Stelldichein der Ökonomenelite

Auf einem neuen Höhepunkt der Weltwirtschafts- und Finanzkrise trifft sich die Elite der Ökonomenzunft – immerhin 17 Nobelpreisträger – zum Gedankenaustausch. Der auf Erlösung von allen angeblich durch „entfesselte Märkte“ verursachten Übeln hoffende Otto Normalverbraucher richtet seine besorgten Blicke daher gebannt nach Lindau – den idyllischen Ort der Zusammenkunft der illustren Runde.

Woher, wenn nicht von dort, ist die Medizin zur Heilung der kränkelnden Weltwirtschaft zu erwarten? Doch ach: Der Berg hat gekreißt und geboren wurde nicht einmal eine Maus. Exemplarisch sind die Einlassungen des unbestrittenen Stars der Show, Joseph Stiglitz, des Nobelpreisträgers des Jahres 2001 und Lieblings der Sozialisten in allen Parteien. Mehr als einen Appell zur Fortsetzung der von der hohen Politik seit Jahren betriebenen monetären Pyramidenspiele hat er nicht anzubieten.

Deutlicher kann der intellektuelle Bankrott der etablierten Wirtschaftswissenschaften nicht dokumentiert werden. Denn, dass unbegrenztes Wachstum – und sei es nur jenes der ungedeckten Geldmenge – in endlichen Räumen nicht möglich ist, müsste auch Nobelpreisträgern, nicht nur Absolventen von Pflichtschulen, einleuchten.

Doch sollte man vielleicht etwas Nachsicht walten lassen? Wes Brot ich ess´, des Lied ich sing´ – gilt diese Regel nicht auch für die Wissenschaftselite? So gut wie alle der in Lindau versammelten Experten stehen im Sold des Staates oder staatsnaher Institutionen. Wer wollte ernsthaft von ihnen erwarten, dass sie ihre Arbeit dem Erkenntnisgewinn und nicht etwa der politischen Opportunität (d. h. ihrer Karriere) weihen?

Stiglitz & Co. sind Lakaien und Stichwortgeber der Staatenlenker. Diese wünschen im Amt zu bleiben. Zu diesem Behufe müssen den Untertanen phantastische Zaubertricks präsentiert werden, die der Notwendigkeit entheben sollen, der Wahrheit ins kalte Auge zu blicken. Der Wirtschaftspublizist Roland Baader („Gold, Geld und Gottspieler“) hat diese Wahrheit auf die griffige Formel gebracht: „Was wir vorausgefressen haben, werden wir nachhungern müssen.“

Anders gesagt: Ohne eine drastische „Ent-Täuschung“; ohne eine scharfe, möglicherweise jahrelang andauernde Rezession; ohne deflationäre Schocktherapie, wird ein Neubeginn auf soliden Fundamenten nicht möglich sein. Derlei Botschaften sind in Massendemokratien, die auf anstrengungsfrei zu erlangenden Wohlstand für alle programmiert sind, unverkäuflich. Niemand will sie hören.

Was Wunder, dass keiner der in Lindau versammelten Laureaten derartige Töne anschlägt. Es gibt eben keine staatsunabhängige Nationalökonomie. Vom strikt nachfrageorientierten, auf die Bekämpfung des mysteriösen Phänomens „Unterkonsumption“ gerichteten Hauptstrom der Volkswirtschaftslehre sind keine Impulse zu erwarten, die uns auf einen dauerhaft aus dem Schuldensumpf führenden Weg hinlenken.

Daher wird es die hohe Politik – unter den anfeuernden Zurufen korrupter „Experten“ – vorziehen, an der bereits schwindelerregend hoch aufgetürmten Pyramide weiterzubauen – man will ja schließlich wiedergewählt werden! Es wird – um ein anders Bild zu gebrauchen – auf immer höheren Seilen, mit immer kleineren Sicherheitsnetzen darunter, balanciert werden. Ob es zum Absturz kommen wird, ist nicht die Frage. Die Frage ist vielmehr: Wann?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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