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Rating – warum guter Rat teuer ist

Schwere Fehler der Ratingagenturen: Über diese Diagnose war man sich nach Ausbruch der Rezession rasch einig. Rasch wurde von der EU darauf die Gründung einer eigenen Rating-Agentur angekündigt. Um die ist es auffallend still geworden – zu Recht.

Die Fehler der Agenturen: Sie haben Papiere mit einem hohen Risikofaktor völlig falsch eingestuft. Das traf insbesondere amerikanische Immobilienverbriefungen. Denen war hohes Vertrauen entgegengebracht worden. Erstens weil Immobilien, zweitens weil Amerika, drittens weil Risikostreuung durch die Verbriefung. Man hat aber übersehen, dass Verbriefungen eher eine Risikokumulierung sind. Sobald der amerikanische Immobilienmarkt einbricht, geraten alle verbrieften Kredite gleichzeitig unter Druck. Ein peinlicher Fehler, der langfristig die Agenturen viel Vertrauen gekostet hat – zu Recht.

Vorsätzlicher Betrug konnte ihnen jedoch nicht nachgewiesen werden. Und völlig unberechtigt war dann die insbesondere von vielen europäischen Politikern vorgebrachte Kritik, weil die Rating-Agenturen in der Folge viel vorsichtiger wurden. Sie begannen, auch Staaten schlechtere Zeugnisse auszustellen. Denn sie erkannten, dass nicht nur Immobilien, sondern auch Staatsanleihen keineswegs absolut sicher sein können. Das absolut sichere Investment kann es gar nicht geben, ebensowenig wie eine rezessionsfreie Konjunktur.

Dennoch bastelte die EU lebhaft an einer eigenen Agentur, weil die anderen eine proamerikanische Schlagseite hätten. Diese dürfte es zumindest im Unterbewusstsein wohl wirklich gegeben haben. Nur übersah auch die EU, was das Allerwichtigste an einer Bewertungsagentur ist: das in sie gesetzte Vertrauen der Anleger.

Solches Vertrauen wird aber einer von Politikern geschaffenen Agentur mit Sicherheit noch viel weniger entgegengebracht. Sie hätte sich etwa lange nicht getraut, Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien abzuwerten. Diese  Downratings waren zwar mehr als legitim, trotzdem attackiert die Politik gerne die Diagnose als Ursache eines Problems.

Das ändert nichts an der Vertrauenskrise der alten Rating-Agenturen. Abgesehen davon, dass Hellseherei ohnedies unmöglich ist, und im Wirtschaftsleben erst recht, haben sie noch einen großen Nachteil: Sie werden in der Regel von den bewerteten Firmen und Institutionen bezahlt. Das übt unterschwellig Druck aus, auch wenn er geleugnet wird. Aber wäre eine Agentur immer besonders streng, würden bald die Aufträge ausbleiben.

Anleger – die eigentlichen Profiteure seriöser Analysen – sind jedoch bis auf eine kleine Minderheit nicht bereit, für solche Dienste auch noch etwas zu zahlen. Daher müssen sie sich letztlich immer selbst aus möglichst vielen Informationen ein eigenes Bild malen: aus Aussagen der Rating-Agenturen, der Banken, der Anlegerschutzverbände, der Nationalbanken und Finanzaufseher. Und last not least aus seriösen Medien.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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