsinn. Leider aber handelt es sich dabei – weil allgemein akzeptiert – um ein gefährliches Amalgam aus Ignoranz und Desinformation. Der Kapitalismus, eine auf Privateigentum, individueller Verantwortung wirtschaftlich handelnder Personen, Arbeitsteilung und Freihandel basierende „spontane Ordnung“ (F. A. Hayek), kennt nämlich keine Elemente der Planwirtschaft.

Das weltweit herrschende Geldsystem jedoch, das dem Blutkreislauf eines lebenden Organismus´ entspricht, ist lupenrein planwirtschaftlich organisiert. Weder Privaten noch Unternehmen steht es frei, die Währung selbst zu wählen in der sie ihre Geschäfte abwickeln. Alle wirtschaftlich Handelnden sind gezwungen, staatlich manipuliertes „Geld“ zu verwenden, dessen Wert nicht – wie der jedes anderen Gutes – vom Markt bestimmt, sondern von den Regierenden nach Gutdünken festgesetzt und gesteuert wird.

Auch der für eine funktionierende Wirtschaft unerlässliche Indikator Zins, der Auskunft über Zeitpräferenz und Konsumneigung der Bürger gibt und ein Entgelt für Konsumverzicht und Ausfallsrisiko bildet, wird von Zentralbürokraten der nur scheinbar unabhängigen Notenbanken (die Maske der EZB ist im Mai 2010 gefallen) auf Zuruf des Politbüros disponiert. Alle seit dem Ende des Goldstandards zu Beginn des Ersten Weltkriegs aufgetretenen Konjunkturzyklen sind ausschließlich auf das staatliche Monopol zur Geldproduktion und dessen planmäßigen Missbrauch zurückzuführen.

Um allen Ernstes zu glauben, dass ein durch maßlose Produktion „billigen“ Geldes ausgelöstes Desaster durch die Produktion noch mehr noch billigeren Geldes behoben werden kann, muss man schon in den Diensten Leviathans stehen (wes Brot ich ess, des Lied ich sing!) oder seine Informationen ausschließlich aus den gleichgeschalteten (mittelbar oder unmittelbar staatsabhängigen) Massenmedien beziehen …

Roland Baader („Geld, Gold und Gottspieler“) hat mit seinem im Vorjahr erschienen Buch „Geldsozialismus“ eine hervorragende Zusammenfassung der Ereignisse vorgelegt, die zu den herrschenden Verwerfungen geführt haben und welche möglichen Szenarien daraus resultieren können.

Es handelt sich um keine sonderlich hoffnungsfrohe Lektüre.

Der Schluss, dem vermutlich alle „Austrians“ ohne Vorbehalte zustimmen werden, bringt es auf den Punkt: „Wir sollten unser Vertrauen besser in Gold, anstatt in machthungrige Menschen setzen. Gold hat weder deren Schwächen noch deren böse Absichten. Es war, ist und wird immer das Geld der Freiheit bleiben.“

http://www.amazon.de/Geldsozialismus-wirklichen-Ursachen-globalen-Depression/dp/3935197578

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Wirtschaftsdaten Österreichs

27. Juni 2011 22:19 | Autor: Andreas Unterberger

Wirtschaftsdaten Österreichs – Stand Juni 2011

 

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Sieg der Umfassenden Verhinderer-Partei

27. Juni 2011 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreichs Oppositionsparteien klagen zu Recht oft und oft über die unerträgliche Bürokratie, die überbordende Verwaltung, die Langsamkeit von Verfahren in diesem Land und die skandalöse Untätigkeit der Regierung Faymann in Sachen Verwaltungs- und Aufgabenreform. Wenn sie aber selbst einmal mit Hand anlegen könnten, um diese Missstände zu mildern, verweigern sich alle drei Nichtregierungsparteien im Gleichschritt. So wie die griechische Opposition.

Aktuell geht es um die Umweltverträglichkeitsprüfungen und den Versuch, sie ein wenig zu beschleunigen. Diese UVP legen für die Bevölkerung wichtige Projekte jahre-, ja jahrzehntelang lahm. Da geht es um umweltfreundliche Wasserkraftwerke, um versorgungsnotwendige Stromleitungen, um Bahn- und Straßenprojekte, um den Bau eines Stadions. Viele davon hängen dadurch oft eine Generation lang in der Luft.

Das Absurde daran: Praktisch nie scheitert ein Projekt am Ende wirklich an den Umweltprüfungen. Es wird durch diese nur immer massiv verzögert und vor allem viel teurer. Was keineswegs bloß auf die inzwischen akkumulierte Inflation zurückzuführen ist. Vielmehr ist das österreichische Umweltrecht zu einer geheimen Besteuerungsmaschine zu Lasten von Großprojekten geworden. Was am Ende meistens die Bürger bezahlen. Was jedenfalls dem Standort Österreich schadet.

Aber offenbar glauben alle, dass es sich das Land ja leisten könne.

Die „Besteuerung“ läuft nach einer klassischen Erpressungsmethode: Ihr bekommt im Rahmen unseres – überraschend großen – Ermessensspielraum am Ende doch die erwünschte und lange hinausgezögerte Genehmigung, wenn ihr dieses oder jenes Projekt (meistens eines Bundeslandes und meistens mit ökologischem Anstrich) mit satten Millionenbeträgen finanziert.

Genau so habe ich mir immer einen ordentlichen Rechtsstaat vorgestellt.

Das auf diese Weise geförderte Vorhaben hängt zwar überhaupt nicht damit zusammen, ob das eigentlich beantragte Projekt nun mehr Schaden oder mehr Nutzen verursacht. Dieser Ablasshandel hilft aber der Politik, sich demnächst wieder mit irgendeinem Projekt zu feiern und bei der Eröffnung samt Blasmusik aufzumarschieren. Und auch die grünen NGOs, bekanntlich schwerreiche Millionen-Unternehmungen, sollen nach verlässlichen Angaben von Umweltrechtsexperten im Laufe solcher Verfahren regelmäßig profitieren. Von denen arbeiten die meisten ja nach dem Erpressungsprinzip: Her mit einer saftigen Spende oder wir attackieren euch wild (die dummen Journalisten helfen uns dabei ja immer und bringen auch noch große Photos, die uns nutzen und euch schaden).

Aber zurück zum Kürzel UVP, hinter dem man eine „Umfassende Verhinderer-Partei“  vermuten kann. Da hat die Regierung endlich einmal eine gute Idee (fast ihre erste!) in Sachen Verwaltungsreform: Ein eigener Infrastruktursenat soll diese Genehmigungen beschleunigen. Dazu bräuchte es aber eine Verfassungsänderung. Und diese bräuchte wieder die Zustimmung zumindest einer Oppositionspartei. Die bekommt die Regierung aber nicht.

Das ist eine dumme Reaktion der Opposition. Bei den Grünen ist sie allerdings verständlich. Denn die sind ja nach ihrem ganzen Selbstverständnis gegen Alles und Jedes, was auch insbesondere für ihre getarnten Teilorganisationen, die NGOs, gilt. Weniger verständlich ist das Njet bei FPÖ und BZÖ. Oder stimmt gar der Eindruck, dass auch diese beiden sich längst von den grünen Kampagnen instrumentalisieren lassen?

Ganz ähnlich verhalten sich alle drei Parteien ja auch beim Ökostromgesetz. Da haben sie die Regierung so lange unter Druck gesetzt, bis diese sogenannte „Verbesserungen“ zugestanden hat. Die Verbesserungen bestehen aber vor allem darin, dass unser Strompreis in Zukunft noch viel höher sein wird, als er es schon gemäß der Regierungsvorlage geworden wäre.

Nach den ursprünglichen Regierungsplänen hätten wir jährlich 21 Millionen mehr zur Förderung nicht kostendeckender Energieerzeuger zahlen müssen. Nach den „Verbesserungen“ der Opposition werden das schon 40 Millionen Euro sein. Dabei geht es wohlgemerkt jeweils um alljährliche, nicht nur um einmalige Kostensteigerungen! Und da Geringverdiener wie auch Großverbraucher Ermäßigungen bekommen, wird wieder einmal der Mittelstand die Hauptlast tragen.

Wenn das alles einmal auf unserer Stromrechnung landen wird, wird sich natürlich keine der Oppositionsparteien mehr zu den teuren „Verbesserungen“ bekennen, auf die sie jetzt alle so stolz sind. Sondern sie werden in gewohnter Art wild über die Strommafia schimpfen.

Aber selbst diese teuren „Verbesserungen“ sind den drei Parteien nicht genug. Sie wollen jetzt noch weitere „Nachbesserungen“. Und dazu schließen sich die beiden Rechtsparteien, von denen die eine sogar behauptet, wirtschaftsliberal zu sein, sogar mit den Grünen zu einer gemeinsamen Front zusammen. Ausgerechnet mit den Grünen, die ihnen wöchentlich den Staatsanwalt an den Hals schicken …

PS: Übrigens dauern nicht nur die Umweltverfahren immer länger, sondern auch sämtliche Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Dort muss man jetzt im Schnitt schon 23 Monate warten, bis man – eventuell – einmal etwas Rechtskräftiges in der Hand hat. Selbstverständlich fällt dem Verwaltungsgerichtshof als einzige Maßnahme gegen diesen Missstand der Ruf nach mehr Personal ein. Dass man eventuell auch Verfahrensreformen vorschlagen oder die Judikatur von sehr überspitzten Ansprüchen überdenken könnte, fällt den Richtern hingegen nicht ein. Und bei so manchen Teilen der VwGH-Judikatur ist die Legitimität der gewährten Ansprüche wohl geringer als bei den Ansprüchen der Bürger, nicht jahrelang auf eine Entscheidung warten zu müssen. Aber natürlich ist es immer leichter, nach noch mehr Geld zu rufen, statt Reformen zu überlegen. Der VwGH-Präsident hatte ja sogar energisch protestiert, als dem VwGH die Kompetenz in Asylsachen genommen worden ist. Seither werden wenigstens die Asylverfahren viel rascher beendet.

 

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Fischlers sinnloser Kampf

26. Juni 2011 16:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Franz Fischler wird also nicht Chef der FAO, der UNO-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung, sondern ein Brasilianer. Das spricht zwar nicht grundsätzlich gegen Fischler, aber sehr gegen die EU. Und für die Naivität aller jener, die ihn aufgestellt haben.

Denn es war mehr als naiv zu glauben, dass irgendein Kandidat aus der EU ausgerechnet den Bereich Landwirtschaft im globalen UNO-System übernehmen kann. Bilden die Europäer in der UNO ja nur eine kleine Minderheit. Die EU-Landwirtschaftspolitik mit ihren hohen, wettbewerbsverzerrenden Subventionen ist in der ganzen Welt, vor allem der Dritten verhasst. Noch mehr als bei den geduldigen europäischen Steuerzahlern.

Und Fischler steht nun einmal als Symbol sehr direkt für diese Landwirtschaftspolitik, hat er doch die letzte Reform zu verantworten gehabt. Diese ging zwar prinzipiell in die richtige Richtung, war aber angesichts der europäischen Machtverhältnisse viel zu zaghaft. Notgedrugen, denn insbesondere Frankreich würde eher aus der EU ausscheren, als eine Beschneidung seiner Bauern hinzunehmen.

Wenn das durchschnittliche Einkommen eines österreichischen Bauern zu zwei Drittel aus (überwiegend europäischen) Steuergeldern kommt, wenn die EU mehr als 42 Prozent für direkte und getarnte Agrarausgaben aufwendet, dann ist das Ergebnis klar: Vor allem die Bauern der Dritten Welt werden dadurch in Grund und Boden konkurriert. Müssten die EU-Agrarpreise hingegen ohne Subventionen auskommen, dann würde das den schmerzhaften Strukturwandel in Europa noch einmal beschleunigen.

Dann würden sich aber die armen Länder in Übersee – ohne teure Entwicklungshilfe! – landwirtschaftlich und sozial viel besser entwickeln können. Ihre Bauern wären auch ohne Großtechnik auf Grund der niedrigen Löhne und des meist günstigen Klimas konkurrenzfähig. Sie müssten nicht in so großer Zahl die Dörfer verlassen und könnten ihr eigenes Land ohne Importe aus Europa ernähren. Ja, sie könnten sogar exportieren.

Die europäische Agrarpolitik scheint sich aber trotz aller Geldknappheit jeder Änderung zu entziehen. Wer aber glaubt, dass die Nichteuropäer diesen Egoismus unserer Bauern auch noch durch ein Avancement für einen der prominentesten EU-Agrarier belohnen würden, der muss schon ziemlich ahnungslos durch die Welt gehen.

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Der Tod einer großen Bank als Lehrbuch der Wirtschaftspolitik

26. Juni 2011 00:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die deutsche WestLB hat soeben endgültig den Totenschein ausgestellt bekommen. Und sie wird eines der teuersten Begräbnisse der europäischen Bankenlandschaft bekommen. Das wirft auch für Österreich einige schmerzhafte Fragen auf und erteilt hilfreiche Lehren.

Wie viel Schaden die Landesbank von Nordrhein-Westfalen letztlich wirklich verursacht haben wird, ist noch auf Jahre offen. Dieser wird sich vermutlich im satten zweistelligen Milliardenbereich bewegen.

Jetzt muss das größte deutsche Bundesland jedenfalls noch eine Milliarde für die Zerstückelung der Leiche aufbringen. Die Berliner Regierung verzichtet auf zwei von drei während der Krise in die Bank gesteckten Milliarden. Darüber hinaus sind zu Lasten der Steuerzahler 14 Milliarden an Haftungen eingegangen worden. Ferner muss das Land die Versorgungsansprüche der Mitarbeiter zahlen. Aber schon in den letzten Jahrzehnten hat sich die EU zu Recht ständig über direkte und versteckte Beihilfen an die Bank beklagt.

Die Lehren – oder Fragen – aus dem Desaster sind mehrfach.

Erstens ist es keineswegs ein Zufall, dass es ständig staatliche Banken sind, die da Pleite gehen, während es kaum private Banken erwischt hat. Denn in staatlichen Banken wurde Politik gemacht, wurden Protektionskinder versorgt, wurden politische Projekte finanziert. Aber fast nie wurde kaufmännisch gearbeitet. Diese Banken bekamen auf Grund der Landeshaftung auf den Märrkten sehr billig sehr viel Kredit, was sie viel zu sorglos bei der Kreditvergabe werden ließ. Die Parallele zur Kärntner Hypo Alpe-Adria ist eklatant – außer dass das viel kleinere Kärnten noch viel größere Haftungen eingegangen ist.

Zweitens werden in solchen Banken besonders luxuriöse Dienstverträge ausgestellt, für die zum Unterschied von anderen Banken der Steuerzahler haftet. Dass gleichzeitig die Arbeitsmoral solcher gesicherter Arbeitnehmer keine sehr hohe ist, lässt sich zwar aus der Entfernung für die WestLB nicht beweisen, aber auf Grund vieler einschlägiger Erfahrungen mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen. Damit sind staatliche Konstruktionen auch von der Personalseite her doppelt teuer.

Drittens drängt sich massiv die Frage auf, ob es nicht viel klüger gewesen wäre, diese maroden Banken sofort zu schließen und filetieren, statt bei Rettungsversuchen weitere Milliarden zu verbrennen, bevor dann doch das unvermeidliche Ende kommt.

Viertens darf schon daran erinnert werden, dass einst auch ein Franz Vranitzky in sehr engem Verhältnis zu jener WestLB gestanden ist. Immerhin musste er selbst zugeben, elf Gratisflüge auf Kosten der stramm sozialistischen WestLB konsumiert zu haben. Eine veröffentlichte, vom Exbundeskanzler freilich dementierte Liste sprach sogar von 114 Flügen. Was jedenfalls zur Frage führt: Hat Vranitzky die Bank ebenso gut und lukrativ beraten wie den Bawag-Verspekulanten Flöttl, dem er angeblich nur zu erklären hatte, dass bald der Euro eingeführt wird? Dann wundert mich ja der Crash nicht mehr.

Fünftens ist es für mich absolut unverständlich, weshalb die ÖVP das Thema Privatisierung ad Acta gelegt hat, das einst ihr Markenkern gewesen war. Gerade in Zeiten, wo die staatlichen Banken nach der Reihe crashen, würde doch eine mit einiger Vernunft begabte Partei jubilieren, deren früherer Chef jahrelang „Mehr privat, weniger Staat“ getrommelt hatte. Heute hingegen fürchten die – wirtschaftlich zugegebenerweise ahnungslosen – Minister für Wirtschaft oder Landwirtschaft das Wort „Privatisieren“ noch mehr als das Wort „Strache“.

 

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Der Kehrreim vorm Kehraus

25. Juni 2011 17:43 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Im Jahre, als der Euro kam,
da schien der Dollar gar nicht lahm,
ja er begann zu steigen –
beim Euro herrschte Schweigen.

Bald kamen, was man nicht verschwieg,
die Jahre, als der Euro stieg –
doch statt dafür zu danken,
wies mancher auf den Franken:

Der Dollar war gefallen bloß!
Na, trotzdem blieb der Jubel groß
bei allen Eurokraten
ob eigner Ruhmestaten.

Ein Weilchen später brach, o Graus,
die Hypotheken-Krise aus –
es folgten Hilfspakete
mit nicht vorhandner Knete.

Der Dollar hat sich, scheint’s, erholt,
gar viele fühlten sich verkohlt
und fragten drum beklommen:
Wie kann denn so was kommen?

Man hatte Schulden exportiert,
und mächtig davon profitiert,
dass andre sich verschluckten
an Trick-Finanzprodukten! 

Auf Dauer zwar hat’s nichts genützt,
dass alle Welt den Dollar stützt –
nur ist’s zum Steinerweichen:
Der Euro wankt desgleichen.

Der ist ja selber ein Konstrukt,
an dem der Bürger sich verschluckt –
an was denn sonst soll’s liegen:
Der Franken ist gestiegen!

Doch man verharrt beim miesen Spiel
mit der Karott’ am langen Stiel
für Iren, Portugiesen
und Griechen, tief in Krisen.

Evángelos, der dicke Mann,
ob der jetzt Wunder wirken kann
und Frohe Botschaft bringen?
Schön wär’s, nur wird’s misslingen.

So wird halt weiter garantiert –
auf Pump und munter suggeriert,
dass alles sich verbessert,
wenn bloß man Geld verwässert.

Was hat man da uns eingebrockt!
Die Zukunft wird frivol verzockt,
und keiner wird gescheiter –
der Franken, der steigt weiter …

Pannonicus 

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Der Bürger als Spekulant

23. Juni 2011 00:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Politik debattiert neue Vermögens- und Bankensteuern. Gleichzeitig gibt Europa aber in Kürze weitere 120 Milliarden Euro allein für das kleine Griechenland aus – trotz des Wissens, dass viel von diesem Geld nie mehr zurückkommen wird. Dabei hat sich die Regierung schon jetzt kräftig, wenn auch versteckt,  bei den Steuerzahlern zu bedienen begonnen.

Wie das? Erstens spült die Inflation einen wachsenden Anteil der Einkommen in die Budgets. Über die stille Progression nimmt die Steuer ja einen immer größeren Anteil der Einkommen weg – auch wenn diese real eigentlich gleich bleiben.

Zweitens zahlen alle Bankkunden die neue Bankensteuer.

Drittens trifft die auch auf langfristige, also keineswegs spekulative Anlagen ausgedehnte Kursgewinnsteuer fast alle Anleger; dass sie damit einen schweren Umsatzeinbruch an der Wiener Börse ausgelöst hat, lässt die Regierung offensichtlich kalt.

Die schlimmste Abkassiertechnik sind aber, viertens, die niedrigen Zinsen. Die Erträge von Sparbüchern decken nicht einmal dann den Wertverlust, wenn man die Kapitalertragssteuer vergisst. Dasselbe trifft nun auch auf deutsche oder österreichische Anleihen zu. Allein für Käufer deutscher Staatspapiere beträgt der jährliche Wertverlust, also die Umverteilung in staatliche Kassen derzeit schon rund acht Milliarden Euro.

Dennoch kann sich die deutsche Regierung nicht über Mangel an Nachfrage beklagen. Denn viele Anleger sind bereit, einen Preis für die relative Sicherheit zu zahlen; unter dem Kopfpolster sind ja Wertverlust wie Risiko noch viel größer. Überdies sind etwa Versicherungen sogar verpflichtet, großteils in Staatsanleihen zu investieren.

Außerdem stehen die Banken durch die unsinnigen Basel-Regeln (keineswegs nur Basel III allein, wie viele meinen) unter Druck, primär in Anleihen zu investieren. Sie müssen laut Basel selbst für den Besitz griechischer Schrottanleihen viel weniger Eigenkapital als Sicherheit halten denn bei jedem normalen Kredit. Daher bevorzugen die Banken den Kauf von Anleihen und zeigen sich an normalen Krediten weniger interessiert.

Damit zahlt fünftens ein Teil der Bürger noch einmal für diese staatliche Ausgabenfreude, nämlich alle Kredit-Suchenden.

Viele Finanzminister können sich da ins Fäustchen lachen. Denn sie schaffen es, Sparer, Anleger wie Kreditnehmer die horrenden Staatsdefizite jetzt schon mitfinanzieren zu lassen, ohne dass diese es merken.

Flüchtlinge vor dieser finanziellen Repression werden hingegen als „Spekulanten“ beschimpft. Mit solchen Worten sind viele Politiker schnell bei der Hand – und noch mehr die von der Politik mit Informationen und Steuergeld gefütterten Medien.

Der nächste Diebszug des Staates auf unser Geld wird daher ganz gewiss durch eine wilde verbale Attacke auf „Spekulanten“ eingeleitet werden. Denn noch immer begreifen viel zu wenige Bürger, dass mit „Spekulant“ immer sie selbst gemeint sind.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wo unser Geld ohne jede ordentliche Kontrolle ausgegeben wird

22. Juni 2011 00:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die regelmäßigen Berichte des österreichischen Rechnungshofs liefern der Öffentlichkeit viele kritische Fakten über Politik wie Verwaltung. Dementsprechend fürchten auch alle Parteien den Rechnungshof. In der EU findet man hingegen keine solchen Berichte, obwohl es auch dort einen solchen Rechnungshof gibt. Die Begründungen, die man in der EU ganz offen für diese seltsame Untätigkeit zu hören bekommt, sind mehr als bestürzend.

Der EU-Rechnungshof fühlt sich mehr als PR-Organ der Union denn als kritischer Vertreter der Steuerzahler. Obwohl er mit rund 1000 Mann nicht gerade dünn besetzt ist. Und obwohl in der EU mit Sicherheit nicht weniger Geld verschwendet wird als in Österreich. Im Gegenteil. Ganz offen hört man in europäischen Rechnungshofkreisen jedoch die Argumentation: „Wenn wir zu kritisch berichten, würden Vorurteile in der Öffentlichkeit entstehen und die hilfsbedürftigen Länder würden keine Hilfe mehr bekommen.“

Der Europäische Rechnungshof hat damit so ziemlich die gegenteilige Grundmotivation zu jener des österreichischen. Dieser fühlt sich primär als unabhängiger Advokat der Steuerzahler, ganz ohne Rücksicht auf die Opfer seiner (meistens zutreffenden, bisweilen naturgemäß auch übers Ziel schießenden oder erbsenzählerischen) Berichte. In Österreich wird man freilich für einen kritischen Bericht über Österreich auch nicht gleich zum „Österreich-Feind“ erklärt – während EU-Beamte, -Politiker und auch -Journalisten immer sehr rasch mit der dummen Bezeichnung „Europafeind“ für Kritiker bei der Hand sind.

Der Europäische Rechnungshof denkt und handelt ganz auf dieser Linie. Er will durch Berichte über den Missbrauch europäischer Gelder keine Wellen schlagen. Er will vor allem nicht Anlass für eine europäische Finanzdiskussion werden.

Damit erreicht er freilich genau das Gegenteil. Der Missbrauch von europäischen Steuergeldern nimmt auf dem Weg zur Gerüchtebörse regelmäßig besonders dramatische Dimensionen an. Ohne penible Kontrolle wird das Image der EU als gewaltige Maschine zur Geldverschwendung noch viel größer, als diese wahrscheinlich – hoffentlich? – in Wirklichkeit ist. Das gilt zumindest für das Bild der EU in jenen fünf der 27 EU-Länder, die echte Nettozahler der Union sind. Bei den anderen scheint es hingegen eine verbreitete kollektive Überzeugung zu geben, dass man Gaunereien im nationalen Interesse eher decken als aufdecken sollte.

Die Dinge, die dadurch unionsintern viel zu wenig kritisch hinterfragt werden, reichen dann von völlig sinnlosen Autobahnen, über die pro Minute nur zwei Autos fahren, bis zu einer Unzahl nicht vorhandener, aber heftig geförderter Olivenbäume. Das Grundproblem aller EU-Finanzströme: Das Geld fließt aus Brüssel, die konkrete Abwicklung und Kontrolle liegt hingegen bei den Nationalstaaten, die sich instinktiv mehr über jeden zusätzlichen EU-Scheck für einen Landsmann freuen, als sich über betrügerische Mitbürger zu ärgern. Insbesondere in der Landwirtschaft und bei der Verwendung der Kohäsions- und Strukturhilfen gäbe es daher ein großes Feld an Einsparungsmöglichkeiten zu beackern.

Zumindest der neue Österreicher im (27-köpfigen) Präsidium des EU-Rechnungshofs, Harald Wögerbauer, zeigt sich nun wild entschlossen, diesen Missstand zu bekämpfen. Er will dem Rechnungshof wenigstens ein paar Zähne einsetzen.

So hat er jetzt einen Antrag ans EU-Parlament durchgesetzt, dass der Rechnungshof künftig die Verwendung der europäischen Milliardenhilfen für die Schuldnerländer kontrollieren können soll. Für den geplanten „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ (ESM) ist nämlich bisher keinerlei Kontrolle durch den Rechnungshof vorgesehen. So wie auch schon die erste Etappe der kollektiven Griechenland-Hilfe als formal rein bilaterales Instrument keiner EU-Rechnungshof-Kontrolle unterlegen ist. Die nationalen Rechnungshöfe der Spenderländer können aber im Alleingang kaum effektiv kontrollieren, was mit den Geldern ihrer Steuerzahler in Griechenland wirklich geschieht.

Auch die in den letzten Monaten abgeschickten Hilfspakete für Irland und Portugal sind nur zu einem kleinen Teil durch den Rechnungshof kontrollierbar, zum größeren lediglich durch private Wirtschaftsprüfer, die nach Wögerbauers Sicht durchaus gemischte Interessen haben könnten.

Man darf vermuten, dass dieser Kontrollmangel durchaus in der Intention der europäischen Regierungschefs liegt. Diese können ja im Grund gar keine Intention haben, dass ihre kollektiven Husch-Pfusch-Geldverschwendungs-Konstruktionen noch durch weitere Institutionen kontrolliert und mit kritischen Berichten begleitet werden. Außer durch die unvermeidlichen, aber zum Glück der Politik großteils ohnedies EU-begeisterten Medien.

Aber auch dort, wo der EU-Rechnungshof kontrolliert, also beim immerhin 142 Milliarden Euro umfassenden Budget der Union selber, ist er eine mehr als harmlose Schoßkatze und kein gestrenger Wachhund. Denn der Großteil der Rechnungshof-Prüfer – so noch einmal Wögerbauer – prüft „nur die Zuverlässigkeit, aber nicht die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Aber nur mit Prüfung dieser Punkte kann man etwas verbessern.“

Die Zuverlässigkeitsprüfung ähnelt mehr der Tätigkeit eines Notars oder Oberbuchhalters. Da wird nur die ordnungsgemäße Verbuchung und Rechtmäßigkeit (also die Rechtsgrundlage) einer Zahlung überprüft. Und wenn es dabei Fehler gibt, wird skurrilerweise dem Parlament lediglich mitgeteilt, ob der Fehler unter oder über zwei beziehungsweise fünf Prozent gelegen ist. Und als Verursacher wird nur ganz grob der Bereich genannt, etwa „Entwicklungshilfe“ oder „Landwirtschaft“. Solcher Tadel tut nun wirklich niemandem weh. Geschweige denn, dass dadurch etwas verbessert werden könnte.

PS: Wögerbauer hat in Luxemburg, wo der Rechnungshof seit 1977 sitzt, noch einen weiteren Kampf an einer Nebenfront aufgenommen: Er hat durchgesetzt, dass erstmals seit 2004 beim Rechnungshof Deutsch statt Französisch als zweite Sprache neben Englisch verwendet wird. Womit er sich einige Feinde gemacht hat.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Wie ernsthaft ist Spindeleggers Erwachen?

21. Juni 2011 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das hätte ich Michael Spindelegger so deutlich gar nicht zugetraut. Denn der neue Vormann der Volkspartei findet gleich in zwei politischen Kernfragen überraschend klare Worte, die eine signifikante Kursabkehr von der Linie seines Vorgängers bedeuten. Das gilt sowohl für die Griechenland-Krise wie auch für die Versuche der extremen Linken zwischen Grün und ORF, wieder einmal eine künstliche Nazi-Debatte zu lancieren.

Das wichtigere ist natürlich die Griechenland-Politik. Da hat Spindelegger den Griechen mitgeteilt, dass es nichts mehr zu verhandeln gibt, sondern dass Athen die Vorgaben zu erfüllen hat: „Man kann jetzt nicht durch einen neuen politischen Dialog sagen: Jetzt verhandeln wir vielleicht doch noch über Sonderkonditionen. Die Dinge liegen am Tisch.“ Abgesehen von grammatikalischen Feinheiten, dass die Dinge hoffentlich auf dem Tisch liegen und nicht „an“ diesem, unterscheidet sich dieser Satz doch stark vom Gerede Josef Prölls, dass die Griechenland-Hilfe alternativlos wäre.

Hingegen unterscheidet sich Spindelegger mit dem Versuch, Härte zu zeigen, nicht allzusehr von der allgemein verschärften Tonlage der Europäer, vor allem der Deutschen. Lediglich die Gewerkschaften und die EZB, in die Österreich Geistesriesen wie Ewald Nowotny oder Gertrude Tumpel-Gugerell entsandt hat, plädieren weiterhin ungebremst für weitere Griechenland-Milliarden. Was freilich logisch ist, hat die EZB doch im letzten Jahr fahrlässigerweise den Banken – vor allem den französischen – griechische Staatspapiere für mindestens 40 Milliarden abgekauft, die sie nun ohne neue Milliardenhilfe abwerten müsste. Und die Gewerkschaften glauben ja sowieso immer an den Weihnachtsmann, der am Schluss alles zahlt.

Freilich kennt niemand wirklich die genauen Konditionen, die von Griechenland verlangt werden, auf Komma und Beistrich. Daher sind Spindeleggers Drohungen eher nicht so ganz ernst zu nehmen, weil es letztlich immer im Ermessen Resteuropas bleibt, ob man die Konditionen für erfüllt erklären wird. Und man wird natürlich.

Viel gravierender an den nunmehrigen Spindelegger-Kommentaren zu Griechenland ist der Bezug zum Euro. Denn der Außenminister sagt erstmals, dass der Euro durch die Griechenland-Krise nicht in Gefahr ist. Und das ist nun wirklich ein gewaltiger Qualitätssprung: Wir erinnern uns noch alle, wie im Mai 2010 die 110 Milliarden, die über Nacht für Griechenland gespendet worden sind, zur dringend notwendigen und alternativlosen „Euro-Rettung“ mutiert sind.

Nun ist auch in der österreichischen Regierung – oder zumindest beim schwarzen Parteichef – das angekommen, was schon im Vorjahr völlig klar war: Der Euro wäre bei einem Konkurs Griechenlands mit anschließender Schulden-Restrukturierung nicht in Gefahr. Wohl würden die Kurse ein paar Tage lang in wildem Zickzack ausschlagen. Aber in Wahrheit wird sich der Umrechnungskurs bald wieder beruhigen. Und ein niedriger Euro wäre sowieso vorteilhaft.

Man sollte sich an diese überaus lobenswerte Erkenntnis Spindeleggers freilich auch dann erinnern, wenn in einigen Wochen wieder von „alternativloser Euro-Rettungsaktion“ die Rede sein wird.

„Wiener Initiative“: ein dummes Gerede

Das derzeit laut rauschende Gerede von einer neuen „Wiener Initiative“ sollte man hingegen rasch vergessen. Denn das, was private Finanzinstitute 2009 unter dieser Bezeichnung als Osteuropa-Hilfe gemacht haben, lässt sich mit der Causa Griechenland in keiner Weise vergleichen. Osteuropa hatte damals im Zuge der plötzlich ausgebrochenen globalen Hysterie Liquiditätsprobleme und brauchte akut frisches Geld beziehungsweise Gläubigerschutz. Und diesen bekam es durch eine Konsensaktion der Banken, die freiwillig ihre Kredite verlängerten..

Osteuropa war damals keineswegs insolvent. Ganz im Gegenteil: Die volkswirtschaftlichen Daten waren und sind besser als in Österreich – zumindest die der nördlichen Reformstaaten. Daher war es eine weise Investition, europäische Schuldner in einer kurzfristigen Krise nicht fallenzulassen. Und die damals großzügigen Banken verdienen im Osten wieder sehr gut.

In Griechenland ist die Lage hingegen viel schlechter als damals in Osteuropa. Es glaubt kein seriöser Mensch mehr an eine Erholungsfähigkeit des Landes. Griechenland ist finanziell nach manchen Statistiken sogar das am wenigsten kreditwürdige Land der Welt.

Daher ist es absurd zu erwarten, dass auch nur eine einzige Bank der Welt wirklich freiwillig den Griechen Geld spenden wird, wie das nun die Finanzminister vollmundig erwarten. Denn dieses Geld müssten sie ja den Sparern, den Kreditnehmern, den Bankaktionären stehlen. Was diese gar nicht gern sehen. Außerdem würden sich dadurch einige Banken selbst in Gefahr bringen. Beides wird kein Bankvorstand lange überleben.

Wird jedoch Druck auf die Banken ausgeübt (etwa: „Wenn ihr nicht freiwillig spendet, dann werden wir euch mit Kontrollen und Vorschriften in Grund und Boden schikanieren“), dann ist das nicht freiwillig, sondern nur eine spezielle Form eines griechischen Konkurses, mit allen Konsequenzen. Diese werden insbesondere die EZB und die nationalen Finanzminister treffen, deren Kreditwürdigkeit in der Folge ebenfalls bezweifelt würde.

Das ewige Loch Hitler

Noch einmal zurück zum Staunen über Spindelegger: Nachrichten vom schottischen Ungeheuer von Loch Ness sind bekanntlich geradezu spannend gegen die ewigen Nazidebatten der extremen Linken. Sie versucht regelmäßig, Österreich oder nicht genehmen österreichischen Politikern über das Ausland einen braunen Anstrich zu verleihen. Vor allem ORF und die Grünen spielen sich da ständig die Bälle zu. Und die SPÖ versucht munter mitzumachen.

In der Vergangenheit haben bisweilen auch einige schwarze Politiker das öde Spiel mitgemacht. Spindelegger wagt aber auch diesbezüglich erstaunlich klare Worte: Man solle „nicht versuchen, über internationale Medien Österreich wirklich in seinem Ansehen zu schaden.“ Die Linken werden es natürlich weiterhin tun, leben sie doch ganz in der Vergangenheit (siehe die Probleme, die die SPÖ heute noch mit den Habsburgern hat). Aber es tut gut, wenn zumindest der Vizekanzler der Republik da neuerdings klare Worte findet.

Jetzt bleibt nur das Rätseln: Erwacht die ÖVP unter Spindelegger wirklich noch einmal? Oder wird sie gleich wieder wegschlummern?

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Alles was Sie über Geld wissen sollten … aber leider nie gefragt haben.

19. Juni 2011 16:12 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Es sind nicht immer die 1.000-Seiten-Wälzer, deren Lektüre dem Leser Gewinn verspricht. Bisweilen sind es auch ausgesprochen schmale Bändchen, die es in sich haben. Der Gründer und Chef von Iowa Capital Management (ICM) und Betreiber von Radio Free Market, Michael J. McKay, hat mit dem Bändchen „Secrets About Money That Put You at Risk“  eine geballte Ladung von Grundsatzinformationen zu Fragen des Geldsystems auf gerade einmal 45 Seiten gepackt.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass ein großer Teil unserer Zeitgenossen von wirtschaftlichen Zusammenhängen im Allgemeinen und Fragen zu Wesen und Bedeutung des Geldes so gut wie keine Ahnung hat, unternimmt er es, die wesentlichsten Tatsachen darzustellen, die das heute weltweit herrschende Schuldgeldsystem bestimmen.

So erklärt er selbst dem in Fragen der Ökonomie absolut unbedarften Leser auf unmissverständliche Weise die Bedeutung von

Dies sind allesamt Phänomene, die – obgleich von größter Bedeutung für unser Wirtschafts- und Finanzsystem – in den Schulen nicht erklärt und in den Massenmedien entweder überhaupt nicht oder aber sinnentstellend verzerrt dargestellt werden. So wird z. B. Inflation stets als „allgemeiner Preisauftrieb“ verstanden und behandelt, als ob dieser quasi naturgesetzlich und unausweichlich eintreten müsse – ohne dabei jemals seine wahre Ursache – nämlich die von den Regierenden gewünschte und betriebene Ausweitung der Geldmenge – zu beleuchten.

Dass unser von Presse und elektronischen Medien notorisch  als „neoliberal“ oder gar „turbokapitalistisch“ denunziertes Wirtschaftssystem auf zwei zentralen Säulen der Planwirtschaft ruht, nämlich auf einem monopolisierten, staatlichen Geld mit Annahmezwang und einer politisch bestimmten Zinsbewirtschaftung – von einem „freien Markt“ also allein schon deshalb keine Rede sein kann – wird die meisten unserer Mitmenschen überraschen.

Dass das vom Staat verliehene und gedeckte Privileg zur Teilreservehaltung durch die Geschäftbanken vom Grundsatz her einem Diebstahl oder Betrug gleichkommt, dürfte für viele eine ebenso neue Einsicht darstellen. Dabei ist es klar, dass eine Sache zur selben Zeit eben nicht im Eigentum mehrerer Personen stehen kann. Genau dieser Fiktion aber entspricht das Teilreservesystem, das maßgeblich für die galoppierende Geldmengenausweitung (= Inflation) verantwortlich ist, mit der wir insbesondere seit Ausbruch der aktuellen Finanzkrise konfrontiert sind.

So hat der Dollar seit Gründung des US-Zentralbanksystems (FED) im Jahr 1913 rund 97 Prozent seines Wertes verloren; Die allseits als Hartwährung gerühmte Deutsche Mark wurde von ihrer Einführung anno 1948 bis zur ihrer Ablösung durch den Euro um 95 Prozent entwertet. Die verheerende Bedeutung dieser Entwicklung für Aufbau und Erhalt privaten Vermögens, sowie die Einstellung der Bürger zum Sparen und zum Schuldenmachen, liegt auf der Hand.

Die Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen Wohlstand, Wert und Geldwert dürfte vielen Menschen unserer Zeit ebenso wenig klar sein. Auch auf diesen Punkt wird von McKay in erhellender Weise eingegangen.

Fazit: Das Büchlein bietet dem interessierten Laien eine hervorragende Zusammenfassung zu zentralen Fragen des Geldsystems. Überdies ist es eine gute Argumentationsgrundlage für Auseinandersetzungen mit überzeugten Etatisten, die meinen, alles was Recht ist, gehe vom Staat aus und allein er könne für den Wert unseres Geldes „garantieren“. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.

http://www.amazon.com/Secrets-About-Money-That-Risk/dp/0982661509

http://www.radiofreemarket.com/

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Dann doch lieber deutsch als schwul

19. Juni 2011 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Warum sich viele Medien mit der FPÖ so schwer tun. Und warum ich mir so schwer mit ihr tue. Der Unterschied zwischen den wirklichen und den vermeintlichen Schattenseiten der vermutlich stärksten Partei Österreichs ist ein gewaltiger.

Die FPÖ liefert an diesem Wochenende wieder 'politisch korrekten' Kommentatoren jede Menge Stoff. Und fast alle gehen der FPÖ dabei in die immer gleiche Falle. Sie versuchen sie ständig braun anzustreichen, der ORF wirft mit Vokabeln wie „rechtsextrem“ nur so um sich. Der eine Anlass für Erregung war die Kärntner Volksbefragung, der andere das erneuerte Bekenntnis zur deutschen Kulturgemeinschaft. Beides sind künstliche und unberechtigte Erregungen. Die wahren Probleme mit der FPÖ sind ganz andere.

Die Kärntner Volksbefragung zu den Ortstafeln hatte zwar keine verfassungsrechtliche Basis – aber das macht sie ja noch zu keinem Verbrechen. Vor allem die Kritik der Grünen daran ist absurd, treten sie doch selbst immer wieder für direkte Demokratie ein (was auch eine der relativ wenigen lobenswerten Seiten der Grünen ist).

Zu Recht kann man grundsätzlich kritisieren, dass eine völkerrechtliche Verpflichtung nicht von der Zustimmung einer Bevölkerungsmehrheit abhängig sein darf. Nur: Jahrzehntelang haben Rot wie Schwarz diese Verpflichtung nicht umgesetzt (auch Blau und Orange in ihren Mitregierungszeiten nicht). Man hatte einfach jahrzehntelang Angst, dass das Kärntner Volk wieder ein paar Ortstafeln umschmeißt. Das war auch eine Art Volksbefragung – wenn auch eine der übelsten Art.

Die SPÖ hat überdies vor fünf Jahren eine schon fertig ausgehandelte Ortstafellösung fast völlig identischen Zuschnitts wie die nunmehr fixierte aus rein parteitaktischen Interessen torpediert (sie verweigerte einem von Wolfgang Schüssel, Jörg Haider und der Mehrheit der Slowenen ausgehandelten Kompromiss die notwendige Verfassungsmehrheit, weil sie ja sonst Schwarz-Orange nicht mehr in ein rechtes Eck stecken hätte können). Also fehlt auch der SPÖ jede Legitimation zur Kritik.

In Wahrheit ist es sicher gut, dass die Ortstafellösung nun auch eine demokratische Legitimation erhalten hat. Niemand kann künftig noch herumrennen und sagen, der böse Bund hätte den Kärntnern etwas aufs Auge gedrückt. Das haben auch die Klügeren unter den Kärntner Slowenen selbst voll eingesehen.

Zweiter Kritikpunkt an der FPÖ ist das wiederentdeckte Bekenntnis zur „deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft“. Nun, solche Parolen sind auch nicht so ganz das Meine. Nicht einmal die Sprachgemeinschaft mit den deutschen Nachbarn ist ja wirklich eine hundertprozentige. So habe ich vor zwei Tagen einen Vortrag in Berlin gehalten und gespürt, dass ich bei jedem Wort eine kurze Nachdenkschleife mit der Frage einschiebe: „Verstehen die auch jedes Wort meines österreichischen Deutsch?“ In Sachen Architektur, Geschichte und Speisezettel fühlen sich die meisten Österreicher unbestreitbar im k. und k. Mitteleuropa stärker daheim als im Norden Deutschlands. Im Kino gefallen zumindest mir im Schnitt trotz mancher Enttäuschungen amerikanische Filme deutlich besser als deutsche (und nach den Besucherzahlen zu schließen auch den meisten anderen). Und „Volksgemeinschaft“ gehört schon gar nicht zu meinem Sprachgebrauch.

Dennoch habe ich wenig  Zweifel, dass in der Summe der vielen Anknüpfungs- und Berührungspunkte, die die kulturelle Identität der Österreicher ausmachen, jene Richtung Deutschland doch die häufigsten sind. Aber selbst wenn das nicht so wäre, regt mich das FPÖ-Bekenntnis nicht so wirklich auf – solange es nicht auch mit Anschlussgedanken verbunden ist. Wofür es seit Jahrzehnten keine Indizien gibt. Aber selbst bei diesem Gedanken sollte die SPÖ mit Vorwürfen sehr ruhig sein. Waren doch selbst nach 1945 viele SPÖ-Politiker noch Verfechter eines wirklichen Anschlusses und haben sich über den betonten Österreich-Patriotismus der ÖVP eher lustig gemacht.

Jedenfalls bot dieses Wochenende noch die Möglichkeit des Vergleichs mit einer zweiten Kulturgemeinschaft. Was ein ziemlich deutliches Ergebnis bringt: Ich fange mit einer deutschen Kulturgemeinschaft deutlich mehr an als mit der schwulen Kulturgemeinschaft, die Rot und Grün (und natürlich der ORF) wieder so schrill propagiert haben. Und für die sie vor allem in Wien viel Steuergeld verbraten.

Hinter diesen Scheinaufregungen bleiben die wahren Defizite der FPÖ verborgen. Diese Defizite sollten uns aber große Sorge bereiten. Denn in Sachen Wirtschafts- und Sozialpolitik stößt man bei der aufstrebenden Strache-Partei immer nur auf Zweierlei: entweder auf gähnende Leere, personell wie inhaltlich, oder auf klassischen Verschwendungssozialismus. Und das ist ja nun wirklich keine Alternative zur gegenwärtigen Politik. Denn beides gibt es bei der SPÖ in Reinkultur und bei der ÖVP in starken Ansätzen. Dabei geht es aber – im Gegensatz zu irgendwelchen imaginären Kulturgemeinschaften – um das weitaus wichtigste Betätigungsfeld der Politik. Vor allem in Zeiten wie diesen. Österreich wird da in den nächsten Jahren sehr schwierige und mühsame Entscheidungen brauchen.

Es ist natürlich klar, warum der rot-grüne Machtapparat diese FPÖ-Defizite nicht anspricht. Und dementsprechend tun dies auch nicht jene ORF-Menschen, welche die Innenpolitik kommentieren. (Deren Geistesgröße erkennt man übrigens auch daran, dass sie ihre Antworten von einem Zettel ablesen müssen, wenn sie sich von einem Kollegen ausgemachte Fragen stellen lassen). Denn dann nüsste man ja auch den ebenso gefährlichen SPÖ-Sozialismus kritisieren.

Weniger klar ist, warum auch andere, unabhängigere Medien die FPÖ immer nur volkstumspolitisch und nicht wirtschaftspolitisch untersuchen.

 

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SN-Kontroverse: Pleite gehen lassen?

17. Juni 2011 08:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Soll die EU Griechenland pleite gehen lassen?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Pleite zieht alle mit

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Lass Griechenland doch pleite gehen." Immer lauter tönt der martialische Ruf angesichts der Schuldenkrise im Süden. Etliche sehen darin gar die „gerechte" Strafe für die jahrzehntelange Misswirtschaft der Hellenen. Das Denken der Rachsüchtigen ist allerdings ziemlich kurzsichtig und bedeutet eine massive Verdrängung der Realität.

Denn die Folgen einer Staatspleite sind schrecklich: Banken werden von Kunden gestürmt, die ihre Konten plündern. In den Geschäften kommt es zu Hamsterkäufen. Die Geschäftsregale bleiben leer, der Einzelhandel hat kein Geld mehr. Auf den Straßen versammelt sich das Volk und demonstriert gegen die Regierung. Die Proteste schlagen in Gewalt um, die Regierung wird gestürzt, es herrscht Anarchie. Der Schwarzmarkt verdrängt die Marktwirtschaft.

Die internationalen Konsequenzen einer Staatspleite sind nicht abschätzbar. Ein bankrotter Staat kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Seine Anleihen werden abgewertet und Umschichtungen an den Finanzmärkten sind nötig. International kommt es zum Dominoeffekt. Andere Kernländer der EU, allen voran Spanien, Portugal, Irland und Italien könnten ebenfalls in die Staatspleite schlittern. Der Euro verlöre stark an Wert, auch in den stabilen Ländern der Europäischen Union würden die Zinsen steigen; eine tiefgreifenden Währungskrise unvermeidbar. Die Staaten müssten wieder Rettungspakete für die Banken und extreme Sparpakete mit harten sozialen Einschnitten verabschieden.

Im Vergleich zur globalen Wirtschaftskrise nach der Pleite der US-Bank Lehman wären die Folgen einer Staatspleite Griechenlands ein wirtschaftspolitischer Tsunami. Weitere finanzielle Hilfen für das krisengeschüttelte Griechenland sind daher unausweichlich, falls Europa sich selbst nicht destabilisieren will.


Konkursverschleppung

Andreas Unterberger

Die EU kann Griechenland gar nicht pleite gehen lassen. Denn das ist es schon längst. Jetzt geht's nur noch darum, endlich auch offen zuzugeben, dass Griechenland niemals all seine Schulden zahlen kann. Werden die Staaten Europas wie im Mai 2010 noch einmal Beihilfe zur Konkursverschleppung leisten? Im normalen Leben landet man damit vor dem Strafrichter.
Klar ist freilich auch: Das offene Eingeständnis der griechischen Pleite kommt heuer schon viel teurer als im vergangenen Jahr. Aber jedes weitere Jahr wird's noch teurer.

Inzwischen sind neben diversen Staatshaushalten schon etliche Nationalbanken, vor allem die Europäische Zentralbank bedroht, die nun den Großteil der griechischen Anleihen halten. Da ist es hochgradige Realitätsverweigerung, wenn sich die Finanzministerin brüstet, dass die Griechenland-Hilfe „keinen Cent" gekostet habe. In Wahrheit sind europaweit als Folge der Schuldenkrise schon unvorstellbare 1500 Milliarden Euro an Haftungen angelaufen. Und Europa ist gerade dabei, diesem teilweise schon verlorenen Geld weitere 120 Milliarden nachzuwerfen.

Nur Scharlatane können behaupten, es gäbe heute noch einen Ausweg aus der europaweiten Schuldenkrise, der nicht entweder die Sparer über eine Inflation oder die Steuerzahler über Steuererhöhungen heftig trifft. Die SPÖ macht dazu ja schon eifrig Vorschläge.

Für die Sozialisten in allen Parteien und vor allem die Gewerkschaften ist Griechenland die große ideologische Katastrophe. Denn dort zeigt sich, wohin gewerkschaftlich erkämpfte Lohnzuwächse und soziale Zuckerln führen, die mehr als den echten Produktivitätszuwachs ausmachen. Alle anderen aber, an der Spitze Angela Merkel, müssen sich fragen, warum sie den insolventen Griechen (und all ihren Gläubigern) die Mauer gemacht haben. Und jetzt offenbar weiter machen.

 

 

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Stresstests als Opium für das Finanzvolk

16. Juni 2011 01:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie werden das große Thema der nächsten Wochen: die europäischen Stresstests für große Banken. Zuerst werden Gerüchte durchsickern, welches Institut den Test bestanden hat und vor allem welches das wahrscheinlich nicht hat. Dann werden sich manche Gerüchte verfestigen, manche wieder in Luft, in bloße Gerüche auflösen. Bei jedem neuen Informationsbrocken werden die Kurse reagieren. Und schließlich wird man nach Vorliegen des Ergebnisses rundum mit Beschwichtigungen, Ankündigungen oder Eigenlob um sich werfen, je nach Ergebnis.

So weit, so schon einmal dagewesen. Wir erleben wieder einmal ein großes Selbsttäuschungsmanöver der Politik beziehungsweise einen Trick zur Besänftigung der nach Sicherheit gierenden Anleger und Einleger. Denn die Stresstests vertiefen den Irrglauben, es gäbe im Wirtschafts- oder gar Geldleben irgendwo eine klare Grenzlinie zwischen hie sicher, da spekulativ. Man erinnere sich nur daran, dass Lehman Brothers, die im September 2008 so laut kollabiert und dadurch zum Auslöser (freilich nicht zur Ursache) der Finanzkrise geworden sind, deutlich bessere Eigenkapitalquoten hatten als viele Banken, die den Stresstest problemlos meistern werden.

Die Stresstests sind also eher Opium fürs Finanzvolk. Sie sind aber noch aus einem zweiten Grund problematisch: Denn sie vermehren die schon vorhandene große Vielzahl von Prüfern und Kontrolloren für Geldinstitute. Um nur die wichtigsten aufzuzählen: da gibt es die nationalen und nun auch die europäischen Finanzmarktaufseher, da gibt es die Nationalbanken, die EZB, die nationalen Finanzministerien, in manchen Fällen auch die Rechnungshöfe, die EU-Kommission, die OECD, die Aufsichtsräte jeder Bank, die Rating-Agenturen, die Bilanz-Wirtschaftsprüfer, die Analysten, die bankinternen Risiko-Management-Abteilungen, die Vorstände. Da gibt es Basel 1,2 und bald 3. Irgendwie fühlen sich auch die Medien als Inspektoren. Und – ach ja, dann gibt es noch die Eigentümer, meist Aktionäre, die in Hauptversammlungen Fragen stellen dürfen.

Manche werden meinen: Ist doch gut, doppelt hält besser, und mehrfach noch besserer. Das stimmt aber nicht, so wie es auch sprachlich kein „besserer“ gibt. Denn es ist immer dasselbe: Je mehr Kontrollen es gibt, umso häufiger entwickelt sich eines der beiden folgenden Szenarien: Entweder die Kontrollore intrigieren gegeneinander, wie etwa bei uns eine Zeitlang Nationalbank und Finanzmarktaufsicht. Oder jeder verlässt sich auf den anderen, schreibt vom anderen ab, macht genau dasselbe, was der andere schon gerechnet hat.

Das Ergebnis sind ständig steigende unproduktive Kosten (für Anleger, Kreditnehmer, Aktionäre) bei gleich guten oder schlechteren Ergebnissen, als wenn es nur einen, aber dafür wirklich voll Verantwortlichen gäbe. Denn kein einziger aus der langen Liste haftet uns künftig persönlich und automatisch mit Haus und Hof, dass es keinen neuen Fall Madoff (oder Hypo Alpe-Adria) gibt.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Götterdämmerung für Berlusconi: Die guten und die schlechten Nachrichten

15. Juni 2011 00:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alle Welt kommentiert das klare Ergebnis der italienischen Referenden als schwere Niederlage für Silvio Berlusconi. Ringsum wird aber vergessen, was das Referendum für Italien und Europa sonst noch bedeutet.

Die gute Nachricht ist sicher: Auch im Macho-Land Italien sind den Menschen endlich die unerquicklichen und dubiosen Affären ihres Ministerpräsidenten mit jungen Mädchen und sein sonstiger schlechter Umgang mit Recht und Ordnung zu viel. Im Sinne der Rechtsstaatlichkeit und Sauberkeit sind die Ohrfeigen für Berlusconi und sein damit wohl eingeleiteter baldiger Abstieg nur zu begrüßen. Dass es ein Abgang wird, ist ja kaum mehr zu bezweifeln. Denn es haben nun sogar schon Minister der eigenen Regierung an der Wahlurne deklariertermaßen gegen die vorgegebene Linie gestimmt.

Die gleichsam wertneutrale Nachricht: Wer auch immer derzeit in Europa regiert, muss mit einer kräftigen Abwendung der Wähler rechnen. Das zeigt sich nun auch in Italien. Und das ist in Demokratien auch etwas ganz Normales.

Dem stehen freilich auch viele schlechte Nachrichten gegenüber, die interessanterweise von den meisten Medien ignoriert werden:

Erstens hat Berlusconi dem seit Jahrzehnten bis über beide Ohren verschuldeten Italien eine früher unbekannte Periode der Stabilität gebracht, die gemeinsam mit ihm unaufhaltbar zu Ende geht. Italien war immerhin das einzige der PIIGS-Krisenländer, das in den letzten Jahren trotz Krise und Schuldenbergs keine Verschlechterung seines Kredit-Ratings hinnehmen musste. Die Neuverschuldung Italiens wurde durch eine beinharte – und logischerweise unpopuläre – Sparpolitik in relativ überschaubaren Grenzen gehalten (Wirtschaftswachstum hat Italien freilich so wie alle südeuropäischen Länder kein nennenswertes geschafft). Mit Sicherheit werden Geldverleiher nun Italien viel kritischer beurteilen.

Zweitens ist besorgniserregend, dass sich weit und breit keine alternative Regierungsbasis mit einiger Stabilität abzeichnet. Die Linke ist ein wirrer und zerstrittener Haufen, den nur die Gegnerschaft zu Berlusconi geeinigt hat. Und noch viel weniger gibt es eine neue charismatische Führungspersönlichkeit. Italien wird statt dessen wohl zur schlechten alten Zeit ständig wechselnder Koalitionen ohne jede politische Führungskraft zurückkehren.

Und drittens haben sich die Italiener bei den Referenden in zwei Punkten auf eine Politik festgelegt, die dem Land weiteren wirtschaftlichen Schaden zufügt: auf einen Atomausstieg und auf das Verbot der Privatisierung von öffentlichen Unternehmen wie der Wasserversorgung.

Natürlich ist es das Recht der Italiener, sich solche Gesetze zu geben. Aber ebenso natürlich ist klar, dass dadurch die Sanierung Italiens noch weiter ins Reich des Unmöglichen rückt.

Nur zur Erinnerung: Es gibt keine einzige seriöse Berechnung, die behaupten würde, der Verzicht auf Atomkraft nütze einer Volkswirtschaft. Und die Privatisierung von Wasserversorgung und Ähnlichem wird – gerade in diesen Tagen! – intensiv von den Griechen gefordert, damit diese Einrichtungen erstens effizienter werden und damit Griechenland zweitens durch den Verkaufspreis einen Beitrag zu seiner eigenen Sanierung leistet.

Und noch eine zweite Erinnerung: Italien hat mit 119 Prozent BIP-Anteil die zweithöchste Staatsverschuldung in der EU (nach Griechenland), steht also in entscheidender Hinsicht schlechter da als Portugal oder Irland, die schon in die europäische Notaufnahme eingeliefert werden mussten.

Alle jene, die jetzt über den Ausgang des Referendums jubeln, sollten sich fest anschnallen ob all dem, was demnächst auch die Italiener dem Kontinent an teuren Freuden bescheren werden. Die Rechnung müssen freilich auch alle anderen zahlen, die jetzt schon keineswegs jubeln. Hauptsache, man zahlt die Wasserrechnung nicht an eine Privatfirma und Berlusconi ist weg.

 

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Ausgerechnet dort, wo die EU goldrichtig liegt, ist sie zu schüchtern

14. Juni 2011 00:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Schade, dass ausgerechnet die besten, wichtigsten und klügsten Aussagen der EU-Kommission nur in Form zarter Empfehlungen daherkommen. Die EU ist ja bei anderen, viel problematischeren Themen durchaus mit voller Härte der rechtlichen Verbindlichkeit von Verordnungen, Richtlinien oder Gerichtserkenntnissen unterwegs. Das reicht vom Glühbirnenverbot über die Rechte der deutschen Medizinstudenten in Österreich bis zur Umsetzung von Basel 3. (Mit einer nachträglichen Ergänzung am Ende)

Die jüngsten Empfehlungen der EU an Österreich haben jedoch leider keine rechtliche Qualität. Sondern sie haben nur die Qualität der Vernunft. Sie werden daher von der Regierung so unbeachtet bleiben, wie sie auch von den meisten Medien weitgehend ignoriert worden sind. Was – im Interesse Österreichs! – sehr traurig ist. Dabei sind die Empfehlungen aus Brüssel ohnedies schon viel zu schwach gegenüber dem, was wirklich nottäte. Und möglich ist.

Die EU rät der Republik völlig zu Recht, die Budgetkonsolidierung zu verstärken. Die jährlichen Einsparungen sollten der Kommission zufolge in den nächsten zwei Jahren jeweils ein dreiviertel Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. In der österreichischen Budgetplanung ist jedoch nicht einmal ein halb so schnelles Tempo vorgesehen.

Brüssel sieht sogar das von der Wiener Regierung selbst gesetzte Ziel gefährdet, das Defizit von 4,6 Prozent des BIP (im Jahr 2010) auf 2,4 Prozent im Jahr 2014 zu reduzieren. Die Maßnahmen zur Reduktion des „übermäßigen Defizits“ Österreichs seien „zu unspezifisch“. 

Ins Allgemeinverständliche übersetzt heißt das: Die Regierung produziert nur heiße Luft und wird wahrscheinlich nicht einmal die eigenen ohnedies völlig unzureichenden Einsparvorhaben schaffen. Die groß propagierte Antisteuerhinterziehungs-Kampagne wird nach Überzeugung Brüssels ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg bringen. Was ähnliche Kampagnen ja auch in anderen Ländern nicht geschafft haben.

