Brutto ist Netto oder: Pink ist Grün

03. Februar 2014 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Neos versuchen, Wirtschaftskompetenz zu entwickeln. Weit sind sie damit noch nicht gekommen.

Jüngstes Beispiel peinlicher ökonomischer Ahnungslosigkeit waren Äußerungen des Jungabgeordneten Scherak zum Schubhaftzentrum Vordernberg. Scherak behauptete, dass die Forderung der privaten Sicherheitsfirma nur relativ knapp unter den Eigenkosten des Innenministeriums liegt. Das wären die Kosten des Ministeriums, wenn es bis hin zur Haustechnik die Vordernberger Anlage durch Beamte betreiben und nicht auslagern würde.

Lassen wir einmal beiseite, dass die für Scherak offenbar vernachlässigenswerte Differenz über die Laufzeit immerhin drei Millionen ausmacht. Der pinke Mandatar hat noch etwas viel Gravierenderes nicht begriffen: den Unterschied zwischen brutto und netto. Die private Sicherheitsfirma hat in ihrem Angebot naturgemäß auch noch 20 Prozent Mehrwertsteuer enthalten. Diese fehlen bei der Berechnung des Innenministeriums ebenso naturgemäß. Damit ist der Unterschied für den Steuerzahler ein gewaltiger. Also ein Vielfaches der von Scherak behaupteten Summe.

Oder glaubt der nette junge Mann, dass auch bei solchen Aufträgen das in Österreich nicht ganz seltene Motto gilt „Brauchen’s eh ka Rechnung Frau Minister“? Damit offenbart sich nach dem Scheitern Stronachs nun auch bei den Pinken genau das gleiche beklemmende Defizit: Österreich bräuchte in der Tat dringend Rechts- und Wirtschaftskompetenz auf den Oppositionsbänken – aber niemand hat sie dort.

Fast noch deprimierender ist ein weiterer hinter dem Hoppala Scheraks stehender Aspekt: Die gerne Liberalität (oder gar Neoliberalität – was auch immer der Unterschied sein mag) für sich beanspruchenden Neos hetzen genauso wie die Grünen und der ORF dagegen, dass wenigstens ein winziger Teil der öffentlichen Tätigkeit – wie etwa die Verköstigung von Schubhäftlingen – an Private vergeben wird. Statt sich darüber zu freuen.

Sind die Neos wirklich nur dasselbe wie die Grünen minus Scheibeneinwerfen? Nicht ganz: Parteichef Strolz hat sich ja für den Verbleib auch der abgelehnten Asylwerber in Österreich ausgesprochen. So Absurdes hat man in letzter Zeit nicht einmal von den Grünen gehört.

Drucken

Die Freiheit und Europas Studenten

02. Februar 2014 21:21 | Autor: Michael Landl
Rubrik: Gastkommentar

Als vor 25 Jahren die Mauer fiel, schien der Sozialismus endgültig versagt zu haben. Doch die Geschichte ist die beste Lehrmeisterin mit den schlechtesten Schülern. 2014 ist Europa wieder fest im Griff von Planwirtschaft, Zentralismus und Überwachungswahn.

Vor wenigen Jahren noch waren konsequent liberale Studenten ein spärlich gesätes Gut in Deutschland und Europa. Mittlerweile jedoch herrscht Aufbruchsstimmung. Unter dem Banner der European Students for Liberty sammelt sich eine neue Generation freiheitlicher Studenten. Sie kämpfen für Marktwirtschaft, Dezentralismus und Bürgerrechte.

Wir, die European Students For Liberty, organisieren vom 14. bis 16. März die größte klassisch-liberale Studentenkonferenz, die Europa je gesehen hat. 2011 fing es mit bereits 200 Individuen im belgischen Leuven an. Zwei Jahre später erwarten wir über 500 Teilnehmer zur dritten europaweiten Konferenz in Berlin. 25 Jahre nach dem Mauerfall freuen wir uns, eine weltweite Bewegung in Gang gesetzt zu haben. Sie eint die Begeisterung für die Ideen der Freiheit, Selbstverantwortung und Unternehmertum. Uns haben sich bereits mehr als 200 Studentengruppen in 36 europäischen Ländern angeschlossen (weltweit sind es bereits über 1000). Über 1100 Studenten nahmen im vergangenen Herbst an unseren neun regionalen Konferenzen in ganz Europa  teil. Außerdem haben wir zehntausende Exemplare unserer Publikation „Why Liberty“ verteilt, die mittlerweile sogar in Sprachen wie das Griechische und Spanische übersetzt wurde.

Vom 14.-16. März erwarten wir über 500 klassisch-liberale Studenten und Gäste aus ganz Europa in Berlin. Neben Vorträgen und Diskussionen werden die Teilnehmer auch Workshops besuchen können. Dort können sie notwendige soft skills erlernen, um effektivere Leader und Aktivisten für die Freiheit zu werden. Darüber hinaus werden die Teilnehmer die Möglichkeit haben Freundschaften zu knüpfen und Netzwerke zu bilden. Der Fokus von ESFL liegt auf Studenten, da unsere Theorie des sozialen Wandels auf langfristige Veränderungen in der Denkweise der Gesellschaft abzielt.

Das heißt, wir möchten den jungen Menschen so früh wie möglich die klassisch-liberalen Ideen näher bringen, damit sie diese während ihres weiteren akademischen und beruflichen Werdegangs verbreiten können. Was uns von bestehenden Strukturen unterscheidet sind unsere klassisch-liberalen Prinzipien. Wir nehmen kein Geld vom Staat an und sind nicht politisch tätig. Als European Students For Liberty konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Ideen der Freiheit, die akademischen Theorien und die Kommunikation derselben. Wir schreiben dabei niemanden vor, was der beste Weg zur Freiheit ist, sondern wollen genau darüber diskutieren.

Als Redner haben uns bereits u. a. Tom Palmer (Atlas), Kevin Dowd (University of Nottingham), Marco Ricca („Ethical Hacker“), Vera Kichanova (Journalist), Christian Michel (ISIL), Axel Kaiser (Ökonom, Autor), Michael Tanner (Cato Institute), Baishali Bomjan (Centre for Civil Society), Stephen Davies (Institute for Economics Affairs), Trevor Burrus (Cato Institute), Alberto Mingardi (Instituto Bruno Leoni) und John Fund (Autor, Journalist) zugesagt.

Die Anmeldegebühr beträgt für Studenten 40€ und für Nicht-Studenten 55€. Darin enthalten sind alle Speisen während des Wochenendes, viele kostenlose Materialien, Netzwerkmöglichkeiten mit Think Tanks und natürlich drei Tage voller interessanter Redner und Diskussionen.

Wir freuen uns, Euch in Berlin begrüßen zu dürfen und hoffen, mit Hilfe dieser Konferenz einen Beitrag zu einer freieren Gesellschaft leisten zu können.

Michael Landl ist im Vorstand der European Students For Liberty tätig, arbeitet für den Think Tank Agenda Austria in Wien und studiert International Affairs and Governance an der Universität St. Gallen. Zudem ist er Mitbegründer des Austrian Libertarian Movement in Wien. Sie können ihn unter der E-Mail-Adresse mlandl@studentsforliberty.org erreichen.

European Students For Liberty

ESFL europäische Konferenz

Drucken

Wie kommt es zu den steigenden Wohnkosten?

02. Februar 2014 18:11 | Autor: Andreas Unterberger

Entwicklung der Miet- und Kaufpreise von Wohnraum in Wien & dem Rest Österreichs seit 2005

 

Quelle: Agenda Austria, OeNB

 

Empfänger der Objektförderung nach Einkommen

 

Anmerkung: Ein Einkommensdezil entspricht zehn Prozent der Bevölkerung; im ersten Dezil befinden sich die zehn Prozent der Bevölkerung mit dem niedrigsten Einkommen usw.

Quelle: Agenda Austria, Wifo

 

Die Negativspirale durch intensivere staatliche Regulierung

 

Quelle: Agenda Austria

Drucken

Was man in der Schweiz an Abgaben zahlen muss

01. Februar 2014 04:38 | Autor: Anton Karl
Rubrik: Gastkommentar

Es tut immer wieder gut, ins Ausland zu schauen und Systemvergleiche anzustellen. Deshalb habe ich mir die Mühe gemacht, die folgenden Beispiele zusammenzustellen. Sie zeigen in erstaunlicher Dimension, um wie viel attraktiver die Schweiz ist. Nicht nur durch die Höhe der Löhne, sondern auch durch die im Vergleich zu Österreich viel geringeren Abgaben.

Zum Vergleich analysieren wir die Lohnabrechnung für eine verheiratete Person mit Unterhaltspflicht für ein Kind ohne Kirchensteuer (ohne Bekenntnis). Für die Pensionsvorsorge (zweite Säule) wurde die Altersgruppe 35 bis 44 Jahre angenommen. Für jüngere Arbeitnehmer wären die Lohnnebenkosten nochmals um etwa drei Prozent geringer. Für ältere Arbeitnehmer wären sie zwischen fünf und acht Prozent höher. Die diversen Abkürzungen werden weiter unten erläutert. Alle Beträge sind in Schweizer Franken angegeben, 1 Euro entspricht etwa 1,2 Franken).

Beispiel 1:

Monatslohn: 6.428,60 CHF

Abzüge Prozent Absolut
AHV-Beitrag 5,150 331,05
ALV-Beitrag 1,100 70,70
BVG-Beitrag   277,50
Quellensteuer 2,240 128

Nettolohn an Arbeitnehmer: 5,621,35 CHF

Arbeitgeberkosten: 6.428,60 + 331,05 + 70,70 + 277,5 = 7.057,85 (125,55 Prozent des Nettolohnes)

Das ist beispielsweise der Lohn eines jungen Bauingenieurs im ersten oder zweiten Jahr oder einer Grundschullehrerin im zweiten Jahr.

Beispiel 2:

Monatslohn 10.000 CHF

Abzüge Prozent Absolut
AHV-Beitrag 5,150 515
ALV-Beitrag 1,100 110
BVG-Beitrag   397,62
Quellensteuer 5,25 471

Nettolohn an Arbeitnehmer: 8.506,38 CHF

Arbeitgeberkosten: 10.000 + 515 + 110 + 387,62 = 10.922,62 (128,4 Prozent des Nettolohnes)

Das verdient beispielsweise ein Bauingenieur im fünften Jahr, eine 30jährige Tierärztin mit Spezialausbildung an der Uni Zürich oder ein Gymnasiallehrer mit fünf Jahren Berufserfahrung. Die Beispiele betreffen durchwegs junge Leute, die ich persönlich kenne und die aus Österreich ausgewandert sind.

Die obigen Beispiele zeigen, dass eine Lohnerhöhung von 100 CHF netto für den Arbeitnehmer zusätzliche Kosten von 125 bis 130 CHF für den Arbeitgeber bedeuten. Dieser Faktor ist in Österreich deutlich höher.

Erläuterungen zu den Lohnbeispielen

AHV = Alten und Hinterbliebenenversicherung. Das ist die erste Säule der Schweizer Pensionsvorsorge. Sie ist als Umlagesystem gestaltet. Die Höchstrente beträgt 2.340 CHF (x 12). Es gibt beim Beitrag keine Höchstbemessungsgrundlage. Es findet hier also eine gewisse Umverteilung von Spitzenverdienern zu Kleinverdienern im Zuge der Finanzierung des AHV-Fonds statt. Es gibt in der Schweiz keine Sonderprivilegien im Umlagesystem (etwa für Beamte). Jeder ist in der AHV gleich. Höhere Pensionen gibt es nur über das BVG (siehe unten). Das obliegt aber dann den Unternehmen.

ALV = Arbeitslosenversicherung. Höchstbemessungsgrundlage 10.500 CHF Monatseinkommen. Bei höheren Einkommen steigt der Beitrag also dann nicht mehr.

BVG = Berufliche Vorsorge. Das ist die zweite Säule der Schweizer Pensionsvorsorge. Dies ist ein echtes „Ansparkonto". Die Beiträge sind als Prozentsatz des Bruttolohnes gesetzlich festgelegt. Für junge Leute betragen sie sieben Prozent, für 35-44 jährige zehn Prozent und für ältere Arbeitnehmer bis 18 Prozent. Die Kosten werden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geteilt, meist halbiert. Oft übernehmen Arbeitgeber auch bis zu 75 Prozent als freiwillige Leistung.

Die Einzahlung ist steuerfrei. Das heißt man sieht, wie viel Geld man aktuell angespart hat. Es gibt in diesem System verschiedenste Ausgestaltungen. Das hängt vom Arbeitgeber ab. Es gibt versicherte Modelle (Kapitalschutz) mit Mindestverzinsung (z.B. 1,5 Prozent) und Teilpartizipation an positiven Kapitalmärkten, es gibt unversicherte Modelle mit Totalpartizipation an Kapitalmärkten etc. Es obliegt den Mitarbeitern und den Arbeitgebern, das für die Angestellten und Arbeiter richtige Modell zu finden. Die Entscheidung wird also innerhalb des Unternehmens getroffen.

Das angesparte Kapital kann am Ende des Berufslebens mit dem sogenannten Umwandlungssatz in eine monatliche Rente umgewandelt werden. Beträchtliche Teile des Kapitals können aber am Ende des Berufslebens auch als Einmalzahlung bezogen und selbst weiter veranlagt werden, wenn man meint, man könne es selber besser.

Weiters kann man auch vorher das Kapital beziehen für:

  1. Eigenkapital für eine selbstbewohnte Immobilie,
  2. Wechsel in die Selbständigkeit und
  3. Wegzug ins Ausland. In diesem Fall wird auf das bezogene Kapital sechs Prozent Einkommenssteuer fällig.

Gegenargumente

Als Gegenargument wird oft auf höhere Lebenshaltungskosten verwiesen. Das stimmt für Städte, aber auch in der Schweiz kann man sich um die Ballungsräume wunderbar mit den Kosten runterhanteln. Wenn man in Zürich verdient und im Kanton Aargau wohnt (20 bis 40 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln), ist das Wohnen gar nicht mehr so teuer. Im Übrigen kann man ja auch alle drei Wochen nach Konstanz in Deutschland fahren, um einen Großeinkauf zu machen (50 Minuten Fahrzeit).

Gegenargument Krankenkasse

Ja, es stimmt, dass der Arbeitnehmer in der Schweiz die Krankenkasse (Grundversicherung) prinzipiell selber zahlen muss. Aber bei einem steuerpflichtigen Einkommen als Familie mit einem Kind von maximal 65.000 Franken zahlt dies auch in der Schweiz das Sozialsystem. Die Grundversicherung kostet etwa 200 bis 250 CHF pro Monat, also etwa zwei bis drei Prozent des Brutto. Selbst wenn sie der Arbeitnehmer selbst bezahlen müsste, wären die Lohnnebenkosten um Dimensionen von jenen in Österreich entfernt.

Die Schweizer Verfassung verlangt, dass die Steuern und Abgaben jedes Jahr auf die Dezimalstelle genau an die kalte Progression angepasst werden. Es gibt einfach nicht mehr Geld für den Staat, das ihm nicht zusteht. Der Staat muss daher effizienter wirtschaften. Außerdem hängt über jeder Investitionsentscheidung auf jeder Körperschaftsebene das Damoklesschwert des Volksentscheides.

Die oben dargestellten Beispiele sind aus dem Kanton Zürich, welcher absolut kein Niedrigsteuerkanton ist.

Man sollte das alles einmal den Unternehmern und den Arbeitnehmern in Österreich erzählen. Denn das ist der Grund, weshalb den Österreichern vermutlich kaum Kaufkraft bleibt. In Österreich kostet allein der Arbeiterkammerbeitrag 0.5 Prozent des Bruttolohnes für einen Arbeitnehmer. Das ist die Hälfte des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung in der Schweiz. Weshalb lassen sich die Steuerzahler und die Unternehmer, die Angestellten und alle anderen das gefallen?

Die Politik in Österreich tut leider nur eines. In Absenz des Bewusstseins um diese schlechten Standortbedingungen der Bürger hat sie es leicht, die Arbeiter und die Angestellten gegen die Reichen, also meist die Unternehmer, aufzuhetzen. Dass an ihrer schwachen Kaufkraft die Staatsquote von 52 Prozent und die kalte Enteignung schuld sind, verstehen die meisten Arbeitnehmer leider nicht.

Vermögenssteuer

In der Schweiz gibt es tatsächlich auch eine Vermögenssteuer. Allerdings in sehr bescheidener Höhe. Je nach Kanton ist diese stark unterschiedlich. Sie bewegt sich bei Vermögen von 500.000 CHF bis 1.500.000 CHF zwischen 0.03 Prozent und 0.5 Prozent. Viele Kantone haben bei dieser Vermögenshöhe eine Vermögenssteuer im Bereich von 0.1 Prozent bis 0.3 Prozent jährlich. Zusätzlich gibt es vernünftige Absetz- bzw. Freibeträge. Je nach Kanton, Zivilstand und Anzahl der unterhaltspflichtigen Kinder betragen diese zwischen 80.000 und 200.000 CHF. Umgekehrt sind interessanterweise selbst jene, die nur ein kleines Vermögen besitzen, nicht ausgenommen. Aber die Freibeträge und die Steuersätze machen die Belastung sehr gering. Dafür ist die Einkommenssteuer bei kleinen und mittleren Einkommen (bis 100.000 CHF) beinahe inexistent (siehe oben).

Ausserdem gibt es keine Kapitalerstragssteuer auf Kapitalgewinne.

Daher stört den Arbeitnehmer und den Unternehmer die Vermögenssteuer nicht wirklich. Nur für äußerst große Vermögen ist die Vermögenssteuer an sich höher. Dafür gibt es aber auch Gestaltungsmöglichkeiten, etwa über den Wegzug in einen Niedrigststeuerkanton mit sehr geringen Vermögenssteuern und diverse anderen Konstruktionen.

In der Schweiz wird es daher ermöglicht, ein Vermögen aufzubauen. Wenn man betrachtet, dass Einkommensteuersätze bei 60.000 CHF vernachlässigbar sind (also etwa 2,5 bis 5 Prozent), bei 100.000 CHF brutto Jahreseinkommen die Einkommensteuersätze bei etwa 5 bis 10 Prozent liegen (Kanton Zürich) und selbst bei 200.000 CHF brutto Jahreseinkommen die Einkommensteuersätze nur zwischen 15 und 20 Prozent liegen, dann erkennt man, dass ein Vermögensaufbau sogar erwünscht ist.

Auch ohne spezielle Gestaltung mit Stiftungen wird bis fünf Millionen Franken ein Vermögensaufbau absolut nicht behindert. Das fördert einen starken Mittelstand.

Einen Unternehmer stört die Vermögenssteuer auch aus anderen Gründen nicht:

  1. Er kann das Stammkapital aus Gesellschaften steuerfrei als Dividende ausschütten
  2. Die Besteuerung von Dividenden/Ausschüttungen ist steuerlich begünstigt, sofern man mindestens zehn Prozent am Stammkapital einer Gesellschaft hält.

Diese steuerliche Begünstigung führt zu Steuersätzen auf diese ausgeschütteten Dividenden von sieben bis 13 Prozent, je nach Wohnsitzkanton der Person, welche die Dividenden erhält. Im Endeffekt erhöht also die Vermögenssteuer die Dividendenbesteuerung etwas. Mehr aber nicht.

Die Betrachtung der gesamten Steuerlast erklärt, weshalb die Vermögenssteuer in der Schweiz zwar existiert, aber nicht wirklich störend ist. Denn in der Gesamtbetrachtung spürt man sie nicht wirklich.

Erläuterungen zur Quellensteuer

Quellensteuer zahlt ein Ausländer mit L- oder B-Aufenthaltsbewilligung (also ohne permanentes Aufenthaltsrecht). Sie ist ein Annäherungswert für die gesamte Einkommenssteuerbelastung (inkl. Gemeindesteuer, Kantonssteuer und Bundessteuer). Sie ist also die Einkommenssteuer für den Ausländer. Die Gesamtbelastung durch die Quellensteuer ist aber auch ein Annäherungswert für die Gesamtbelastung für den Schweizer Staatsbürger oder jene Personen mit permanenter Aufenthaltsbewilligung (C-Bewilligung).

