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Sieben magere Jahre - und die Rezepte, um sie fetter zu machen

Es tut wohl, seine geistige Festplatte in Sachen Finanz- und Schuldenkrise durch die weltweit besten Wirtschaftsexperten mit neuem Wissen und neuen Zusammenhängen aufladen zu lassen. Zugleich aber kann das auch deprimieren. Das ist meine persönliche Bilanz nach einer Woche mit 17 Wirtschaftsnobelpreisträgern und Hunderten internationalen Ökonomen. Zu etlichen dieser Erkenntnisse an ruhigeren Tagen mehr – beispielsweise jenem, warum Österreich auch in den nächsten Jahren wohl keinen Nobelpreis bekommen wird. Heute aber zur zentralen, alles dominierenden Frage: Wie kann man die Finanz- und Schuldenkrise in den Griff bekommen. Ja, kann man das überhaupt noch?

Die Analysen der Nobel-Laureaten im deutschen Inselstädtchen Lindau heben sich jedenfalls in ihrer Klarheit wohltuend von dem ab, was man tagtäglich hierzulande von Politik und sogenannten Wirtschaftsexperten zu hören bekommt. Das gilt auch dann, wenn sie untereinander nicht in jedem Aspekt einer Meinung sind. Und ebenso dann, wenn diese Analysen zu eher deprimierenden Ausblicken führen.

Denn abgesehen von einer nicht sonderlich ernst zu nehmenden populistischen Ausnahme gab es keinen einzigen unter den versammelten Experten, der vorgeben würde, er hätte ein alleinseligmachendes Rezept, wie man die aktuelle Krise leicht beenden beziehungsweise (je nach Sichtweise) die nächste Krise verhindern könnte.

Denn erstens sind Krisen immer unvermeidlich. Und zweitens haben allzu viele Fehler der letzten Jahre alle schnellen und leichten Lösungen vermauert.

Die Instrumente funktionieren nicht mehr

Am brutalsten brachte das der OECD-Chefökonom William White auf den Punkt: „Die Wirtschaft ist geschwächt und wir haben alle wirtschaftspolitischen Instrumente erschöpft. Sowohl bei den öffentlichen Haushalten wie auch bei der Währungspolitik. Sämtliche Zentralbank-Instrumente werden nicht mehr funktionieren.“ Kurz, trocken und hoffnungslos.

Dennoch bekommt man von anderen Diskutanten Etliches an Empfehlungen zu hören. Der amerikanische Nobelpreisträger Roger Myerson etwa empfiehlt genau das, was viele Sparer am meisten fürchten, und was schon jetzt – freilich uneingestanden – den Kurs etlicher Zentralbanken zu prägen scheint: „Die Zentralbanken sollten auf ein dreiprozentiges Preisband abzielen.“

Auch wenn er das I-Wort nicht in den Mund nimmt, weckt Myerson mit solchen Tipps die Sorge vor einem Inflationsschub, der – ebenfalls unausgesprochen – die Schuldenlast der Staaten reduzieren könnte. Denn bisher gilt eine Inflationsrate von höchstens(!) zwei Prozent als Maxime etwa der Europäischen Zentralbank.

Ganz anders als Myerson hingegen sein Kollege und Landsmann Myron Scholes: Dieser empfiehlt dringend, dass sich Regierungen und Zentralbanken nicht in die Wirtschaft einmischen sollten. Das heißt freilich nicht, nichts zu tun. Von den Staaten verlangt Scholes vielmehr strenge Schuldendisziplin und von den Banken, dass sie deutlich transparenter werden müssen. Niemand wisse ja bei einer Bank: „Was ist sie wirklich wert?“

Scholes meint mit mehr Transparenz vor allem eine Änderung der Bilanzierungsregeln. Seine Vorstellungen zielen dabei freilich genau in die Gegenrichtung dessen, was sich etwa in Österreichs Finanzwelt so manche wünschen: Denen geht nämlich schon die in den letzten Jahren unter internationalem Druck gestiegene Transparenz viel zu weit; sie wollen am liebsten wieder das alte österreichische Handelsgesetzbuch alleine in Kraft haben.

Dieses hatte mit dem Anschaffungsprinzip beispielsweise dazu geführt, dass in jeder Bilanz viele versteckte Reserven stecken, die nur Insidern bekannt sind. (So hat einst beim stürmischen Kauf der Creditanstalt zweifellos der Generaldirektor der meistbietenden Bank Austria am besten unter allen Kaufinteressenten gewusst, was die österreichische Traditionsbank wirklich wert ist.)