Gleichzeitig kritisiert die Kommission die hohe Abgabenquote in Österreich (das ist im wesentlichen der Anteil unserer Einkommen, den uns Steuern plus Pflichtversicherungen gleich wieder wegnehmen). Diese Abgabenquote zählt zu den höchsten in der ganzen EU, bestätigt die Kommission. Zugleich haben die sehr hohen Sozialversicherungsabgaben auch einen negativen Effekt auf die Beschäftigung im Niedriglohnbereich. Sie machen Arbeit unqualifizierter Arbeiter zu teuer.

Diese Erkenntnisse sind zwar an sich nicht neu. Aber dennoch wünsche ich mir, dass die sonst so freigiebige EU auch in diesem Zusammenhang einmal ein bisschen Geld in die Hand nimmt und diese Erkenntnisse und Empfehlungen landauf, landab plakatiert. Denn ganz offensichtlich denkt die österreichische Politik nicht daran, den als „Einladung“ umschriebenen Ratschlägen der EU nachzukommen. Die Regierung beschloss zuletzt sogar wieder lauter neue Ausgaben. Und Bundeskanzler wie Bundespräsident haben nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der europäischen Empfehlungen sogar ungeniert schon wieder nach weiteren Steuererhöhungen gerufen.

Natürlich sollen diese laut der ewig gleichen Rhetorik der Politik wie immer nur die „Reichen“ treffen. Und nie wird zugegeben, dass eine solche Unterscheidung nicht funktionieren kann. Erstens wachsen auch die Nicht-so-Reichen auf Grund der Inflation oder ihres beruflichen Aufstiegs immer rasch in jene Einkommensbereiche beziehungsweise „Vermögen“ hinein, die kurz davor noch als Reservat der „Reichen“ gegolten haben. Zweitens vertreibt man damit immer extrem rasch alle jene Menschen aus dem Land, die wirklich Geld haben. Und die anderen Arbeit geben könnten.

Steuererhöhungen leeren die Kassen und Börsen

Ein neues dramatisches Beispiel für die negativen Konsequenzen von Steuererhöhungen ist die seit heuer geltende Ausdehnung der Kursgewinnsteuer (man muss der Neuregelung zufolge nun Kursgewinne immer versteuern, früher war das nur während des ersten Jahres nach Aktienkauf notwendig). Diese Steuerausdehnung war zwar damals auch von einem vermeintlichen Wirtschaftsspezialisten wie dem Spitzenmanager Claus Raidl gefordert worden. In der wirklichen Welt hat diese Steuererhöhung aber eine Katastrophe für den Finanzplatz Wien ausgelöst.

Im vergangen Monat, also im Mai 2011, hat sich nämlich das Handelsvolumen an der Wiener Börse um 42 – in Worten: zweiundvierzig! – Prozent reduziert. Das lässt befürchten, dass die Steuererhöhung am Schluss ein Minus in der Staatskasse auslösen wird. Was ja wohl nicht ganz der Zweck der Übung war. Ganz besonders schnell haben sich ausgerechnet die österreichischen Anleger von ihrer Börse abgewendet. Sie trauen dieser Regierung alles Üble zu. Das alles demoliert nebstbei natürlich auch die langfristige Überlebenschance der Börse.

Der von der Politik total ignorierte Kollaps der Börse bedeutet logischerweise auch, dass künftig weniger Investitionskapital für österreichische Betriebe zur Verfügung steht. Und dass derzeit schon viel Geld über die Landesgrenzen hinausfließt. Wenns nicht anders gegangen ist, halt im Koffer.

Nicht mit Zahlen belegbar, aber in gewichtigen Einzelfällen nachweisbar ist auch eine weitere massiv negative Wirkung der Steuerpolitik der letzten zwei Jahre: Sowohl die Verschlechterung der Stiftungsbesteuerung wie das Gerede über weitere Steuerattacken auf Stiftungen und Banken vertreiben Kapital aus Österreich. Man sollte sich für die Zukunft auch bewusst sein: Selbst die großen Banken sind nicht dauerhaft gezwungen, in Österreich zu bleiben, sind sie doch längst schon internationale Akteure. Und Bratislava oder Prag sind wunderschöne Städte mit einer sich rasch verbessernden Infrastruktur.

Mit Sicherheit die gleiche negative Wirkung, wie sie schon die Kursgewinnsteuer hatte, würde auch eine Einführung der von allen österreichischen Politikern geforderten europaweiten Finanztransaktionssteuer haben. Derzeit scheitert diese ja zum Glück noch am Widerstand klügerer Regierungen wie etwa der britischen. Diese Finanztransaktionssteuer (die jede simple Geldüberweisung verteuert) würde nämlich massiv Investoren und Geldgeschäfte aus dem EU-Raum vertreiben. Und außerdem würden viele komplizierte Umgehungskonstruktionen zur Vermeidung der Steuer entstehen, die nur Steuerberatern etwas nützen.

Die goldenen Worte der EU-Kommission haben nur einen Fehler (abgesehen davon, dass sie sowieso von der Regierung ignoriert werden): Sie sind noch viel zu wenig ambitioniert. Denn es gibt in Wahrheit im gegenwärtigen Konjunkturboom keinerlei Grund, überhaupt ein Defizit zu machen. In Wahrheit sollte und müsste Österreich heuer oder spätestens im kommenden Jahr sein Defizit komplett abbauen. Die Schulden werden ja sowieso gewaltig bleiben. Ein solcher Defizitabbau würde halt eine Einsparungsanstrengung von 2 bis 3 Prozent des BIP bedeuten und nicht nur von 0,75 Prozent (EU-Empfehlung) oder 0,35 Prozent (das erwähnte Ziel der Regierung).

Ein solches Sparprogramm wäre gewiss nicht schmerzfrei oder gar populär. Nur ein physisch schon schwer angeschlagener Hannes Androsch kann behaupten, der Staat könne 20 bis 30 Milliarden einsparen, „ohne dass Leistungen gekürzt werden müssen“. Selbstverständlich müssen viele überflüssige oder luxuriöse Leistungen, Subventionen und Programme radikal gekürzt werden. Was immer laute Schmerzensschreie der derzeitigen Nutznießer auslösen wird. Aber andererseits sind die 2 bis 3 Prozent Einsparung nur die Hälfte der 5 Prozent Einsparung, die Griechenland in den letzten zwölf Monaten geschafft hat – obwohl das Land ringsum ob seiner viel zu geringen Einsparbereitschaft getadelt wird.

Es ist wohl so: Ein EU-Land, das zu Konjunkturzeiten nicht einmal einen Bruchteil der griechischen Anstrengungen auf sich zu nehmen bereit ist, wird selbst einmal ein Griechenland werden.

PS. Bestürzend ist auch der Vergleich mit Italien, einem weiteren notorischen Krisenkandidaten: Italien hat sich in seiner Budgetplanung fest vorgenommen, 2014 ein Nulldefizit zu haben. Österreich hingegen will in jenem Jahr noch immer ein Defizit von 2,4 Prozent produzieren. Und wenn eine neue Krise kommt, wird man dieses Ziel halt leider, leider auch nicht erreichen.

PPS. Nur zur technischen Information: Das oft zitierte BIP Österreichs wird heuer über 290 Milliarden Euro ausmachen.

(Nachträgliche Ergänzung: Wenige Tage danach fordert jetzt auch der Währungsfonds Österreich zu den gleichen Maßnahmen wie die EU auf: Schulden sollten "ehrgeiziger" abgebaut werden. Dabei solle sich Österreich vor allem auf Pensionen, Gesundheitsvorsorge und Subventionen konzentrieren, etwa durch eine schnellere Reform der Hacklerregelung. Bei den Subventionen wird insbesondere auf die ÖBB und die Wohnbauförderung verwiesen. Alles altbekannt - aber immer wichtig!)

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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EHEC: Eine doppelte Vergiftung

11. Juni 2011 01:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Deutschland hat nun offenbar endgültig die Quelle der aufsehenerregenden EHEC-Vergiftung entdeckt. Und liefert damit auch gleich einen Beweis für eine weitere Vergiftung – nämlich die der Objektivität zahlloser Medien. Jedoch gibt es einen Unterschied: Während die giftigen Bakterien in den Mikroskop-Vergrößerungen rot erscheinen, was ganz sicher keine politische Bedeutung hat, ist die mediale Vergiftung eine grüne, mit stark politischem Hintergrund.

Wer es nicht glaubt, lese ein paar Dutzend Kommentare insbesondere deutscher und österreichischer Zeitungen während der vergangenen Wochen nach. Und er halte sich gleichzeitig die zwei nun feststehenden Aspekte vor Augen: Erstens, die Quelle des Übels war ein Biobauernhof; und zweitens, dieser liegt in Niedersachsen, also in jener Region, wo die meisten Vergiftungen aufgetreten sind.

Damit sind gleich zwei grüne Dogmen zerstört worden. Was wurde da in diesen Wochen – oder gar in den Jahren davor – doch an Gratiswerbung für die Bio-Industrie geschrieben! Pardon: „Industrie“ sind natürlich immer die bösen Anderen, wo es ganz anders zugeht als auf dem Biobauernhof. Nämlich viel sauberer und ohne kultische Verehrung für den Kot von Rindern und anderen Tieren.

Und als sich dann der Verdacht immer mehr Richtung Bioprodukten verdichtet hat, da haben die Kommentatoren tagelang die Kurve mit dem Argument zu nehmen versucht: Dass man halt selber schuld sei, wenn man importierte Lebensmittel und nicht jene aus der unmittelbaren Umgebung verzehrt, wo man ja den direkten Kontakt mit den Bauern hat. Aber gerade ein Bauer aus der Umgebung war für viele Menschen in Hamburg und Niedersachsen genau das tödliche Pech. Und nicht einer aus dem fernen Spanien.

Manche werden nun einwenden: Das war halt Pech und ein Einzelfall. Aber auch das stimmt nicht. Statistisch kommen Salmonellen- oder EHEC-artige Vergiftungen bei Bio-Produktion viel häufiger vor als bei agrarindustrieller.

Nächster typischer Einwand: Aber die Pestizide! Die sind in der Tat bei der echten (also nicht bloß der zu Marketingzwecken oder zur Rechtfertigung hoher Preise oder zum Verkauf verschrumpelter Äpfel vorgetäuschten) Bioproduktion in geringerem Umfang enthalten. Nur: Es gibt überhaupt keinen Beweis für Erkrankungen oder gar Todesfälle durch Pestizid-Rückstände. Denn auch bei normalen Lebensmitteln sind die Grenzwerte weit unterhalb jeder Risikoschwelle.

Auch wenn es politisch absolut unkorrekt ist: Das vor einigen Jahrzehnten verhängte Verbot von DDT hat die Menschheit nicht gesünder gemacht, sondern Millionen Tote gefordert: nämlich als Opfer der Malaria, die seither nicht mehr effizient an der Wurzel bekämpft werden kann.

Also meint der Unterberger gar, man solle keine Bioprodukte essen? Sicher nicht, der Unterberger ist so ziemlich der letzte, der Mitbürgern etwas oktroyieren will, was sie „sollen“. Er ärgert sich erstens nur, wenn mit dem Bioschmäh Steuermittel abgecasht werden. Und zweitens, wenn die Medien Menschen für dumm verkaufen.

Und was isst er denn selber? Er selbst entscheidet sich immer für das, was ihm halt besser schmeckt. Das ist einmal Bio und ein andermal nicht Bio. Im Zweifel entscheidet er sich ganz marktwirtschaftlich für das billigere Produkt.

PS: Ich habe weiter oben von „Gratiswerbung“ geschrieben. Aber eigentlich bin ich mir in Hinblick auf das „Gratis“ gar nicht mehr so sicher. Hat doch dieser Tage der österreichische PR-Ethik-Rat eine Untersuchung veröffentlicht, derzufolge in den Medien Schleichwerbung „flächendeckend“ zu finden ist, also in allen untersuchten Medien. Besonders häufig gibt es jedoch in den Boulevard-Medien bezahlte Werbung, die sich als redaktioneller Beitrag anbietet.

PPS: Um wieder einmal gleich vorweg den üblichen Unterstellungen grüner Menschen entgegenzutreten: Ich habe weder Aktien noch sonstige Interessen in der Lebensmittelindustrie oder in der Landwirtschaft. Ich schreibe nur als schlichter städtischer Konsument und Steuerzahler.

 

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SN-Kontroverse: ÖBB-Privatisierung

10. Juni 2011 01:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Sollen die ÖBB privatisiert werden?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Schlechte Geschäfte

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Der Staat ist kein Unternehmen und hat Aufgaben zu erledigen, die nicht profitabel sind. Klassische Beispiele sind solche, die mit einem Versorgungsauftrag verbunden sind. Das gilt für die Versorgung mit Wasser und Strom und natürlich auch für den öffentlichen Verkehr. Der soll eben nicht nur in Gegenden funktionieren, die z. B. wegen des hohen Passagieraufkommens - in Österreich die Weststrecke - gewinnbringend sind, sondern auch im ländlichen Raum. Wohin die Privatisierungswut führt, zeigt Großbritannien. In der Regierungszeit Margaret Thatchers wurde großzügig Staatseigentum verscherbelt. Das Ergebnis ist bekannt: Das Schienennetz ist seit der Privatisierung marod. Es kam zu schweren Unfällen. Die privatisierte Netzgesellschaft Railtrack ging 2001 pleite und musste erneut verstaatlicht werden. Die erforderliche Modernisierung des heruntergewirtschafteten Netzes kostet die britischen Steuerzahlenden 50 Milliarden Pfund.

Negativbeispiele für Privatisierungen gibt es hierzulande ebenfalls zur Genüge: Man denke an die Verschleuderung der Austria Tabak, die 3500 Arbeitsplätze und eine hohe Wertschöpfung gekostet hat, oder die dubiosen Vorgänge beim Verkauf der Bundeswohnungen. Nimmt man die letzten Teilprivatisierungen der OMV-Anteile sowie von Post und Telekom zusammen, so verlor der Staat seit 2006 durchschnittlich 336 Millionen Euro pro Jahr an anteiligen Gewinnen in diesen Unternehmen, die entweder ausgeschüttet oder reinvestiert wurden. Diesem Verlust steht eine Zinsersparnis durch Schuldenabbau von nicht einmal 100 Millionen Euro pro Jahr gegenüber. Der Nettoverlust über fünf Jahre: fast 1,2 Milliarden Euro. Die Zauberformel Privatisierung bedeutet häufig nur, dass die Allgemeinheit die Profite einiger weniger zahlen soll. Ein ziemlich schlechtes Geschäft!


Was alles besser würde

Andreas Unterberger

 

Sollen die ÖBB, neben dem Pensionssystem Österreichs weitaus größter Schuldenmacher, privatisiert werden? Diesen Entschluss wird uns angesichts der unverdrossenen Schuldenpolitik der Regierung künftig wohl der Währungsfonds abnehmen. So wie er es nun bei den Griechen tut. Vorher wird sich in Sachen ÖBB nichts tun, sind diese doch neben dem Wiener Rathaus die wichtigste rote Trutzburg. Eine Regierung Faymann agiert erst dann, wenn ihr das Wasser bis zum Hals steht. Wo es in Wahrheit angesichts jährlicher ÖBB-Gesamtkosten für den Steuerzahler von mehr als sechs Milliarden längst steht, die vor allem das wahnwitzige Pensionssystem und die „großzügigen" Baumethoden kosten.

Gewiss wäre eine Privatisierung von Schienen und Bahnhöfen schwierig. Jedenfalls möglich und nötig wäre aber ein Ende aller Personalprivilegien. Und leicht wie sinnvoll wären Privatisierung wie Wettbewerb bei Fracht, Personenverkehr und Busbetrieb.

Dann würde sich die skandalöse Diskriminierung des ersten privaten Zugsbetreibers aufhören (die ÖBB-Bahnhofsgebühren wurden überall dort gewaltig in die Höhe geschnalzt, wo dessen Züge künftig halten sollen). Dann würden sich die Millionen an Bestechungsgeldern aus ÖBB-Kassen für Inserate vor allem in SPÖ-hörigen Boulevardmedien aufhören. Dann hätten Zugreisende wieder deutlich mehr Chancen auf Sauberkeit, Service, Versorgung und erträgliche Temperaturen. Dann müssten auch ÖBBler so lang arbeiten wie wir, bevor sie in Pension gehen können. Dann gäbe es nicht mehr Hunderte arbeitsfrei gestellte Betriebsräte mit Topgehältern. Dann würden Buschauffeure der ÖBB nicht um Eckhäuser mehr verdienen als jene in der Privatwirtschaft. Dann würden die Mitarbeiter erkennen, dass nicht Partei und Gewerkschaft, sondern einzig ihre Arbeit ihre Jobs sichert.

Das wäre alles für Kunden wie Steuerzahler extrem gut. Freilich nicht für Betriebsräte und Parteifunktionäre.

 

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Die tödliche Unsicherheit

09. Juni 2011 00:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

An den Turbulenzen auf den Finanzmärkten ist ein Aspekt besonders schlimm – und den Akteuren zuwenig bewusst: die absolute Ungewissheit der bevorstehenden politischen Entscheidungen. Dabei braucht jedes wirtschaftliche Handeln sichere Rahmenbedingungen dringender als alles andere.

Investitionen wie Kreditaufnahmen sind nur dann rational möglich, wenn das Verhalten von Staaten und Notenbanken vorhersehbar ist. Und das ist es in Europa keineswegs. Bekanntestes Beispiel für falsche Behauptungen von Notenbanken, Regierungen und EU-Instanzen sind die regelmäßigen Beteuerungen, dass Griechenland/Irland/Portugal/(und wieder)Griechenland keine Sonderhilfe benötigen. Was dann wenige Wochen später jeweils anders war. Wer soll da heute noch den fast bis auf den Buchstaben gleichlautenden Beteuerungen in Hinblick auf Spanien und Italien glauben?

Das führt Banken wie Versicherungen in ein unlösbares Dilemma. Sie stehen nämlich vor der Frage: Soll und darf man das Geld der Anleger, Sparer und Lebensversicherten nun in einem der genannten Länder anlegen oder nicht? Legen sie dort im Vertrauen auf die Aussagen der Politik und Notenbanken Geld an, aber eines jener Länder wird dann doch fallengelassen (oder gar mehrere), dann sind manche Finanzinstitute selber in Lebensgefahr. Zumindest werden sie in jedem Fall erneut als böse Spekulanten an den Pranger gestellt, die in Junk-Papiere investiert hätten.

Legen sie hingegen in den Wackelländern – zu denen Skeptiker übrigens auch schon Frankreich rechnen – nicht an, dann hat das zwei andere Folgen: Makroökonomisch könnten dadurch diese Länder erst recht ins Schleudern kommen, wenn sie kein Geld mehr bekommen. Überstehen die Krisenländer aber ihre Solvenzprobleme, dann haben sich die vorsichtigen Banken und Versicherungen selbst schwer und ohne Nutzen geschädigt. Sie verlieren dramatische Marktanteile, weil sie zum Unterschied von der Konkurrenz ihren Kunden nicht die hohen Zinserträge südeuropäischer Anleihen verschafft haben. Banken, die Anlegern wegen ihrer vorsichtigen Veranlagung niedrige Zinsen zahlen, Lebensversicherungen, die deswegen geringe Gewinnbeteiligungen erzielen, haben bald keine Kunden mehr.

Dabei ist derzeit sehr viel Geld zu veranlagen. Viele Fonds und insbesondere Versicherungen sind überdies rechtlich verpflichtet, einen Teil nur in Staatspapieren zu veranlagen. Deutschland aber legt gar nicht so viele Anleihen auf, wie es als derzeit relativ sicherster Platz Europas könnte. Was den Deutschen wieder sehr niedrige Zinssätze ermöglicht. Was wiederum manche Anleger zu spekulativen Papieren greifen lässt.

Das alles ist eine tödliche Spirale. Und sie würde nur gebrochen, könnte man den Aussagen von Finanzministern, Regierungs- und Notenbankchefs wieder vertrauen. Was man aber nur noch als Coniunctivus Irrealis sagen kann.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Die Brandstifter als Feuerlöscher

07. Juni 2011 00:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hurra, das Pyramidenspiel ist um eine weitere Runde verlängert worden! Große Gewinne locken! Und dabei ist die neue Runde viel billiger als die erste (noch)! Jeder gewinnt! Zumindest jeder, der am Schluss keinen Schwarzen Peter im Blatt – Pardon, griechische Anleihen auf seinem Depot-Konto hat.

Der Milliarden-Geldfluss nach Griechenland hat in Wahrheit längst alle Pyramidenspiele übertroffen. Das sind jene Betrügereien, bei der jeder Mitspieler zehn Euro an einen früheren Spieler zahlen und selbst zehn weitere Spieler finden muss, die ebenfalls an einen früheren Mitspieler (einer Spielebene später) jeweils zehn Euro überweisen müssen, und von denen dann jeder ebenfalls zehn weitere Mitspieler finden muss. Immer unter dem Versprechen, irgendwann einmal selbst Gelder überwiesen zu bekommen.

Das geht so weiter, bis – ja, bis das Spiel kollabiert, weil niemand mehr bereit ist, sich auf einen solchen Schwachsinn einzulassen. An diesem Schwachsinn haben die allerersten in der Kette aber inzwischen sehr gut verdient. Die anderen sind jedoch die Blöden. Solche betrügerischen Spiele sind daher in fast allen Ländern zu Recht verboten.

Zu Recht verboten ist in der EU auch all das, was Europas Regierungen und Zentralbanken seit 13 Monaten tun: Sie werfen gutes Geld dem von schuldenmacherischen Regierungen schon verbrannten schlechten Geld nach. Und müssen nun immer weiter Geld nachwerfen. Nur damit das Spiel nicht platzt. Was es natürlich eines Tage sehr wohl tun wird.

Die EU und ihre Mitglieder haben rund ums Geld in den letzten eineinhalb Jahrzehnten mit großer Brutalität alle Regeln gebrochen, die sie davor selbst auf Verlangen vor allem deutscher Ökonomen und Wähler aufgestellt haben. Die Deutschen waren ja nur unter strengen Stabilitätsauflagen bereit, die D-Mark gegen den Euro herzugeben.

Dennoch hat die EU Länder in den Euro-Raum aufgenommen, die an keinem einzigen Tag die als eigentlich unabdingbare Kriterien festgelegten Aufnahmebedingungen („Maastricht-Kriterien“) erfüllt haben. Das hat übrigens auch für Österreich gegolten, mit Ausnahme des Jahres 2007. Seit dem letzten Jahr wird auch noch die eiserne No-Bailout-Regel gebrochen, die rechtsverbindlich festhält, dass weder die EU noch die Europäische Zentralbank noch andere Euro-Staaten einem leichtfertigen Schuldenstaat durch Kredite helfen dürfen. Selbstverständlich hat dann auch noch Griechenland seine Zusagen gebrochen, die es im Vorjahr abgegeben hat, um an die europäischen Gelder heranzukommen. Mit den schon im Vorjahr vereinbarten Privatisierungen wurde bisher keine Sekunde lang ernst gemacht. Jetzt wird halt wieder alles Mögliche versprochen, weil das Land wieder Geld braucht.

Wie wird das alles enden? Genau mit dem, was alle jene als völlig ausgeschlossen bezeichnen, die einst monatelang völlig ausgeschlossen haben, dass Griechenland, dass Irland, dass Portugal Hilfe der anderen EU-Länder benötigen – bis dann halt plötzlich doch die Hilfsmilliarden gerollt sind: Die Krise kann nur mit einer gewaschenen Inflation enden. Anders können die riesigen Mengen an Schulden gar nicht begleichen werden. Wenn hingegen das Geld nichts mehr wert ist, werden auch die Schulden nichts mehr wert sein. Dann sind alle Schuldner fein raus. Die Sparer, Anleger und Gläubiger halt ein bisschen weniger. Aber die kann man ja eh immer leicht als böse Kapitalisten denunzieren.

Diesen Kern der Dinge sollte man nie aus den Augen verlieren – auch wenn Politik und Notenbanker uns mit einem Strudel von komplizierten Erklärungen und finanztechnischen Konstruktionen Sand in unsere Sehorgane streuen wollen. In den letzten Tagen haben sie das mit zwei weiteren Konstruktionen getan, die an sich köstlich wären, wären sie nicht in Wahrheit so infam.

Erstens: Die Regierungen wollen nun private Schuldner zwingen, sich „freiwillig“ – echt: Sie reden von freiwillig! – an der nächsten Etappe der Griechenland-Hilfe zu beteiligen. Und zweitens: In bestehende Verträge über Staatskredite sollen nachträglich rückwirkende Klauseln eingebaut werden, etwa des Inhalts, dass die Rückzahlung der Kredite weit nach hinten verschoben wird. Wenn ein privater Schuldner solches versucht, verliert er jeden Prozess. Wenn es Staaten tun, dann lassen sie sich als Retter feiern. Und die von begnadeter Kurzsichtigkeit geschlagenen Aktienmärkte feiern mit.

Oder sind die Akteure auf den Aktienmärkten gar nicht so kurzsichtig? Eigentlich ist die dortige Reaktion ja nur logisch. Denn wenn jeder angesichts der sich nähernden Inflation sein Bargeld möglichst rasch loswerden und in Gold, Eigentumswohnungen oder eben Aktien eintauschen will, dann treibt das eben die Kurse auf den Aktienmärkten zwingend nach oben. So werden insbesondere schon wieder abenteuerliche Summen für Internet-Firmen bezahlt – so wie wenn der Dot.com-Crash des Jahres 2000 nie passiert wäre (also der vorletzte Finanzkollaps).

Warum wird Griechenland – dessen Bürger ohnedies nur Resteuropa wild beschimpfen – nicht seinem Schicksal überlassen? Da geben uns Regierungen und Notenbanken neben Solidaritäts-Gerede eine einhellige Antwort: Dann würden auch viele westeuropäischen Banken krachen. Sagen sie.

Diese Antwort ist nur absolut falsch. Wahr ist vielmehr: Erstens würden die meisten nicht krachen, weil sie längst vorgesorgt haben; zweitens wäre ein Crash oder ein Crash in der harmloseren Form einer Umschuldung noch billiger als die unendlich eskalierenden Griechenland/Portugal/Irland-Hilfen, auch wenn dann der Steuerzahler einige Kreditinstitute retten muss (was er freilich nur unter heftiger Beteiligung auch der Eigentümer dieser Banken und unter sofortigem Jobverlust für deren Manager tun sollte).

Regierungen und Notenbanken sind aber sehr erfolgreich mit dieser Schuldzuschiebung. Denn sie haben zwar eine schlechte Finanzpolitik, aber die weitaus besten PR-Apparate. Sie haben vor allem jedes Interesse, die Schuld auf andere zu schieben.

Denn in Wahrheit sind sie selber die Hauptursache der Finanzkrise:

Erstens verhalten sich viele andere Regierungen Europas fast ebenso verschwenderisch wie die griechische. Wenn auf jeden Österreicher rund 25.000 Euro an Staatsschulden entfallen und auf jeden Griechen 29.000, ist der Unterschied nur noch marginal . Daher fürchten sich die Regierungen davor, dass die Bürger bei einem Crash in Griechenland plötzlich erkennen könnten, welchen Rattenfängern sie selbst auf den Leim gegangen sind.

Zweitens sind längst die Notenbanken, insbesondere die EZB heute die größten Besitzer griechischer und anderer stinkender Staatspapiere, die sie bei einem Crash Athens sofort abschreiben müssten. Bei einer Entsorgung der Schulden auf dem Inflationsweg hingegen könnte man dann immer dem bösen Handel, den Benzinfirmen und irgendwelchen düsteren Spekulanten die Schuld an den rasch explodierenden Preisen geben.

Und drittens hätte eine Entwertung der griechischen Anleihen auch für die Anleihen aller anderen Länder sofort gewaltige Folgen: Deren Zinsen würden rapide in die Höhe schnallen. Denn damit wäre über Nacht die Fiktion beendet, dass Staatspapiere risikolos und sicher seien. Damit müsste auch die absurde Fiktion der diversen Basel-Abkommen ein Ende finden, dass eine Bank kein oder fast kein Eigenkapital als Sicherstellung bunkern muss, wenn sie einem Staat Geld borgt. Dann wüsste das nicht nur Andreas Treichl, sondern auch jeder andere Geldverleiher, bei dem ein Finanzminister anklopfen sollte.

Mit anderen Worten: Die tollen Feuerlöscher des Finanzbrandes sind selbst die ärgsten Brandstifter gewesen.

Ihnen steht aber eine über ökonomische Grundzusammenhänge total ahnungslose Öffentlichkeit gegenüber. Um nur ein aktuelles Beispiel dafür zu nennen: Ein Moderator der ORF-Zeit-im-Bild erklärte uns dieser Tage die Lage in Portgual, das mitten in seiner eigenen Schuldenkrise wählte, so: „Die Konservativen wollen sparen, aber dann gibt’s kein Geld.“ Na, wenn das so ist: Dann sparen wir nicht, dann geben wir das Geld halt – weiterhin –  wie Heu aus und haben immer genug davon. Warum fragen die nicht den ORF?

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Im Zeichen der Krise

06. Juni 2011 18:39 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Am 26. Mai startete im südwesttürkischen Bodrum die sechste Konferenz der von Hans-Hermann Hoppe gegründeten Gesellschaft „Property and Freedom Society“. Wie auch in den vergangenen Jahren wurden prominente Wissenschafter und Autoren des libertären Lagers aufgeboten, deren am ersten Tag der Veranstaltung gehaltene Vorträge den aktuellen Problemen des Weltwirtschafts- und Finanzsystems gewidmet waren.

Hoppe stellte sein Eröffnungsreferat als Gastgeber unter den Titel "Politik, Geld und Bankwesen – alles was Sie wissen müssen in 30 Minuten". Er begann mit der Definition des Staates, der sich einerseits als „monopolistischer Rechtssetzer innerhalb eines gegebenen Territoriums mit dem Privileg, Steuern zu erheben“ darstellt und andererseits als „Letztentscheider in Streitfällen – auch in solchen, in die er selbst verwickelt ist.“

Diese einzigartige Stellung des Staates im Verhältnis zum Bürger führt notwendigerweise auch zu Konsequenzen für das Geld- und Bankenwesen. Die Möglichkeit des Staates, seine Kompetenzen durch Zugriff auf das Eigentum der Bürger nahezu unbegrenzt zu erweitern (erkennbar u. a. an einer permanent wachsenden Steuer- und Staatsquote) haben im Lauf der Zeit durch eine Reihe geldpolitisch folgenschwerer Maßnahmen zugenommen.

Die Maximierung der Staatseinnahmen findet ihre Grenzen in mit steigenden Tarifen zunehmenden Steuerwiderständen (Stichwort: Laffer-Kurve). Ab Überschreitung einer bestimmten Höhe der Abgabenlast erodieren die Staatseinnahmen – als Folge von Steuerflucht und -Hinterziehung oder einfach bedingt durch eine Produktionseinschränkung durch die Steuerpflichtigen. Der Staat weicht daher zunächst auf das Mittel der Verschuldung aus und bedient sich hierfür der Geschäftsbanken.

Dies führt naturgemäß zu seiner Abhängigkeit von diesen Geldgebern und limitiert weiterhin seinen finanziellen Spielraum. Dieser wird zunächst durch das den Geschäftsbanken gewährte Privileg zur Teilreservehaltung ausgeweitet (die vorhandene Geldmenge kann dadurch, bedingt durch die damit verbundene Möglichkeit zur massiv erweiterten Kreditvergabe – abhängig von der vorgeschriebenen Mindestreserve – willkürlich ausgeweitet werden).

Schließlich entledigt sich der Staat seiner Abhängigkeit von den Geschäftsbanken durch die Schaffung einer staatlich beherrschten, mit dem Privileg zur (Papier-) Geldproduktion ausgestatteten Notenbank als „ultimativer Kreditgeber“. Den vorerst letzten Schritt bildet die Lösung des (Papier-)Geldes von jeglicher Warenbasis („Deckung“), sowie die Einführung von Zahlkraftgesetzen, die inhärent wertloses Papier zum alleinig zulässigen Zahlungsmittel erklären.

Dieser letzte Schritt wäre in einem System konkurrierender Währungsanbieter völlig undenkbar, da jedermann werthaltiges Geld dem wertlosen vorzöge und die Annahme des letzteren verweigerte. Das Währungsmonopol des Staates – verbunden mit der weidlich genutzten Möglichkeit, die Geldmenge hemmungslos zu erhöhen – führt zur sukzessiven Enteignung der Bürger durch den Staat.

Grund dafür ist der Cantillon-Effekt (benannt nach dem Ökonomen Richard Cantillon), der die Geldschöpfung zum Umverteilungsvehikel macht. Die staatlich gesteuerte Inflationierung der Währung hat den Effekt einer unsichtbaren Steuer.

Nutznießer sind der Staat, dessen Büttel und das Bankensystem; Geschädigte alle übrigen – insbesondere die Bezieher fester Einkommen, die mit der sinkenden Kaufkraft ihrer Barschaft konfrontiert sind. Die beiden (gleichermaßen kriminellen) staatlich initiierten Methoden

haben unterschiedliche Konsequenzen. Letztere sind die langfristig gefährlicheren, da sie maßgeblich für die Ausbildung von Konjunkturzyklen verantwortlich sind. Durch die Schaffung der Illusion von real vorhandenen Mitteln (Ersparnissen) wird eine künstliche Konjunktur erzeugt, die nach Offenbarwerden der mangelnden Finanzierungsbasis in Form einer Rezession korrigiert wird.

Hoppe benutzt ein Robinson-und-Freitag-Gleichnis zur anschaulichen Illustration des Geschehens: Robinson gewährt Freitag in Form von Fischen, die er selbst nicht konsumiert, ein Darlehen. Dieses versetzt den Debitor in die Lage, einige Tage nicht der Nahrungsbeschaffung widmen zu müssen, sondern für die Produktion eines Netzes einzusetzen. Danach ist er mit dessen Hilfe imstande, sowohl das Darlehen nebst Zinsen an Robinson zurückzuzahlen, als auch seine eigene Produktion zu erhöhen.

Der für beide Seiten entstandene Nutzen ist offensichtlich. Erhält Freitag – mangels ersparter Fische – anstelle derselben lediglich einen Zettel mit der Aufschrift „Fische“, wird der Unsinn dieser Aktion augenblicklich klar. Freitag kann sein „Projekt Netzbau“ unter diesen Umständen nicht umsetzen, da Robinson in Wahrheit über keine Ersparnisse an Fischen verfügt.

In großen, komplexen Ökonomien unterscheiden sich die Zusammenhänge zwar keineswegs grundsätzlich von den oben beschriebenen, die in einer einfachen Tauschwirtschaft herrschen, sie sind aber keineswegs so offensichtlich und daher für die breite Masse nicht zu durchschauen. Indessen führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass die Produktion von Papiergeld bei unverändert bleibendem Kapitalstock unter keinen Umständen zu einer Erhöhung des Wohlstands, sondern lediglich zu einer Preisinflation und zu einer von der Produktion losgelösten Umverteilung von unten nach oben führt.

Das folgende, vom in Breslau Volkswirtschaft lehrenden Mateusz Machaj gehaltene Referat trug den Titel "Wie man die Zentralbank kritisiert" und widmete sich den Angriffspunkten zur Kritik an der Funktion von Zentralbanken. Demnach lassen sich zwei Ansätze unterscheiden:

Einmal einen grundsätzlichen:

und zum anderen einen funktionalen:

Der erste Ansatz ist jener der Austrian Economy. Ein Zentralbanksystem entspricht einer zentral geplanten, sozialistischen Wirtschaftsordnung. Machaj spricht in diesem Zusammenhang von einer „Schumpeterisierung der Kapitalmärkte“. Auf diesem kommt es zu einer Verdrängung privater Geldhalter durch den staatlichen Geldproduzenten. Stark verkürzt zusammengefaßt: Die Probleme des Sozialismus folgten aus der verstaatlichten Kontrolle der Produktionsmittel. Die Probleme unserer Tage folgen aus der verstaatlichten Produktion und Kontrolle des Geldes.

Der zweite Ansatz der Kritik ist fokussiert auf die Zinspolitik der Zentralbank. Wurde die „Taylor-Rule“ korrekt angewendet (z. B. die Zinsen entsprechend den politischen Zielvorgaben gesetzt) oder nicht? Das Problem besteht hierbei in konkurrierenden Zielvorgaben (Preisstabilität vs. Vollbeschäftigung) einerseits und in der Treffsicherheit der ergriffenen geldpolitischen Entscheidungen andererseits. Wie die aktuelle Krise zeigt, liegen die Probleme häufig zu tief, als dass sie durch monetäre Maßnahmen behoben werden könnten.

Das von Philipp Bagus, Ökonom an der Universität Madrid, gehaltene Referat trug den Titel "Die (US-Notenbank) FED und die EZB: Banksterism im Vergleich."

Die Organisation, wie auch das den beiden Zentralbanken zur Verfügung stehende Instrumentarium unterscheiden sich nur unwesentlich. Auf beiden Seiten des Atlantiks erfolgt die Geldschöpfung in einem Zusammenspiel von Staat, Noten- und Geschäftsbanken. Die Geschäftsbanken kaufen vom Staat begebene Anleihen an und deponieren diese gegen zu verzinsendes Bargeld bei der Zentralbank. Die Zentralbank führt die entstehenden Überschüsse an den Staat ab.

Das Maß für den Vergleich des inflationistischen Treibens der Zentralbanken bildet die Geldmengenentwicklung. Dabei schneidet die FED noch schlechter ab als die EZB. Die Ausweitung des Defizits in den USA verlief seit Ausbruch der Finanzkrise deutlich dramatischer als in der Eurozone. Während sich die Staatsschuld in den USA nahezu vervierfachte (auf 2,7 Billionen Dollar), stieg diese im Euroraum „nur“ von 1,3 auf 1,9 Billionen.

Die von der EZB vorgenommene, direkte Monetisierung belief sich auf ein Zehntel des Wertes der FED. Die inhärent stärker inflationistische Politik der FED ist an den Zinssätzen abzulesen: Die EZB hält bei derzeit 1,25 Prozent, während die FED faktisch bei Null liegt. Das darf insofern nicht verwundern, als der Chef des FED-Systems, Bernanke, absolut davon überzeugt ist, dass die „Große Depression“ im Gefolge des 1929er-Börsenkrachs durch eine falsche – aus seiner Sicht nämlich zu wenig inflationistische – Geldpolitik ausgelöst wurde.

Die Unterschiede zwischen EZB und FED sind gradueller, nicht aber grundsätzlicher Natur. Die gegenwärtige Eurokrise ist das Ergebnis eines Streits zwischen den unter das Joch einer gemeinsamen Währung gespannten, nationalen Regierungen um die „Verteilung der Beute“.

Fazit: Ben Bernanke gewinnt das Rennen um den Titel des schlimmsten Banksters klar vor Jean-Claude Trichet …

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Bürgerliche Trauer um die gedemütigten Sozialisten

05. Juni 2011 22:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wird es in Europa bald gar keine Sozialisten als Regierungschefs geben – bis auf ein kleines Dorf hinter den sieben Bergen namens Österreich? Darauf deutet nach dem Sonntag viel hin. Aber es ist in Wahrheit alles andere als ein Grund zur Freude für Nichtsozialisten.

In Portugal wurden am Sonntag die Sozialisten mit Donner und Krach abgewählt. Und in Slowenien erlitt die Linksregierung bei mehreren Referenden eine so schwere Niederlage, dass dort jetzt Neuwahlen unvermeidlich erscheinen.

Aber warum soll das für bürgerliche Menschen kein Grund der Freude sein? Die Antwort ist einfach: Die Sozialisten haben in beiden Ländern – wie auch schon anderswo – Niederlagen erlitten, weil sie endlich einige Schritte Richtung Vernunft gehen wollten. In Slowenien etwa ging die wichtigste, von den Gewerkschaften erzwungene Referendumsfrage um eine Hinaufsetzung des Pensionsalters. Diese wird von den Gewerkschaften – die das eigentliche Erzübel der europäischen Gesellschaft geworden sind – strikt abgelehnt. Ähnlich ist auch in Portugal die Linksregierung an der Ablehnung von Sparmaßnahmen gescheitert.

Dieses Nein zu rettenden Maßnahmen aber ist eine echte Katastrophe. Wenn die Menschen nicht einmal so relativ schmerzarme Maßnahmen wie eine Hinaufsetzung des Pensionsalters akzeptieren, dann steuert ganz Europa dem Abgrund zu. Wenn Mäßigung und Vernunft erst unter dem Kuratel des Internationalen Währungsfonds eine Chance bekommen, dann führen Europas Bürger auch die Demokratie ad absurdum.

Hauptschuldige Totengräber der Demokratie wie auch unserer Chance auf künftigen Wohlstand sind die Gewerkschaften – und all jene Journalisten, die den dumpfen Massenprotesten zwischen Athen und Madrid zujubeln, obwohl die ins absolute Nichts führen. Alle Politiker als Diebe zu beschimpfen ist zwar vielleicht eine gute Psychotherapie, aber keine politische Alternative. Zu allem nur Nein zu sagen und nur immer weiter Schulden machen wollen, ist es schon gar nicht.

Und dass die österreichische Gewerkschaft um keinen Deut besser ist, sondern genauso verantwortungslos wie die ausländischen Kollegen, hat deren Chef am Sonntag im Fernsehen wieder des Langen und Breiten darlegen können. Wenn der ÖGB-Chef an Steuererhöhungen denkt, gerät er in Exstase wie Nachbars Hund beim Anblick einer Stelze.

 

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Wie lange kann sich Österreich die Leistungsfeindlichkeit noch leisten?

04. Juni 2011 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manches Mal sind es nur kleine Notizen, die nachdenklich machen, wie etwa diese in einer Schweizer Zeitung: Die fünf Prozent ärmsten Schweizer sind noch immer besser gestellt als die fünf Prozent reichsten Inder – trotz des indischen Wirtschaftsbooms. Das wird für die ärmsten Österreicher angesichts des hier noch viel stärkeren Wohlfahrtssystems nicht viel anders sein.

Solche Meldungen veranlassen Ideologen dazu, nach einer globalen Umverteilung zu rufen. Dagegen würden sich aber 90 Prozent der Schweizer (wie der Österreicher) heftig wehren. Das macht überdies in Summe nur alle ärmer, wie die Geschichte zeigt. Viel wichtiger ist es nachzudenken: Was sind eigentlich die Wurzeln des mitteleuropäischen Wohlstands? Und wird er sich – mit oder ohne Vorsprung gegenüber anderen – halten lassen?

Mit Bodenschätzen, Kolonialismus oder ererbtem Reichtum lässt sich da gar nichts erklären. Die Schweiz ist eines der bodenschatzärmsten Länder der Welt; sie hatte noch weniger Kolonien als Österreich; und dieses war 1945 das ärmste Land Europas – ärmer als manche Länder, die sich heute in der Schublade „Dritte Welt“ finden.

Auch genetische Erklärungen helfen nicht weiter. Denn breite Studien aus den USA zeigen, dass die Asiaten (dort vor allem Vietnamesen und Chinesen) sowohl bei Intelligenztests wie auch an den Unis weit besser abschneiden als die Weißen.

Die einzige valide Erklärung für den sich nicht nur im Konsum, sondern auch bei Lebenserwartung und Kultur auswirkenden Wohlstand ist das europäische Wertesystem. Dessen Basis lautet: Freiheit und Leistung im Rahmen einer liberalen Rechtsordnung.

Freiheit und Leistungsbereitschaft wurzeln in Europas kollektiven Erfahrungen wie auch im Christentum, auch wenn sich manche Theologen schwer damit tun. Das Rechtssystem wiederum ist ein Erbe der alten Römer. Insofern ist die Basis der heute stabilsten, friedlichsten, gesündesten und wohlhabendsten Gesellschaften der Menschheitsgeschichte also schon auf eine Erbschaft zurückzuführen, jedoch auf eine immaterielle.

Die große Frage ist heute freilich: Sind wir uns noch immer dieses Fundaments bewusst? Ist den Europäern klar, dass Freiheit, Leistung und Rechtsstaat ständig verteidigt und neu erkämpft werden müssen? Ich fürchte: Nein.

Der Wert der Freiheit – von der Meinungs- bis zur Erwerbsfreiheit – war für die Europäer nach den beiden mörderischen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts offenkundig. Jedoch sind heute die allermeisten dahingestorben, die noch eine eigene Erfahrung mit diesen Systemen hatten. Eine der Folgen: Die Freiheit wird immer mehr durch Regeln und Gesetze, aber auch die einengende Herrschaft einer Politischen Korrektheit reduziert.

Noch rascher schwindet das Bewusstsein der Notwendigkeit von Leistung. Jahrzehntelange Gehirnwäsche hat uns suggeriert: Wir müssten nur die Partei X wählen, dann verdienen wir mehr, dann gehen wir immer früher in Pension, dann gibt es immer mehr gratis. Jahrzehntelang hat der öffentlich-rechtliche(!) Rundfunk nach derselben Masche Witzchen gemacht: „Furchtbar, heute ist Montag! Wann kommt endlich das Wochenende?“

Der Traum von der Leistungslosigkeit schlägt sich auch in harten Daten nieder: 1970 dauerte ein durchschnittliches Arbeitsleben 42 Jahre, heute nur noch 35 Jahre – trotz der um rund ein Jahrzehnt gestiegenen Lebenserwartung. 1970 betrug die Staatsverschuldung 12 Prozent des (damals noch dazu viel niedrigeren) Bruttoinlandsprodukts, heute liegt sie über 70 Prozent. Wobei die steil gestiegenen Pensionszusagen, für die nichts zurückgelegt worden ist, noch gar nicht einberechnet sind.

Nur ein immer kleiner werdender Teil der Bürger trägt noch die Leistungsanstrengungen. Der Rest ruht sich im morschen Wohlfahrtsstaat auf welken Lorbeeren einer verblichenen Vergangenheit aus. Das erinnert lebhaft an die Griechen, die seit mehr als 2000 Jahre nur von der Erinnerung an ihre große Vergangenheit leben. Mehr schlecht als recht.

Inder, Chinesen, Vietnamesen, Koreaner, Thais wollen hingegen das Match der Zukunft gewinnen, und zwar durch eine unglaubliche Leistungsorientierung. In ihren Schulen wird gebüffelt und gestrebert, dass sich die Balken biegen. Wettbewerb und beinharte Auslese regieren vom Kindergarten bis zum Berufsende. Arbeitszeitregelungen, Umweltschutz, Pensionssystem, Urlaubsansprüche, Gesundheitsversorgung: Überall stößt man in Asien auf eine total andere Welt.

Manche Leser werden jetzt denken: Will der Autor bei uns asiatische Verhältnisse haben? Natürlich will er das nicht. Es gibt aber keine angenehme Alternative zu einer starken Wiederbelebung des dahinsterbenden Leistungsprinzips. Wer glaubt, aus lauter Mitleid mit den wenig gewordenen Kindern (auch deren Zeugung gilt ja schon vielen als unzumutbare Mühe) und aus Angst vor den Wählern den Österreichern Anstrengungen und Wettbewerb ersparen zu können, der begeht in Wahrheit ein historisches Verbrechen. Nur über das Leistungsprinzip auf allen Feldern vom Beruf bis zum Sozialsystem können wir – zusammen mit Freiheit und Recht – unsere Zukunft sichern.

Die Geschichte ist erbarmungslos: Sie ist nämlich voll von untergegangenen, verarmten oder marginalisierten Kulturen.

(Dieser Text erscheint in ähnlicher Form auch in den ÖPU-Nachrichten der Österreichischen Professoren-Union.)

 

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Andreas Treichl und Basel III oder: Hans Sachs hat vergeblich gesungen

03. Juni 2011 12:49 | Autor: Harald Rassl
Rubrik: Gastkommentar

Am 13. Mai 2011 ist Andreas Treichl der Kragen geplatzt. Und die Mehrheit der Menschen, sowohl in der Wirtschaft als auch insgesamt in der Öffentlichkeit, gab ihm recht, selbst wenn nicht jeder seine Wortwahl gutheißen mochte. Treichl selbst meinte, er habe es zumindest geschafft, die Diskussion über die im Gange befindliche, nach derzeitigem Stand nicht zielführende Änderung des Bankaufsichtsrechtes anzustoßen.

Nach wenigen Tagen ist es allerdings schon wieder ganz still um das Thema geworden. Gerade den Politikern – vom Gewerkschaftspräsidenten, der sich für einen Auftritt im Hörfunk wohl über „Basel III“ informiert, aber offenhörbar nicht wirklich verstanden hat, worum es geht, angefangen – bis zum Wirtschaftsminister, der das sehr wohl tut, aber das Problem eben auch lieber nicht angreifen will, ist es gelungen, die Diskussion abzuwürgen.

Zugegeben: Das Thema ist kein einfaches, und es betrifft – allerdings nur scheinbar – den sogenannten Mann von der Strasse nicht, sondern ja ohnehin „nur“ die bösen Banken. Hier wäre es schon eine erste Aufgabe der Politik, den Männern und Frauen auf der Strasse klarzumachen, dass sie alle Kunden von Banken sind und unter unsinnigen Behinderungen der Banken sehr wohl (mit-) zu leiden hätten.

Ja, womit könnte man Basel III allgemein verständlich vergleichen? Am ehesten mit einer Änderung der Verkehrsregeln: Eine Umsetzung von Basel III wäre so, als ob das Geschwindigkeitslimit im Ortsgebiet generell von 50 auf 30 km/h herabgesetzt, gleichzeitig aber die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 auf 180 km/h erhöht würde. Und überdies würde allen Autofahrern, die im Ortsgebiet langsamer als 25 km/h fahren oder, frustriert über diese unsinnigen Vorschriften, ihr Auto überhaupt stehen lassen, der Entzug des Führerscheines angedroht. Dazu käme, dass diese Regelungen nicht für alle Verkehrsteilnehmer gelten würden, sondern nur für die ortsansässigen: Autofahrer mit Kennzeichen aus dem Ausland müssten sich überhaupt an nichts von alledem halten. Und das alles sollte, was denn sonst, eine Erhöhung der Verkehrssicherheit mit sich bringen.

Beinahe hätte ich vergessen: Ein beliebtes Totschlagargument (auch der seriöseren) Diskutanten im Zusammenhang mit Basel (II und III) ist: Das wurde ja von Bankenexperten ausgearbeitet! Nur fast richtig: die Mitglieder des Basler Komitees (dem im Übrigen kein Österreicher angehört) sind keine Bank-, sondern Notenbank- Fachleute. Und das ist ein gewaltiger Unterschied, etwa so wie der zwischen Hans Sachs und Sixtus Beckmesser in Richard Wagners Meistersingern von Nürnberg. Letzterer weiß zwar sehr genau, wie es nicht sein soll, und er nimmt die Regeln (und sich selbst) sehr wichtig; bewiesen, dass er es auch, oder gar besser kann, hat er allerdings noch nie, und als er es dann doch versucht, gerät es zur peinlichen Lachnummer.

„Wahn, Wahn, überall Wahn“ singt Hans Sachs in seiner nächtlichen Werkstatt, und er hat recht. Der österreichische Hans Sachs vom Sitz der Ersten Bank am Graben 21 meinte es sinngemäß, und auch er hatte recht. Sachs mahnt später noch: Verachtet mir die Meister nicht! Und die Menschen hören dann doch auf ihn – in den Meistersingern. Im Österreich des Jahres 2011 ist man längst zur Tagesordnung übergegangen. Hans Sachs hat offenbar  – leider – vergeblich gesungen.

Harald Rassl, geboren 1943, lebt in Wien. Er war mehr als 35 Jahre in der Kreditwirtschaft tätig.

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SN-Kontroverse: Erbschaftssteuer einführen?

03. Juni 2011 00:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll zur Pflegefinanzierung eine Erbschaftssteuer eingeführt werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Erbschaftssteuer gegen Pflegeleid

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Erben ist eine feine Angelegenheit. In Österreich besonders fein, weil dafür keine Steuer zu entrichten ist. Erben ist am feinsten für Betuchte. Denn die Erbchancen sind sozial ungleich verteilt. Fast zwei Drittel der Bevölkerung haben nichts zu erben. Wer hat, dem aber wird gegeben: Vermögende und Besserverdienende erben mehr und häufiger; Arbeiter erben am seltensten. Die Streuung der Erbschaftssummen ist enorm. Einer hohen Zahl von geringfügigen Erbschaften steht eine niedrige Zahl an sehr hohen Erbschaften gegenüber.

Die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer sollte daher aus vielerlei Gründen angegangen werden. Vor allem wäre sie ein Schritt, um mehr Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen. Dies in einem Land, in dem die Besteuerung von Vermögen extrem niedrig, dafür aber die Abgaben und Steuern auf Arbeit hoch sind. Durch eine moderate und gestaffelte Erbschaftssteuer - es könnte eine Untergrenze für die Besteuerung eingeführt werden und der Steuersatz an die Größe der Erbschaft gebunden sein - können wichtige Aufgaben finanziert werden.

Auf der Hand liegt die Zweckbindung der Erbschaftssteuer zur Pflegefinanzierung. Deren Kosten werden sich laut OECD in den Industrieländern bis 2050 verdoppeln. Bis 2014 ist die Finanzierung der Pflege über den Pflegefonds zwar halbwegs gesichert; danach weiß aber niemand, wie es weitergeht. Das geltende Pflegesystem ist außerdem entwürdigend. Derzeit müsse ein Pflegebedürftiger zum Sozialfall werden, bevor er Unterstützung erhalte, wird der Wiener Caritas-Direktor Michael Landau nicht müde zu kritisieren. Damit muss Schluss sein. Denn im Gegensatz zum Erben ist das Risiko ein Pflegefall zu werden in allen Bevölkerungsgruppen ziemlich gleich verteilt. Eine moderate Erbschaftssteuer könnte viel Pflegeleid mildern


Ein trickreicher Raubzug

Andreas Unterberger

 Es ist immer der gleiche Trick der Sozialdemokraten. Wenn ihnen in ihrer manischen Ausgabenwut wieder das Geld ausgeht, dann wird halt etwas Notwendiges als Begründung vorgeschoben: Gesundheit, Bildung oder Pflege. Verschwiegen wird bei diesen Raubzügen, dass dieser Staat den Bürgern ja jetzt schon 44 Prozent all ihrer Einkünfte abknöpft. Das ist weit mehr als im EU- oder Euroraum-Schnitt oder in Deutschland, wo die Abgabenquote zuletzt bei 40 bis 41 Prozent gelegen ist.

Gewiss: Pflege wird angesichts der Überalterung ein wachsendes Problem. Es gab aber keinen objektiven Grund außer billigem Populismus, dass der Angehörigenregress abgeschafft wurde - also die finanzielle Mithaftung der (oft schon heimlich mit den Sparbüchern bedienten) Kinder für die pflegebedürftigen Eltern. Es gab auch keinen objektiven Grund, dass diese Regierung jetzt über 90(!) ausgabenwirksame Projekte verkündet hat, aber kein einziges zur Einsparung. Obwohl in Zeiten der plötzlichen Hochkonjunktur ein Budgetüberschuss dringend am Platz wäre.

Und schon gar keinen Grund gibt es dafür, dass die Österreicher mit 58 Jahren um vier Jahre früher in Pension gehen als etwa die von der SPÖ immer als Vorbild gerühmten Schweden. Das kommt viel teurer als die Pflegekosten. Da die SPÖ aber weiter mit dem Arbeiterkammer-Schmäh bremst, dass die armen Österreicher (im besten und teuersten Gesundheitssystem!) halt zu krank und ausgelaugt wären, um noch arbeiten zu können, zeigt das erneut, wie recht Andreas Treichl mit seinen Adjektiven über die Politik hat.

Vermögens- und Erbschaftssteuern sind eine besonders dumme Idee. Bei aller ideologischen Verblendung sollte man nämlich wissen: Man trifft damit entweder die kleinen Häuslbauer und Lebensversicherungs-Sparer - oder gar niemanden. Denn die großen Vermögen sind schneller aus Österreich draußen, als das Gesetz gedruckt ist.

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Drogen für die Party

02. Juni 2011 00:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manches Mal traut man seinen Augen nicht: Da fordert Stephan Schulmeister vom Wirtschaftsforschungsinstitut doch tatsächlich eine Fortsetzung der Niedrigzinspolitik. Das ist wohl ein schlagender Beweis dafür, dass viele Mensch nicht lernfähig sind, und sogenannte Experten schon gar nicht. Zumindest wenn sie die wirkliche Welt ignorieren.

Denn längst ist klar, dass keine andere Ursache der jüngsten Wirtschaftskrise folgenstärker war als eben die Niedrigzinspolitik der amerikanischen Fed. Ohne deren niedrige Zinsen hätte es niemals diese Fülle leichtfertiger Verschuldungen quer durch das Finanzsystem – und noch mehr quer durch die Staatenwelt geben können. Sogar die Begründung war damals die gleiche wie heute bei Schulmeister: Durch niedrige Zinsen werden Kredite billiger, und das sei gut gegen Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit. In Wahrheit aber sind niedrige Zinsen so wirksam wie Schmerzmittel gegen einen eitrigen Zahn; diese sind zwar als Symptomkur beliebt, gleichzeitig wird der Krankheitsherd aber immer schlimmer.

Hundertfach hat die wirkliche Welt gezeigt: Am Schluss verursachen die infolge niedriger Zinsen angehäuften Schulden sowohl Wachstumsschwäche wie Arbeitslosigkeit wie Krisen. Und zwar alles in viel schlimmerem Ausmaß als bei Verzicht auf Symptomkuren.

Die Fed konnte sich in den Jahren vor 2008 noch zugute halten, dass damals die gemessene Inflation trotz enormer Geldschöpfung niedrig blieb. Man hat nur die Ursache der niedrigen Inflation übersehen: Ostasien überschwemmte die Verbrauchermärkte mit billigen Produkten, während die aufgeblähten Geldmittel überwiegend in Finanz-, Aktien- und in Immobilienblasen flossen. Deren späteres Platzen wurde dadurch unausweichlich. Heute haben wir nicht nur wild sich aufblähende Blasen (vom Gold bis zu den Immobilien), sondern auch schon monatlich munter zunehmende Inflationsraten. Die eigentlich zwingend zu Zinsenerhöhungen führen müssten.

Dennoch empfiehlt Schulmeister neuerlich Niedrigzinsen. Dabei muss er hoffen, dass sich niemand mehr an die Zeit vor der Krise erinnert. Damals hat nämlich derselbe Schulmeister die Europäer heftig getadelt, weil die Zinsen nicht ganz so niedrig waren wie in den USA.

Gewiss: Niedrige Zinsen können – genauso wie weitere Milliardenpakete für Griechenland – die gegenwärtige Überraschungs-Party noch ein paar Monate länger in Gang halten. Das Kopfweh und der Katzenjammer danach werden aber umso katastrophaler sein. Übrigens würden mit einer anderen, viel sinnvolleren Maßnahme die Kreditzinsen ebenfalls sinken: nämlich wenn Länder wie Deutschland oder Österreich, die derzeit in einem Zwischenhoch boomen, keine Schulden mehr machten, sondern Überschüsse erzielten. Was aber nicht der Fall ist.

Wer heute nach noch mehr billigem Geld ruft, der hat nur eines im Sinn: Er will weiteren Drogennachschub für die Party.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Alles schon einmal dagewesen - oder doch nicht

01. Juni 2011 01:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie sich die Bilder gleichen: Vor zwei Jahren hat sich eine kriselnde große Koalition auf ein umfangreiches Paket geeinigt und neuen Optimismus verkündet. Ähnliches geschah nun auf dem Semmering. Beide Male aber war das von den Schöpfern bejubelte Paket in Wahrheit teuer und total verfehlt. Der einzige Unterschied: Damals lag die SPÖ total am Boden (nicht zuletzt, weil die heutigen Faymann-Jubelmedien wie ORF und die drei Boulevard-Zeitungen Alfred Gusenbauer heruntergemacht haben - mit oder ohne Auftrag); heute liegt dort die ÖVP. So weit so offenkundig. Aber warum ist das Paket total verfehlt?