Sobald der Ausländer eine C-Bewilligung hat, muss er die Einkommenssteuer auch als Arbeiter und Angestellter selbst abführen. Sie wird nicht mehr als Quellensteuer automatisch vom Lohnzettel abgezogen.

Wenn ein Ausländer mit L- und B-Bewilligung mehr als 125.000 CHF verdient, dann wird ihm die Quellensteuer schon auf dem Lohnzettel abgezogen, aber er muss sich dennoch veranlagen, das heißt eine Steuererklärung ausfüllen. Niedrige Einkommen müssen das nicht. Das heißt: Bei Einkommen über 125.000 ist für den Ausländer ohne permanente Aufenthaltsbewilligung die Wohnsitzgemeinde innerhalb des Kantons für die Steuerbelastung relevant. Denn wenn er in einer steuergünstigeren Gemeinde im Kanton wohnt, kann er aus den abgezogenen Quellensteuern durch die Veranlagung sogar noch Geld zurückbekommen.

Die Schweizer nennen die Einkommenssteuer für Ausländer deshalb Quellensteuer, weil sie an der Quelle, nämlich am Lohnzettel abgezogen wird. Man traut Ausländern, die unter fünf Jahre in der Schweiz wohnen und keine permanente Aufenthaltsbewilligung haben nicht zu, dass sie eigenverantwortlich die Einkommensteuer am Ende des Jahres selbst abführen und über das Jahr ansparen.

Dieses Misstrauen ist aber verständlich, da die Ausländer in den umliegenden Ländern ja keine Eigenverantwortung beim Abführen der Einkommenssteuer kennen, sondern diese in den anderen Ländern (etwa Österreich) immer gleich vom Lohnzettel abgezogen wird. Die Regel ist in der Schweiz aber ein Abführen der Steuern eigenverantwortlich am Ende des Jahres.

Weitere Erläuterungen

Anton Karl (1976) ist Verwaltungsratsvorsitzender einer Schweizer Holdinggesellschaft. Er hat davor in den USA, London, Frankfurt und der Schweiz studiert und bei mehreren internationalen Banken gearbeitet. Er ist in Mistelbach geboren, war Wiener Sängerknabe und ist Mag.iur. Er ist parteilos, hegt aber Sympathie für verschiedene Positionen des Schweizer Freisinns.

Drucken

Gegen den zeitgeistigen Hauptstrom

31. Januar 2014 00:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Welche Zeitung man auch aufschlägt, welchem Fernseh- oder Radiosender man den Vorzug gibt: Die Diagnosen, die im Zusammenhang mit der nicht enden wollenden Krise kolportiert werden, laufen meist stereotyp auf herbe Kapitalismuskritik hinaus. Die Therapieempfehlungen der durchwegs staatsverliebten Gesellschaftsquacksalber sind um nichts differenzierter: Stets werden international orchestrierte, hoheitliche Planungs- und Lenkungseingriffe in die Wirtschaft, sowie höhere Steuerlasten und damit eine Umverteilung von Freiheit, Geld und Macht von den Bürgern zu den Zentralbürokratien befürwortet. Subsidiarität? Individuelle Initiative und Verantwortung? Persönliche Haftung? Fehlanzeige! Das Politbüro soll und wird es – fürs Kollektiv – richten!

Umso erfreulicher ist es, gelegentlich kleine Inseln der Staatsskepsis und des bürgerlichen Selbstbewusstseins zu finden, wo man noch Unternehmertum und Freihandel hochhält. Eine davon ist der mittlerweile zum elften Mal abgehaltene „Vienna Congress Com.Sult“. Diese Konferenz dient Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik als Ort der Begegnung. Sie wird von durchwegs liberalem Geist getragen wird (sofern nicht – wie im Vorjahr – ein Robert Menasse das Impulsreferat hält).

Auch heuer konnten die Veranstalter prominente Redner nach Wien bringen. Darunter herausragende Wissenschaftler wie Carl Djerassi (den Erfinder der Antibabypille) oder Dan Shechtman (Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 2011 und gegenwärtig parteifreier Kandidat für das Amt des israelischen Staatspräsidenten) oder politische Schwergewichte wie Václav Klaus (ehemals Staatspräsident der Tschechischen Republik) und Phillip Blond („Mastermind“ der britischen Tories).

Die Worte von Industriellen-Präsident Georg Kapsch fallen etwas zwiespältig aus: Weist er zunächst darauf hin, dass „Europa auf Vielfalt gegründet ist“, fordert er unmittelbar darauf „mehr Integration“ – ohne im Detail auszuführen, was damit gemeint ist. Das will nicht recht zusammenpassen. In der Schaffung von Arbeitsplätzen sieht Kapsch die Hauptaufgabe der Politik. Daher übt er herbe Kritik an der europäischen Klimapolitik, die er im Gegensatz zu diesem Ziel sieht. Die Vertreibung der Industrie aus Europa sei im Hinblick auf die propagierte CO2-Reduktion kontraproduktiv, weil zum Beispiel in Fernost kaum Rücksicht auf den Schadstoffausstoß genommen werde. Ohne industrielles Wachstum gehe es nicht, weil in diesem Sektor – und nicht etwa im dienstleistungsorientierten Tourismus, wie viele meinen – die größte Wertschöpfung erfolge. Die USA zeigten vor, wie es geht. Auch für Europa gelte: „Wir brauchen mehr Freiheit!

Nobelpreisträger Daniel Shechtman bedeutete für viele Besucher eine echte Überraschung. Statt eines staubtrockenen Referats eines weltfremden Wissenschaftlers aus dem Elfenbeinturm legte er das flammende Plädoyer eines Praktikers für „technologisches Unternehmertum“ ab. An seiner Heimatuniversität in Haifa legt er größtes Gewicht darauf, seine Studenten zu unternehmerischem Handeln zu motivieren.

Nach einem Erfolgsrezept für Innovation und Wachstum für Österreich befragt, gibt er zur Antwort, dass „… man bereits im Kindergarten damit beginnen muss, für die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften zu werben.“ Schließlich würden alle relevanten Wachstumsimpulse und Fortschritte aus mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern resultieren. Eine seiner für die Teilnehmer aus Österreich besonders bemerkenswerten Aussagen lautet: „Die Regierung ist nicht dafür zuständig, Jobs zu schaffen!“ Besonders Universitätsabsolventen sollten besser selbst für ihre Arbeitsplätze sorgen, indem sie Unternehmen gründen.

Sein Lebensmotto, das er auch jedem anderen nahe legt, lautet: „Niemals aufgeben!“ Mit der politisch unkorrekten Feststellung, dass gebildete Frauen weniger Kinder hätten – was ein großes Problem bedeute, dem viel Aufmerksamkeit zu schenken sei „um uns selbst zu retten“ – rührt er an ein von den über die Deutungshoheit gebietenden Eliten weithin totgeschwiegenes Phänomen, mit dem heute viele entwickelte Gesellschaften konfrontiert sind.

Marcus Weldon, Präsident von Alcatel-Lucent, richtet sein Augenmerk auf Fragen der Innovationskapazität Europas im Vergleich zu jener der USA und konstatiert schwere mentalitätsbedingte Defizite der Alten Welt. Diese würden unter anderem in einem massiven „Brain-Drain“ ihren Ausdruck finden. Ein großer Teil der besten Köpfe des von ihm geführten Betriebes in den USA stamme aus Europa. Die in Europa weit verbreitete Angst vor dem Scheitern ziehe Tatenlosigkeit nach sich.

Unterbleibende Erfolge wären aber ein viel zu hoher Preis, der für vermiedene Misserfolge bezahlt werden müsse. Die vergleichsweise niedrige Zahl von Unternehmensgründungen in Europa sei Ausdruck dieser Verzagtheit. In den USA gelte man – anders als in Europa – nicht als Versager, wenn man es mit einem eigenen Unternehmen versucht, aber nicht geschafft habe. Die Regierungen Europas seien gefordert, Menschen zum Unternehmertum zu ermutigen.

Kritische Einschätzungen der EU

Phillip Blond, Direktor der konservativen britischen Denkfabrik „Res Publica“ und treibende Kraft hinter Premierminister David Camerons Politik der „Big Society“, konstatiert eine verhängnisvolle „Mischung aus öffentlichem und privatem Keynesianismus“ während der zurückliegenden Jahre. Die „Wirtschaftslokomotive Deutschland“ stehe wesentlich weniger gut da, als gemeinhin angenommen werde. Besonders die schlecht bezahlten Tätigkeiten hätten dort nämlich stark zugenommen. Die Lohentwicklung insgesamt stagniere dagegen seit vielen Jahren, Bond spricht von einer „Wage Depression“. Auch die Höhe der Investitionen ginge merklich zurück.

Er zitiert Hayeks Beststeller „Der Weg zur Knechtschaft“ und sieht eine Renaissance der kollektiven Knechtschaft heraufziehen. „Orthodoxe“ sozialistische Parteien in einer Regierungskoalition seien tödlich für jene Innovationen, die wir dringend benötigten. Die liberale soziale Marktwirtschaft von anno dazumal degeneriere in der deutschsprachigen Welt zum alles erstickenden „Wellfarism“.

Der Liechtensteinische Vizepremierminister Thomas Zwiefelhofer plädiert für eine strikte Haushaltsdisziplin, die in seinem Land auch konsequent vorexerziert werde. Liechtensteins Staatsschuld belaufe sich exakt auf Null – was den Wünschen einer deutlichen Wählermehrheit entspräche. Zwiefelhofer erweist sich insofern als recht untypischer Politiker, als er sich gegen Staatsplanung und -regulierung der Wirtschaft ausspricht. Der „eine-Größe-passt-allen“-Politik der EU steht er kritisch gegenüber.

Bernd Lucke von der bei den zurückliegenden Bundestagswahlen in Deutschland knapp am Einzug ins Parlament vorbei geschrammten AfD möchte die „Südstaaten“ der Eurozone (Zypern, Griechenland, Italien, Spanien und Portugal) nicht aus der EU „rausschmeißen“. Er befürwortet aber deren freiwilligen Austritt. Dass Europa ohne Euro nicht leben könne, sei ein jeder Realität entbehrender Mythos. Immerhin gäbe es mehrere in der Union befindliche Staaten, in denen bis heute nicht daran gedacht werde, ihre eigenen Währungen aufzugeben. Großbritannien sei seinerzeit sogar aus dem Europäischen Währungssystem ausgeschieden, ohne dass dies zu einem Kollaps geführt habe.

Gegen eine Gemeinschaftswährung sei dann nichts einzuwenden, wenn die der Währungsunion zu Grunde liegenden Bedingungen eingehalten würden. Dies sei im Fall des Euro von Anbeginn an nicht der Fall gewesen. Die EU funktioniere demzufolge seit Einführung des Euro schlechter als davor. Entgegen anders lautender Behauptungen der Regierenden und Darstellungen in den Medien diene der ESM keineswegs der europäischen Solidarität, sondern vielmehr der Umverteilung von Mitteln an den relativ reichen Süden, während die wirklich armen Länder des Ostens (etwa im Baltikum) leer ausgingen. Der vermeintliche Stabilitätsmechanismus ESM sorge dafür, dass dorthin, wo am schlechtesten gewirtschaftet werde, das meiste Geld fließe. Wohlstand werde aber allemal durch marktwirtschaftliche Prozesse, niemals jedoch durch diese konterkarierende Staatsinterventionen geschaffen.

Václav Klaus stellt fest, dass sich seit Ausbruch der Krise im Jahr 2008 nichts zum Besseren gewendet habe. Europa befinde sich in einer Sackgasse. Er sehe die Ursache dafür in Europas fortschreitender Zentralisierung und in einer „Unterdrückung der Nationalstaaten“. Das Problem seines Landes bestehe darin, 80 Prozent seiner Exporte in die EU zu tätigen – und dort gebe es kein Wachstum. Wir haben es derzeit nicht mit einem „Unfall“ zu tun, sondern mit systematischen Fehlern, so Klaus.

Die „paternalistische Wohlfahrtsstaatsatmosphäre“ in Europa sei tödlich für die Prosperität. Klaus spricht in diesem Zusammenhang von einer „postdemokratischen Ära“. Zudem habe die Einführung des Euro Probleme mit sich gebracht, die zuvor nicht bestanden hätten. Sämtliche Systeme fixer Wechselkurse seien früher oder später gescheitert.

Der Euro sei im Grunde nichts anderes. Die Südeuropäer wären zu Opfern des Eurosystems geworden. Sie sollten daher in ihrem eigenen Interesse die Eurozone verlassen. „Was wir nicht brauchen, sind mehr Gipfeltreffen in Brüssel. Wir benötigten vielmehr eine tief greifende Mentalitätswende in Europa. Was wir brauchen ist eine Freiheitsunion!“

Schade, dass keine maßgeblichen Größen aus dem Kreis der rezenten Regierungen der EU anwesend waren, um diesen gegen den Strich gebürsteten Ausführungen zu lauschen …

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien

Drucken

Warum Subventionen immer schlecht sind

27. Januar 2014 01:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Politik brüstet sich gerne der von ihr verteilten Subventionen, besonders im Hochsubventionsland Österreich. Unter viel Beifall. Verlangen doch die Interessenvertreter der Wirtschaft ständig noch mehr davon. Auch alle bedachten Unternehmen selbst freuen sich darüber. Und ebenso tun das Gewerkschaften & Co, einerseits weil auch viele Betriebsräte für Subventionsgelder zugunsten ihrer Firma lobbyieren. Und andererseits weil die Gewerkschaft im Gegenzug dann meist eigene Interessen wie die Sozialbürokratie ausbauen kann. Warum sind Subventionen dennoch absolut und grundsätzlich schlecht?

Aus zwei klaren Gründen: Erstens, weil beim Durchschleusen von Geld durch Bürokratie und Politik immer viel davon sinnlos verloren geht; und zweitens und vor allem wegen der Knappheit von Ressourcen (von Geld, von intelligenten Menschen, von Anlagen und Rohstoffen). Ein Euro, der für Zweck A ausgegeben wird, kann nicht mehr für Zweck B ausgegeben werden. Daher sollte es nie um den von Politikern und Medien gern betonten Aspekt gehen, dass Zweck A (meist) eh ein guter ist, sondern immer darum, dass es viel sinnvollere, zu mehr Nutzen führende Zwecke gibt. Das kann B sein, aber auch C oder D.

Es geht also immer um die relativ beste Entscheidung. Und da ist es millionenfach bewiesen: Der Eigentümer dieses Euros – wie auch jedes anderen –  ist im Schnitt weitaus am besten imstande, über dessen Einsatz zu entscheiden. Denn ihn trifft es immer selbst, wenn eine Verwendung suboptimal ist. Das heißt natürlich nicht, dass Eigentümer immer absolut richtig entscheiden (ich selbst werde etwa nie vergessen, einmal etliches Geld in Libro-Aktien investiert zu haben …). Das heißt aber mit Sicherheit, dass die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Entscheidung beim Eigentümer viel größer ist als bei einem Politiker oder Beamten. Denn die geben ja immer nur fremdes Geld aus.

Der Beamte sichert sich tausend Mal ab, verlangt für jede Entscheidung als erstes einmal ausreichend Dienstposten, geht von einer Kommission zur nächsten und bewegt sich immer im Mainstream, vermeidet also jedes Risiko. Und Politiker haben folgende Prioritäten im Auge: Wie wirkt sich das auf die nächsten Wahlen aus? Wie wirkt sich das auf meine persönliche Stellung im innerparteilichen Machtgefüge aus? Wie verkaufe ich es den Medien? Und: Kann mir niemand in absehbarer Zeit eine Fehlentscheidung vorwerfen (und nachher ist eh alles vergessen)?

Das sind alles normale, gesellschaftlich als regulär angesehene Verhaltensweisen. Da ist noch gar nichts Kriminelles dabei. Obwohl natürlich auch klar ist: Korruption kann es beim Verwenden eigenen Geldes gar nicht geben, sondern nur beim Ausgeben fremden Geldes.

Aus all diesen Gründen ist in der Tat jede einzelne Subvention prinzipiell falsch. Das einzig richtige wäre: Alle Subventionen weg und dafür die Steuern massiv herunter. Dann wären freilich viele Beamte, Kommissionen, Politiker sofort überflüssig …

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

2600 mal Unsinn hält auch Deutschland nicht aus

27. Januar 2014 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist vorerst nur eine Zahl. Aber sie wird die deutsche Wirtschaft grundlegend erschüttern: Die deutsche Regierung wird in mehr als 2600 Unternehmen eine zwingende Frauenquote für alle Führungspositionen einführen.

Diese Zahl hat nun die deutsche Familienministerin Manuela Schwesig von den Sozialdemokraten verkündet. Die Quote steht aber auch im deutschen Koalitionsvertrag.

Aber die Politik liebt nun mal den Zwang, das Regulieren, das Einmischen. Wetten, dass es nun diesen Unsinn auch bald in Österreich geben wird? Jungen, begabten, aufstiegswilligen Männern kann da nur noch das Auswandern empfohlen werden. Was angesichts auch der sonstigen EU-weiten Zu-Tode-Regulierung ohnedies schon Zehntausende getan haben. In Österreich. Und in Deutschland Hunderttausende.

Drucken

Kulterer und die Verbrechen der Politik

24. Januar 2014 01:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wolfgang Kulterer ist ein gebrochener Mann. Er wird auf Jahre hinter Gefängnismauern verschwinden. Es scheint zwar unbestritten, dass er nie etwas für sich selbst genommen hat. Trotzdem steht die – neuerliche – Verurteilung des Mannes zu Recht außer Diskussion. Sein schriftliches Geständnis war nur noch der Abschluss einer persönlichen Tragödie. Was aber noch viel gravierender ist: Selten ist die Dramatik der Schnittstelle zwischen Politik und Wirtschaft und der einseitige Missbrauch der Macht so offenkundig geworden.

In der Hypo ist mehr aufgebrochen als nur ein System Kulterer. Auf der Anklagebank müssen genauso die politischen Systeme aus Kärnten, Bayern und Österreich sitzen. Alle drei haben dazu beigetragen, dass der Schaden durch die Bank immer noch größer wurde.

Angefangen hat es in Kärnten. Kulterer hat vor ein paar Tagen in einem privaten Gespräch zugegeben, dass er als Bankchef dem ständigen Drängen der Großmannssucht und des politischen Balzgehabes des Jörg Haider immer wieder sträflich nachgegeben hat. Haider hat die Bank offenbar für sein Privatvermögen gehalten. Er hat geglaubt, über ein großes internationales Geldinstitut zu kommandieren. Dessen Tätigkeit ihm politisch nützlich sein sollte. Und Kulterer hat gehorcht.

Da in Osteuropa aber schon lange vorher andere (meist ebenfalls österreichische) Geldinstitute aktiv geworden waren, blieb für die Hypo nur das besonders riskante Geschäft vor allem auf dem Balkan. Ohne allzu sehr Vorurteilen nachhängen zu wollen, so kann man wohl schon sagen, dass in Südosteuropa der Hang zu – nennen wir es höflich: Luftgeschäften besonders groß ist. In Polen, Tschechien, der Slowakei oder den baltischen Staaten verhalten sich Geschäftspartner im Schnitt jedenfalls korrekter als jene auf dem Balkan (Gauner gibt’s überall). Eine Zeitlang konnte man auch Ungarn zum korrekten Teil der Reformstaaten rechnen. (Das ist heute wohl nicht mehr möglich, seit dort sehr gezielt gegen Ausländer vorgegangen wird.)

Gewiss würgen auch andere heimische Banken an osteuropäischen Investitionen. Aber sie haben offensichtlich doch ein wenig mehr Verantwortungsbewusstsein gezeigt. Privatwirtschaftliche Banken in Deutschland wie Österreich haben sich nachweislich deutlich vernünftiger verhalten als jene im Eigentum von politisch regierten Körperschaften. Sie taten das offensichtlich schon deshalb, weil sie rein bilanzorientert handeln, weil sie nicht von politischen Interessen oder auch vom Größenwahn eines Landeshauptmanns zusätzlich angetrieben werden. Obwohl sie gleichzeitig auch noch eine ordentliche Bilanz präsentieren sollten.

