Turbokapitalismus auf Chinesisch

Neulich auf CNN ein echtes Schmankerl: Chinesischen Firmen steht es gut zu Gesicht, wenn sie sich international präsentieren können. Ausländische Kontakte sind ein Prestigeobjekt, zeugen von Ansehen und Wohlstand. Und wie bei allen Statussymbolen kann man sie tatsächlich haben oder wahlweise auch mieten.

Ich weiß aus persönlicher Erfahrung: Ein weißes Gesicht fällt in Ostasien auf wie ein bunter Hund. Man wird ständig neugierig und skeptisch zugleich beäugt, jede Gestik und Mimik genauestens studiert. Das konsonantenlastige Kauderwelsch, das dieses Bleichgesicht von sich gibt (Deutsch), provoziert gelegentlich ein kleines Schmunzeln, das natürlich sofort hinter der zarten asiatischen Hand verborgen wird. Schließlich will ja niemand, dass ich mein rosiges Gesicht verliere. Ja, so ein Fremder hat schon was Faszinierendes.

Findige Neokapitalisten in Fernost machen sich die Exoten mit den großen Nasen nun für Geschäftsbeziehungen zu Nutze. Lehrer, Studenten oder Schauspieler mit westlichen Gesichtszügen werden in Maßanzüge gesteckt und mit gefälschten Visitenkarten bewaffnet dem Provinzgouverneur oder Geschäftspartner als finanzkräftiger Inverstor aus Amerika oder langjähriger Sozius aus Europa vorgeführt.

Sie müssen nur weiß sein, kein Wort Chinesisch sprechen und dann und wann so tun, als würden sie sich mit ihrem Übersetzer unterhalten. Dazu gibt’s ein Essen in den nobelsten Hotels und ein paar hundert Dollar. Den Anzug dürfen sie meistens auch behalten.

35 Jahre nach dem Ableben des großen kommunistischen Steuermannes Mao sind im Reich der Mitte ethnische Merkmale zur Handelsware geworden. Die unsichtbaren Kräfte Angebot und Nachfrage regeln den Preis, und das Ganze läuft auch noch subventions- und steuerfrei.

Marktwirtschaftlich ist das einwandfrei, doch könnte man sich die Frage stellen, ob das stundenweise Mieten von blauen Augen oder blonden Haaren zu betrügerischen Zwecken nicht vielleicht doch moralisch irgendwie fragwürdig ist. Nicht unbedingt. Denn der große Drache ist kein gewohnheitsmäßiger Lügner, er schmückt sich nur ab und zu mit fremden Federn.

Egal, ob man ein Infrastrukturprojekt mit der Regierung in Peking verhandelt, oder ein paar Essstäbchen in den Straßen von Hongkong ersteht, der Drache wird immer versuchen, einen über den Tisch zu ziehen. Der CNN-China-Experte rät darauf stets gefasst zu sein, sich nicht ausnehmen zu lassen wie eine Pekingente und sich auf keinen Fall etwas anmerken zu lassen, damit alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können – egal welche Farbe es hat.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz).

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