Dass die herbeigeredete Aufbruchsstimmung des Jahres 2008 nur wenige Monate später in Neuwahlen geendet hat, ist bekannt. Viel zu wenig bewusst sind sich die Österreicher hingegen des wirklich historischen Fehlers von Gusenbauer und Molterer. Was schade ist – denn dieser Fehler wird derzeit offenbar eins zu eins von Faymann-Spindelegger wiederholt.

Der Fehler auf den Punkt gebracht: Im Frühjahr 2008 herrscht noch die Abendsonne einer Hochkonjunktur; im Frühjahr 2011 herrscht ein plötzliches strahlendes Zwischenhoch am Konjunkturhimmel . Das sind die idealen Zeitpunkte, zu denen Staaten sparen sollten, um ein wenig Fett für die unweigerlich bald wieder kommenden mageren Jahre anzusetzen. Aber beide Male tut die Regierung so, als ob von nun an Österreich zum Schlaraffenland würde.

Aus Blödheit? Aus Feigheit? Das mag Andreas Treichl entscheiden. Tatsache ist, dass dieses Verhalten sowohl jedem gesunden Menschenverstand wie auch jedem ökonomischen Lehrbuch widerspricht (außer dem 50bändigen Arbeiterkammer-Werk „Fröhliches Schuldenmachen bis zum bitteren Ende“).

2011 ist diese Leichtfertigkeit aber noch schlimmer als damals. Beim letzten Mal hatten die Staatsschulden dank der eisernen (und von den Wählern nicht bedankten) Sparpolitik Schüssels und Grassers einen Tiefpunkt erzielt. Heute sind sie am absoluten historischen Höhepunkt.

Und da geht diese Regierung her und verkündet 90 (ausgeschrieben: neunzig) Punkte, die allesamt den Staatshaushalt Geld kosten und keinen einzigen Spar-Punkt, keine einzige kurz-, mittel- oder langfristige Strukturvereinfachung. Dass das jemand als Erfolg darstellen kann, hätte bis vor kurzem meine Vorstellungskraft überstiegen.

Natürlich sei es jedem gegönnt, der solcherart aus der Staatskasse bedient wird. Was aber nichts daran ändert, dass der Kurs ein völlig falscher ist.

Dass Faymann unter Politik nur populistisches Verschleudern gepumpten Geldes versteht, ist ja seit seiner furchtbaren Milliardenvernichtung vom 24. September 2008 allgemein bekannt. Und daher nicht weiter überraschend. Dass der neue ÖVP-Chef etwas für Kinder und Kirche herausschlägt, liegt auf ähnlicher Linie. Auch wenn Kinder ja noch irgendwie als Zukunftsinvestition zu verstehen sind. Auch wenn Spindelegger erkennen lässt, dass die Partei wenigstens wieder erkannt hat, wo ihre traditionelle Klientel eigentlich daheim ist (war). Dass es ihr wenig hilft – und dem Land schon gar nicht –, wenn ständig die Bauern bedient werden wie unter Pröll.

Trotzdem ist es erschütternd, dass die neue Finanzministerin keinen Hauch eines Widerstandes gegen die Ausgabenwut der neualten Regierung gezeigt hat. Maria Fekter scheint einem grundlegenden Missverständnis über die Aufgaben eines Finanzministers zu unterliegen. Die Bürger wollen in diesem Job nicht jemanden haben, der sich bemüht, nach harten Zeiten Everybody‘s Darling zu werden. Fekter hätte statt dessen wie eine Löwin für ein einziges Ziel kämpfen müssen: Nulldefizit sofort!

Denn wenn auf jeden Österreicher Schulden von 24.000 Euro entfallen, ist der Abstand zu den 29.000 auf den Schultern jedes Griechen nicht mehr allzu groß. Und die 15.000 Euro, die jeder Portugiese schuldet, kaum dass er die Welt erblickt hat, sind dagegen geradezu harmlos.

Aber die historisch unbeleckte Faymann-Truppe glaubt ja möglicherweise wirklich, die plötzlich sehr guten Wachstumszahlen blieben dauerhaft. Und die rasch wachsende Inflation, die Blasen im Immobilien- und im Rohstoffmarkt seien mit den üblichen Beschimpfungen der Wirtschaft (des Lebensmittelhandels, der Molkereien, der Benzinfirmen) wieder wegzukriegen, ohne dass sich auch der Absturz des Herbstes 2008 wiederholen würde.

Die Regierung übersieht dabei vor allem eines: Der jetzige Aufschwung hat einen einzigen Vater – das ist der erstaunliche Boom in Deutschland, von dem die wirtschaftlich eng verflochtene Alpenrepublik prima profitiert. Aber wenn man das übersieht, dann bekommt man auch nicht mit, dass die Deutschen soeben selber ein baldiges Ende des Booms beschlossen haben. Denn der totale Ausstieg aus der Kernenergie wird das Land (und seine Satrapen) mit absoluter Sicherheit in eine noch viel tiefere Krise stürzen, als sie im Herbst 2008 ausgebrochen ist.

Österreich sieht die geringe Belastbarkeit der Ursache des Aufschwungs nicht. Österreich macht ganz im Gegenteil den Unsinn mit. Und gibt daher Unsummen für die Wunschträume des (in SPÖ-Manier heftig inserierenden und daher nirgendwo kritisierten) Nikolaus Berlakovich aus. Dieser will nämlich gleichzeitig Österreich von importiertem Atomstrom unabhängig machen und die angeblich so gefährlichen CO2-Emissionen drastisch zurückfahren.

Das ist ohne eine schwere Wirtschaftskrise aber absolut unmöglich. Dennoch lächelt Berlakovich weiter das Lächeln des Ahnungslosen. In dieser Regierung gibt es nämlich niemanden, der von Volkswirtschaft eine marginale Ahnung hätte. Und dass die Voest künftig nur noch außerhalb Europas investieren will, braucht Berlakovich ja schon gar nicht zu stören. Die Voest steht nämlich nicht im Burgenland.

Zur Lösung dieser Absurdität kann man es sich auch so einfach machen wie die „Presse“, die einfach eine Greenpeace(!)-Graphik auf die Seite 1 druckt. Diese Graphik zeigt einen dramatisch zurückgehenden Energieverbrauch für die nächsten Jahre. Womit  das Dilemma der Energieknappheit spielend gelöst ist, zumindest auf dem Papier. Womit auch tollkühn ignoriert wird, dass in der Ökonomie keine Korrelation so eng und so gut bewiesen ist wie jene zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch. Oder ist es ohnedies der Zweck der Übung, dass ganz Europa durch diese Maßnahmen in eine bittere Depression hineingetrieben werden soll?

 

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Europa ohne Strom

31. Mai 2011 01:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die japanische Atomkatastrophe verändert Europas Zukunft mindestens genauso, wie es die Finanzkatastrophen einiger südeuropäischer Länder tun. Viele Deutsche und Österreicher freuen sich, dass als Folge der japanischen Katastrophe der Atomkraft offenbar keine Zukunft mehr bevorsteht. Deutschland hat schon acht Kraftwerke abgestellt. Und auch die nüchternen Schweizer wollen keine neuen AKW mehr bauen. Freilich werden die vorhandenen dort noch ein paar Jahrzehnte bespielt und der Nicht-Neu-Bauen-Wollen-Beschluss kann jederzeit revidiert werden, wie es etwa schon die Schweden einmal getan haben.

Die Freude über die Anti-Atom-Stimmung ist durchaus nachvollziehbar, auch wenn in Japan bisher trotz Tausender medialer Schreckensberichte kein einziges Todesopfer als Folge atomarer Strahlung bekannt geworden ist. Aber ebenso muss man darauf hinweisen, dass der Schaden in Japan doch deutlich größer ist als anfangs angenommen/befürchtet/erhofft.

Nukleare Strahlung ist etwas langfristig Unheimliches, und daher fürchten sich viele Menschen nachvollziehbarerweise vor ihr viel mehr als vor sonstigen Bedrohungen. Allerdings ist es Tatsache, dass andere Bedrohungen deutlich mehr Todesopfer gefordert haben als alle atomaren Schreckensszenarien. Und sie tun es täglich weiter: vom Straßenverkehr bis zu den vermeidbaren Krankheiten. Dennoch werden diese Bedrohungen von vielen Menschen nonchalant ignoriert, wie sie täglich durch ihren Lebensstil beweisen. Ebenso ignorieren sie die großen Opferzahlen anderer Methoden der Stromerzeugung.

Aber in demokratischen Gesellschaften sind natürlich die Ängste der Bürger ein relevantes Faktum. Und zwar unabhängig davon, ob sie von bestimmten Feinden der europäischen Gesellschaftsform aus ideologischen Gründen geschürt werden oder ob die Ängste objektiv in dieser Dimension berechtigt sind. Im deutschen Sprachraum ist die Atomangst jedenfalls Tatsache, auch wenn man sich anderswo über die „deutsche Angst“ lustig macht, die bezeichnenderweise für Engländer und Amerikaner ein deutsches Fremdwort geworden ist.

Diese Angst muss zweifellos auch die EU berücksichtigen, etwa bei ihren neuen AKW-Stresstests. Sie hat nun beschlossen, dass bei den Tests auch die Folgen eines Flugzeugabsturzes einzukalkulieren sind. Skurril bleibt freilich, dass ein ebensolcher Flugzeugabsturz auf eine der vielen großen Staumauern von Wasserkraftwerken in keinem europäischen Stress-Test erfasst wird. Dabei hätte ein dadurch ausgelöster Staumauer-Bruch ebenfalls verheerende Folgen.

Unabhängig davon kann man den europäischen – und zuletzt insbesondere den deutschen – Verantwortlichen einen großen Vorwurf nicht ersparen: Niemand macht die Menschen auf die gewaltigen Kosten und Risiken der neuen Atom- und Energiepolitik aufmerksam. Eines dieser Risiken ist die seit der deutschen Reaktor-Stilllegung stark gestiegene Gefahr großflächiger und langdauernder Stromausfälle. Dieser Gefahr steht in schizophrenem Gegensatz zu den zuletzt so beliebten Träumen von stromgetriebenen Autos.

Die Stromknappheit wird wohl erst im Winter wirklich spürbar werden. Bei den Preisen tut sie das schon jetzt. Die Stromverteuerungen, die vor allem wegen der kostspieligen Förderung von Windkraftwerken, von Bioenergie- und Solaranlagen entstanden sind,  haben bereits in den vergangenen Jahren deutlich mehr ausgemacht als die durchschnittlichen Pensionserhöhungen (von jenen Pensionisten, die ohnedies keine Erhöhungen mehr bekommen, sei hier gar nicht geredet). Und sie werden im kommenden Jahr noch viel schlimmer sein, wenn sich die Reaktorschließungen europaweit auswirken werden. Strom wird ja überwiegend mit langfristigen Terminverträgen verkauft.

Noch viel drastischer als auf die Konsumenten wirken sich die Stromverteuerungen auf die Arbeitsplätze aus. So haben spanische Ökonomen einen engen Zusammenhang zwischen der in Spanien besonders intensiven und teuren Alternativ-Förderung und der dortigen Arbeitslosigkeit mit Europarekord-Dimensionen nachgewiesen.

Aber das ist noch harmlos gegen das, was Europas Wirtschaft künftig bevorsteht. So hat Voest-Chef Eder schon angekündigt, dass die Stahlindustrie nur noch außerhalb Europas investieren wird. Und Klaus Kleinfeld, der Chef des globalen Aluminium-Konzerns Alcoa, hat angesichts der Stilllegung der Hälfte der deutschen Atomkraftwerke erklärt, dass der Konzern keine neuen Produktionsstätten in Deutschland aufbauen werde. „Die Industrie wird nur dahin gehen, wo sie verlässliche Rahmenbedingungen vorfindet.“

Ohne Industrie aber verarmt Europa dramatisch. Darüber können keine grünen Träume hinwegtäuschen.

Natürlich kann sich Europa, können sich europäische Staaten für diesen Weg entscheiden, wenn ihn die Mehrheit so will. Aber eines kann man von den politischen Führungen schon verlangen: Sie sollten den Menschen auch mit völliger Klarheit die Konsequenzen klarmachen. Es gibt in der Wirtschaftspolitik genausowenig wie anderswo irgendeinen Vorteil zum Nulltarif (also etwa die Befreiung von der Sorge vor Atomunfällen oder gar von der mythischen Gefahr einer angeblich vom Menschen ausgelösten globalen Erwärmung). There is no free lunch, heißt es in der pointierenden englischen Sprache.

Vorbereiten müsste man in einer fairen Information die Menschen auch auf die sonstigen Folgen von langanhaltenden Stromausfällen, bei denen auch keine Generatoren mehr helfen. Solche langen Ausfälle sind etwa für Tausende Patienten in Intensivstationen lebensbedrohend oder für die noch größere Zahl jener, deren Leben von regelmäßigen Dialysen abhängt. Die Bevölkerung kann bei einem Ausfall des Stroms weder über Fernsehen und Radio noch über Telefon und Internet informiert werden.

In die Analyse der Folgen von Stromausfällen gehört genauso die Versorgung mit Trinkwasser, die ohne Pumpen und Aufbereitungsanlagen vielerorts nicht funktionieren kann. Kläranlagen sind so wie Verkehrsampeln von elektrischer Energieversorgung abhängig. In den stromlosen Kühlanlagen der Supermärkte würden die Lebensmittel verfaulen. Und auch die Gewächshäuser brauchen Strom für die Durchlüftung.

Gewiss: Der atomare Kollaps in Japan ist eine Katastrophe. Man ist aber deswegen noch kein bezahlter Atomlobbyist, wenn man sich noch mehr vor den Folgen eines Zusammenbruchs der europäischen Stromversorgung fürchtet. Denn wenn dieser einmal eintritt, können seine vielen Ursachen nicht mehr binnen weniger Wochen behoben werden. Und selbst die utopischsten Alternativ-Szenarien kalkulieren die flächendeckende Versorgung mit Windmühlen und Solarpaneelen in Jahrzehnten. Ganz abgesehen davon, dass diese in Wahrheit weder finanzierbar noch technisch möglich ist.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 202: Die Bio-Vergiftung und der Gesundheitsminister

30. Mai 2011 13:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Selbst im ORF-Radio kann man bisweilen, wenn auch von den Verantwortlichen unbeabsichtigt, Enthüllendes erfahren.

Da berühmten sich im Mittagsjournal der Gesundheitsminister und seine Beamten des Langen und Breiten ihres raschen Einschreitens gegen möglicherweise tödlich infizierte Bio-Produkte aus Spanien. Natürlich ohne dass es kritische Fragen von ORF-Seite gäbe, ist doch der Gesundheitsminister bei der richtigen Partei. Und dann erfährt man wenige Minuten später bei einer Reportage über die Montagfrüh vom Ministerium kontrollierten Lebensmittelhändler, dass diese schon in der Vorwoche(!) von ihren Großhändlern präzise Warninformationen bekommen (und angeblich reagiert) haben. Auch in Deutschland wurden schon vorige Woche alle entsprechenden Geschäfte von der Obrigkeit kontrolliert. Da hat bei uns wieder einmal ein Ministerium voll geschlafen – und darf sich im ORF auch noch beloben.

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Was ist der Euro in Urlaubsländern wert?

27. Mai 2011 15:38 | Autor: Andreas Unterberger

Wieviel Waren bzw. Dienstleistungen erhalte ich für 100€ im Vergleich zu Österreich

Land

Wert

Türkei 143
Ungarn 138
Kroatien 137
USA 122
Slowenien 120
Portugal 113
Großbritannien 108
Griechenland 107
Spanien 106
Deutschland 103
Frankreich 102
Italien 99
Kanada 94
Schweiz 66

Quelle: Bank Austria

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Eine Schuldengrenze als Universalrezept

26. Mai 2011 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es wird von manchen Experten als neues Geheimrezept gehandelt: Eine gesetzliche Schuldengrenze soll es dem Staat unmöglich machen, sich über diese Grenze hinaus zu verschulden. Das klingt absolut vernünftig. Das ist aber doch alles andere als ein Allheilmittel. Denn so wie der Gesetzgeber eine Schuldengrenze einführt, so kann er sie auch wieder außer Kraft setzen.

Das hat man in Deutschland gesehen, wo schon im Grundgesetz eine Schuldengrenze verankert war, die aber durch kreative Interpretation leicht überwunden wurde. Das sieht man jetzt auch in den Vereinigten Staaten. Dort gibt es ebenfalls eine Schuldengrenze – sie wird aber nun mit Sonderbeschlüssen überschritten.

Dennoch zeigt Amerika, dass eine Schuldengrenze schon gewisse Wirkung haben kann. Dies gilt aber nur dann, wenn im Parlament eine andere Partei als die des Präsidenten die Mehrheit hat und wenn diese Mehrheit gleichzeitig den Mut zu finanzieller Sparsamkeit hat. Im österreichischen und europäischen Parlament ist es ja umgekehrt: Da sind es fast immer die Parlamentarier, die sich als noch viel ausgabenfreudiger zeigen als die Exekutive.

Bei Erreichen der Schuldengrenze können Regierungen die Parlamente letztlich immer erpressen: Wenn es keine Erlaubnis für neue Kredite gibt, dann werden halt Spitäler zugesperrt, dann werden Polizei und Feuerwehr nicht ausfahren, dann werden Pensionen und Beamtengehälter nicht oder nicht voll ausbezahlt. Unter diesen Drohungen geben dann letztlich die Parlamente immer nach.

Vernünftiges Haushalten hätte in der Tat schon viel früher beginnen müssen. Eine Reduktion der Beamtenzahlen, ein Hinaufsetzen des Pensionsalters, eine Privatisierung von defizitären Staatsbetrieben: Das alles kann schon rein technisch nicht übers Wochenende passieren. Zu jenem Zeitpunkt, da solche Maßnahmen möglich gewesen wären, hat aber noch kein Leidensdruck geherrscht, der die Politik zum Handeln motivieren würde.

Letztlich reagieren Politiker wie jeder Mensch meist nur auf äußere Anreize. Und diese Anreize kommen in der Regel von den Märkten: von den Finanz- und von den Wählermärkten. Solange die Wähler jene Parteien nachfragen, die für besonders viele Staatsausgaben sind, wird die Politik weiter Schulden machen. Und solange die Finanzmärkte Staaten weiterhin finanzieren, kann die Politik weiter Schulden machen.

Freilich setzt die Politik auch selbst wieder falsche Anreize. Dies gilt etwa für die von Andreas Treichl dieser Tage zu Recht „rüde“ angesprochene Privilegierung der Staatsanleihen (für die nicht dieselben strengen Eigenkapitalregeln gelten wie für kommerzielle Anleihen). Dadurch werden die Banken verleitet, den Staaten zu großzügig Kredit einzuräumen. Dadurch werden die Staaten verleitet, zu großzügig billiges Geld auszugeben, um die Wähler zu befriedigen. Dadurch werden die Wähler verleitet . . .

Und so weiter – bis das Pyramidenspiel kollabiert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Tod den Spammern! Es lebe die Netzfreiheit!

25. Mai 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nichts wird im Internet lieber diskutiert als das Internet. So wie halt professionelle Kulturmenschen die Kultur für den Nabel der Welt halten, und Sportmenschen den Sport (trotz all seiner Ausgeburten von Wettbetrügereien bis zu gewalttätigen Rowdys). Daher ist natürlich auch der große Internet-Gipfel in Paris sofort ins Rampenlicht der Netz-Gemeinde geraten.

Dort trafen sich von Frankreichs Sarkozy bis zu Facebooks Zuckerberg viele illustre Namen. Und sie diskutierten etwas, was extrem notwendig und ebenso extrem gefährlich ist: eine bessere Regulierung des Internets.

Einig war man sich beim Pariser Treffen, dass jede Regulierung nur auf internationaler Ebene funktionieren könnte, weil das Netz das technisch am stärksten globalisierte Produkt der Welt ist. Total uneinig ist man sich hingegen weiterhin, ob und was man regulieren und kontrollieren darf. Denn einerseits ist das Internet so etwas wie ein letztes Refugium der Freiheit in einer von Sozialtechnokraten ständig immer noch mehr regulierten Welt. Auf der anderen Seite wird man als Internet-User häufiger Opfer krimineller Attacken als bei jeder anderen Tätigkeit. Denn wenn Hacker und Spammer ungestraft riesige Infrastrukturen oder das Ergebnis wochenlanger Arbeit lahmlegen – oder zumindest mit diesbezüglichen Versuchen gewaltige Kosten verursachen, dann ist das eindeutige Kriminalität. Diese kann man aber nur dann bekämpfen, wenn man ihre Spuren bis zum Computer der Untat nachverfolgen kann – der oft sehr weit weg in anderen Kontinenten steht.

Noch eine zweite weitverbreitete Form des Rechtsbruchs im Netz ist bedenklich: Der hemmungslose Diebstahl von geistigem Eigentum. Außerhalb des Internets ist es selbstverständlich, dass man zahlen muss und auch zahlt, wenn man ein Buch, eine DVD oder eine CD haben will, wenn man sich ein Gemälde an die Wand hängen oder eine Zeitung lesen will. Nur im Internet wird von der dortigen Community mit großem Selbstbewusstsein der Diebstahl als legitim angesehen.

Dort heißt es einfach: „Content is free“. So als ob der Wert der Zeitung im Papier und nicht in deren Inhalten läge. So als ob eine DVD nur einen Metallwert hätte. Jedoch: Wenn niemand mehr für die Aufnahme einer CD (oder eines späteren Downloads) bezahlt, dann wird halt auch nichts mehr aufgenommen werden. Genauso wie es keine Internet-Zeitungen mit Qualitätsanspruch mehr geben können, wenn niemand mehr dafür zahlt. Von den Werbeeinschaltungen – um eine verbreiteten Irrtum zu korrigieren – kann in Österreich niemand leben.

Auf der anderen Seite wissen wir um die Gefährlichkeit des Staates. Denn der ist in seinem seit Hegel ständig ausgebauten Machtanspruch krankhaft gierig geworden, alle unter seinen Bürgern kursierende Inhalte zu kontrollieren. Natürlich hat er seinen Machtanspruch zuerst geschickt mit dem Kampf gegen ein Übel zu legitimieren versucht,  das jeder abscheulich findet – außer ein paar deutschen Grünen und schwulen Aktivisten, nämlich mit der Kinderpornographie.

Dann hat man die Neonazis entdeckt, die irgendwo von Amerika aus eine Homepage mit wirrem Inhalt betreiben – der freilich ohne das aufgeregte Gegacker von Grünen und Polizisten in völliger Unbedeutendheit verdunstet wäre. Aber Kenner des modernen Staates mit seinen Allmacht-Allüren wissen natürlich, dass das nur die ersten beiden Schritte waren. Schon überziehen deutsche Anwälte österreichische Internet-Inhalte mit Klagen – selbst wenn diese Inhalte in Österreich gar nicht strafbar sind. Dennoch dringen jene Anwälte mit ihren Klagen durch, weil man ja den Inhalt auch in Deutschland lesen könne.

So wird es Schritt für Schritt enger. Man denke nur an die grüne Gier, mit roter Hilfe immer strengere Verhetzungsparagraphen und Gleichbehandlungszwänge durchzubringen, die bisher am Widerstand von Blau und Schwarz gescheitert sind.

Ich sehe hier vom linken Meinungsterror ausgehend eine Katastrophe auf uns zukommen, die mit jeder Faser zu bekämpfen ist. Und doch wäre ich heilfroh, wenn Hacker und Spammer von Pest und Cholera gleichzeitig dahingerafft würden. Ich hätte im Prinzip auch nichts dagegen, wenn da die Staaten ein wenig nachhelfen würden.

Nur: die Staaten werden das nicht schaffen, weil es nur global funktionieren kann. Und daher werden wir weiter mit Hackern und Spammern leben müssen. Und sogar auch mit den ebenso grauslichen Kinderpornographen.

Daher komme ich bei allem Zorn über Internet-Gesindel letztlich doch zu einem klaren Schluss: Hände weg vom Netz – vor allem von seinen Inhalten.

 

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Das Prinzip Hoffnung: Schuldenkrise aussitzen!

23. Mai 2011 19:34 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Irgendwie wird sich die Lage schon wieder einrenken – so scheinen viele mit der Bewältigung der europäischen Schuldenkrise befasste Politbürokraten zu glauben. Ein konsistenter Plan, der einen Zeithorizont von wenigen Monaten übersteigt, ist bei bestem Willen nicht zu erkennen. Bereits verbranntem Geld weiteres hinterher zu werfen und das Beste zu hoffen, geht klar am Kern des Problems vorbei.

Kein Überschuldungsproblem kann dadurch gelöst werden, dass man dem dubiosen Schuldner weitere Verbindlichkeiten aufhalst. Der dieser Tage häufig bemühte Begriff „Solidarität“ ist in diesem Zusammenhang daher unangebracht. Wer es mit einem Drogensüchtigen gut meint, wird ihm kein weiteres Kokain besorgen. Und strukturelle Probleme einer Volkswirtschaft können eben nicht monetär gelöst werden, wie viele Anhänger keynesianischer oder monetaristischer Wirtschaftstheorien nach wie vor behaupten.

Auch eine Volkswirtschaft kann, wie ein privater Haushalt oder ein Unternehmen, auf Dauer nicht bestehen, wenn sie laufend über ihre Verhältnisse lebt und beharrlich mehr ausgibt als sie einnimmt. An dieser Tatsache führen auch Steuerhoheit und Gewaltmonopol des Staates nicht vorbei. Selbst vom Konzept des nachfrageinduzierten Wachstums mittels Staatsverschuldung überzeugte Theoretiker kommen nicht um eine Antwort auf die Frage herum, woher die dafür erforderlichen Mittel kommen sollen, oder wem man sie – mit welcher Begründung – abzunehmen und wie und wann man sie zurückzuzahlen gedenkt.

Die Vorstellung, der Staat werde in wirtschaftlich guten Zeiten jene Schulden wieder abbauen, die er zur Kompensation des Nachfrageausfalls in der Krise aufgenommen hat (so die naive, reine Lehre von Maynard Keynes), erweist sich als eine durch die Geschichte widerlegte Illusion. Keine an ihrer Wiederwahl interessierte Regierung einer Massendemokratie mit allgemeinem Wahlrecht kann vor ihre Wähler treten und ungestraft ein striktes Sparprogramm ankündigen.

Die jahrzehntelange Pflege des gefährlichen Wahnbilds, der Staat könne – kostenlos – das Paradies auf Erden schaffen, macht es zum politischen Selbstmordkommando, das Unvermeidliche anzupacken. Die Streiks in Griechenland und in Spanien (dort steigt man eben wild entschlossen gegen die Jugendarbeitslosigkeit auf die Barrikaden) sind eindrucksvolle Belege für die weithin herrschende Ignoranz. Über mittels Streiks geschaffene – produktive – Arbeitsplätze wurde bislang noch nichts bekannt …

Vor dem Beginn einer erfolgversprechenden Therapie ist es notwendig, eine valide Diagnose zu stellen. Und die bedarf zunächst einer eingehenden Anamnese. Das verhält sich in der Ökonomie nicht anders als in der Medizin. Die heute zur „Heilung“ der Schuldenkrise debattierten Konzepte laufen jedoch allesamt auf eine Symptombehandlung unter völliger Ausblendung der Frage nach deren Ursachen hinaus. Die Gewährung weiterer Kredite, ein (teilweiser) Schuldenerlaß oder eine Erstreckung von Rückzahlungsfristen entsprechen der Verabreichung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln an einen moribunden Patienten (und dessen Verwandte). Sie ändern aber nichts an der bestehenden Grunderkrankung.

Am Beispiel Griechenlands, so scheint es, werden derzeit jene Probleme offenbar, mit denen im Grunde die gesamte westliche Welt konfrontiert ist.

Die aus Sambia stammende, gegen die Hauptsromökonomie schwimmende Volkswirtin Dambisa Moyo, die bereits für die Weltbank und Goldman Sachs tätig war, hat diese Gründe in ihrem 2010 publizierten, viel diskutierten Buch mit dem vielsagenden Titel „How the West Was Lost“ zusammengefasst.

Nach Moyos Überzeugung ist der Westen im Begriff, seine fünf Jahrhunderte lang gehaltene Position als technologischer Vorreiter und Wohlstandsgenerator an Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien zu verlieren. Seit den frühen Sechzigerjahren (bald nach dem Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre) hätten massive Fehlallokationen – sowohl im Hinblick auf das eingesetzte Kapital, wie auch was die besten Köpfe betrifft – den allmählichen Niedergang der alten und neuen Welt eingeleitet:

Fragt man fünf Ökonomen nach deren Konzepten zur Bewältigung der griechischen Tragödie, erhält man fünf verschiedene Antworten (wäre Lord Keynes noch am Leben und einer der fünf Befragten, wären es wohl sechs …). Es wird vermutlich auf einen für Gläubiger wie Schuldner schmerzhaften Einsatz verschiedener Folterinstrumente – insbesondere auf die radikale Kürzung von Staatsausgaben (und zwar nicht nur in Griechenland!) – hinauslaufen.

Mit der Beilegung der Krise Griechenlands wird unser „strategisches“ Problem indessen nicht gelöst sein. Die westliche Welt wird um eine fundamentale Kurskorrektur nicht herumkommen, will sie nicht langfristig zur verlängerten Werkbank oder zum Disneyland des aufstrebenden Fernen Ostens verkommen. Exzessiver Konsum auf Pump bildet keine Basis für den Aufbau von Kapital und die nachhaltige Entwicklung des Wohlstands einer Gesellschaft.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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Von Spanien nach Bremen und zurück

23. Mai 2011 12:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Zwei ganz klare Wahlergebnisse, zwei sehr ähnliche Ausgangspositionen – und zwei sehr unterschiedliche Reaktionen der Wähler darauf. Das kleinste deutsche Bundesland und das große iberische EU-Land haben am Wochenende auf linke Misswirtschaft zwei sehr unterschiedliche Antworten gegeben.

Warum hat die Linke in Spanien ein historisches Debakel erlitten? Und warum haben in Bremen die Linksparteien trotz Rückschlägen für die knallrote „Linke“ dazugewonnen?

Ein großer Teil der Antwort auf die zweite Frage liegt in dem zerschlissenen Bild der Berliner Regierungskoalition. Angela Merkel ist führungsschwach, fährt in der Atomfrage wie auch bei der Milliardenhilfe für Griechen und Portugiesen wie auch bei der Antwort auf die islamische Herausforderung im eigenen Land einen vor allem Unsicherheit ausstrahlenden Zickzack-Kurs. Die FDP hat sich nach linksliberal entwickelt, wo außer den Journalisten längst niemand mehr steht (und sie liegt in Bremen nun schon hinter den rechtsbürgerlichen „Bürgern in Wut“). Die CSU wiederum ist vor allem rauflustig (und in der Atomfrage innerlich schwer zerstritten). Daher bekommt die deutsche Regierung nun ständig Ohrfeigen, obwohl das Land zum ersten Mal seit 20 Jahren wirtschaftlich wieder als relativer Kraftprotz dasteht.

In Bremen selbst haben Rot und Grün zwar nichts herzuzeigen, sie müssen aber den Wählern nicht – so wie die spanischen Sozialisten – die Zeche für ihre Misswirtschaft vorlegen. Denn das Armenhaus Westdeutschlands ist in den allgemeindeutschen Wohlstand sicher eingebettet und wird von den bisher rechts regierten, also blühenden südlichen Bundesländern regelmäßig durchgefüttert. Dabei ist Bremen – vor allem dank Gesamtschule – in allen deutschen Bildungsstatistiken jammervolles Schlusslicht. Dabei kann sich dort seit längerem ein islamischer Verbrecherclan wie einst die Banden in Chicago austoben. Dabei bietet Bremen in Sachen Arbeitslosigkeit mit 12 Prozent ein besonders trauriges Bild.

Die Spanier waren ebenfalls seit Jahrzehnten das Durchfüttern gewöhnt. Sie haben sehr gut von den Milliarden-Geldern der EU gelebt. Und niemand in Brüssel hat so richtig mitgekriegt oder zugeben wollen, dass damit in Spanien genau das passiert, was die Entwicklungshilfe in der Dritten Welt anrichtet: Die Empfänger haben verlernt, dass sie nur durch eigene Anstrengung vorankommen können, sie sind immer mehr in sozialen Hospitalismus verfallen, der jede Verantwortung für das eigene Los auf Dritte schiebt. Das Land hat angesichts des europäischen Geldsegens wie wild unnötige Autobahnen gebaut und all seine einst schönen Küsten zubetoniert, es hat zugleich reihenweise rote und grüne Luftschlösser erbaut. Diese reichen von Europas höchster Alternativenergieförderung über viel zu hohe und geschützte Gehälter bis zu gesellschaftspolitischen Veränderungen zugunsten von Schwulen & Co, die immer mehr Spanier empören.

Ein besonders schmerzhaftes Produkt der falschen Wirtschaftspolitik ist die hohe Arbeitslosigkeit. Spanien ist ein besonders krasses Exempel dafür, dass die teuren Alternativenergien viele Industrien zum Zusperren zwingen, dass gewerkschaftliche „Erfolge“ zum Schutz der Arbeitnehmer nur die Arbeitslosigkeit erhöhen, dass bei solchen Rahmenbedingungen immer weniger Arbeitgeber neue Jobs anbieten. Das trifft natürlich vor allem die – überdies als Opfer der Gesamtschule schlecht ausgebildeten – Jungen mit einer unvorstellbar hohen Jugendarbeitslosigkeit von nunmehr schon 45 Prozent.

In Spanien ist aber seit dem Vorjahr Schluss mit lustig. Während die Bremer noch durchgefüttert werden, halten es Geldanleger für zunehmend riskant, Geld nach Spanien zu tragen. Die Zinssätze steigen, die Ratings fallen. Das hat die Regierung gezwungen, erste Sparmaßnahmen einzuleiten, auch wenn das Land noch nicht formell um – über die normalen EU-Subventionen hinausgehenden – Hilfen angesucht hat. Was aber allen politischen Beteuerungen zum Trotz mit Sicherheit heuer noch erfolgen wird.

Spaniens Sozialisten sind daher von den Wählern aus der Macht gejagt worden, diesmal bei regionalen Wahlen, demnächst wohl auch aus dem Parlament. Die Medien freilich befassen sich nicht mit dem Scheitern des realen spanischen Sozialismus, sie bejubeln statt dessen den Aktionismus Zehntausender junger Demonstranten, die in ihrer subjektiv verständlichen Verzweiflung gegen alles und jedes auf die Straße gegangen sind.

Die Begeisterung der Medien treibt die Demonstranten nun in immer schärferen Selbstzweck-Revolutionismus. Aber niemand sagt ihnen, dass ihre Aktionen zwar lustig, aber in keiner Weise eine Therapie für die spanischen Leiden sind. Denn schon hat die Regierung auf jede weitere Reform verzichtet. Schon überlegen sich Arbeitgeber wie Geldverleiher, ob es noch einen Sinn hat, in jenes Land auch nur einen einzigen weiteren Euro zu investieren. Geht der Demo-Spass noch ein paar Wochen weiter, dann haben zwar die Medien noch viele nette Reportagen zu schreiben – der spanische Tourismus wird hingegen viele leere Zimmer abzuschreiben haben.

 

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Allzumenschliches

20. Mai 2011 20:04 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Das Zimmer-Service hat versagt –
doch seht, ganz unerwartet
wird der Hotelgast angeklagt!
War das nicht abgekartet?

Der Mann ist nämlich prominent -
das muss Verdacht erwecken,
und grade weil ihn jeder kennt,
wird was dahinter stecken:

Hat die Besagte ihn erpresst?
Das soll’s ja manchmal geben,
und wer sich nicht erpressen lässt,
der hat den Schaden eben.

Ob etwa eingeschleust sie war
und als Agentin werkte –
was der Betrogne offenbar
erst viel zu spät bemerkte?

War gar sie hässlich, dass der Gast
sich schlicht mit Grausen wandte
und in verhängnisvoller Hast
gleich bis zum Flugzeug rannte?

Natürlich könnt’s gewesen sein,
wie viele es vermuten –
dass halt im Unterleib die Pein
ins Hirn ihm stieg, dem Guten.

Doch wird die Wahrheit irgendwie
bestimmt herausgefunden:
Sein Anwalt hat ein Alibi
für jede seiner Stunden!

Naja, der Silvio, der hält
zumindest was auf Ehre
und zahlt spendabel, was bestellt –
drum heißt er Cavaliere.

Und mancher Playboy ist bereit,
selbst fürs Als-ob zu zahlen,
um so wie einst in bessrer Zeit
im Freundeskreis zu prahlen!

Noch zum Histörchen die Moral:
Man liegt, wie man sich bettet,
und Griechenland wird dieses Mal
auch ohne Kahn gerettet …

Pannonicus

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Der Rektor und der linke Hetzsender

20. Mai 2011 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast täglich wird der ORF nun schon bei seinen widerlichen Manipulationen und Betrügereien erwischt. Jetzt ist endlich einmal einem gewichtigen Opfer der Kragen geplatzt und er hat detailliert die Sauereien des Links-Senders aufgelistet.

Denn lediglich ein Einziges kann der Sender noch auf hohem Niveau: durch seine Einladungspolitik, durch die Tendenz seiner Beiträge und Fragestellungen, aber auch alleine schon durch Inserts und Etikettierungen perfekte Zuarbeit für die roten und grünen Parteisekretariate verrichten.

Da tritt etwa ein Herr Marterbauer auf und wird (nur) als Wirtschaftsforscher vorgestellt; dass er ein sogar als ministrabel verkaufter SPÖ-Wahlkämpfer gewesen ist, wird hingegen verschwiegen. Anderswo wird ein Herr Schilcher beharrlich als ÖVP-Bildungsexperte präsentiert, obwohl er für Frau Schmied und Herrn Androsch arbeitet, die angeblich nichts mit der ÖVP zu tun haben, und obwohl in der ÖVP (für die er früher tätig war) längst niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben will.

Das Motiv ist klar: durch die Art der Präsentation Schilchers soll der Eindruck erweckt werden, dass sogar die „Experten“ der ÖVP für Schmieds und Androschs Gesamtschulidee sind. Die große Mehrzahl der gegen die Gesamtschule eintretenden ÖVP-Exponenten und Bildungsexperten wird hingegen vom ORF totgeschwiegen. Durch Marterbauers ständige Präsentation als unabhängig sollen hingegen die linken Wirtschaftsvorstellungen als objektiv und unabhängig verkauft werden.

Bei der gleichen Diskussion, wo Marterbauer so „unabhängig“ war, trat auch noch eine Frau Elisabeth Klatzer auf, die ebenfalls ihren Senf zum Thema, nämlich den Banken, beizusteuern hatte. Sie wurde vom ORF als Angehörige der Wirtschaftsuniversität vorgestellt.

Das ließ nun dem sonst so umgänglichen WU-Rektor Christoph Badelt den Kragen platzen: Er verschickte nach den schwachsinnigen wie stramm linken Äußerungen der Frau Klatzer ein Mail an alle WU-Angehörigen mit interessanten Fakten zu der Dame: Sie hat im Schnitt der letzten Jahre eine einzige Stunde pro Woche einen Lehrauftrag an der WU gehabt, aber dort sonst keinerlei Funktion.

Badelt hat daher auch schon während der Sendung beim ORF dagegen protestiert, dass der total unbekannten Dame die Wirtschaftsuniversität als Qualitätsausweis umgehängt worden ist, aber selbstverständlich wurden die Seher nicht darüber informiert. Und es wurde natürlich keine Richtigstellung vorgenommen. Künftig wird man wohl auch den Portier als Vertreter einer Uni präsentieren (wenn er nur die richtige Meinung vertritt).

Badelt bezeichnete viele Äußerungen der Frau Klatzer als „sachlich falsch“, viele ihrer Aussagen seien überhaupt nur rein „politische Wertungen“ gewesen. Der Rektor ärgert sich ganz besonders, weil es an der WU eigentlich viele Experten für die Problemkreise Finanzen und Banken gibt. Zu denen freilich Frau Klatzer nicht gehört. Denn der Inhalt ihres Lehrauftrags ist – Gender budgeting, also die sinnloseste Form, wie unser Steuergeld durch unglaublich aufwendige bürokratische Schleifen verbrannt wird, nur um zu überlegen, ob die Pensionsmilliarden für die ÖBBler gendergerecht verteilt sind.

All diese Methoden sind mehr als genug Anlass, den ORF nur noch als linken Hetzsender zu bezeichnen. Wie ich es hier schon mehrfach getan habe. Schade, dass sich der ORF deswegen nicht zu klagen traut, es würde ein schöner Prozess.

Niemand soll übrigens glauben, die ganze Linkslage der ORF-Desinformation passiere hinter dem Rücken des Generaldirektors, weil sich der ja nicht um alles kümmern kann. Ganz im Gegenteil: Alexander Wrabetz hat zwei Tage davor sogar mit einer öffentlichen Twitter-Äußerung den sich für witzig haltenden Armin Wolf gelobt, weil sich der auf den Studiotisch gelegt hat.

Womit Wrabetz zweierlei signalisiert hat, erstens wofür er Zeit hat und was ihm wichtig ist; zweitens, auf welches Qualitätsniveau er den Sender noch weiter hinunterpositionieren will.

 

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SN-Kontroverse: Brauchts eine Wirtschaftspartei?

20. Mai 2011 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Braucht Österreich eine Wirtschaftspartei?

 In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Cui bono?

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Österreichs Wirtschaftstreibende sind bestens politisch verankert. Ihre Interessenvertretungen sind schlagkräftige Organisationen. Dies gilt für die Industriellenvereinigung ebenso wie für die Wirtschaftskammer, die mit Christoph Leitl über einen Spitzenmann verfügt, der auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen kann.

In den Parteien ist unternehmerische und wirtschaftliche Expertise in einem hohen Ausmaß vorhanden. Bei der SPÖ sind es u.a. Christoph Matznetter als Chef des Freien Wirtschaftsverbandes sowie Budgetsprecher Kai Jan Krainer. Die ÖVP ist z. B. mit Jakob Auer, dem Vorsitzenden des Budgetausschusses, dem Banker Peter Michael Ikrath sowie dem Generalsekretär des Raiffeisenverbandes, Ferry Maier, gut aufgestellt.

Bei den Grünen ist die Expertise von Ex-Parteichef Alexander van der Bellen und Budgetsprecher Werner Kogler selbst bei politischen Gegnern unbestritten. FPÖ und BZÖ verfügen ebenfalls über kundige Wirtschafts- und Finanzpolitiker. Beim jüngsten Ausfall eines heimischen Bankers, dessen Institut beim Steuerzahler mit einer Milliardensumme nach wie vor in der Kreide steht, mit seiner falschen, undifferenzierten und unzutreffenden Anmerkungen („Unsere Politiker sind zu blöd und zu feig und zu unverständig, weil sie von Wirtschaft keine Ahnung haben © Andreas Treichl") kann es sich daher nur um ein massives Wahrnehmungsdefizit oder ein bösartiges Störmanöver handeln.

Cui bono? Das gilt auch für die „Drohung" mit der Gründung einer eigenen Wirtschaftspartei. Bitte, gründet sie doch! - ist diesen vereinigten, verdrossenen, ewig jammernden Wirtschaftstreibenden zurufen. Wobei die Gefahr nicht auszuschließen ist, dass die Politiker dieser Partei „zu blöd und zu feige und zu unverständig" für das Begreifen gesellschaftlicher Zusammenhänge sind.


Das Dach brennt schon

Andreas Unterberger

 Nichts bräuchte Österreich dringender als Politiker, die der zunehmenden wirtschaftlichen Unvernunft entgegentreten. Die Schulden haben sich seit der Rückkehr der Sozialdemokraten in die Regierung um 30 Prozent erhöht. Die noch 2006 von vielen internationalen Medien gerühmte Stabilität des Landes ist durch den vor allem von einem Werner Faymann betriebenen (aber auch von der ÖVP nicht verhinderten) Verschwendungspopulismus im Expresstempo verspielt worden.


Das Land stürzt in allen Rankings steil ab. Und nächstes Jahr wackelt das Triple-A-Rating. Da ist Griechenland nicht mehr weit. Auch die Oppositionsparteien sind in Hinblick auf den Reformbedarf ahnungs- und mutlos (selbst das BZÖ in hohem Ausmaß). Der Stillstand reicht vom Pensionssystem über den Regulierungswahn, die kollabierenden Unis bis zum Bürokratiedschungel.

Auch sonst gibt es weit und breit keine Kraft, von der eine Renaissance der Vernunft ausgehen könnte. Die Wirtschaftskammer ist bis über beide Ellbogen mitschuldig am unfinanzierbaren Wohlfahrtsstaat, an der Überregulierung und der hohen Staatsquote. Aus selbstbeschädigender Rücksicht auf den Steinzeit-ÖGB, aber auch aus Christoph Leitls tiefster Überzeugung.

Und die Industriellenvereinigung? Die sagt zwar häufiger etwas Richtiges. Sie hat sich aber etwa 2009 mit der Forderung nach Verschrottungsprämien als Lobby-Organisation ohne jede Rücksicht auf Ordnungspolitik blamiert. Und jetzt zeigt sie sich als frei von jeder politischen Intelligenz, wenn sie „mit voller Überzeugung" das Gesamtschul-Volksbegehren der SPÖ bewirbt, aber gleichzeitig ausstreut, insgeheim eigentlich schon gegen die Gesamtschule zu sein.

Wer nicht einmal begreift, dass er sich damit zum Trittbrett der lern- und leistungsfeindlichen Nach-unten-Nivellierer macht, der kann auch nicht die wirtschaftliche Vernunft wiederbeleben oder bei Wahlen reüssieren.

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Kein Grund zur Solidarität mit Griechenland

19. Mai 2011 00:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine Frage taucht seit dem Vorjahr immer wieder auf: Wie gehen Staaten eigentlich bankrott? Dafür gibt es keine Insolvenzgesetze, sondern nur Erfahrungen, Usancen – und jede Menge Politik. Es ist rechtlich völlig offen, ob man mit einem überschuldeten Land sanft oder brutal umspringt.

Lediglich eines scheint – freilich gar nicht so lange – vorbei: Die Zeit, da man nicht bezahlte Schulden eines Staates mit Waffengewalt eintreibt. „Bis zur Drago-Porter Konvention 1907 war der Einsatz von Waffengewalt zur Eintreibung von Schulden völkerrechtlich durchaus legitim. Mit dieser Konvention wurde Waffengewalt höchstens noch als Ultima ratio anerkannt, falls sich der Schuldnerstaat weigerte, eine Schiedsverfahren als friedliches Mittel zur Streitbeilegung durchzuführen.“ So beantwortete zumindest der österreichische Völkerrechtsexperte Michael Waibel diese Frage.

Offen bleibt, wie ein geprellter Gläubiger heute Exekution gegen einen fremden Staat führen kann – etwa auf Schiffe und Flugzeuge oder gar durch Taschenpfändung eines anreisenden Ministers. Das alles wird jedoch nicht viel bringen.

Die wirtschaftlichen Druckmittel sind die wirksameren. Ein bankrotter Staat ist gut beraten, sich mit den Gläubigern zusammenzusetzen und über seine Konkursquote zu verhandeln. Tut er das nicht, dann wird er sich auf viele Jahre nirgendwo mehr ins wirtschaftliche Geschehen einschalten können. Dann werden selbst normale Handelswaren nur noch gegen Vorauskasse geliefert werden. Und neue Kredite gibt es sowieso keine.

Jedenfalls aber dürfte es Griechenland im Konkursfall nicht mehr so leicht gelingen wie im letzten Jahr, sich vor der Einhaltung von Zusagen zu drücken. So ist die griechische Regierung etwa mit den versprochenen Privatisierungen und Deregulierungen weit im Rückstand. Dabei würden diese nicht nur Geld in die Kassa bringen, sondern auch die Wirtschaft wieder ankurbeln. Es gibt auch keinen wirklichen Grund, warum nicht die eine oder andere Insel an einen Investor verkauft werden könnte – privatrechtlich natürlich, nicht staatsrechtlich.

Gewiss wird auf die Gläubiger jede Menge politischen und psychologischen Drucks ausgeübt werden, dass man mit den armen Hellenen doch nicht so umspringen könne. So hat dieser Tage schon ein ORF-Journalist die kühne Behauptung aufgestellt, der griechische Generalstreik zeige, dass die Grenze des Zumutbaren erreicht sei.

Dabei zeigen die Streiks genau das Gegenteil. Die Griechen haben noch immer nicht den Ernst der Lage erkannt. Sie vertreiben mit den ständigen Ausfällen im Flug- und Fährverkehr sogar ihre wichtigste Einnahmequelle: die Touristen. Und auch die Gehaltsbremsen bei den öffentlichen Bediensteten erregen kein Mitleid: Denn deren Gehälter sind seit Einführung des Euro real wie nominell weit steiler gestiegen als in Deutschland oder Österreich. All das ist absolut kein Grund zu der von der Politik geforderten „Solidarität“ mit Griechenland.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Österreichische Ortstafeln auf Korfu?

18. Mai 2011 20:15 | Autor: Christoph Bösch
Rubrik: Gastkommentar

Auch "arme" Länder wie Griechenland, Portugal oder Irland sind in vieler Hinsicht reich. Und das könnte jetzt ganz Europa zugute kommen …

Ein böses Gerücht kursiert: Höchste EU-Kreise basteln angeblich an einem ganz neuartigen Lösungsansatz für die sich verschärfende Schuldenkrise. Umverteilung und Transfers zwischen verschiedenen EU-Staaten sollen nicht weiter eine Einbahnstraße bleiben … Es sollen vielmehr handfeste Gegenleistungen erbracht werden – heißt es. Besonders ins Gerede gekommen sind dabei die griechischen Inseln.

Es wäre daher vielleicht höchste Zeit, dass der Bundespräsident – vielleicht gemeinsam mit der streitbaren Finanzministerin – zum Beispiel einmal den Anspruch auf Korfu erhebt – sonst besteht noch die Gefahr, dass es uns jemand wegschnappt – und das wäre doch schade … (Immerhin liegt es nicht zu weit weg – und auch Kaiserin Sissi soll es ja dort schon recht gut gefallen haben.)

Weiters wäre dann auch noch an eine Fact-Finding-Mission nach Irland, Portugal usw. zu denken. Potentielle Ziele: Kunstschätze, Fußballer, Bodenschätze etc. Wer zu spät kommt … Ganz uneigennützig – denn auch die Deutschen und die wenigen anderen Nettozahler werden ja wohl auf ein paar „Sicherheiten" Wert legen.

Deutschland wird vielleicht nicht gleich die Akropolis fordern (die würde ja auch besser zu den Briten passen – sie haben ja immerhin schon das Inventar!) – muss aber sicher vorrangig bedient werden.

Die griechische Regierung könnte andererseits, am besten gleich zusammen mit dem Orakel von Delphi, nach Brüssel wechseln: Das Orakel braucht die EU zweifelsohne – und Belgien wiederum eine Regierung (welcher die Griechen wohl ohnedies nicht allzu lange nachweinen dürften!)

Auf den Olymp werden sicher die Franzosen spitzen. Olympia hingegen, könnte – ausnahmsweise außerhalb der EU – an die Schweiz gehen. (Denn die hat schließlich noch immer genug Geld.)

Und ganz böse Zungen behaupten, dass die Türken an Rhodos interessiert sein könnten – denn sie gehören zwar auch nicht zur EU, aber Geld scheinen sie vergleichsweise noch zu haben …

Die Skandinavier sind zwar etwas weit vom Schuss – dafür aber ziemlich zahlungskräftig. Und wie verhandlungsfähig sie sind, wird sich ja dann zeigen.

Jedenfalls sollte heuer eigentlich kaum ein Österreicher ohne ein paar Ortstafeln im Gepäck auf Urlaub gehen – das könnte sogar aus Budgetmitteln finanziert werden. So wäre unser aller Steuergeld zumindest potenziell einmal gewinnbringend investiert.

Die Idee mit mehrsprachigen Ortstafeln durch Europa zu fahren, ließe sich überdies, gerade jetzt im Sommer – und dem Zeitgeist entsprechend – perfekt als Kunstprojekt tarnen! Aber wenn sie einmal stehen … Und die Grünen können ja auch grüne Tafeln aufstellen, mit der Aufschrift: „Gesponsert von Euren grünen Freunden aus Österreich“ – also ganz un-imperialistisch. (Allerdings dürften die Grünen wohl eher für Kreta plädieren – denn das mythische Labyrinth könnte ihnen sicher wichtige Inspirationen für ihr Wiener Verkehrskonzept liefern!)

PS: Die Idee bunter Ortstafeln ließe sich übrigens auch auf Österreich übertragen: Damit auch hier jeder gleich sieht, wem das Land gehört, könnten die Ortstafeln jeweils die Farbe der Partei des gerade amtierenden Bürgermeisters tragen.

Christoph Bösch, M.A. ist Publizist in Wien und Gründer der Initiative "Mehr Wahlrecht".

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Die Verschwenderrepublik und ihre Filialen

18. Mai 2011 12:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Würde so etwas in einer Aktiengesellschaft passieren, müssten alle Vorstandsmitglieder, oder zumindest der Vorsitzende und der Finanzvorstand zurücktreten. Es müssten auch reihenweise Chefs von Filialbetrieben den Hut nehmen. Wir reden aber nicht von einer AG, sondern von der Republik Österreich, ihren Ländern und Gemeinden. Daher wird natürlich niemand die Verantwortung übernehmen.

Anlass der Rücktrittsnotwendigkeit ist der neue Rechnungshofbericht über Österreichs Fiskalpolitik. Dieser Bericht macht eindringlich klar, dass Österreich viel stärker verschuldet ist, als es die offiziellen Statistiken zugeben. Und es sündigen keineswegs nur der Bund und die Länder. So waren bei Österreichs Gemeinden schon 2009 die Finanzschulden um rund 117 Prozent höher als der zugegebene öffentliche Schuldenstand! Aber das ist noch keineswegs alles: Dazu kommt noch eine riesige, freilich niemandem genau bekannte Menge an „Haftungen und Garantien der Gebietskörperschaften“.

Dieser öffentliche Schuldenstand ist jedoch das wichtigste der Maastricht-Kriterien. Dieser Schuldenstand wird auch ganz intensiv von den internationalen Geldverleihern angeschaut. Wenn sich dort einmal die Wahrheit über Österreichs Finanzen herumspricht, dann sollten wir uns alle gut anschnallen.

Und was ebenfalls nicht in den offiziellen Schulden-Angaben enthalten ist, ist die „Nachhaltigkeitslücke“. Der Rechnungshof meint mit diesem Wort die Folgen der rapiden Überalterung der österreichischen Gesellschaft. Wenn ein immer größerer Teil der Bevölkerung die vermeintlich wohlverdienten Früchte ihres Lebens genießen will, müsste der Staat dafür etwas zurückgelegt haben. Laut Rechnungshof hätte er eigentlich schon 2009 rund 13 Milliarden auf die Seite zu legen gehabt. Zurückgelegt wurde jedoch kein Cent.

Das einzige, was Bund, Länder und Gemeinden (womit also Rot, Schwarz und Blau/Orange voll in der Verantwortung sind, nur die Grünen waren kaum noch in einem Gelegenheitsverhältnis) statt dessen jedoch geschafft haben: Sie haben zwischen 2005 und 2010 allein den öffentlichen Schuldenstand um rund 30 Prozent auf 205 Milliarden erhöht. Das ist ein um mehr als 47 Milliarden Euro höherer Schuldenstand. Das ist aber eben nur der Maastricht-Schuldenstand, die geheimen Haftungen usw. sind da noch gar nicht erfasst.

Wenn jetzt wahrscheinlich wieder einmal die dümmliche Kräuter-Faymann-Rudas-Propagandawalze aufgelegt werden sollte: „Ja, das ist deshalb, weil wir die bösen gierigen Banken retten mussten“, dann sollte man ihnen diese freche Lüge sofort zurückschmeißen: Die Banken haben nicht einmal ein Zehntel der neuen Schulden bekommen und werden zum Unterschied von anderen Empfängern wohl alles zurückzahlen – sofern sie nicht dem Staat gehören. Nur bei jenen Banken, bei denen wiederum Politiker (Schmied bis Jörg Haider) ihr Unwesen getrieben haben, wird der Steuerzahler bluten müssen. Das ist aber immer noch eine Bagatelle gegen die alleine von der Politik verschuldeten Schulden.

Jedes Mal, wenn ein Politiker (es waren meistens, aber keineswegs nur Sozialdemokraten) gesagt hat: „Das muss sich doch der dritt-/fünft-/zehntreichste Staat doch noch leisten können“, sollte man ihm nachträglich ein Jahresgehalt pfänden.

Aber es gibt ja die Stabilitätsprogramme, werden die Politiker nun japsen. Ja freilich. Nur wurden deren Ziele nie erreicht, wie der Rechnungshof trocken feststellte. Gibt es doch Sanktionen gegen Sünder nur bei Einstimmigkeit zwischen Bund und Ländern – also logischerweise nie. Und außerdem sind auch die Ziele dieser Programme viel zu wenig ambitioniert. Zumindest wenn man einmal auch Schulden abbauen wollen und die Alterung der Bevölkerung zur Kenntnis nehmen würde.

Die Länder sind da besonders üble Geheimhalter. So sind laut Rechnungshof bei Fünfen nicht einmal die Personalstände ihrer Mitarbeiter bekannt. Es gibt – natürlich – auch keinerlei gemeinsame Grundlagen oder Methoden für Finanzplanungen oder -berichte. Und wo es ein Berichtspflicht gibt, wird die nicht eingehalten: Laut Rechnungshof sind nicht weniger als 560 staatliche Einrichtungen ihren Informationspflichten nicht nachgekommen.

Das Ergebnis: Finanzministerium und Statistik müssen vielfach auf Schätzungen zurückgreifen. Die dann leider, leider nicht stimmen.

Noch kleine Information am Rande: Österreich muss selbst bei Einhaltung der Finanzplanung in den nächsten Jahren rund 100 Milliarden Euro auf den sogenannten Märkten ausborgen (bei den bösen Sparern, Kapitalisten und anderen, die man dann gerne als „Spekulanten“ denunziert, wenn sie gelegentlich auch ihr Geld zurückwollen). Für seine neuen Defizite und für die Umschuldung auslaufender Anleihen.

Hand aufs Herz: Würden Sie dieser Republik Geld borgen? Von einem Gebrauchtwagenkauf wollen wir ja gar nicht reden ...

 

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Schuldenkrise: Vorboten einer Rückkehr der Vernunft

17. Mai 2011 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In den vergangenen Monaten, Wochen und Tagen sind unüberschaubar viele widersprüchliche Aussagen, „Geheiminformationen“ und Einschätzungen zur Lage der europäischen Großschuldenländer auf die Bürger eingeprasselt. Fast könnte man glauben, hinter diesem verwirrenden Trommelfeuer steckt Strategie. Diese könnte etwa so lauten: Wir verwirren die Europäer so lange, bis sie am Schluss gar nicht mehr mitkriegen, was dann wirklich geschieht. Bis sie gottergeben und kritiklos jeden Beschluss hinnehmen.

Ein Ziel hat man jedenfalls mit dieser Strategie schon erreicht: Kaum jemand spricht noch davon, was für ein schwerer Fehler es war, in den vergangenen Monaten Hunderte Milliarden Euro Richtung Griechenland, Irland und Portugal versickern zu lassen.

Das heißt nun freilich nicht, dass es irgendeinen schmerzfreien Weg aus dem Schlamassel heraus gibt oder gegeben hätte. Die einzigen strategischen Alternativen bestanden zwischen viel Realitäts-Verdrängung und weniger Verdrängung, zwischen einem großen Schaden und einem geringen Schaden.

Eine der wirksamsten Lügen, die uns im Vorjahr aufgetischt worden sind, war jene von der Bedrohung des Euro. Die Wahrheit ist: Dieser war nie bedroht. Denn selbst wenn er um einige Cent im Wert gegenüber dem Dollar fallen würde, bekäme er damit nur ein Austauschverhältnis, das er schon des öfteren hatte – ohne dass jemand von einer Bedrohung der Währung gesprochen hätte.

Ein niedrigerer Euro-Kurs würde sogar die Exporte erleichtern. Er würde allerdings Öl- und andere Importe verteuern. Das würde aber wiederum die EZB zu einer weiteren Zinserhöhung veranlassen. Was wiederum den Euro-Kurs stärken würde.

