Nabucco-Projekt vor dem Aus

Österreichs OMV versucht noch hinhaltenden Widerstand zu leisten. Sie betont, das Milliardenprojekt der Nabucco-Gaspipeline hätte tausend Leben. Aber alle Vorzeichen deuten auf einen baldigen Tod von Nabucco hin. Nicht nur, dass sich Aserbeidschan, als derzeit einziger Gaslieferant, bereits anders zu entscheiden scheint, so bröckelt auch die Front der Nabucco-Partner.

So wie es derzeit aussieht wird das Aserigas anfangs nach Italien fließen (über die TAP-Pipeline) und zu einem späteren Zeitpunkt wird das BP-Projekt der SEEP-Pipeline langsam Richtung Bulgarien vordringen. Der österreichische Gashub Baumgarten bleibt auf der Strecke. Erst in einem Jahrzehnt, falls der große Gasfund von OMV/Petrom hält was er verspricht, könnte dann eine Pipeline Richtung Österreich wieder spruchreif werden.

Nabucco hat derzeit einfach schlechte Karten. Es ist ein Projekt, das bereits rund um das Jahr 2005 geplant wurde, wo es einfach andere Voraussetzungen gab. Ausnahmegenehmigungen, wie sie Nabucco im Jahr 2009 von der EU zugestanden wurden, sind nicht mehr zeitgemäß. Sie basieren darauf, dass sich Shipper auf langfristige Verträge von 25 Jahren einlassen. Diese Zeiten sind vorbei.

Heute sind nur mehr Verträge mit einer Laufzeit von 10 Jahren unterzubringen, durch das dritte EU-Energie-Liberalisierungspaket wird es ab 2013 eine neue Gaswelt geben (etwa virtuelle Handelspunkte, mit denen der Gashandel erleichtert wird), in die Nabucco nicht mehr hineinpasst. Auch wenn noch versucht wird, das Nabucco-Schiff auf Kurs zu halten, die EU-Ausnahmeregelung läuft 2016 aus, wenn bis zu diesem Zeitpunkt nicht gebaut wird. Dann müsste wieder ganz neu angefangen werden.

Ein Teil der Nabucco-Partner hat dies auch bereits erkannt. Schon vor einigen Monaten hat die RWE (Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG)-Chefetage (RWE ist einer von sechs Partnern) verlauten lassen, dass man nicht unbedingt am Bau der milliardenteuren Gasleitung beteiligt sein müsse. Weit klarer hat dies Nabucco-Partner MOL (Ungarn) vor wenigen Tagen ausgedrückt: "Wir haben signalisiert, dass wir bereit sind, unsere Anteile wenn nötig zu verkaufen", sagte MOL-Aufsichtsratschef Zsolt Hernadi. "Wir mussten jetzt einfach ein sehr starkes Signal setzen, dass wir nicht mehr willig sind, das noch länger zu finanzieren".

Die Ungarn wollen nicht mehr länger Geld für das Gasprojekt verbrennen. Bisher habe man bereits 20 Millionen Euro gezahlt, das reiche, noch dazu wo die Betreiberfirma nicht angemessen geführt werde (federführend ist die OMV).

Selbst Österreichs Wirtschaftminister Mitterlehner scheint den Braten bereits zu riechen: „Ich glaube, dass es auf jeden Fall eine zeitliche Verzögerung geben wird." Und dann stelle sich die Frage, ob angesichts der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung der Türkei und des damit verbundenen Energiebedarfs noch genug Gas für die Weiterleitung nach Westen übrig sein werde.

Auch seitens Aserbeidschans steht die Ampel auf Rot. Im Moment gebe es für eine solche Leitung von Aserbaidschan nach Europa nur zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, hat der Chef der Investitionsabteilung von Socar (staatlicher Ölkonzern Aserbeidschans), Wagif Alijew, vor kurzem betont. Nötig sei aber die dreifache Menge. Nabucco sei für 31 Milliarden Kubikmeter Gas Jahresleistung geplant. Deshalb favorisiere sein Land gegenwärtig kleine Transportmöglichkeiten.

Statt Nabucco kommt TAP

Und diese kleinere Lösung heißt Trans-Adriatic-Pipeline (TAP), die von der Schweizer EGL, Norwegens Statoil und der deutschen E.ON geplant wird. Sie soll über Griechenland und Albanien nach Süditalien führen. Eine ähnliche Pipeline namens ITGI (Betreiber die griechische Depa und Edison aus Italien) wurde von den Aseris bereits ausgeschieden.

Das TAP-Projekt wird vor allem von der Schweiz äußerst heftig vorangetrieben, Schweizer Minister sind ständig auf Lobbyingtour. Die Schweiz muss nach ihrem Atomausstieg schauen, wo sie Gas für ihre künftigen Kraftwerke herbekommt. Und für Aserbeidschan ist der italienische Markt mit seinen hohen Preisen besonders attraktiv. Die Schweizer sind auch auf EU-Ebene heftig unterwegs, um eine entsprechende Genehmigung zu bekommen, die allerdings anders als jene von Nabucco ausschauen würde, nämlich an die neuen Verhältnisse am Gasmarkt angepasst.

Die TAP würde einmal die ersten Gasmengen aus dem neuen Fördergebiet aus Aserbeidschan absorbieren, weitere Mengen könnten dann von der South East Europe Pipeline (SEEP) übernommen werden, die Richtung Bulgarien gehen soll. Diese Pipeline steht unter der Federführung von BP und dieser Konzern ist auch einer der Betreiber des neuen Gasfeldes Shah Deniz 2, das bis 2017 erschlossen sein soll und woher das Gas für Europa kommen soll. Auch TAP-Partner Statoil ist vor Ort tätig.

Somit ist kein Platz mehr für Nabucco. Dabei haben die Nabucco-Betreiber ihre Pläne sowieso schon stark gekürzt. War ursprünglich von einer Länge von fast 4000 km die Rede, so will man sich nun nur mehr mit einer Gasleitung auf europäischem Boden bescheiden. Nicht ganz freiwillig. Aseris und Türken haben nämlich bereits bekannt gegeben, die Gasleitung auf ihrem Hoheitsgebiet selbst bauen zu wollen.

Die weit über 100 Millionen Euro bisheriger Projektkosten für Nabucco könnten vorerst einmal als Stranded investement abgebucht werden. Aber vielleicht kann die OMV doch noch einmal auf die Pläne zurückgreifen, wenn nämlich ihr neu entdecktes Gasvorkommen im Schwarzen Meer erhoffte neun Milliarden Kubikmeter Gas liefern sollte, wofür man dann eine Pipeline zum Abtransport benötigen würde.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

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