Jedenfalls hat in der Epoche von Jörg Haider die Hypo Alpe-Adria sehr riskant agiert. Und Kulterer ließ sich letztlich immer unter Druck setzen. Obwohl er oft Nein sagen hätte müssen, tat er das, was etwa auch bei der Bawag viele getan haben: Sie haben ständig dem Big Boss zugestimmt (ob sie innerlich dagegen waren oder nicht, ist schon egal). Sonst wären sie ja bald ihren Posten los gewesen. Und an dem hing ja de facto ihre ganze soziale und persönliche Existenz. Ein Mann ist offenbar nur durch seinen Beruf etwas wert.

Was bei Kulterer besonders handgreiflich ist: Denn er wurde jetzt – nach Jahrzehnten der Ehe – nicht nur vom Glück, sondern auch noch von seiner Frau verlassen.

Der Hypo ging es nach ihm aber nicht besser. Es folgte bald der Wechsel ins bayrische Eigentum, wo die Luftgeschäfte munter weitergingen. Die Bayrische Landesbank und die dahinter stehende Landesregierung glaubten, ähnlich wie das schon zuvor Kärnten versucht hatte, mit Brachialgewalt den Balkan-Bankenmarkt erobern zu können. Aber sie kamen naturgemäß noch mehr verspätet, als es ohnedies schon die Kärntner waren. Und sie kannten naturgemäß noch weniger den Balkan und ließen sich daher naturgemäß reihenweise in dubiose Geschäfte mit dubiosen Partnern ein.

Bis dann die Krise kam und die Hypo naturgemäß krachte. Sie wurde von den Bayern sofort mit spitzen Fingern an die österreichische Regierung abgeschoben. Und die war so blöd, sich die schwer marode Bank andrehen zu lassen. „Man kann doch Kärnten nicht in Konkurs gehen lassen“, sagte mir damals der amtierende Finanzminister Pröll, als ich meinte, für insolvente Unternehmen gebe es eine logische Folge: eben die Insolvenz.

Dabei müsste bei der von der Regierung bis heute abgelehnten Insolvenz eben auch Bayern seine Forderungen an die Hypo abschreiben. Ebenso wie Raiffeisen und viele andere. Und in Kärnten könnte man nicht mehr alles auf Haider abschieben. Das würde dem Steuerzahler sehr nützen. Aber da die Regierung kein großes Aufsehen will, wird dieser halt in den nächsten Jahren noch viel mehr bluten müssen.

Genauso teuer kommt uns die dritte Periode der Hypo: die der Verstaatlichung. Nach dieser wurden dort keine riskanten Geschäfte mehr gemacht, sondern der – neuerlich – politische Eigentümer sorgte für das Gegenteil: für völlige Lähmung. Mehr als drei Jahre geschah im Grunde nichts mehr. In der Bank hielt sich jeder bedeckt. Solange nur jeden Monat ein Gehalt bezahlt wurde. Wofür, blieb und bleibt freilich eher unklar.

Kulterer hat Gesetze gebrochen, kein Zweifel. Und er ist dafür zu bestrafen. Nur macht es wahnsinnig zornig, dass die noch viel teureren Fehler der Nach-Kulterer-Zeit, dass die Verbrechen der Politik ganz offensichtlich ohne jede strafrechtliche Konsequenz bleiben. In Bayern, in Wien und in Kärnten. Überall bräuchte es eine politische – und eine strafrechtliche Aufarbeitung der Taten von Politikern, die Banken kontrollierten.

Auch in Kärnten. Denn Haider hat ja die Riesenhaftungen für die Hypo nicht allein beschlossen, sondern mit der ganzen Landesregierung. Also mit Rot und Schwarz. Und die damaligen Landesräte haben sich nicht alle in einer Alko-Fahrt selbst getötet.

Aber wenn man das ordentlich aufarbeiten würde, müsste man ja auch die Geschäfte vieler anderer Landesregierungen aufarbeiten. In Banken, in Stromfirmen oder in Flughäfen. Da kümmert sich die Justiz doch lieber um Meinungsdelikte . . .

PS: Weil wir die Bawag erwähnt haben: Auch dort kann die unbestreitbare Schuld des verurteilten Bawag-Generaldirektors Elsner überhaupt nichts daran ändern, dass noch mehr der eigentliche Hintermann zu bestrafen wäre. Also der damalige Gewerkschaftspräsident Verzetnitsch. Dieser ist eindeutig der Hauptverantwortliche für den Schaden am Vermögen der Gewerkschaftsmitglieder. Er musste aber nie auf einer Anklagebank sitzen. Dorthin setzt man in Österreich ja offenbar nur die Elsners und Kulterers.

Drucken

Bitte liebes Ausland, nimm uns auch noch die letzten Banken ab

21. Januar 2014 01:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Banken sind so wie Energie-Unternehmen und Medien: Bei ihnen tut es einem Land viel mehr weh als in jeder anderen Branche, wenn das Eigentum ins Ausland wechselt. In diesen drei Branchen hat die Nationalität des Eigentums eine viel größere Bedeutung und mehr Folgewirkungen als in allen anderen. Auch wenn gewiss kein Ausländer diskriminiert werden darf und soll, macht es Sorge, wenn bei fast allen österreichischen Banken die Eigentumsrechte im Eilschritt ins Ausland gehen – und zwar nicht, weil irgendein Eigentümer aus besonderer Gier seine Aktien versilbert, sondern einzig wegen der konzentrierten Dummheit der Politik. Und wegen des ideologischem Hasses von Rot (und auch Blau) gegen alle Banken, obwohl diese das Herz jeder funktionierenden Wirtschaft sind.

Man erinnere sich: Creditanstalt, Länderbank, Zentralsparkasse, Bank Burgenland, Bawag, PSK. Das waren einst durchwegs und zur Gänze österreichische Banken. Sie haben das Land total beherrscht. Sie sind aber seither alle durch Politiker ganz oder teilweise gegen die Wand gefahren worden. Sie existieren heute großteils nicht einmal mehr unter ihrem alten Namen. Sie sind heute (ebenso wie andere kleinere Banken) in ausländischer Hand.

Keines der Nachfolgeinstitute ist heute noch österreichisch. Geschweige denn dass es so handeln würde. Auch die Bank Austria trotz des noch stolzen Namens nicht; sie wurde vom Wiener Rathaus an ein bayrisches Institut verkauft, und ging dann mit diesem wie auf dem Sklavenmarkt weiter an ein italienisches. Das Schicksal der Bank Austria ist schon weit enger mit dem Schicksal Italiens als mit dem Österreichs verbunden.

Da würde man denken, dass Österreich wenigstens die beiden letzten noch als österreichisch geltende Großbanken wie auch einige mittelgroßen Institute jetzt besonders pfleglich behandelt. Aber ganz im Gegenteil. Beim Raiffeisen-Spitzeninstitut ebenso wie bei der Erste Bank samt allen Sparkassen zerrinnt als Folge mehrerer politischer Maßnahmen der Aktienanteil des österreichischen Kernaktionärs wie der Inhalt einer Sanduhr. Mit offenbar unabwendbarer Stetigkeit. Da wie dort muss der einst sichere Großaktionär notgedrungen immer mehr Aktien verkaufen, um das Überleben zu sichern. Dabei waren das alles einmal rein österreichische Institute.

Es scheint bei beiden Großbanken nur noch eine Frage der Zeit zu sein: Dann werden Investoren im Ausland ihren gierigen Blick auf ein Institut oder beide werfen. Bei den Aktien im Streubesitz können sie sich ja ziemlich problemlos schrittweise bedienen, bis sie das Sagen haben. So ähnlich, wie es gerade jetzt ein Mexikaner mit Erfolg bei der Telekom Austria getan hat. Oder wie es die Lufthansa vor ein paar Jahren bei der AUA getan hat. Längst sind die Zeiten vorbei, wo – beispielsweise – die oberösterreichische Raiffeisen-Landesbank bei der Voest als Käufer entscheidender Aktienpakete einspringen konnte. Längst haben praktisch alle österreichischen Institute die für solche Aktionen nötige Luft verloren.

Dennoch hetzen Politik – Rotgrün an der Spitze –, Gewerkschaften und Freiheitliche ständig weiter gegen die Banken. Aber auch die ÖVP begreift deren Bedeutung nicht. Bankenhetze ist zwar populär, hat aber keinerlei ökonomisch nützliche Perspektive oder Strategie. Geschweige denn ein nationales Interesse. Kursgewinnsteuer, Bankensteuer, Transaktionssteuer, und ständig würgender werdende Regulierungen: All das wird öffentlich bejubelt, führt aber eben dazu, dass immer mehr Aktien verkauft werden müssen, damit diese Banken überleben können.

Während die Banken von der Politik unter Beifall von den Rängen ausgepresst werden wie eine Zitrone, war die Republik so blöd, sich die – teils durch Kärntner, teils durch bayrisches Verschulden total kaputte und schuldenschwere – Hypo Alpe-Adria andrehen zu lassen. Um diesen katastrophalen Fehler der Politik mit zu finanzieren, werden jetzt die anderen Banken besonders heftig ausgepresst. Diese haben dadurch noch weniger Österreichisch-bleib-Perspektive als früher (den großen Rest der Hypo-Fehlentscheidungen müssen wie immer die übrigen Steuerzahler brennen).

Dennoch wird weiterhin nicht gewagt, die Hypo endlich in Konkurs zu schicken, obwohl das Österreich viele Milliarden ersparen würde (weil dann ja auch Bayern sein in der Hypo steckendes Geld verliert). Aber offenbar fürchtet die Koalition, dass sie damit ihre vielen Hypo-Fehler eingestehen würde. Sie verschleppt daher den Konkurs weiter. Und sie ist nicht einmal bereit, den Banken eine Milderung der vielfältigen Folter anzubieten, damit ihr diese bei der Hypo vielleicht beistehen. Warum auch? Diese Regierung hat ja ohnedies die Steuerzahler als Geiseln. Und wer braucht schon österreichische Banken?

PS: Der ungarische Ministerpräsident Orban will offensichtlich alle im Land tätigen Banken – EU hin, EU her – wieder ins nationale Eigentum bringen. Ebenso übt die tschechische Notenbank üblen nationalen Druck auf Banken aus. Ebenso ist das Handeln der britischen Regierung in der EU stets vom Interesse der nationalen Banken geprägt. Umso schwerer verständlich ist, wie gezielt die offenbar nur von Ressentiments geprägte österreichische Bankenpolitik die noch vorhandenen Geldinstitute gezielt aus dem Land vertreibt.

 

Drucken

FN 564: Die imaginäre Deflation und die harten Fakten

21. Januar 2014 00:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Deflation droht, also ein Sinken aller Preise. Daher müssen die Zinsen leider gleich Null bleiben, trommeln nationale und europäische Zentralbanker.

Dabei beträgt in Österreich die offizielle Inflationsrate trotz Rückgangs noch immer zwei Prozent. Und die gefühlte (vor allem Lebensmittel und Energie) ist noch viel größer. Jetzt hat die österreichische Nationalbank eine überhaupt unglaubliche Zahl von amtswegen zugeben müssen: Von 2007 bis Mitte 2013 sind die Immobilienpreise um nicht weniger als 39 Prozent gestiegen, in Wien sogar um 80. In Worten: Achtzig. Aber all das bereitet der Nationalbank dennoch „keine Sorge“, wie sie sagt. Na super. Den Menschen, die eine Wohnung suchen, bereitet das nämlich sehr wohl große Sorge. Dennoch denkt die EZB nicht daran, den Sparern wieder Zinsen zu zahlen. Es ist auch klar warum: Höhere Zinsen müssten vor allem die völlig überschuldeten Staaten zahlen, die dann endgültig kollabieren würden. Daher halten die Parteigenossen der Regierungspolitiker in den Zentralbanken einfach weiterhin die Euro-Druckmaschinen in Gang. Tag und Nacht. Zum Nulltarif (für die ausgabensüchtigen Staaten). Als Raubzug (auf die Sparer, die sich nicht an Stelle des Sparbuchs ein Grundstück gekauft haben).

Drucken

Das Privateigentum ist abgeschafft

19. Januar 2014 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast alle Indikatoren für die Wirtschaft deuten nach oben. Ist die Krise nach sechs Jahren also nun wirklich zu Ende, wie etwa der Nationalbankpräsident verkündet? Oder befinden wir uns, wie viele andere meinen, bloß im Auge des Sturms, in dem es kurzfristig besonders ruhig ist, bevor es erst richtig wieder losgeht? Da niemand die Zukunft wirklich kennt, klammern wir uns an die Aussagen der Optimisten (alles andere würde uns ja ohnedies depressiv machen). Aber dennoch darf man einige jetzt schon feststehende Fakten nicht verdrängen. Dazu gehört vor allem die Tatsache, wer eigentlich die Krise bezahlt.

Das sind ganz eindeutig nicht die Griechen, Italiener oder Portugiesen. Auch wenn uns rührselige Medienreportagen das weismachen wollen. Deren Einkommen sind zwar gesunken – aber nur um einen Teil jener Prozentsätze, um die sie im ersten Jahrzehnt weit über die deutsche Entwicklung hinaus er- und damit überhöht worden sind. Daher ist auch ein leichtes Zurücksinken der Preise in jenen Ländern noch alles andere als eine Deflation. Noch immer fährt man ja keineswegs so wie in Vor-Euro-Zeiten zum billigen Einkaufen nach Italien und Umgebung (sondern wegen Landschaft, Klima, historischen Attraktionen, gutem Essen oder netten Menschen).

Die Krise hat jemand ganz anderer bezahlt. Und bezahlt sie jeden Tag weiter. Das sind die Sparer. Das sind jene Menschen, die sich mit den Erträgnissen ihres Arbeitslebens ein komfortables Alter erarbeiten wollten. Deren Beraubung findet freilich kaum in rührseligen Medienreportagen Niederschlag.

Umso präziser hat sie Paul Kirchhof, der große deutsche Ökonom und Jurist, beim Namen genannt: „Eine Kernidee des Privateigentums ist abgeschafft.“ Kirchhof zeigt, dass das Rechtssystem instabil geworden ist. „Ein Fundament des Vertrauens ist zerstört.“ Einst war jedem Bürger als Grundrecht garantiert, dass ihm sein Finanzkapital jährlich einen Ertrag bringe. „Dieses Versprechen wird nicht mehr erfüllt.“ Kirchhof arbeitet vor allem eine Ursache dieser Enteignung heraus: Die EZB-Zinspolitik.

Dazu kommen die vielen Abgabenerhöhungen in Ländern wie Österreich. Dazu kommen die Raubzüge auf die Banken durch Transaktions- oder Bankensteuern. Dazu kommen die Attacken auf Anleger und Börsen wie etwa durch die Ausweitung der Kursgewinnsteuern.

Die Politik glaubt, solcherart die Krise widerstandslos zu überstehen. Der Raubzug durch steigende Steuern und die jährliche Entwertung von Sparanlagen geschieht heimlich und ohne Paukenschlag. Dieses Prinzip zieht sich derzeit durch die gesamte Wirtschaftspolitik. So wird ja auch bei der Hypo-Alpe-Adria anstelle der notwendigen Insolvenz, die den Österreichern viele Milliarden ersparen würde (insbesondere zu Lasten Bayerns), eine auf Jahrzehnte gehende Mega-Belastung der Österreicher vorgezogen.

Nur kein Paukenschlag! Dafür trifft es voll die Sparer und Steuerzahler.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Herr Mitterlehner, Ihren Rücktritt bitte, aber rasch!

17. Januar 2014 01:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hat auch nur ein einziger Österreicher in den letzten Tagen einen Protest des Wirtschaftsministers gehört? Gegen die absurden Belastungen der Wirtschaft durch die Koalition, wie es etwa die Abschaffung des Gewinnfreibetrags ab 30.000 Euro Gewinn ist oder das weitgehende Ende der einst jahrelang von der Wirtschaft geforderten GmbH light? Gab es zumindest hinhaltenden Widerstand des Ministers gegen solche Belastungen?

Nein, mit Sicherheit nicht. Herr Mitterlehner steht vielmehr immer an der Spitze, wenn es um Belastungen der Wirtschaft geht und damit um eine Vergrößerung der Arbeitslosigkeit. Der Mann ist einfach fehl am Platz. Und sollte diesen schleunigst räumen.

Mitterlehner war vor kurzem auch einer von acht europäischen Ministern, die sich in einem gemeinsamen Brief stark gemacht haben für noch schärfere Kyoto-Vorgaben. Während hingegen die EU-Kommission selbst (zum Glück) eine Milderung dieser arbeitsplatzvernichtenden Regeln beabsichtigt. Man könnte ja noch irgendwie verstehen, wenn ein Umweltminister solche teuren Regeln ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Verluste verlangt (wenngleich es auch auf dessen Briefpapier eine schädliche und damit dumme Idee wäre). Aber bei einem Wirtschaftsminister sind solche Vorschläge nur noch absurd.

Mitterlehner hat voller Regulierungswut auch mehrfach Preisregelungen eingeführt statt abgeschafft. Er war begeistert dabei, wenn Steuerzahlergeld leichtfertig für die Subvention von Autoankäufen verschleudert wurde („Verschrottungsprämie“). Und so weiter.

Völlig fassungslos macht aber vor allem der allerjüngste Vorstoß des Herrn: Er äußerte als erstes Regierungsmitglied die Wahnsinnsidee, Firmen zu zwingen, Lehrlinge einzustellen. Zwingen! Seiner Meinung nach gebe es nämlich 10.000 Firmen, die Lehrlinge einstellen könnten, es aber nicht tun. So hat er es zumindest im Radio begründet. Wo auch immer Mitterlehner diese Weisheit hernimmt.

Daher hält er neben der jetzt von der Regierung beschlossenen Ausbildungspflicht auch eine Einstellungspflicht denkbar, die den Unternehmen auferlegt werde: "Auch diese Diskussion wird sich möglicherweise stellen, wenn es nicht funktionieren sollte.“

Diesem ÖVP(!)-Minister ist offenbar seine Busenfreundschaft mit dem Altgewerkschafter Hundstorfer, dem man solche Ideen zutrauen kann, wichtiger als jeder Hauch von Marktwirtschaft. Es ist ja eigentlich unvorstellbar, dass Mitterlehner noch nie die Berichte zahlloser Betriebe gehört hätte, die seit Jahren verzweifelt halbwegs verwendbare Lehrlinge suchen.

Sie verlangen von diesen ohnedies nur noch Minimales: Rechnen im Zahlenraum bis Zehn. Grüßen, wenn man in ein Zimmer kommt. Aufschriften zumindest im wesentlichen Sinn lesen können. Halbwegs pünktliches Erscheinen am Morgen. Fähigkeiten, die eigentlich schon in der ersten Volksschulkasse vermittelt werden sollten.

Jedem, der das kann, dem wird heute der Rote Teppich ausgerollt. Man schaue nur auf die gerade jetzt wieder ringsum affichierten Plakate: „Komm als Lehrling zu unserer Firma!“ Noch vor einem Jahrzehnt hat kein Mensch um Lehrlinge geworben. Heute sind diese hingegen gesuchte Mangelware (eben sofern sie die genannten Fähigkeiten beherrschen). Dennoch gibt es Tausende – meist, aber keineswegs nur Immigranten, – die an diesen Anforderungen scheitern. Für die daher staatliche Lehrwerkstätten geschaffen werden mussten.

Aber diese Koalition will offenbar ganz etwas anderes. Zwang. Einstellpflicht. Arbeitgeber sollen nicht einmal mehr bei der Einstellung von Mitarbeitern eine Entscheidungsfreiheit haben.

Gewiss, in kommunistischen Staaten hat ebenfalls der Staat angeordnet, wer wo eine Stelle bekommt. Aber es hat sich nicht als sonderlich sinnvoll erwiesen. Und in einer westlichen Demokratie ist das überhaupt ein unglaublicher Vorschlag. Und bei einem direkt aus der Wirtschaftskammer in die Regierung gelangten Politiker ist das nur noch unfassbar.

Eigentlich müsste ja eine solche Wirtschaftskammer an der Spitze jener stehen, die spätestens jetzt Mitterlehners Abschied verlangen. Aber was will man von einer Kammer, deren Präsident doch laut Medien die jüngste Regierungsklausur glatt so gelobt hat: Nun gelte es, die Pläne rasch in die Tat umzusetzen. Und der sich dann einen Tag später in einem Vortrag selbst gerühmt hat, ein Alt-68er zu sein.