Den Euro sollte man also als Argument vergessen. Ebenso vergessen sollte man das Gerede, dass etwa die Griechen bald aus dem Euro-Raum ausscheiden werden. Das werden sie nie und nimmer. Weil dann müssten sie mit ihrer rasch schwach werdenden Währung ihre alten Dollar- und Euro-Kredite bedienen. Dass freilich von allem Anfang an die Aufnahme der Griechen oder Portugiesen in den Euro-Raum ein schwerer Fehler war, das wissen heute alle. Und das müssen diese beiden ebenso wie die anderen Euro-Länder heute bitter büßen.

Nur: Man kann erstens die Geschichte nicht mehr rückgängig machen. Und zweitens war nicht nur im Falle Griechenlands die Aufnahme in den Euro ein schwerer Fehler. Denn auch etliche andere Länder haben vom ersten Tag an die sogenannten Stabilitätskriterien grob verletzt. Das sind nicht nur die heute an der internationalen Herz-Lungen-Maschine hängenden Patienten. Das sind etwa auch Belgien und Italien.

Zu Belgien beispielsweise habe ich in einem EU-Dokument aus 1998 den bezeichnenden Satz gefunden: „Die Kommission empfiehlt dem Rat, die Entscheidung über das Bestehen eines übermäßigen Defizits in Belgien aufzuheben. Folgt der Rat dieser Entscheidung, so gilt das Kriterium, das die Finanzlage der öffentlichen Hand betrifft, in Belgien als erfüllt.“

Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Belgien hat nicht etwa die Kriterien erfüllt – sein Schuldenstand lag über 120 Prozent des BIP anstelle der als Höchstgrenze vorgeschriebenen 60 Prozent! – sondern Rat und Kommission haben politisch einfach beschlossen, das Kriterium als erfüllt anzusehen. Obwohl das Kriterium nie geändert worden ist. Man wollte ja glaubwürdig bleiben – und wurde natürlich das Gegenteil.

Entsprechend gering war die Ernsthaftigkeit fast aller EU-Staaten in Sachen Gelddisziplin. Österreich etwa hat erst am Ende der Sparperiode Schüssel-Grasser, also lange nach Euro-Einführung seine Schulden auf die vorgeschriebenen 60 Prozent drücken können – es nähert sich aber inzwischen schon schnell sogar den 80 Prozent!

Mit der Aufnahme von Belgien&Co war jedenfalls vom ersten Tag an klar, dass die Euro-Regeln nicht so ernst gemeint sind. Was man als vorsätzliche Anstiftung zu vielen danach folgenden Vergehen gegen die europäische Finanzdisziplin interpretieren kann.

Die Euro-Regeln hat man jedenfalls auch von oberster Stelle mindestens noch einmal brutal verletzt: Indem man sich im Vorjahr über die ausdrückliche „No-Bailout“-Regel hinweggesetzt hat. Diese verbietet es ja sowohl den EU-Institutionen wie auch den anderen Euro-Ländern ausdrücklich, einem verschuldeten Staat mit Krediten beiseitezustehen. Das tut man seit dem Vorjahr aber dennoch in kaum getarnter Form und in beängstigend großen Dimensionen.

Auch ein Zerfall des Euro in die Gegenrichtung ist politisch übrigens absolut undenkbar, also ein Ausscheiden von Deutschen, Österreichern und Niederländern. Das wäre zwar technisch eine Spur leichter, das würde aber dennoch den weitestgehenden Zerfall der EU bedeuten. Diese Verantwortung nimmt zu Recht keine Regierung auf sich.

Was aber jetzt tun? Irgendetwas muss ja geschehen. Denn wider alle offiziellen Beteuerungen ist es absolut undenkbar, dass insbesondere Griechenland all seine Verpflichtungen einhalten kann. Diese Beteuerungen sind lediglich ein Lügenvorhang, hinter dem verzweifelt an Lösungen gebastelt wird. Und diese Lösung wird wohl in einer Mischung bestehen.

Erstens wird dem schlechten (also schon abzuschreibenden) Geld noch einmal gutes, frisches Geld nachgeworfen werden. Das wird wahrscheinlich genausowenig zurückbezahlt werden. Zweitens wird es aber endlich auch zu dem kommen, was schon im Vorjahr geschehen hätte müssen. Nämlich zu einer Umschuldung Griechenlands, also zu einer Abschreibung beziehungsweise Entwertung eines Teils der alten Forderungen an die Griechen.

Da werden beispielsweise die Rückzahlungsdaten einzelner Anleihen nach hinten erstreckt werden. Das schädigt natürlich die Gläubiger schädigt. Man wird es halt elegant auf Anraten einer teuren PR-Agentur „weiche Umschuldung“ oder so ähnlich nennen.

Das ist aber trotzdem zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung. Endlich – nach einem Jahr voller schlimmer Patzer und Lügen. Je mehr der Umgang mit (nicht nur kurzfristig zahlungsunfähigen, sondern auch nachhaltig) überschuldeten Staaten dem Umgang mit überschuldeten Firmen ähnelt, umso größer ist die Chance auf eine Rückkehr der wirtschaftlichen Vernunft.

Deren Eckstein ist nun einmal die Insolvenz eines Bankrotteurs. Wer dieser Konsequenz ausweichen will, verstrickt sich nur immer tiefer in eine Schuldenwirbel.

Freilich haben jene auch recht, die auf die Konsequenzen einer solchen Umschuldung, also eines teilweisen Forderungsverzichts, hinweisen. Dennoch ist die Umschuldung richtig und notwendig.

Was sind denn diese Konsequenzen? Erstens werden natürlich alle Gläubiger leiden. Das sind etwa Lebensversicherungen, Banken, Pensionsfonds, Sparer im Westen. Die müssen viel Geld abschreiben. Es käme aber immer noch billiger, solchen Anlegern zu helfen – natürlich nur teilweise! –, statt immer weiter Geld ins griechische Loch zu schütten.

Zweitens würden die anderen Euro-Staaten auch direkte Folgen sparen: Jeder einzelne von ihnen könnte, wenn er nicht extrem sparsam ist, von Geldgebern künftig viel kritischer angeschaut werden. Plötzlich wird klar, dass auch EU-Länder zahlungsunfähig werden können. Das bedeutet die Gefahr höherer Zinsen und damit noch mehr Druck auf die Staatsfinanzen der bisher scheinbar noch ungefährdeten Länder.

Aber das ist ein absolut unverzichtbarer Preis für die Einkehr der Vernunft! Denn es ist absurd, dass derzeit Kredite, die man einzelnen Staaten gibt, nach nationalen wie internationalen Regeln als absolut sicher gelten, dass Banken Staatsanleihen kaufen können und dafür im Gegensatz zu Krediten selbst an bombensichere Unternehmen keine Eigenkapital in der Bilanz rückstellen müssen.

Wenn diese Bevorzugung der Staaten einmal gefallen ist, werden Gläubiger künftig vorsprechende Finanzminister viel weniger freigiebig behandeln. Das aber wieder würde in allen Ländern den Druck in Richtung auf geordnete Staatsfinanzen erhöhen.

Und nichts wäre gesünder als ein solcher Druck. Auch im Interesse unserer Kinder. Denn auch Österreich oder Deutschland stehen ja lediglich deshalb als scheinbare Felsen in der Brandung da, weil sie relativ stabiler sind als Griechenland oder Portugal. Vor 40 Jahren wären nämlich Deutschland wie Österreich mit ihren heutigen Schuldenquoten rettungslos in eine jahrelange Krise gestürzt.

Wir lernen: Vieles ist relativ, aber Schulden sind absolut schlecht. 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Ein Banker bringt die Republik in Aufregung

17. Mai 2011 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Andreas Treichl ist das Gegenteil eines Diplomaten. Deswegen kommt der Erste-Bank-Chef freilich mit seinen Äußerungen der Wahrheit oft ein deutliches Stück näher als sonstige Firmenchefs, Beamte oder gar Politiker. Auch wenn man ihm nicht in jedem Aspekt zustimmen kann.

Gewiss: Die Aussage, Politiker wären „zu blöd“, ist ein absolut mehrheitsfähiger Satz. Er hat sogar Chancen auf eine Zweidrittelmehrheit. Vor allem schon deshalb, weil auch die Aussage selber an den Zuhörer keine hohen intellektuellen Ansprüche stellt. Daher können ihr auch all jene zustimmen, die die konkrete Beschwer Treichls intellektuell gar nicht zu verstehen imstande sind.

Aber dennoch sollten sich auch die Banker an der Nase nehmen: Wo haben sie sich wirklich intensiv bemüht, das Wirtschaftsverständnis von einfachen Politikern und Bürgern zu verbessern? Damit sind deutlich mehr Anstrengungen als nur  ein paar Pressekonferenzen gemeint, bei denen die Bankenchefs mit ein paar ebenso insiderisch wie sie denkenden Wirtschaftsjournalisten  parlieren. Völlig unzureichend sind in einer pluralistischen Demokratie auch bloßes Naserümpfen über Politiker und Hinterzimmer-Interventionen bei diesen und ihren Beamten. Hier geht es immer um öffentliche und veröffentlichte Meinung. Nur die entscheidet, ob in Österreich noch ein Rest an wirtschaftlicher Vernunft gerettet werden kann.

Bei dieser Aufgabe helfen auch die üblichen Bosheiten und Intrigen nicht mehr weiter, die so manche Bank gerne über die andere ausstreut. Da bräuchte es eine geschlossene Argumentation.

Vor allem sollten sich alle großen Banken bewusst werden, dass es beim gegenwärtigen Bankenprügeln nicht nur um ein paar Sager zum Tag geht, sondern um eine politische Strategie. Die SPÖ baut nämlich für den nächsten Wahlkampf schon ein klares Feindbild und Aggressionsobjekt auf: Banken und Millionäre.

Instrumente dieser Kampagne werden die gebetmühlenartig wiederholten Forderungen nach noch höheren Banken- und Vermögenssteuern sein, mit denen der aus jeder Finanzierbarkeit rinnende Wohlfahrtsstaat zugunsten der eigenen Klientel noch eine Zeitlang am Leben gehalten werden soll. „Fresst die Reichen“ wird zweifellos der Wahlkampfschlager Nummer eins. Das wird der SPÖ umso leichter gelingen, als sie und ihr ÖGB in den letzten Jahren alle sozialdemokratisch gefärbten Banken kaputt gemacht und ans Ausland verjuxt haben. Der Bogen reicht von der einstigen Zentralsparkasse bis zur Bawag. Diese peinlichen Crashes roter Finanzpolitik machen aber nun die Attacke auf die Banken sehr leicht. Da braucht man auf niemanden mehr Rücksicht üben.

Die SPÖ folgt damit dem wirtschaftlichen Primitivpopulismus der Blauen. Sie will taktisch um jeden Preis einem neuerlichen Ausländer- und Political-Correctness-Wahlkampf aus dem Weg gehen, der nur die FPÖ noch weiter aufwerten würde. Freilich ist zumindest klugen Sozialdemokraten bewusst, dass die Grünen und damit die vielen grün agierenden Journalisten ihnen sowieso wieder das Anti-Strache-Thema aufzwingen werden.

Schwerer verständlich ist die Reaktion der Banken. Wenn sie schon als Schlachtopfer des nächsten Wahlkampfes auserkoren sind, dann sollten sie zumindest zu kommunizieren versuchen, weshalb es für Österreich sehr vorteilhaft ist, die Zentrale relativ großer Banken im Land zu haben. Nämlich vor allem für die Bewahrung hochqualitativer und damit Steuern und Wertschöpfung schaffender Arbeitsplätze. Das gleiche gilt auch für die Großindustrie, die ja ebenfalls durch politischen Populismus (in diesem Fall mit grünem Anstrich) zunehmend vertrieben wird. Und auch "nur" vermögende Leute, die mit ihren Millionen hier leben, sind besser als Menschen, die mit ihren Millionen anderswo leben. Bei allem nachvollziehbaren Neid.

Was den Steuerzahlern ebenfalls noch nie klargemacht worden ist: Die einzigen Banken, die uns Geld kosten, sind ähnlich wie in Deutschland von Politikern beeinflusste Institute. Ob diese Politiker-Banker nun Claudia Schmied oder Jörg Haider geheißen haben.

Noch einmal zurück zu Treichl: Natürlich hat er in dem konkret von ihm der Politik angekreideten Punkt recht. Es ist einfach absurd, wenn für eine Bank auf Grund der rechtlichen Eigenkapitalvorschriften Kredite an noch so wacklige Staaten (=Anleihen) viel weniger Kosten verursachen als solche an noch so stabile Unternehmen.

Nur irrt  Treichl bei der Analyse der Ursache: Da steckt weniger Blödheit der Politiker dahinter als raffinierter Egoismus. Denn wäre der Kauf von Staatspapieren nach korrekten Marktmechanismen zu bewerten – also als erkennbar riskant werdende Investition –, dann müssten die Staaten endlich ernstlich anfangen zu sparen. Ihre Kreditaufnahme wäre nämlich sonst bald unerschwinglich teuer. Die Wahrscheinlichkeit ist aber erfahrungsgemäß groß, dass Parteien, die plötzlich sehr sparsam agieren, beim nächsten Mal sofort abgewählt würden. Also ist das Ganze nur für die Staatsfinanzen blöd – und zwar auf Grund der Blödheit der Wähler, die sparsame Regierungen des öfteren bestrafen. Parteipolitisch ist dieses Verhalten hingegen durchaus klug. Denn Parteipolitik schaut immer nur bis zum nächsten Wahltag.

Treichl erweckt freilich einen falschen Eindruck, wenn er so spricht, als könnte die österreichische Politik alleine diese Verzerrung der Kreditbedingungen sanieren. Das beruht längst alles auf internationalen Abkommen, die Österreich alleine nicht ändern kann, selbst wenn es wollte.

Noch einen Fehler hat Treichl begangen, den er inzwischen aber ganz heftig bereut: Er hat sich im Winter 2008/09 unter heftiger Selbstkritik als erster Bankchef interessiert erklärt, die staatlichen Kredite zur Absicherung seiner Bank entgegenzunehmen. Heute weiß man, die Erste Bank hätte das nicht gebraucht. Sie wäre nie und nimmer in Gefahr geraten. Das einzige, was ihr freilich gedroht hätte, wäre eine zumindest teilweise feindliche Übernahme durch einen ausländischen Eigentümer gewesen.

Das hätte zwar die Einlagen und Arbeitsplätze nicht gefährdet. Das wäre aber für die österreichischen Steuereinnahmen, für den Wert des Standortes wie möglicherweise auch für das Management schlecht gewesen. Jedenfalls hat die Nationalbank heftigen Druck auf die Banken ausgeübt, das staatliche Geld zu nehmen. Und keine Bank will sich allzu leichtfertig und frontal mit der Nationalbank anlegen. Kann diese doch ein sehr schikanöses Aufsichtsregime führen.

Dennoch war für Raiffeisen und Erste Bank die Annahme des Geldes ein Fehler. Denn es war bei einigem politischen Gespür vorauszusehen gewesen, dass sie ab dann von der Politik ständig dafür geprügelt werden (ungeachtet der saftigen Zinsen für die Staatskassen). Diese Staatsgelder in Bankenkassen kommen ja bei den Menschen mit folgender Story an: Wir haben mit unserem Steuergeld konkursreife Banken und deren luxuriös bezahltes Management gerettet.

Diese lustvoll vor allem von der SPÖ gesponnene Botschaft ist in der Wirkung für jeden Betroffenen natürlich verheerend. Da kommt der SPÖ die gleichzeitige Verdoppelung der Aufsichtsratsbezüge bei der Erste Bank natürlich besonders gut zupass. Die war alles andere als klug – vor allem, wenn es keine ausreichende Informationsstrategie der Bank als Begleitmusik gibt (wobei ja die Argumente auf der Hand liegen: Die Aufsichtsratsbezüge wurden viele Jahre nicht erhöht, im internationalen Vergleich sind sie noch immer viel niedriger; gleichzeitig wurde die persönliche Haftung der Aufsichtsräte größer usw). Bleibt nur anzunehmen, dass die Bank von ihren versagenden PR-Beratern jetzt wenigstens das Agenturhonorar zurückfordert.

Manche Leser werden freilich meinen: Geschieht den Banken doch durchaus recht. Sie zahlen keine wahrnehmbaren Zinsen aufs Sparbuch; kein Spitzenmanager hat dort in der Finanzkrise den Job verloren; und die Banken spekulieren heftig. Während die ersten beiden Vorwürfe weitgehend berechtigt sind, ist der dritte falsch: Die österreichischen Banken arbeiten viel konservativer, also vorsichtiger als ihre internationalen Konkurrenten. Sie haben einen viel geringeren Anteil ihrer Bilanzsummen riskant veranlagt – auch wenn in schweren Krisen natürlich jeder Kredit umfallen kann.

Aber die Banken sind auch mit dieser Botschaft nicht imstande, an die Öffentlichkeit zu dringen. Und noch weniger können sie das mit der allergrößten Gefahr, die ihnen nun droht. Es wächst nämlich die Wahrscheinlichkeit, dass nach Bank Austria und Bawag noch eine weitere Großbank Richtung Ausland wegschwimmt.

Bei der Erste Bank deutet schon viel auf eine Auswanderung hin. So zeigte sich Treichl schon mehrfach überzeugt, dass Österreichs Rating (und damit auch das aller österreichischen Unternehmen) im kommenden Jahr schlechter werden wird. Damit wird die Refinanzierung aber auch für seine Bank empfindlich teurer. Zweitens will die Bank die Schulden bei der Republik möglichst bald zurückzahlen, um ihre volle Freiheit zurückzugewinnen – auch wenn sie das vor Vorliegen des nächsten Banken-Stresstests noch nicht kommunizieren will.

Und drittens ist die Erste Bank längst eine mittel- und südosteuropäische Bank und keine österreichische mehr. Sie kann sich daher legitimerweise ihren Sitz dort wählen, wo die Rahmenbedingungen am besten sind. Dabei geht es etwa um Steuersätze, um das nationale Rating, um die Infrastruktur und deren Kosten, um die Qualität und Quantität der Mitarbeiter oder um die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten des Landes. Vieles davon ist in Prag oder Pressburg längst deutlich besser. Und last not least geht es um den Umgangston zwischen Politik und Wirtschaft, der über die Zukunft des Standortes Wien entscheiden wird.

All das sollte sich die SPÖ vor Augen halten, wenn sie ihre Dobermänner Ostermayer und Kräuter wieder von der Leine lässt.

PS: Ich scheue sonst vor Beiträgen über Institutionen zurück, denen ich mich verbunden fühle. Das ist  im Fall der Erste Bank seit meiner Kindheit der Fall. Aber dennoch kann ich im aktuellen Fall nicht an der Debatte vorbeigehen. Ich wollte mit diesem PS zumindest offenlegen, dass ich der Erste Bank nicht so wertfrei gegenüberstehe wie anderen Objekten meiner Kommentare.

 

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Nicht nur eine Vergewaltigung

15. Mai 2011 12:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eigenartig, wie viele Prominente in letzter Zeit über Sexaffären stolpern. Nach dem Wikileaks-Chef und dem bekanntesten deutschen Wetter-Journalisten hat es nun den von vielen Linken schon als kommenden französischen Präsidenten gesehenen Dominique Strauss-Kahn erwischt. Dabei ist eine zweite schwere Sünde des Franzosen in den letzten Monaten ganz untergegangen. (Mit einer späteren Ergänzung am Ende)

Der Noch-Chef des Internationalen Währungsfonds hat nun in den USA jedenfalls mit einem Verfahren zu rechnen, weil er ein Zimmermädchen zu vergewaltigen versucht und dabei auch verletzt haben soll. So etwas ist in Amerika alles andere als ein Kavaliersdelikt. Aber vielleicht kann sich Strauss-Kahn noch irgendwie durch einen Diplomatenpass retten. Man wird sehen.

Jetzt kann man über die Häufung solcher Fälle viel spekulieren, die ja in den letzten Monaten auch einige österreichische Politiker ins Schleudern gebracht haben. Ist das nur Zufall? Ist es ein neues Phänomen bei Männern auf dem Gipfel des Erfolgs, die glauben, sich ungestraft einfach alles nehmen zu können, wonach ihnen gelüstet? Ist es ein Zeichen eines neuen Selbstbewusstseins von Frauen, die sich einfach auch von mächtigen Männern nicht mehr alles gefallen lassen? Oder wird im Zeitalter des Feminismus der Vergewaltigungsvorwurf auch allzu leicht erhoben, um sich etwa wegen der Nichteinhaltung von Treue-Versprechen zu rächen (wofür freilich bei den Hotel-Aktivitäten von Strauss-Kahn gar nichts spricht, soweit man den Fall kennt)?

Da mögen vielleicht irgendwie alle Faktoren im Spiel sein. Ich wage es aber nicht, einen konkreten generalisierenden Schluss zu ziehen.

Was aber schon sehr deutlich auffällt, ist die Hemmungslosigkeit, mit der Strauss-Kahn in den letzten Wochen als IWF-Chef agiert hat. Er wollte ja ganz offensichtlich von der Funktion des weltweit obersten Hüters der Finanzen und Währungen aus direkt in den französischen Präsidentenpalast wechseln. Und er hat dazu zuletzt ungeniert sozialistische Rhetorik in seine Stellungnahmen einfließen lassen. Von Woche zu Woche wurden „Jobs, Jobs, Jobs“ wichtiger und die Sorge um die überschuldeten Staatsfinanzen geringer.

Das war ziemlich widerlich. Natürlich sind Jobs wichtig. Aber wenn sie plötzlich im Munde des obersten internationalen Währungshüters eine dominante Rolle spielen, dann wird dadurch aus taktischen Wahkampfgründen die alte linke Illusion wiederbelebt, man könne dauerhafte Arbeitsplätze mit Geld, mit finanzpolitischen Maßnahmen schaffen. Das ist im Grund das gleiche Gift wie Kreiskys simple Annäherung an die Wirtschaftspolitik: Lieber Schulden als Arbeitslose. Was ja am Schluss immer zu einem klaren Ergebnis geführt hat: Man hat Schulden UND Arbeitslose.

Strauss-Kahn sprach nie von den wahren Ursachen der Arbeitslosigkeit in Europa: zu hohe Löhne; zu viele gesetzliche Regulierungen und Verbote für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen könnten; ein auf Leistung vergessendes und von Gleichheitsideologen unterwandertes Bildungssystem; und ein Wohlfahrtssystem, das durch Grundeinkommen und andere Maßnahmen die Anstrengungen eines Jobs als überflüssig erscheinend lässt. Was wohl beweist, dass man Menschen in solchen Funktionen auf mindestens fünf Jahre nach Jobende jede politische Betätigung verbieten sollte.

(Spätere Ergänzung: Nicht, dass ich die Leser mit jedem einzelnen ORF-Skandal langweiligen möchte. Aber die Berichterstattung der Zeit im Bild über die Affäre Strauss-Kahn könnte ein weiteres Schulbeispiel für jedes Lehrbuch sein, mit welchen Methoden der ORF die Fakten biegt und beugt - ohne dass er direkt lügen würde. Denn in einem ausführlichen Beitrag über die Vergewaltigungsvorwürfe wurde rund zehn Mal erwähnt, dass Strauss-Kahn Chef des Währungsfonds ist, und zwei Mal, dass er beinahe Präsidentschaftskandidat geworden wäre. Aber nicht einmal andeutungsweise erfuhr man, dass er der Kandidat der französischen Sozialisten geworden wäre. Bei negativen Meldungen über einen Politiker wird im ORF nämlich die Parteizugehörigkeit immer nur dann gemeldet, wenn dieser einer Partei rechts der Mitte angehört.)

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Wie das Wetter so spielt

15. Mai 2011 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Öffentlichkeit wird ständig von nach Aufmerksamkeit heischenden Meldungen verwirrt. Aber nur selten wird der notwendige Zusammenhang hergestellt. Wie etwa zwischen folgenden drei Meldungen rund um das Klima.

Erstens: 200 Alternativ-Energie-Firmen protestieren öffentlich gegen die Ökostromnovelle, weil darin die Förderungen für sie limitiert werden, obwohl sie ohnedies vermehrt werden.

Zweitens: Die Voestalpine, Österreichs größter Industriekonzern, will künftig wegen der strengen Klimaschutz-Ziele der EU nur noch außerhalb Europas investieren.

Drittens: Die UNO-Universität prophezeit, dass es im Jahr 2010 Fünfzig Millionen Umwelt- und Klimaflüchtlinge geben wird. Für die braucht es einen verstärkten Klimakampf und natürlich große internationale Geldmittel.

Doch hoppla: Die dritte Meldung ist leider nicht neu, sondern stammt vom 11. Oktober 2005. Inzwischen ist sie von den UNO-Internet-Seiten wieder sorgfältig gelöscht worden, doch im bösen Google-Zwischenspeicher noch aufbewahrt.

Damit aber schließt sich der Kreis zwischen den drei Meldungen. Die UNO, die EU und etliche andere Organisationen – samt eifriger Mithilfe der Mainstream-Medien – ereifern sich rund um die Uhr, um Warnungen wegen einer angeblichen globalen Erwärmung auszustoßen. Doch immer zahlreicher werden nun im Lauf der Zeit die Beweise, wie sehr dabei gelogen und betrogen worden ist und weiter wird, dass sich die internationalen Konferenzsäle eigentlich biegen müssten.

Diese Lügen haben jedoch ein klares Motiv: Eine gewaltige Industrie – zu der neuerdings auch schon clevere Autoproduzenten wie VW gehören – verdient mit Hilfe des grünen Zeitgeists Milliarden an den diversen Windmühlen und Solarpanelen. Würde nicht ständig diese Panik geschürt, würden es sich die Konsumenten zweifellos nicht gefallen lassen, dass über ihre Stromrechnung eine immer größere Subventionssumme Richtung all jener Firmen fließt, die Wind und Sonne richtig buchstabieren können (während der ebenfalls von der Panik profitierende Atomstrom wenigstens billiger ist).

Die Rechnung trifft aber nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Industrie, die durch immer strengere Klima-Auflagen (sowie durch die hohen Stromkosten und Lohnkosten, durch die strengen Sicherheitsauflagen und Rechtsvorschriften, und durch die zunehmend untragbarer werdenden Steuersätze) aus Europa vertrieben wird.

Was dabei völlig unverständlich bleibt: Kein Politiker kümmert sich um diese drohende  Abwanderung der industriellen Arbeitsplätze – ohne die es aber keinen Wohlstand geben kann. Jedoch plappern alle Parteien bis zum letzten Oppositionsabgeordneten die schrillen Alarmrufe der Klimaalarm-Lobby nach. Oder es gibt zumindest keinen, der sich schlichten, aber besonders schrillen „Experten“ wie Nikolaus Berlakovich und Eva Glawischnig in den Weg zu stellen wagt.

Denn selbst wenn die Alarmlobby recht hätte, hilft es dem Weltklima überhaupt nichts, würde Europa unter gewaltigen Kosten und Kasteiungen seine CO2-Emissionen wirklich reduzieren. Denn das hätte logischerweise nur eine Konsequenz: Europas Nachfrage nach Erdölprodukten würde sinken. Das würde deren Preis hinunterschrauben, worauf in Asien naturgemäß noch mehr des  billiger gewordenen Öls verbraucht würde.

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Die Pleite-Dementierer

13. Mai 2011 19:54 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Unschwer läßt sich explizieren,
dass das Wörtchen „dementieren“
was zu tun hat mit „Demenz“:
Nicht nur sagen’s Philologen,
auch die Euro-Demagogen
liefern dafür Evidenz.

Denn selbst wider bessres Wissen
dementieren sie beflissen,
was für alle evident,
und das heißt, bei ihrem Walten
über Milliarden halten
sie die Bürger für dement!

Falls sie selbst nichts wissen aber,
wäre es erst recht makaber,
denn dann hätten eklatant
die Verteiler der Kredite
kognitive Defizite -
kurz, was als Demenz bekannt.

Nun, die erste Variante
ist in Politik Konstante:
Man versucht dem kleinen Mann
einzutrichtern noch und nöcher,
dass sogar die schwarzen Löcher
man mit Bürgschaft stopfen kann.

Also dementiert man munter,
spielt die Krisenzeichen runter,
gibt sich stets als Optimist
und man hofft, das große Zahlen
kommt erst nach den nächsten Wahlen,
wenn man weg vom Fenster ist!

Mit dem Geld von Tante Frieda
wäre so was einfach Krida,
doch in dem Fall ist der Lohn
anders als im Alltagsleben:
Defraudanten kriegen eben
die Ministerpension …

Pannonicus 

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Rating – warum guter Rat teuer ist

12. Mai 2011 01:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Schwere Fehler der Ratingagenturen: Über diese Diagnose war man sich nach Ausbruch der Rezession rasch einig. Rasch wurde von der EU darauf die Gründung einer eigenen Rating-Agentur angekündigt. Um die ist es auffallend still geworden – zu Recht.

Die Fehler der Agenturen: Sie haben Papiere mit einem hohen Risikofaktor völlig falsch eingestuft. Das traf insbesondere amerikanische Immobilienverbriefungen. Denen war hohes Vertrauen entgegengebracht worden. Erstens weil Immobilien, zweitens weil Amerika, drittens weil Risikostreuung durch die Verbriefung. Man hat aber übersehen, dass Verbriefungen eher eine Risikokumulierung sind. Sobald der amerikanische Immobilienmarkt einbricht, geraten alle verbrieften Kredite gleichzeitig unter Druck. Ein peinlicher Fehler, der langfristig die Agenturen viel Vertrauen gekostet hat – zu Recht.

Vorsätzlicher Betrug konnte ihnen jedoch nicht nachgewiesen werden. Und völlig unberechtigt war dann die insbesondere von vielen europäischen Politikern vorgebrachte Kritik, weil die Rating-Agenturen in der Folge viel vorsichtiger wurden. Sie begannen, auch Staaten schlechtere Zeugnisse auszustellen. Denn sie erkannten, dass nicht nur Immobilien, sondern auch Staatsanleihen keineswegs absolut sicher sein können. Das absolut sichere Investment kann es gar nicht geben, ebensowenig wie eine rezessionsfreie Konjunktur.

Dennoch bastelte die EU lebhaft an einer eigenen Agentur, weil die anderen eine proamerikanische Schlagseite hätten. Diese dürfte es zumindest im Unterbewusstsein wohl wirklich gegeben haben. Nur übersah auch die EU, was das Allerwichtigste an einer Bewertungsagentur ist: das in sie gesetzte Vertrauen der Anleger.

Solches Vertrauen wird aber einer von Politikern geschaffenen Agentur mit Sicherheit noch viel weniger entgegengebracht. Sie hätte sich etwa lange nicht getraut, Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien abzuwerten. Diese  Downratings waren zwar mehr als legitim, trotzdem attackiert die Politik gerne die Diagnose als Ursache eines Problems.

Das ändert nichts an der Vertrauenskrise der alten Rating-Agenturen. Abgesehen davon, dass Hellseherei ohnedies unmöglich ist, und im Wirtschaftsleben erst recht, haben sie noch einen großen Nachteil: Sie werden in der Regel von den bewerteten Firmen und Institutionen bezahlt. Das übt unterschwellig Druck aus, auch wenn er geleugnet wird. Aber wäre eine Agentur immer besonders streng, würden bald die Aufträge ausbleiben.

Anleger – die eigentlichen Profiteure seriöser Analysen – sind jedoch bis auf eine kleine Minderheit nicht bereit, für solche Dienste auch noch etwas zu zahlen. Daher müssen sie sich letztlich immer selbst aus möglichst vielen Informationen ein eigenes Bild malen: aus Aussagen der Rating-Agenturen, der Banken, der Anlegerschutzverbände, der Nationalbanken und Finanzaufseher. Und last not least aus seriösen Medien.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Stell dir vor, es geht das Licht aus

10. Mai 2011 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Europas Staaten sind heute von vier Herausforderungen existenziell bedroht, die alle bei der Gründung der europäischen Gemeinschaften unbekannt oder zumindest völlig irrelevant gewesen sind. Erstens die Finanzkrise; zweitens die demographische Krise samt ihren Migrations-Konsequenzen; drittens die Überdehnung der meisten Wohlfahrts-Systeme; und viertens die Energiekrise.

Fast alle diese Krisen (mit Ausnahme des seit rund 1968 stattfindenden Gebärstreiks der Europäer) lassen sich auf populistisches Verhalten der Regierungen und auf ihre Unfähigkeit zurückführen, langfristig notwendige Entscheidungen durchzuziehen. Das gilt ganz besonders auch bei der aktuellsten Krise, jener der Energieversorgung – obwohl diese Krise den Europäern viel weniger bewusst ist als die anderen. Woran die Tatsache nichts ändert, dass die erste europäische Gemeinschaft eine für Kohle und Stahl gewesen ist.

Alle Statistiken zeigen: Das Wirtschaftswachstum ist ganz eng mit der Zunahme des Energieverbrauchs verbunden. Daran können nur völlig realitätsfremde universitäre Theoretiker vorbeigehen. Noch weltfremder sind die Aussagen, dass wir ja gar kein Wirtschaftswachstum bräuchten. Was wirklich los ist, wenn die Wirtschaft nicht wächst, hat man ja in den 18 Monaten nach dem September 2008 sehen können. Da haben besonders die Kritiker des „Wachstumsfetischismus“ am heftigsten aufgeschrien.

Keine Demokratie steht einen Wachstums-Stopp dauerhaft durch. Aber auch Diktaturen nicht: Denn jede seriöse Analyse zeigt, dass die jüngsten Serienrevolutionen in der arabischen Welt vor allem wirtschaftliche Gründe hatten, also Nachfolgen der großen Krise waren.

Europa mit leistbarer Energie zu versorgen ist daher eine der größten und unverzichtbaren Herausforderungen der nächsten Jahre. Die Vorzeichen eines Gelingens stehen jedoch rundum auf Sturm.  Die derzeit zu beobachtenden und schon heftig kritisierten Preiserhöhungen von Treibstoffen und Strom sind da nur ein sanftes Vorlüfterl.

  1. Seit Fukushima ist die in den letzten Jahren weltweit wiederbelebte Atomenergie in der Öffentlichkeit – vor allem, aber nicht nur der deutschsprachigen Länder – massiv diskreditiert. Auch wenn in Fukushima bisher offenbar kein Todesopfer zu verzeichnen ist, auch wenn das japanische Atomkraftwerk „nur“ durch den Tsunami und nicht durch das Rekord-Erdbeben zu Schaden gekommen ist, so sind doch die deutlich erhöhte Radioaktivität rund um das AKW und vor allem die intensiven weltweiten Berichte darüber nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Diese Berichte haben in einer sehr chaotischen Informationslage immer die allerschlimmsten Möglichkeiten und Hypothesen herausgearbeitet. Lediglich sehr harte Regierungen wie die chinesische können in dieser Situation noch neue Atomkraftwerke bauen.
    Schon das Herunterfahren einiger alter deutscher Atomkraftwerke hat zu schlimmen Auswirkungen geführt: Die Service-Revisionen aller anderen Kraftwerke werden seither verschoben, die französischen Exporteure von Atomstrom verdienen sich goldene Nasen, und sämtliche Reservekraftwerke mit Gas und Strom sind hochgefahren worden.
  2. Die Versorgung mit Öl ist zumindest kurzfristig schwer bedroht. Die Konflikte im Nahen Osten haben manche Lieferwege jetzt schon gesperrt. Der Reichtum, den Öl für die Förderländer bedeutet, hat aber auch darüber hinaus erstaunliche destabilisierende Folgen. Es ist kein Zufall, dass es in keinem Ölland bis auf Norwegen stabile demokratische Strukturen gibt. Von Russland über Nigeria bis Venezuela wird wohl in allen künftigen Geschichtsbüchern vom Unheil zu berichten sein, den der Ölsegen den dortigen Gesellschaften zugefügt hat. Jeder Goldrausch der bisherigen Geschichte hat ja in der Tat das soziale Netzwerk einer Gesellschaft und die kollektive Leistungsbereitschaft, aber auch die innere Disziplin schwer beschädigt.
  3. Wie sieht es mit der Kohle aus? Hier reichen die Vorräte zwar jedenfalls noch einige hundert Jahre. Kohle ist aber mit Sicherheit – ganz unabhängig von allen Global-Warming-Theorien – eine umweltbelastende Quelle der Energiegewinnung. Der österreichische Bundeskanzler hat sich bei seinem jüngsten Chinabesuch sowohl für einen Verzicht auf Nuklearstrom wie auch Kohlestrom ausgesprochen. Was dort zwar auf kein Verständnis stößt, aber bezeichnend für die in Europa dominierende Einstellung ist.
  4. Die noch größere Bedrohung unserer wirtschaftlichen Zukunft ist aber die seit einigen Jahren kursierende Angst vor einer globalen Erwärmung. Wohl wächst die Zahl der Zweifler an jener These, wohl sind schon heute viele der in den 80er und 90er Jahren gemachten Global-Warming-Prophezeiungen als unrichtig entlarvt. Der Kampf gegen eine vermeintlich menschengemachte globale Erwärmung ist aber ein Eckstein jeder europäischen Politik geworden. Europa nimmt als einziger Kontinent viel Geld in die Hand, um technisch völlig unzureichende Energiequellen wie Windmühlen und Solarpaneele zu fördern und um den globalen Emissionshandel zu finanieren. Es hat dabei zwar nur recht magere Ergebnisse erzielt, den Arbeitsplatz-Standort Europa jedoch durch die hohen Kosten schon deutlich beeinträchtigt.
    Würde Europa übrigens in seinem teuren Kampf gegen die befürchtete Erwärmung wirklich die beabsichtigte starke Reduktion von Öl und Gas gelingen, dann hätte das vor allem ein automatisches Ergebnis: Benzin, Kerosin und Diesel würden auf den Weltmärkten wieder billiger. Das aber würde wiederum jeden Druck auf andere Kontinente, sparsamer mit diesen Produkten umzugehen, automatisch ins Gegenteil verkehren. Damit ist jedenfalls der europäische Kampf zwar keineswegs gratis, aber sicher umsonst und vergeblich.
  5. Sonnen- und Windenergie wiederum sind nach wie vor so teuer und unverlässlich, dass sie höchstens im Märchenbuch und in Politikerreden imstande sind, die Energielücke zu schließen. Ganz abgesehen davon, dass mit Sicherheit die durch die Windmühlen und die neuen langen Stromleitungen entstehende Landschaftsverschandelung bald am Widerspruch der Menschen enden wird.
  6. Wasserkraft ist kaum noch ausbaubar. Sobald ein Projekt spruchreif wird, entsteht sofort heftiger regionaler wie internationaler Protest. Motto: „Überall, doch nicht hier bei uns.“
  7. Und schließlich haben wir auch noch ein kleines Problem mit derv von der Agrarwirtschaft forcierten Bioenergie. Wenn riesige Agrarflächen nicht mehr mit Essbarem, sondern mit Fahrbarem (also Biosprit-Gewächsen) bepflanzt werden, dann wird die durch Überbevölkerung, steigenden Lebensstandard und Energiepreise ohnedies schon überbeanspruchte Lebensmittelproduktion noch viel mehr leiden.

Da ist für Europa guter Rat teuer. Nur wenige Empfehlungen lassen sich mit Sicherheit geben. Die eine ist, dass jeder europäische Alleingang sinnlos und absurd ist; dazu ist Europa längst schon zu unbedeutend und wirtschaftlich schwach. Der zweite ist, dass man der Wissenschaft alle Freiheiten geben muss, an Antworten auf das Energieproblem zu forschen. Der dritte ist: Mehr Ehrlichkeit in der Kommunikation mit dem Bürger; denn solange diesem nicht klar ist, dass der Strom eben nicht nur aus der Steckdose kommt, sondern auch aus einem dieser unerwünschten Kratfwerke, kann es keine vernünftige Energiepolitik geben; am Schluss wird sowieso nur jener Politiker respektiert, der sich auch mutig zeigt und nicht nur ein Fähnchen im Wind der gerade aktuellen Medienaufregung ist. Der vierte ist: Je mehr sich staatliche Eingriffe gegen die Marktmechanismen richten, umso stärker werden diese an unerwarteter Stelle wieder wirksam.

All das gilt natürlich in gleicher Weise für die EU-Institutionen wie auch die Staaten.

PS.: Und wovor fürchte ich mich persönlich? Am meisten vor der drohenden großen sozialen Explosion als Folge von Schuldenwirtschaft und Energiemangel; weniger vor der Verhässlichung Europas durch Windkraftwerke; noch weniger vor einer verantwortungsbewussten Nutzung der Atomenergie; und überhaupt nicht vor einer Globalen Erwärmung.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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In welchem Bundesland gibt es wie viele PKW?

09. Mai 2011 20:46 | Autor: Andreas Unterberger

PKW Bestand nach Bundesländern 2010 in Tausend

 

Bundesland PKW in Tsd.
Niederösterreich

970

Oberösterreich

816

Steiermark

676

Wien

669

Tirol

351

Kärnten

324

Salzburg

275

Vorarlberg

186

Burgenland

173

Quelle: Statistik Austria

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Was für Kraftfahrzeuge haben die Österreicher?

09. Mai 2011 20:40 | Autor: Andreas Unterberger

Österreichs Kfz-Bestand 2010 nach Antrieb und Verwendung in Tausend

 

Art des Kfz Bestand in Tausend
Gesamt

6.092

Pkw

4.441

von Pkw: Diesel

2.446

von Pkw: Benzin

1.988

Zugmaschinen

432

Lkw

380

Motorräder

393

Motorfahrräder

304

Quelle: Statistik Austria

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Fußnote 194: Die Statistik zeigt die Erfolge der Gesamtschule

09. Mai 2011 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Österreich werden die Erfolge der Gesamtschul-Versuche unverständlicherweise geheimgehalten. Dabei lassen sie sich durch internationale Statistiken längst beweisen.

Sind doch die Bankrott- oder Fast-Bankrott-Länder Europas allesamt Gesamtschulländer: Portugal, Irland, Griechenland, Spanien. Alle vier liegen noch in einer weiteren Statistik ganz an der Spitze: bei der Jugendarbeitslosigkeit (die auch in einem weiteren Vorbildland, nämlich Finnland, sehr hoch ist). Während die Schweiz, Österreich und Süddeutschland jämmerlich abfallen, sowohl in Sachen Jugendarbeitslosigkeit wie auch Bankrottgefahr wie auch Ausbreitung der Gesamtschule. Zum Glück gibt es in Österreich wie Deutschland genug Politiker, die an einer Ausmerzung dieser Defizite arbeiten.

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Lasset uns staunen

08. Mai 2011 00:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In dieser Welt – vor allem in diesem Land – passieren ständig Dinge, die einem den Mund vor Staunen offen lassen. Und die logischerweise in vielen Köpfen zu bösen Schlussfolgerungen führen. In den letzten Tagen musste man etwa staunen über die österreichischen Moslems, über die Beziehungen der SPÖ zur Korruption, oder über den Umgang der Schweiz und der Belgier mit Asylwerbern, von dem man in Österreich nicht lernen will.

Die Beispiele im einzelnen:

Die arbeitslosen Privatschuleltern

Das einzige islamische Privatgymnasium Europas steht laut der „Zeit“, dem deutschen Blatt für die Alt-68er, in – Wien. Dass diese Schule von der „Zeit“ des langen und breiten berühmt wird, braucht nicht extra betont zu werden. Überaus erstaunlich ist aber, was man über die Eltern dieser Schüler erfährt: Nicht weniger als die Hälfte ist arbeitslos - die Eltern haben aber dennoch laut „Zeit“ keine Probleme, sich die 120 Euro Schulgeld für eine korangemäße Erziehung zu leisten! Für dieses überaus erstaunliche Phänomen (zugegeben: Es ist lediglich für mich erstaunlich, die „Zeit“ stellt sich dazu keine Fragen, das wäre ja politisch unkorrekt) gibt es nur wenige denkmögliche Erklärungen. Jede davon ist aber überaus unerfreulich.

Erstens: Die Eltern sind gar nicht so arbeitslos, wie sie gegenüber den österreichischen Behörden tun. Zweitens: Die Sozialleistungen der (bekanntlich schwer verschuldeten) Republik sind so üppig, dass man sich von diesem Geld auch eine Privatschule leisten kann. Drittens: Es fließen geheimnisvolle „Spenden“ dafür, dass es in dieser Schule wirklich bis hin zum fünfmaligen Gebet ordentlich islamisch zugeht, weshalb die Eltern im Widerspruch zur Recherche der „Zeit“ keineswegs Schuldgeld zahlen. Von wem könnte dieses Geld kommen? Am ehesten wäre in diesem Fall auf den üppigen Subventionstopf der Gemeinde Wien zu tippen oder auf Saudi-Arabien. Osama bin Ladens Heimatland gibt ja überall Milliarden für radikal islamische Institutionen aus. Und gründet gerade in Kooperation mit dem Wiener Außenministerium eine dubiose interreligiöse Institution in Wien.

Die Politruks des Norbert D.

Dem Verteidigungsministerium von Norbert Darabos ist nun sogar von einem Gerichtsurteil rechtswidrige parteipolitische Schiebung bei Postenbesetzungen attestiert worden. Bei einer Beförderung war die Ausschreibung auf den „letztlich ernannten Beamten hingetrimmt“, so das Gericht. Dadurch wurde der „minder geeignete“ Kandidat an die Spitze einer wichtigen Abteilung gehievt. Die SPÖ entblödet sich aber trotz dieses vernichtenden Urteils nicht, nur wenige Tage danach diesen minder geeigneten Harald Schifferl auch noch zum Vorsitzenden der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter im Darabos-Ministerium zu machen.

Dennoch muss natürlich der Steuerzahler und nicht etwa die SPÖ einem unterlegenen Kandidaten nun einen satten Verdienstentgang zahlen. Plumper und unverschämter geht’s nimmer.

Die Ostermayer-Methoden und die Staatsanwaltschaft

Halt – es geht doch unverschämter. Denn der einzige Grund, warum dieser und andere Skandale im Heeresministerium nicht die Schlagzeilen füllen, heißt Josef Ostermayer. Er hat mit unglaublichen Methoden fast alle Medien auf SPÖ-Linie gebracht. Diese Methoden sind jetzt durch die Aussage eines ehemaligen ÖBB-Managers ziemlich brutal offengelegt worden.

Ostermayer hat einst als linke Hand des damaligen Verkehrsministers Werner Faymann direkt bei SPÖ-freundlich schreibenden Boulevardzeitungen wie der Kronenzeitung Inserate der aktienrechtlich eigentlich unabhängigen Bahn in Auftrag gegeben. „Die Bahn musste in ausgewählten Boulevard-Medien Inserate schalten, die das Ministerium bestellte.“ So der ÖBB-ler laut „Kurier“. „Das hat uns jedes Mal um die 30.000 Euro gekostet. Und die Kaltschnäuzigkeit war extrem. Man hat das einfach bestellt und uns dann die Rechnung geschickt.“

Gewiss muss man einschränken, dass der "Kurier" bisher nicht die Anonymität seiner Quelle gelüftet hat. Dennoch wäre in jedem anderen Land klar, dass sich nach solchen schweren wie konkreten Anschuldigungen die Staatsanwaltschaft von Amtswegen sehr genau jene Inseratenvergaben anschaut. Sie wäre in einem Rechtsstaat sogar verpflichtet, sich nun die Belege, die Aufträge, die Ausschreibungen, die Bemühungen eines ordentlichen Kaufmannes um den niedrigsten Preis und derlei mehr vorlegen zu lassen. In Österreich geschieht solches jedoch nicht. Da interessiert sich die Staatsanwaltschaft nur für Islam-Kritiker.

Genauso bleibt ja auch der Herr Jarolim ungeschoren, obwohl ihm ziemlich der gleiche Verdacht anhaftet wie dem Herrn Strasser. Hängt das so selektive Desinteresse der Strafverfolgungsbehörde an allen linken Korruptionisten vielleicht gar damit zusammen, dass die Leitung der Korruptionsstaatsanwaltschaft einem grünen Ex-Politiker anvertraut worden ist? Das könnte ja gewisse Beißhemmungen gegenüber der einzigen Partei erklären, die gerne mit den Grünen eine Koalition einginge.

„Zivilschutzanlagen sind zumutbar“

Der Direktor des Schweizer Bundesamts für Migration ist laut dem „Tages-Anzeiger“ empört: Denn die tunesischen Pseudo-Flüchtlinge, die auch die Schweiz überschwemmen, haben das angebotene Quartier abgelehnt. Eine Zivilschutzanlage sollte ihnen als Notunterkunft dienen. Praktisch alle dorthin zugeteilten „Flüchtlinge“ sind wieder weggegangen. Freilich nicht aus der Schweiz, sondern nur aus dem Quartier.

In der Schweiz können sie dennoch recht lange bleiben. Das humane europäische Asylrecht erlaubt keine zwangsweise Rückführung in jenes eigentlich nunmehr demokratisch gewordene Land; Begründung laut der Zeitung: Dort ginge es derzeit allzu chaotisch zu. Zugleich dauern Asylverfahren in der Schweiz auf Grund der vielfältigen, Österreich noch übertreffenden rechtlichen Möglichkeiten der angeblich politisch Verfolgten in der Regel jahrelang, wie die „Weltwoche“ gerade penibel aufgelistet hat. Derweil bleibt dem Chef des Migrationsamtes nur der Zorn über die anspruchsvollen Asylwerber: „Ich erwarte von Asylwerbern, dass sie solche Unterkünfte akzeptieren.“

Und in Österreich? Da wagt man nicht einmal, daran zu denken, dass man Asylwerbern so etwas Schlichtes wie eine Zivilschutzeinrichtung anbieten könnte. Da regen sich ja alle medialen Gutmenschen schon auf, wenn die „Flüchtlinge“ auf einem abgelegenen Berggasthof untergebracht werden sollen.

Auch Belgien wird konsequent

Österreichs neuer Integrationsstaatssekretär sollte sich nicht nur die Schweiz genauer anschauen. Überraschenderweise ist auch Belgien nach einem Rechsruck bei den Wahlen in Sachen Asylmissbrauch viel energischer geworden (obwohl es seit den Wahlen nun schon ein Jahr lang bloß eine provisorische Regierung gibt). Belgien hat nach Frankreich als zweites Land die Ganzkörperverschleierung verboten.

Es hat in den letzten Tagen außerdem von der EU die Aufhebung der Visa-Liberalisierung für Serbien verlangt. Der Grund: Seit dieser Liberalisierung beantragen viele Serben in der EU Asyl. Und deren Rückführung wird von Belgrad nicht gerade einfach gemacht. Entlarvend ist, dass am Tag nach dem Bekanntwerden der belgischen Drohung Serbien gleich 16 Polizisten wegen Dokumentenfälschung und Beihilfe zum Asylbetrug verhaftet hat.

Österreich hat nichts dergleichen beantragt.

Sebastian Kurz sollte sich langsam seinen wirklichen Aufgaben zuwenden, nachdem er nun langsam auch dem letzten Medium vermittelt hat, dass er eh kein Menschenfresser ist. Das gilt übrigens noch viel mehr für seine Ministerin, die ja die formal Zuständige für Asylanten ist. Die derzeit freilich vor allem eines tut: erstaunliche Unsicherheit auszustrahlen. Während sich die anfangs so attackierten Herrn Kurz und – insbesondere – Töchterle bisher ziemlich brillant präsentiert haben. Für Kurz wie Mikl-Leitner wird aber trotzdem bald die Stunde des Ernstes kommen, wo die Österreicher Taten und nicht nur Interviews von ihnen sehen wollen.

Die letzte Zigarette

Staunen und lernen könnten auch die österreichischen Gewerkschaften angesichts der Schließung der Tabakfabrik Hainburg. Denn die Begründung für diese Schließung, wie man sie zumindest in der „Presse“ lesen konnte, ist mehr als eindeutig.  „Hohe Lohnkosten, die Arbeitszeitregelung, andere Auflagen – da unterliegt Österreich gegenüber anderen Ländern.“ So formulieren es ein Sprecher der Firmeneigentümer, die künftig in Polen produzieren lassen. Dort spielen die restlichen Erklärungen offenbar keine Rolle, wie die Folgen der Krise, der wachsende Schmuggel (der natürlich eine Folge der ständig steigenden Tabaksteuern ist) und der Rückgang der Raucher.

Noch staunenswerter ist jedoch die Reaktion der Gewerkschaft. Die will von all dem nichts hören, sondern sieht die Schließung als Folge der Privatisierung. Offenbar hätte der ÖGB lieber wieder einmal den Steuerzahler gemolken, wie es bei fast allen staatlichen Unternehmen der Fall war, oder fast der Fall gewesen wäre, hätte man nicht rechtzeitig verkauft. Offenbar hat man im ÖGB auch vergessen, dass mit den Erlösen für die Austria Tabak nur die Schulden anderer von der Gewerkschaft geschädigten Staatsunternehmen beglichen worden sind.

 

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Fußnote 193: Eine neue Welt in 29 Jahren

06. Mai 2011 03:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein einziges Bild sagt mehr als Tausend Worte (und Zahlen): nämlich darüber, wie sich China seit dem Beginn des Kapitalismus verändert hat.

Das Bild zeigt die Stadt Chongqing in der Mitte Chinas zweimal, einmal im Jahre 1980 und einmal 2009. Der Unterschied ist ein Symbol, wie sich diese Welt in ganz wenigen Jahren verändert. Heute hat Chongqing im innersten Kern 4,3 Millionen Einwohner, 1980 waren es 2,5 Millionen. Damit ist die aber kaum schneller gewachsen als die Weltbevölkerung. Diese stieg im gleichen Zeitraum von 4,4 auf 6,9 Milliarden. Was aber viel stärker gewachsen ist, ist das Einkommen der Asiaten und ihr Anteil am Welthandel. Der hat sich als Folge unseres vor allem von den Chinesen gestillten Konsumhungers verdoppelt. Was die USA längst zum Bittsteller gegenüber China gemacht hat. Wer kann da noch zweifeln, dass das auch völlig neue Machtkonstellationen und kulturelle Dominanzen auslösen wird? Chongqing ist auch in einer anderen Hinsicht ein starkes Symbol: Wird der ganze Verwaltungsbezirk genommen, ist die Stadt mit 29 Millionen die größte der Welt. Und niemand hat ihren Namen noch vor wenigen Jahren gekannt …

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Populismus, Panik und Plutonium

05. Mai 2011 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es gilt als absolut unschicklich, einen Gesprächspartner nach Glauben oder Einkommen zu fragen. Das ist aber immer noch leichter als der Versuch eines differenzierenden Gesprächs über Atomenergie.

Dennoch sei gewagt, ein paar Fakten festzuhalten, um die man in so einem Gespräch nicht herumreden dürfte: Erstens, eine sichere Energieversorgung ist eine unverzichtbare Voraussetzung eines funktionierenden Wirtschaftsstandortes. Ohne Energie keine Arbeitsplätze und kein Wohlstand, der den des 18. Jahrhunderts übertrifft.

Zweitens, trotz Tschernobyl und (dem bisher in Hinblick auf Opfer glimpflich abgelaufenen) Fukushima ist eine Energiezukunft ohne Atomenergie nicht vorstellbar. Aus einer ganzen Reihe von Gründen: Die Vorräte an Öl werden – wenn auch später als prophezeit – spürbar knapper; Es gilt, statt der jetzt schon fast sieben Milliarden Erdbewohner in absehbarer Zeit mehr als neun Milliarden mit Energie zu versorgen; insbesondere in Süd- und Ostasien nehmen Wohlstand und damit Energieverbrauch alljährlich signifikant zu; kein System der Welt würde es überstehen, wenn es seinen Bürgern die Versorgung mit Energie kürzt; die Wasserkraft ist weitgehend ausgebaut; und Wind wie Sonne sind erstens in der Nutzung nicht nur teuer, sondern vor allem nicht immer verfügbar, selbst dann nicht, wenn man Europa mit gigantischen neuen Stromautobahnen quer durch den Kontinent durchpflügt.

Drittens: Auch die gegenwärtigen Atomkraftwerke sind problematisch. Die Endlagerung des Atommülls ist ein ungelöstes Problem (das durch flächendeckende grüne Protestaktionen noch vergrößert wird); das in AKW genutzte nukleare Material sowie die Wiederaufbereitungstechnologie können auch militärisch genutzt werden, was Diebstahl und unstabile Staaten zu einem gewaltigen Problem macht; und in diesen AKW ist eine Kernschmelze möglich, die wie in Tschernobyl Tausende Todesopfer fordern kann. Was vor allem in deutschsprachigen Ländern als völlig unakzeptables Risiko gilt, auch wenn jede andere Technologie zum Teil noch mehr Todesopfer fordert, auch wenn eine ausreichende Energieversorgung nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die durchschnittliche Lebenserwartung deutlich verlängert.

Was also tun? Der beste Ausweg scheint die Thorium-Hochtemperaturtechnologie. Sie ist zwar seit langem bekannt, wurde aber nicht eingesetzt, weil man sich einst weltweit für die Uran-Plutonium-Technologie entschieden hat, die sowohl militärisch wie auch zivil genutzt werden kann. Das war damals billiger. Und die Risken waren kein Thema. Bei Thorium-Kraftwerken ist keine Kernschmelze möglich; sie ist viel energieeffizienter; in diesen Kraftwerken kann der schon vorhandene Atommüll genutzt werden; es fällt kein waffenfähiges Material an; es gibt weltweit viel mehr Thorium- als Uran-Funde; und es entstehen viel weniger Rückstände.

Schade, dass an dieser Technik nur außerhalb Europas gearbeitet wird. Hier wird derzeit nur an der Panik gearbeitet. Die aber löst keines unserer Probleme.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Post, wo die Arbeit noch nicht erfunden ist

01. Mai 2011 02:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Post hat viel Geld in die Hand genommen, um mit anonymen Mystery Shoppern die Probleme der Kunden in den Postämtern zu analysieren. Und Überraschung, Überraschung: Die Menschen sind extrem unzufrieden. Das hätten die Postobermeister freilich von mir auch gratis erfahren können. Das Problem in einem Satz: Die Postämter sind nach wie vor Ämter im wahrsten Sinn des Wortes. Also Plätze, wo nicht nur am Tag der Arbeit nicht ordentlich gearbeitet wird.

Mitschuld daran ist auch das Postmanagement, das sind nicht nur die Beamten. Das zeigt etwa das aktuelle Beispiel der Portoerhöhungen, die an diesem Wochenende in Kraft treten. Diese Erhöhungen sind natürlich nur deshalb möglich, weil es der Post in Tateinheit mit der Verkehrsministerin gelungen ist, die private Konkurrenz so sehr zu schikanieren, bis diese entnervt aufgegeben hat. Dabei haben viele darauf gehofft, dass dank der EU eigentlich ab heuer völlige Konkurrenz auch bei der Zustellung von Briefen herrscht.

Die Tarife hinaufzuschnalzen wäre der Post bei einer funktionierenden Konkurrenz natürlich viel schwerer gefallen. Eine solche Konkurrenz würde es aber nur geben, wenn ihr die zuständige Verkehrsministerin durch einen effizienten Regulator wie einst beim Telephon das Überleben ermöglicht hätte. Aber Konkurrenz ist ja nicht gerade das, was Gewerkschaft und damit SPÖ wollen.

Aber sei‘s drum: Irgendwie wird alles teurer. Völlig unverständlich ist aber, dass die Post außerstande war, die Filialen noch vor dem 1. Mai auch mit den nötigen Briefmarken zu den neuen Tarifen zu versorgen. Gleichzeitig waren aber vielerorts schon seit Wochen die alten Marken ausgegangen.

Umso logischer wie notwendiger wäre es gewesen, schon längst die neuen Marken anzubieten. Warum fürchten sich die Postbürokraten davor? Dass jemand schon vorzeitig ein paar Cent zuviel auf einen Brief klebt? Das Ganze ist ein post-typischer Planungs-Schwachsinn, der lebhaft an den real existierenden Sozialismus des einstigen Ostblocks erinnert.

Das Ergebnis war klar: Viele Tausende Kunden mussten frustriert wieder abziehen. Und ab nun werden deshalb die Schlangen auf den Postämtern noch viel ärger sein, als sie ohnedies immer sind.