Bessere Bilanzierungsregeln stehen auch im Rezeptbuch von William Sharpe, einem weiteren Laureaten. Er meint damit insbesondere die Staaten: „Bei der Bilanzierungsehrlichkeit sind ja die Regierungen besonders schlecht.“ Ein weiteres Sharpe-Rezept, das freilich auch er selbst nicht für alleinseligmachend hält: Man könnte versuchen, allzu große Banken aufzuspalten.

Der Ruf nach mehr Bewertungswahrheit hängt auch eng mit einer weiteren Empfehlung zusammen, die sowohl von Scholes wie auch von Myerson und vom Chef des deutschen Max-Planck-Instituts für kollektive Güter, Martin Hellwig, gegeben wird: „Wir brauchen endlich intensive internationale Bemühungen um Insolvenz-Regeln.“

Denn auch heute gibt es noch keine klaren Regeln, was passiert, wenn große multinational tätige Finanzinstitute und insbesondere ganze Staaten bankrott gehen. Nach Ansicht vieler Regierungen sind diese „too big to fail“ und werden fast immer um teures Geld "gerettet".. Dabei ist ein ordentliches Insolvenzrecht die wichtigste Sanitätspolizei jeder Marktwirtschaft; der Kommunismus ist unter anderem daran zugrunde gegangen, dass dort kein Unternehmen, keine Organisation in Konkurs gehen konnte, wodurch marode Schuldenproduzenten jahrzehntelang weiterexistieren konnten.

Für den optimistischen Teil der Überlegungen wäre eigentlich funktionsbedingt Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister, zuständig. Freilich rutschten auch ihm einige erstaunlich ehrliche Sätze heraus, die zeigen, was der mächtigste Mann des europäischen Währungsraums wirklich denkt: „Uns stehen wohl noch sieben schlechte Jahre bevor.“ Und: „Die Europäische Währungsunion wird keinen Erfolg haben, wenn einige Länder ihre Möglichkeiten missbrauchen.“ Und: „Risiko und Verantwortung müssen wieder mehr zusammengehen.“

Schäubles Forderung: Die Defizitstaaten – das sind freilich in Wahrheit alle Euro-Länder – müssten ihre „unhaltbaren“ Defizite reduzieren und rasche Strukturreformen setzen. Dabei hob er ganz besonders die Notwendigkeit einer größeren Flexibilität der Arbeitsmärkte hervor (was vor allem die leichtere Kündbarkeit von Mitarbeitern bedeutet; denn nur, wenn man auch leicht wieder einen Mitarbeiter abbauen kann, werden Arbeitgeber solche in größerem Umfang aufnehmen).

In Hinblick auf die Finanzmärkte klingt Schäuble freilich recht widersprüchlich. Einerseits fordert er wie viele andere mehr Regulierung für die Finanzmärkte. Andererseits musste der Politiker Schäuble aber selbst zugeben: „Die Märkte sagen den Regierungen Dinge, die diese nicht gerne hören; sie sind daher notwendig.“

Jeder weitere Wunsch nach noch weiteren Regulierungen löst die Sorge aus, dass die Regierungen die Märkte in eine ganz bestimmte Richtung regulieren werden: nämlich so, dass diese den Regierungen nicht mehr so oft die von Schäuble noch gelobten unangenehme Dinge sagen können. Schließlich sind die Regierungen ja selbst die undiszipliniertesten Schuldenmacher.

Die Tendenz der Regierungen, Kritiker zu knebeln, sieht man ja etwa schon an ihrer Kampagne gegen die Ratingagenturen, seit diese gewagt haben, die Kreditwürdigkeit einzelner Staaten in Frage zu stellen. Diese Tendenz sieht man auch an den sogenannten Basler Abkommen, die den Banken völlig verzerrende Eigenkapital-Regeln auferlegen: nämlich zugunsten der Staaten. Es ist durch Basel für jede Bank viel angenehmer und billiger, einem Staat Kredite zu geben als einem Unternehmen. Denn einen Kredit an Staaten und Länder müssen Banken nicht mit den sonst üblichen dicken und daher teuren Eigenkapitalpölstern absichern (die ja keine Zinsen abwerfen). Nicht zuletzt deshalb hatten auch unseriöse Staaten bis vor kurzem immer noch Kredit bekommen.