Als solche wurden bekanntlich jene Studenten bezeichnet, die weltweit die Abschaffung des Privateigentums und für Vietnam die Machtübernahme durch die Kommunisten gefordert haben. Vor denen dann Hunderttausende unter Lebensgefahr geflüchtet sind. Aber Herr Leitl ist eben heute noch stolz darauf, selbst ein solcher 68er gewesen zu sein. Und er hat daher auch keine Probleme mit einem solchen Wirtschaftsminister.

PS: Auch ich bin 1968 an die Uni gekommen. Aber ich habe zum Unterschied von Leitl die Bezeichnung „68er“ immer als Beleidigung empfunden.

PPS: Propagandisten der Regierung beschwichtigen: Es gibt ja auch die eine oder andere neue Förderung. Diese Propagandisten begreifen offensichtlich genauso wenig wie Mitterlehner, dass diese Förderungen nur einen Bruchteil des zuerst durch Steuererhöhungen abgenommenen Betrags ausmachen. Und vor allem: dass es zehnmal gescheiter wäre, den Menschen erst gar nicht so viel Geld abzuknöpfen, bevor man dieses durch eine teure und bürokratische Umverteilungsmaschine großteils vernichtet und einen kleinen Teil davon an ein paar schlaue Subventionsempfänger gibt. Die Menschen selbst würden das Geld jedenfalls immer viel besser einsetzen, als das Bürokraten oder Politiker vermögen.

 

Drucken

Jubel für ganz Europa: Frankreich erwacht

15. Januar 2014 02:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eindrucksvoll: Nach Italien haben nun auch in Frankreich die Sozialisten erkannt, dass linke Sprüche nur in noch mehr Sackgassen führen. Präsident Francois Hollande ist über Nacht auf eine klare und liberale Wirtschaftspolitik gewechselt. Man staunt.

Der französische Präsident hat die Periode sozialistischer Rhetorik (die einst der SPÖ so gut gefallen hat) und wahnwitziger linker Steuererhöhungsideen hinter sich gelassen. Er hat erkannt, was die einzige Strategie ist, um ein darniederliegendes Land wieder aufzurichten: eine Politik für Wirtschaft und Unternehmer. Nachdem diese in den letzten beiden Jahren nur beschimpft und noch mehr niederreguliert worden sind, hat Hollande jetzt den Kurs um 180 Grad gewendet.

Er verspricht der Wirtschaft 30 Milliarden an Steuererleichterungen und etliche gesetzliche Fördermaßnahmen. Zugleich will er massiv sparen. Noch spannender: Er prangert in seinem großen Neujahrsauftritt „Exzesse" und „Missbrauch" in den sozialen Sicherungssystemen an.

Vor allem der letzte Punkt war ja in der Verdrängungswelt der europäischen Sozialisten bisher ein absolutes Tabu. Und jetzt schließt sich ausgerechnet Hollande der auch vom britischen Premier Cameron vorangetragenen Kritik am Sozialmissbrauch an.

Ähnliche Vorschläge wie Hollande haben in den letzten Tagen auch die italienischen Sozialisten gemacht. Beide Male ist man lebhaft an die Agenda 2010 erinnert worden, mit welcher der deutsche Sozialdemokrat Gerhard Schröder (in Absprache mit Angela Merkel) im letzten Jahrzehnt tiefe Einschnitte ins Wohlfahrtssystem gewagt hat. Das hat Deutschland aus einer fast genauso schlimmen Not, wie sie jetzt die Südeuropäer plagt, heraus an die Spitze Europas katapultiert. Man könnte aber auch an Margaret Thatcher denken, die ein völlig kaputtes Großbritannien saniert hat, und an Tony Blair, der ihre Leistung eindrucksvoll fortgesetzt hat. Natürlich gibt es für solche Leistungen nie den Dank der sogenannten Intellektuellen. Diese träumen lieber von linken Phrasen. Aber diese Reformen sind absolut lebenswichtig.

Natürlich: Das sind erst Ankündigungen. Da könnten noch genug Pferdefüße damit verbunden sein, welche die 30 Milliarden und die sonstigen Ankündigungen wirkungslos machen. Vor allem muss Hollande noch viel präziser und genauer definieren, wie und wo überall der Sozialmissbrauch reduziert werden soll. Gewerkschaften, harte Linke und verträumte Gutmenschen werden jedenfalls erst einmal fürchterlich aufheulen und demonstrieren.

Es wird aber – hoffentlich – nichts nutzen. Hoffentlich hat Hollande jetzt wirklich erkannt, dass er all das jetzt Versprochene auch wirklich voll umsetzen muss, damit das Land zumindest eine kleine Chance bekommt, einem Crash zu entgehen. Wenn er jetzt hingegen nicht konsequent bleibt, sind er und Frankreich endgültig verloren.

Es ist jedenfalls die erfreulichste Nachricht seit Jahren aus Frankreich. Mit wem hingegen Monsieur Hollande seine Nächte verbringt, sollte auch künftig seine Privatangelegenheit bleiben (und die der betroffenen Frauen). Wichtig ist nur, dass er tagsüber die eigenen Worte ernst nimmt: „Es gibt keine Zeit zu verlieren“.

Was aber tut zur gleichen Zeit die österreichische Regierung? Sie schickt ein umfangreiches Steuererhöhungspaket aus, das hierzulande vor allem die unternehmerische Initiative reduzieren wird. Wer hätte das gedacht, dass man einmal den Herrn Faymann und Spindelegger sogar Francois Hollande als positives Vorbild vorhalten muss. Aber Faymann versteht sich halt noch immer als verlängerter Arm der Gewerkschaft. Was ihm zwar innerparteilich Ruhe verschafft, aber Österreich enorm schadet. Und der offizielle Vertreter der österreichischen Wirtschaft kümmert sich lieber um die Zerschlagung eines guten Schulsystems durch linken Gesamtschulzwang als um die österreichischen Unternehmer. Sein Parteichef spricht von Entfesselung und macht das Gegenteil.

Drucken

Diese Welt lässt mich staunen oder: Der Kampf der Freiheit gegen die Zwängler

14. Januar 2014 01:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vieles in dieser Welt bringt mich ins Staunen: der neue Mut der BBC wider die bisher ihre eigene Politische Korrektheit; das Verhältnis von katholischen Bischöfen zu kapitalistischen Insolvenzen; die Selbstauflösung von einst übermächtigen Parteien; die Erprobung neuer Erfindungen in der Schweiz, noch bevor diese zur allgemeinen Pflicht gemacht werden (ja, das ist dort erlaubt); die totalitären Attitüden schwarzer und grüner Landespolitiker; die Androhung einer dreijährigen Haft in Polen für Bagatelldelikte; das Desinteresse der jungen Österreicher am Gender-Schwachsinn der alten Frauen; das Verhältnis der Thais zur Demokratie; die Hartnäckigkeit der schwulen und lesbischen Lobbys. Eigentlich schön, wenn man so viel findet, über das man noch staunen kann.

Mehr als erstaunlich ist der leitende BBC-Redakteur Nick Robinson: Er gibt zu, dass die BBC vor und nach der Jahrtausendwende „fürchterliche Fehler“ bei ihren Berichten über Immigration gemacht hat. Die Berichte seien einseitig gewesen und haben die Sorgen der Zuschauer in Hinblick auf Einwanderer nicht ernst genommen. Die BBC habe nämlich geglaubt, dass eine offene Debatte über dieses Thema „einige schlimme Seiten der britischen Öffentlichkeit von der Leine lassen“ würden. Auch eine offizielle Untersuchung des „BBC-Trust“ hat ergeben, dass die BBC bei diesem Thema eine schwere Schlagseite hatte. Diese Selbstkritik ist nicht nur richtig, sondern auch toll und eindrucksvoll. Der Mut hängt zweifellos mit der tiefverwurzelten Fairness der Briten zusammen wie auch mit der Erkenntnis, dass Medien primär objektiv zu sein haben und nicht manipulative Volkserzieher. Und damit, dass Medien nur dann Seher und Leser haben, wenn sie nicht ständig gegen deren Interessen schreiben. Vom ORF und den anderen österreichischen Medien hingegen werden wir solche Selbstkritik wohl nie erleben. Die verlieren lieber den letzten Seher und Leser. Und der ORF-Chefredakteur tritt lieber eitel in Filmchen mit drittklassigen Schauspielern auf, als einmal ehrliche Selbstkritik zu versuchen.

Mehr als erstaunlich ist die Insolvenz des katholischen deutschen Weltbild-Verlags. Die verantwortlichen Bischöfe haben zu Recht argumentiert, dass sie den Kirchenbeitragszahlern nicht 160 Millionen als weiteren Zuschuss für die zeitweilige Rettung des Verlags abknöpfen wollen. Ganz anders klingen freilich ihre Worte, wenn es privatwirtschaftliche Eigentümer sind, die eine Insolvenz anmelden müssen. Dann schließen sich Kirchenmänner immer ungeprüft als erste der Polemik der Gewerkschaften gegen die insolvent gewordenen Unternehmer an. Die Gewerkschaften behaupten immer automatisch, dass die Eigentümer schuld an der Insolvenz seien, weil sie früher mit ihrem Unternehmen gut verdient hätten. Dasselbe sagen sie jetzt zum Weltbild-Verlag. Auch hier, egal obs stimmt oder nicht. Aber kein Bischof plappert diesmal die Gewerkschaftsworte nach. Warum nur?

Mehr als erstaunlich ist die totale Selbstauflösung einer noch vor kurzem großen europäischen Partei. Die HZDS, die unter Vladimir Meciar die Slowakei jahrelang regiert und dabei auch die Loslösung von Tschechien beschlossen hat, gibt es nicht mehr. Vielleicht sollten sich auch manche österreichische Parteien ihrer eigenen Sterblichkeit bewusst werden.

Mehr als erstaunlich sind die Ergebnisse der ersten echten Einsatzstudie von Smartmeters, mit denen die EU sämtliche Haushalte zwangsbeglücken will. In der Schweiz hat man diese nämlich zuerst(!) im Einsatz getestet, noch bevor man über ihren Einsatz entschieden hat. Das ist ja eine für die EU eher unbekannte Vorgangsweise. Dabei haben die Schweizer entdeckt, dass Smartmeter nur dann Stromeinsparungen bringen (und selbst die sind nur minimal), wenn jeder Haushalt rund um die Uhr den jeweiligen Strompreis beobachtet. Bei günstigen Preisen sollten also rasch Waschmaschine und Geschirrspüler eingeschaltet werden. Bei taglangem Nebel und Windstille jedoch nie. Was ziemlich absurd ist. Es gibt aber keinen Zweifel: Die Zwangsneurotiker in der EU werden solche Fakten weiter ignorieren.

Mehr als erstaunlich sind die Worte schwarzer Tiroler Landespolitiker zum Thema Gesamtschule. Auch sie träumen von einer Zwangsgesellschaft, in der die weise Obrigkeit alles anordnen kann, was die Menschen zu tun haben. Sowohl der Gendarm als Landeshauptmann wie auch seine Schullandesrätin ärgern sich daher über die „gesetzlichen Rahmenbedingungen“, die einer echten Gesamtschule im Weg stünden. Diese störenden Rahmenbedingungen bestehen freilich einzig und allein darin, dass Eltern, Schüler und Lehrer zustimmen müssen, wenn Gesamtschulen eingeführt werden. Da sind die Tiroler Landesherren und -frauen natürlich strikt dagegen. Demokratie, Entscheidungsfreiheit, Mitbestimmung? Wer braucht denn so etwas! Wichtiger ist, zweieinhalb Artikel in lokalen Zeitungen zu ergattern, wo ein paar Grünjournalisten für die Zwangsschule agitieren.

Mehr als erstaunlich sind die Vorgänge in Thailand. Dort wird wochenlang demonstriert, damit es – keine Wahlen gibt. Weg mit der Demokratie, wenn die Falschen gewinnen könnten.

Mehr als erstaunlich ist die Anklage, die jetzt in Polen einen ehemaligen Transportminister mit drei Jahren Haft bedroht. Er habe falsche Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht. Sein ganzes Delikt: Er hat vergessen, eine 4000 Euro teure Armbanduhr zu melden. Irgendwann verliert man das Verständnis, wenn die Korruptionsjäger so total übers Ziel schießen. Und weit Schlimmeres ignorieren. Angedrohte Strafen sollten zumindest halbwegs in Relation zum Delikt stehen. Sonst geht dem Rechtsstaat jede Legitimität verloren.

Mehr als erstaunlich war vor ein paar Tagen der „Schüler-Standard“: Gleich in zwei Kolumnen haben sich dort junge Autoren über die zwangsweise verordnete Sprach-Genderei lustig gemacht. Trotz Aufforderung fand sich laut der Zeitung niemand, der die Gegenposition vertreten würde. Das könnte wohl beim alten Standard nicht passieren. Das schafft aber die Gewissheit, dass mit dem Noch-Älterwerden der ohnedies schon alten Genderfrauen rund um Barbara Prammer, Eva Kreisky und Maria Rauch-Kallat diese Lächerlichkeiten wieder verschwinden werden (nur die Schulen, Unis und Bundeshymne werden halt noch ein paar Jahrzehnte nachhinken, weil ja dort das Gendern zwangsweise verordnet ist. Von der ach so klugen Obrigkeit und der Prammer-Rauch-Generation).

Mehr als erstaunlich ist, dass Europas Linke jetzt schon zum dritten Mal binnen weniger Wochen versucht, im EU-Parlament eine Resolution durchzubringen, um Lesben, Schwule & Co in eine privilegierte Situation zu bringen. Sie will Schwulen-Ehen europaweit durchsetzen (obwohl viele Länder sie ablehnen). Sie will schwule Meinungen und Versammlungen privilegieren. Diese sollen eine weit über den Schutz sonstiger Meinungen und Versammlungen hinausgehende Sonderstellung bekommen. Was alle Andersdenkenden früher oder später ins Gefängnis bringt.

Mehr als erstaunlich ist die Wortwahl von Grüninnen, wenn sie wie in Sachen Mariahilfer-Straßen-Abstimmung mit dem Rücken zur Wand stehen. Da verwendet die Frau Vassilakou für ihre Gegner das Wort „verlogen“ – und hat die Frechheit, zugleich die 850.000 Euro Steuergeld für ihre einseitige Pro-Autoverbots-Propaganda auch noch als Kosten der „direkten Demokratie“ zu rechtfertigen. Wer ist denn da wirklich verlogen, Frau Vassilakou?

Mehr als erstaunlich agieren auch die Vereinigten Staaten, wenn sie jetzt eine Friedenskonferenz für Syrien organisieren. Alle möglichen Nachbarn und Gruppen dürfen und sollen daran teilnehmen – nur der mächtig und mit Waffen und Soldaten in Syrien mitmischende Iran nicht. Das wird mit tausendprozentiger Gewissheit die ohnedies winzigen Chancen dieser Friedenskonferenz zerschlagen.

Mehr als erstaunlich ist es, dass sich der Weizenpreis dramatisch verändert, aber niemand Spekulanten und Banken attackiert. Freilich: Der Preis steigt nicht, sondern sinkt. Das bewirkt eine gute Ernte immer, so wie eine schlechte das Steigen von Preisen. Wir lernen: Spekulanten, über die sich Gutmenschen edel und laut erregen können, gibt es immer nur dann, wenn die Preise steigen. Wenn diese sinken, gibt es sie nicht mehr. Dann ist der Markt plötzlich wieder lobenswert und erwünscht.

Mehr als erstaunlich ist, wofür McDonald’s jetzt in Ungarn bestraft wird. Denn dem US-Konzern wird vorgehalten, dass er ein Produkt mit „Hühnerfleisch“ beworben hat, in dem auch Hühner-Haut zu finden ist. Abgesehen davon, dass die Haut ohnedies das Beste am Huhn ist: Wettbewerbs-Kontrolleure und Werbungs-Überwacher machen sich immer öfter immer mehr lächerlich.

Gar nicht erstaunlich ist hingegen, dass im jetzt grünrot regierten Baden-Württemberg ein neues Unterrichtsfach eingeführt wird: nämlich Homosexualität. Und ebenfalls nicht erstaunlich ist, dass gegen jenen Lehrer, der dagegen eine Bürgerinitiative gestartet hat, sofort mit einer Strafanzeige vorgegangen wird. Von Woche zu Woche wird es deutlicher: Die Grünen sind jene Partei, die nicht nur Homosexuellen, sondern auch totalitären Attitüden weitaus am nächsten steht.

 

Drucken

Zahltag!

10. Januar 2014 05:37 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Ökonomie ist die Kunst, den Leuten zu erklären, warum sie kein Geld haben. Makroökonomie dagegen versucht zu begründen, warum Staaten unentwegt Schulden machen. Carmen Reinhardt gehört zur Zunft der Makroökonomen. Gewöhnlich handelt es sich dabei um jene famosen Experten, die heute wortreich erklären, weshalb sie mit der gestern von ihnen abgegebenen Prognose falsch lagen. Immerhin zählt die Harvard-Professorin zu jenen Fachleuten, die sich nie ein Blatt vor den Mund nehmen und immer wieder mit Stellungnahmen auffallen, die den Regierenden keine Freude machen. Eine (zusammen mit ihrem Kollegen Kenneth Rogoff) anno 2010 herausgegebene Studie, wonach hohe Staatsschulden mit niedrigem Wirtschaftswachstum korrelieren, ist ebenso in bester Erinnerung, wie ihre im Vorjahr getätigte Aussage: „…die Pensionen sind im Arsch“.

Nun hat sie im Auftrag des Internationalen Währungsfonds (IWF), wieder zusammen mit Rogoff, einen Aufsatz geschrieben, der die Möglichkeiten zur Beilegung der Staatsschuldenkrise zum Inhalt hat. Das Ergebnis ist erschreckend – zumindest für diejenigen, deren Besitz das Ausmaß eines Gewerkschaftsausweises und eines Mietvertrags für eine Wohnung im kommunalen Plattenbau übersteigt.

Nach eingehender Untersuchung zurückliegender Krisen kommen die beiden Fachleute nämlich zu dem ernüchternden Befund, dass sämtliche bislang ins Treffen geführten Maßnahmen aus dem Arsenal der „finanziellen Repression“ bei weitem noch nicht ausreichen. Selbst der vom IWF zuletzt diskutierte „Haircut“ von zehn Prozent auf alle privaten Vermögenswerte würde demnach nicht annähernd zum angepeilten Ziel einer nachhaltigen Sanierung der öffentlichen Haushalte führen.

Nach Ansicht der Studienautoren schrecken die Regierungen noch immer davor zurück, ihren Untertanen die volle Wahrheit zuzumuten. Unbekümmert auf dem bisher beschrittenen Weg weiterzugehen, wäre nun indes nicht mehr lange möglich. Das Ende mit Schrecken sei nur noch kurze Zeit hinauszuzögern. Wie die Untersuchung zurückliegender Finanzkrisen zeige, würde jetzt – auf einem Höchststand der weltweit aufgenommenen Staatsschulden, wie er in den letzten 200 Jahren nie da gewesen ist – kein Weg daran vorbeiführen, „brachiale Maßnahmen“ zu ergreifen.

Der von Reinhardt/Rogoff beschriebene Giftcocktail wird sich zusammensetzen aus

Was in der Liste fehlt, ist nur die auf der Hand liegende, empfindlich zu verschärfende Strafverfolgung derjenigen, die ihr Eigentum vor den räuberischen Übergriffen des Fiskus zu schützen versuchen. Proudhon scheint am Ende also doch recht gehabt zu haben: Eigentum ist Diebstahl – zumindest dann, wenn es sich in privaten Händen befindet, die schwer dafür arbeiten mussten, um es zu schaffen…

Zweckoptimismus, wie er von den stets in öffentlichen Diensten handelnden Makroökonomen gewöhnlich verbreitet wird, sucht man in der vorliegenden Arbeit vergebens. Selten hat sich ein einschlägiges Papier in derart düsteren Farben präsentiert. Die Zeiten, in denen die Regierungen ihrer in Wirtschaftsfragen unbedarften Klientel (mehr als die Hälfte der Deutschen sehen sich nach eigener Einschätzung diesbezüglich als Analphabeten und im Rest Europas dürfte die Lage nicht besser sein), die Illusion einer nachhaltig schuldenfinanzierten Prosperität vorgaukeln konnten, scheinen sich ihrem Ende zu nähern.