Aber es ist ohnedies geradezu heiliges Prinzip der Post, dass in einem Postamt die Kunden Schlange stehen müssen, weil lediglich ein Schalter geöffnet ist. Was noch viel ärger ist: Man muss während seines Schlange-Daseins vor einem einzigen umständlich hantierenden Postbeamten voll geballtem Zorn den anderen Postlern beim gelangweilten Ausfüllen irgendwelcher Listen zuschauen. Diese anderen Postler positionieren sich mit Vorliebe geradezu demonstrativ im Blickfeld der Kunden, pardon Bittsteller. Offenbar um diesen die ganze Verachtung eines Pragmatisierten für normale Werktätige zu zeigen.

Bei einem anderen meiner Besuche auf einem Postamt waren am einzigen offenen Schalter sogar drei Beamte damit beschäftigt, voll Staunen ein Bawag-Sparbuch zu begutachten. Ein solches kann ja seit der Fusion auch auf einem Postamt eingelöst werden. Nur überfordert es ganz offensichtlich die völlig ungeschulten Postmenschen. Denn sie haben wirklich gezählte 17 Minuten über dieses interessante Objekt konferiert.

Staunenswert sind aber auch die Aufschriften in allen Ämtern, dass die Post neuerdings weder Kreditkarten noch Bankomat-Zahlungen akzeptiert. So etwas sieht man heutzutage schon sehr selten. Ein Vorschlag an die Marketing-Abteilung der Post (falls es so etwas gibt): Vielleicht könnte man noch ein wenig mehr retro werden, indem man nur noch Zahlungen in Münzen akzeptiert und das neumodische Papiergeld ablehnt. Das wäre dann wenigstens wirklich konsequent.

Während er da so wartet, stellt sich der kleine Kunde vor, was los wäre, wenn ähnliche Kundenfeindlichkeit in einem Supermarkt passieren würde. Dort würde der Filialleiter mit Garantie sofort und mit lauter Stimme seine Mitarbeiter darauf hinweisen, wer in einem solchen Unternehmen der eigentliche König ist.

Aber wer ist bei der Post der König? Die Betriebsräte, die Ministerin, der Vorstand? Jede Antwort mag richtig sein. Nur einer ist dort sicher nicht König, nämlich der Störenfriede Kunde.

 

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Welche Gewerkschaft hat wie viele Mitglieder?

30. April 2011 15:44 | Autor: Andreas Unterberger

ÖGB-Mitglieder nach Gewerkschaften 2010

 

Gewerkschaft Mitglieder Veränderung zu 2009
GPA-djp

269.103

+ 1.301

GÖD

232.065

+ 615

PRO-GE

230.015

- 7.595

GdG-KMSfB

156.115

+ 163

Vida

152.460

- 2.589

GBH

117.623

- 1.694

GPF

53.730

- 1.280

Legende:

GPA-gjp: Privatangestellte, Druck, Journalismus, Papier
GÖD: öffentlicher Dienst
PRO-GE: Metall, Textil, Nahrung, Chemie
GdG-KMSfB: Gemeindebedienstet, Kunst, Medien, Sport, freie Berufe
Vida: Verkehr, Handel, Tourismus, soziale Berufe
GBH: Bau, Holz
GPF: Post-, Fernmeldebedienstete

Quelle: ÖGB

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Entwicklung der Gewerkschaftsmitglieder

30. April 2011 15:32 | Autor: Andreas Unterberger

Mitglieder des ÖGB gesamt in Millionen

 

 

Jahr Mitglieder
1945

0,3

1950

1,29

1960

1,50

1970

1,52

1980

1,66

1990

1,65

2000

1,44

2007

1,25

2010

1,21

Quelle: ÖGB

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Das (Giebel-)Kreuz mit Pröll und Raiffeisen

28. April 2011 14:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie Josef Pröll jetzt im Zeichen des Giebelkreuzes  behandelt wird, hätte er sich nicht einmal verdient, wenn er ein wenig netterer Mensch wäre. Und angesichts seiner Krankheit hat er es sich schon gar nicht verdient.

Hat sich da doch einer der Raiffeisen-Gewaltigen vor die Medien gestellt und verkündet, dass Pröll von sich aus den Kontakt zu Raiffeisen gesucht hat. Pröll wird also vorneweg wie ein arbeitsloser Bittsteller dargestellt und nicht wie eine hocherwünschte Verstärkung des eigenen Teams.

Sicherheitshalber wurde auch noch hinzugefügt, dass Pröll „einige Türen“ offen stehen. Wobei man als Beispiele gleich Funktionen auf der dritten Macht-Ebene des großen Raiffeisen-Imperiums nennt, für die Pröll allenfalls in Frage kommt. Deutlicher und unprofessioneller – oder intriganter – kann man einem von außen kommenden Mann gar nicht signalisieren: Störe unsere Kreise nicht, Du bist hier unerwünscht.

Im normalen Spitzenmanagement müsste jetzt der Generaldirektor der mächtigen Raiffeisen Holding Niederösterreich-Wien, Erwin Hameseder, wegen dieser Äußerungen einen ordentlichen Rüffel von seinem noch viel mächtigeren Obmann Christian Konrad bekommen. Oder aber Konrad lässt da selbst irgendwelche Spiele spielen. Was nicht ganz auszuschließen ist, hat er doch sogar seine eigene Nachfolge vor Zeugen schon mindestens zwei Persönlichkeiten zugesagt, nämlich Pröll und Walter Rothensteiner. Beide sind zwar sicher geeignet – aber werden kann es halt nur einer . . .

Divide et impera hat man das einst genannt.

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Wie legen die Österreicher ihr Geld an?

26. April 2011 18:13 | Autor: Andreas Unterberger

Vermögen der Österreicher nach Anlageart in Mrd. Euro

 

Anlageart

Höhe

Einlagen

205,6

Lebensversicherung

67,9

Verzinsliche Wertpapiere

41,5

Fonds

41,0

Aktien

18,2

Bargeld

16,9

Pensionskassen

16,6

Sonstiges

52,8

Quelle: OeNB

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Wie hat sich das Vermögen der Österreicher entwickelt?

26. April 2011 17:57 | Autor: Andreas Unterberger

Geldvermögen in Mrd. Euro jeweils Ende Dezember

 

  Geldvermögen Verbindlichkeiten
2007

416

142

2008

417

151

2009

440

152

2010

461

160

 Quelle: OeNB

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Mephistophelisches

21. April 2011 23:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Selbst wo nicht Begriffe fehlen,
ist das Leben oft verzwackt –
Schuld zum Beispiel kann zwar quälen,
auch wenn als Begriff abstrakt.

In der Mehrzahl wird hinwieder
Schuld auf einen Schlag konkret,
wenigst wenn es fromm und bieder
um die kleinen Schulden geht.

Ist ja hier für Kreditoren
das Inkasso kein Problem,
und geht wirklich was verloren,
kommt’s von andern rein bequem.

Andrerseits die besten Karten
hat, wer Riesenschulden macht,
denn da müssen Geber warten,
die das vorher nicht bedacht.

Und indes zuviel sie wagten,
fällt’s, weil aktuell, mir ein:
Ad calendas graecas sagten
Römer für Sankt Nimmerlein.

Jedenfalls die größten Pleiten
– was man weiß, nur stets vergisst –
macht der Staat seit alten Zeiten –
ohne dass wer schuld dran ist!

Schulden sind dann weiter Faktum
und – nicht minder kurios –
als Begriff zugleich Abstraktum,
weil ganz unbegreiflich groß!

Doch dass Schuldner nimmer dulden,
stellt sich trefflich ein das Wort,
sie in Unschuld umzuschulden –
Schulden sind, o Wunder, fort.

Und indem man andre rettet,
legt man uns, die solcherart
liegen, wie man gern uns bettet,
nämlich ungefedert hart!

Ach wie heilig einst sie schworen,
sei ja bloß ’ne Garantie –
ein Placebo für die Ohren,
grau wie alle Theorie…

Pannonicus

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Bitte um Notbremsung

21. April 2011 00:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In den letzten Tagen hat ganz Österreich intensiv über die Kandidaten für den Job des Finanzministers diskutiert. Viel wichtiger wäre aber eine Debatte über die Aufgaben der neuen Ministerin. Denn die gleichen einem Herkules-Job.

Sie sollte vor allem anderen täglich vom ersten bis zum letzten Zähneputzen folgende zwei Schlüsselsätze memorieren: Der eine stammt von Josef Pröll, dem einmal unvorsichtiger-, aber ehrlicherweise der Satz entschlüpft war, dass Österreich nur noch zwei Jahre von Griechenland entfernt sei. Der zweite stammt vom Erste-Bank-Chef Andreas Treichl, der eine Abstufung des österreichischen Ratings prophezeit hatte, sollte nichts Gravierendes passieren. Und das könnte schon 2012 passieren, wenn es bis dahin keine signifikanten Reformen gibt. Im kommenden Jahr ist ein viel größeres Paket der österreichischen Staatsschuld als zuletzt auf den Märkten zu refinanzieren. Gleichzeitig wird bis dahin die Europäische Zentralbank wohl noch ein- oder zweimal die ganz normalen Zinssätze erhöhen.

Werden aber 2012 die Märkte deutlich höhere Zinsen von Österreich verlangen, dann kommt eine unheilvolle Spirale in Gang. Dann werden automatisch Defizit und Staatsschuld noch größer. Was wieder die Zinsen weiter zu erhöhen droht. Wie das dann weitergeht, hat man in den letzten 18 Monaten an den Ufern von Mittelmeer und Atlantik genau studieren können.

Was vielen gar nicht bewusst ist: Verschlechtert sich das Rating der Republik und erhöhen sich ihre Zinsen, dann müssen fast automatisch auch die gesamte Finanz- und Realwirtschaft des Landes höhere Zinsen zahlen, Gemeinden und Länder sowieso. Eine spürbare Kreditverteuerung wird daher auch sehr schnell den Konjunkturboom wieder abwürgen.

Selbst wenn die neue Ministerin die großen liberalen Ökonomen wie Friedman, Hayek oder Mises geringschätzen, sondern eher den von der Linken adoptierten Keynes respektieren sollte, muss sie eines erkennen: Das heurige Defizit von weit über drei, wahrscheinlich sogar vier Prozent ist angesichts der Hochkonjunktur absolut verantwortungslos. Denn sogar nach Keynes müsste es heuer einen Budgetüberschuss geben. Auch wenn die, die sich auf ihn berufen, dieses Wort wohl nicht einmal buchstabieren können.

Die neue Finanzministerin müsste daher ringsum die Notbremsen ziehen. Sie müsste enormen Druck auf die ÖBB ausüben. Sie müsste sich gegen Koralm- und Brenner-Tunnel stellen. Sie müsste – trotz aller Versprechungen von Josef Pröll – Nein zu den Wünschen der Unterrichtsministerin sagen (die ohnedies durch schrumpfende Schülerzahlen Spielraum gewinnt). Sie müsste viel ernsthafter die Konfrontation mit den ausgabenwütigen Bundesländern suchen als ihre roten, blauen und schwarzen Vorgänger. Sie müsste in den europäischen Gremien gegen die Hilfspakete für die bankrotten EU-Staaten auftreten.

Alles unrealistisch? Wahrscheinlich – aber dennoch absolut notwendig.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wo Abgeordnete noch das Volk vertreten

14. April 2011 00:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die USA sind für die Weltwirtschaft noch immer der entscheidende Schauplatz. Daher bringt der seit Wochen tobende – und nur scheinbar entschiedene – Kampf zwischen Präsident und Kongress um Budgeteinsparungen besondere Spannung.

Im Kongress konnten die Republikaner mit einigem Erfolg Barack Obama kontra geben. Obamas 14 Billionen Dollar Schulden und das jährliche Defizit von über zehn Prozent gaben den Republikanern viele Angriffsflächen. Sie zwangen ihn in den vergangenen Tagen schon weiter in die Knie, als das einst ein ebenfalls republikanisch geprägter Kongress bei Bill Clinton konnte. Damals wurde dem Präsidenten von den Republikanern so lange das Geld verweigert, bis Botschaften und andere Regierungseinrichtungen tagelang schließen mussten. Jetzt hat Obama schon vor einer solchen Blockade die größten Einsparungen in der Geschichte Amerikas akzeptiert. Und er wird weiter unter Druck bleiben.

Der Rückblick macht sicher, dass das nicht den Untergang der USA bedeutet. Der damalige Budgetkrieg hat dem Land vielmehr sehr geholfen: Die Regierung musste so hart sparen und so viele Big-Spender-Programme streichen, dass das Land erstmals wieder Jahre mit Budgetüberschuss erleben konnte. Zwar ging das in die Geschichtsbücher als Erfolg Bill Clintons ein. Aber in Wahrheit hat er damals nur unter der Peitsche des republikanischen Führers Newt Gingrich die Sparsamkeit entdeckt.

Die Vaterschaftssuche ist freilich irrelevant. Denn die Republikaner können sich gar nicht laut der Einsparungen berühmen. War es doch auch ein republikanischer Präsident namens George W., der dann das Land – insbesondere nur durch zwei teure Kriege – wieder in hohe Schulden geführt hat. Und zwar in katastrophal hohe, die freilich sein Nachfolger Barack Obama noch weit übertraf.

Die viel wichtigere Lehre ist aber: Regierungsapparate werden erst unter immensem Druck halbwegs sparsam. Daher ist der Druck des heutigen Kongresses jedenfalls positiv. Auch wenn natürlich viele Nutznießer protestieren und den Sparefrohs schlechtes Gewissen einjagen wollen.

An den USA sollten sich vor allem Europas Abgeordnete ein Vorbild nehmen. Denn hier ist es gerade umgekehrt: Da sind es sowohl im EU- wie im österreichischen Parlament meist die Abgeordneten, denen alle möglichen Forderungen einfallen, wo man noch eine Gruppe begünstigen, wo man noch mehr ausgeben kann. Hingegen sind es die Finanzminister, die gegenzuhalten versuchen. Dass ein europäisches Parlament einer Regierung den Budgetentwurf wegen zu hoher Ausgaben zurückgeschickt hätte, ist mir jedenfalls nicht in Erinnerung.

Dabei stand genau das an der Wurzel der modernen Demokratie: Die Steuer zahlenden Bürger erkämpften sich die Kontrolle über die Ausgaben ihres Geldes und die Höhe der Steuern. Inzwischen ist das Wissen um diese zentrale Wurzel der Demokratie aber verloren gegangen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Zu Tode alimentiert

12. April 2011 00:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt gibt es also auch für Portugal europäisches Geld. 80 Milliarden oder so sollen es sein. Und wie auch bei anderen Schuldnerstaaten wird man wohl noch auf den einen oder anderen Grund kommen, weshalb es am Ende noch ein bisserl mehr sein darf. Überall knirschen die Staatsbürger der Zahlernationen mit den Zähnen, weil sie das alles nun zahlen müssen – und weil sie nur geringe Chancen haben, jemals ihr Geld wiederzusehen. Aber es wird ihnen nichts nutzen. Den amtierenden Regierungsparteien wird es freilich massiv schaden.

Viele kritisieren, dass der europäische Rettungsschirm für Portugal einen allzu bequemen Ausweg bietet, dem Staatskonkurs und der dann nötigen Umschuldung – also einer teilweisen Schuldenstreichung unter dem Diktat der Gläubiger – zu entkommen. Andere wieder meinen, dass Portugal nun beim Eintritt unter den Rettungsschirm ohnedies viel härtere Bedingungen diktiert bekommen wird, als sie das vom portugiesischen Parlament abgelehnte Sparpaket enthalten hat. Offen bleibt freilich, wie viel von diesen Bedingungen nur auf dem Papier stehen werden.

In Wahrheit ist es aber gar nicht die wichtigste Frage, ob nun der Rest Europas für Portugal via Rettungsschirm zahlt oder dadurch, dass bei einem Staatsbankrott die im Rest Europas beheimateten Gläubiger in Probleme geraten und Geld verlieren. Diese Gläubiger haben fast alle einen bekannten Namen: Lebensversicherungen, Pensionsfonds, Banken, Sparer. Manche meinen nun, das seien ja ohnedies alles „Spekulanten“, die ruhig bluten sollen. Was freilich eine kühne Behauptung ist, außer man bezeichnet schon die Erwartung als Spekulation, dass ein Schuldner seine Schulden auch zurückzahlen sollte.

Letztlich aber ist es klar, dass es immer die sparsameren Europäer treffen wird. Wobei der Konkurs aus zwei Gründen vorzuziehen wäre: Erstens weil in diesem Fall immer ein mehr oder weniger großer Teil der Gläubiger im Schuldnerland selber daheim ist; und zweitens, weil das derzeit nicht gegebene Risiko eines solchen Staatsbankrottes Anleger gegenüber leichtfertigen Staaten viel vorsichtiger machen würde. Deshalb sind im Gegensatz zu den Steuerzahlern alle Regierungen ja massive Gegner einer solchen Umschuldung. Denn wenn erstmals ein EU-Staat auch offiziell bankrott geht, würden sich andere Regierungen nur noch viel schwerer durch neue Anleihen verschulden können. Was Politiker jedoch nicht so sehr lieben. Denn ohne die Möglichkeit, sich scheinbar problemlos immer mehr zu finanzieren, fürchten sie, rasch an Popularität zu verlieren.

Sie fürchten das vielleicht gar nicht zu Unrecht. Haben sie doch in den meisten Ländern die Menschen immer mehr an die Einstellung gewöhnt: Brot und Spiele gibt es gratis und jedes Jahr mehr. Da werden die Menschen zweifellos protestieren, wenn ihnen eines Tages die Wahrheit zugemutet wird. Und je mehr von der Politik in den letzten Jahren und Jahrzehnten gelogen worden ist, umso mehr werden die Menschen protestieren.

Der Rettungsschirm hat daher durchaus auch für Regierungen wie jene in Deutschland und Österreich eine rettende Funktion, obwohl sie viele Milliarden auf den Tisch Europas legen müssen. Diese rettende Funktion gibt es freilich nur sehr befristet. Aber mit ihrer Hilfe können sie wenigstens für sich selbst die Stunde der Wahrheit noch ein wenig hinausschieben. Auch wenn diese dann umso brutaler sein wird. Jedoch trifft das dann wohl erst die nächste oder übernächste Regierung.

So erhoffen es zumindest die heutigen Regierungschefs. Worin ich mir freilich nicht so sicher wäre. Denn so manche Experten meinen, dass etwa Österreich auf Grund seiner gegenwärtigen Schuldenpolitik schon 2012 eine Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit hinnehmen wird müssen. Das bedeutet deutlich höhere Zinslasten nicht nur schon für diese Regierung, sondern auch für österreichische Unternehmen. Das bedeutet dann in der Folge das Ausbleiben von Investitionen und die Abwanderung von Betrieben.

Zu Recht werden all diese Aspekte nun europaweit heftig diskutiert. Was aber interessanterweise überhaupt nicht diskutiert wird, wäre eigentlich viel wichtiger, spannender und für die Zukunft lehrreicher. Das ist nämlich die Frage: Was hat die Krisenländer überhaupt in die Zahlungsunfähigkeit geführt, beziehungsweise an deren Rand?

Und da gibt es über alle geographischen und politischen Unterschiede hinweg eine Gemeinsamkeit unter allen PIIGS-Staaten, also Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien: Sie alle lassen sich seit Jahrzehnten von den restlichen EU-Ländern alimentieren. Sie alle haben viel mehr EU-Geld abgecasht, als es den Osteuropäern gelungen ist – obwohl die zum Großteil wirklich arm sind, ärmer jedenfalls als die PIIGS. Das Geld ist auf vielfältige Weise geflossen, vor allem über Kohäsions- und Strukturfonds.

Europa müsste endlich die zentrale Lektion erkennen, die viel wichtiger ist als alle Argumente rund um den Rettungsschirm: Man wollte helfen, hat in Wahrheit aber geschadet. Man hat den Menschen und Regierungen generationenlang vermittelt, dass sie jemand anderer alimentiert. Dadurch haben jene Nationen aber die zentrale Grundlage jeder Volkswirtschaft verlernt: nämlich das Bewusstsein der Eigenverantwortung.

Wenn man immer jemand anderen findet, der einem Geld zuschießt, dann wird man halt wie ein junger Mensch nie wirklich lebenstüchtig werden. Wozu sich anstrengen, wozu lernen, wozu sich in einem Beruf durchbeißen, wenn man eh immer die Oma anpumpen kann? Das führt dann sogar dazu, dass die liebe Oma aus Brüssel sogar Dinge finanziert, auf die selbsthaltungsfähige Nationen in der Regel verzichten. Etwa auf Autobahnen, die von kaum jemandem genutzt werden, wie jene auf der Iberischen Halbinsel.

Warum hat die EU das aber überhaupt getan? Aus mehreren Motiven: Erstens weil überzeugte Anhänger einer antiautoritären Erziehung die skizzierten Folgen gar nicht begreifen; zweitens weil Politiker fast genetisch zwingend Unsinn anstellen, wenn sie über Geld verfügen; drittens weil die Politik fälschlicherweise geglaubt hat, durch Geldspritzen den Wohlstandsabstand zwischen den „reichen“ und „armen“ Europäern ausgleichen zu können, während sie diesen in Wahrheit einzementiert; viertens, weil exportorientierte Länder wie Deutschland sich dadurch Abnehmer ihrer Industrieprodukte züchten  wollten; fünftens weil es den Nehmerländern immer wieder geglückt ist, den Geberländern schlechtes Gewissen wegen angeblicher Unsolidarität einzujagen.

Sechstens aber, weil die Nehmerländer die anderen Mitgliedsstaaten oft genug erpresst haben: damit sie in die EU kommen (es sind ja bis auf Italien lauter Spätberufene); damit sie in die Währungsunion kommen; damit sie weiter alimentiert werden. Die bei den Erpressungen verwendeten Drohungen hatten unterschiedliche Inhalte. Am Anfang hieß die Erpressung etwa Nato. Also: Wenn ihr uns nicht in die EU nehmt und alimentiert, dann treten wir aus der Nato aus. Diese direkte oder indirekte Drohung aus Athen, aus Madrid, aus Lissabon war für die Westeuropäer in den Jahrzehnten der Ost-West-Konfrontation sehr bedrohlich. Sie war aber auch glaubwürdig, weil dort nach den Jahren der Diktaturen sehr linke Regierungen amtierten.

Viele andere Drohungen nutzten etwa das Vetorecht jedes einzelnen EU-Mitgliedsstaates aus. So war etwa rund um die Osterweiterung zu hören: Wenn wir nicht mehr Geld bekommen, dann legen wir ein Veto gegen jedes neue Mitglied ein.

Aus all dem kann man zwei Lehren ziehen: Erstens, es lohnt sich nie, einer Erpressung nachzugeben. Zweitens: Je mehr ich ein Land alimentiere, umso weniger wird es selbsterhaltungsfähig. Das zeigt sich im übrigen auch in der Entwicklungshilfe – aber das ist eine andere Geschichte.

(Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.)

 

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Wenn Regierungen vernünftiger sind als ihre Wähler

11. April 2011 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Oft genug sind hier Regierungen getadelt worden, weil sie unvernünftig agieren. Aber es mehren sich die Beispiele, bei denen die Wähler oft noch viel unvernünftiger sind. Was die Unvernunft der Regierungen zumindest teilweise erklärt. Was aber die Zukunftsaussichten der Alten Welt besonders alt aussehen lässt.

Die jüngsten Beispiele waren zwei Referenden am vergangenen Wochenende sowie ein diesmal an sich vernünftiger Vorschlag  des österreichischen Sozialministers, der aber nur recht geringe Verwirklichungs-Chancen hat.

Slowenien: Die Laibacher Regierung – obwohl eigentlich Mitte-links – hat ein durchaus kluges Gesetz vorgeschlagen. Und damit furchtbar Schiffbruch erlitten: 80 Prozent der Slowenen lehnten ein Gesetz über die Schaffung von Mini-Jobs ab, das in etwa mit Österreichs geringfügiger Beschäftigung verglichen werden kann. Durch dieses Gesetz sollten Studenten, Arbeitslose oder Pensionisten ohne große Abschläge bis zu 14 Wochenstunden dazuverdienen dürfen.

Aber die Slowenen wollen das nicht. Sie wollen nur Jobs mit Vollkasko-Wohlfahrt und Kündigungsschutz im Lande haben. Und es schert sie nicht, dass immer weniger Landsleute solche Jobs finden, weil sie vielen – potentiellen – Arbeitgebern einfach zu teuer sind, und weil diese große Scheu haben, einen kündigungsgeschützten Arbeitsplatz zu vergeben.

Die slowenische Regierung wollte mit ihrem Reform-Projekt die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Sie wollte zugleich vor dem Hintergrund des griechisch-portugiesisch-irischen Dramas die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhöhen. Jedoch die Gewerkschaften wollen das nicht. Die Studentenvertreter sind dagegen, weil sie um ihre Vermittlungsprovisionen für Studentenjobs fürchten. Und die rechte Opposition wittert (ähnlich der portugiesischen Rechten) die Chance auf einen Machtwechsel.

Ein ähnliches Drama droht im gleichen Land demnächst bei einem Referendum über die Erhöhung des Pensionsalters von 63 auf 65. Die – sichere – Konsequenz eines wahrscheinlichen neuerlichen Neins: Sloweniens Regierung und Wirtschaft werden bald von den Ratingagenturen heruntergestuft werden. Sie alle werden deutlich höhere Zinsen für jeden Kredit zahlen müssen. Das wird zusammen mit den ohnedies schon europaweit steigenden Zinsen die Zahl der Arbeitsplätze noch weiter reduzieren. Die nächsten Konsequenzen sollten europäischen Staaten seit einem Jahr eigentlich schon gut bekannt sein.

Island: Die Isländer haben zum zweiten Mal in einem Referendum abgelehnt, dass Island seine Haftungsverpflichtungen für eine bankrott gegangene isländische Bank einhält. Der einzige Fortschritt: Sie haben es diesmal „nur“ noch mit einer Mehrheit von rund 58 Prozent getan. Die Folge: Nachdem damit die Vergleichsgespräche mit den Gläubigern über eine Umschuldung gescheitert sind, drohen Island nun erstens internationale Gerichtsverfahren, zweitens die Beschlagnahme allen isländischen Eigentums im Ausland, und drittens das Ende der Chancen, sich unter den Schutz des Euro flüchten zu können.

Österreich: Der sonst ja nicht gerade für seine Reformkraft berüchtigte Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat vorgeschlagen, dass allen Jugendlichen die Familienbeihilfe gestrichen wird, die nach Ende der Schulpflicht keine weitere Ausbildung beginnen. Das sind immerhin rund 10.000 pro Jahr. Auch der Koalitionspartner ist dafür.

Aber ich traue mich zu wetten, dass auch dieser an sich grundvernünftige Vorschlag bald auf Widerstand stoßen wird. Insbesondere von Seiten der Gewerkschaft, der linken Verfassungsrechtler,der Gutmenschen und der Feministinnen: Denn die einen werden bald entdecken, dass das ja als Sozialabbau denunziert werden kann und dass ja auch jugendliche Hilfsarbeiter Gewerkschaftsbeiträge zahlen. Die zweiten werden wie bei jeder Veränderung vor die Fernsehkameras drängen und irgendeine subtile Verfassungswidrigkeit verkünden. Die dritten anderen werden draufkommen, dass bei den jugendlichen Ausbildungs-Muffeln überdurchschnittlich viele Migrantenkinder aus der Dritten Welt zu finden sind. Und die vierten werden Widerstand leisten, weil unter diesen wieder besonders viele islamische Mädchen sind. Sie werden bei ihrem Widerstand ignorieren, dass solche strengere Konsequenzen die Mädchen eigentlich schützen, für die von den Familien-Kommandanten eine Ausbildung als völlig überflüssig angesehen wird, und die mit 15 Jahren statt dessen allzu oft einem Ehe-„Partner“ vermittelt werden, den sie gefälligst bedienen und mit vielen Kindern beglücken sollen.

Wäre der Vorschlag – über den ich übrigens schon vor mehr als einem Jahr einmal mit Hundstorfer in einer ATV-Diskussion debattiert habe – ernst gemeint, dann läge ja schon längst ein Gesetzesvorschlag vor. Dann würde gleichzeitig auch jenen Familien, die ihre Kinder nicht zu einem ordentlichen Schulbesuch anhalten, die Familienbeihilfe gestrichen (weil sie ja schon in diesem frühen Stadium den Kindern ihre Zukunft rauben). Dann würde Österreich auch den Familiennachzug zwischen dem 4. und dem 25. Lebensjahr verbieten, womit ein Gutteil der Problemfälle und lebenslangen Wohlfahrtsempfänger verhindert würde.

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30 Milliarden verpulvert

10. April 2011 16:32 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

30 Milliarden Euro, astronomische 420 Milliarden in guten, alten Schillingen, haben Faymann/Pröll für Österreich gegenüber Brüssel an Verpflichtungen für die vorgebliche, doch nie funktionierende „Rettung“ von Pleitestaaten übernommen. 21 Milliarden Euro muss Österreich in den Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM) einzahlen, oder an Garantien übernehmen.

Außerhalb des ESM überweist Österreich 2,3 Milliarden Euro an die Griechen als Kredit. Ursprünglich sollte dieser, wie Pröll uns hoch und heilig versicherte, ein gutes Geschäft sein und nach drei Jahren zurückgezahlt werden. Jetzt wurde er still und leise auf sieben Jahre verlängert. In Wahrheit wird dieser Kredit nie zurückgezahlt, sondern immer wieder erneuert und herumgeschoben werden. Die Verschuldung Griechenlands erhöht sich laufend, die zugesagten Sparpläne werden nicht eingehalten. Trotzdem fließen die Gelder weiter und verschwinden in einem schwarzen Loch.

Für rund 80 Milliarden Euro hat die europäische Zentralbank (EZB) statutenwidrig Staatsanleihen zahlungsunfähiger Staaten aufgekauft. Würde sie diese Staatsanleihen zu Marktpreisen bewerten, wäre die EZB überschuldet. Vorsorglich hat sie ihr Kapital Ende 2010 verdoppelt. Die Kapitaleinlagen und die der EZB gewährten Kredite der österreichischen Nationalbank wird Österreich allerdings nur beim Salzamt einklagen können. Auch sie werden, das lässt sich heute schon absehen, nie zurückgezahlt werden.

Außerdem zog Österreich bei der Kapitalerhöhung des internationalen Währungsfonds (IWF) und den „New Arrangements to Borrow“  im Ausmaß von rund sechs Milliarden Euro mit. Auch diese Gelder kommen nie zurück. Die IWF- Kredite für Griechenland, Irland und demnächst Portugal werden mehr früher als später wohl vom ESM übernommen, denn die Amerikaner, die im IWF das Sagen haben, denken nicht daran, sich an der „Rettung“ von europäischen Pleitestaaten dauerhaft zu beteiligen.

Und jetzt redet man schon davon, dass der noch gar nicht existente ESM von 500 Mrd. Euro auf das Doppelte aufgestockt werden muss, damit unter Umständen auch Spanien, Italien, Frankreich, Belgien etc. noch Platz haben! Und wenn sie unter den Rettungsschirm „schlüpfen“ wird Österreich auch noch deren Garantiequoten am ESM anteilsmäßig mit den anderen Triple-A-Staaten übernehmen müssen.

Anfang April wurde Portugal unter Verletzung des geltenden Lissabon-Vertrags Bailout-Hilfe von voraussichtlich rund 80 Milliarden Euro zugesagt, obwohl das portugiesische Parlament die Sparprogramme, welche die Voraussetzungen für die Hilfe sind, vor kurzem  abgelehnt hat und die Regierung zurückgetreten ist! Jede objektive Schulden-Tragfähigkeitsanalyse müsste zu dem Schluss kommen, dass Portugal nicht kreditwürdig ist.

Trotzdem ist für EU-Kommissionspräsident Barroso „alles schon geklärt“. Er hat recht. Geld entsteht ja aus dem Nichts. Das weiß inzwischen sogar Barack Obama. „Die Banken schaffen sich ihr Geld aus dem Nichts, während normale Menschen, um zu Geld zu kommen, schwer dafür arbeiten müssen“, lässt er im Interview vernehmen. Banken und Politiker haben vergessen, dass auch das Geld und die Kredite „aus dem Nichts“ durch die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des Kreditnehmers gedeckt sein müssen, sonst können sie nicht bedient werden und sind weg.

Griechenland, Irland oder Portugal werden mangels Wettbewerbsfähigkeit ihre ESM-Kredite nie bedienen, geschweige denn zurückzahlen können, denn sie dienen ja nur dem Konsum. Deshalb hält der Präsident des  deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, es für unverantwortlich, „gutes Geld dem schlechten nachzuwerfen“ und durch die sicher schlagend werdenden Haftungen, Umschuldungen und „Haircuts“ Wohlstand und Renten der Deutschen zu gefährden. Selbst er spricht jetzt wegen der einseitigen, von Deutschland verlangten Tribute, von einem neuen „Versailles ohne Krieg“. (Süddeutsche Zeitung vom 1. 4. 2011).

Volkswirtschaftlich bedeutet jeder Kredit, den wir anderen Ländern gewähren, eine Anweisung auf unser Sozialprodukt, das uns entzogen wird. In der Ukraine, Rumänien, Island, Zypern und am Balkan haben österreichische Banken durch leichtsinnige „Geschäfte“ inzwischen Milliarden versenkt und so den Wohlstand unsers Landes vermindert.

Allein die durch ihre Verluste eintretenden Steuerausfälle sind horrend und belasten uns Bürger, denn wir müssen die Steuerausfälle ja wettmachen. Und jetzt will Faymann, dass ausgerechnet Österreich bei den kommenden „Tributzahlungen“ mitmacht. Er hat am 24. März in Brüssel der Umwandlung der EU in eine Haftungs-, Transfer-, Fiskal- und Wirtschaftsunion mit „Wirtschaftsregierung“ unter Aufgabe der Reste der österreichischen Souveränität zugestimmt. Ohne – wie er in der Kronen Zeitung versprochen hatte – vorher das Volk zu befragen.

Zusammen mit Pröll will er das Volk ersetzen durch die vereinten roten, schwarzen und grünen Abnicker im Parlament. Und das Parlament will er durch eine Art „Ermächtigungsgesetz“ dann auch noch ausschalten. Entscheiden über Bailout-Kredite und „Anpassungen“ wird nach dem ersten Abnicken in Zukunft nämlich nur noch der Verwaltungsrat des ESM, in dem der österreichische Gesetzgeber nicht vertreten ist.

Wie war das doch? „Demokratie der Weg, Sozialismus das Ziel!“ Brüssel ist eine Etappe weiter auf dem Weg in die Neue Weltordnung des Internationalsozialismus. Trotz Stéphane Hessels Aufforderung wird sich kaum ein Bürger „empören“. Die meisten lassen sich widerstandslos in immer prekärere Verhältnisse zwingen oder die Steuergarotte um den Hals legen. Statt sich zu empören, stecken sie lieber „ihr Köpferl in Sand“, wie das Arik Brauer einst beobachtete und ihnen vorsang.

Univ.-Dozent Dr. Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen.

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Die Zugrunderetter

09. April 2011 23:59 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Rettungsbojen, Rettungsringe,
Rettungsleinen, Rettungsboot,
alle diesen guten Dinge
bringen Rettung in der Not.

Doch wenn einem ganzen Lande
Wasser bis zum Halse steht,
was heut’ weder Schuld noch Schande,
gibt’s zur Rettung ein „Paket“.

Freilich, wenn die Weisen „schnüren“,
was geschnürt wen retten soll,
schreiben sie, was wir dann spüren,
höchstens klein ins Protokoll.

Aber bei Metaphern eben
sind sie kreativ und firm,
und so gibt’s, um Trost zu geben,
obendrein den „Rettungsschirm“.

Dieser mag plausibler scheinen,
denn ist wer im freien Fall,
zieht er einfach an den Leinen,
und der Fallschirm füllt sich prall.

Allerdings mit solchen Thesen
hätten glatt wir uns verrannt:
Wie dazu wir nämlich lesen,
wird der Schutzschirm „aufgespannt“!

Ah, man denkt wohl, wie vom Regen
einer in die Traufe tritt –
klar, dann ist ein Schirm ein Segen,
auf gut Deutsch gesagt, ein Hit.

Da der Schutzschirm aber Zocken
eher fördert, statt wen schützt,
zagt man nicht, ihn „aufzustocken“,
dass vielleicht er trotzdem nützt.

Aufgestockt auch noch „verdoppeln“
will den Rettungsschirm man gar,
sozusagen dreifach moppeln,
grad als wär’s für immerdar.

Überspannt verbockt man’s weiter,
schützt und schirmt und stützt verstockt
und macht just die Räuberleiter
jenen, die das Geld verzockt!

Pannonicus

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Verbund an die Leine der Parteien

07. April 2011 00:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Gabriele Payr statt Maximilian Eiselsberg: Wen kümmert es schon, wer im Verbund-Aufsichtsrat sitzt? Es sollte aber kümmern. Nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Steuerzahler.

Denn dieser Tausch ist mehr als signifikant. Frau Payr ist die Chefin der Wiener Stadtwerke, Herr Eiselsberg ist Rechtsanwalt. Und er galt bisher als der Vertreter der privaten Kleinaktionäre. Diese sind an dem großen österreichischen Stromkonzern durchaus in nennenswertem Umfang beteiligt, auch wenn der Bund laut Gesetz die Mehrheit halten muss und einige Landesgesellschaften den Privatanlegern Verbundaktien abgekauft haben.

Der Hinauswurf eines Kleinaktionärsvertreters ist natürlich kein Zufall, sondern ein Musterbeispiel großkoalitionärer Packelei. Er ist ein Gegengeschäft für die Zustimmung der Bundes-SPÖ zur Kapitalerhöhung der Verbundgesellschaft. Besonders bedrückend ist dabei nicht nur die Verabschiedung eines Privataktionärsvertreters. Das ist auch die Tatsache, dass da nicht nur eine brave Parteigenossin in den Aufsichtsrat kommt, sondern auch die Vertreterin einer jener wenigen Landesenergieversorger, die sich weiterhin zu hundert Prozent im öffentlichen Eigentum befinden. Und die dementsprechend unwirtschaftlich arbeiten.

Gewiss, ein Aufsichtsrat macht noch keinen Sommer. Aber gleichzeitig wurde auch bekannt, dass Herbert Kaufmann im gleichen Aufsichtsrat bleibt. Der Ex-Arbeiterkämmerer Kaufmann aber ist niemand anderer als der langjährige Vorstandsvorsitzende der Flughafen-Wien-Aktiengesellschaft und mitverantwortlich für das stümperhafte Versagen beim Bau eines Abfertigungs-Terminals.

Das sind sehr bedenkliche Signale – selbst wenn man dem Verbund ganz sicher ein bisher sehr erfolgreiches Wirtschaften und auch für die Zukunft eine exzellente Aufstellung attestieren muss.

Er profitiert ja gewaltig davon, dass er einer der größten Wasserkraftproduzenten Europas ist. Wasser ist zweifellos jene Quelle der Energieproduktion, die im Zeitalter der Global-Warming-Hysterie, der Atom-Hysterie und der enorm teuren Alternativ-Energien die besten Zukunftsaussichten hat.

Vielleicht werden ja jetzt sogar die regional enorm großen Widerstände gegen den Bau neuer Speicherkraftwerke überwunden. Haben doch ohne solche Speicher weder Solar- noch Windanlagen einen Sinn, weil sie den Strom nur selten dann liefern, wenn man ihn in größerer Menge braucht. Vorerst tischen grüne Vorfeldorganisation noch immer gegen jedes solche Kraftwerk irgendwelche obskuren Argumente auf. Wobei ihnen dieser Tage kein anderes Argument gegen ein Kraftwerk mehr eingefallen ist, als dass dadurch eine Höhle überflutet wird, in der unlängst Bären genächtigt haben dürften.

Offenbar glaubt die Regierung angesichts dieser strukturell guten Aussichten des Verbunds sich Maßnahmen leisten zu können, die das Vertrauen in den Standort Österreich nicht gerade erhöhen. Um es milde auszudrücken.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Sie lügen und betrügen auch bei der Schuldenstatistik

31. März 2011 16:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„De facto kein Cent mehr an Schulden“; es gebe nur eine „Verschiebung der Zurechnung“: Mit dieser miesen Argumentation will Doris Bures darüber hinwegschwindeln, dass die Republik – und vor allem die von Bures und davor Werner Faymann zu verantwortenden ÖBB – schon wieder beim Lügen und Betrügen erwischt worden sind. Was nun EU-amtlich ist.

Die Politik arbeitet immer mit dem gleichen Schmäh: Wochenlang wurden alle einschlägigen Informationen zuerst mit dem Argument dementiert, dass noch gar nichts fix sei. Also dass noch gar nicht klar sei, ob die EU-Statistiker den Schuldenstand der Republik viel höher berechnen, als diese selber es getan hat. Dass also Österreich keineswegs mit den Betrügern aus Griechenland zu vergleichen sei.

Nun ist es doch passiert. Nun hat sich – Überraschung, Überraschung – doch herausgestellt, dass es am Schluss niemand anderer als der Steuerzahler ist, der die vor allem von der Gewerkschaft verschuldeten ÖBB-Schulden zu zahlen haben wird. Dabei waren wir doch so überzeugt, dass es der Weihnachtsmann sein wird.

Der Gesamt-Schuldenstand von Bund und Ländern am Jahresende wird nunmehr von der EU nicht mehr mit 68,9, sondern plötzlich mit 72,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angegeben. Und das Budget des Vorjahres hat nicht mehr 3,6, sondern 4,6 Prozent Defizit ergeben. Gleichzeitig weiß die ganze EU, nur nicht die österreichische Regierung, dass in den nächsten Jahren weitere Neuberechnungen noch weitere dramatische Verschlechterungen des Schuldenstandes ergeben werden. In den – weniger politisch beeinflussbaren – Daten der OECD finden sich diese schon längst. Dazu kommt noch die noch gar nicht einberechnete Kleinigkeit von zehn Milliarden Euro an Haftungen für die einst von einer Claudia Schmied geleitete Kommunalkredit.

Diese Zahlen müssten Österreich längst schon in den Schuldturm bringen, gäbe es nicht einige Länder, die es noch wilder getrieben haben. Womit nicht nur die schon am Finanztropf der deutschen und österreichischen Steuerzahler hängenden Länder gemeint sind. Bezeichnend ist etwa auch das sich selbst noch für stabil haltende Frankreich: Dort jubelt man sogar, weil das staatliche Defizit im Vorjahr „nur“ bei 7 Prozent gelegen ist. Da kann man sich offenbar schon rasch wieder einen neuen kleinen Krieg leisten.

In Österreich sind es die ÖBB, die nicht weniger als die Hälfte der neu „zugerechneten“ Schulden der Republik zu verantworten haben. Bei der Bahn werden Schulden gemacht, als würden alte Dampflokomotiven mit neuen Euro-Noten angeheizt werden. Dabei würden die vielen Redemanuskripte der diversen ÖBB-Manager reichen, in denen immer wieder Besserung versprochen worden ist.

Die neuen Zahlen sind alles andere als Kleinigkeiten und sollten eigentlich eine Schockwelle durchs Land schicken. Dennoch beharrt die Regierung auf dem Bau von Koralm- und Brennertunnel. Dennoch weigert sich die SPÖ, die Hacklerregelung abzuschaffen oder die Studiengebühren wiedereinzuführen. Dennoch leisten wir uns neun Landeshauptleute, die zum Teil Hof halten, als wäre hierzulande gerade der Goldrausch ausgebrochen. Die unsinnige Dinge wie überdimensionierte Straßen, wie die Luxusgehälter der Wiener Rathaus-Beamten, wie die Flut niederösterreichischer Sommerfestivals, wie überflüssige Spitäler finanzieren. Natürlich finanzieren sie das nicht selber, sondern sie tun es mit unserem Geld, aber ohne uns zu fragen.

 

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Die drei Regeln der Korruption

31. März 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bei Korruption geht es nicht nur um Moral und Charakter, um Anständigkeit und Strafgesetz. Korruption, Sauberkeit und Transparenz haben vielmehr auch eine gewaltige wirtschaftliche Bedeutung. Denn Korruptions-Regel Nummer eins sagt: Je schlimmer die Korruption, umso geringer das Wachstum, umso schlechter sieht es auch für die  Finanz- und Börsenwelt aus. Daher sollten sich anstelle von vordergründigen Moralisten vor allem Menschen der Wirtschaft sorgen, welche Abgründe uns der Fall Ernst Strasser zeigt.

Gewiss: Die Falle, die Strasser gestellt wurde, war als Vorstoß eines namentlich nie genannten Finanzkonzerns getarnt, der angeblich eine investorenfeindliche Gesetzgebung bekämpfen wollte. Gewiss: In diversen Parlamenten macht sich ein unheilvoller Drang zur Überregulierung breit, der am Ende des Tages genauso schädlich für uns alle ist wie Korruption. Gewiss: In vielen Ländern der Dritten Welt hält an allen Ecken jemand die Hand auf, wenn ein westlicher Exporteur Waren oder Dienstleistungen anbietet. Gewiss: Selbst in den EU-Ländern Rumänien oder Bulgarien kann man sich nach wie vor Schulzeugnisse, Gerichtsurteile, Operationen, Bescheide durch Bestechungsgelder zu kaufen. Gewiss: Es ist für Politiker provozierend, wenn Lobbying-Agenturen – ganz legal! – Tausende Euros lediglich dafür kassieren, dass sie einem Industriellen einen Termin bei einem Ministersekretär verschaffen (obwohl dieser Sekretär den Industriellen auch ganz ohne den Anruf der Agentur empfangen hätte).

Die Überwindung solcher Hürden gelingt Einzelnen immer wieder mit Geld. Aber es ist letztlich stets verschwendetes Geld, das anderswo viel produktiver eingesetzt wäre.

Regel Nummer 2: Je mehr Bürokratie, je mehr Regeln, umso ärger die Korruption. Ein positives Beispiel ist da das kleine Land Georgien. Dort hat man 800 von rund 1000 bei diversen wirtschaftlichen Aktivitäten notwendigen Genehmigungen für überflüssig erklärt. Binnen kurzem hat Georgien im Antikorruptionsindex einen weiten Sprung nach vorne (von Platz 131 auf Platz 68) gemacht. Und einen noch weiteren bei den diversen Rankings als Investitions- und Wirtschaftsstandort.

Deregulierung und Privatisierung reduzieren die Möglichkeiten für Korruption also gewaltig. Aber auch im Idealfall bleibt immer ein Rest an staatlichen Aktivitäten und Regulierungen, bei denen immer Korruption möglich ist. Daher ist auch die Regel Nummer 3 sehr wichtig: Ein funktionierender Rechtsstaat und die Unbestechlichkeit von Richtern, Beamten und Gesetzgebern bilden die wichtigste Basis einer funktionierenden Wirtschaft. Dabei geht es immer auch um Charakter und Gewissen, um gesellschaftliche Kultur, um den nationalen Konsens tief in den Köpfen aller Akteure, dass man bestimmte Dinge einfach nicht tut. Zumindest dann, wenn man sich ohne Ekelgefühle in den Spiegel schauen will. Dieser Konsens scheint aber zunehmend verloren zu gehen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Ortstafeln und wirkliche Ungerechtigkeiten

30. März 2011 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Verfassungsgerichtshof hat sich wieder einmal zu den Kärntner Ortstafeln geäußert. Und wieder einmal ist ganz Österreich empört über die jahrelange Nichtumsetzung der wiederholt geäußerten Wünsche des Oberstgerichts. Der Verfassungsgerichtshof hat sich auch wieder einmal zum Thema Grundsteuer geäußert. Und wieder einmal ist kein Mensch empört über die jahrelange Nichtumsetzung der wiederholt geäußerten Wünsche des Oberstgerichts. Dabei wäre juristisch, ökonomisch und vom Gleichheitsprinzip her die Empörung viel mehr im zweiten als im ersten Fall am Platz.

Denn bei den Ortstafeln ist gar nicht die ständig gescholtene Kärntner Landesverwaltung im Verzug, sondern in Wahrheit der Bundesgesetzgeber, damit primär die Koalition, die aber so tut, als ginge sie das gar nichts an. Das Parlament müsste eigentlich seit langem ein Durchführungsgesetz zum Artikel 7 des Staatsvertrags erlassen. Das weist Günther Winkler, der große alte Mann des österreichischen Verfassungsrechts, immer wieder mit Vehemenz nach. Während die jüngere ideologiegeprägte Verfassungsrechts-Generation, die derzeit vor allem die Wiener Fakultät besetzt hält, eher an ein anderes oberstes Verfassungsprinzip glaubt: Im Zweifel sind immer die Kärntner zu verurteilen.

Der Bundesgesetzgeber zögert seit Jahr und Tag, weil nie ein Konsens erzielbar war. Und überdies will man die heikle Materie mit Zweidrittelmehrheit gegen alle schnellfahrenden Provokateure und übereifrigen Richter absichern. Der VfGH hat ja die Bestrafung eines solchen Schnellfahrers in einem durch bloß einsprachige Tafeln gekennzeichneten Ortsgebiet als Verfassungsverletzung aufgegriffen, weil der Staatsvertrag dadurch verletzt worden sei. Das wird er freilich nicht so leicht einem Normalbürger klarmachen können, der noch an Gesetze und Gerichte glauben soll.

Und warum gibt es dieses Gesetz nicht? Meistens waren es die (diversen) Kärntner Freiheitlichen, die sich quergelegt hatten, und ohne deren Zustimmung keine Bundesregierung bisher das Gesetz einzubringen gewagt hat. Der Grund des Zögerns in Wien liegt natürlich in der Angst vor einem neuen Ortstafelsturm. Denn rein juristisch haben die Kärntner ja gar kein Vetorecht gegen ein solches Gesetz. Sie sind also nur politisch, nicht rechtlich schuld am Fehlen der letzten Ortstafeln.

Ein einziges Mal hat es jedoch auch schon einen Konsens zwischen der Kärntner und der Bundesregierung sowie den deutsch- wie den meisten slowenischkärntner Heimatverbänden gegeben. Jener Konsens war im Jahr 2006 nach Vorarbeiten einer Historikergruppe unter dem Grazer Karner zwischen Wolfgang Schüssel und Jörg Haider ausgehandelt gewesen. Damals war es wiederum die SPÖ Alfred Gusenbauers, der es in seiner Totalopposition nicht zulassen wollte, dass die beiden Erzsatane seines leicht manichäischen Weltbildes einen solchen politischen Erfolg verbuchen.

Die Faymann-SPÖ ist hingegen jetzt wieder zu fast jeder Lösung bereit, um selbst den Erfolg einzufahren. Jetzt aber haben wiederum die Kärntner Machthaber keinerlei politisches Interesse, Faymann zu einem Erfolg zu verhelfen. Und sie erfinden ständig neue Bedingungen. Wohl auch aus Rache dafür, weil der jetzige SPÖ-Chef besonders darauf bedacht ist, die FPÖ nach alter Vranitzky-Art auszugrenzen.

So widerlich dieses Parteien-Hickhack auch ist und so juristisch problematisch die Judikatur des VfGH auch ist, so klar ist das, was der Verfassungsgerichtshof in Sachen Grundsteuern will. Und was seit Jahrzehnten alle Bundesregierungen nicht wollen: Der VfGH steht mit großer Logik auf dem Standpunkt, dass es eine grobe Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist, wenn Vermögen in Form von Bargeld, Aktien oder Sachwerten anders behandelt wird als Vermögen in Form von Grundstücken. Grundstücke sind nämlich durch den sogenannten Einheitswert massiv begünstigt.

An dieser Ungleichbehandlung ist schon die Erbschaftssteuer zerschellt, die vom VfGH aufgehoben und die dann nie wieder eingeführt worden ist. Dies erstens deshalb, weil die ÖVP sich freut, dass die Steuer abgeschafft ist, und zweitens weil alle Parteien an dieser Bevorzugung von Grundstücken festhalten wollen. Sie wissen zwar, dass das ungerecht ist, sie wollen es sich aber weder mit den Bauern noch mit den vielen Häuslbauern dieses Landes verscherzen, die davon profitieren.

Sie halten daher an diesem Steuerprivileg für Immobilien fest, obwohl es ebenso überholt und ungerecht ist wie beispielsweise das sogenannte Jahressechstel, also die geringe Besteuerung des 13. und 14. Monatslohns von Arbeitnehmern. Während das letztgenannte Gruppenprivileg von den Gewerkschaften wie der Heilige Gral verteidigt wird, steht bei der Grundsteuer natürlich der Bauernbund in vorderster Abwehrfront. Aber es gibt ohnedies keine einzige Partei, welche sich gegen die genannten Ungerechtigkeiten in diesen beiden Fragen engagieren will.

Sie stecken vielmehr alle den Kopf in den Sand – oder glauben gar, dass der VfGH gefügiger wird, wenn der Steuerspezialist des Gerichtshofs in absehbarer Zeit altersbedingt abtreten dürfte.

Bei der Privilegierung der Grundsteuer ist ein Aspekt besonders pikant: Der VfGH hat nun ihretwegen auch die gesamte Stiftungseingangssteuer für verfassungswidrig erklärt. Das bedeutet: Wenn sich die Parteien auch diesmal nicht auf eine gerechte Besteuerung von Grundstücken einigen sollten, fällt diese Steuer ab 2012 weg, was angesichts des hochgepeitschten Hasses der SPÖ auf Stiftungen (sofern sie nicht der Partei selber gehören) besonders skurril wäre.

Dabei ist eine stärkere – also im Sinne des VfGH gerechtere – Besteuerung von Grundstücken auch ökonomisch und steuerpsychologisch die sinnvollste aller Steuern: Denn einer Grund-Besteuerung kann niemand ausweichen, indem er Vermögen ins Ausland verschiebt. Was ja bei allen anderen Anlageformen durchaus sinnvoll sein kann, wenn Österreich zu hoch besteuert. Überdies könnte man mit Grundsteuern auch sehr effektvoll ökologisch steuern: Alles, was Grünland ist, wird gering besteuert; alles, wo der Boden betoniert oder sonstwie versiegelt wird, wird hoch besteuert.

Das wäre eine perfekte Lösung, mit der man auch andere, schädlichere Steuern etwa auf Arbeitslohn reduzieren könnte. Das wäre es – würden nicht die Häuslbauer in jedem Bundesland die Wahl entscheiden.

 

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Verlustmeldungen eines turbulenten Tages

29. März 2011 16:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

An manchen Tagen gleicht die Republik einem Lost&Found-Schalter, bei dem ständig alle möglichen Verluste gemeldet werden. Wobei es aber keine Chance auf ein Wiederfinden  des Verlorenen gibt.

Da geht der ÖVP nun schon der zweite Europa-Abgeordnete binnen weniger Tage verloren. Und wieder steigt bedenklicher Geruch auf, weil ein Abgeordneter nicht scharf zwischen privaten Interessen und politischer Aufgabe getrennt hat. Das intensiviert noch mehr die schon seit einiger Zeit rumorende Frage, mit welcher Unprofessionalität diese Partei eigentlich derzeit geführt wird. Weiß man nicht, dass es zur obersten Pflicht eines Parteisekretariats gehört, sich die eigenen Kandidaten genau anzuschauen, sowohl bei der Bestellung wie auch nachher? Warum erfolgen die Rücktritte immer erst nach Tagen des Trommelfeuers von außen? Hängt das vielleicht damit zusammen, dass Josef Pröll nicht nur an der Parteispitze, im Klub und in der Akademie, sondern auch im Sekretariat zum Teil bis auf die dritte Ebene das Personal ausgewechselt und sich damit blutiges Anfängertum eingehandelt hat – mit der hochmütigen Begründung, dass das System Schüssel-Molterer halt abgewählt worden sei (obwohl Pröll deren Stimmanteile nicht einmal mehr annähernd erreichen kann)?

Da geht der AUA der neue Chef verloren – nicht einmal drei Tage, bevor dieser sein Amt antritt. Die Begründung ist so fadenscheinig, dass man daraus nur auf tiefe, wenn auch geheimgehaltene Konflikte schließen kann. Das zeigt freilich, dass auch die Privatwirtschaft nicht ganz vor jenen Peinlichkeiten gefeit ist, die man sonst dem öffentlich-rechtlichen Bereich und der Politik zuordnet.

Da geht der Politik der Sündenbock für den Absturz der Hypo Alpen-Adria verloren. Denn deren früherer Chef wurde vom Gericht freigesprochen. Dabei war das Verfahren gegen den Herrn Kulterer ohnedies skurril: Es wurden leichtfertige Kredite in der Höhe von zwei Millionen angeklagt – hingegen die Tatsache, dass das Land Kärnten noch viel leichtfertigere Haftungen in der Höhe von fast 20 Milliarden eingegangen ist, scheint niemanden zu stören. Dabei ist das zehntausendmal so viel. Aber wie im Fall Bawag geht es offenbar immer nur darum, einen Sündenbock für Verbrechen der Politik festzunageln. Und die Staatsanwälte sind froh, sich nicht mit der Politik anzulegen.

Und da geht den Medien und den Grünen (was ja meist dasselbe ist) plötzlich der angebliche Beweis für Bestechung rund um die Eurofighter-Beschaffung verloren, der von ihnen monatelang als Megaskandal betrommelt worden ist. Denn die Staatsanwaltschaft hat mangels Kausalität alle Verfahren eingestellt. Was freilich schon einen üblen Beigeschmack hinterlässt. Gewiss: Dass die Eurofighter-Firma mit großer Freigiebigkeit vor allem Richtung heeresnahen und FPÖ-nahen Partnern durchs Land gezogen ist, ist alles andere als ein Beweis, dass die Eurofighter-Anschaffung geschoben war. Aber dennoch ist man ziemlich erstaunt, wenn etwa ein Spitzenoffizier vom größten Auftragnehmer des Heeres für ein privates Projekt und aus angeblicher alter persönlicher Freundschaft Geld annehmen kann und das nicht strafbar ist. Ich weiß jedenfalls eines: Es gab zumindest früher sehr viele Spitzenbeamte, die nicht im Schlaf bereit gewesen wären, auf noch so vielen Umwegen Geld eines Lieferanten der Republik oder auch sonst einer Firma entgegenzunehmen. Freilich gab es immer auch andere. Und nach dieser Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wien – die ja allem Anschein nach lieber Meinungsdelikte von Islamkritikern verfolgt – wird es halt noch viel mehr von diesen „anderen“ geben. Aber öffentlich wird debattiert, ob die Einladung zu einem Essen oder einem Konzertbesuch an sich schon ein Verbrechen darstellt . . .

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30 Mal das japanische Erdbeben

29. März 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels haben sich zwar schon seit Tagen und Wochen abgezeichnet. Sie sind aber dennoch bedrückend. Denn sie bedeuten, auf den Punkt gebracht: Wenn all die Haftungen schlagend werden, welche die noch stabilen Länder Europas nun eingehen, wenn auch von dem nunmehr bar aufzubringenden Geld nichts zurückfließt, was viele Experten prophezeien, dann wird das Österreich und Deutschland in eine ganz schwere Wirtschaftskrise stürzen. Gegen die dann ausbrechende Krise wird sich die letzte der Jahre 2008/09 geradezu harmlos ausnehmen.

Um nur die Zahlen für Österreich zu nennen: Das Land muss nicht weniger als 17,3 Milliarden an Haftungen für den sogenannten Euro-Stabilisierungsfonds übernehmen. Dazu kommen weitere 2,2 Milliarden Euro an Bargeld. Denn offenbar halten die Finanzmärkte nicht einmal mehr die gemeinsame Haftung selbst der stärksten europäischen Länder für glaubwürdig, sie wollen statt dessen lieber zunehmend Bares sehen. Die Geldgeber wissen nämlich, auch diese „stärksten“ Europäer sind alle selbst nur im Vergleich zu den meistverschuldeten Staaten stark. Unter objektiven Gesichtspunkten müssten auch sie als schwer krank gelten.

Insgesamt geht es um einen 700-Milliarden-Euro-Fonds. Zum Vergleich der Größenordnungen: Die Folgen des japanischen Erdbebens und Tsunamis für alle Versicherungen werden derzeit auf 20 bis 25 Milliarden geschätzt. Mit anderen Worten: Europa geht Risiken für rund 30 Mega-Katastrophen ein.

