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Wildes Feilschen um Gas aus Nahost

Der Poker um die künftige Gasversorgung Europas aus dem Osten nimmt immer seltsamere Formen an. Dabei geht es gerade einmal um eine Gasmenge von 10 Mrd. Kubikmetern, die Aserbeidschan ab dem Jahre 2017 zur Verfügung stellen kann. Um diese Menge streiten sich nun eine Vielzahl von Projektwerbern.

Alle anderen Bezugsquellen sind nämlich in weitere Ferne gerückt. Eine Pipeline, die Gas aus Ägypten in die Türkei liefern sollte (und schon fast fertig gebaut ist) wurde inzwischen ad acta gelegt. Die Ägypter wollen ihr Gas lieber in verflüssigter Form auf den Markt werfen. Aus dem Nordirak könnten unter Umständen 10 Mrd. Kubikmeter geliefert werden, die politische Lage ist aber derart unsicher, dass mit den Plänen nichts weiter geht – eine Pipeline in die Türkei könnte in etwa zwei Jahren auf die Beine gestellt werden.

Im Iran gäbe es ausreichend Gas, aus politischen Gründen steht dieses aber nicht zur Verfügung. In Turkmenistan gäbe es auch entsprechende Gasmengen, dafür müsste aber eine teure Unterwasserpipeline gebaut werden, davon ist man noch weit entfernt.

Bleibt als einziger Lieferant Aserbeidschan. Derzeit verfügt man über 7 Mrd. Kubikmeter, die aber längst langfristig verkauft sind. Das Gerangel geht nun um ein neues Gasfeld namens Shah Deniz 2, das 16 Mrd. Kubikmeter liefern soll. Davon sind bereits 6 Mrd. für den türkischen Markt langfristig vergeben – bleiben noch 10 Mrd., und darum wird nun gestritten.

Es rittern das EU-Projekt Nabucco, die TAP-Pipeline (das sind die Schweizer EGL und die Norwegische Statoil) und das ITGI-Projekt (ENI (Italien) und die griechische DEPA). Damit die Lage noch unübersichtlicher wird hat BP (der Konzern ist einer der Betreiber von Shah Deniz) nun eine Billigvariante ins Spiel gebracht mit der die ominösen 10 Mrd. Kubikmeter über das vorhandene türkische Pipelinenetz bis Rumänien und Bulgarien gebracht würden.

Und damit das Pipeline- Spiel noch lustiger wird, gab es im Dezember 2011 eine Vereinbarung zwischen Aserbeidschan und der Türkei über eine Trans Anatolien Gasleitung, die die umstrittene Gasmenge bis an die EU-Außengrenze liefern würde. Und damit die Situation noch verworrener wird, möchte Russland mit der noch zu bauenden South Stream Pipeline 63 Mrd. Kubikmeter russisches Gas nach Europa liefern und alle anderen aus dem Feld schlagen.

Was ist von all dem zu halten? Brüssel versucht klare Vorgaben zu geben. Der Gas-Südkorridor soll eine komplett neue Leitung sein, die erweiterbar sein soll, um nicht nur auf das Gas aus Aserbeidschan zugreifen zu können. Es soll eine Transitleitung sein, man möchte derzeit keine Lösung bevorzugen. Nabucco würde diesen Ansprüchen genügen, die Pläne sehen eine Kapazität von etwa 30 Mrd. Kubikmetern vor, es soll eine komplett neue Leitung sein, die im österreichischen Baumgarten endet. Kostenschätzung etwa zwölf Mrd. Euro.

TAP und ITGI sind weit billiger, greifen auf das alte türkische Netz zurück und enden beide in Süditalien. Die Betreiber wollen mit dem Gas auf den italienischen Markt, wo besonders hohe Gaspreise zu erzielen sind. Noch, denn auch Italien wird in naher Zukunft gemäß den EU-Vorgaben seinen Markt einmal liberalisieren müssen, und dann ist es vorbei mit den hohen Preisen. Außerdem ist der italienische Markt bereits überversorgt.