Zurück zu den Empfehlungen der Nobelpreisträger selbst: Weitgehend Konsens herrscht darüber, dass die Banken jedenfalls mehr Eigenkapital halten müssen. Das wird diese automatisch kleiner und risikobewusster machen.

Das wird aber auch die Kredite knapper machen. Myerson fürchtet außerdeem, dass höhere Eigenkapitalpflichten der Banken die Versuchung weiter erhöhen wird, Geschäfte in sogenannte Schattenbanken auszulagern. Das bedeutet, dass riskantere Finanzgeschäfte über solche Firmen abgewickelt würden, die gar keine Banken sind, und die daher viel weniger kontrolliert und reguliert werden.

William Sharpe setzt noch aus einem anderen Grund nicht allzu viel Hoffnung auf strengere Regulierungen der Finanzwelt: „Smarte Leute wissen immer, wie Regeln zu umgehen sind.“ Was auch ein Experte aus der wirklichen Finanzwelt im Privatgespräch bestätigt: Schon heute werden international Finanzierungskonstruktionen angeboten, welche die noch gar nicht geltenden Vereinbarungen über höhere Eigenkapital-Pflichten ganz legal zu umgehen versuchen.

Einen interessanten Therapie-Akzent setzt ein weiterer Preisträger, nämlich Edmund Phelps: Entscheidend sei, kleineren und mittleren Unternehmen und auch kleinere Banken ausreichend Mittel zukommen zu lassen.

Manche werden nun fragen, wo in dieser Aufzählung die Empfehlungen von Joseph Stiglitz bleiben. Ist dieser doch der meist publizierende unter den Nobelpreisträgern, und auch durch seine Pointensicherheit sehr bekannt. Der gute Mann hat sich jedoch in Lindau als Populist im Nobelpelz entpuppt. Sein Rezept für die Schuldenkrise: Die Deutschen (und damit natürlich auch Österreicher und Niederländer) hätten ohnedies noch genug Geld, um durch weitere Hilfsaktionen für Griechenland & Co die Dinge in den Griff zu bekommen. Stiglitz ist daher gegen das Verlangen, dass Länder wie Griechenland viel sparsamer sein müssten. Er gibt sogar der – inhaltlich in Wahrheit total diffusen – spanischen Protestbewegung taxfrei „recht“.

Besonders negativ fiel Stiglitz dadurch auf, dass er von einer "ganz anderen Welt" schwärmte, „die möglich sei“. Ohne dass er diese freilich näher zu beschreiben versuchte. Solche gut klingenden, aber hohlen Phrasen erinnern jedenfalls intensiv an die Taktiken totalitärer Verführer der letzten hundert Jahre. Auch die haben immer jungen Menschen eine ganz andere Welt versprochen.

Fünf zentrale Strategien gegen die Krise

Welche Ratschläge würde der Autor selbst nach einer Woche intensiver Gehirnwäsche durch eineinhalb Dutzend der spannendsten Ökonomen der Welt zu geben versuchen? (Freilich fragen Österreichs Politiker ohnedies nirgendwo um Rat, wissen sie doch selbst nicht einmal darüber Bescheid, was sie alles nicht wissen):

  • Man sollte bei den Bürgern keine falschen Erwartungen wecken, dass schnelle oder schmerzfreie Lösungen möglich wären;
  • Schuldenstopp, Schuldenabbau und gleichzeitig Stimulierung der Wirtschaft durch mehr Flexibilität und weniger Vorschriften.
  • jeder Staat, jede Bank muss die Folgen ihrer Handlungen selber tragen – das heißt also auch bis hin zur Insolvenz;
  • Verstärkte und verpflichtende Transparenz bei staatlichen Budgets und Schulden, ebenso wie bei den Bilanzen der Unternehmen;
  • rasche Bemühungen um einen internationalen Vertrag oder zumindest eine EU-Regelung, wodurch die Insolvenz eines Staates oder einer multinational aktiven Bank geregelt wird;
  • und last not least eine intensivere und saubere Aufarbeitung aller Ursachen der Finanz- und Schuldenkrisen auch mit Hilfe internationaler Experten. (Zu diesen Krisenursachen in den nächsten Tagen eine weitere Tagebuch-Eintragung).

Denn über allem steht das Zitat von Myron Scholes: „Wir wissen nicht, wann die nächste Krise kommt.“ Aber sie kommt. Oder hat vielleicht sogar schon begonnen.

 

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