Skurrilerweise hat die EU zugleich beschlossen, dass die zur Finanzierung (zumindest) des Bargelds notwendigen neuen Schulden nicht auf die Schuldenquote der einzelnen Länder angerechnet werden. Das wird die Glaubwürdigkeit der diversen europäischen Statistiken wieder einmal ungemein erhöhen – so wie das ja schon die Betrügereien Griechenlands geschafft haben. Die Märkte – das sind alle jene, die den EU-Staaten weiteres Geld borgen sollen, – werden offenbar für eine Ansammlung von Dummköpfen gehalten. Was sie aber nicht sind.

Daher werden die Österreicher, die Deutschen und alle anderen künftig für die Finanzierung ihrer Staatsdefizite deutlich höhere Zinsen zahlen müssen. Denn sie liegen ja in Sachen Schuldenmacherei nur um wenige Jahre hinter den Griechen. Die Kosten dieser höheren Zinsen kommen jedenfalls noch zu den Kosten der Haftungen und Kreditaufnahmen hinzu.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen gehen alle internationalen Analysen davon aus, dass Griechen und Iren (und in Zukunft auch die Portugiesen und Spanier) niemals die Kredite zurückzahlen werden, die sie jetzt auf Grund der Haftung der Miteuropäer jetzt wieder aufnehmen können.

In den Stunden seit dem Gipfel werden wir mit einer Flut von Propaganda eingedeckt, dass es parallel zu diesen unpopulären Haftungen und Krediten ja auch positive Beschlüsse gäbe. So drohen den Defizitsündern künftig harte Strafen. So werde die Sozial-, Wirtschafts- und Haushaltspolitik viel enger abgestimmt werden.

Beides kostet den gelernten Europäer aber nur einen Lacher. Diese politische Abstimmung ist eine fromme Absichtserklärung ohne jede Konsequenz, wenn sie nicht stattfindet. So hat der österreichische Bundeskanzler typischerweise sofort die Forderung von Angela Merkel abgelehnt, dass das Pensionsalter (die Schuldenlasten durch das Pensionssystem wachsen ja am raschesten) automatisch angehoben werden muss, oder dass zu hohe Lohnsteigerungen (die für den Standort Europa schädlich sind) verboten werden. Mit dem Njet Werner Faymanns und einiger anderer ist bereits klar bewiesen, was von diesen Absichtserklärungen zu halten ist.

Noch unglaubwürdiger sind die angekündigten Strafen für Defizitsünder. Denn so wie bisher werden die Strafen erst fällig, wenn die Minister der Mitgliedsländer zugestimmt haben. Und diese Minister haben schon in der Vergangenheit immer gegen Strafen gestimmt. Eine Schulden-Krähe kratzt bekanntlich der anderen kein Auge aus. Sonst hätten ja schon fast alle EU-Länder längst Strafen zahlen müssen und in Zukunft müssten sie erst recht alle zahlen. Sind doch die Kriterien gleich streng geblieben, aber inzwischen noch viel realitätsferner geworden: drei Prozent maximale Neuverschuldung, 60 Prozent maximale Gesamtverschuldung.

Außerdem: Wenn es einem Land finanziell schlecht geht, dann erhöht eine Geldstrafe ja nur die Finanzprobleme dieses Staates. Sie ist daher nicht wirklich sehr logisch. Vor allem aber ist es unlogisch, wenn man durch Haftungen und Kredite diesem Schuldenland Geld zuschiebt, das man ihm gleichzeitig über solche Strafen wieder abzunehmen droht. Irgendwer muss da die Menschen für sehr dumm halten. Nein, nicht irgendwer, sondern die europäischen Regierungschefs sind es, die vor uns diese Luftburg aufgebaut haben. Die sie aber als eine funktionierende europäische Architektur bezeichnen.

Wie ernst es den Schuldenländern mit dem Sparen ist, sieht man nach dem Scheitern des portugiesischen Sparpakets etwa auch ganz aktuell an Spanien: Dort haben die Mitarbeiter der Flughäfen in den vergangenen Stunden mit Streik gedroht, und prompt haben sie von der Regierung eine Garantie bekommen, dass ihre Tarifverträge nicht angetastet werden, und dass es auch keine Entlassungen gibt, selbst wenn die Flughäfen aus Geldnot verkauft werden sollten. Was die spanische Politik offenbar nicht begreift: Erstens, wer sich einmal erpressen lässt, wird noch viel öfter erpresst. Zweitens, Spanien wird natürlich nun bei einem Verkauf der Flughäfen deutlich weniger Geld bekommen. Denn jeder Käufer zieht diese teuren Garantien vom Kaufpreis ab. Das ist nur ein kleines von vielen Beispielen, dass die politische Klasse Europas noch immer nichts verstanden hat.

Hätten die Regierungschefs die angekündigten Strafen für die Defizitsünder ernst genommen, dann hätten sie diese ja auch gleich der natürlichen Strafe überlassen können. Dann ist es auch absolut unverständlich, warum die Regierungschefs solche gewaltigen Risiken eingehen, nur um die Sünderländer vor der gleichsam automatischen Strafe bewahren. Denn die Marktwirtschaft hat ja längst klare Konsequenzen entwickelt, wenn jemand seine Schulden nicht mehr bezahlen kann: nämlich Konkurs, Ausgleich, Umschuldung.

Das sind gewiss auch für deren Gläubiger unangenehme  Konsequenzen. Sie sind aber tausend Mal klüger und besser als der nun in Europa angesagte Schrecken ohne Ende, der noch viel mehr Opfer fordern wird als eine solche Umschuldung.

Was würde denn bei einer so gefürchteten Umschuldung, einem „Haircut“ eines Landes nun wirklich passieren? Dem Euro würde trotz aller Schreckensmeldungen nichts passieren; das Land müsste sich mit den Gläubigern an einen Tisch setzen und einen genauen Plan einer Umschuldung aushandeln, der meist in Fristerstreckungen und einem teilweisen Forderungsverzicht besteht; das wiederum würde etliche Banken und Fonds in den Gläubigerländern treffen – aber die haben in den letzten Jahren ohnedies schon durch hohe Zinsen viel von dem verborgten Geld zurückbekommen; außerdem wäre selbst eine eventuelle neue Bankenhilfe weit billiger als der 700-Milliarden-Fonds; die Regierungen der Schuldnerländer bekämen eine sehr gute Argumentationsbasis gegenüber den Gewerkschaften, und könnten all die angeblich wohlerworbenen Rechte und Privilegien in Frage stellen, die unsere Zukunft bedrohen.

Das wichtigste an einem solchen Staatsbankrott (oder mehreren) wäre die Vorwirkung auf andere Staaten. Denn dann müssten alle sofort viel sparsamer agieren. Dann würde sich jeder Gläubiger seine Kreditnehmer viel genauer anschauen. Dann müssten Banken auch Kredite an Staaten als Risikopapiere behandeln und zum Unterschied von heute so wie jeden anderen Kredit mit Eigenkapital unterlegen. Dann würden auch die Menschen spüren, dass die Lage weiterhin, trotz Zwischenkonjunktur, eine ernste ist.

Aber die europäischen Regierungschefs haben diesen konsequenten Weg vermieden. Sie gleichen einem an Lungenkrebs Erkrankten, der weiter raucht – oder an die Heilung durch eine Diät glaubt, aber auf die (vielleicht) lebensrettende Operation oder Chemotherapie verzichtet. Sie sind damit kurzfristig Unangenehmem ausgewichen, haben aber langfristig ein umso größeres Risiko eingegangen.

Freilich: Noch ist der Beschluss der Regierungschefs rechtlich nicht Realität. Vorher muss es noch eine – scheinbar kleine – Änderung der EU-Verträge geben. Denn bisher ist ja ein Bailout, also die Übernahme der Schulden eines anderen EU-Landes, europarechtlich verboten. Das dürfte auch der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe vermutlich bald der Berliner Regierung klarmachen.

Diese Vertragsänderung muss daher noch durch die Parlamente. Sie braucht etwa in Österreich sogar eine Zweidrittelmehrheit. Daher darf man gespannt sein, ob diese Änderung in allen EU-Ländern wirklich zustandekommt. Welche Oppositionspartei wird in Österreich die Hand zum 30fachen Erdbeben reichen? Am ehesten stehen die Grünen im Verdachtsverhältnis. Aber auch sie werden sich die Zustimmung teuer abkaufen lassen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Angela - Home alone

28. März 2011 09:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie kann die deutsche Regierung nach diesem vernichtenden Ergebnis bei zwei Landtags- und etlichen Kommunalwahlen noch weiterarbeiten? Wenn CDU/CSU und FDP trotz heftigen Gegenwinds das noch wollen, wird es sicher nicht helfen, die Schuld auf die regionalen Häuptlinge zu schieben oder gar sich zu freuen, dass „nur“ die Grünen“ – diese jedoch erdrutschartig –, nicht jedoch die SPD gewonnen haben. Das wird wohl nur dann gehen, wenn man sowohl bei der CDU wie bei der FPD plötzlich wieder klar erkennen kann, wofür diese Parteien stehen. Ja, dass sie überhaupt noch für etwas stehen. Dass die Regierung an der Spitze des größten europäischen Landes doch noch Führungskraft hat.

Und das hat die Regierung Angela Merkels bisher in keiner Weise geschafft. Gewiss können Deutschlands Schwarze und Gelbe klagen, dass binnen wenigen Wochen zwei GAUs passiert sind, die nicht wirklich beeinflussbar waren. Weder der japanische Atomunfall noch die (wenn auch unter kräftiger Mitwirkung linker Uni-Netzwerke erfolgte) Demontage des Ministers Guttenberg waren von den Parteiführungen ausgelöst worden. Aber schlecht reagiert haben sie in jedem Fall. Das trifft auch auf die Migrations-, Finanz- und Nahostkrise zu.

Merkel und ihr Partner Westerwelle erwecken in keinem Deutschen mehr den Eindruck, klar für einen Kurs zu stehen. Sie strahlen Unsicherheit aus, man merkt bei jeder Maßnahme, dass sie nur auf die Umfragen schielen und nicht von irgendwelchen klaren liberal oder konservativ geprägten Überzeugungen ausgehen. Das kann man Thema für Thema durchdeklinieren.

  1. Atomunfall: Die Regierung ließ sich von der Panikwelle mitreißen und signalisierte mit ihrem über Nacht verhängten Moratorium eigenhändig einer durch die Medien ohnedies schwer verunsicherten Bevölkerung, dass CDU und FDP mit ihrem vor wenigen Monaten erneuertem Bekenntnis zur Atomkraft einen Fehler begangen hätten. Sie gewannen dadurch jedoch keinen der Verängstigten zurück – dies umso weniger, als der FDP-Wirtschaftsminister in einer die letzte Glaubwürdigkeit zertrümmernden Rede das Moratorium als bloße Wahlkampftaktik geoutet hat. Was ohnedies die meisten vermutet hatten. Gleichzeitig hat die Regierung dem weniger verängstigten Teil Deutschlands aber auch keine Antwort gegeben, wie das Land seine Energiezukunft lösen wird, ohne den Standort zusätzlich massiv zu belasten. Denn acht Atomkraftwerke zusperren und dafür halt jede Menge französischen Atomstroms importieren, ist noch keine wirklich überzeugende Ansage.
  2. Guttenberg-Rücktritt: Das Video, das Merkels triumphierendes Lächeln zeigt, als sie auf ihrem Handy die Nachricht vom Rücktritt des plagiierenden, aber ungemein beliebten CSU-Ministers erhielt, war für viele schockierend. Hatte sie doch stets ihre Loyalität zu Guttenberg beschworen.
  3. Libyen-Krise: Es haben zwar viele verstanden, dass die Regierung keine deutschen Flugzeuge nach Libyen entsendet, aber dass sich die deutsche Diplomatie im Sicherheitsrat den Russen und Chinesen statt den Franzosen, Briten und Amerikanern anschloss, ließ in vielen Deutschen die Frage hochkommen: Wozu eine rechte Regierung wählen, wenn sie dann ohnedies eine linke, neutralistische Politik verfolgt?
  4. Noch viel vernichtender war der EU-Gipfel unmittelbar vor den deutschen Landtagswahlen. Merkel ist – wie zu erwarten war – mit dem groß angekündigten Versuch gescheitert, den schuldenlustigen Südeuropäern ein wirksames Korsett anzulegen. Sie hat aber dennoch zugestimmt, dass Deutschland mit der größten zusätzlichen Schuldenlast beschwert wird, die je eine Regierung zu verantworten hatte. Alle Deutschen, die nur einigermaßen Verständnis von finanziellen und wirtschaftlichen Zusammenhängen haben, konnten und können darüber nur entsetzt sein. Der Eindruck ist umso verheerender, als vom EU-Gipfel knapp vor der Wahl doch noch ein „Erfolg“ Merkels gemeldet worden war: Deutschland muss seine Zahlungen in den europäischen „Stabilisierungs“-Fonds nicht zur Gänze im Wahljahr für den nächsten Bundestag, sondern kann sie auf Raten zahlen. Sodass sich schnell noch vor der Wahl eine Steuersenkung ausgeht. Mit anderen Worten: Merkel hat dort nicht für die Interessen Deutschlands, sondern in erkennbarer Weise für jene ihrer Parteitaktik gekämpft.
  5. Und auch beim letzten Punkt, weshalb Menschen normalerweise eher eine Partei rechts der Mitte als eine linke wählen, haben CDU und FDP versagt (lediglich die CSU hat die Hand noch ein wenig am Puls der Wähler): Nämlich bei der wachsenden Sorge vor Überfremdung und einer rapide zunehmenden islamischen Bevölkerung. Merkel hat die kluge und seriöse, aber auch schmerzhaft ehrliche Analyse des SPD-Dissidenten Thilo Sarrazin scharf verurteilt (ohne sie gelesen zu haben). Der CDU-Bundespräsident hat den Islam als Teil Deutschlands bezeichnet. Und die FDP-Justizministerin versucht in diesen Fragen überhaupt die SPD links zu überholen.

In allen fünf Punkten bleibt die Antwort offen: Warum soll man dann noch eine dieser beiden Parteien wählen? Da man keine Antwort mehr auf diese Fragen bekommt, geht man lieber gleich zu den Grünen, die wenigstens den Eindruck vermitteln, Überzeugungen zu haben. Was umso alternativloser war, da es zum Unterschied von anderen Ländern rechts von den deutschen Regierungsparteien keine brauchbaren Alternativen gibt.

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Die Täter sind bekannt - und auch noch stolz auf ihre Tat

25. März 2011 01:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie haben zwar wohlweislich bis nach Mitternacht gewartet, bis sie den blamablen Beschluss veröffentlicht haben. Aber dennoch werden die Beschlüsse dieses EU-Gipfels nicht untergehen. Man sollte man sich die Namen der Täter gut merken. Denn es kommt nach diesen Beschlüssen mit absoluter Sicherheit der Tag, an dem ganz Europa im Schuldenstrudel ertrinken wird.

Man weiß nur das Datum noch nicht genau. Und man weiß nicht, ob an dem Tag, da ganz Europa zahlungsunfähig geworden sein wird, einfach wieder ein – diesmal freilich völlig ungedeckter – Papier-Schilling gedruckt wird; oder ob Anleihen und andere Schuldscheine halt für wertlos erklärt werden; und in welchem Ausmaß das Ganze von massenweisem Vermögens- und Arbeitsplatzverlust begleitet sein wird. Wodurch in aller Regel auch Demonstrationen, Unruhen und manchmal auch Kriege ausgelöst werden.

Die nächtens verkündeten EU-Beschlüsse heißen: 17 Euroländer stellen 700 Milliarden zur Verfügung, um Griechen, Iren, (höchstwahrscheinlich) Portugiesen und wohl noch ein paar andere Schuldenländer ein paar Monate vor dem Konkurs zu retten. Davon müssen – erstmals! – sogar 80 Milliarden in bar fließen. Der Rest sind „nur“ Garantien, von denen man so tut, als müsste man sie nicht ernst nehmen. Mit anderen Worten: Im Glauben, die Passagiere eines sinkenden Bootes dadurch zu retten, steigen Österreich, Deutsche und andere auch noch in das gleiche Boot.

Dabei sind sie ja selbst alles andere als sicher unterwegs. Sie haben sich die jüngste Konjunkturkrise viel Geld kosten lassen. Sie verletzen hinten und vorne alle selbst definierten Stabilitätsziele. Und sie haben alle paar Wochen neue – angeblich völlig unabdingbare – Gründe, um noch mehr Geld auszugeben.

Da lassen sie sich vom Boulevard in eine lachhafte Atompanik hineintreiben (die Fellner-Zeitung titelte jetzt sogar schon „Atomwolke über Österreich“), von der vor allem Windmühlbauer profitieren. Das wird etwa die deutschen Steuerzahler weitere Milliarden kosten, sollten wirklich acht Atomkraftwerke endgültig vom Netz genommen werden.

Wenige Tage später wird ein Krieg gegen Libyen begonnen, der Europa wirtschaftlich viel kostet, und die unmittelbar kriegführenden Länder noch viel mehr. Der Krieg wird begonnen, obwohl es kein klares Kriegsziel gibt, obwohl die libyschen Aufständischen (denen man helfen will) ein völlig chaotisches Häuflein sind, das offenbar nur mit Gewehren in die Luft ballern und „Allah akbar“ rufen kann. Diese Aufständischen stellen aber ganz offensichtlich keinerlei militärische Bedrohung für Muamar Gaddafi dar. Aber die naiven Europäer glauben, dass mit diesem Haufen in Libyen Rechtsstaat und Demokratie ausbrechen werden. Und bei uns wahrscheinlich Freibier für alle . . .

Der Name, den sich die Österreicher jedenfalls gut merken sollten, heißt natürlich Werner Faymann. Er trägt in österreichischer Perspektive die Hauptverantwortung für diese absurden Beschlüsse, auch wenn die seit vielen Monaten ohne geistige Führung dahintorkelnde ÖVP nicht aus der Mitschuld entlassen werden kann.

Faymann hat nicht einmal versucht, sich auch nur eine Sekunde dem Wahnsinn entgegenzustellen. Statt dessen hat er in den letzten Tagen wie ein Sancho Pansa zum Kampf gegen Atomkraftwerke gerufen. Ja, Faymann hat sich sogar gegen den verzweifelten Versuch Angela Merkels quergelegt, den Europäern zwingende Disziplin bei Lohn- und anderen teuren Forderungen aufzuerlegen. Das wäre aber die letzte Chance gewesen, den geschlossenen Gang des Kontinents zum Konkursrichter noch abzuwenden.

Faymann hat in einer einzigen Nacht - ähnlich wie an dem unrühmlichen 24. September 2008 - mehr als zwei Milliarden Bares beim Fenster hinausgeworfen. Von den noch viel größeren Haftungen gar nicht zu reden. Aber Faymann redet vom Atom.

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Vorsicht Europa! - Rette sich wer kann

24. März 2011 01:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ist ein mehr als ironischer Kommentar der Weltgeschichte zum EU-Gipfel. Während die europäischen Regierungschefs mit einem Federstrich eine weitere schwere Verschuldung Europas in Rekorddimensionen beschließen, tritt in Portugal die Regierung zurück. Denn sie hat im Parlament keine Mehrheit für das vorgeschlagene – und in Wahrheit noch immer unzureichende – Sparpaket gefunden. Was mit Sicherheit heißt: In Kürze wird sich auch Portugal unter den von den anderen Europäern aufgespannten Rettungsschirm flüchten.

Damit findet eine weitere unheilvolle Fortsetzung des im vergangenen Jahr eingeschlagenen unheilvollen Weges statt: Die – relativ – sparsamen Völker Europas müssen für die üppige Ausgabenfreudigkeit ihrer schuldenlüsternen Unions-Genossen an den Ufern des Mittelmeers und Atlantik so heftig und so lange blechen, bis auch sie konkursreif sind.

Man kann natürlich sagen: Aus dem Fehler der Milliardenhilfen für Griechen und Iren folgen zwangsläufig die Hilfen für die Portugiesen, und wohl bald auch der Spanier und möglicherweise auch der Italiener (deren Kreditwürdigkeit mit Sicherheit dann kollabieren wird, wenn die Linke den Sturz von Silvio Berlusconi geschafft hat).

Nur: Niemand kann erklären, worin der Zwang wirklich besteht. Wir hören nur ständig unrichtige Pseudo-Argumente.

Einmal heißt es: Würden die Schulden-Länder nicht „gerettet“, dann würde das dem Euro schaden. Ein reiner Schwachsinn. Denn das Schlimmste, was dem Euro passieren könnte, wäre ein Sinken seines Kurses gegenüber dem Dollar. Worüber sich Europas Exporteure aber nur freuen könnten. Dann wieder wird irgendwelchen düsteren Spekulanten die Schuld gegeben, deretwegen sich die Regierungen leider, leider so schwer verschulden müssen. Auch das ist absoluter Unsinn. Die Schulden sind wegen der hemmungslosen Ausgabenlust der Politik vor und erst recht in der Krise entstanden, weil sich kein Politiker traut, mit den Menschen Klartext zu reden. Das Geld, das weltweit den Banken geborgt worden ist (was ja auch recht fragwürdig war), ist hingegen großteils schon wieder zurückgeflossen. Lediglich staatsnahe Banken sind längerfristig ein Problem: in Deutschland die Landesbanken, in Österreich die Hypo Alpen-Adria oder die Kommunalkredit (mit den prominenten Hauptdarstellern Jörg Haider und Claudia Schmied).

Dann wieder heißt es: Ohne eine solche „Rettung“ der Big-Spender-Nationen wären die Banken in anderen Ländern gefährdet. Jedoch: Durch diese „Rettung“ werden die Banken geradezu verleitet, auch weiterhin schlechten Schuldnern Kredite zu geben. Damit wird eines der wichtigsten Grundprinzipien einer Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt, nämlich: Jeder muss seine eigenen Risiken tragen. Und für normale Spareinlagen haftet sowieso jeder Staat, wenn Banken wirklich kollabieren sollten.

Von den verlogenen moralistischen Argumenten, man müsse doch in einem gemeinsamen Europa solidarisch sein, wollen wir gar nicht reden. Denn die Schuldner-Staaten wurden nicht schuldlos wie Japan von einem Erdbeben und einem Tsunami heimgesucht (das jede Solidarität verdienen würde), sondern sie haben wie Raimunds Verschwender jahre-, jahrzehntelang über ihre Verhältnisse gelebt. Den Portugiesen sind die von der eigenen Regierung vorgeschlagenen Sparmaßnahmen zu tiefgreifend – und zwangsläufig müssen Österreicher und andere Europäer tief in die eigeneTasche greifen.  

Um nur eine anschauliche Zahl zu nennen: In Irland sind die Gehälter in den letzten zehn Jahren um 110 Prozent gestiegen, in Österreich im gleichen Zeitraum nur um 30 Prozent. Die irischen Arbeitnehmer beziehen heute noch im wesentlichen ihre Gehälter weiter – und die österreichischen haften mit gewaltigen Summen dafür.

Was aber tut der österreichische Bundeskanzler an diesem Tag? Er reist vorzeitig vor dem EU-Gipfel zum EU-Kommissionspräsident und macht Druck, dass – die europäischen Staaten auf die Kernkraft verzichten. Was sie niemals tun werden, sind doch die größten Staaten Europas zu 23 bis 70 Prozent von der Atomenergie abhängig. Wovon sie sich weder von einem Faymann noch von manipulativen Greenpeace-Hetzfilmen im ORF abhalten lassen.

Wen wundert es da eigentlich, dass Europa immer unpopulärer wird, dass quer durch den Kontinent eine Welle der Demokratiemüdigkeit rast, und dass die Menschen ihr Geld lieber heute als morgen in Gold und Eigentumswohnungen verwandeln? Es rettet sich halt jeder wie er kann.

 

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Der Anti-Lügen-Pakt

24. März 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Regierung scheint taktisch nicht gut beraten. Sonst hätte sie die überraschende Einigung mit den Bundesländer über die heikle Pflegefinanzierung und den Stabilitätspakt nicht ausgerechnet am Höhepunkt der Japan-Aufregung bekanntgegeben. Immerhin klingt das ja nach einem Erfolg einer nicht gerade Erfolg-reichen Regierung. Und den verkünden Politiker in der Regel dann, wenn sie das erreichen können, was ihnen am wichtigsten ist: Publicity.

Freilich müssen auch Bund und Ländern zugeben, dass es ihnen nur zur Hälfte gelungen ist, das Glas der Notwendigkeiten und Erwartungen zu füllen. Manche mäkeln auch, dass der Finanzausgleich um ein Jahr bis 2014 verlängert worden ist, also jener Pakt über die Verteilung des Steuergeldes auf Bund und Länder, auf dem viele Reformhoffnungen ruhen. Andererseits: 2013 sind Parlamentswahlen fällig. Und in deren Sog wäre auch eine stärkere Regierung nicht imstande, mit den Ländern Klartext zu reden. Also ist die Verschiebung gar nicht so blöd.

Ignorieren kann man auch die Klagen von Caritas & Co, dass das zusätzliche Geld für Pflege noch immer zuwenig sei. Denn ich habe noch nie gehört, dass man dort einmal sagt: Danke lieber Steuerzahler, das ist reichlich und genug.

Das Spannendste ist jedoch der Stabilitätspakt, der sich als ein Antilügenpakt erweist. Er soll die Bundesländer endlich zur Disziplin anhalten. Bei seiner Lektüre kommt der Staatsbürger freilich ordentlich ins Staunen. Denn darin werden – als große Errungenschaft! – Dinge untersagt, die man bisher nur für griechische Nationalbräuche gehalten hatte:

Vielleicht also hat sich die Politik mit ihrer Diskretion doch etwas Gutes getan.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Österreich belehrt und beschert die Welt

23. März 2011 02:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Welt erzittert, sie wird zweifellos nach dieser strengen Ermahnung in sich gehen und tätige Reue üben. Davon gehen offenbar alle fünf Parlamentsparteien des Landes aus, seit sie in einer eigenen Parlamentssondersitzung und mit einem großspurigen Regierungsbeschluss der Welt klargemacht haben, dass Atomenergie des Teufels ist. Man kann sich lebhaft ausmalen, wie jetzt in allen Staatskanzleien die Minister mit hochrotem Kopf beieinander sitzen und ergriffen die verdammenden Worte der Viererbande Faymann, Berlakovich, Glawischnig und Strache studieren.

Bald werden in Wien Jubeltelegramme eintrudeln, die den weisen Österreichern ob ihrer klugen Ratschläge Dankeshymnen singen. Endlich, endlich wurde der Welt klargemacht, dass es völlig gleichgültig ist, wenn weit mehr als Zehntausend Menschen in einstürzenden Häusern und Flutwellen elendiglich verrecken, dass aber der hoffentlich und (angesichts der Panikmache) endlich bald zu vermeldende erste Strahlungstote ein historisches Verbrechen gegen die Menschheit verkörpert.

Würden ihnen nämlich die wirklichen japanischen Opfer irgendetwas bedeuten, dann hätten die weisen österreichischen Politiker ja zweifellos auch weitere Beschlüsse gefasst, die künftig das Auftreten von Erdbeben und Tsunamis verbieten.

Natürlich ist es reiner Zufall, dass die Boulevard-Politik dieses Landes nur noch in jenen geistigen Regionen unterwegs ist, in denen sich die Boulevard-Medien dieses Landes bewegen. Und diese haben ja seit zwei Wochen in ständig schriller werdenden Tönen – gleichgültig ob auf den ORF-Bildschirmen oder in gedruckter Form – den Österreichern die totale Atompanik eingejagt.

Da kann natürlich die Politik nicht zurücktreten, sondern macht nun ihrerseits noch heftiger Panik. Da ist natürlich unter 183 Abgeordneten kein einziger, der noch selbst nachzudenken vermag oder wagt. Denn dann hätte er wohl entdeckt, dass sämtliche 54 japanischen Atomkraftwerke Japans das schwerste Erdbeben der jüngeren Geschichte überstanden haben. Und dass nur die gewaltige Flutwelle eines Tsunami eine Serie schlimmer Pannen und Schäden angerichtet hat. Und dass in den Kraftwerken rund um Österreich die Zahl der Tsunamis nicht einmal in Schaltjahren sonderlich zunimmt.

Aber welcher Politiker will den Menschen schon etwas sagen, was sie beruhigen würde? Wer wagt schon Aussagen, die einem in den Fellner-Dichand-Wrabetz-Medien den Vorwurf einbringen würden, ein Atomlobbyist zu sein.

Es ist ja auch nicht so, dass Österreich keine größeren Sorgen hätte. In Wahrheit ist die Regierung durchaus froh, dass von den wirklichen Herausforderungen nicht geredet wird, sondern nur von Vorgängen, deretwegen heftig, aber folgenlos gegen das böse Ausland gehetzt werden kann. Die Opposition ihrerseits hetzt sowieso immer gerne – und ist wohl auch zu blöd, um den wirklichen Skandal dieser Tage zu erkennen.

Der besteht nämlich darin, dass sich die Regierung in dieser Woche verpflichten wird, nicht weniger als 2,2 Milliarden an neuen Schulden zugunsten eine noch größeren Rettungsschirmes für Griechenland, Portugal & Co aufzunehmen. Dabei geht es erstmals um echtes Bargeld, das Österreich abliefern muss.  Ein ansehnlicher Betrag. Nur zum Vergleich: Für all seine Universitäten gibt Österreich 3,3 Milliarden aus.

Diese 2,2 Milliarden sind aber noch lange nicht alles. Dazu kommt noch die überhaupt unvorstellbare Summe von 25 weiteren Milliarden an Haftungen der Republik für die europäischen Krisenländer. Haftungen sind zwar nach der von dieser Regierung erfundenen neuen Finanzmathematik irrelevant – aber es gibt böse Gläubiger, die das anders sehen und sehr wohl in der Stunde der Fälligkeit auf Zahlung bestehen. Die nehmen es dann sogar in Kauf, dass sie von Laura Rudas als gierig beschimpft werden, sobald sie eine Rückzahlung verlangen.

Rechnet man diese Beträge ehrlich um, dann hat die Bundesregierung durch ihre – völlig kritik- und nachdenkenlose – Zustimmung zu den diversen europäischen Rettungsschirmen binnen weniger als einem Jahr jeden Österreicher mit rund 3400 Euro belastet. Einschließlich der Babys, der Sozialhilfeempfänger und der Pflegefälle.

Die europäischen Schuldenmacher sind geradezu genial in ihrem betrügerischen Agieren: Sie haben einfach beschlossen, dass die Haftungen und Kredite, die Österreich nun selber aufnehmen muss, um dem Griechenklub zu helfen, nicht auf die Staatsschuld anzurechnen sind.

Das ist ein geniales Modell: Man verschuldet sich wie ein Stabsoffizier und dekretiert dann, dass niemand die Schulden Schulden nennen darf. Allen Kreditnehmer dieses Landes sei dieses einträgliche Beispiel empfohlen (wer dann vor dem Strafrichter landet, möge aber bitte nicht mich als Anstifter verraten).

Aber gibt’s da nicht wieder die bösen Gläubiger und die Ratingagenturen (deren Gutachten die Gebebereitschaft der Gläubiger stark beeinflusst), die bei den Spielen der EU-Finanzjongleure nicht mittun? Auch da haben sich die genialen Europäer etwas einfallen lassen: Sie erklären den Ratingagenturen den Krieg, wollen sie unter Kontrolle stellen und gar eine eigene EU-Ratingagentur gründen. Das ist zwar ungefähr so, wie wenn die Drogenmafia künftig selbst die Drogenpolizei stellen darf. Die grandiosen europäischen Finanzstrategen glauben aber offenbar wirklich, dass die Gläubiger bei der Vergabe von Krediten an EU-Länder künftig nicht mehr den großen internationalen Agenturen vertrauen werden, sondern einer EU-eigenen Ratingagentur.

Es ist alles nur noch Schimäre. Und keineswegs unterhaltend.

 

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Die alltäglichen Tage

21. März 2011 01:01 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Wißt ihr, daß in ein paar Tagen
Welttag ist der Poesie?
Und tags drauf steht eingetragen:
Wassertag – welch Ironie!

Pi-Tag hat’s ja grad gegeben -
für die Kreiszahl, die ihr kennt,
doch der Frauentag soeben,
war der minder transzendent?

Tage gibt es für Verbraucher,
Drogen, Lepra, Polio,
Hepatitis, Passivraucher,
Diabetes sowieso.

Dann für Nieren und Ernährung,
Krebs, Gesundheit, AIDS und Ei –
aber für gesunde Währung
ist kein Tag im Jahre frei.

Tag der Arbeit gibt’s statt dessen,
arbeitsfrei – und ähnlich klar
soll am Spartag man vergessen:
Zahltag ist das ganze Jahr.

Menschenrechte und Migranten
haben jeweils Tage ganz,
und weil oft wo Reifen brannten,
ebenso die Toleranz.

Detto Lehrer und Studenten,
ferner Sprachen und Musik
und als Trost für Abonnenten
das Theater samt Kritik.

Je ein Tag ist auch für Erde,
Umwelt, Tierschutz und, wie trist,
für die Wüste – trotz Beschwerde,
daß da mein Geburtstag ist.

Tage gibt es fast für alles,
täglich muß ein Welttag sein,
doch das Gros des Tageschwalles
paßt halt nicht ins Versmaß rein.

Und der Maiden Traum bis heute
ist ihr Tag der Tage zwar –
selbst wenn längst schon vorm Geläute
vielerlei im Gange war …

Pannonicus

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SN-Kontroverse: Kernenergie unethisch?

18. März 2011 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die Nutzung der Kernenergie ethisch vertretbar?

 In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Millionenfacher Wahnsinn

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Nein, Nein und noch einmal Nein. Die Nutzung der Kernenergie ist nach allem, was in den Kernkraftwerken dieser Welt passierte - beginnenden bei Mayak, über Windscale, Three Mile Island, über Tschernobyl und Tokaimura bis zur Katastrophe in Fukushima - weder aus Vernunftgründen, noch wegen finanzieller oder ökonomischer Überlegungen und schon gar nicht aus ethischen Gründen vertretbar.

Atomkraftwerke sind nicht beherrschbar und von ihnen geht eine ständige Bedrohung für Millionen Menschen über unzählige Generationen aus.

Um einen GAU auszulösen, braucht es keine Tsunamis. Es genügen kleine Fehler, wie menschliches Versagen wie z. B. in Tschernobyl, wo ein Testlauf nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden konnte. Oder ein winziger Materialverschleiß, der nicht behoben werden kann. Atomenergie ist extrem teuer. Die Betreiber übernehmen nur einen Bruchteil der Kosten. Dem Staat - also den Bürgerinnen und Bürgern - bleiben die hohen Kosten für die Entwicklung und den Bau neuer sowie für das Abwracken alter Anlagen.

Nicht einkalkuliert sind Schäden aus Atomkraftwerken. Keine Versicherung der Welt übernimmt die Haftung, wenn etwas passiert. Die Energieversorger selbst können natürlich die Folgen eines Unfalls nicht finanzieren. Ungelöst ist die Frage, was mit dem Atommüll passieren soll. Wer ein Endlager baut, braucht Sicherheit für 250.000 Jahre oder 12.000 Generationen.

Weltweit gibt es daher kein einziges brauchbares Endlager, in den meisten Fällen wird der hoch radioaktive Müll irgendwo am Kraftwerksgelände „zwischengelagert". Diese sind bei weitem nicht sicher. Das deutsche Lager Asse etwa ist bereits nach 40 Jahren (also zwei Generationen) vom Einsturz bedroht. Atomkraftwerke zu bauen und betreiben ist millionenfacher Wahnsinn, der in die fernste Zukunft wirkt.


Was alles unethisch ist

Andreas Unterberger

Man kann mit guten Argumenten die Kernenergie verdammen. Besonders leicht kann man das in einem mit Wasserkraft gesegneten Land wie Österreich. Aber ethisch anständig wäre das nur, wenn man dann auch alles, was noch riskanter ist, ebenfalls für unvertretbar erklärt.

Zu verbieten wären dann: der Straßenverkehr, der allein in Österreich bisher weitaus mehr Todesopfer gefordert hat als die Atomkraft weltweit (einschließlich Tschernobyl) - wobei die CO2-Emissionen des Verkehrs noch gar nicht berücksichtigt sind; Hausbrand und Industrie, fordert doch Feinstaub Ärzten zufolge allein in Österreich jährlich 2500 Todesopfer; Rauchen, Alkohol und Medikamente sowieso; Staudämme, weil von diesen bei Erdbeben der Stärke 9 viele mit mörderischen Folgen geborsten wären; Windmühlen, die bei einem solchen Beben zu Tausenden umstürzen würden; Solaranlagen, weil viele in diesem Fall durch Kurzschlüsse Häuser in Brand stecken würden. Und so weiter.

Merkwürdig ist freilich: Technik und Wissenschaft, vor deren Produkten sich viele immer mehr fürchten, haben dazu geführt, dass wir im Schnitt doppelt so lang und viel gesünder leben als unsere Vorfahren ohne Technik.

Sind nicht eher die deutschen Grünen unethisch, die mit La-Ola-Wellen begeistert die japanische Katastrophe feiern? Oder jene Medien, die sich fast nur um die Atomangst, aber nicht um die vielen Opfer von Beben und Tsunami scheren? Oder unsere Atompanik-Parteien, die ignorieren, dass Österreich fast sieben Prozent des Stroms aus AKW bezieht? Oder jene Gruppen, die Strom- statt Benzinautos verlangen, aber jedes Kraftwerk und bekämpfen? Oder die Alternativ-Lobby, die verschweigt, dass ein rascher Atomausstieg eine Katastrophe für Lebensmittelversorgung, Natur und Arbeitsplätze wäre? Oder die EU, die nun erleichtert das libysche Drama ignorieren kann?

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Erdbeben, Glück und das BIP

17. März 2011 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Dutzende Male habe ich es von Gegnern der Marktwirtschaft gehört: Diese sei ein verrücktes System, weil jede Auto-Reparatur nach einem Unfall das BIP erhöht. Weshalb manche gleich den Kapitalismus als erledigt abhaken wollen.

Der Vorwurf ist aus vielen Gründen blanker Unsinn: Auch wenn es richtig ist, dass die Umsätze einer Werkstätte in das Bruttoinlandsprodukt einfließen, so bedeutet ein Verkehrsunfall doch fast immer einen viel größeren Schaden für das BIP: Da gibt es etwa den Verdienstausfall der Beteiligten, der von Krankenständen bis zur Unfähigkeit reichen kann, ohne Auto seinem Erwerb nachzugehen. Da stehen wegen eines Unfalls bisweilen Tausende Autos im Stau, was ebenfalls ein Minus am BIP bedeutet, weil sie ja in dieser Zeit nicht arbeiten. Und da vermindert jeder Unfall natürlich den Gewinn der Versicherung oder das für andere Zwecke verfügbare Einkommen.

Dass Unfälle und Katastrophen durchaus ein schwerer Schaden für das BIP sind – dass also die Marktwirtschaft nicht so pervers ist, wie sie gerne dargestellt wird –, kann man in diesen Tagen weltweit sehen: Die Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe hat weltweit die Wachstumserwartungen stark reduziert. Und die Börsenkurse sinken lassen. Hätten die Marktwirtschaftsgegner recht, müsste die Weltwirtschaft hingegen jubeln. Was sie bei Gott nicht tut – auch wenn es neben den vielen Verlierern mittelfristig einige Branchen geben wird, die an der Beseitigung der Katastrophenfolgen ganz gut verdienen werden.

Vor allem aber ist das BIP bloß eine von vielen Messgrößen. Kaum jemand behauptet, Wachstum und BIP wären die wichtigsten oder gar einzigen Parameter für menschliches Glück. Nur ganz wenige Ökonomen wie Gary S. Becker haben versucht, auch zwischenmenschliche Beziehungen wie Liebe und Geborgenheit mit Geld zu bewerten. Was ein Irrweg ist, auch wenn es natürlich das Phänomen der käuflichen Liebe gibt, auch wenn reiche Männer viel leichter eine Partnerin finden als arme.

Faktum ist aber auch: Das Streben nach Wohlstand ist eine der stärksten menschlichen Antriebskräfte. In Not, hungrig, mit geringer Lebenserwartung und erhöhtem Krankheitsrisiko sein Leben zu fristen, empfinden nur wenige als besonderes Glück. Freilich gibt es in der modernen Glücksforschung auch viele Indizien, dass eine weitere Reichtumsvermehrung ab einer gewissen Schwelle keine zusätzliche Glücksvermehrung mehr bringt. Vor allem dann nicht, wenn sie durch Erbschaft oder einen Lotto-Gewinn zustandekommt, wenn sie also nicht das Produkt eigener Anstrengung ist, auf die man stolz sein kann.

Dabei kommt es aber immer auch auf die Dynamik der Wohlstandsvermehrung an, nicht nur die absolute Höhe. Sonst wäre es nicht erklärbar, wie sehr sich fast alle Medien zuletzt über einen steilen Zuwachs der Exporte im Jahr 2010 gefreut haben. Niemand scheint also noch zu wissen, dass 2007 und 2008 noch viel mehr exportiert worden ist als im bejubelten 2010. So ist halt alles relativ.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“. 

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Die Inflation ist wieder da

16. März 2011 11:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist ein paar Dutzend anderer Panikwellen her (deren Liste vom Ende des Flugverkehrs durch die Aschenwolke, über die globale Erwärmungskatastrophe, über die furchtbare Diskriminierung der Frauen in Aufsichtsräten, bis zum jüngsten Sturm vieler Österreicher auf Jodtabletten reicht). Aber es ist trotzdem nur einige Monate her: Da haben uns zahlreiche Politiker vor einer tödlichen Deflationsgefahr gewarnt und diese zum Vorwand genommen, die Wirtschaft vieler Länder mit frischem Schulden-Geld zu überschwemmen. Jetzt ist genau das passiert, wovor die damals belächelten Skeptiker gewarnt haben.

Die Inflation steigt raketenartig an. Und zwar binnen weniger Wochen von zwei auf drei Prozent. Man kann keineswegs die ganze Schuld an der raschen Preissteigerung darauf schieben, dass der Erdölexport aus Libyen derzeit weitgehend unterbrochen ist. Oder dass allzu viele Anbauflächen jetzt der Energieproduktion statt dem Anbau von Lebensmitteln gewidmet worden sind. So problematisch das auch ist. Sondern die Hauptschuld liegt am heftigen Gelddrucken von Europa bis Amerika.

Die drei Prozent Inflation wären an sich noch keine Katastrophe, wenn nüchterne Politik von Regierungen und Notenbanken nun umgehend das macht, was im Grund schon seit Monaten fällig ist: Geld zu verknappen, Zinsen hinaufzusetzen, Defizite herunterzufahren. Wenn das nicht geschieht, steigt die Inflationsspirale weiter an.

Nüchterne Politik wüsste also zweifellos, was zu tun ist. Die Österreicher sollten freilich nicht unbedingt damit rechnen, dass sie das auch hierzulande weiß. Hat die heimische Politik doch im September 2008, als die Inflation zuletzt so hoch war wie jetzt, genau das Gegenteil, genau das Falsche gemacht. Sie hat versucht, die Menschen ob der Preissteigerungen durch eine Geldgießkanne zu beruhigen. Sie hat zusätzliche Schulden gemacht. An diesen Schulden und zusätzlichen Ausgaben (von der Hacklerregelung bis zur Abschaffung der Studiengebühren) würgt Österreich heute noch. Unabhängig davon, dass das Land dann in den folgenden eineinhalb Jahren wegen das Absinkens der Steuereinnahmen und (ebenfalls problematischen) Konjunkturmaßnahmen weitere Schulden angehäuft hat.

An den Fehlern des September 2008 trägt Werner Faymann mit seiner Kronenzeitungs-Politik die Hauptschuld. Aber auch Blau und Schwarz haben bei den Abstimmungen großteils mitgezogen. Zwar kann sich die ÖVP zugute halten, dass sie das sehr widerstrebend getan hat. So wie sie halt auch jetzt offensichtlich widerstrebend, aber letztlich immer doch jeden SPÖ-Blödsinn zumindest teilweise mitträgt. Von der Verlängerung der teuren Hacklerregelung, über die Ersetzung der Hauptschule durch die teure und leistungsverschlechternde Gesamtschule bis zur weiteren Verschlechterung der Aufsichtsräte in staatsnahen Betrieben durch einen Quotenzwang als jüngste Fehlleistung der Regierung.

Diese Erfahrungen machen den Österreicher ziemlich unruhig. Denn wie das Amen im Gebet wird in den nächsten Wochen zum Kampf gegen die Inflation geblasen werden. Gewerkschaft und Arbeiterkammer werden unter Beifall des Boulevards die Regierung und die Wirtschaft mit Forderungen zuschütten. Und am Schluss werden sie wohl wieder einen Teil erfüllt bekommen.

Denn Politik und Sozialpartner scheinen nicht zu begreifen, dass steigende Preise vor allem anderen eine zentrale Information transportieren: Die teurer werdenden Güter sind knapper geworden (oder stehen kurz vor einer solchen Verknappung); wenn man mit zusätzlichem Geld die Nachfrage nach diesen Gütern weiter erhöht, werden deren Preise nur noch mehr und rascher steigen – und die aller anderen Güter auch, die zuerst eigentlich nicht knapp gewesen waren. Und diese zusätzlichen Gelder werden überdies vor allem ins Ausland fließen, aus dem wir ja einen Großteil unserer Güter beziehen.

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Die nächste Völkerwanderung hat begonnen

16. März 2011 00:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich hat den Flüchtlingsmassen nach dem zweiten Weltkrieg hervorragend geholfen: den aus Osteuropa vergraulten Juden nach 1945 (obwohl Österreich damals das ärmste Land Europas war), den Ungarn 1956, den Tschechen 1968. Und auch den Bosniern während des dortigen Krieges. Wäre das nicht ein gutes Vorbild, wie man jetzt den Afrikanern und Nordafrikanern helfen könnte? Das meinen jetzt relativ viele Stimmen in den Medien (weniger in der Bevölkerung).

Oder soll man sich am Beispiel des Jahres 1980 orientieren, als die SPÖ über Nacht eine Visumpflicht für Polen eingeführt hat? Die waren ihr nämlich unsympathisch, weil sie eine unabhängige Gewerkschaft gegen die mit dem ÖGB bestens verbandelte polnische Gewerkschaft gebildet hatten. Was eine der vielen unerwähnten negativen Episoden in der heuer von vielen „Historikern“ so bejubelten Kreisky-Epoche gewesen war.

Nun: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Beide Analogien passen nicht zum Jahr 2011. Die Flüchtlinge jener Jahre, ob Ungarn oder Polen, flohen vor Verfolgung und Unterdrückung. Die durch den Kommunismus ebenfalls ausgelöste Armut hätten sie hingegen ohne Flucht in Kauf genommen. Was man schon daran ablesen kann, dass etwa die Ungarn-Flüchtlinge des Jahres 1956 erst in jenen dramatischen Stunden geflüchtet sind, da die kommunistischen Panzer ihre Freiheitsbewegung niedergerollt haben. In den Wochen vorher, als die Regierung Nagy den Eisernen Vorhang geöffnet hatte und man problemlos ausreisen hätte können, gab es fast keine Flüchtlinge aus Ungarn. Es herrschte ja auch Aufbruchsstimmung, so wie etwa jetzt in Tunesien.

Die bisher aus Afrika übers Mittelmeer gekommenen Menschen, das sind vorerst vor allem Tunesier, geben hingegen in zahlreichen Interviews selbst zu, dass sie in Europa nur eines suchen: Arbeit. Was kein Wunder ist: Sind doch in jenen Ländern mancherorts fast 50 Prozent der Jugendlichen arbeitslos, fehlen im Nahen Osten mehr als 50 Millionen Arbeitsplätze, sind die islamischen Länder der dort nach wie vor stattfindenden Bevölkerungsexplosion in keiner Weise gewachsen (interessante Ausnahme einer negativen Geburtenrate ist übrigens der Iran trotz seines Steinzeitislamismus). Es wäre freilich auch absurd, wenn sich etwa Tunesier nach dem Sturz eines Diktators als politisch Verfolgte ausgeben würden.

Hinter den islamischen Länder des Mittelmeers warten aber noch größere schwarzafrikanische Massen, die jede Chance nützen würden, nach Europa zu kommen. Um dort, wie auch immer, harte Euros zu verdienen.

Die Dinge in Afrika sind also nicht vergleichbar mit den europäischen Fluchtwellen der letzten zwei Menschengenerationen. Nur in einigen Städten Libyens gibt es einen Bürgerkrieg, wobei aber selbst nach der derzeit sehr großzügigen Interpretation der Flüchtlingskonvention Bürgerkriege keinen Asylgrund darstellen. Allerdings ist es frappierend, dass ausgerechnet Exponenten der alten kommunistischen Welt große Unterstützung für Herrn Gaddafi zeigen. Das kann man in der deutschen kommunistisch-grünen Zeitung „Junge Welt“ ebenso lesen wie im russischen Auslandssender „Russia Today“ hören: Die Bericht über Libyen und Luftangriffe seien Kriegspropaganda; Gaddafi werde zu Unrecht als „Monster und Diktator“ abgestempelt; stattdessen werden von den Neoaltkommunisten die westlichen Journalisten als Übeltäter entlarvt.

Aber das sagt letztlich nur etwas über die Kommunisten aus, die schon immer gelogen haben, nicht über die Realität in Afrika.

Fast humoristisch mutet auch die Tatsache an, dass es nun die versammelte Politschickeria ist, die im Falle Libyens eine ohne UN-Sicherheitsratsbeschluss rechtswidrige Flugverbotszone fordert, während man über George W. Bush und die neokonservative Doktrin Hasstiraden spuckte, deren Engagement im Irak ebenfalls mit einer Flugverbotszone begonnen hatte. Zur Erinnerung: es waren die Neokonservativen, die meinten, man könne die Demokratie im Nahen und Mittleren Osten quasi über Nacht einführen, denn das Volk dürste danach. Das wurde damals als Neoimperialismus gebrandmarkt.

Kehren wir zurück zum Thema Flüchtlinge/Migration. Es gibt in österreichischer Perspektive noch einen prinzipiellen Unterschied in der Bewertung zwischen dem Nahen Osten und den einst flüchtenden Tschechen und Ungarn und (Ex-Jugoslawen): Damals ist Österreich seinen unmittelbaren oder nur wenig entfernten Nachbarn beigesprungen. Heute geht es hingegen um Vorgänge auf einem anderen Kontinent.

Da ist es auch für Christen legitim, einen Unterschied zu machen. In der christlichen Botschaft findet sich der Auftrag, seinen Nächsten zu lieben. Vom Fernsten ist nicht die Rede. Denn wer seinen Fernsten genauso liebt wie den Nächsten, der liebt gar niemanden, weil dann alles relativ wird.

Wer jedoch sagt, dass sich Europa gegen diesen drohenden Zustrom von Millionen weiterer Moslems und Schwarzafrikanern abschotten soll, wird dennoch von selbsternannten Tugendwächtern sofort mit den bösen Schweizern („Das Boot ist voll“) und Amerikanern verglichen, die flüchtende Juden während der Nazizeit nur sehr selektiv aufgenommen haben. Das ist zwar ein absolut polemischer und unrichtiger Vergleich (man kann zumindest für die Schweiz recht gut verstehen, dass sie Angst hatte, Hitler einen Grund zu einem Angriff zu geben). Das hat aber psychologisch doch etliche Wirksamkeit.

Der viel richtigere historische Vergleich des sich am Mittelmeer anbahnenden Exodus ist jener mit der Völkerwanderung, die das Ende des römischen Reiches ausgelöst hat. Die Römer waren nach vielen stolzen Jahrhunderten der Macht reich, fett und selbstzufrieden geworden, während im Norden und Osten ein aggressiver Stamm nach dem anderen von den vollen Fleischtöpfen und dem attraktiven Lebensstandard Roms angezogen worden ist. Dieses hat zugleich seine militärische Stärke verkümmern lassen, hat zum Teil geglaubt, sich mit einzelnen jener Stämme gegen die anderen verbünden zu können. Rom ging darauf zwangasläufig unter, verarmte und spielte die nächsten 1600 Jahre – also bis heute – nur noch eine untergeordnete Rolle.

Das ist genau das Schicksal, das nun auch ganz Europa bevorsteht. Wahrscheinlich kann es heute nur noch hinausgezögert werden. Aber nicht einmal das wollen jene progressiven Masochisten, die über die „Festung Europa“ schimpfen und mit moralistischem Gehabe rufen: Macht die Grenzen auf. Sie tun das aus Naivität, sie tun das aber auch aus Hass auf den Westen, weil er doch ein Produkt der bösen Marktwirtschaft ist, weil er doch in hohem Maße ein Produkt des verhassten Christentums ist. Da diese Moralisten aber in keiner Weise die Mehrheit der Bürger hinter sich haben, versuchen sie diese und deren Widerstand gegen eine weitere Massenimmigration als faschistisch zu denunzieren und zum Schweigen zu zwingen.

Aber warum eigentlich soll jetzt plötzlich ein riesiger Migrationsstrom übers Mittelmeer kommen, warum scheint jedes Signal so gefährlich, dass es nun leichte Wege nach Europa gibt? Nun, der Drang übers Mittelmeer nach Norden ist nichts Neues. Er konnte nur bisher (teilweise) durch große, oft diskret ablaufende Abschottungsmanöver eingedämmt werden.

Brechen nun hingegen in einigen nordafrikanischen Ländern die staatlichen Strukturen dauerhaft zusammen, was eine recht große Wahrscheinlichkeit hat, oder kann sich doch wieder Gaddafi mit seinem inzwischen wiederbelebten Hass auf Europa durchsetzen, dann haben die Schlepperbanden (die sich oft als Gutmenschen tarnen) freie Hand. Europa war, so skurril es klingt, durch Abkommen vor allem Italiens mit Libyen und mit Tunesien halbwegs geschützt. Diese Abkommen hatten die Diktatoren veranlasst, ihrerseits die Südgrenzen für nordwärts strebende Schwarzafrikaner zu stoppen, die dann übers Meer nach Europa wollten.

Zurück zur Haltung der Europäer: Besonders skurril ist es, wenn die Immigrationslobby auch von einem Teil der Wirtschaft Unterstützung erhält. Diese hofft nämlich, durch die Immigration billige Arbeitskräfte zu erhalten. Sie erhält aber statt dessen vor allem schlecht ausgebildete Arbeitskräfte und in großer Zahl Menschen, die eigentlich gar nicht so gerne arbeiten, sondern lieber den europäischen Sozial- und Wohlfahrtsstaat konsumieren wollen.

Das zeigt sich etwa an den Türken in Österreich. Diese sind auf Verlangen der Wirtschaft einzig und allein als Arbeitskräfte geholt worden. Das hätte eigentlich bedeutet, dass man die Zuwanderung viel stärker von den Qualifikationen abhängig machen kann als bei den jetzt übers Mittelmeer drängenden Afrikanern. Was aber nicht geglückt ist: Bei den immigrierten Türken arbeitet nämlich nur ein signifikant kleinerer Teil: Sind von den 15- bis 64-jährigen männlichen Österreichern 79 Prozent erwerbstätig, sind es bei den Türken nur 71 Prozent. Und bei den Frauen betragen die gleichen Werte sogar 66 versus 40 Prozent.

Mit anderen Worten: Jeder, der davon spricht, dass wir diese Zuwanderer angesichts der eigenen Kinderfaulheit brauchen, lügt oder ist unfähig, sich die grundlegenden Fakten anzuschauen. Und bei den Nordafrikaner ist es zweifellos noch schlimmer als bei den Türken, wenn man sich die Zahlen aus Deutschland anschaut (aus Österreich habe ich keine so detaillierten gefunden): Dort leben 8 Prozent der Deutschen von der Sozialhilfe (Hartz IV), bei den in Deutschland lebenden Tunesiern sind es hingegen 28 Prozent, bei den Marokkanern 34, bei den Algeriern 38, bei den Irakern 65 und bei den Libanesen sogar 90 Prozent!

Ein Markt, in dem sich Zuwanderer und Kriminaltouristen hingegen in Österreich nachweislich sehr aktiv betätigen, ist die Kriminalität: Von den wegen eines Verbrechens (also nicht bloßer Verkehrsunfälle) ermittelten 32.000 Tatverdächtigen waren fast 15.000 Nichtösterreicher.

Gerade Österreich braucht sich nicht vorhalten zu lassen, unfreundlich gegenüber Asylwerbern zu sein. Sonst käme nicht eine so große Zahl von ihnen ausgerechnet in die Alpenrepublik, obwohl diese ja längst nur noch von EU-Partnern (und Schweiz/Liechtenstein) umgeben ist. Die 15.830 Asylwerber in Österreich des Jahres 2009 sind ungefähr gleich viel wie in deutlich exponierteren und meist größeren Staaten an den EU-Außengrenzen (zB Griechenland, Italien und Niederlande). Und sie sind sogar mehr als halb so viel wie im zehnmal so großen Deutschland. Was zweifellos ein Kompliment für die oft kritisierte Humanität der Alpenrepublik ist.

Irgendwann wird aber auch die Debatte ernster werden müssen, wie viel Zuwanderung (durch Asyl oder andere Wege) Österreich verträgt, wenn es seine eigene Stabilität sichern will: Denn von den 8,3 Millionen in Österreich lebenden Menschen sind heute schon 1,4 Millionen (17 Prozent) fremder Herkunft, haben also entweder einen anderen Pass oder sind zumindest selbst noch im Ausland geboren. Deren Kinder und Enkel sind da noch gar nicht miteingerechnet.

Ab wann kippt die gesellschaftliche Stabilität des Landes irreversibel, ab wann gibt es auch bei uns so wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland ganze Stadtteile, in denen sich nur noch bestimmte ethnische Gruppen ungefährdet bewegen können, ab wann gibt es gewalttätige Auseinandersetzungen mit oder zwischen solchen Gruppen? Man denke auch an ein anderes erschreckendes Beispiel: Der heute zu 90 Prozent albanisch bewohnte und regierte Kosovo war einst rein serbisch; er wurde durch ständige Zuwanderung und unterschiedliches Geburtenwachstum ethnisch einfach umgepolt. Alles spricht dafür, dass das auch in Europa so passieren wird.

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Der Kardinal und die Politik

13. März 2011 00:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn uns Christoph Schönborn die Welt erklärt, dann hört man so manches Seltsame zu Politik und Wirtschaft. Wodurch er seine sonstigen Worte in ein überflüssig schiefes Licht rückt.

So bejubelte er dieser Tage in einem Serieninterview mit mehreren Zeitungen völlig ungebremst die "positiven Entwicklungen" in Ägypten und Umgebung: "Wir erleben zur Zeit einen Aufbruch einer jungen Generation in den südlichen Mittelmeerstaaten." Ob das auch die dort seit 2000 Jahren wohnenden Christen so sehen? Ob es ihnen sehr gefällt, dass jetzt Kirchen brennen und Christen erschlagen werden? Ob sie sich schon sehr auf die künftige Verfassung freuen, die gerade von einer Kommission unter Führung eines Moslembruders ohne einen einzigen Christen vorbereitet wird? Ob all jene Kopten Wahnvorstellungen haben, wenn sie davon reden, dass es ihnen unter dem Diktator Mubarak viel besser gegangen ist, als es ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit nach der Revolution gehen wird? Ob er schon mit jenen irakischen Christen gesprochen hat, die Schönborn lobenswerterweise nun bei sich aufgenommen hat, die unter dem Diktator Saddam Hussein noch halbwegs geschützt waren, die jetzt aber mit gezielter Brutalität vom "Aufbruch der jungen Generation" im Irak vertrieben werden, weil merkwürdigerweise die junge islamische Generation gar nichts von Toleranz hält?

Sehr seltsam klingt es auch, wenn Schönborn Mut von der Politik einfordert ("Es fehlt mitunter an Mut im Bereich der Politik..."), wo er selbst doch ein ganz Großer im Schweigen ist, man denke nur an die Islamdebatte.

