Budgetsanierung durch faire Pensionen

Österreich hat mit 58 Jahren (ASVG) eines der niedrigsten effektiven Pensionsantrittsalter in Europa. Erstmals übertreffen 2012 die veranschlagten Pensionszuschüsse des Bundes an die Sozialversicherung mit 10,2 Mrd. € das gesamte Budgetdefizit aller Gebietskörperschaften. Dies hat mit sozialer Gerechtigkeit zwischen den Generationen nichts gemein.

Dabei geht es nicht nur vordergründig um eine Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters angesichts der demografischen Entwicklung, sondern vor allem auch um die Wahlfreiheit des mündigen Bürgers. Faire Anreiz- und Abschlagssätze für ein flexibles Pensionsantrittsalter wären dringend geboten. Akuter Handlungsbedarf ist angesichts der erforderlichen Budgetsanierung angesagt. Wir wollen deshalb wieder einen konstruktiven Beitrag leisten. Wir – das ist die unabhängige Initiative proMarktwirtschaft – eine Runde von österreichischen Ökonomen, die das Manko an sachlich orientierter Wirtschaftspolitik ausfüllen will.

Österreich wird im Rahmen der „Europa 2020 Strategie“ von 2010 bis 2020 einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt auf die Anhebung der Erwerbsquote der 20 bis 64- Jährigen auf 75% setzen; d. h. bis 2020 sollen 75% der Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig sein. Derzeit liegt die Erwerbsquote in dieser Altersgruppe bei 74,9% (2010). Dieses Ziel wurde also bereits nahezu erreicht.

Angesichts der im internationalen Vergleich besonders niedrigen Erwerbsquote unter den 55-60-jährigen Frauen und den 60-65-jährigen Männern besteht nach wie vor ein erhebliches Potential zur Steigerung der Beschäftigung und damit zum Übertreffen der Europa 2020 Ziele.

Gleichzeitig sucht der Bund im Rahmen des derzeit diskutierten Sparpakets Möglichkeiten zur Senkung der Staatsausgaben. proMarktwirtschaft weist in diesem Zusammenhang auf die doppelte Dividende eines höheren durchschnittlichen Pensionsantrittsalters hin: Durch die längere Erwerbstätigkeit entfällt die Pensionsleistung, während gleichzeitig Beitragseinnahmen für die Pensionsversicherung entstehen!

Faire Abschlagsätze könnten dem Bund 1,2 Mrd. € pro Jahr ersparen

Faire Abschlagsätze für den vorzeitigen Pensionsantritt ohne Deckelung wären ein besonders wirksames Instrument zur Anhebung des Antrittsalters: sie geben den Erwerbstätigen Wahlfreiheit über den Zeitpunkt des individuellen Eintritts in den Ruhestand, und sie vermeiden gleichzeitig eine finanzielle Belastung der Allgemeinheit durch übermäßig frühe Pensionsantritte. Die Pensionsreformkommission schätzt das Einsparungspotential durch einen um einen Monat späteren Pensionsantritt auf 100 Mio. €. Wenn das durchschnittliche Pensionsantrittsalter um ein Jahr angehoben werden könnte, ergäbe das eine Entlastung für den Bundeshaushalt von 1,2 Mrd. €.

In der Altersgruppe der über 55-Jährigen besteht ein besonders hohes Potential zur Steigerung der Erwerbstätigkeit. Der EU-Ageing Report 2009 zeigt, dass in Österreich das durchschnittliche Pensionsantrittsalter im europäischen Vergleich besonders niedrig ist. Während in der EU-25 das Antrittsalter zur Pension 61,2 Jahre beträgt, treten die Österreicherinnen und Österreicher im Durchschnitt bereits mit 60,9 Jahren in den Ruhestand. Dieser Wert liegt für Direktpensionen in der Pensionsversicherung (ASVG, GSVG und BSVG) mit 58,1 Jahren (2010) noch deutlich niedriger, weil im Pensionsrecht des öffentlichen Dienstes geringere Möglichkeiten zum vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bestehen.

Derzeit falsche Anreize

Ein wichtiger Grund für den frühen Übertritt in den Ruhestand sind falsch gesetzte Anreize im Pensionsversicherungsrecht: Der spätere Antritt des Ruhestands schafft im Vergleich zum Betrag, der aus einem vorzeitigen Bezug der Pensionsleistung erzielbar ist, keine ausreichend hohe Steigerung der Pensionsleistung!

Nach der aktuellen Rechtslage verkürzt ein Antritt des Ruhestands vor dem Regelpensionsalter die Pensionsleistung um 4,2% pro Jahr, wobei eine Deckelung des Abschlags mit 15% besteht (§ 5 APG Abs. 2 und Abs. 3). Die Verlängerung der Erwerbstätigkeit bringt einen Zuschlag von 4,2% pro Jahr, wobei eine Deckelung des Zuschlags mit 12,6% besteht (§ 5 APG Abs. 4). Versicherungsmathematisch faire Abschlagsätze liegen in den meisten Fällen über diesen Werten.

Berechnung der Abschlagsätze – was ist fair?

Grundlage zur Berechnung des fairen Abschlagsatzes ist der Barwert einer Pensionsleistung, die ab dem 65. Lebensjahr ausgezahlt wird. Mit diesem Barwert werden die Barwerte von Pensionsleistungen verglichen, die jeweils 1, 2, …, usw. Jahre vor dem 65. Lebensjahr beginnen. Daraus ergeben sich verschiedene Abschlagsätze, die die jeweiligen Barwerte an jene der Regelpension mit 65 Jahren angleichen.

Die Abschlagsätze hängen vor allem von der Pensionsleistung zum Regelpensionsalter bzw. zum vorzeitigen Pensionsantrittsalter, vom Diskontsatz, der restlichen Lebenserwartung und vom beitragspflichtigen Erwerbseinkommen vor dem Pensionsantritt ab. Daher gibt es nicht nur für jedes Jahr des Pensionsantritts vor dem Regelpensionsalter einen anderen fairen Abschlagsatz, sondern auch nach Berufsgruppen und Geschlechtern unterschiedliche faire Abschlagsätze (vgl. Modellrechnung). So haben z. B. Männer einen höheren versicherungsmathematischen Abschlagssatz, weil für einen Mann ein zusätzliches Pensionsjahr im Vergleich zur Pensionsbezugsdauer ein größeres Gewicht hat.

Die deutliche Zunahme der Ausgaben von Pensionsversicherten für den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten (2011: +17,9%) – rechtzeitig vor der Erhöhung der Kostensätze – zeigt, dass die Österreicherinnen und Österreicher auf geänderte finanzielle Anreize im Pensionsversicherungsrecht stark reagieren. Dieses Verhalten wird in einer empirischen Untersuchung über die Reaktion der Pensionsversicherten auf die Pensionsreformen von 2000 bis 2004 bestätigt (Raab, R., Financial Incentives in the Austrian PAYG-pension system: micro-estimation, Empirica, 2011).

proMarktwirtschaft schließt: Faire Abschlagssätze ohne Deckelung sind ein sinnvolles Instrument zur Budgetsanierung. Für die Pensionsversicherten würden sie eine Ausweitung des individuellen Entscheidungsspielraumes mit sich bringen, weil die Altersgrenzen für den vorzeitigen Antritt der Pension wegfallen könnten.

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

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