Das Finale muss aber – zumindest aus der Sicht der Staatenlenker – gar nicht so besonders schlimm ausfallen: Immerhin ist die in Zypern im Vorjahr über die Bühne gegangene Generalprobe (Enteignung der Sparer und Verordnung äußerst rigider Kapitalverkehrsbeschränkungen) für die Obertanen mehr als zufrieden stellend verlaufen: Kein Aufstand, kein Bürgerkrieg, ja nicht einmal ernste Unruhen waren zu verzeichnen.

Daher könnte es ihnen nun angezeigt erscheinen, am ganz großen Rad zu drehen und beiderseits des Atlantiks Tabula rasa zu machen. Janet Yellen, die per Anfang Februar ihr Amt als Chefin der US-Notenbank FED antreten wird, könnte gerade zur rechten Zeit kommen, um ihren Beitrag zur Dezimierung privater Vermögen zu leisten.

Wohl dem, der über nennenswerte, dem Staat nicht bekannte Reserven verfügt. Denn es wird wohl ein grausames Gemetzel werden, das besonders den Mittelstand, das Rückgrat jeder Volkswirtschaft, schwer in Mitleidenschaft ziehen wird. Selbstverständlich wird das üble Spiel der Schuldenwirtschaft – nach einem weltweit orchestrierten Raubzug gegen Sparer und Vermögensbesitzer – erneut losgehen, wenn das Geldsystem nicht auf eine gänzlich andere Basis gestellt wird (was den Machthabern natürlich nicht im Traum einfällt). Dass das allgemeine Wohlstandsniveau nach dem Neustart allerdings wesentlich niedriger liegen wird als heute, liegt auf der Hand…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Sabbat-Jahr: Strategie zum Abbau der Arbeitslosigkeit?

07. Januar 2014 00:42 | Autor: Christian Freilinger
Rubrik: Gastkommentar

Es ist erwiesen, dass die Arbeitsplätze gut ausgebildeter und höher qualifizierter Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt sicherer sind. Pro Jahr brechen etwa zehn Prozent der vorhandenen Arbeitsplätze in der EU weg, weil deren Qualifikation nicht mehr benötigt wird. Durch den Technologiewandel entstehen aber nur drei Prozent neue Jobs. Dies erklärt, weshalb es trotz leicht wachsender bzw. teilweise stagnierender Konjunkturdaten nach wie vor eine hohe Anzahl von Arbeitslosen gibt, obwohl in vielen Unternehmen „neue Qualifikationen“ wie z.B. Experten in technischen Berufen sowie IT-Fachleute, für die etwa die Industrie 4.0 mit der 3D-Drucktechnologie kein Fremdwort ist, dringend, aber leider oft vergeblich, gesucht werden.

Just nach den Feiertagen wurden wir mit Jahresbeginn 2014 wieder in die harte Realität der Wirtschaft und Konjunkturentwicklung zurückgeholt.

Ende 2013 ist die Arbeitslosigkeit auf einen Höchststand von rund 360.000 Personen gestiegen und damit um zwölf Prozent höher als im Vergleichsmonat 2012. Wenn man die Teilnehmer an Schulungen des Arbeitsmarktservice (AMS) dazurechnet, waren knapp 430.000 Personen ohne Arbeit. Ende Jänner 2014 rechnet das AMS mit insgesamt rund 450.00 Arbeitslosen. Nach den Prognosen wird sich an diesen Zahlen so rasch auch nichts ändern, der Arbeitsmarkt soll sich erst Ende 2015 langsam erholen. Wir weisen mit diesen Zahlen bei der Arbeitslosigkeit zwar die niedrigste in der EU (abgesehen von Luxemburg), gleichzeitig aber die zweithöchste in Österreich seit 1945 auf.

Es gibt aber auch eine erfreuliche Nachricht: Die Zahl der Beschäftigten ist mit 3,3 Millionen auf einem schon lange nicht mehr gesehenen Höchststand.

Wer ist nun arbeitslos?

Es sind (abgesehen von den Pleiten in 2013) auf der einen Seite ältere Mitarbeiter, die ab dem fünfzigsten Lebensjahr ihren vorzeitigen Abschied aus dem Arbeitsleben nehmen, nehmen müssen bzw. mit sehr windigen Methoden aus den Unternehmen hinausgedrängt werden. Mit einem Bonus-Malus-System will man in Zukunft diesen meist völlig unangebrachten Aderlass von langjährigen Mitarbeitern, die einen großen Schatz an Erfahrungen mitbringen, unattraktiv machen.

Die Wirtschaftskammer Österreich berichtete allerdings jüngst, dass die Unternehmen derzeit so viele ältere Arbeitnehmer wie nie zuvor beschäftigen. Mit 784.000 Menschen über dem 50. Lebensjahr sind um 35.000 oder 4,7 Prozent mehr Personen dieser Altersgruppe beschäftigt als ein Jahr zuvor. Auch wenn diese Zahlen höchst erfreulich sind: Die Herausforderung besteht nach wie vor, dass nur Arbeitnehmer, die auf dem jeweils neuesten Stand des Wissens sind, auf die Dauer Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Es sind aber auch Mitarbeiter, deren Qualifikation nicht mehr den Erfordernissen entspricht, d.h. deren berufliche Qualifikation infolge des Technologiewandels plötzlich auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt ist. Auch hier gilt der weise Spruch: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“.

Auf der anderen Seite gibt es die ungenügend qualifizierten bis völlig unqualifizierten Menschen ohne ordentlichen Schulabschluss. Für diesen Personenkreis sind gesonderte Schulungsmaßnahmen nötig, um sie dann überhaupt in den Arbeitsmarkt eingliedern zu können. Das Sabbatjahr eignet sich für diesen Personenkreis nicht, da wahrscheinlich ein Jahr nicht ausreicht, um die entsprechende Qualifikation zu erwerben, die auf dem Arbeitsmarkt gesucht wird. Das Sabbatjahr dient der Weiterbildung von Menschen, die bereits im Berufsleben stehen bzw. standen und nicht der Ausbildung völlig unqualifizierter Personen.

Schulungsaktivitäten des Arbeitsmarktservice (AMS)

So erfreulich die Schulungsaktivitäten des AMS, die über private Bildungseinrichtungen auf Staatskosten abgewickelt werden, auch sind, zu hinterfragen sind das Niveau und in vielen Fällen der Sinn der Schulungen sowie die undurchsichtigen Strukturen, so die grüne Arbeitnehmersprecherin Birgit Schatz. Was bringen wiederholte Bewerbertrainings von Arbeitslosen, die über keine fachliche Qualifikation verfügen? Was bringen Computerkurse für einen gelernten Maurer, der noch nie einen Computer besessen hat und auch in Zukunft nie einen haben wird, so wie im Waldviertel vorgekommen? Das ist schlichtweg Unfug und rausgeschmissenes Geld.

Die klassische Dreigliederung in Ausbildung – Erwerbszeit – Ruhestand gilt nicht mehr. Sie muss abgelöst werden durch eine solide Grundbildung – Erwerbsarbeitszeit – gezielte Fort- und Weiterbildung – Erwerbsarbeitszeit – Fort- und Weiterbildung und so weiter. Wir leben heute in einer Lerngesellschaft, wir müssen in vielen Berufen während unserer Erwerbszeit mindestens sechs bis sieben Mal total umdenken.

Sabbaticals scheinen eine besonders geeignete Vorgangsweise zu sein, um der Forderung nach lebenslangem Lernen wirklich nachzukommen. Dabei ist es wichtig, nicht nur „dazuzulernen“, sondern auch zu „entlernen“.

Die Politik hat die Rahmenbedingungen für diese veränderten Anforderungen zu setzen.

Ursprünglich bedeutet Sabbatjahr (auch Brach-, Erlass- oder Ruhejahr) bei den Israeliten jedes siebente Jahr, in welchem nach dem mosaischen Gesetz die Felder nicht bestellt und Schulden nicht eingetrieben beziehungsweise sogar erlassen wurden und in dem für die hebräischen Sklaven die volle Freiheit eintrat.

Übertragen auf unsere Situation bedeutet Sabbatjahr, dass jeder Arbeitnehmer alle sieben Jahre das Recht und unter Umständen in fernerer Zukunft sogar die Pflicht hat, für ein Jahr aus dem Berufsleben auszuscheiden, wobei der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer nach diesem einen Jahr wieder einzustellen. Zweck des Sabbatjahres ist, dass sich der Arbeitnehmer gründlich weiterbildet, bzw. sich beruflich völlig neu orientiert, wenn dies erforderlich ist.

Wenn die fachliche Ausbildung mangelhaft, nicht mehr zeitgemäß ist, dient das Sabbatjahr dazu, die entsprechende Qualifikation so rasch wie möglich nachzuholen.

Vorteile des Sabbatjahres

  1. Die Arbeitslosigkeit könnte damit wirksam und rasch auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Bei einer konsequenten Einführung des Sabbatjahres würde jährlich ein Siebtel der arbeitenden Bevölkerung ausscheiden. Um diese Zahl würde der Arbeitsmarkt entlastet werden. Die Niederlande haben übrigens mit dem Sabbatjahr sehr gute Erfahrungen gemacht.
  2. Etwa alle fünf bis sieben Jahre verdoppelt sich heute durchschnittlich das enzyklopädische Wissen. Wissen wird in Zukunft eher noch rascher als langsamer zunehmen/sich verändern. Die Anforderungen werden noch weiter steigen. Das Sabbatjahr kommt diesem Trend entgegen.
  3. Durch das Sabbatjahr werden die Menschen zu einer sinnvollen und volkswirtschaftlich wichtigen Aufgabe, nämlich zu ihrer Weiterbildung neben ihrer beruflichen Tätigkeit, angeregt, während heute im Falle der Arbeitslosigkeit durch die entsprechende finanzielle Unterstützung nur ihre wirtschaftliche Existenz abgesichert ist. Ansonsten sind sie zur Untätigkeit verurteilt.

Gegenargumente und offene Fragen

  1. Es ist organisatorisch schwierig, Mitarbeiter, insbesondere Spezialisten und Manager, für ein Jahr zu entbehren. Insbesondere gilt dies für Mittel- und Kleinbetriebe.
    Dazu: Es ist sicherlich ein personal- organisatorisches Problem, das es hier zu lösen gilt. Aber gerade das Sabbatjahr soll ja dazu führen, dass mehr Menschen als jetzt beschäftigt sind, um den Aderlass an Arbeitskräften in die Arbeitslosigkeit aufzufangen.
    Zu überlegen ist auch, dass sich gerade in den Klein- und Mittelunternehmen mehrere Unternehmen zusammentun, um durch einen sinnvollen Personalausgleich von Spezialisten die auftretenden Schwierigkeiten aufzufangen.
    Es muss ja unter Umständen auch nicht ein ganzes Jahr eingeplant werden, sondern nur der Zeitraum, der zum Erwerb der nötigen jeweiligen neuen Qualifikation erforderlich ist.
    Zu überlegen ist auch, das Sabbatjahr vorerst auf freiwilliger Basis einzuführen. Dies ist in Unternehmen, die in dieser Hinsicht offen und zukunftsorientiert denken und handeln, auch heute schon möglich. Die Tarifparteien sind aufgefordert, die entsprechenden Modelle auszuarbeiten. In pädagogischen Berufen ist das Sabbatjahr auch heute schon üblich.
  2. Wie wird das Sabbatjahr finanziert?
    Ein Drittel der Kosten übernimmt das Unternehmen, ein Drittel der Staat und wiederum ein Drittel der Mitarbeiter. Es handelt sich um eine Investition in die Zukunft der Mitarbeiter aber auch der Unternehmen, die allen Beteiligten Nutzen bringen soll. Außerdem wird die Arbeitslosigkeit reduziert, was wiederum einen Kostenvorteil für das Sozialsystem und damit den Staat mit sich bringt.
    Mitarbeiter können schon heute in vielen Unternehmen Arbeitszeitguthaben (ein Zeitsparbuch) anlegen, die dann im Falle des Sabbatjahres verwendet werden können.

Zusammenfassung

Bedingt durch neue Technologien verändern sich die Anforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte dramatisch. Sie begleiten permanent unser Berufsleben und können nur durch gezielte Weiterbildung verkraftet werden. Durch das Sabbatjahr würden zwei Probleme ziemlich rasch beseitigt:

Das Sabbatjahr bedeutet eine pro-aktive grundlegende Umorientierung der gesamten Bildungspolitik, die gerade in rohstoffarmen Ländern immer mehr zu einer Überlebensfrage wird.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart. Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

Drucken

Kampfansage an den Mittelstand

03. Januar 2014 20:22 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das neue Jahr beginnt, wie das alte geendet hat: Mit einer Fortsetzung der Verschuldung öffentlicher Haushalte; mit inzwischen sogar von den Hauptstrommedien erkannten Kaufkraftverlusten für die Bürger und mit weiterhin tobendem Regulierungswahnsinn.

Die Ankündigung der US-Notenbank Fed, bei den Anleihenkäufen ein wenig bremsen zu wollen, ist alles andere als der Entschluss, mit der seit Jahren betriebenen Geldmengenausweitung aufzuhören. Und schon bald steht in den USA eine Neuauflage des ritualisierten Streits um eine Anhebung der Staatsschuldenobergrenze ins Haus. Die vorgeblich für eine sparsamere Haushaltsführung kämpfenden Republikaner werden – wie schon im Vorjahr – unter dem Druck der veröffentlichten Meinung erneut nachgeben. Die Obama-Administration wird daraufhin zu einem neuen Schuldenrekord stürmen und verstärkten Druck auf Euroland ausüben, es ihr gleichzutun. Im Westen also nichts Neues.

Aber auch mit dem Regulierungsirrsinn geht es weiter. Ob Glühlampen, Duschköpfe, Klospülungen, Privatwaffen, etc – nichts entgeht dem Ge- und Verbotsfuror der im Machtrauschmodus agierenden Eurokraten. Um das Setzen von Rahmenbedingungen geht es ihnen schon lange nicht mehr. Stattdessen ist permanenter Interventionismus angesagt. Und immer ist dabei der Bürger der Dumme. Entweder er bekommt gar nicht (mehr) zu kaufen, was ein freier Markt ihm jederzeit zu liefern bereit und imstande wäre, oder er hat – dank der durch Behördenauflagen bedingten Verteuerung der Produktionsprozesse infolge eines aufwendigen Papierkriegs – höhere Preise oder Nachrüstkosten zu schlucken und erleidet dadurch weitere Kaufkraftverluste.

Manch einer vermutet hinter dieser Entwicklung eine Verschwörung von Big Government und Big Business zu Lasten der Konsumenten. Doch nicht immer müssen Verschwörungen oder finstere Absichten im Spiel sein. Oft genug reicht auch der pure Unverstand der Initiatoren bestimmter Beschlüsse als Erklärung aus. Man denke etwa an die angeblich der Sicherheit dienende Registrierung von Privatwaffen, die außer Schikanen für die Betroffenen und höheren Verwaltungskosten nichts bringt.

Viele Regulierungen ziehen steigende Umsätze in bestimmten Branchen nach sich. Etwa dann, wenn Vorschriften erlassen werden, welche die Nutzung bestimmter Altgeräte oder -anlagen nur unter der Bedingung aufwendiger Nachbesserungen erlauben oder gar Neuanschaffungen erfordern. Schlichte Gemüter neigen dazu, das als wirksame Maßnahmen zur „Wirtschaftsbelebung“ zu bejubeln. Dass es sich dabei in Wahrheit aber um Fehlallokationen von Ressourcen und um Marktverzerrungen handelt, begreifen sie nicht. Für alternative, in aller Regel bedeutend wirtschaftlichere Investitionen stehen dann nämlich weniger Mittel zur Verfügung.

Unsinnige Bürokratie für Wirte

Es geht aber noch schlimmer. Als anschauliches Beispiel seien die mutwilligen Erschwernisse für die Gastronomie genannt, die derzeit geplant werden (Stichworte Allergenausweis und Rezepturverpflichtung). Die dräuende Vorschrift, die alle Gastronomen dazu zwingen wird, die in den angebotenen Speisen enthaltenen Inhaltsstoffe genauestens zu dokumentieren, wird kleineren Betrieben, in denen nach Gusto und Intuition des Küchenchefs, oft aber jedenfalls ohne Rezept gekocht wird, erhebliche Schwierigkeiten bereiten.

Wie etwa sollte der Wirt um die Ecke einer derartigen Verpflichtung Rechnung tragen, sofern er nicht auf industriell hergestellte Fertigprodukte ausweichen oder die Hälfte seiner Zeit für eine wild gewordene Bürokratie anstatt für den Dienst an seinen Kunden aufwenden möchte? Der anmaßende Plan, jede noch so kleine, unwahrscheinliche oder überhaupt nur in der Phantasie von Paranoikern existierende Gefahr ausschalten zu wollen, führt stets zur Behinderung von Innovationen, zur Beschäftigung von immer mehr Menschen in völlig unproduktiven Tätigkeiten (als Überwacher, Kontrolleur und Dokumentationsbeauftragter) und damit letztendlich zur Reduktion der Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. Unsere internationalen Wettbewerber, die des Irrsinns lichte Höhen bislang nicht so entschlossen erklimmen, werden die Begeisterung der Europäer an der Selbstbeschädigung erfreut zur Kenntnis nehmen…

Internationale, mehrheitlich amerikanische Ausspeisungsketten, die ihre nicht unbedingt gourmettauglichen Produkte in weltweit standardisierter Form feilbieten, werden mit der Kennzeichnungspflicht kaum Probleme bekommen. Ihre Kosten wären – umgelegt auf ihre schmale Produktpalette bei gewaltigen Stückzahlen – marginal. Mittelständische Betriebe mit einem vielfältigen Angebot indes werden entweder in erhebliche Schwierigkeiten geraten oder sich veranlasst sehen, ihrerseits auf die Lieferungen von Industrieprodukten umzusteigen und sich aufs Aufwärmen und Anrichten zu beschränken. Prost Mahlzeit! Wenn dann auch die kulinarisch verwöhnten Bürokraten in Brüssel nur noch ödes Junkfood zu fressen bekommen, wird ihnen möglicherweise ein Licht aufgehen.

Einmal mehr geht eine Vorschrift der EU klar zu Lasten von kleinen und mittleren Unternehmen. Das Muster ist immer das gleiche: Bürokraten verabscheuen die Vielfalt und lieben die Vereinheitlichung. Alles soll so homogen wie möglich und damit leicht kontrollierbar sein. Durch behördliche Auflagen erzwungene Angebotsstandardisierungen haben zwei Hauptwirkungen: Sie führen einerseits zu einer Verringerung der Angebotsvielfalt und anderseits zu einer Wettbewerbsverzerrung zugunsten großer Betriebe, die gegenüber den Kleinen Kostenvorteile infolge von Skaleneffekten lukrieren können.

Schon heute stehen Gastronomiebetriebe in der Insolvenzstatistik ganz weit oben. Durch Behördenauflagen, die in der Praxis vermutlich so gut wie unerfüllbar sind, wird sich das Angebot weiter ausdünnen, denn Kapitalausstattung und Margen liegen in dieser Branche heute schon auf einem beklagenswert niedrigen Niveau. Die EU setzt mit ihrem aktuellen Vorhaben einen – absolut vermeidbaren – weiteren Schritt in Richtung einer noch stärkeren Unternehmenskonzentration.

Die dafür vorgebrachten „Sicherheitsargumente“ sind mehr als fadenscheinig: Den (wenigen) Restaurantbesuchern, die tatsächlich an gefährlichen Lebensmittelunverträglichkeiten leiden, ist es zumutbar, bei der Bedienung entsprechende Auskünfte einzuholen. Dass ihretwegen alle anderen Kunden künftig mit unlesbaren Speisekarten, erhöhten Kosten und/oder freudlosem Fraß aus der Mikrowelle gequält werden sollen, ist schwerlich einzusehen.