Der Wiener Kardinal erklärt uns auch, was die Republik in Schulden gestürzt hat und was beispielsweise die Kürzung von Familienförderungen ausgelöst hat: "Die Milliarden, die man für Misswirtschaft im Finanzbereich aufbringen muss, die fehlen." Warum gibt es in seiner Umgebung niemanden, der ihm sagt, dass nicht alles, was die Herrn Landau und Küberl so von sich geben, etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben muss? Warum weiß er nicht, dass die Republik zumindest bisher an der Bankenhilfe sogar gut verdient hat (auch wenn das in Sachen Hypo Alpen-Adria und Kommunalkredit nicht so bleiben dürfte)? Warum weiß er nicht, dass die Schulden im Wesentlichen ganz eindeutig auf ein populistisches Pensionssystem, auf das Riesenloch ÖBB und auf die Kosten des aufgeblähten Wohlfahrtsstaates sowie der ebenso aufgeblähten Bürokratie in Ländern, Bund und Gemeinden zurückgehen? Oder glaubt er an den billigen Schmäh, dass der steile Aufstieg der letzten sechs Jahrzehnte den Gewerkschaften zu verdanken, jede Rezession aber Folge der Marktwirtschaft sei?

Gewiss, ein Bischof muss nicht unbedingt etwas von Politik und Wirtschaft verstehen. Wenn er sich aber dazu äußert, sollte er sich doch vielleicht besser informieren und nicht jeden linken Unsinn nachplappern. Womit er bei seinen Gläubigen mehr an Reputation verliert, als er bei den einschlägigen Medien gewinnen kann. 

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Fußnote 180: Die EU wird zur Fußnote der Geschichte

12. März 2011 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt gibts den "Pakt für den Euro". Die Märkte erzittern beeindruckt und werden, sobald sie den Pakt durchgelesen haben, das Geld kübelweise zu den alten Niedrigzinsen nach Griechenland, Spanien, Portugal und Irland tragen.

Nach einem Nullpapier zu Libyen machen sich die  europäischen Regierungschefs mit diesem Pakt endgültig lächerlich. Denn er erreicht das Gegenteil von der beabsichtigten Stärkung der Glaubwürdigkeit der eigenen Währung. Europa ist nur noch bei Frauenquoten, Rauchverboten, Windmühlen, Abtreibungsförderung und Schwulenehen präsent. Hingegen hat der Gipfel alles, was die EU-Mitglieder wirklich zu Sparsamkeit und Verantwortungsbewusstsein zwingen würde, in Unverbindlichkeit verschwinden lassen. Da unterschreibt ein Herrn Faymann folgenden Satz: "Die Euro-Länder sollen das Pensionseintrittsalter an die demografische Entwicklung anpassen." Dabei hat seine Partei schon eine ganze Regierung daran scheitern lassen, weil sie nicht daran denkt, das zu tun. Da könnte ja die den Kern der SPÖ bildende Abcashgeneration und deren Zentralorgan, die Krone, unzufrieden sein. Daher wird Faymann mit Garantie alles verhindern, was dem von ihm selbst unterschriebenen "sollen" entsprechen würde. Ignoriert er doch auch alle Experten, die dasselbe sagen. Ähnliches gilt auch für die restlichen Punkte dieses Pakts. Nirgendwo haben sich die Euro-Länder über das Wünschen und Sollen hinaus zu irgendetwas wirklich Greifbarem verpflichtet. Angela Merkel, die mehr als ein zahnloses Gebrabbel wollte, ist an der Mehrheit der Big Spender gescheitert und wird daher bei den nächsten deutschen Regionalwahlen wohl die Zeche zahlen müssen. Denn die Deutschen spüren: Sie müssen also jetzt weiter in ein Fass ohne Boden hinein zahlen. Europa ist wirklich nur noch eine Fußnote wert (auch wenn ich mich in den nächsten Tagen noch einmal mit dem ganzen Scheitern in Sachen Libyen befassen möchte).

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Ein Hoch auf die steirischen Bräuch

11. März 2011 01:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es geht ja doch. Man muss nur wollen. Und es geht sogar in einer großen, rot geführten Koalition. Das zeigt uns die Steiermark mit ihrem neuen Budget.

Anlass der neuen steirischen Sparsamkeit ist natürlich, dass dem Land finanziell das Wasser bis zum Hals steht. Was theoretisch auch in Kärnten, Wien und Niederösterreich der Fall ist, ohne dass dort steirische Bräuche einkehren. Bei den Burgenländern weiß man es allerdings nicht so genau, wie hoch ihnen das Wasser steht; da wird offenbar mit den Zahlen so getrickst, wie wenn Griechisch die landesübliche Sprache geworden wäre.

In den anderen Not-Bundesländern ist man jedenfalls nicht zu dem imstande, was die Steirer jetzt geschafft haben: Nämlich zu einem Budget, das wirklich die Bezeichnung Sanierungsbudget verdient. Und der Bund wird so etwas schon gar nicht schaffen. Denn dieser Bundeskanzler denkt ja schon beim Aufstehen einzig daran, ob er heute eher Demagoge oder Populist sein will. Und der Vizekanzler bangt den ganzen Tag über, wie er sich verhalten muss, dass dieser Bundeskanzler nur ja nicht böse wird auf ihn.

In der Steiermark jedenfalls haben die Herrn Voves und Schützenhöfer etwas geschafft, was ich ihnen von außen nicht zugetraut hätte. Sie kürzen das Landesbudget um deutlich mehr als zehn Prozent. Sie bauen 700 Landesjobs ab. Sie verordnen ihren Beamten eine Nulllohnrunde. Sie verlangen als einziges Bundesland für die Pflege alter Angehöriger einen finanziellen Regress der Familie (was nicht nur direkt Geld in die leeren Kassen bringt, sondern auch viele Familien nachdenken lässt, ob sie sich nicht doch selber um ihre alten Angehörigen kümmern sollten). Und sie haben Hand an eine Reihe angeblich irreversibler Wohlfahrtsprogramme gelegt.

Natürlich wird es die üblichen Proteste geben. Das müssen Politiker schon aushalten. Aber am Ende des Tages werden die steirischen Roten und Schwarzen mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Anerkennung als vorher finden, weil sie Führungskraft gezeigt haben.

Natürlich setzen die Steirer die unpopulären Maßnahmen nach der Wahl und nicht vorher. Nur: Das hätten zum Beispiel die Bundesregierung und das Land Wien spätestens seit dem letzten Oktober auch können. Vor beiden liegen ja nun mehrere Jahre ohne Wahltag. Das ist die ideale Zeit für Sanierungsreformen, bei denen halt kurzfristig irgendwelche Subventionsjunkies aufheulen, die aber langfristig (auch politisch) dicke Dividende bringen.

Daher Hut ab vor den Steirern und bitte vor den Vorhang. Die Steiermark wird ob dieses Staatshaushalts mit Sicherheit nicht untergehen. Sie hat vielmehr ihre Zukunftschancen deutlich verbessert.

 

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Wie buchstabiert man Privatisierung?

10. März 2011 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Soll die ÖIAG künftig alle Staatsbeteiligungen der Republik halten? Über dieser Frage liegt sich die Koalition in den Haaren. Der gelernte Österreicher weiß: Da geht es letztlich nur um parteipolitische Machtfragen. Die ÖIAG ist zwar per Gesetz vom Eigentümervertreter, also dem Finanzminister, unabhängig, und der Aufsichtsrat erneuert sich aus sich selber heraus – hat aber eine klare Schlagseite zur Industriellenvereinigung. Der Verbund untersteht hingegen dem ÖVP-Wirtschaftsminister – dort gibt es noch wenigstens private Miteigentümer, die dem totalen Machtdurchgriff im Wege stehen. Die ÖBB und die Asfinag gehören überhaupt ungeschützt dem SPÖ-Verkehrsminister.

Angesichts dieser Machtinteressen droht nun eine ÖIAG-neu. Diese wird in schlechtem altem Proporz die Unternehmen wieder schön nach Parteifarben aufteilen. Die Parteien werden wieder die Posten vergeben. Und die Marketingbudgets werden jeweils ganz nach parteipolitischen Interessen missbraucht werden.

Ein besonders übles Beispiel einer Renaissance des politischen Missbrauchs von Staatsbetrieben ist die aktuelle Quotendebatte, also ein verordneter Anteil von Frauen in Aufsichtsräten. Da es schon ohne Quote schwierig genug ist, halbwegs qualifizierte Aufsichtsräte zu finden, will man der Privatwirtschaft vorerst keinen Quotenzwang antun (es sei denn, eine radikalfeministische EU-Kommissarin setzt sich diesbezüglich noch durch). Aber die in gesellschaftspolitischen Fragen besonders feige Politik will halt doch irgendwie irgendwas in Sachen Quote tun: Und beschließt daher eine solche für staatsnahe Betriebe.

Dort ist die Qualifikation offenbar wurscht. Dort kommt primär die Partei, sekundär künftig das Geschlecht, tertiär der Betriebsrat und bestenfalls quartär die Fähigkeit einer Person. Aber meistens nimmt diese letzte Stelle in der Hackordnung sowieso schon der Steuerzahler ein. Quasi als Quartalszahler.

Über das, was viel wichtiger ist als Quoten und Parteien, wird überhaupt nicht debattiert: nämlich über die Notwendigkeit von Privatisierungen. Zwar zeigen Wirtschaftsexperten wie Wifo-Chef Aiginger, IHS-Chef Felderer oder Claus Raidl beharrlich deren Notwendigkeit auf. Aber die Politik weiß nicht einmal, wie man Privatisierung buchstabiert.

Dabei wären sie in vielfacher Hinsicht (außer für die Macht von Politikern und Gewerkschaftern) eine Win-Win-Situation: In 90 Prozent der Fälle agieren privatisierte Unternehmen nachher erfolgreicher, machen mehr Gewinne und sichern die Arbeitsplätze besser. Gleichzeitig könnten Bund und Länder mit den Privatisierungserlösen ihre Schulden reduzieren und sich für die nächste Krise wappnen. Das täte insbesondere auch den Bundesländern gut, die dauernd über zu wenig Geld jammern, aber wie etwa die Gemeinde Wien statt zu privatisieren sogar Unternehmungen aufkaufen.

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Der Fasching geht weiter

08. März 2011 06:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sooft man die täglichen Bemerkungen aus der Spitze von Politik oder Wissenschaft hört, stellt sich die immer gleiche Frage: Haben sie ein intellektuelles oder ein charakterliches Problem? Also: Sind sie primär feig oder dumm? Oder glauben sie an den ewigen Fasching?

Da wagt es Sozialminister Hundstorfer doch tatsächlich zu sagen: Eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters über 65 Jahre hinaus sei „der falsche Zugang“. Zwar erhöht ein europäischer Staat nach dem anderen das Pensionsalter, aber Hundstorfer weiß es halt besser. Und er begründet diese Behauptung, wie wenn er von einem anderen Stern käme, mit der Arbeitslosigkeit. Als ob nicht in vielen Fällen ganz gezielt die Arbeitslosigkeit als Vorstufe für einen frühen Pensionsantritt gewählt wird. Als ob nicht von den Lehrern angefangen längst schon in vielen qualifizierten Bereichen ein wachsender Mangel eingesetzt hätte. Als ob sich in den Arbeitslosenzahlen nicht in hohem Ausmaß Arbeitsunwillige oder Arbeitsunfähige verbergen. Als ob es heute noch in irgendeiner Weise verantwortungsvoll wäre, Politik auf Zuruf der Gewerkschaft zu machen. Als ob nicht Österreichs sogar um weitere fünf Jahre niedriges Frauenpensionsalter heute schon ein unternationales Unikum wäre (auch wenn darüber nie und in der unfassbaren Gehirnwäsche eines Weltfrauentages schon gar nicht geredet wird).

Ähnlich ist offenbar der neue Rektor der Universität Wien willens, Politik auf Zuruf der Hochschülerschaft zu machen. Wagt er es doch glatt zu sagen: „Wir haben nicht zu viele Studenten.“ Solchen Schwachsinn hat man zuletzt nur noch von der ÖH gehört. Statt sich dieser Frage zu stellen, fordert Heinz Engl gleich eine Vervierfachung der Budgetzuschüsse – ausgerechnet – für jeden Publizistik-Studenten von 2000 auf 7000 bis 8000 Euro. Die Universität Wien wird nun wohl endgültig abzuschreiben sein, glaubte man doch, dass schon mit seinem Vorgänger, der die Audimax-Besetzern in ihrem Rechtsbruch noch mit privaten Spenden bestärkt hat, der absolute Tiefpunkt erreicht war.

Aber auch die Lehrergewerkschaft an den berufsbildenden Schulen lässt die gleiche Frage aufkommen. Fordert sie doch eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Was naturgemäß nur noch als Provokation empfunden werden kann. Woran auch die gegenläufigen Provokationen der zuständigen Ministerin nichts ändern. Woran auch der Umstand nichts ändert, dass Ministerium und Stadt- bzw. Landesschulräte die Lehrer ständig durch bürokratische Dummheiten und überflüssige Gutmenschaktionen mit zusätzlicher Arbeit eindecken.

Zusätzliche Arbeit für uns alle denkt sich auch gerade der EU-Energiekommissar Günther Oettinger aus: Er will, dass die Energieversorger den Strom nicht mehr einmal pro Jahr, sondern monatlich abrechnen. Wie auch immer das organisiert werden soll: Es schafft sinnlose Bürokratie. Aber wieder wird ein EU-Mensch behaupten, dass er etwas für die Konsumenten getan habe. Was auch immer die davon haben sollen, außer überflüssige Arbeit.

Wer glaubt, dass die Dummheit mit dem Faschingsende ein Ende findet, dürfte sich also gewaltig täuschen.

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Die Korruption geht munter weiter

05. März 2011 01:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die halbe Wahrheit ist schlimm genug: Die neuen Zahlen über die Bestechungsinserate der Politik sind aussagekräftig – und sagen doch noch lange nicht alles.

Im Schnitt haben die untersuchten österreichischen Tageszeitungen zuletzt schon zwölf Prozent ihres Anzeigenumsatzes mit öffentlichen Institutionen, staatsnahen Firmen und Parteien gemacht. Das hat der VÖZ, der Verband Österreichischer Zeitungen, nun interessanterweise selber veröffentlicht. Das ist schon an sich ein schlimmer Wert: Denn jeder, der sich nur halbwegs im Verlagsgeschäft auskennt, weiß, welche Abhängigkeiten bei einer solchen Dominanz einer einzigen Inserentengruppe entstehen.

Noch schlimmer ist, wenn man sich die einzelnen Zeitungen ansieht: Bei der Kronenzeitung ist dieser Wert 13, bei „Österreich“ sogar 19 Prozent und bei „Heute“ unfassbare 28 Prozent. Mit anderen Worten: Alle Österreicher und vor allem Wiener, die glauben, ihnen werde da etwas geschenkt, haben sich ihren U-Bahn-Begleiter über ihre Steuern, Fahrscheine, Stromgebühren usw. in einem hohen Ausmaß selbst finanziert.

Daher ist es auch kein Wunder, dass der plötzliche unfreiwillige Abgang des „Heute“-Chefredakteurs zu – natürlich nicht beweisbaren – Spekulationen über einen politischen Grund geführt haben. Waren doch in dem stark verbreiteten Blatt in den letzten Monaten einige dort ungewöhnliche Beiträge zu lesen gewesen. Dort wurde insbesondere der Selbstverteidigungsminister Darabos heftig attackiert. Es wurden auch einige Subventionsmissbrauchs-Skandale aus dem Dunstkreis des Wiener Rathauses enthüllt. Auch wenn offiziell ganz andere, nichtssagende Gründe für seinen Hinauswurf genannt werden, so wäre es doch zumindest naheliegend, dass Rathausgewaltige den (sich hinter einem Treuhänder versteckenden) Blatteigentümern signalisiert haben, dass bei einer solchen Berichterstattung der Inseratenstrom aufhören könnte. Jedenfalls war der Chefredakteur nach diesen Ansätzen einer unabhängigen Berichterstattung seinen Job los. Obwohl er ja früher durchaus brave SPÖ-Nähe gezeigt hat.

Aber zurück zu den vom VÖZ veröffentlichen Inseraten-Aufstellungen. Da keine Zeitung ihre wahren Umsätze verrät, wurden bei dieser Messung einfach die „Brutto-Werte“, also schlicht die Inseraten-Tarife multipliziert mit der Inseraten-Fläche verwendet. Jedoch wird in der ganzen Inseraten-Branche wie wild geschleudert. Wer nur 20 oder 30 Prozent Rabatt bekommt, hat schlecht verhandelt.

Lediglich eine Gruppe von Inserenten handelt so gut wie gar nicht: nämlich die öffentliche Hand. Sie tut dies vor allem dann nicht, wenn der Zweck des Inserats gar nicht primär die Werbung für ein Ministerium, einen ÖBB-Bahnhof oder einen Wiener Infrastrukturmonopolisten ist, sondern die Beeinflussung der – scheinbar unabhängigen – restlichen Berichterstattung der Zeitung. Daher wird von politischen Auftraggebern in der Regel mehr oder weniger der volle Tarif bezahlt.

Das heißt aber mit anderen Worten, dass der 12-prozentige Anteil der öffentlichen Hand sich nur auf die reine Inseratenfläche bezieht. In Hinblick auf die wahren Umsätze ist er naturgemäß viel größer. Denn die inserierenden Banken oder Handelsunternehmen feilschen natürlich mit großer Professionalität.

Aber auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit: Denn die sogenannten Druckkostenbeiträge sind – aus welchen Gründen immer – vom Zeitungsverband in diese Aufstellung gar nicht aufgenommen worden. Und in diesem Bereich haben die öffentlichen Zahler mit Sicherheit einen noch viel höheren Anteil.

Dabei sind diese Druckkostenbeiträge vom journalistischen Ethos noch viel problematischer als Anzeigen (sofern diese als solche erkennbar sind): Denn da kauft sich ein Ministerium ganz direkt einen bestimmten Inhalt; dieser tritt dem Leser aber als scheinbar ganz unabhängige redaktionelle Berichterstattung gegenüber. Und nur wirkliche Profis finden dann auf einer einzigen Seite beispielsweise einer umfangreichen Forschungsbeilage (um nur einen Typus solcher "Kooperationen" zu nennen) den versteckten Hinweis, dass da ein Ministerium einen Druckkostenbeitrag gezahlt hat. Oder dass die Beilage in Zusammenarbeit mit diesem Ministerium entstanden ist.

In anderen Ländern weiter westlich wäre das alles längst als massive Untreue und Offizialdelikt vom Korruptionsstaatsanwalt aufgegriffen worden; und wegen der Verletzung des Mediengesetzes, das auch bei solchen „Kooperationen“ eine saubere und umfassende Kennzeichnung verlangt, vor dem Medienrichter.

Jetzt aber kommt ein Gesetz, das zur halbjährlichen Veröffentlichung der diesbezüglichen Ausgaben von Bundes- und Landes-Regierungen sowie von öffentlichen Betrieben zwingt. Klingt gut oder?

Leider nicht wirklich. Dieses Gesetz sieht nämlich weiterhin keine Begrenzung der politischen Werbeumsätze vor. Diese aber haben sich auf Bundesebene (samt ÖBB!) seit dem Eintritt von Werner Faymann in die Bundesregierung vervielfacht. Auch das „Spar“-Budget erzwingt keine Kürzung. Mit anderen Worten: Nachdem ja schon die bisherigen Inserate und Druckkostenbeilagen in aller Öffentlichkeit stattgefunden haben, wird man sich nur wenig genieren, wenn halt irgendwo auf einer Homepage dann auch der bezahlte Betrag steht. Da werden höchstens die Familie Fellner und die Familie Dichand genau schauen, dass der jeweils andere Clan nicht mehr bekommt als sie selber.

Das Gesetz sieht auch weiterhin keinen Zwang zur inhaltlichen Überprüfung der Notwendigkeit einer Information der Bürger durch die öffentliche Hand vor. Das könnten sehr leicht halbwegs unabhängige Gremien wie etwa der PR- oder Werberat machen. Wenn man schon annimmt, dass in bestimmten Fällen die Notwendigkeit einer Information durch die Politik gegeben sein könnte.

Auch sieht der Regierungsentwurf keine Ausschreibung der regierungsnahen Schaltungs- und Werbearbeit vor, die ansonsten bei jedem größeren öffentlichen Auftrag vorgeschrieben ist. Wenngleich man darauf hinweisen muss, dass die Regierung Faymann-Pröll skandalöserweise die Schwelle deutlich angehoben hat, ab der öffentliche Aufträge ausgeschrieben hat. Was die Steuerzahler teuer kommt, aber niemanden wirklich interessiert. Für jede Markenartikelfirma ist es jedenfalls eine selbstverständliche Routine, nur professionelle Schaltagenturen mit der Aufgabe zu betrauen, einen möglichst hohen Werbewert in der gewünschten Zielgruppe zu einem möglichst niedrigen Preis zu erzielen.

Aber nicht doch die Regierung. Trotz allem werden sich alle Beteiligten rühmen, wie hart sie gegen die eigene Korruption vorgingen. Diese aber wird in kaum veränderter Form munter weitergehen.

Erzählt man das Alles ausländischen Politikern oder Branchenexperten, dann schütteln sie den Kopf und höhnen: „Jetzt wissen wir, warum der Balkan schon in Wien beginnt.“

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Grob fahrlässiger Keynes-Missbrauch

03. März 2011 01:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich und viele andere Länder erfreuen sich fast einem Jahr einer Hochkonjunktur. Das gilt für jene Staaten nicht, die zu viele Schulden haben. Was auch die Boomstaaten zur Vorsicht mahnen sollte.

Für kräftigeres Sparen eintreten sollten aber auch alle (Neo-)Keynesianer, die in der jüngsten Krise besonders laut zusätzliche Staatsverschuldung verlangt haben. Dabei bleibe einmal ausgeklammert, ob dieses Rezept von John Maynard Keynes überhaupt richtig ist, was ja eine wachsende Gruppe von Ökonomen bezweifelt; deren Studien zeigen nämlich, dass „keynesianische“ Staatsverschuldung keine zusätzliche Ankurbelungskraft mehr ausübt; dass die Konjunktur von ganz anderen Faktoren abhängt; dass es also ein Fehler ist, wenn sich die Staaten in Krisenzeiten über die Wirkung der „automatischen Stabilisatoren“ hinaus verschulden (darunter versteht man das Entstehen von Defiziten durch krisenbedingt automatisch geringere Steuereinnahmen und höhere Arbeitslosengelder).

Aber selbst wenn Keynes recht hätte, fällt auf, dass seit einigen Monaten niemand mehr von seinen Rezepten redet. Die schuldensüchtige Politik beruft sich nämlich immer nur in Krisenzeiten auf ihn, ignoriert aber, dass Keynes für Boomzeiten Budget-Überschüsse verlangt, damit man dann in der Krise nach seinen Rezepten Defizite machen kann.

Die Gegenspieler von Keynes – von Friedman bis Hayek bis Mises – sehen Defizite noch viel kritischer als er. Das heißt aber: Welcher Theorie man auch immer glaubt, spätestens in den Budgets 2011 hätten Bund wie Länder wie Gemeinden Überschüsse planen müssen. Also echte Überschüsse und nicht nur das sogenannte Maastricht-Ziel eines „bloß“ dreiprozentigen Defizits.

Nur ein echter Abbau von Schulden hält das Vertrauen der Anleger in Staat und Anleihen aufrecht. Nur ein solcher Schuldenabbau garantiert, dass Österreich nicht in der nächsten Krise, wie etwa zuletzt Griechenland, im absolut dümmsten Zeitpunkt Steuern erhöhen und Ausgaben streichen muss. Die nächste große Krise kommt jedoch bestimmt.

Die Politik behauptet jedoch: Österreich leide noch unter den Folgen der Krise; und es genüge ja, wenn der Staatshaushalt über den Konjunkturzyklus ausgeglichen sei. Beide Argumente sind falsch, ja bewusste Lügen. Denn die Arbeitslosigkeit sinkt schon seit einem Jahr. Konsum und Exporte boomen in unerwarteter Heftigkeit. Und diese „Konjunkturzyklus“-Theorie hat noch nie funktioniert: Sie hat immer nur – wie etwa in den Boomjahren vor 2008 – dazu geführt, dass der Defizitabbau stets noch weiter hinausgeschoben wird.

Es gibt keine einzige Konjunkturprognose, die Österreich für die nächsten fünf Jahre ein höheres Wachstum als das von 2010 oder 2011 prophezeit. Dennoch hat Österreichs Politik auch für 2011 ein sattes Defizit geplant und klopft sich sogar auf die Schulter, nur weil es nicht noch höher ist. Dabei ist sie grob fahrlässig.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Reichtum durch mehr Bildung – aber welche?

24. Februar 2011 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Lange haben sich Österreichs Universitäten vehement dagegen verwehrt, dass die höheren Ausbildungen in Hinblick auf ihren wirtschaftlichen Nutzen überprüft werden. Heute hat sich ihre Argumentation ins Gegenteil verkehrt. Heute wird vor allem mit dem wirtschaftlichen Nutzen argumentiert, um mehr Geld für die Unis zu fordern. Und nicht mehr mit einem angeblichen Grundrecht. Je höher die Akademikerquote, umso höher das Wirtschaftswachstum, lautet die Botschaft.

Stimmt dieser Zusammenhang – der ja nicht ganz zufällig vor allem von (Uni-)Professoren betont wird –  wirklich so? Ist nicht eine funktionierende Infrastruktur, ist nicht eine bessere qualitative Auswahl der Zuwanderer, ist nicht Deregulierung, ist nicht die Flexibilität des Arbeitsmarktes, sind nicht gute Facharbeiter, sind nicht forschungs- und standortfreundliche Steuern, sind nicht viele Patente, sind nicht ausgeglichene Budgets viel wichtiger und relevanter dafür, ob Österreich seinen Wohlstandsvorsprung halten kann?

Dennoch ist auch bessere Bildung wichtig. Nur ist die Akademikerquote da wirklich nicht der Maßstab. Es gibt beispielsweise keinerlei Beweis oder auch nur Indiz, dass etwa die Kinderbetreuung besser würde, wenn Kindergärtnerinnen statt einer Berufsbildenden Höheren Schule ein langes und teures Studium absolvieren müssen. Im Gegenteil: Dann werden Menschen voller wirklichkeitsfremder Theorien, aber mit deutlich weniger Empathie auf unsere Kleinsten losgelassen werden.

Meine Zweifel am Sinn einer Akademikerquote stiegen noch mehr, als ich dreimal hintereinander Magister diverser geisteswissenschaftlicher Studien auf Sekretariatsposten engagierte. Sie hatten alle eine längere Phase prekärer Beschäftigung bei Projekten hinter sich und waren froh, eine fixe Anstellung zu erhalten, auch wenn dort eine Handelsschülerin ihre Chefin war (die trotzdem in jeder Hinsicht tüchtiger war). Noch mehr stiegen meine Zweifel am volkswirtschaftlichen Sinn eines Akademikerbooms, als ich in Gesprächen mit drei verschiedenen Historikern – durchwegs Magister! – daraufkam, dass sie weder mit den österreichischen Jahreszahlen 1927 oder 1934 noch mit den deutschen Kaisern irgendetwas anfangen konnten.

Was wir im Bildungssystem wirklich brauchen – das hat dieser Tage auch Voestalpine-Chef Wolfgang Eder zu Recht betont –, wären Schulen, die einmal allen Kindern Grunddisziplinen wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Pünktlichkeit und Grüßen beibringen. Das wären funktionierende Volksschulen, sodass nicht mehr wie heute sogar schon an AHS(!) rund 30 Prozent der Erstklassler funktionelle Analphabeten sind. Das wären deutlich mehr Techniker und Naturwissenschaftler mit internationalem Spitzenniveau. Das wäre Qualität statt Quantität an den Universitäten.

Aber nur zu rufen „Mehr Geld für die Unis“,heißt lediglich, nur noch mehr von dem nicht vorhandenen Geld in den Bach schütten zu wollen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Fußnote 174: Reisen sollte bilden

23. Februar 2011 12:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Trio infernale Fischer, Karl, Leitl war in Singapur. Was sie dort wirklich lernen hätten können.

Singapur ist nicht nur eines der erfolgreichsten Länder der Welt, sondern hat auch eines der (unter anderem bei den Pisa-Tests) erfolgreichsten Schulsysteme. Dieses hätten sich die Drei sehr genau anschauen sollen, sind sie doch alle Anhänger der Gesamtschule. Singapur wird zwar formal als Beispiel eines Gesamtschul-Landes angeführt, weil es kein zweigliedriges Schulsystem (Gymnasium und Hauptschule bzw. Neue Mittelschule) hat. Es hat aber in Wahrheit kein zweigliedriges, sondern ein vielgliedriges Schulsystem, bei dem ein enormer Wettbewerb zwischen den einzelnen Schulen stattfindet, und ein noch größerer zwischen den Kindern beziehungsweise Eltern, in möglichst gute Schulen zu kommen. Dort setzt die berühmte "Selektion" noch viel früher ein. Die guten Schulen haben beinharte Aufnahmetests und setzen die aufgenommenen Kinder auch danach ständig großem Leistungsdruck aus. Während man bei uns die Aufnahmsprüfungen abgeschafft hat, während unsere Gesamtschulfanatiker alle Kinder acht Jahre lang in gleichwertige Schulen hinunternivellieren wollen, während nun bei uns das Durchfallen endgültig abgeschafft werden soll (also jede Anstrengung völlig überflüssig wird), während bei uns Schulstunden und Schulwochen ständig reduziert wurden, während die Gesamtschulfanatiker alle Nebengegenstände völlig irrelevant machen wollen, während bei uns Schulschwänzen und Nichtbringen von Hausübungen keine Konsequenzen mehr hat. Aber ich fürchte: Die drei sind lernunfähig, so wie sie ja auch unsere Kinder durch die Gesamtschule lernunfähig machen wollen. Herr Leitl ist ja überhaupt berühmt dafür, von seinen Reisen noch dümmer zurückzukommen. So hat die „Presse“ dieser Tage mit köstlicher Süffisanz daran erinnert, wie dieser Alt-68er Leitl bei einem Libyen-Besuch Herrn Gadhafi und sein System begeistert angestrudelt hat . . .

PS: Zur Erinnerung: Das Schulsystem Singapurs hat ein in jenem Stadtstaat arbeitender Österreicher in einem Gastkommentar auf diesem Tagebuch präzise und objektiv präsentiert.

 

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Es führt ein Tunnel nach nirgendwo

23. Februar 2011 00:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist ein Musterbeispiel, wie sich die Politik zunehmend um ihre Glaubwürdigkeit bringt. Früher sind bei Monsterprojekten der Dimension Brenner-Basistunnel oder Koralm-Tunnel die privaten Investoren meist bankrott gegangen. Bei den Tunnel-Projekten droht das der Politik – oder zumindest ihrer Glaubwürdigkeit.

In dieser Frage sind es ausgerechnet die Grünen, die man auf der Seite der Vernunft findet. Dafür ist ihnen Anerkennung zu zollen – obwohl sie für den Beginn des Brenner-Projekts sehr wohl kausal waren. Denn die seit längerem schwelenden Klagen der Gemeinden im Tiroler Wipptal über die – einst von Tirol mit Stolz beworbene! – Autobahn bekamen erst nach einem Wahlerfolg der Grünen in Tirol politisches Gewicht und die Forderung nach einem Bahntunnel zur Entlastung der Autobahn wurde bald von allen Parteien zum zentralen Programm verwandelt.

Plötzlich wurde der Brenner-Tunnel zur obersten Tiroler Fahnenfrage, wichtiger als Skisiege und Südtirols Selbstbestimmungsrecht zusammen. Ähnlich wurde der Koralm-Tunnel zwischen Graz und Klagenfurt zuerst – unter Jörg Haider – für die Kärntner und dann auch für die Steirer zum zentralen Anliegen, das beiden vorher gar nicht bewusst gewesen war.

Eine wirkliche wirtschaftliche Betrachtungsweise findet da wie dort bis heute nicht statt. Sonst hätte man ja auch private Investoren finden können, die die Tunnels finanzieren, und die dann über die Benützungsgebühren Risiko wie auch Gewinnchancen tragen. Da das EU-Recht es unmöglich macht, Frächter von der Straße auf die Schiene zu zwingen, muss der Brennertunnel eine gewaltige Fehlinvestition werden. Dies auch deshalb, weil Deutschland völlig desinteressiert ist, die Brennerbahn Richtung Norden (etwa durch einen anschließenden zweiten Monstertunnel unter der Innsbrucker Nordkette) auszubauen. Aber natürlich macht die Strecke nur in Hinblick auf Deutschland wirklich Sinn.

Ähnliches gilt für die andere Großbaustelle. Der Personen-Verkehr zwischen Graz und Klagenfurt wird derzeit mit einem gelegentlichen ÖBB-Bus voll abgedeckt, der die Strecke in zwei Stunden bewältigt (der Bahn-Umweg über Leoben dauert 2,30 Stunden). Güterverkehr von Graz in das industriell völlig unbedeutende Klagenfurt ist sowieso keiner zu erwarten. Nicht einmal die – auch wegen der dazwischen liegenden Orte industriell viel wichtigere – Verbindung Graz-Linz ist künftig den ÖBB einen direkten Personenzug wert. Die Kärntner Industriefurche (St. Veit bis Villach samt Anschluss nach Italien) ist sowieso durch die alte Südbahn gut erschlossen. Diese bräuchte nur dringend den von Erwin Pröll aus populistischen Gründen so lange verhinderten Semmering-Tunnel, um noch höhere Kapazitäten zu haben. Bis der mächtige Niederösterreicher zum Glück endlich umschwenkte, ist ausgerechnet das einzige unter den drei Tunnelprojekten, dessen ökonomischer Sinn völlig unbestritten ist, ein Jahrzehnt lang verhindert worden.

Bei allen übrigen Projekten hat die Politik, insbesondere die Landespolitik, seit Jahr und Tag ihre Hauptaufgabe darin gesehen, den Menschen ökonomisch völlig sinnlose Projekte zu versprechen. Obwohl hinten und vorne kein Geld dafür da war. Ähnlich setzen sich ja fast alle Landeshauptleute ständig für Nebenbahnen ein, auf denen nur gelegentlich menschenleere Geisterzüge fahren.

Und niemand, weder Bund noch Länder, hat sich getraut, mit den Menschen Klartext zu reden. Daher wurden seit Jahr und Tag Formalbeschlüsse für den Bau der Tunnels getroffen, ohne dass die Finanzierung geklärt wäre. Ganz abgesehen davon, dass kein Mensch glaubt, dass der Brennertunnel wirklich nur die – ohnedies gewaltigen – 9,7 Milliarden Euro kosten wird, die jetzt dafür veranschlagt werden. Schlauerweise wurde aber dennoch an mehreren Stellen mit Probebohrungen begonnen. Gleichsam um den Steuerzahler vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Irgendwie verständlich, dass sich die ÖBB neuerdings dagegen wehren, dass die Regierung Projekte beschließt, deren Finanzierung aber dann den ÖBB umgehängt wird. Viel weniger verständlich ist, dass sich die ÖBB nun zwar gegen den Brenner, aber für den Koralm-Tunnel positionieren. Das versteht man wohl erst, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass bei den tunnelbegeisterten Tirolern, denen im Norden wie jenen im Süden, die seit 90 Jahren mit den ÖBB innig verbundene Sozialdemokratie völlig bedeutungslos ist. In der Steiermark stellt die SPÖ hingegen seit einigen Jahren den Landeshauptmann und in Kärnten kann sie zumindest auf ein Comeback hoffen.

Die Haltung der ÖBB zu den einzelnen Projekten ist ungefähr so schizophren wie die Haltung der ÖVP. Diese ist in Tirol, der Steiermark und Kärnten für die großen Löcher, auf Bundesebene aber für Sparsamkeit – und dazwischen für das parteiübliche Kommunikations-Vakuum.

Wie geht es weiter? Meine Schätzung: Beide Tunnels werden in den nächsten Jahrzehnten unter dem kombinierten Druck der Bau- und der Regional-Lobby  zeitweise weiter vorangetrieben werden, unter dem Druck der Realitäten aber auch zeitweise wieder eingefroren werden. Und wenn sie dann irgendwann einmal doch fertig sein sollten, werden Zeitungen und Politik das Finanzdebakel bejammern. So als ob sie nie die Tunnels verlangt hätten. Und ganz besonders wird die Wirtschaftskammer darüber klagen, die jetzt besonders laut für die zwei Verschwendungsbauten agitiert.

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Fußnote 173: Der Herr Madoff und die Österreicher

22. Februar 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wir sorgen uns über alles Mögliche. Zu Recht und zu Unrecht. Vor allem aber sollte sich Österreich derzeit um die Bank Austria sorgen.

Die größte Bank des Landes ist von einer 19 Milliarden-Forderung bedroht, weil ihr vorgeworfen wird, die Betrügereien des Amerikaners Madoff unterstützt zu haben. Dabei geht um den größten Betrugsfall der Geschichte. Um sich die Dimension dieser Forderung vorzustellen: Das ist zweieinhalb Mal das gesamte Defizit der Republik Österreich. Dieser Betrag könnte nie und nimmer von der Bank selbst aufgebracht werden. Muss eines Tages wieder der österreichische Steuerzahler einspringen? Immerhin ist die Bank Austria zum Unterschied von der Hypo Alpe-Adria eindeutig eine Systembank, und zweifellos an sich auch rettenswert, besonders seit sie sich aus den Fängen der Parteipolitik befreit hat. Andererseits gehört sie heute einer italienischen Mutter. Wird Österreich sagen können: Die Mutter soll sich kümmern? Wird umgekehrt die Mutter eine Kindesweglegung betreiben? In jedem Fall ist das, was da auf Österreich zukommt, um ein Vielfaches dramatischer als die Bawag-Affäre und als die Krise der letzten beiden Jahre. Es ist so dramatisch, dass wir es am liebsten nach altösterreichischer Sitte verdrängen. Nur: Wenn einmal die amerikanische Justiz ins Rollen kommt, dann sind die Chancen europäischer Banken nicht mehr sehr groß, etwas auch mit Erfolg zu verdrängen.

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Hoch Fischer! Hoch die FPÖ! Hoch die Österreicher und noch ein paar!

20. Februar 2011 00:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Und wieder ist der Tag gekommen, wo sich die Leser (und vor allem der Autor) des Tagebuchs nicht ärgern müssen, sondern wirklich freuen sollten. Über die Weisheit der Österreicher, über den Mut einer Bank, über einen eindrucksvollen britischen Premier, über Heinz Fischer, über die Kinderfreunde, über die Grazer Uni und über den Parlamentsklub der FPÖ. Sie alle gehören vor den Vorhang!

Die Österreicher sind weise. Das merkt man am mageren Zuspruch des Androsch-Volksbegehren. Der Mann muss das offenbar selber spüren und hat es nun vorsorglich auf den Herbst verschoben (unter der peinlichen Ausrede, dass er jetzt erst daraufgekommen ist, dass im Frühjahr  Feiertage sind). Er muss aber ganz offensichtlich selbst den peinlich mageren Zuspruch zu seiner Initiative bemerkt haben: Er hat trotz eines unglaublichen Propagandasturms fast aller Medien, trotz fast täglicher Auftritte in ORF, „News“, „Falter“ und dem sonstigen SPÖ-Vorfeld auf seiner Homepage für seine Gesamtschul-Initiative (die verlogen so tut, als würde sie keine Gesamtschule fordern) ganze 3955 Unterschriften gesammelt. Dem steht die von keinem einzigen Medium - bis auf das Tagebuch - unterstützte Initiative www.verwaltungsreform-jetzt.at  gegenüber, die es auf 3285 Unterschriften gebracht hat. Aber auch das ganz junge Schülerbegehren hat schon immerhin 1453 Unterschriften. Da kann ich nur vor den Menschen in diesem Land den Hut ziehen, dass es noch ein erstaunliches (und hoffentlich noch wachsendes) Ausmaß an Bürgermut gibt. Und dass eine totalitäre Medienwalze gar nicht so viel bewegen kann.

Banken entdecken die Kunden. Die Raiffeisen-Landesbank Niederösterreich-Wien öffnet ab März auch an Samstagen ihre Schalter. Natürlich unter Gemurre des Betriebsrats. Bleibt nur zu hoffen, dass das Experiment nicht nach drei Monaten schon wieder abgebrochen wird. Denn Kunden brauchen erfahrungsgemäß rund ein Jahr lang Zeit, um sich an neue Öffnungszeiten zu gewöhnen.

Ein Regierungschef redet Klartext. Der neue englische Premier traut sich, mit dem Filz an islamischen Abkassier-Vereinen aufzuräumen. „Manche Organisationen, die danach streben, sich als Portal für die moslemische Gemeinschaft zu präsentieren, werden mit öffentlichen Geldern zugeschüttet, während sie wenig dazu beitragen, Extremismus zu bekämpfen.“ Wann kandidiert David Cameron für das Wiener Ratshaus? Dann wüsste ich wenigstens, wen ich in Wien wählen kann.

Weitere Cameron-Zitate in Hinblick auf den europäischen Islam: „Europa soll sich schleunig dessen bewusst werden, was gerade in unseren eigenen Ländern passiert. Wir sollten uns absolut klar darüber sein, wo die Ursprünge dieser Terrorangriffe liegen. Und das ist die Existenz einer Ideologie, eies islamistischen Extremismus.“ Und: „Wir brauchen viel weniger von der passiven Toleranz der letzten Jahre und viel mehr aktiven und Muskel zeigenden Liberalismus.“ Und: „Wenn man sich die ganze Bandbreite anschaut, dann findet man Leute, die vielleicht Gewalt ablehnen, aber die mehrere Teile der extremistischen Weltsicht inklusive Feindschaft zur westlichen Demokratie und liberalen Werten akzeptieren.“ Und: „Beurteilen wir diese Organisationen genau: Glauben sie an die universellen Menschenrechte – also auch für Frauen und Anhänger anderer Religionen?“

Ähnlich klar ist auch das in den letzten Wochen formulierte „Der Mulitkulturalismus ist tot“ von Merkel und Sarkozy. Noch nie habe ich so klare Worte, aber ohne billige Polemik von einem österreichischen Politiker gehört.

Der FPÖ-Klub verweigert sich der feministischen Sprachverwirrung: Die Freiheitlichen unterschrieben im Parlament keine gegenderten Schriftstücke, also Texte, in denen das skurrile Binnen-I oder ebenso unsinnige Schrägstriche vorkommen. Da aber für manche Rundläufe (Schriftstücke über Tagesordnungen und ähnliches) auch die FPÖ-Unterschrift notwendig ist, müssen auch Schreiben von Rot und Grün zuerst entgendert werden. Köstlich und nachahmenswert.

Die Schweizer Freisinnigen folgen den Wählern: Zweifellos unter dem Eindruck des Wählerverhaltens hat nun auch die Schweizer FDP (eine klassische liberale Partei) einen Schwenk in Sachen Ausländerpolitik beschlossen und sich der SVP des lange angefeindeten Christoph Blocher angenähert: Die FDP will den Familiennachzug für Nicht-EU-Bürger erschweren. In der Tat ist ja diese so human klingende Institution das größte Einfallstor, durch das unqualifizierte Zuwanderer am Arbeitsmarkt vorbei in die europäische Wohlfahrtshängematte strömen.

Die Kinderfreunde denken menschlich: Im Gegensatz zu den harten Feministinnen ihrer Partei haben sich nun die SPÖ-Kinderfreunde dafür ausgesprochen, dass künftig die gemeinsame Obsorge für Kinder zur Regel wird, von der nur in begründeten Einzelfällen abzuweichen ist. Das ist vernünftig und human – und entlastet auch die Gerichte. Jetzt wird es spannend, wer sich da in der SPÖ durchsetzt: die lange schweigsam gewesenen Kinderfreunde oder die – ohnedies meist kinderlosen – Feministinnen?

Heinz Fischer verlässt die sozialdemokratische Denkwelt. Auch der Bundespräsident gehört einmal gelobt, wenn er Wichtiges und Richtiges ausspricht. Offenbar ist er mutiger geworden, seit er die Partei nicht mehr für eine Wiederwahl braucht. Er redet nicht nur zum Bundesheer Klartext – dass ein Berufsheer teurer kommen werde –, sondern verlässt zumindest in einem Interview den de facto obersten Grundsatz aller sozialdemokratischen Politik: Er sagte nämlich, "dass der Gedanke, dass wir als Staatsbürger Rechte, aber auch Pflichten haben, wichtig ist. Wenn man die Frage stellt, ob es nicht bequemer wäre ohne Wehrpflicht, könnte man auch fragen, ob es nicht auch bequemer wäre ohne Steuerpflicht und ohne andere Pflichten. Wenn wir alle Pflichten ablehnen und alle Rechte haben wollen, werden wir längerfristig nicht in der besten aller Welten leben." Fischer.

Die Aufnahmetests an der Grazer Medizin-Uni: Diese haben sich als voller Erfolg erwiesen. Seit ihrer Einführung haben sich die Drop-Out-Zahlen dramatisch reduziert und die Studienfortschritte beschleunigt. Damit sind auch alle Proteste ad absurdum geführt, ob sie nun von der (sowieso immer protestierenden) ÖH oder (ob der schlechten Ergebnisse von weiblichen Aufnahmewerberinnen empörten) Feministinnen gekommen ist. Denn diese Tests haben sich jedenfalls für die Studenten als ein Segen erwiesen. Sie verlieren viel weniger Lebenszeit, weil sie sich mit Jahren Verspätung als letztlich fürs Studium ungeeignet erweisen oder weil die Unis überlaufen sind. Ob das den doktrinären Aufnahmetests-Verweigerern in der SPÖ (aber auch FPÖ) endlich beizubringen sein wird? Oder wollen sie wie die Gralshüter der alten Lehre im einstigen Kreml untergehen?

Hans Niessl hat Grund stolz zu sein. Der Anlass diese Erwähnung ist schon ein paar Tage her – und kein ganz ehrliches Lob, sondern wird nur angeführt, damit man etwas zu schmunzeln hat. Denn das ist wohl nur im Burgenland möglich, dass ein Landeshauptmann eine Pressekonferenz mit dem Titel gibt: „Wir sind stolz, BurgenländerInnen zu sein.“ Ganz abgesehen von der Geschlechtsumwandlung Niessl, würde er wohl in jedem anderen Bundesland jedenfalls ob solch peinlichem Chauvinismus ausgelacht werden.

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Fußnote 171: Preisregelung kommt uns teuer, vor allem nachmittags

17. Februar 2011 11:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eine wunderschöne Lektion darüber, was passiert, wenn ahnungslose Politiker in den Markt eingreifen.

Viele Politiker, fast alle Medien, viele Stammtische und jedenfalls alle Autofahrerklubs haben sich im Laufe der Zeit über Benzinpreise erregt und nach staatlichem Eingreifen geschrien. Wenn man dezent darauf hinwies, dass die Spannen in Österreich im Schnitt niedriger sind als im Ausland, war man sofort als Speichellecker eines Ölmultis entlarvt. Und wenn man daran erinnerte, dass Preisregelungen am Ende immer den Konsumenten am meisten geschadet haben (weshalb sie ja in den letzten 60 Jahren weitgehend aufgehoben wurden), war man ein neoliberaler Steinzeitkapitalist. Das hat alles unseren nach Popularität lechzenden Wirtschaftsminister (der bekanntlich aus der Planwirtschaftskammer WKO kommt) nicht gehindert, eine Preisregelung in der Form zu verordnen, dass Benzin nur noch einmal im Tag, nämlich zur Mittagsstunde teurer werden darf.  Jetzt aber hat der ÖAMTC selber eine Studie veröffentlicht, was die Folge war und ist: An den Tankstellen wird um 12 Uhr das Benzin signifikant teurer. Und dann schaut man erst, ob der Wettbewerb dazu zwingt, die Preise zu senken. Daher wird in Ballungsräumen – also dort, wo es viel Wettbewerb gibt, – seit der Preisregelung Benzin zu Mittag um durchschnittlich 6 Cent teurer, und dann in vielen Stufen wieder verbilligt. Sofern der Wettbewerb dazu zwingt. Am Land sind es hingegen nur 3 Cent. Mit anderen Worten: Nur wegen der Preisregelung wird der Preis gleichsam sicherheitshalber um viel mehr hinaufgeschnalzt als notwendig. Eine Erkenntnis, die in alle Lehrbücher der Ökonomie einfließen und künftigen Wirtschaftsministern als Pflichtlektüre dienen sollte.

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Alternativenergie: Forschen statt fördern

17. Februar 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manche Geldanleger werden nicht gerade erfreut sein. Waren doch Investitionen in Alternativenergien in den letzten Jahren eine der gewinnträchtigsten und zugleich sichersten Möglichkeiten, sein Geld anzulegen. Daher haben diese Anlagen auch sehr geboomt. Den Steuerzahler und jeden an die Zukunft Denkenden muss es jedoch freuen: Von Österreich bis Spanien bremsen seit der Krise immer mehr zum Sparen gezwungene Regierungen den alternativen Geldsegen wieder drastisch ein.

Wobei der Einschnitt bei den Spaniern besonders tief geht, waren sie ja bis vor kurzem die freigiebigsten Verteiler alternativer Subventionen. Das hat ihnen aber – zusammen mit einigen anderen Ursachen – die weitaus höchste Arbeitslosenrate Europas eingebracht hat. Denn die Propaganda von den vielen grünen Jobs ist eine Mär. Für jeden neuen Job im Bereich der Alternativenergien sind in Spanien mehr als doppelt so viele Jobs in jenen Industrien verloren gegangen, welche die zur Finanzierung der Alternativen hohen Strompreise zahlen müssen.

Am dramatischsten ist der Einschnitt in den Niederlanden. Der neue Ministerpräsident Rutte hat die einschlägigen Förderungen von 4 auf 1,5 Milliarden zurückgefahren und das pointiert so begründet: „Die Subventionen drehen die Windmühlen.“ Seine Regierung hat die Gelder für Strom aus Offshore-Windkraft, für Solarenergie und für große Biomassen-Anlagen sogar zur Gänze gekappt. Nur noch preisgünstige Alternativenergien werden gefördert. Und nicht mehr die Geldfresser. So hat jede einzelne Kilowattstunde, die von den großen Windanlagen vor der holländischen Küste erzeugt worden ist, über 9 Cent Förderung bekommen, eine aus Solaranlagen sogar 43 Cent.

Aber ist das nicht kurzsichtig? Selbst wenn die These von der durch CO2 ausgelösten globalen Erwärmung falsch ist, wird ja doch eines Tages die Energie knapp werden. Das stimmt, auch wenn Öl, Gas und Kohle noch viel länger reichen als einst angenommen. Es  macht aber wenig Sinn, die europäische Wirtschaft durch enorme Förderungen für Alternativenergien zu belasten, während ringsum Öl und Gas ungehindert verbrannt werden.

Auch unabhängig davon ist die Förderung des Alternativenergie-Stroms die falsche Vorbereitung auf den Tag des Öl-Endes (der natürlich kein Tag, sondern eine längere Übergangsperiode sein wird). Denn wenn man Strom aus unproduktiven Anlagen fördert, geht der Anreiz verloren, in die Erforschung effizienterer Formen der Stromgewinnung zu investieren. Daher fördern die schlauen Holländer zwar weiterhin Solar&Co – aber ausschließlich die Forschung und nicht die Stromerzeugung. Nur durch Entwicklung ganz neuer Technologien kann die Alternativenergie irgendwann wettbewerbsfähig werden.

Das ist wohl die richtige Strategie – auch wenn es für manche schmerzhaft ist, die es sich schon unter der warmen Förderdusche bequem gemacht haben.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Krise ist vorbei – sind es unsere Sorgen auch?

15. Februar 2011 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Niemand hat vor einem Jahr zu hoffen gewagt, dass es uns heute wieder so gut gehen würde. Und am Höhepunkt der großen Krise, im März 2009, schon gar niemand.

Damals hatten alle Ökonomen, Politiker und Medien Vergleiche mit der großen Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre gezogen, die dem Nationalsozialismus und dem zweiten Weltkrieg den Weg bereitet und katastrophale Folgen für eine ganze Generation von Europäern hatte.

Was waren nur in diesen zwei Jahren alles für Weltuntergangsprognosen an die Wand gemalt worden! Von der Deflation bis zur Massenarbeitslosigkeit bis zum Zerfallen des Euro. Nichts davon ist offensichtlich eingetreten. Das Wirtschaftswachstum hat inzwischen wieder in den meisten Ländern der Union die Delle ausgebügelt, welche die amerikanische Subprimekrise, der Zusammenbruch der Lehman-Bank und der dann wie eine Schockwelle eingetretene globale Vertrauensverlust ausgelöst hatten.

Wobei das großteils ja nur die Auslöser waren. Die Ursachen lagen tiefer und waren fast immer Fehler der Währungspolitik, der Budgetpolitik und staatlicher Interventionen in die Wirtschaft wie etwa in den amerikanischen Wohnungsmarkt. Ganz abgesehen davon, dass irrationaler psychologischer Überschwang und Unterschwang, wenn es dieses Wort gäbe, immer die Wirtschaft begleiten werden. Wer behauptet, Rezepte gegen jede Art von Krise zu haben, ist ein gefährlicher Scharlatan.

Aber zurück zur jüngsten Krise: Wir sind anscheinend ganz überflüssigerweise in Panik verfallen. Es war halt nur einer der vielen Fehlalarme als Folge unseres Hangs zu regelmäßiger Angst. Ähnliche Paniken gab es ja schon viele: etwa die höchste Alarmstufe der Weltgesundheitsorganisation wegen der letztlich total harmlosen Schweine- und Vogelgrippen; oder das angebliche Wäldersterben; oder das von zahlreichen Wissenschaftlern schon für Ende des vergangenen Jahrtausends prophezeite Versiegen des Erdöls; oder die katastrophalen Folgen einer angeblich vom Menschen gemachten Globalen Erwärmung.

Es ist also alles wieder gut. Oder? Stimmt vielleicht eher die Metapher vom Hirtenbub, der zu oft „Wolf!“ geschrien hat, bis ihm niemand mehr glaubte, als dann wirklich der Wolf kam? Stimmt vielleicht eher der Vergleich mit dem britischen Premierminister Chamberlain, der zwölf Monate vor Ausbruch des Weltkriegs freudestrahlend „Peace in our time!“ verkündet hat? Gleichen wir vielleicht gar dem aus dem 100. Stock gesprungenen Mann, der noch 99 Stockwerke tiefer glaubt: „Lustig ists!“

Letztlich gilt: Wir wissen es nicht. Denn es gibt zum Glück keine Vorherbestimmung der Geschichte. Deren künftige Entwicklung liegt immer in den Händen der Menschen. Und auch in der Wirtschaft spielen mehr Psychologie und damit Irrationalität mit, als viele meinen. Deswegen machen sich regelmäßig ja all jene Experten lächerlich, die Wachstums- und Inflationsentwicklungen sogar aufs Komma genau vorhersagen. Über künftige Entwicklungen kann man immer nur Wahrscheinlichkeiten bewerten. Diese sind freilich umso verlässlicher, je mehr bestimmende Faktoren jetzt schon feststehen.

Nähert man sich der Frage nach der weiteren Entwicklung aber mit diesem nüchternen Realismus, dann kann man durchaus Etliches über die Zukunft sagen. Viele Determinanten stehen ja heute schon fest. Wie etwa die Zahlen der Staatsverschuldung oder die demographischen Daten. Andere sind hingegen offen, wie etwa psychologische Stimmungen oder politische Entscheidungen oder gar Naturkatastrophen und Kriege.

Auf dieser Basis seien nun einige der am meisten diskutierten Szenarien näher untersucht, wobei auch jedesmal eine Wahrscheinlichkeitsbewertung gewagt wird:

1.     Zerfall des Euro: 15 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Heute sind viele Experten überzeugt, dass der Euro zumindest so lange überleben wird, wie auch die EU hält, das heißt de facto, solange es keinen europäischen Bürgerkrieg gibt. Denn heute sieht man klarer als im vergangenen Sommer: Ein Ausscheiden der schuldenfreudigen Länder des Südens würde diesen erst recht eine Katastrophe bescheren. Lauten doch im Gegensatz zur Vor-Euro-Zeit all ihre Schulden auf Euro. Und die bei einem Ausscheren aus dem Euro unvermeidliche Abwertung der Süd-Währungen würde deren Rückzahlung noch zusätzlich dramatisch verteuern. Daher denken die Südländer nicht an ein Ausscheren.
Umgekehrt wird es Deutschland wohl nie wagen, von sich aus auszuscheren. Das wäre trotz des Drucks der Bevölkerungsmehrheit eine außenpolitische Katastrophe, die keine Regierung wagen wird, auch wenn jedenfalls Österreich und die Niederlande folgen würden, die ja immer brav den Deutschen nachtrotten. Aber Deutschland wird nicht nur aus Gründen der politischen Sensibilität auf einen Euro-Austritt verzichten. Es weiß auch: Letztlich würde es allen exportorientierten Ländern sehr schaden, wenn sie plötzlich wieder mit gewaltigen Währungsunsicherheiten sowie Transaktionskosten in ihren Hauptabsatzgebieten rechnen müssten. Die dann sicheren Abwertungen in Griechenland & Co würden viele Exporteure aus dem Markt werfen.
Mit anderen Worten: Auch wenn der Euro viel von seinem Glanz verloren hat, wird es ihn wohl erst dann zerreißen, wenn es die EU zerreißt. Dennoch darf man nicht verschweigen, dass rund um die Währung katastrophale Fehler begangen worden sind. Der Euro war letztlich eine unnatürliche Hybrid-Konstruktion. Für seine Einführung hätte es in der ökonomischen Logik zwei Möglichkeiten gegeben:

a.      Der Euro ist die Währung der Vereinigten Staaten von Europa, die nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern auch eine gemeinsame Budget- und Wirtschaftspolitik haben. Eine so enge Gemeinsamkeit wollte und will aber der Großteil der EU-Staaten nicht.

b.     Man hat sich für die andere Möglichkeit entschieden, die sogenannte No-Bailout-Regel, die es eigentlich verboten hätte, dass andere Staaten oder die Europäischen Zentralbank oder die Kommission einem überschuldeten Euro-Land mit Krediten, mit Rettungsschirmen usw. zur Hilfe kommen. Die klare Intention war: Wenn ein Land undiszipliniert lebt und das Vertrauen der Kreditgeber verliert, dann soll es eben Pleite gehen. Es soll wie auch jedes Unternehmen ein Insolvenz-Verfahren auf sich nehmen müssen.
An diese Regel hat man sich aber in der Stunde des Ernstes nicht gehalten. Die meisten anderen Euro-Länder – mit der interessanten Ausnahme der Slowakei – sowie die EU-Kommission, die EZB und der Internationale Währungsfonds haben vielmehr begonnen, mit einer Vielzahl kompliziert klingender Instrumente den überschuldeten Ländern beizustehen. Durch Haftungen, durch Kauf von Anleihen jener Länder. Jetzt wird insbesondere von Luxemburg die Ausgabe von Eurobonds empfohlen, die natürlich den selben Effekt haben: Deutschland & Co haften für die Schulden von Griechenland & Co.
Das wurde immer mit der Notwendigkeit begründet, dass sonst der Euro gefährdet wäre. Was aber sicher falsch ist. Im Gegenteil hätte gerade eine Nichtintervention die Glaubwürdigkeit des Euro massiv gestärkt.
Da man aber interveniert hat, noch dazu mit großen Geldsummen, die vielleicht noch wachsen, hat eine Reihe anderer Gefahren an Wahrscheinlichkeit gewonnen.

2.     Inflation: Eine Geldentwertung im einstelligen Bereich hat 65 Prozent Wahrscheinlichkeit; eine im zweistelligen Bereich 20 Prozent.
Die Frage nach der Größe der Inflationsgefahr ist heute unter Ökonomen die am heftigsten umstrittene. Viele verweisen darauf, dass die umlaufende Geldmenge im Grund nicht gestiegen ist. Denn trotz der zum Teil gewaltigen Defizite und der Geldschöpfung durch die Notenbanken ist die Kreditfreudigkeit noch recht gering. Überdies sparen die Menschen vermehrt. Das Geld rotiert langsamer.
Andere Ökonomen sehen hingegen deutlich mehr Gefahren. Immerhin steht die gemessene Inflationsrate schon wieder bei den zwei Prozent, bei denen die EZB nach ihren eigenen Regeln eigentlich schon bremsend eingreifen müsste. Vor allem die Rohstoffpreise sind deutlich im Steigen, die sich mit Verzögerungen auch regelmäßig auf die Verbraucherpreise niederschlagen. Die Rohstoffpreise steigen gar nicht so sehr wegen der heftigen Geldvermehrung insbesondere in den USA, sondern vielmehr wegen der rapide steigenden Nachfrage der Asiaten, die Knappheiten ausgelöst hat. Überdies wird die Destabilisierung im Nahen Osten die Preise weiter in die Höhe treiben.
Dennoch sprechen einige Faktoren gegen die verbreitete Befürchtung, dass die europäischen Länder ihre gewaltigen Schulden allzu einfach via Inflation entsorgen können. Ein stabilisierender Faktor dürfte trotz ihrer enttäuschenden Haltung im Jahr 2010 die EZB sein, die sich nun verstärkt wieder der Stabilität zu besinnen beginnt. Ein anderer Faktor ist der Umstand, dass die Staaten sehr rasch selbst unter einer bewusst herbeigeführten Inflation leiden würden, da sie jedes Jahr einen spürbaren Teil ihrer Schulden refinanzieren müssen.