South Stream ist ein eigenes Kapitel. Die South Stream-Betreiber nehmen den Mund derzeit besonders voll. Es gibt bereits eine Projektfirma, an der neben Gazprom auch noch ENI, die Deutsche Wintershall und EdF (Frankreich) beteiligt sind, die allerdings nur für den Offshoreteil zuständig ist. Im Schwarzen Meer sollen bis zu einer Tiefe von 2250 Meter vier Gasstränge verlegt werden, größtenteils in türkischem Hoheitsgebiet. Man spricht von Kosten von zehn Mrd. Euro, was von Experten als Wunschdenken bezeichnet wird. Noch 2012 soll die Investitionsentscheidung fallen, ab 2015 Gas fließen.

Aber wohin? Angelandet soll das Gas in Bulgarien und dann Richtung Kroatien und Italien gepumpt werden. Dafür gibt es in jedem Land eine Betreibergesellschaft (50 Prozent Anteil Gazprom, 50 Prozent lokal). Um die Streckenführung wird noch gefeilscht, auch ein Endpunkt in Österreich war eine Zeit lang im Spiel (der österreichische Teil unter Beteiligung der OMV).

Für das Streckennetz in den EU-Staaten muss Brüssel im Rahmen des liberalisierten Gasmarktes eine Reihe von Bewilligungen erteilen. Entsprechende Ansuchen sind in Brüssel noch nicht eingelangt, das Verfahren um Ausnahmegenehmigungen, wie sie die Russen gerne hätten, dauert viele Jahre. Sollte die Investitionsentscheidung für den Offshoreteil wirklich heuer fallen, dann braucht Brüssel gar nicht mehr tätig zu werden, dann gibt es keine Ausnahmegenehmigungen mehr. South Stream ist somit ein potemkinsches Dorf, das Projekt wird mit großer Wahrscheinlichkeit ein Projekt bleiben.

Was will das derzeit so umworbene Aserbeidschan? Alle Fäden in der Hand halten. Shah Deniz 2 dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit Realität werden (Kostenpunkt für zwei Plattformen etwa zwanzig Mrd. Dollar), aber es existieren noch zwei weitere Felder mit ähnlich großen Gasmengen und auch dafür möchte man sich in Stellung bringen.

Wer die heiß umkämpften zehn Mrd. Kubikmeter bekommen wird, soll Ende März bekanntgegeben werden. Insider meinen, es könnte noch etwas länger dauern. Um das Heft nicht aus der Hand zu geben könnte man durchaus das eigene Trans Anatolien Projekt bedenken, um die Weiterleitung könnte sich dann Nabucco kümmern. Das stößt bei den Nabucco Betreibern auf wenig Gegenliebe.

Eine kostengünstige Lösung wäre auch der BP-Plan, was aber nicht wirklich im Interesse der EU wäre, die an einer künftigen russenunabhängigen Gasversorgung von Mitteleuropa interessiert ist. Aserbeidschan sieht das alles durch eine politische Brille. Für die Nabucco-Betreiber scheinen die Chancen jedenfalls zu schwinden, auch wenn nach wie vor großer Optimismus verbreitet wird. Ohne Gas der Aseris ist das Nabucco-Projekt vorerst einmal tot.

Erste Absetzbewegungen finden bereits statt. Die deutsche RWE, einer der Nabucco-Partner, überlegt den Ausstieg aus dem Pipeline- Projekt. Man müsse nicht unbedingt an dem Bau der milliardenteuren Gasleitung beteiligt sein, sagte RWE-Chef Jürgen Großmann laut „Wall Street Journal Deutschland". „Wir freuen uns über alle Lösungen, die unser eigenes finanzielles Engagement möglichst gering halten". Entscheidend sei, dass kaspisches Gas nach Europa fließe und der Essener Energiekonzern eine ausreichende Menge davon erhalte. Klingt nicht gut für Nabucco. Aber was weiß man, vielleicht geht es ja ganz anders aus.

Auch Georgien hat sich ins Spiel gebracht und präsentiert die „White Stream“, eine Gasleitung von Georgien in die Ukraine durchs Schwarze Meer. Mit welchem Gas? Natürlich 10 Mrd. Kubikmeter aus Aserbeidschan.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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