Eines ist jedenfalls sicher: Bei nächster sich bietender Gelegenheit werden die Zerstörer des Mittelstandes mit Sicherheit wieder „Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Selbständigkeit“ oder „Offensiven zur Unternehmensgründung“ ankündigen. Das wirft ein grelles Licht auf deren wirtschaftlichen Sachverstand: Entweder die Eurobonzen agieren tatsächlich – zum kollektiven Schaden der Binnenwirtschaft – als bezahlte Handlanger der Großindustrie, oder sie und ihre Helfershelfer sind einfach unfähig, die Konsequenzen ihrer Handlungen abzuschätzen.

In beiden Fällen ist Das Urteil F. A. Hayeks eindrucksvoll bestätigt, der sich schon in den 1940er Jahren zur Feststellung genötigt sah, dass in politischen Systemen „…die Übelsten an die Spitze kommen.“ Wer könnte ihm widersprechen?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

Drucken

FN 546: Die Arbeitslosen und die Grünen

03. Januar 2014 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Arbeitslosigkeit hat den höchsten Stand seit 60 Jahren erreicht.

Nationale Aufregung? Keine Spur. Die Nationalbank erklärt ja im Gegenteil die Krise für beendet. Die Regierung tut, was sie seit 2008 tut: absolut nichts. Am unglaublichsten sind die Grünen: Sie fordern am gleichen Tag, da das bekannt wird, eine neue Erbschaftssteuer! Diese soll ab einer bestimmten Erbschafts-Höhe nicht weniger als 10 bis 25 Prozent ausmachen. Auch für Kinder. Da diese Steuer natürlich vor allem unternehmerisches Eigentum betreffen würde, stottern die Grünen herum, dass Unternehmern halt eine „Stundung“ gewährt werden könnte. Als ob man Gestundetes nicht genauso zahlen müsste. Die Pläne der Grünen – sie ziehen ja derzeit in eine Regierung nach der anderen ein – werden natürlich Unternehmer veranlassen, die Anstellung neuer Mitarbeiter noch mehr zu „stunden“, als sie es jetzt schon angesichts einer der höchsten Steuerlasten der Welt tun. Die grüne Blödheit macht wirklich fassungslos.

PS: Ach ja, die Grünen wollen damit Erleichterungen bei der Einkommensteuer auf Arbeit finanzieren. Vielleicht sagt einmal jemand dieser grenzintelligenten Partei, dass gerade jene unqualifizierten Niedrigverdiener, um die es geht, längst keine Einkommensteuer mehr bezahlen.

 

Drucken

Wir danken für Ihr Verständnis

30. Dezember 2013 23:19 | Autor: Thomas S. Hoffmann
Rubrik: Gastkommentar

Die ÖBB sind, wie Reisende wissen, stets für Überraschungen gut. So auch jetzt zu Beginn des Reisejahrs 2014. Die neueste Überraschung des Staatsunternehmens zielt auf Familien mit Kindern. Veranschaulichen wir uns das so:

Die Lebensabschnittspartner Claudine und Alex (sie Börsenfrau, er Chefarzt), außerdem Claudines Tochter Nora sowie Alex Neffe Sven, fahren per Railjet erster Klasse von Wien nach Innsbruck. Die Kinder sollen die neuen Hightech-Ski testen, die neben so manchem andern, was glitzert, unter dem Christbaum lagen. Nora und Sven haben zwei Schulkollegen, Mirjam und Nico, mit ihren neuen Snowboards und Handys dabei.

Gleichzeitig fährt die Kassierin Resi, deren Mann jüngst bei einem Arbeitsunfall ums Leben kam, mit ihren Kindern Franz, Michi und Max für ein paar Tage ins Waldviertel zur Oma. Resi reist zweiter Klasse im Regionalzug, die Reise ist das Weihnachtsgeschenk, das sie sich und den Kindern leisten kann.

Nun der ÖBB-Knaller zum Neuen Jahr: Beide Reisegruppen haben die neue ÖBB-Vorteilscard-„Family“ gekauft. Preisfrage: Wer zahlt jetzt, ab 2014, für mitreisende Kinder? Richtig: die Resi. Sonst niemand. Wir danken für Ihr Verständnis.

Es gibt Leute, die das für einen verfrühten oder vielmehr (da wir von der Bahn reden) verspäteten Aprilscherz halten. Es gibt andere, die sich einigermaßen aufregen. Aufregen nützt aber nichts, denn die ÖBB sitzen nach eigener Auskunft ganz unaufgeregt im Zug der Zeit. Man habe sich „an die Lebensrealität vieler Familien angepasst“, lässt die Presseabteilung wissen und verwendet dabei eine Floskel, die die inzwischen wohl meistgebrauchte bei der Kaschierung familienfeindlicher Maßnahmen ist. Vor allem aber lenkt man so von der unschönen Tatsache ab, dass man selbst soeben „die Lebensrealität vieler Familien“ verändert, insbesondere die der mehr als 170.000 Familien in Österreich, die, wie die Resi, drei oder mehr eigene Kinder haben und damit über dem Kinderlimit der Spießer von heute liegen, das heißt keine Lobby haben.

Diese Familien, deren Lebensrealität man gerade ändert, werden dann auch das jüngste Orakel von Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) nicht gleich verstehen. Die eher gesprächige als reflektierte Dame meint, mit der neuen Vorteilscard würden „noch mehr Familien die umweltfreundliche Bahn nutzen“.

Na klar, Chefarzt Alex hätte auch den Privatjet nach Innsbruck nehmen können, aber geht damit die Rechnung wirklich schon auf? So ganz einfach nicht. Die Statistik Austria unterrichtet uns eben nicht nur über insgesamt 170.000 österreichische Familien mit drei oder mehr Kindern, was den ÖBB offenbar grundsätzlich gleichgültig ist. Wir danken für Ihr Verständnis.

Die Statistik Austria meldet auch, dass es in Österreich jedenfalls deutlich weniger unverheiratete Paare gibt, die überhaupt Kinder haben (nämlich knapp 148.000), als Ehepaare mit mehr als drei Kindern (über 158.000). Aber selbst, wenn man das beiseite lässt (wir danken für Ihr Verständnis) und nur die Anzahl der Kinder unter 15 Jahren nimmt, stehen immer noch 529.000 Kinder verheirateter Paare 121.600 Kindern gegenüber, die bei unverheirateten Eltern leben. Das nur als Hinweis, wie schleierhaft es ist, wer hier auf wessen Kosten durch die ÖBB umworben wird. Schleierhaft ist dies freilich umso mehr, als diese Zahlen das eigentliche Problem noch gar nicht beleuchten. Das Problem liegt hier: Bisher konnte jeder, der Anspruch auf Familienbeihilfe hatte, zum Beispiel auch die Alleinerziehenden, bei denen in Österreich inzwischen etwa ein Fünftel der Kinder aufwachsen, mit gutem Grund die Vorteilscard „Familie“ lösen – unsere Resi auch, und zwar ohne sich für das dritte Kind entschuldigen zu müssen.

Genau diese soziale Rückkoppelung aber fällt – das ist des Pudels Kern – ohne erkennbaren Grund jetzt weg und wird allenfalls durch die Kinderobergrenze (zwei Stück pro zahlendem Single) kompensiert. Im Klartext: Der Steuerzahler, ohne welchen bekanntlich bei der ÖBB die Räder auch der Railjets nicht rollen, finanziert jetzt schlicht und einfach Halbpreistickets für jeden, der in den Bahnhof spaziert, sich zur Familie erklärt und irgendein Kind zur Mitfahrt findet, auch wenn ihn mit dessen Ernährung und Erziehung keinerlei „Lebensrealität“ verbindet.

In Holland hat vor zehn Jahren ein verwirrtes Wesen namens Jennifer Hoes sich selbst geheiratet. Was man schon damals als Symbol für die totale Atomisierung (um nicht zu sagen: Idiotisierung) der modernen Gesellschaft ansehen musste, zeigt heute um so mehr auf einen ideologischen Subtext, auf dessen Basis sich offenbar auch die ÖBB  anschicken, „die Lebensrealität vieler Familien“ mutwillig zu verändern. Wir ahnen, dass Eisenbahnen einen solchen Auftrag eigentlich nicht haben, danken aber für Ihr Verständnis.

Nachtrag: Und die Resi? Nun ja, die zahlt halt. Das haben die schwächsten Glieder schon immer getan. Wir wünschen allen Familien, besonders den Singles, weiterhin gute Fahrt.

Prof. Dr. Thomas S. Hoffmann lebt in Wien, lehrt Praktische Philosophie an der Fernuniversität in Hagen, war viele Jahre freier Mitarbeiter beim Feuilleton der FAZ und ist an sich überzeugter Bahnfahrer.

Drucken

Es geht uns besser! Geht’s uns besser?

27. Dezember 2013 00:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast stündlich werden wir derzeit mit guten ökonomischen Meldungen überhäuft. In der Tat: Eine Reihe von Wirtschaftsindikatoren zeigt nach oben. Das ist anzuerkennen und Grund zur Freude. Das Jahr 2014 könnte tatsächlich besser werden als die letzten Jahre. Was dieses erhoffte Bessergehen aber wirklich bedeutet, vor allem, wie langfristig es halten kann, wird sofort wieder zweifelhaft, wenn man ein bisschen tiefer in die Daten geht.

Dennoch bleibt vorerst einmal ein gutes Zwischenhoch festzuhalten:

Nach mehr als fünf schlechten Jahren hat man große Sehnsucht nach solchen Daten und Informationen. Jede einzelne wird da verständlicherweise mit Freuden begrüßt.

Da fühlt man sich fast als Spielverderber, wenn man daran erinnert, dass wir in den letzten Jahren schon allzu oft Krisen-Ende-Botschaften gehört haben. Es ist aber unabdingbar, neben diese frohen Botschaften auch die viel weniger frohen zu stellen. Denn die sind genauso Faktum. Und sie sind vor allem langfristig wirksam.

  1. In allen Wachstumsanalysen und -prognosen liegt eine Weltregion immer an letzter Stelle. Das ist die EU. Mit anderen Worten: Selbst wenn es in Europa wieder ein wenig aufwärts geht, dann ziehen sämtliche anderen Kontinente dem in jeden Hinsicht alten Erdteil mit seinen vielen Fußmaroden links und rechts davon.
  2. Keine gute Nachricht ist das allzu rasche Steigen der Börsenindizes. Das klingt zwar gut, bedeutet aber eine deutliche Flucht der Menschen in für relativ sicher gehaltene Anlagen. Weil eine Beteiligung an einem Unternehmen handfest wirkt, weil man dem Bargeld immer weniger traut, weil man den Sparbüchern und den vom Staat wie ein Selbstbedienungsautomat behandelten Banken noch weniger traut, und weil man am allerwenigsten darauf baut, das der Staat nicht doch noch den von Rot und Grün geforderten Raubzug auf private „Vermögen“ beginnt.
  3. Die Inflation ist laut den offiziellen Berechnungen des Verbraucherpreises zwar niedrig geblieben, aber die Menschen in den relativ stabilen Ländern flüchten dennoch weiter in Betongeld: Die Immobilienpreise für halbwegs guten Lagen sind neuerlich binnen eines Jahres um satte zweistellige Prozentzahlen gestiegen. Freilich wird bei diesen Fluchtversuchen ignoriert, dass dieser drohende Raubzug gerade die Immobilienbesitzer mit Sicherheit als erstes treffen wird. Das zeigen etwa schon die Wiener Pläne für eine neue Infrastrukturabgabe, die nichts anderes bedeutet als ein Ausweichen der rotgrünen Steuererhöhungspläne auf die Landesebene, nachdem die Linke auf der Bundesebene damit nicht durchgedrungen ist.
  4. Österreich ist nach wie vor im Bereich des Pensionsantrittsalters fahrlässig untätig. Denn die in Aussicht gestellten Erhöhungen des „realen“ Antrittsalters werden wohl maximal zu einem Ausgleich der ständig steigenden Lebenserwartung beitragen. Jedoch nicht zu einer Reform des Systems. Für die Erhöhung des zu einer Stabilisierung einzig wirklich wirksamen gesetzlichen Antrittsalters (insgesamt oder speziell bei den Frauen) gibt es aber keinerlei Beschlüsse. Die müssten jedoch jetzt schon erfolgen, damit die auch vom Verfassungsgerichtshof verlangten langen Vorlauffristen zu laufen beginnen könnten. Daher wird die Regierung neuerlich die Jungen belasten (müssen), sobald sie merkt, dass die angepeilten Maßnahmen zu wenig greifen. Dabei liegt Österreich laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung beim Thema „Generationengerechtigkeit“ schon jetzt nur noch am blamablen 20. Platz unter 29 untersuchten Ländern.
  5. Da gehen etwa im Bereich der Gemeinde Wien trotz aller anderslautenden Versprechungen der Politik mehr Menschen denn je in Frühpension, und zwar tun sie das im Schnitt schon mit 54 Jahren. Das sind in erster Linie Kanzleibedienstete und nicht etwa Krankenschwestern und Müllmänner. Hier wie in vielen Bereichen zeigt sich, dass die angedrohten Erschwerungen der Frühpensionierungen viele Menschen schon vor Inkrafttreten dieser Erschwerungen aus dem Arbeitsleben treiben. Eine total perverse Skurrilität.
  6. Genaue Zuhörer haben es sehr wohl bemerkt: Die Pläne der österreichischen Regierung, 2016 ein Nulldefizit zu erreichen, sind durch die Beifügung des für die meisten Bürger kaum verständlichen Eigenschaftswortes „strukturell“ signifikant aufgeweicht worden. Diese Hinzufügung bedeutet, dass vor allem die gewaltigen Kosten, welche die einstige Kärntner Landesbank Hypo hinterlassen hat, nicht in die Defizitberechnung einbezogen werden. Und etliche andere Ausgaben ebenfalls nicht. Damit tut die Republik so, als ob es nicht der Steuerzahler, sondern der liebe Gott wäre, der Hypo&Co finanzieren müsste.
  7. Da sind selbst die Prognosen eines „strukturellen“ Defizits so optimistisch gestaltet, dass sie von der kleinsten schlechten Nachricht über den Haufen geworfen werden.
  8. In Österreich sind nach den Auswertungen eines gewerkschaftsnahen deutschen Wirtschaftsinstituts in der Periode seit 2008 und besonders im Vorjahr die Arbeitskosten so stark gestiegen wie in keinem anderen EU-Land. Das verringert stark die künftige Wettbewerbsfähigkeit. Und unterscheidet sich total von der Entwicklung in Österreich und Deutschland zwischen 2000 und 2008. Damals sind in diesen beiden Ländern die Lohnkosten weniger gestiegen als in jedem anderen Land. Davon konnten die beiden Länder während der letzten Jahre, also in der Krise stark profitieren. Dieser Vorsprung wird seit 2008 verspielt.
  9. Auch in Deutschland schafft die neue Koalition alles andere als Zuversicht: Dort haben alle(!) Regierungsparteien teure Ausgabenprogramme insbesondere im Pensionsbereich durchgedrückt, so als ob das echte Nulldefizit schon erreicht wäre. Das heißt mit anderen Worten: Selbst die gegenwärtige europäische Konjunkturlokomotive Deutschland wird ihre Kraft verlieren. Dazu kommen die katastrophalen Auswirkungen der Energiewende, die nach den Konsumenten die Unternehmen würgen wird.
  10. Nur sehr große Optimisten glauben, dass die Amerikaner nach dem zarten Anfang auch den eigentlich dringend notwendigen kompletten Ausstieg der Notenbank Fed aus dem gegenwärtigen gigantischen Gelddruckprogramm verkraften könnten.
  11. In zahlreichen europäischen Ländern zeigen die Konjunkturprognosen nach wie vor nach unten. Darunter sind etwa die für Österreich besonders wichtigen Balkanländer Slowenien und Kroatien. Darunter ist insbesondere auch das europäische Schwergewicht Frankreich, das sich der Intensivstation immer mehr nähert, und das allen europäischen Ökonomen weitaus am meisten Sorge macht.
  12. Italien hat zuletzt zwar etliche Reformen durchgebracht, die aber insbesondere im Pensionsbereich viel zu schwachbrüstig waren. Und schon ruft das Land nach den alten Pseudomethoden, mit denen es sich in Lira-Zeiten immer über Wasser gehalten hat: Premier Letta verlangt europaweite Anstrengungen, um den „verflucht“ hohen Euro abzuwerten.
  13. In Portugal versucht die Regierung zwar tapfer immer wieder Reformen. So hat sie zuletzt beschlossen, Straßenbeleuchtungen zu reduzieren oder ganz abzudrehen. Die Reformbeschlüsse stoßen aber gerade in diesem Land ständig auf einen unwilligen Verfassungsgerichtshof, der regelmäßig Sparbeschlüsse kippt. Zuletzt tat er das etwa bei einem Gesetz, das die privilegierten öffentlichen Pensionen den privaten angleichen sollte (eine Regelung, die Österreich schon vor etlichen Jahren beschlossen hatte, was jetzt langsam Früchte einbringt).
  14. In Europa ist letztlich die deutsche Bundeskanzlerin ziemlich alleine geblieben, als sie verlangt hatte, dass zumindest für die Euro-Staaten eine strengere Finanzdisziplin künftig zur durchsetzbaren Pflicht werden soll.

Das alles waren jetzt nur die rein ökonomischen Fakten. Die werden in Europa durch die demographische Katastrophe, und speziell in Österreich durch die enormen Kosten der unproduktiven Arbeitsaufteilung zwischen Bund und Ländern, durch die Kuschelbildungspolitik der Unterrichtsministerin (mit den obersten Zielen: kein Durchfallen, keine Nachhilfe, keine Hausübungen) und durch die Massenzuwanderung von leistungsfernen Gruppen ins Wohlfahrtssystem zusätzlich weiter verschlechtert.

Daher ist es zwar durchaus legitim, sich an den kurzfristig positiven Ausblicken auf 2014 zu erfreuen. Es ist aber fatal, dass die österreichische, die deutsche, die europäische Politik all die negativen Signale gleich wieder zu ignorieren versucht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Außenfinanzierung österreichischer Unternehmen

20. Dezember 2013 21:45 | Autor: Andreas Unterberger

Ausgewählte Daten zur Art der Außenfinanzierung, Anteil der Bankfinanzierung, Größe österreichischer Unternehmen und Nutzung der Zahlungsinfrastruktur

 

Quellen: OeNB, BMWfj Mittelstandsbericht 2012, Wiener Börse, EZB Payment Statistics

Drucken

Das Internet, Qualitätsmedien und die leichtfertigen Insolvenzen

20. Dezember 2013 16:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eigentlich unglaublich: Ein Medium, das sich zu den großen österreichischen Qualitätsprodukten zählt, hat auf seinen Online-Seiten vier Stunden lang die Insolvenz einer großen aktiennotierten Gesellschaft gemeldet.

Gewiss, Lenzing baut derzeit wie viele andere heimische Firmen Jobs ab. Aber zwischen diesem Faktum und einer Insolvenz liegen Meilen. Da ist es einigermaßen bestürzend, dass „Redakteure“ eines zugriffsstarken Mediums nicht einmal den minimalen Bildungsstandard haben, um diesen Unterschied zu begreifen (Apropos: Es waren weder „Die Presse“ noch die „Salzburger Nachrichten“).

Die Causa Lenzing zeigt mit aller Deutlichkeit die katastrophale Entwicklung der Medien: Es ist eh schon wurscht, ob stimmt oder nicht stimmt, was da steht. Die einen sind von Politik, Sozialpartnern oder Wirtschaft bestochen; die anderen beschäftigen speziell im Internet nur noch halbe Analphabeten; und vielen Medien ist beides vorzuhalten.

Es ist übrigens auch extrem peinlich, dass sich der sogenannte Presserat ständig nur mit den (zweifellos großen) Sünden der gar nicht im Presserat sitzenden Boulevardzeitungen befasst, dass er aber bei ebenso schweren Sünden seiner eigenen Exponenten tatenlos bleibt.

PS: Auch ich bin keineswegs fehlerlos – insbesondere dann nicht, wenn Politiker und Behörden Antworten verweigern. Aber einer Aktiengesellschaft wegen der Kündigung von Mitarbeitern gleich stundenlang kreditschädigend eine Insolvenz anzuhängen, übersteigt doch alles bisher im Journalismus denkbar Gewesene.