3.     Double Dip: 30 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Der im Vorjahr von vielen prophezeite Double Dip ist etwas unwahrscheinlicher geworden. Darunter versteht man einen raschen zweiten Absturz der Wirtschaft. Denn, so die Befürchtung, nach Auslaufen der teuren staatlichen Konjunkturimpulse werde die Krise bald wieder zurückkommen. Außerdem bilden sich jetzt schon wieder gefährliche Blasen außerhalb der offiziellen Inflationsrate. Dazu zählen neben den Rohstoffpreisen die Flucht in die Edelmetalle und der steile Anstieg der Preise für Eigentumswohnungen.
Dagegen spricht aber, dass die Menschen in den letzten zwei Jahren so viele schlechte Nachrichten gehört haben, dass sie sich schon daran gewöhnt haben. Daher würde wohl ein neuerlicher Fall Lehman Brothers heute nicht mehr den damaligen Schock eines globalen Vertrauensverlustes auslösen. Außerdem hat sich inzwischen Asien als starke Konjunkturlokomotive erwiesen, von der vor allem die exportorientierten Industriestaaten profitieren.
Dennoch ist die Gefahr eines Double Dips keineswegs vorbei. Aus mehreren Gründen:
- Die Staaten haben absolut keinen Spielraum mehr, um noch einmal so üppig durchzustarten;
- Viele Banken sind noch keineswegs so kräftig saniert, dass sie heute prinzipiell anders dastünden als 2008;
- Die kraftvollen Geldinjektionen haben den Gesundungs- und Erneuerungseffekt verhindert, den jede Krise normalerweise trotz oder gerade wegen ihrer Schmerzhaftigkeit hat: Es gab kaum Konkurse und auch am Arbeitsmarkt gab es nicht die in solchen Phasen eigentlich übliche Mobilität;
- Vor allem aber gehen selbst die optimistischen internationalen Prognosen, die keinen zweiten Absturz erwarten, für Europa von mageren Wachstumsraten aus. Dem Euro-Raum wird für die nächsten fünf Jahre mit durchschnittlich zwei Prozent das weltweit weitaus niedrigste Wachstum aller Regionen prophezeit. Selbst Schwarzafrika darf mit mehr als doppelt so viel rechnen. Und China oder Indien werden gar an die zweistelligen Wachstumsraten streifen.

4.     Staatsbankrotte: 65 Prozent.
Jahrelang haben viele Politiker und Medien über die bösen Maastricht-Ziele geschimpft, so als ob uns die EU wie eine Besatzungmacht verbietet, Schulden zu machen, so als ob Schulden sonst völlig problemlos wären. Inzwischen – und das ist der wahre Schock des Jahres 2010 – hat man erkannt, dass es noch jemand anderen gibt, der zur Mäßigung bei der Schuldenaufnahme zwingt: Jene Menschen und Institutionen, bei denen Staaten Schulden aufnehmen können. Diese haben 2010 zum erstenmal massive Skepsis über die Kreditwürdigkeit einiger EU-Staaten geäußert und ihnen nur noch zu sehr hohen Zinssätzen Kredite gewährt. Diese Zinssätze drohen die nationalen Finanzen jener Staaten endgültig zu devastieren.
Die Wahrscheinlichkeit ist daher groß, dass es in einem oder in mehreren europäischen Ländern zu einem Bankrott kommt. Eine wachsende Zahl von Experten empfiehlt das geradezu. Man sollte in der Tat die Worte Bankrott oder Pleite vom düsteren Klang des 19. Jahrhunderts befreien, als sich zahlreiche Unternehmer und Bankiers aus Scham das Leben genommen haben.
In der Nachkriegszeit hat es sogar dutzende Fälle von Staatspleiten gegeben, freilich meist in Entwicklungsländern, aber auch etwa in Polen. Bei Staaten heißt es nur nicht Konkurs, sondern etwas freundlicher Umschuldung. Würde etwa Griechenland diesen Weg gehen (müssen), dann wird mit einer Quote von 60 bis 90 Prozent gerechnet oder gar nur mit einer Verlängerung des Zahlungsziels. Das ist in den hohen Zinsen, die Griechenland seit einiger Zeit zahlen muss, schon weitgehend eingepreist. Daher empfehlen durchaus auch schon manche Banker einen solchen Haircut, bei dem eben die Investoren, die Halter griechischer Anleihen, die Banken, die Pensionsfonds und die Sparer Haare lassen müssen.
Dennoch sprechen nicht nur das Interesse dieser Gläubiger und der nationale Stolz der Griechen gegen einen Haircut. Denn primär muss es um die Frage gehen, in welcher Variante die nötigen Reformen schneller zustandekommen. Manche fürchten, dass die gegenwärtigen signifikanten Anstrengungen der diversen PIIGS-Regierungen wieder erlahmen werden, sobald eine Umschuldung den Druck wegnimmt.
Umgekehrt fürchten auch viele heute scheinbar stabil dastehende europäische Länder, dass auch sie höhere Zinsen zahlen werden müssen, wenn einmal ein EU-Land in Konkurs gegangen ist. Dann wird etwa auch die Unsitte ein Ende haben müssen, dass Banken jeden noch so gut abgesicherten Kredit an ein Unternehmen mit teurem Eigenkapital unterlegen müssen, Kredite an Staaten, also etwa Anleihen müssen hingegen nicht unterlegt werden.
Daher schien es vielen europäischen Regierungen im Vorjahr noch immer richtiger und billiger, entgegen allen auch rechtlichen Regeln, Griechenland und Irland beizuspringen.
Zumindest in Deutschland wird das heute mehrheitlich als Fehler gesehen. Dazu hat nicht zuletzt eine empörte Öffentlichkeit beigetragen, die argumentiert hat: „Wir fleißigen Deutschen müssen für die faulen Griechen brennen.“ In Österreich hat lediglich der Philosoph Rudolf Burger kräftige, allzu kräftige Worte gewagt und die über Nacht beschlossenen Rettungspakete mit dem NS-Ermächtigungsgesetz des Jahres 1933 verglichen, mit dem Hitler das Parlament ausgeschaltet hat.
Eine durchaus relevante Wahrscheinlichkeit gibt es aber auch, dass das deutsche Höchstgericht der Berliner Regierung die weitere Finanzierung von pleitegefährdeten Staaten untersagen wird.

5.     Wirtschaftsregierung: Eine nominelle Wirtschaftsregierung hat 50 Prozent Wahrscheinlichkeit zustandezukommen, effizient wird die aber nur mit 5 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Zwischen der deutschen und französischen Regierung wurde in den vergangenen Wochen das Wort Wirtschaftsregierung als neue Zauberformel ins Spiel gebracht. Der Druck der beiden europäischen Vordenker ist so groß, dass die Idee wahrscheinlich zu irgendeinem gesichtswahrenden Ergebnis führen dürfte. Wirklich relevant dürfte das Ergebnis aber kaum werden. Denn jede Form einer Wirtschaftsregierung kann nur einstimmig beschlossen werden.
Vor allem fehlt wie bei den bisherigen Stabilitätskriterien auch hier die klare Idee, wie man einen Staat wirklich effizient zwingen könnte, die Vorgaben einzuhalten und nicht etwa mit Statistiken nach griechischer Art zu manipulieren. Es hat ja etwa auch Österreich schon bei den Stabilitätskriterien kräftig geschummelt und ÖBB-, Gesundheitssystem- sowie Asfinag- Schulden, aber auch die Bankenkredite bisher nicht einberechnet, was die Staatsschuld auf Grund einer Neuberechnung der EU von knapp unter 70 auf knapp unter 80 Prozent erhöhen wird. Überdies rechnet sich kein EU-Staat die gigantischen Verpflichtungen der zahlreichen Pensionszusagen als Staatsschuld an – ob wohl das jede private Firma sehr wohl rückstellen muss.
Die EU oder die EZB sind gegen die sündigen Länder so ohnmächtig wie die österreichische Bundesregierung gegen die Bundesländer. Sie hat Null Machtmittel, die Länder an einer über die Vereinbarungen hinausgehenden Verschuldung zu hindern. Obwohl die Länder- und Gemeindeschulden genauso in die österreichischen Stabilitätskriterien eingehen wie jene des Bundes.
Jedenfalls ist jetzt schon die Begeisterung der einzelnen EU-Staaten, eine Wirtschaftsregierung zu beschließen, sehr begrenzt. Aus den unterschiedlichsten Motiven.
Die einen wollen sich nicht eine zwingende Budgetdefizitgrenze vorschreiben lassen – obwohl eine solche nun sogar schon von Sozialdemokraten wie Ewald Nowotny vorgeschlagen wird; die anderen fürchten einen Eingriff in die Tarifautonomie der Sozialpartner; die dritten eine Beschneidung der sogenannten sozialen Errungenschaften des Wohlfahrtsstaates; und die vierten – insbesondere viele Deutsche – bangen davor, dass ihre gegenwärtigen wirtschaftlichen Erfolge eingebremst werden sollen, damit sie den anderen Staaten nicht zu weit davonziehen.

6.     Langanhaltende Stagnation Europas: 75 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Am wahrscheinlichsten von allen Szenarien erscheint es, dass EU-Europa im internationalen Wettbewerb langsam, aber stetig zurückfallen wird. Vor allem Asien, aber auch Lateinamerika und Afrika dürften immer mehr aufholen und das EU-Europa zum Teil überholen. Von dem vor zehn Jahren geträumten Traum, dass die EU die wettbewerbsfähigste Region der Welt werde, von diesem sogenannten Lissabon-Ziel wagt man nicht einmal mehr zu träumen. In der einstigen Dritten Welt hat sich hingegen überall Dynamik breit gemacht, seit sich die dortigen Länder großteils von den kommunistischen und sozialistischen Modellen der 70er Jahre befreit haben.
Das heißt nun nicht, dass die EU ein Fehler wäre; ohne EU stünden die einzelnen Länder sicher noch schwächer da. Aber im Grund leiden alle EU-Länder gemeinsam an ähnlichen Problemen:
eine massive Überalterung der Bevölkerung;
dazu kommt ein langfristig zum Crash verurteiltes Pensionssystem.
keine positive Auslese bei der Zuwanderung;
ein viel zu aufgeblasener Sozial- und Wohlfahrtsstaat;
ungesunde Subventionsstrukturen;
eine gewaltige Überregulierung auf fast allen Gebieten – allein beim Umweltschutz belasten EU und Europas Regierungen die eigenen Arbeitsplätze mit dem Vielfachen der internationalen Konkurrenz;
eine viel zu hohe Steuerlast;
gleichzeitig geht der Vorsprung im Bildungswesen langsam verloren: Leistung und Anstrengung wurden und werden zunehmend durch Nivellierung, Kuschelecken und Leistungsunwillen ersetzt. Was sich in vielen Familien und in vielen Schulen zeigt. Die Gesamtschule soll nun dieses Prinzip sogar verallgemeinern.

7.     Externe Schocks: 30 Prozent Wahrscheinlichkeit.
All diese Prognosen gehen natürlich davon aus, dass es nicht zu Schocks aus nichtökonomischen Ursachen kommen wird. Die jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten haben solche Schocks aber – vorsichtig ausgedrückt – durchaus nicht unwahrscheinlicher gemacht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Gescheitert!

14. Februar 2011 20:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

„Scheitert der EURO, scheitert Europa!“, versicherte  die Bundeskanzlerin Merkel ihren Zuhörern auf dem World Economic Forum Ende Jänner 2011 in Davos. Viele schüttelten die Köpfe. Wie das? Ist Europa so schwach, dass seine Existenz von einer Kunstwährung abhängt, die von einer Krise in die andere taumelt?

Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien, Belgien, immer schwieriger und kostspieliger wird es, die hochdefizitären oder verschuldeten Staaten über Wasser zu halten. Einige der zugeworfenen Rettungsringe erwiesen sich als Bleigewichte, die den notwendigen Wachstumsschub verhindern.  Jetzt versucht Merkel den Ertrinkenden  mit einem „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ zu helfen, der noch im März beschlossen werden soll. Doch den halten ihre Kollegen im Europäischen Ministerrat sowie die meisten Abgeordneten im Europäischen Parlament glattweg für Unsinn: Löhne runter, ihre Indexierung verbieten; Staatsausgeben einbremsen, Beamte entlassen; Pensionen kappen, Pensionsalter hinaufsetzen; Gesundheitsvorsorge einschränken und verteuern, Familienbeihilfen vermindern; das alles lässt sich politisch nicht durchstehen.

Ertrinkende, die dem Diktat einer „Wirtschaftsregierung“ nicht folgen, dann mit Strafzahlungen auch noch unterzutauchen, ist für viele keine gute Idee. Deshalb war das einzige, was der angedachte  „Pakt“ hervorbrachte,  Ablehnung und Haß auf die deutsche Domina und ihr Gefolge. Auf dem internationalen Parkett nehmen die Vertreter selbst kleiner Staaten die kabarettanregenden Auftritte von Frau Merkel, Herrn Schäuble  und Herrn Westerwelle nicht mehr ernst.

Man versteht, dass sie vor den zahlreichen Landtagswahlen ihre gegen die neuerlichen Belastungen aufmuckende Bevölkerung sedieren müssen, und geht zur Tagesordnung über. Wie beim ersten „Stabilitätspakt“ der Herren Kohl und Waigel wird man ihren Vorschlägen in einigen Punkten vielleicht zustimmen und sie dem geduldigen Papier anvertrauen. Die Durchsetzung erwartet niemand. Wer will schon bei dem unter Hochdruck stehenden Dampfkessel der Währungsunion die Notventile verstopfen?

Also werden diese geöffnet. Von Stabilitätsfloskeln gut getarnt, wird hinter den Kulissen inzwischen die Maschinerie für die grenzenlose Geldschöpfung oder das „quantity easing“ nach amerikanischem Vorbild auf Touren gebracht. Man ist jetzt drauf und dran EZB, ESM und EFSF in Bad Banks  zu verwandeln, welche gegen Zahlungsversprechen bankrotter Staaten diesen Kredite gewähren, ihre Schatzscheine  aufkaufen und durch Umschuldungen die Rückzahlung von Staatsschulden auf den Sanktnimmerleinstag verschieben.

Und weil die Bad Banks und „Stabilitätsfonds“ keine Sicherheit bieten, sollen jetzt auch noch die Triple A-Staaten wie Deutschland, Holland oder Österreich für die von ESM und EFSF aufgenommenen Anleihen in noch größerem Ausmaß bürgen. Inzwischen sind auch für sie die Finanzmarktzinsen für kurzfristige Kredite in den letzten Wochen um fast 50% gestiegen, während ihre Bonität abzunehmen beginnt. „Bürgen soll man würgen“, heißt es im Sprichwort, und das geschieht jetzt. Durch die riesigen „vagabundierenden Geldmengen“ ist bereits eine Art „Währungskrieg“ ausgebrochen. Und auch die Inflation wirft ihre Schatten voraus; die exorbitanten Erhöhungen der Preise für Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel beginnen durchzuschlagen.

In dieser Situation kommt ein Buch gerade zurecht, das sich wohltuend von dem Flickwerk abhebt, mit dem kopflos gewordene Politiker das Scheitern von EU und EURO hinauszögern wollen, um ihre eigene Haut zu retten, „koste es was es wolle“.

Der Autor des Buches ist Vaclav Klaus, derzeit amtierender Staatspräsident von Tschechien, Professor für Nationalökonomie und vielfacher Ehrendoktor. Als ehemaliger Mitarbeiter in der tschechoslowakischen Nationalbank und als  Finanzminister nach der Wende von 1989 ist er in Währungsfragen bestens ausgewiesen. Durch seinen Sachverstand ist er eine Rarität unter Politikern. In seinem neuesten Buch mit dem Titel „Europa“ (Context-Verlag, Augsburg 2011) findet sich eine Fülle von Aussagen sowohl zu den Fehlentwicklungen in der EU wie zur Europäischen Währungsunion und den verzweifelten EURO-Rettungsversuchen, die einfach unwiderlegbar sind. Hier wenigstens ein paar Kostproben:

Für Vaclav Klaus ist die Europäische Währungsunion schon „seit langem gescheitert“ (FAZ, 27. April 2010). Als wirtschaftlich begründetes Projekt hat sie „versagt“ (S. 128 u. ö.), sie hielt nicht, was sie versprach. Statt Wachstumsbeschleunigung trat Halbierung der Wachstumsraten ein. Die Kosten der Schaffung und Erhaltung der Währungsunion überstiegen die Erträge. Politisch gegen alle Einwendungen von ökonomisch-fachlicher Seite durchgesetzt, führte die Währungsunion nicht zum Zusammenwachsen, sondern zum Auseinanderdriften der Länder. Die starken Länder wurden geschwächt, in den schwachen Ländern entstanden ungesunde Blasen, die nun platzen und zu erhöhter Arbeitslosigkeit führen.

Jetzt wird das politisch, nicht wirtschaftlich motivierte Währungsprojekt auf unverantwortliche Weise fortgesetzt „zu einem ungeheuer hohen Preis, den die Bürger der Länder der Eurozone  bezahlen werden“ (S. 131), sei es in Form von weiterer Einbuße an Wirtschaftswachstum gegenüber dem Rest der Welt, sei es im „Anstieg des Volumens an Finanztransfers, die den Ländern mit den größten wirtschaftlichen und finanziellen Problemen geleistet werden müssen“. Und dieser Preis wird „weiter steigen“ (S. 132). „Der EURO wurde zu einer Gefahr für Europa!“

Auch als ganze ist die Europäische Union gescheitert. Die mit der Ode an die Freude und Freiheit vielbesungene „Verbrüderung“ ist nicht eingetreten. Sie läßt sich auch „nicht künstlich organisieren“ (S. 31). Heute sind durch die EU „nicht nur Freiheit und Demokratie bedroht, sondern auch unsere Prosperität“. Demokratie ist in Brüssel „nicht realisierbar“ (S. 16): „Die Hauptfigur der EU ist nicht der Bürger sondern der Beamte“ (im Original fettgedruckt!). Er lebt „von mehr Planung, Regulierung, Kontrollierung und Koordinierung“ (S. 25) und schädigt damit die wirtschaftliche und kulturelle Entfaltung der einzelnen Länder. Demokratie funktioniert „nur auf der Ebene der Nationalstaaten“ (S. 33).

Werden die Nationalstaaten durch die Bewegung zu einem „ever-closer Europe“ geschwächt, verschwindet die Demokratie. Die „sogennannte Vertiefung“ ist „nicht nur unnötig, sondern auch politisch gefährlich und ökonomisch bremsend“ (S. 24). „Europa war in der Vergangenheit nie eine politische Entität (und ohne Zweifel muss es auch keine werden)“ (S. 31). Mit „Vertiefung“ und „Vereinheitlichung“ oder „Unifikation“ bringen wir in Europa ja keinen „Sonnenstaat“ hervor, sondern weit eher die „Brave New World von Huxley, eine Welt von Zamjatin, Orwell und Denkern dieses Typs“ (S. 31). „Der Vertrag von Lissabon steht im Widerspruch zum Grundsatz der Souveränität des tschechischen Staates“ (S. 42) und „des tschechischen Volkes“ (S. 43).

„Das heutige System des Entscheidens in der Europäischen Union ist etwas anderes als das von der Geschichte geprüfte und in der Vergangenheit erprobte System der klassischen Demokratie“ (S. 51). Im Europäischen Parlament gibt es keine parlamentarische Opposition. „Wir haben (Anm.: im kommunistischen System) die bittere Erfahrung gemacht, dass dort, wo es keine Opposition gibt, die Freiheit verkommt“ (S. 51). Aber auch „eine eventuelle Stärkung des Europäischen Parlaments“ wäre „keine Lösung für den demokratischen Defekt“, er gehört zu „den unkorrigierbaren Geburtsfehlern“ der Europäischen Union. (S.64). Es gibt kein europäisches Volk oder einen „europäischen Demos“.

„Die Auflösung der Staatsgrenzen und die Umwandlung vom `Europa der Staaten´ zum `Europa der Regionen´, beruht auf  der Fehlideologie des Multikulturalismus. Der Versuch der politischen Eliten, „die EU weiter und tiefer zu integrieren, (führt nur) zu einer weiteren Vergrößerung des demokratischen Defizits und zu einer weiteren Entfernung vom Bürger“ (S. 66). In Wahrheit schadet die EU der Europaidee (S. 64: Vaclav Klaus verweist hier auf so prominente Kritiker wie den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, den Abgeordneten Peter Gauweiler, den Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof, die Einbringer von Verfassungsbeschwerden beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe und auf den Dichter und Essayisten Magnus Enzensberger). Die EU „geht über die Köpfe der Bürger hinweg“ (S. 65), wie das die Abstimmungen über die europäische Verfassung oder zur Einführung des EURO gezeigt haben. Deshalb wurde ja in vielen Staaten tunlichst vermieden, das Volk zu befragen. 

Das Resumé, das Vaclav Klaus zieht, ist so eindeutig und logisch fundiert, dass ihm jeder einigermaßen mitdenkende Bürger zustimmen muss: Die noch immer von einem Großteil der politischen „Elite“ betriebene Entwicklung der Europäischen Union hin zu einem Bundesstaat und einer Währungs- und Transferunion ist gescheitert!

Sie war eine „idée fausse“. Das nicht einzugestehen, wird noch „enorme Kosten verursachen“. Je früher wir aus der Erkenntnis des Scheiterns die Konsequenz ziehen, desto größer ist die Chance, dass wir in Europa Freiheit, staatliche Souveränität,  Demokratie, Wohlfahrt und kulturelle Identität in der Vielfalt ihrer Ausdrucksformen bewahren können. „L´Europe, c´est la diversité“, es schöpft seine Kraft aus der Vielfalt seiner Völker und Staaten, nicht aus Gleichmacherei, Vereinheitlichung und Uniformierung. Wir brauchen, so Klaus, keine europäische oder „global governance“, sondern die intergovernmentale Kooperation und Koordination von souveränen Staaten „auf gleicher Augenhöhe“.

Das Buch sollte zur Pflichtlektüre unserer Politiker werden, Womöglich noch bevor tunesische oder ägyptische Verhältnisse bei uns eintreten.

Friedrich Romig

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Hoffentlich geht Ruttenstorfer endgültig frei

10. Februar 2011 00:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer wartet nun auf sein Urteil in zweiter Instanz. Zwar meinen viele Juristen, dass der ehemalige SPÖ-Staatssekretär auch dort vom Vorwurf des Insiderhandels freigesprochen wird. Aber vor Gericht ist halt jeder in Gottes Hand – und man weiß nie, ob in der rechten oder linken.

Sollte Ruttenstorfer jedoch letztlich rechtskräftig freigehen, dann ist das nicht nur für ihn, sondern auch für Anleger eine gute Nachricht. Wie das? Sind nicht die gewöhnlichen Anleger, die ihre Ersparnisse ohne geheime Informationen in Aktien investieren, die Geschädigten, wenn Insider Vorteile aus ihrem Wissen ziehen? Richtig. Daher ist es an sich gut, wenn nun auch in Österreich strenger gegen Insiderei vorgegangen wird.

Jedoch haben Aktionäre noch ein weiteres Interesse: nämlich, dass sich die Vorstände wirklich ganz mit ihnen identifizieren. Und das tun sie nur dann überzeugend, wenn sie auch in Hinblick auf ihr persönliches Vermögen die gleichen Interessen haben. Wenn ihre Honorierung also zu einem guten Teil in Aktien erfolgt.

Dabei ist freilich eine Reihe Zusatzbedingungen wichtig, die man erst langsam so richtig in ihrer Bedeutung erkennt . Es darf keineswegs nur auf den Kurs zu einem bestimmten Stichtag ankommen – der ja relativ leicht manipulierbar ist, wie man bei der Telekom gesehen hat. Noch wichtiger ist, dass Vorstände ihre Aktien auf Jahre hinaus nicht verkaufen dürfen – am besten erst nach ihrer Vertragszeit. Empfehlenswert wäre auch, dass die Ausübung einer Kaufoption automatisch erfolgt, sodass auch dabei kein Einfluss möglich ist. Denn in Wahrheit hat jeder Vorstand – sofern er nicht nur der Frühstücksdirektor zum Empfang ausländischer Delegationen ist – zu jedem Zeitpunkt ein Insiderwissen. Wer sonst sollte als erster Bescheid wissen über geplante und geplatzte Geschäfte, über die Probleme von Lieferanten und Kunden, über die globale Marktentwicklung?

Bei Ruttenstorfer treffen die genannten Bedingungen mehrheitlich zu. Daher ist es durchaus richtig, dass er freigesprochen wird. Was aber Aufsichtsräte und Gesetzgeber nicht hindern sollte, die Regeln für Aktienkäufe von Vorständen im skizzierten Sinn weiter nachzuschärfen.

Würde der OMV-Chef hingegen doch verurteilt, würden sich viele Vorstände künftig im logischen Eigeninteresse weigern, Aktien der eigenen Gesellschaft auch nur anzugreifen. Sie würden höhere Bar-Bezüge verlangen. Sie würden die Interessen der Aktionäre ein wenig aus dem Auge verlieren. Sie würden halt die eigene Eitelkeit statt das eigene Depot bedienen. Daher würden sich die einen um die eigene Positionierung  in Öffentlichkeit und Gesellschaft kümmern und die anderen um Gutmenschprojekte und Profilierung als Mäzen auf Kosten der Aktionäre. Daran, dass manche vielleicht gar durch Aktientipps an Dritte ihren Sold aufbessern könnten, wollen wir gar nicht denken.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Die Bürger wehren sich – endlich

06. Februar 2011 01:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Von der Schuldenpolitik bis zur Schulpolitik: Dieses Land kommt immer mehr auf die schiefe Bahn. Und es wird von ahnungslosen oder böswilligen Politikern und Altpolitikern wie Hannes Androsch immer tiefer hinuntergestoßen. Das ist hier schon oft genug getadelt worden. Heute darf ich als Kontrast einmal zwei lobenswerte wie mutige Initiativen vor den Vorhang holen.

Ich möchte auch gleichzeitig die Leser des Blogs zur Unterstützung einladen, sofern sie ähnlicher Meinung sind. Immer mehr Bürger zeigen nämlich solcherart, dass sie beginnen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dass sie die getarnten Parteiaktionen wie ein Androsch-Volksbegehren durchschauen und verachten. Das alles ist gut so, und längst fällig.

Um mit dem Schulthema zu beginnen: Die Notwendigkeit solcher Initiativen ist gerade in den letzten Tagen nicht nur durch Androsch, sondern auch durch das skurrile Papier der Sozialpartner zur Bildungspolitik bewiesen worden. Und noch mehr durch die jämmerliche Vorstellung eines Wirtschaftskammerchefs Leitl, der in dieser Frage wie in vielen anderen der SPÖ die Räuberleiter macht. Er hat ja ganz im Sinn der SPÖ ein gemeinsames „Bildungs“-Papier mit der Gewerkschaft und den beiden furchtbaren Bildungsministerinnen produziert, in dem weder von Studiengebühren noch von einer Zugangsbeschränkung die Rede ist, dafür aber von einer „gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen“.

Es bleibt rätselhaft, warum auch nur ein einziger Wirtschaftstreibender, der endlich wieder gut ausgebildete Mitarbeiter braucht, der auch für seine eigenen Kinder eine gute Schule haben will, einen Mann als seinen Interessenvertreter wählen soll, der Österreichs Schulsystem noch mehr kaputt machen will. Der vor lauter Krampflächeln längst jeden Bezug zur Realität verloren hat – oder diese im ständigen Anbiedern ausgerechnet an die Gewerkschaft wiederzufinden sucht. Zum Glück wagt wenigstens noch die Industriellenvereinigung da gegenzusteuern. Zum Glück tut dies neuerdings auch der voestalpine-Chef Wolfgang Eder, der dieser Tage in einem brillanten Auftritt vehement gegen die Schulnivellierung nach Leitl-Androsch-Art Stellung bezogen hat.

Aber ein noch größeres Glück ist, dass sich jetzt die Jugendlichen selbst zu organisieren beginnen. Sie erkennen, dass auf die Parteien oder gar Verbände mit ihren miesen Tauschgeschäften längst kein Verlass mehr ist. Dass auch keine Oppositionspartei eine glaubwürdige Alternative darstellt. Weder in Sachen Schuldenabbau – da fällt auch Blau-Orange-Grün ständig nur ein, wo man noch mehr ausgeben soll, – noch in Sachen Schule, wo selbst die FPÖ außerstande war, eine rasche und klare Antwort auf die teure wie leistungsfeindliche Parteiaktion Androschs zu geben.

Da freut es ganz besonders, dass sich die Betroffenen selbst zu organisieren beginnen. In einem Fall sind das die Bürger und Steuerzahler, im anderen die Schüler (die Lehrer trauen sich ja kaum mehr öffentlich aufzutreten).

Eine Gruppe junger Österreicher tut das mit einem schülerbegehren.at, das insbesondere der von Androsch, Leitl und Rot-Grün gewünschten Gesamtschule voller Begeisterung den Kampf ansagt. Die Jugendlichen haben binnen weniger Tage viel rascher Zulauf bekommen, als das von allen Linksmedien und dem ORF an der Spitze so vehement unterstützte Altersbegehren des von jeder Schulahnung freien Steuerhinterziehers Hannes Androsch nach einer ähnlichen Zeitspanne hatte.

Besucht man ihre Webseite, dann zeigt sich dort nicht nur hohe Web-Professionalität, sondern auch viel Wissen rund um alle Schulprobleme. Empfehlenswert ist etwa ein brillanter Artikel über das von vielen Gesamtschulfanatikern zitierte Beispiel Finnland und die wahren Ursachen, warum jenes Land bei den Pisa-Tests so gut abschneidet. Einer der Initiatoren begründet auch mit eigenen Erfahrungen, warum er gegen die Gesamtschule ist. Er hat eine solche selbst fünf Jahre lang in Spanien als absolutes Negativbeispiel erlebt.

Meine Empfehlung: Anschauen und bei Zustimmung den jungen Leuten bei ihrem Notruf gegen die Funktionärsklasse helfen (sie nehmen auch gerne die Hilfe von Älteren an).

Die gleiche Empfehlung gilt für eine Bürgergruppe, die elektronisch den mindestens ebenso wichtigen Kampf um eine Verwaltungsreform aufgenommen hat. Auch ihre Initiative www.verwaltungsreform-jetzt.at ist mehr als unterstützenswert: www-verwaltungsreform-jetzt.at ist überdies eine Initiative, die geradezu unmittelbar den Debatten auf diesem Blog entsprungen ist (und wohl auch ein wenig den Tagebucheinträgen).

Die Initiatoren wollen einen verbindlichen Fünfjahresplan zum Abbau von Defizit und Schulden. Sie rufen nach Privilegienabbau, Einsparungen und Verwaltungsreform. Sie fordern, dass die Politik endlich das Notwendige beschließt und umsetzt. Und nichts wäre dringender als das.

Manche mögen blasiert über diese Initiativen und Aufrufe lächeln. Aber es kann kein Zweifel sein, dass sich auch in Österreich zunehmend tiefer Hass gegen die von Politik und Verbänden gesteuerte Politik aufbaut – insbesondere da auch die meisten Medien in die falsche Richtung zerren. Da hilft es auch längst nicht mehr, wenn sich die SPÖ jetzt bei einem Androsch (der in vielerlei Hinsicht moralisch viel bedenklicher ist als ein Karl-Heinz Grasser) ein von der Partei scheinunabhängiges Volksbegehren bestellt hat. Die Zeit für Tarnen und Täuschen ist abgelaufen.

Noch ist alles gewiss im Anfangsstadium. aber vielleicht haben die beiden hier genannten Initiativen das Potential, die Politik eines Landes so zu beeinflussen, wie es – bei anderen Rahmenbedingungen – etwa die amerikanischen Tea Parties geschafft haben. Diese sind ja auch nur von einer einzelnen Studentin gestartet worden. Und sie sind von Medien und Mächtigen lange belächelt oder heruntergemacht worden. Aber sie sind längst zur treibenden Kraft der amerikanischen Politik geworden und zwingen die Regierung nun zu kräftigen Einsparungen. Und kümmern sich nicht mehr um die Schmutzkampagnen vieler Medien.

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Ein unzeitgemäßer Politiker

04. Februar 2011 15:57 | Autor: Ruth Pauli
Rubrik: Gastkommentar

Wenn in Zeiten wie diesen die Frage Wehrpflicht zu 180-Grad-Wendungen bei beiden Koalitionsparteien führt, dann ist das der seltene Moment, wo ein Politiker zu ZiB-Ehren gelangt, der sonst in Nachrichten gar nicht mehr vorkommt: Martin Bartenstein – der wieder einmal bei dem bleibt, was er (und bis vor kurzem die ÖVP) als richtig erkannt hat (nämlich bei der Abkehr vor der Wehrpflicht).

Wäre es nicht Martin Bartenstein, so könnte man beinahe unterstellen, dass es sich hier um ein geplantes Zurückmelden handelt – denn es fällt just mit dem Erscheinen der Martin Bartenstein-Biographie von Andreas Unterberger zusammen. Doch solche PR-Aktionen liegen Bartenstein fern. Es verwundert viel mehr, dass er nicht nur seine Zustimmung zu diesem Resumée seines bisherigen politischen Lebens gegeben hat, sondern sich sogar tiefgehenden Interviews mit dem Autor gestellt hat.

Wäre Bartenstein nicht selbst so still und würde man sich öfters die Zeit gönnen, über verschiedene Politikertypen – und vor allem darüber, wie gut sie unserem Land tun – nachzudenken, hätte es vielleicht gar nicht des Buches bedurft, sich bewusst zu werden, dass es wenige vom Schlag des früheren Umwelt-, Familien-, Wirtschafts- und Arbeitsministers gibt. „Grenzgänger zweier Welten“ heißt es im Untertitel über dieses Mitglied der so genannten „Viererbande“ (neben Wolfgang Schüssel, Wilhelm Molterer und Ursula Plassnik), mit der die Pröll-ÖVP zum eigenen Schaden nichts anfangen kann und will. Und tatsächlich balancierte Bartenstein auf vielen schmalen Graten, die Gegensätzliches gerade noch verbinden – und den Grenzgänger auf beiden Seiten mit Absturz bedrohen.

Der heute knapp 57jährige brauchte die Politik nicht, um zu einem der erfolgreichsten Unternehmer des Landes zu werden – das war er schon, bevor er zu Regierungsämtern kam. Und das ist gar kein österreichisches Schicksal; das wäre – siehe Hannes Androsch – der umgekehrte Fall. Wenigstens einmal hatte Österreich mit ihm einen Wirtschaftsminister, der nicht über die beamten-ähnliche Karriereleiter in einer Interessensvertretung zu Ministerämtern kam, sondern der die Probleme von Unternehmen aus eigener Anschauung kannte und deshalb auch genau wusste, wie wichtig es wäre, dass die Politik realistische und richtige Rahmenbedingungen schafft. Kein Wunder, dass Bartenstein seine besten – und für ihn selbst befriedigendsten – Momente auf EU-Ebene hatte. (Nicht weil ihm Österreich wie dem Möchte-Gern-Großen Hubert Gorbach zu klein wäre, sondern weil europäisches Denken heute unsere einzige Chance ist – so oft ungenutzt von den heutigen Koalitionären, deren Denken über den Rand einer kleinformatigen Zeitung kaum hinausreicht.)

Bartenstein war immer ein sehr stiller Politiker. Trocken. Keiner, der jemals für eine Pointe eine Freundschaft riskierte. Umso aufschlussreicher sind die Einblicke, die die Biographie gibt. Da wird nicht nur der ruhige Taktierer und Verbindungsmann, der die schwarz-blaue Koalition möglich machte, gezeigt, da werden nachgerade schneidend scharfe Beurteilungen des nachfolgenden politischen Personals abgegeben - bis hin zur Charakteristik Werner Faymanns als der „Karikatur eines Kanzlers“.

Seine abgrundtiefe Abneigung gegen jede Anbiederung an den Boulevard, seine Verurteilung jeglichen Populismus: Das alles hat er gelebt – unbedankt. Vielleicht sollte uns das nachdenklich machen, dass es ohne diese zweifelhaften Ingredienzien in der österreichischen Politik offensichtlich nicht mehr geht.

Auch die Begegnung mit dem Privatmann Bartenstein, die erstmals möglich ist (zu Amtszeiten hat der Familienmensch diese Facette völlig von der Öffentlichkeit abgeschirmt), zeigt einen bemerkenswerten Menschen. Die Schwierigkeit, durch den menschenfressenden Politikerjob die Familie nicht zu verlieren, die Nöte und Ängste von Eltern eines krebskranken Kindes – all das lässt die Loyalität, die Bartenstein auch in der Politik immer lebte, in einem ganz anderen Licht erscheinen. (Genauso typisch ist, dass sein jahrelanges Engagement für die Kinderkrebshilfe nur von Autor Unterberger angesprochen wird, nicht von ihm selbst.)

Es sind spannende Jahre, auf die das Buch einen Insiderblick frei gibt. Es ist ein unzeitgemäßer Politiker, den man besser kennen lernt. Zum Schluss macht sich Bedauern breit – dass solche Politiker unzeitgemäß sind.

Andreas Unterberger: Martin Bartenstein. Grenzgänger zweier Welten. Edition Steinbauer.  22,50 Euro.

Das Buch kann - auf Wunsch mit einer persönlichen Widmung - beim Autor erworben worden. Partner erhalten den zugesagten üblichen 25prozentigen Rabatt (minus eventueller Versandspesen).

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Fußnote 168: Der Staatsbankrott naht

04. Februar 2011 14:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Lange wurde beschwichtigt, wenn man die ausgabenfreudigen Politiker davor gewarnt hat. Jetzt ist er offiziell Thema – zumindest in den USA: der Staatsbankrott.

Es muss um die USA viel schlimmer bestellt sein, als wir gemeinhin glauben, wenn es nun sogar der Chef der Notenbank Fed selbst ist, der das Wort in den Mund nimmt. Wobei doch stets jede Äußerung eines Notenbankchefs extrem vorsichtig und im Wissen um die Folgen jeder Aussage formuliert wird. Ben Bernanke verlangt einen straffen Sparkurs, denn: „Ab einem gewissen Punkt wären die Vereinigten Staaten in einer Position, in der sie nur noch den Staatsbankrott erklären könnten.“ Denn irgendwann werde niemand mehr den USA Geld borgen. Die Folgen wären „katastrophal“. Es wäre schön gewesen, wenn sich auch der österreichische Finanzminister getraut hätte, seine Worte aus dem vergangenen Frühjahr des öfteren zu wiederholen, in denen er davon gewarnt hat, dass Österreich auf den griechischen Weg zu kommen drohe. Denn man sollte nicht vergessen, dass Österreichs Schuldenquote noch vor drei Jahren höher als die amerikanische war. Es geht schneller als man denkt.

 

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Was macht einen Finanzminister gut?

03. Februar 2011 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Vertrauen in den Staat, die Bereitschaft, ihm Geld zu borgen, ist neuerdings nicht mehr selbstverständlich. Dieses Vertrauen hängt von vielen (im Gegensatz zu Griechenland anderswo hoffentlich) harten Zahlen wie Schulden, Defizit, Wachstum, Arbeitslosigkeit, Handelsbilanz ab. Es spielen aber auch in hohem Ausmaß weiche, psychologische Faktoren mit.

Unter diesen ist das Vertrauen in den Finanzminister der wichtigste. Geht er mit dem Geld der Steuerzahler und der Gläubiger so sorgfältig und korrekt wie möglich um? Deses Vertrauen gewinnt ein Minister primär dadurch, dass er den ununterbrochenen Forderungen diverser Gruppen ständig und klar Nein sagt. In der österreichischen Nachkriegsgeschichte hat eine ganze Reihe von Ministern dieses Vertrauen erworben: Kamitz, Klaus, Koren, Lacina und Grasser. Auf der Negativseite finden sich insbesondere die Herren Androsch und Staribacher. Der Rest hat zumindest deutliche Schattenseiten in der Bilanz.

Eines Finanzministers Glaubwürdigkeit kann auch noch im Nachhinein zerstört werden. Wie das bei Grasser und Androsch der Fall ist. Beide haben Steuern hinterzogen, Grasser hat das noch durch eine Selbstanzeige auszuradieren versucht; Androsch wurde sogar vom Strafrichter verurteilt. Viele Bürger sagen sich heute: Warum soll ich besonders penibel sein, wenn sogar Finanzminister aufs Steuerzahlen „vergessen“?

Und wie sieht es mit dem gegenwärtigen Minister aus? Fast niemand traut Josef Pröll auch nur die geringste Unkorrektheit zu. Überdies betreibt er keinerlei gewerbliche Tätigkeit. Ganz anders sieht es freilich mit dem zweiten Teil der Glaubwürdigkeit aus: Pröll erweckt in keiner Weise den Eindruck, so wie jene genannten Vorgänger im Interesse von Steuer- und Anleihezahlern hart und konsequent Nein sagen zu können. Ihm war immer der koalitionäre Friede mit der nicht gerade von Sparsamkeit geplagten Faymann-SPÖ wichtiger. Aber auch gegenüber wichtigen parteiinternen Gruppen hat Pröll allzu schnell nachgegeben. Ob das nun die Bauern oder die Bundesländer sind.

Jetzt begeht er einen weiteren Fehler: Er räumt einer weiteren Gruppe das Privileg ein, dass Spenden an sie steuerbegünstigt sind. Nämlich den Umweltschutzorganisationen. Das findet sogar die sonst recht ausgabenfreudige SPÖ für überflüssig. Davon hat die ÖVP nicht einmal einen parteipolitischen Nutzen. Und das fördert zum Gutteil Vereine, die mit zum Teil problematischen Methoden gegen die österreichische Wirtschaft kämpfen, von der dieser Finanzminister lebt.

Niemand versteht das Warum, auch wenn es im Budget nur einen kleinen Posten bedeutet. Ist der nette Mensch Pröll einfach nicht imstande, dauerhaft Nein zu sagen, wenn jemand ständig fordert und raunzt? Dann ist er zwar sicher ein perfekter Ehemann, aber er wird nie ein guter Finanzminister sein können.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Rückkehr eines Gespensts

01. Februar 2011 01:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vor drei Jahren war das Gespenst aufgetaucht, über Nacht ist es verschwunden und mit Beginn dieses Jahres ist es schlagartig wieder da: Es sind die europaweit geradezu explosionsartig steigenden Nahrungsmittelpreise. Plötzlich geht wieder die Angst vor einer rapide zunehmenden Inflation in der EU um – und vor Hunger, ja Hungerrevolten in der Dritten Welt.

Natürlich wird wieder viel, wenn auch ohne konkrete Beweise von dubiosen Spekulanten als Schuldigen die Rede sein. Denn ebenso natürlich ist die Hauptursache wie immer ein Auseinanderklaffen von globalem Angebot und der Nachfrage. Was natürlich alle Akteure im Lebensmittel-Zyklus zu Reaktionen veranlasst, die man als Spekulation bezeichnen könnte.

Die EU könnte es sich gewiss zumindest kurzfristig so leicht machen wie die Amerikaner. Die messen halt in ihrem Inflationsindex einfach die Nahrungsmittel- und Ölpreise nicht. Das wäre aber fatal: Gaukelten sich doch die USA deswegen bis 2008 Preisstabilität vor, übersah doch deswegen die amerikanische Notenbank die Bildung gefährlicher Blasen. Das wurde dann ja zum Auslöser der Weltwirtschaftskrise. Die zum Glück, wenn auch nur scheinbar, rasch übertaucht worden ist.

Die Menschen in den meisten EU-Ländern haben seit dem Herbst wieder Zuversicht und in Übermaß das von den Notenbanken weiterhin viel zu freigiebig gedruckte Geld. Das treibt natürlich die Nachfrage und damit Preise vor allem jener Produkte in die Höhe, die nicht binnen weniger Monate beliebig vermehrt werden können.

Gleichzeitig nimmt bei den beiden Milliardenstaaten China und Indien als Folge von Fleiß und der dort relativ neuen Marktwirtschaft der Wohlstand rapide zu. Menschen, die noch vor wenigen Jahrzehnten von Hungersnöten bedroht waren, die jedenfalls in der Regel nur eine Mahlzeit pro Tag hatten, essen sich plötzlich zwei- bis dreimal täglich satt. Das lässt die Nachfrage zusätzlich hochschnellen.

Was aber tun? Man kann ja weder die Chinesen oder Inder wieder in die alte kommunistisch-sozialistische Not zurückstoßen noch den Europäern sagen, dass sie jetzt den Gürtel enger schnallen müssen (außer aus gesundheitlichen Gründen). Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy glaubt nun, das Rezept gefunden zu haben: Die Rohstoffmärkte müssen besser kontrolliert werden.

Solche Vorstellungen sind populär – sie funktionieren aber nie. Man stelle sich nur vor, was passiert, wenn der Preis für Reis (um nur ein global wichtiges Produkt zu nennen) gedeckelt werden sollte. Während die EU-Länder sich so wie bei der CO2-Reduktion halbwegs daran zu halten versuchen, kostet das Preislimit die Chinesen nur ein freundliches Lächeln. Sie werden ganz locker in ihre übervollen Kassen greifen und weltweit zu erhöhten Preisen die Produktion der Reisbauern aufkaufen, um ihre Massen weiter satt – und ruhig zu halten. Und kein einziger Reisbauer, kein Reishändler wird seine Ernte statt dessen den Europäern zum festgelegten niedrigeren Preis verkaufen. Überdies haben sich die Chinesen mit ihren Devisen-Billionen vor allem in Afrika schon riesige Ländereien aufgekauft, die ihre Versorgung sichern sollen.

Nehmen wir aber den unwahrscheinlichen Fall an, auch die Chinesen und Inder würden sich an ein Preislimit halten. Dann würden viele Reisbauern im nächsten Jahr halt etwas anderes anbauen, wo es noch Geld zu verdienen gibt. Und man müsste sich bald auch in Europa frühmorgens um ein halbes Kilo Reis so anstellen wie einst im Ostblock, wo die Planwirtschaft auch glaubte, die Preise festsetzen zu können. Gleichzeitig würde sich sehr rasch ein Schwarzmarkt mit höheren Preisen bilden, wo man aber die gewünschte Ware wenigstens auch bekommt.

Was bedeutet aber die Lebensmittelknappheit jenseits der Debatten über untaugliche Instrumente wie Preisregelungen? Müssen wir wirklich hungern, verhungern oder Kriege um die knappen Nahrungsmittel führen? Bekommt Thomas Malthus nach mehr als 200 Jahren mit seinen Katastrophenprophezeiungen doch noch recht, da sich die Weltbevölkerung inzwischen rund versiebenfacht hat und noch weiter auf das Zehnfache wachsen dürfte?

Kurzfristig können sicher Ernteausfälle und eine zu träge Reaktion der Produktion auf gesteigerte Nachfrage zu Engpässen und damit höheren Preisen und damit auch gefährlichen politischen Protesten führen.

Langfristig muss man sich aber nicht fürchten – zumindest wenn die Politik vernünftig ist. Denn die moderne Wissenschaft hat so wie in den letzten Jahrzehnten noch gewaltiges Potential, die Lebensmittelproduktion zu steigern. Freilich darf sich die Menschheit dabei nicht vor lauter Ängsten selbst die Möglichkeiten einer Produktionssteigerung verbauen.

Das aber tun einige EU-Staaten wie etwa Österreich – im Gegensatz zur Brüsseler Kommission – gerne. Etwa im besonders vielversprechenden Bereich der genveränderten Pflanzen, mit denen weit höhere Ernteerträge erzielt werden können. Solange es keinen einzigen echten Beweis für die Schädlichkeit genveränderter Pflanzen gibt – und den gibt es allen Panikmachern zum Trotz noch immer nicht –, ist es absolut unsinnig, sie total zu verbieten. Schließlich hat ja die Landwirtschaft seit Generationen durch Zuchtvorgänge das genetische Material massiv verändert. Und niemand hatte Probleme damit. Und wenn es welche gegeben hätte, hätte man sofort die Produktion umgestellt.

Noch zwei andere Faktoren machen zumindest indirekt optimistisch. Erstens: Sollten die Lebensmittelpreise wirklich dauerhaft steigen, dann wäre die EU wenigstens auch ihr größtes Finanzproblem los, nämlich die gemeinsame Agrarpolitik. Wenn die Weltmarktpreise steigen, dann können die europäischen Bauern ja ihr Geld wieder durch ihre Produkte verdienen und sind nicht mehr beim Großteil ihres Einkommens von europäischen und nationalen Subventionen abhängig. Was den Finanzministern wieder die Möglichkeit gäbe, die Steuern zu senken, um die Bürger beim Einkauf der Lebensmittel zu entlasten.

Zweitens: Auch die von vielen vermutete globale Erwärmung wäre ein positiver Faktor. Sollte sie nämlich eines Tages wirklich eintreten, dann gäbe es neben den befürchteten Gefahren für einige Küstenregionen auch einen großen Vorteil: Im bisher zu kalten Norden könnte künftig Landwirtschaft betrieben werden. Und immerhin liegen im Norden, von Kanada bis Sibirien, die größten Landmassen der Erde, die bisher weitgehend menschen- wie auch landwirtschaftsfrei sind.

Es gibt also durchaus Zusammenhänge, die lehren, die gegenwärtige Lebensmittelpanik gelassener zu sehen. Freilich: Wir und vor allem unsere Medien sowie viele unserer Politiker lieben die Panik. Bei aller in anderen Bereichen berechtigten Kritik an der EU tut es gut, dass dort zumindest in diesen Fragen noch viel stärker als hierzulande die wissenschaftliche Rationalität regiert. Hoffentlich dauerhaft.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 167: Moralisch schuldig

31. Januar 2011 01:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Karl-Heinz Grasser ist noch immer ein Straßenfeger.

So auch beim sonntägigen „Im Zentrum“, wo er wieder einmal in verblüffender Weise brillieren konnte. Freilich saßen ihm lauter jammervolle schwache Gegner gegenüber. Von diesem Urteil ist nur der souveräne Staatsanwalts-Präsident auszunehmen, der aber naturgemäß zum konkreten Fall nichts sagen durfte (sucht die Republik nicht dringend einen Justizminister?). Ansonsten aber gab es ringsum Peinlichkeit: Diese verkörperte etwa der PR-Geschäftemacher Rosam (der bekanntlich eine offene Rechnung mit schwarz-blau offen hat, seit Wolfgang Schüssel Rosams Eigenpropagandaschmäh, er wäre Berater des schwarz-blauen Bundeskanzlers, öffentlich dementiert hat): Er hatte zwar kein einziges – neues oder altes – Faktum vorzubringen, erklärte aber a priori das „System Grasser“ für moralisch schuldig. Das war natürlich auch die wie immer Hilflosigkeit ausstrahlende Ingrid Thurnher, die offenbar glaubt, sie würde zu einer guten Diskussionsmoderatorin, wenn sie den seit Jahren praktizierten Schlusssatz einer brillanten deutschen Kollegin übernimmt und wenn sie ansonsten Grasser bei jedem Satz zu unterbrechen versucht (was sie immer nur bei dem einen jeden Sonntagabend als Bösewicht besetzten nicht-linken Diskussionsteilnehmer tut). Und da war zu schlechter Letzt der ständig SPÖ-Propaganda verbreitende Publizistik-Professor, der vor Hunderttausenden Zusehern sogar de facto offen zum Amtsmissbrauch anstiftete.

Zum Glück wird man in Österreich noch von unabhängigen Gerichten und nicht von solchen ORF-geschnitzten Tribunalen verurteilt. Dabei hätte es jede Menge sehr unangenehme Fragen an Grasser gegeben, von denen Thurnher zwar ein paar versuchte, aber mangels rechtlicher Kenntnisse keine wirklich drüberbrachte.

(Nachträgliche Ergänzung. Nun in Zahlen der Beleg für die Gassenfeger-Eigenschaft Grassers: Bei ihm haben 660.000 zugesehen, die Woche davor waren es 473.000!)

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Die Justiz in allen Gassen

28. Januar 2011 01:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Karl-Heinz Grasser ist nun erstmals wirklich angepatzt. Wolfgang Ruttenstorfer ist hingegen entpatzt. Und auch die sich sonst so sehr im angeblichen oder wirklichen Schmutz Anderer suhlenden Fellner-Brüder sollten sich eine gute Putzerei suchen.

Grasser hat während seiner Ministerzeit die Versteuerung von Aktiengewinnen vergessen. Wohl ist er mittels Selbstanzeige und der sofortigen Bezahlung der Steuer jedem Strafverfahren entgangen. Auf Ahnungslosigkeit oder Vergessen kann sich ein Finanzminister aber nicht ernsthaft berufen. Auch wenn sich der "vergessene" Betrug angesichts der jahrelangen Anschuldigungen einer ganzen Anti-Grasser-Industrie gegen ihn eher wie Peanuts ausnimmt.

Der Beinahe-ÖVP-Obmann ist damit wohl politisch für den Rest seines Lebens verbrannt. Oder doch nicht? Immerhin gibt es einen anderen ehemaligen Finanzminister, der sich in Steuersachen viel schwerer schuldig gemacht hat. Der deshalb zum Unterschied von Grasser auch vorbestraft ist. Dieser Ex-Finanzminister wird nun jedoch von der SPÖ und von den durch die SPÖ aus unseren Steuern und Abgaben bestochenen Zeitungen und Fernsehanstalten als Retter des Bildungssystems herumgereicht. Trotz erwiesener Ahnungslosigkeit in diesen Fragen. Freilich: Ein Linker steht bekanntlich moralisch immer auf einem viel höheren Grund als ein rechter Politiker.

Erfreulich und berechtigt ist hingegen der Freispruch eines anderen Expolitikers der SPÖ, des OMV-Chefs Ruttenstorfer (auch wenn es recht seltsam ist, dass von den Medien der genannten Kategorie in Zusammenhang mit dem Prozess nie auf die SPÖ-Vergangenheit Ruttenstorfers hingewiesen wurde).

Der Freispruch – sofern er auch in der Instanz hält – befreit jedenfalls sämtliche Vorstände von Aktiengesellschaften aus einer sonst tödlichen Doppelmühle: Auf der einen Seite legen alle Aktionäre großen Wert darauf, dass auch die Topmanager ihr Geld in Aktien der Gesellschaft anlegen und ihr Gehalt zum Teil in Aktien bekommen. Die Aktionäre wollen dadurch erreichen, dass die Manager immer auch an sie denken. Was leider nicht ganz selbstverständlich ist. Auf der anderen Seite aber geraten die Vorstände stets in den Verdacht der Insiderei, sobald sie diese Optionen realisieren, sobald sie die Aktien erwerben: Denn es gibt wohl keine einzige Stunde in der Amtszeit eines Vorstandes, es sei denn er ist völlig inaktiv, in der dieser nicht Insiderwissen hätte, in der dieser nicht mehr wüsste als alle anderen Aktionäre. Was ihn aber im Zeitpunkt eines Aktienkaufs sofort zum Verbrecher zu machen droht.

Im Fall des OMV-Chef hat man eine gute Lösung gefunden: Da Ruttenstorfer die erworbenen Aktien erst nach Jahren verkaufen darf, kann niemand ernsthaft an eine Bereicherung durch den momentanen Wissensvorsprung glauben. Vielleicht sollte endlich auch der Gesetzgeber das klarstellen. Damit die Chefs der großen Firmen wieder mehr ans Geschäft als an die Angst vor dem Staatsanwalt denken.

Noch einmal Justiz: Erstaunlich, dass sich diese traut, bei den mächtigen Medienbrüdern Fellner Hausdurchsuchungen zu machen. Anlass ist ein sehr dubioses Immobiliengeschäft. Freilich wird es noch sehr spannend, ob die Justiz am Ende auch wirklich gute Karten gegen die Fellners in der Hand hat. Denn sonst wird deren Geschrei „Justiz-Skandal“ ohrenbetäubend werden. Noch spannender wäre es allerdings, wenn die Korruptionsstaatsanwaltschaft endlich auch den Zusammenhang zwischen den aus Steuermitteln fließenden Inseraten und der parteipolitischen Schlagseite der Fellner-Zeitung untersuchen würde. Da liegt nämlich wirklich ein Skandal begraben.

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Hütet euch vor falschen Propheten

27. Januar 2011 00:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„This expansion will run forever.“ So prophezeite der prominente amerikanische Ökonom Rüdiger Dornbusch im Jahr 1998. Wir wissen es heute besser: Seither haben fast alle Länder zwei schwere Konjunkturabstürze hinnehmen müssen. Die Lektion daraus ist klar: Seien wir skeptisch bei allen Prophezeiungen von Ökonomen. Zumindest dann, wenn sie die Zukunft betreffen. Und jene, die in Hinblick auf die Vergangenheit recht gehabt haben wollen, weil sie irgendeine Entwicklung vorhergesagt haben, sollte man erst recht nicht ernst nehmen. Denn irgendwann hat jeder einmal mit irgendeiner Prognose recht gehabt – und an seine falschen Prognosen erinnert man sich oft selber nicht.

Dornbusch hatte wirklich geglaubt, dass die Ökonomie so viel gelernt hat und dass sie heute so perfekte Steuerungsinstrumente in der Hand hat, um jede Krise wegsteuern zu können. Wahr ist das Gegenteil: Die Steuerungsinstrumente, wie etwa die keynesianische Ankurbelung durch Defizite, funktionieren immer schlechter. Die Verschuldung der Staaten ist überdies an eine bisher nie beachtete Grenze gestoßen, nämlich die eigene Kreditwürdigkeit der Staaten.

Völlig falsch lag die Mehrzahl der Propheten auch mit ihren Prognosen am Beginn des Jahres 2010. Diese kommen uns heute schon wie aus einer anderen Welt vor. So warnten vor einem Jahr viele vor einer Deflation. Jedoch: Seither entwickelten sich statt dessen durch die massiven Geldschöpfungsmaßnahmen von Regierungen und Notenbanken inflationäre Tendenzen. Die Inflation erreicht in Europa wieder die Zwei-Prozent-Grenze, bei der nach ihren eigenen Regeln die EZB schon Zinsen erhöhen müsste. Und der weltweite Anstieg bei Rohstoffen und Nahrungsmittelpreisen macht eine weitere, noch viel deutlichere Zunahme der Verbraucherpreise wahrscheinlich.

Vor einem Jahr haben viele Experten Österreich eine starke Zunahme der Arbeitslosigkeit prophezeit, sobald die Fristen der Kurzarbeit ausgelaufen seien. Auch hier ist das Gegenteil eingetreten.

Daher sollte man auch bei den heutigen Prognosen sehr vorsichtig sein. Internationale Institutionen rechnen nämlich nunmehr mit einem fast traumhaften Wachstums der Weltwirtschaft. Die meisten Regionen würden  im Schnitt der nächsten Jahre 4 bis 5 Prozent wachsen, China und Indien sogar 8 bis 9. Lediglich der EU werden nur 2 Prozent gegeben (kein Wunder angesichts von Überregulierung und Schuldenlast). Kein Mensch redet mehr von der Gefahr eines Double Dip, einer baldigen neuerlichen Rezession, obwohl diese noch vor einem Jahr alle Prognosen geprägt hat.

Diese Gefahr ist aber nicht durch ein Wunder verschwunden, sondern wir und fast alle Experten sind ganz ohne Wunder naive Herdenmenschen geblieben: Wenn die Signale positiv sind, glauben wir, dass alles ewig gut geht. Genauso reagieren wir auf negative Signale. Aber für solche eher archaischen Reaktionen brauchen wir eigentlich keine Experten.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“. 

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