Ode an das Entrepreneurship

Es gibt Dinge, die wir den Amerikanern nicht unbedingt nachmachen sollten. Das Essen zum Beispiel. Oder deren Idee von „Football“. Lady Gaga hätten sie auch für sich behalten können. So manches bewundere ich aber auch an ihnen. Ihre Eishockey-Liga. Ihr tiefes Misstrauen gegenüber zentralstaatlicher Umverteilungsbeglückung. Und vor allem ihren Unternehmergeist.

George Bush (junior) soll einmal zu Jacques Chirac gesagt haben: „Your problem is that you don’t have a word for entrepreneur in French.“ Wenn’s nicht stimmt, ist‘s gut erfunden. Abgesehen davon bringt Bush-Witz Nummer 576 einen der wesentlichsten Unterschiede der Cousins beiderseits des Atlantiks trefflichst auf den Punkt.

Im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten hat man einen unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten (ab und zu mit leicht adoleszenter Selbstüberschätzung). Im guten alten Europa hingegen klammert man sich an mirakulöse Heilsversprechen eines diffusen Etwas, das viele meiner Kommilitonen Staat und/oder Gesellschaft nennen; so eine Art pragmatischer Taufschein-Marxismus.

„Man“ ist in diesem Fall vor allem die Vorsitz-Elite der Österreichischen Hochschüler_innenschaft. Bei der Lektüre ihrer Forderungskataloge schäme ich mich regelmäßig, Student zu sein. Akademiker haben von den Politikern als das allerwichtigste im Staat angesehen zu werden, daher her mit der Marie(!) und freier Zugang für alle, auch Analphabeten.

Als kleine Randnotiz ein eher harmloses Originalzitat als Appetithäppchen: „Die Wiedereinführung von Studiengebühren für alle ist bei der alarmierend geringen Zahl an Studierenden eine irrsinnige Idee.“ In der Tat alarmierend, wie wenig Politikwissenschaftsabsolventen, die nicht einmal alle Bundeskanzler der Zweiten Republik aufzählen können, in den öffentlichen Dienst drängen.

Jenseits des Atlantiks hat der durchschnittliche Akademiker bei seinem Abschluss einige Zehntausend Dollar Schulden. Und die hat er in der Regel nicht in unvergessliche oder längst vergessene Saufgelage investiert, sondern in sich selbst, seine Ausbildung, seine Zukunft. Da staunt der kleine Europäer. Noch viel mehr erstaunt ihn, dass diese Schulden nicht selten schon vor dem dreißigsten Geburtstag wieder abbezahlt sind. Wow!

Wie machen die das? Was veranlasst einen 18-jährigen, der noch nicht einmal ein Bier bestellen darf, sich um ein Mehrfaches unseres durchschnittlichen Prokopfeinkommens (brutto) zu verschulden? Wie wird er die wieder los, bevor seine statistischen 2.1 Kinder unterwegs sind? Und warum würde es ihm im Traum nicht einfallen, von Staat und/oder Gesellschaft Unterstützung zu fordern? Was tun die in ihr Wasser? (Chlor, Trinkwasser importieren sie aus Frankreich.)

In einer Schule in Florida gibt es ein Pilot-Projekt, in dem Kinder vor allem aus sogenannten unterprivilegierten Verhältnissen schon im Grundschulalter spielerisch an unternehmerische Eigenverantwortung herangeführt werden. Sie finanzieren sich – ganz ohne Schulbuchaktion – ihren Schulbedarf aus eigener unternehmerischer Initiative; klischeehaft gesprochen vielleicht mit einem Limonadenstand. Sie lernen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, mit Erfolg und Misserfolg umzugehen, die Zufriedenheit, aus eigener Kraft etwas erreicht zu haben.

Der Radikalindividualismus des „land of the free, home of the brave“ wird vom kultivierten Europäer oft als stumpfe Egomanie missverstanden. Dabei wird gern die zweite wesentliche Ingredienz zum American way of life vergessen. Zu dem – positiv formuliert – bewundernswerten Unternehmergeist gehört auch ein ebenso bewundernswerter Gemeinschaftssinn. Unseren milchzähnigen Jungunternehmern in Florida ist nämlich sehr wohl bewusst, dass viele kleine Helferlein sie zwischendurch aufrichten, motivieren, inspirieren. Nur weil man etwas selbst geschafft hat, heißt das keineswegs, dass man es allein geschafft hat. Daraus ergibt sich die noble Verpflichtung, dereinst selbst ein Helferlein zu werden.

Das ist Wirtschaftsliberalismus in seiner herrlichsten Form. Er fördert das Gemeinwohl, lehrt Eigenverantwortung, zeigt Papa Staat die lange Nase und steigert das Bruttosozialprodukt. Ob es die Welt besser und gerechter macht, sei dahin gestellt. Jedenfalls gibt es weit, weit weg ein paar Jugendliche, die sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, warum ihr Nachbar reicher ist als sie, wer an ihrem Unglück schuld sein könnte und wer es für sie richten soll. Sie feilen an der Preiskalkulation für ihren Limonadenstand und lesen eifrig ihre Schulbücher; schließlich haben sie auch schwer dafür geschuftet.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz).

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