PPS: Ein Journalist der angesprochenen Zeitung hat vor ein paar Wochen in einer Diskussion verlangt, dass ich eingesperrt werden solle, weil ich der Meinung war – und bin –, dass bewaffnete jugendliche Gewalttäter durchaus in U-Haft gehören . . .

Drucken

Die Wissenschaft im Förderturm

19. Dezember 2013 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was hat Wissenschaft mit Wirtschaft zu tun – über die Wortähnlichkeit hinaus? Diese Frage an die neualte Koalition dominiert derzeit Österreich. Die unangekündigte Zusammenführung unter einen Minister und ein Frontalkrieg mit den Unis sind zweifellos taktische Fehler. Und Reinhold Mitterlehner ist nicht der Minister, der mit der Wissenschaft auf Augenhöhe kritische ordnungspolitische Diskussionen führen könnte. Die aber an sich sehr nötig wären.

Denn die Wissenschaft fordert ständig mit wirtschaftlichen Argumenten mehr Geld: Nur Investitionen bei ihr brächten Wachstum und Gewinn. Daher sollten sich die Akademien und Universitäten eigentlich freuen, wenn ihnen die Wirtschaft näher rückt, statt „Profit“ als etwas Übles zu verteufeln. Nur das Geld der Wirtschaft haben zu wollen, ist ein wenig wenig.

In den USA oder Israel sind gerade jene die tollsten und gesuchtesten Universitäten, die eng mit der Wirtschaft kooperieren. Sie betreuen intensiv „Spin-offs“ ihrer Mitarbeiter, die mit einer bei universitären Forschungen oft völlig zufällig entwickelten Idee in den Markt hinausgehen. Das wird dort rundum bejubelt (verdienen doch die Universitäten automatisch daran mit).

Unsere Unis fördern das kaum, sondern verschwenden lieber Steuergeld. So haben weder die jungen Menschen noch die Nation irgendetwas davon, wenn alljährliche Tausende Studenten neu Publizistik, Politologie, Soziologie, Zeitgeschichte und ähnliches absolvieren. Es gibt kaum Arbeitsplätze für sie; und kaum jemand nimmt diese Leichtstudien noch ernst.

Von deren übervollen Lehrsälen profitiert in Wahrheit nur das Lehrpersonal, das seine Jobs gesichert sieht. Allein die krasse Zunahme der Gender-Lehrstühle sollte auch von den verantwortlichen Rektoren viel selbstkritischer gesehen werden. Denn die dort verzapften esoterischen Theorien stehen in krassem Widerspruch zu den Erkenntnissen der Naturwissenschaft.

Umgekehrt müssen aber auch Wirtschaft und Steuerzahler akzeptieren: Grundlagenforschung hat absolut frei zu sein. Die entscheidenden Vermehrungen des Wissens der Menschheit sind gerade dann zustandegekommen, wenn völlig zweckfrei und ohne jedes Tabu geforscht werden konnte. Die vielen durchaus gut dotierten Grundlagenforschungs-Förderungsfonds und deren Kommissionen freilich entscheiden gerne zugunsten modischer und populärer Mainstream-Themen. Für unorthodoxe Ansätze gibt es hingegen oft nichts, obwohl diese bisweilen viel spannender sind.

Bei der angewandten Forschung hingegen sind Kommissionen und staatliche Förderungen überhaupt fehl am Platz. Nur der freie Markt und viel niedrigere Steuern wären eine funktionierende Forschungsförderung. Es ist keineswegs Zufall, dass in ungeförderten kalifornischen Garagen viel spannendere Projekte entsprungen sind als bei uns durch alle milliardenschweren Förderungen.

Nur: Ein Reinhold Mitterlehner scheint in keiner Weise qualifiziert, um über all das mit den Rektoren wie auch der Wirtschaft auf Augenhöhe debattieren zu können. 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

 

Drucken

Was wird besser, was wird schlechter?

14. Dezember 2013 00:48 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Koalitionsprogramm ist ein unstrukturiertes und sprachlich schwaches Sammelsurium an Sinnvollem und Dummem. Es besteht in allzu vielen Punkten aus völlig unkonkretem Blabla. Fast jeder einzelne Satz kann nämlich alles oder nichts bedeuten. In zahlreichen Aspekten – vor allem bei den teuren Schnittflächen zwischen Bund und Ländern – bräuchte eine Umsetzung auch eine Verfassungsmehrheit, welche die Koalition bei weitem nicht hat. Inhaltlich finden sich zwar durchaus viele positive Punkte, abernoch mehr negativ zu bewertende. Zugleich strotzt es von Altbekanntem, das genauso schon in früheren Regierungsprogrammen gestanden ist oder stehen hätten können.

Um den Lesern zu ersparen, sich durch 124 Seiten schwammigen Textes durchzukämpfen (Masochisten steht das natürlich offen), seien hier die wichtigsten Punkte in der Hoffnung zusammengefasst, dass die leeren Worte wenigstens irgendetwas bedeuten. In meinem krampfhaften Bemühen, das Positive nicht zu übersehen, sei wieder mit diesem angefangen:

Die Positiva

  1. Lobenswerterweise wurde die Zerschlagung des Gymnasiums vollständig aus den Programmentwürfen genommen (was auch die vom Tagebuch ausgelöste Protestlawine bewirkt hatte). Dennoch bleibt erstaunt – nein: empört – festzuhalten, dass die neue Unterrichtsministerin sofort nach Bekanntwerden des Programms angekündigt hatte, dass es weitere Schritte in Richtung Gesamtschule geben werde. Wozu gibt es eigentlich ein gemeinsames Programm, wenn es einzelne Minister sofort wieder ignorieren wollen? Ist das nicht sogar die Ankündigung, einen bewussten Amtsmissbrauch zu setzen?
  2. Wenn sie klug umgesetzt wird, ist die Ausbildungsgarantie bis zum 18. Geburtstag sinnvoll. Freilich wäre es noch viel wichtiger, wenn diese Garantie mit der absoluten Pflicht verbunden wäre, dass alle Jugendlichen – sofern die Eltern Familienbeihilfe kassieren – schon ab dem vierten Geburtstag im Lande Schulen und deutschsprachige Kindergärten besuchen. Es wäre auch jedenfalls absurd, wenn die Ausbildungsgarantie ein absolutes Beschäftigungsverbot für Jugendliche bringen sollte. Wählen und Bundesheer ja, Geld verdienen nein? Das kann es wohl nicht sein.
  3. Positiv, wenn auch besorgniserregend vage ist die Ankündigung einer Sprachstandsfeststellung mit Vier, auf die dann eine intensive und obligatorische Sprachförderung folgen sollte.
  4. Die Senkung der Lohnnebenkosten um 0,2 Prozent ist zweifellos lobenswert, wenn auch viel zu wenig, um Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu haben.
  5. Sehr erfreulich ist die angesprochene Abschaffung der Gesellschaftssteuer, die ja nur sinnvolles Wirtschaften behindert, aber wenig Budgeteinnahmen gebracht hat.
  6. Es gibt eine Reihe kleiner Änderungen im Arbeitsrecht, die positiv wirken: etwa der der Abbau des Kündigungsschutzes, wenn man Ältere neu anstellt; oder die künftig sofortige Kontrollpflicht der Krankenkassa bei zweifelhaften Krankenständen; oder die Verlängerung der möglichen Probezeit; oder die Pflicht, Resturlaub in der Kündigungsfrist zu verbrauchen.
  7. Die vage angekündigte Schaffung von KMU-Finanzierungsgesellschaften klingt zwar positiv. Das bedeutet aber möglicherweise auch schon wieder eine staatliche Einmischung in die Wirtschaft. Viel eher zielführend wäre es, die steuerliche Diskriminierung von KMU-Privatkapital gegenüber der Kreditfinanzierung endlich zu beenden.
  8. Die Erhöhung der Familienbeihilfe steht erfreulicherweise wieder auf dem Programm. Sie ist freilich noch keineswegs mit genauer Höhe fixiert. Hier haben Proteste, auch des Tagebuchs, zweifellos geholfen. Aber dennoch bleibt die absurde Fehlentwicklung aufrecht, dass es viel mehr zusätzliches Geld für Kinder-Verstaatlichungsprogramme gibt, wie etwa für die Ganztagsschulen, obwohl sich die Nachfrage nach diesen in ganz engen Grenzen hält.
  9. Erfreulich ist, dass nicht mehr alleine die Gebietskrankenkassen entscheiden können, ob jemand selbständig oder angestellt ist. Auch auf dieses Problem hat das Tagebuch in den letzten Wochen recht einsam hingewiesen; umso erfreulicher, dass das Folgen hatte. In Zukunft entscheidet bei Uneinigkeiten eine im Hauptverband eingerichtete Schlichtungsstelle.
  10. Positiv, aber zu unkonkret ist zweifellos die Ankündigung, die teuren Veröffentlichungspflichten von Unternehmen zu „durchforsten“. Dies wäre umso notwendiger, als in der „Wiener Zeitung“ gerade im Schatten der Koalitionsverhandlungen üble Gehaltserhöhungen für wichtige Genossen ausgedealt wurden. Das Ergebnis der Durchforstung dürfte daher auch sehr mager bleiben, da sich die SPÖ schützend vor die Zeitung stellen wird.
  11. Bei den Kulturprojekten ist die Fixierung des Tiefspeichers für die Nationalbibliothek lobenswert (auch wenn zu tadeln ist, dass die ÖNB neben den wichtigen Büchern das ebenso wichtige elektronisch produzierte Kulturgut noch keineswegs ausreichend abspeichert). Man muss freilich schauen, ob es für den Tiefspeicher auch wirklich genug Geld gibt, oder ob sich das Projekt so wie etwa das Haus der Geschichte folgenlos auch in drei weiteren Regierungsprogrammen wiederfinden wird.
  12. Im langen Kapitel zu den Miet- und Wohnbaukosten finden sich viele Details, aber kein wirklich substanziell greifbarer Punkt. Diese Details können daher erst bei einer Konkretisierung bewertet werden. Die einzige zielführende Strategie, um mehr Wohnraum zu schaffen, nämlich mehr Marktöffnung, wird nirgendwo direkt angesprochen. Dennoch lassen wir auch diesen Punkt in eitlem Optimismus noch bei den Positiva stehen.

Die Negativa

Die Liste der kritisch zu bewertenden Punkte ist leider länger als die der positiven oder zumindest Hoffnung gebenden Vorhaben.

  1. Einen besonderen Schock vermittelt die Kommunikation der SPÖ. Diese behauptet – von der ÖVP unwidersprochen – dass 52 Prozent des berühmten Finanzlochs durch neue Einnahmen konsolidiert werden. Dabei sind sich alle ernstzunehmenden Experten eigentlich einig, dass das Loch nur durch Einsparungen gefüllt werden sollte.
  2. Die vielen Auswirkungen der einzelnen Steuererhöhungen beziehungsweise der Verschärfung der Bedingungen für Steuerbegünstigungen können erst bei einer gesetzlichen Konkretisierung bewertet werden. Unter die Positiva kann aber naturgemäß keine einzige gereiht werden.
  3. Zu den Negativa des Koalitionsprogramms gehört jedenfalls die Delegierung vieler wichtiger und heikler Punkte in Kommissionen. Dort soll dann weiter geredet werden, etwa über die dringend notwendige Deregulierung oder die Pensionen. Was enttäuschend ist. Denn was die Regierungsspitzen nicht geschafft haben, wird wohl auch eine Kommission nicht zustandebringen. Die Pensionskommission beispielsweise müsste endlich definieren, welche konkreten Maßnahmen die angekündigte Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters sicherstellen sollen.
  4. Zu erwarten gewesen ist, dass der Spitzensteuersatz nicht angesprochen wird (es ist nur vage von einer Steuerreduktion für niedrige Einkommensklassen die Rede). Der Spitzensteuersatz wirkt aber besonders abschreckend bei der Ansiedlung internationaler Firmen in Österreich, was schlecht für die Arbeitsplatzschaffung ist. Daher sind die Worte, die eine Vermehrung solcher Ansiedlungen ankündigen, leeres Gewäsch.
  5. Das Nulldefizit ist nur noch ein „strukturelles“, also kein wirkliches mehr. Es gibt dazu im Koalitionspapier auch keine harten Zahlen oder Festlegungen. Das heißt im Klartext: Österreich wird nichts machen, wozu es nicht durch die EU ohnedies gezwungen wird. Das von Maria Fekter noch sehr oft verwendete Wort „Nulldefizit 2016“ wird wohl rasch aus dem politischen Sprachgebrauch verschwinden.
  6. Sehr bedauerlich ist, dass das Thema verpflichtender Volksabstimmungen überhaupt keinen Stellenwert mehr hat. Da hat die politische Klasse die wichtigste Möglichkeit zur Überwindung der Systemkrise erfolgreich zu Tode gestreichelt.
  7. Sehr negativ ist die Repolitisierung der ÖIAG zu werten. Diese wurde hier zwar schon einmal kritisiert. Jetzt aber hat sich die Lage noch weiter verschlimmert, als es keine über vage Phrasen hinausgehende Festlegungen gibt, welche Staatsbetriebe denn wenigstens teilweise privatisiert werden sollen. Das konnte man noch vor ein paar Tagen als Gegenzug für die Parteipolitisierung der ÖIAG erhoffen.
  8. Den Finanzarbeitsplätzen wie auch kreditsuchenden Unternehmen sehr schaden wird das Inkraftbleiben der Bankenabgabe. Samt weiterer Erhöhung, Dabei findet sich aber in diesem Bereich wenigstens ein positiver Randaspekt: Die Bankenabgabe soll nun ganz auf die Bilanzsumme umgestellt werden. Damit dürfte die Dummheit aufhören, dass auch Derivatverträge besteuert werden. Diese sind nämlich als Flucht vor dieser Steuer in großem Umfang ins Ausland abgewandert. Derivate sind notwendig und sinnvoll – trotz ihrer Denunzierung durch linke Propagandisten. Sie sind nämlich primär wichtige Absicherungsgeschäfte der Realwirtschaft: Die AUA sichert sich solcherart gegen Spritpreisschwankungen ab, die Fruchtsaftfirma Rauch gegen ein Steigen der Orangenpreise, und die Bundesfinanzierungsagentur gegen Währungskursschwankungen.
  9. Mit Beibehaltung der Bankenabgabe begibt sich der Bund auch jeder Möglichkeit, die dramatische Hypo-Last mit den Banken zu teilen. Was im Gegenzug für einen Abbau der Bankenabgabe möglich gewesen wäre.
  10. Da die Politik gleichzeitig (außerhalb des Paktes) die Insolvenz der Hypo neuerlich ausschließt, dürfen sich die Bayern und Kärntner freuen. Dabei hatte der bayrische Ministerpräsident Seehofer panikerfüllt schon eine Reise nach Wien in Sachen Hypo angekündigt. Die österreichischen Steuerzahler sollten aber bitter weinen. Denn die Last, die nun sie wohl zur Gänze für die Hypo zahlen müssen, wird gigantisch. Und übertrifft sowohl Nutzen wie Lasten durch das Koalitionspaket gewaltig.
  11. Extrem negativ ist vieles, was sich durch das diesbezügliche Schweigen im rot-schwarzen Papier ergibt. Da sie nicht angesprochen werden, werden also offensichtlich etwa auch alle teuren Tunnelprojekte weitergebaut, inklusive des extrem sinnlosen Koralm-Tunnels.
  12. Besonders negativ ist das hier schon vor ein paar Tagen kritisierte Eindringen der Politologen, also rotgrünfeministischer Propagandisten, in den Schulbetrieb. Das steht in drastischem Kontrast zu einer Formulierung in einer weiteren Passage des Abkommens, in der eine Steigerung des Wissens um Wertpapiere und Kapitalmärkte gefordert wird. Jedoch finden sich im Schulkapitel nur die Politologen wieder. Die aber werden solches Wissen mit absoluter Sicherheit nicht vermitteln wollen und können. Difficile est satiram non scribere (seit dem Hinauswurf von Minister Töchterle wird das in einer Regierung Faymann freilich niemand mehr verstehen).
  13. Es gibt weiterhin keine Breitbandoffensive, weiterhin keine Studiengebühren.
  14. Sehr vage angekündigt wird der Ausbau der Zugangslimitierung zu weiteren Studienrichtungen. Das wäre im Prinzip positiv, ist aber auf die jetzige, in etlichen Studienrichtungen viel zu hohe Studentenzahl als Mindestzahl beschränkt worden. Und damit wenig wirksam.
  15. Anstelle von Einsparungen und sinnvollen Schwerpunktsetzungen werden öffentliche Gelder für einen weiteren Ausbau des kostspieligen Wohlfahrtssystems ausgegeben, die von Reduktionen des Spitalskostenbeitrags über den Zahnbereich bis zur Erhöhung von Urlaubsansprüchen reichen. Auch die Ausweitung des Papamonats ist nicht nur teuer, sondern auch überflüssig. Wir habens ja – zumindest solange uns noch jemand Kredit einräumt.
  16. Die nächste Katastrophe im Bildungsbereich bahnt sich mit dem im Papier festgehaltenen Projekt an, sämtliche Kinder aus dem Vorschulalter und den beiden ersten Volksschulklassen in jahrgangsübergreifenden Klassen gemeinsam zu unterrichten. Damit wird wieder einmal eine der vielen modischen Unsinnigkeiten Realität, mit denen die Pädagogik die Menschen schon geplagt hat. Auch diese mag mancherorts funktionieren, sehr oft aber nicht. Das hängt vom Lehrer wie auch vom Hintergrund der Kinder ab. Und das sollte vor allem keinesfalls von oben totalitär verordnet, sondern der autonomen Entwicklung vor Ort überlassen werden.
  17. Negativ ist auch, dass Unternehmen neuen Zwängen ausgesetzt werden, etwa bei der Beschäftigung Älterer mit einem komplizierten Bonus-Malus. Die utopischen Regulierungswünsche der Regierungstechnokraten werden vielfach an der Realität bestimmter Branchen zerschellen und damit weitere Arbeitsplätze vernichten.

In Summe mag ein wenig trösten, dass erfahrungsgemäß vieles aus solchen Programmen nicht umgesetzt wird. Aber ebenso erfahrungsgemäß sind das meist die positiv einzuschätzenden Punkte. Denn spätestens bei der gesetzlichen Ausformulierung wird sich zeigen, wieviel Dissens im Koalitionspapier noch versteckt ist.

 

Drucken

Evangelii Gaudium: Harsche Kapitalismuskritik aus dem Vatikan

12. Dezember 2013 03:39 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das kürzlich herausgegebene Apostolische Schreiben ist nicht das erste Papier, mit dem der Heilige Stuhl zu Wirtschaftsfragen Stellung bezieht. Das war schon in mehren „Sozialenzykliken“, wie Rerum Novarum (1891), Quadragesimo anno (1931) oder Populorum progressio (1967) der Fall. Keiner seiner Vorgänger allerdings hat das System der freien Marktwirtschaft in derart expliziter Weise attackiert, wie das der amtierende Papst Franziskus eben getan hat.

Einige Passagen seines Papiers erinnern an Pamphlete aus der Feder von Jean Ziegler oder Sahra Wagenknecht. Der in Brasilien wirkende Bischof Erwin Kräutler nannte das Schreiben in einem Radiointerview – nicht ohne Grund – ein „Dokument der Befreiungstheologie“, das, wie er anmerkt, allerdings nur aus lateinamerikanischer Sicht zu verstehen sei.

Fragen von Mission und Neuausrichtung des Papsttums bleiben an dieser Stelle unberücksichtigt. Hier wird nur auf die wirtschaftsrelevanten Teile des Textes Bezug genommen.

Die sich durch das gesamte Schreiben ziehende Beschwörung, ja Verherrlichung der Armut fällt als erstes ins Auge. Die Kritik an einer angeblich zunehmenden „sozialen Ungleichheit“ als nächstes. Gerechtigkeit manifestiert sich für den Bischof von Rom in materieller Gleichheit. Folgerichtig kommt er zu dem Urteil: „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“. Und um jedem Missverständnis vorzubeugen: „Diese Wirtschaft tötet.“ Das sitzt. Die Sozialisten in allen Parteien haben hiermit einen neuen Verbündeten.

Dass es genau das kritisierte System des freien Marktes war und ist, das in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen aus bitterster Armut zu bescheidenem Wohlstand geführt hat, wie das beispielsweise in vielen Ländern im Osten Asiens der Fall war, will der Papst nicht zur Kenntnis nehmen. Und dass viele Menschen nach wie vor ausgerechnet in jenen Teilen der Welt hungern und unter den furchtbarsten Bedingungen vegetieren, wo keine Rechtssicherheit herrscht, wo weder gesichertes Privateigentum noch freie Märkte existieren, lässt er unberücksichtigt.

Franziskus’ Verständnis von der Funktionsweise einer Marktwirtschaft liest sich so: „Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht.“ Was er hier beschreibt, ist primitives Faustrecht, das in jenen finsteren Winkeln der Welt herrscht, die in den Berichten über Hunger und Elend am häufigsten genannt werden. Dort hat tatsächlich immer derjenige Recht, dem der dickste Prügel gehört, oder der über den Ausnahmezustand gebietet.

Marktwirtschaft hat indes mit Faustrecht gar nichts gemein. Die Marktgesellschaft zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sie gewalttätige, mit Mord und Totschlag verbundene Konflikte durch friedliche Arbeitsteilung, Kooperation und Freihandel überwindet und in Vorteile für alle daran Beteiligten verwandelt.

Pure Blindheit für das Offensichtliche tritt zutage, wenn der Papst meint, es sei eine „…Ansicht, die nie von den Fakten bestätigt wurde…“, dass freie Märkte zur Verbesserung der Lebensumstände der Menschen führen. Er sollte seinen Blick zum Beispiel auf China richten – ein Land, in dem unter planwirtschaftlichen Konditionen Dutzende Millionen Menschen verhungerten. Dort haben heute nicht nur einige wenige von der wirtschaftlichen Liberalisierung profitiert, sondern es ist auch eine breite, stetig wachsende Mittelschicht entstanden, die in materiellem Wohlstand lebt.

Dass die „Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel“ ausgerechnet von einem Mann gegeißelt wird, der selbst erlebt hat, wie rechte und linke Diktaturen ein einstmals blühendes Land ruinierten, entbehrt nicht der Ironie. In einem freien Markt kann – anders als in einer planwirtschaftlichen Diktatur – kein Produzent dem Publikum seine Waren oder Dienstleistungen aufzwingen. Um also zu verstehen, wie etwa die Vorstände von Daimler-Benz oder Novartis eine „Diktatur“ errichten können sollten, muss man schon über eine munter blühende Phantasie verfügen.

Danach greift der Heilige Vater einen weiteren Irrtum notorischer Antikapitalisten auf, wenn er meint: „Während die Einkommen einiger weniger exponentiell steigen, sind die der Mehrheit immer weiter entfernt vom Wohlstand dieser glücklichen Minderheit.“ Unsinn wird – siehe das Beispiel Chinas – durch beharrliche Wiederholungen nicht wahrer. Aber selbst wenn die Reichen tatsächlich rascher an Einkommen gewinnen sollten als die weniger Reichen, wäre das völlig belanglos, so lange sich die Lage der Armen absolut verbessert – was in den „kapitalistischen“ Schwellenländern der Fall ist. Zweifellos ist ein Wirtschaftssystem, von dem einige wenige stärker profitieren mögen als andere, in dem sich immerhin aber auch die Lebensumstände der Unterprivilegierten verbessern, einem solchen vorzuziehen, das kollektive Gleichheit in Mangel, Armut und Elend garantiert.

Phrasen wie von der Gewerkschaftsjugend

Franziskus ist mit seinem antikapitalistischen Latein aber noch lange nicht am Ende, denn er setzt fort: „Dieses Ungleichgewicht geht auf Ideologien zurück, die die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspekulation verteidigen.“ Dieser Satz könnte einer Aussendung der Gewerkschaftsjugend aus dem tiefroten Simmering entstammen und ist völlig abwegig. Freiheit folgt keiner Ideologie, sondern ist ein unter Abwesenheit willkürlichen Zwanges herrschender Normalzustand.

Wenn freie Menschen aus freien Stücken und nach ihrem Gutdünken Güter und Dienstleistungen kaufen und verkaufen, so folgen sie damit keinem Dogma, sondern schlicht und ergreifend ihren Präferenzen. In Wahrheit ist also vielmehr derjenige, der die hart attackierte „Autonomie der Märkte“ beenden möchte, ein totalitärer Träumer, der die Menschen unter das Joch seiner (linken) Ideologie zwingen will.

Finanzspekulationen möchte der Papst origineller Weise durch das segensreiche Wirken des Staates unterbunden sehen – ausgerechnet jenes Staates, der dank seines Geldmonopols und seiner eigentumsfeindlichen Zinspolitik an der Wiege jeder Finanzspekulation steht. Die Vorstellung von einem die Spekulation unterbindenden Staat ist wohl seiner absoluten Ahnungslosigkeit hinsichtlich Funktionsweise und Wirkung jedes Fiat-Money-Systems geschuldet.

Dass Papst Franziskus – wie jeder Befürworter der „sozialen Umverteilung“ – „eine egoistische Steuerhinterziehung“ scharf kritisiert, passt ins Bild. Nicht des Staates „Gier nach Macht und Besitz kennt keine Grenzen“, indem dieser die Menschen um immer größere Anteile ihres sauer erarbeiteten Geldes bringt. Kritisiert wird vielmehr derjenige, der einer willkürlichen Enteignung zu entgehen versucht!

Dass der ständig wachsende und Macht akkumulierende Staat, selbst dann, wenn er den Werktätigen ohnehin bereits den Löwenanteil ihrer Einkommen abpresst, immer noch nicht ohne Schulden zu machen durchkommt, findet der Papst dagegen keiner Erwähnung wert. Wo sind die Zeiten, als eine starke, selbstbewusste Kirche sich als weit und breit einzige Opposition zum allmächtigen Staat begriffen hat?!

Mit einem Zitat Johannes Chrysostomus’ wird entschlossen die Axt an die Wurzeln unseres westlichen Rechtssystems gelegt: „Die eigenen Güter nicht mit den Armen zu teilen bedeutet, diese zu bestehlen und ihnen das Leben zu entziehen. Die Güter, die wir besitzen, gehören nicht uns, sondern ihnen.“ Der französische Anarchist Proudhon hatte demnach also doch recht: Eigentum ist Diebstahl. Neu ist allerdings, dass ein Papst diese Meinung teilt! Wie – ohne gesichertes Privateigentum – ein zivilisiertes, vor allem aber gewaltfreies Zusammenleben möglich sein sollte, bleibt vorerst ein gut gehütetes vatikanisches Geheimnis.

Selbst vor der abgeschmackten Phrase „Das Geld muss dienen und nicht regieren!“ schreckt Franziskus nicht zurück. Überflüssig, diese peinliche Banalität zu kommentieren. Er findet „…das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht…“ Natürlich! Gerechtigkeit ist eben nun einmal eine Kategorie des Himmels, nicht aber des irdischen Jammertals. Wer sollte das besser wissen als ein Mann Gottes?

Viel gerechter wäre es nach seiner Meinung vermutlich aber dennoch, ein System in der Art von „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ zu etablieren! Das war ja schon einmal da. Und es hätte im Grunde auch wirklich großartig funktioniert, wenn es nicht unglücklicherweise an der Realität gescheitert wäre…

Was der Heilige Vater uns mit dem kryptischen Satz „…erzeugt die soziale Ungleichheit früher oder später eine Gewalt, die der Rüstungswettlauf nicht löst…“ mitteilen will, ist ein wenig rätselhaft. Was hat die soziale Ungleichheit mit einem Rüstungswettlauf zu tun? Und welcher ist gemeint? Der zwischen der untergegangenen Sowjetunion und den USA (den das liberale Gesellschaftsmodell für sich entscheiden konnte) oder der heraufziehende zwischen den USA und China?

Wie dem auch sei: Papst Franziskus ist es ernst mit seinem Engagement für die Mühseligen und Beladenen dieser Welt. Im Kampf gegen die Armut sieht er eine der Hauptaufgaben der Katholischen Kirche. Dagegen gibt es nichts einzuwenden! Allerdings sucht man in der Heiligen Schrift vergeblich nach einem Aufruf zum (wirtschafts-)politischen Aktionismus. Jesus betont nicht ohne Grund: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18/36).

Weshalb der Nachfolger Christi also meint, seinem edlen Zweck ausgerechnet mit einem Schulterschluss mit den Sozialisten dienen zu können, bleibt unbegreiflich. Die Armut zu besiegen, indem man gegen den wirkungsvollsten Wohlstandsgenerator kämpft, den die Menschheit bisher jemals zur Verfügung hatte, nämlich die (ohnehin nirgendwo mehr wirklich) freie Marktwirtschaft, kann niemals gelingen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

ÖIAG oder die Rückkehr des totalen Parteienproporzes

09. Dezember 2013 02:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Dass SPÖ und ÖVP einige Verbrauchssteuern erhöhen wollen, ist das am wenigsten katastrophale am Koalitionsvertrag. Das viel Schlimmere ist das Scheitern einer substanziellen Privatisierung. Und weitaus am schlimmsten und teuersten sind die nun langsam durchsickernden Pläne zur Zerschlagung der ÖIAG. Diese soll wieder total zu einer Partei- und Proporzholding werden. Was der Republik noch teure Schadenersatzprozesse einbringen dürfte.

Höhere Tabak-, Autokauf und Alkoholsteuer haben neben dem Abkassiereffekt nur dann eine strukturell negative Folge, wenn die höheren Preise auch den Schmuggel in Gang setzen. Bei Zigaretten ist der aber ohnedies schon lang in Gang, sodass nicht allzuviele zusätzliche Effekte eintreten werden.

Diese Steuererhöhungen werden die Menschen zwar eine Zeitlang ärgern. Und der Boulevard darf sie kritisieren. Womit er ein wenig simuliert, dass er ja doch parteiunabhängig wäre. Aber in Wahrheit werden damit die viel schlimmeren Katastrophen rund um die ÖIAG vertuscht, die einen echten Schaden für die Republik bedeuten, und zwar gleich mehrfach.

Dazu gehört das schon dritte Scheitern einer substanziellen Privatisierung, seit die SPÖ in die Regierung zurückgekehrt ist: Wieder einmal – wie etwa auch bei der verlangten Schaffung von Subventionstransparenz – stimmt die SPÖ zwar einer ÖVP-Forderung zu. Sie tut das aber immer nur im Prinzip. Denn schon im zweiten Schritt wird die Zustimmung regelmäßig wieder weitgehend ausgehöhlt. So war zwar die Subventionstransparenz einst schon von einem Josef Pröll unter lautem Trommelwirbel als großer Erfolg verkauft worden. Aber geben tut es sie bis heute nicht.

Ganz ähnliches passiert jetzt bei der ÖVP-Forderung nach Privatisierung: Die SPÖ stimmt zwar im Prinzip nach langem Hinhalten zu. Konkret will sie aber vorerst nur einer Privatisierung von Hypo Alpe-Adria und Kommunalkredit zustimmen.

Diese Vorstellung der Faymann-Truppe ist geradezu süß: Zuerst donnert der Staat (auch ein Bundesland gehört ja zum Staat) Betriebe insolvenzreif gegen die Wand, sodass die Trümmer ganz Österreich treffen. Und jetzt, Jahre später, nachdem der Schaden durch die Verschleppung der Insolvenz immer größer geworden war, will man sie privatisieren.

Diesen Trick haben freilich schon viele Defraudanten versucht, die ihre Unternehmen fünf Minuten vor dem Konkursrichter noch schnell wem andrehen wollten. Aber nur selten fanden sie auch jemanden, der so blöd war, diese Betriebe zu kaufen.

Dort, wo es wirklich sinnvoll wäre, sind die Sozialdemokraten aber weiterhin gegen eine echte Privatisierung. Ihr Argument: Es könnten dem Staat ja künftig erhoffte Einnahmen aus diesen Unternehmen entgehen. Daher soll bei den Staatsbetrieben die Republik weiterhin mehr als 25 Prozent behalten, also die strategische Führung.

Können erwachsene Menschen wirklich so blöd sein? Kann man wirklich vergessen haben, dass die Verstaatliche Industrie in der Zeit, als ja selbst Portierjobs nur über Partei und Gewerkschaft zu bekommen waren, Riesendefizite und Schuldenberge produziert hat? Dass nur durch die Privatisierung Schulden abgebaut werden konnten? Und dass es erst nach der Privatisierung dann – in aller Regel – positive Ergebnisse gegeben hat?

Gewerkschaftliche Einfaltsgenossen begannen jedoch nach jedem Verkauf zu stänkern, weil sich der Staat die dann erzielten Gewinne entgehen ließe. Wobei sie einfach total ignorieren, dass die Verstaatlichte Industrie im Staatseigentum wohl auch in hundert Jahren immer neue Schulden produziert hätte.

Aber das Allerschlimmste ist die von Rot und Schwarz abgesprochene Neuformung der ÖIAG, also der Holding dieser Staatsbetriebe. Sie soll jetzt wieder einen rot-schwarzen Proporzvorstand bekommen! Und zugleich soll der ÖIAG-Aufsichtsrat wieder politisch besetzt werden.

Zur Erinnerung die jüngere Geschichte der ÖIAG: Um auch bei den im Staatseigentum verbliebenen Unternehmen noch vor der Privatisierung modernes Management einzuführen, haben Schwarz-Blau eine neue Konstruktion dieser Holding geschaffen. Die ÖIAG wurde einem Aufsichtsrat unterstellt, der sich selbständig, also politik- und parteiunabhängig erneuert. Dieser Aufsichtsrat konnte dadurch alle Zurufe und Personalwünsche aus Parteizentralen, Ministerien oder Nationalbank ignorieren, wie sie vorher jahrzehntelang Usus waren. Lediglich in der Telekom hatte das dortige Management auch nachher noch einige Jahre auf die alte Art weitergefuhrwerkt und Parteien finanziert.

Genau diese geradezu geniale ÖIAG-Lösung, auch im (noch) staatseigenen Bereich Unabhängigkeit zu schaffen, wird jetzt von der auf uns zurollenden Katastrophenkoalition zerschlagen. Einzige Kritik an dem derzeitigen ÖIAG-Aufsichtsrat, die man zu hören bekommt: In ihm hätten anfangs Manager aus dem Bereich der Papierindustrie dominiert, später solche aus dem Umkreis der Autoindustrie.

Na und? Es ist doch alles besser als Parteisoldaten, die immer auf Pfiff gehorchen.

Aber offenbar hat das Ignorieren ihrer Pfiffe manche Parteibonzen wahnsinnig gestört, auch wenn es für den Steuerzahler exzellent war. Diese Bonzen verschaffen daher jetzt sich – pardon: der Regierung – wieder den direkten Zugriff auf die ÖIAG und damit auf OMV, Post und Telekom. Dort wird bald wieder das Parteibuch dominieren.

Eine Katastrophe für die Unternehmen.

Eine Katastrophe für die Arbeitsplätze.

Eine Katastrophe für private Aktionäre.

Tut nichts. Die Parteien können wieder ihre Freunde versorgen.

Und wers noch nicht glauben will, wird bald sehen, wie in den nächsten Wochen alle internationalen Spitzenmanager mit unabhängigem Industriewissen die ÖIAG verlassen werden. Und wie in den nächsten Jahren auch in den Vorständen der ÖIAG-Unternehmen, so wie beispielsweise jetzt in Nationalbank oder Hypo zu sehen, nur noch Parteisoldaten ihr Unwesen treiben werden. Und wie aus dem Bereich der ÖIAG wieder Geld an Parteien und gefügige Zeitungen fließen wird (die halt zur Ablenkung ein bisschen über die Zigarettensteuer schimpfen dürfen).

Wir landen endgültig zurück in der Vergangenheit.

Ist die ÖIAG-Politisierung zusammen mit dem Festhalten an der strategischen Beteiligung von 25+ Prozent nicht auch ein krimineller Betrug der Koalition an all jenen, die als Investoren an das einstige schwarz-blaue Versprechen der Entpolitisierung geglaubt und Aktien gekauft hatten? Nun, strafrechtlich kann wohl nichts passieren, hat sich doch der Gesetzgeber über das Strafrecht gestellt. Aber Schadenersatzprozesse vor dem Handelsgericht gegen ihn kann es sehr wohl geben. Und die könnten noch sehr spannend – und teuer werden.

PS: In eine solche ÖIAG würde dann übrigens auch ein Alexander Wrabetz hervorragend passen. Daher sollte man das diesbezügliche Gerücht nicht bloß für einen vorzeitigen Aprilscherz halten. In diesem Land ist alles möglich.

 

Drucken

FN 535: Die Überstunden, die Männer, die Frauen

04. Dezember 2013 02:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Mit empörtem Ton hat das Wirtschaftsforschungsinstitut verbreitet, dass die Österreicher im Jahr 68 Millionen unbezahlter Überstunden machen. Das wirklich Interessante daran wurde von den Medien bestenfalls am Rand erwähnt.

Es sind nämlich vor allem Männer, die unbezahlte Überstunden machen – also genau jene Menschen, die völlig ohne Grund viel mehr verdienen als Frauen. Jetzt wird manches klar: Erstens, dass diese Überstunden offensichtlich meist gar nicht unbezahlt sind, sondern im Konsens von Arbeitgeber und -nehmer mit höheren Gehältern entgolten werden. Zweitens sind die ständigen Klagen der Feministen falsch, dass Frauen für „gleiche Arbeit“ ungleich entlohnt würden; denn nicht einmal die Arbeitsmenge ist gleich. Und drittens besteht die ständig zitierte „gläserne Decke“, mit der böse Männer Frauenkarrieren verhindern, einfach darin, dass halt Arbeitgeber lieber jemanden befördern, der sich für die Firma zerreißt. Der nicht so genau auf die Uhr schaut. Wetten, dass all dies beim nächsten Reichtstrauertag über die schlechte Entlohnung der Frauen wieder unerwähnt bleibt? So wie ja alle anderen Erklärungen des scheinbaren Lohngefälles auch.

Drucken

Nicht wundern, wir sind in Österreich

03. Dezember 2013 01:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Selbst die absurdesten und ärgerlichsten Dinge passieren in diesem Land, ohne dass es offensichtlich noch jemanden wirklich aufregt. Aber eigentlich sollte das jede einzelne der hier bunt aufgelisteten Episoden tun.

Da gibt’s etwa den sogenannten Swap-Prozess um satte dreistellige Millionen-Verluste der Stadt Linz. Und was sagt der angeklagte (sich aber nicht schuldig fühlende!) Spitzenbeamte auf die Frage, ob er auch mit seinem Privatvermögen so umgegangen wäre? „Eher nicht.“ Wir lernen: Wenn es um unser Steuergeld geht, braucht man eher nicht so genau hinzusehen. Es gehört ja offenbar niemanden. Da kann ein Finanzchef schon ein bisschen spielen damit. Und wenn das Geld ausgeht, holt man sich halt neues. Deshalb wollen uns die Parteifreunde dieser Linzer Partie ständig noch mehr von unserem Geld abknöpfen. Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Da gibt’s bei der ersten Konferenz der Welthandelskonferenz WTO nach vielen Jahren der Eiszeit in der Staatenwelt (und nach den schwere Schäden anrichtenden Querschüssen durch NGOs wie Attac) nun erstmals die große Chance auf ein weltweites Handelsabkommen. Es könnte 21 Millionen neue Jobs ermöglichen. Was aber macht da Österreichs Wirtschaftsminister? Er fährt gar nicht hin. Er bleibt lieber daheim im Intrigenspiel um die Ministerjobs. Der Herr Mitterlehner hatte freilich auch schon vorher absolut kein Interesse an dem Thema gezeigt. Dafür fährt die zuständige Sektionschefin – auch nicht hin. Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Da erhöht Deutschland sein Briefporto, Österreich nicht. Da kann man sich doch endlich einmal über Österreich freuen? Nun, nicht ganz. Denn die Deutschen können auch nach der Erhöhung noch billiger Briefe versenden als die Österreicher. Inlandsbriefe wohlgemerkt. Die müssen im kleinen Deutschland offenbar viel weniger weit reisen als in der großen Alpenrepublik. Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Da suspendiert der parteistramme Wiener Polizeipräsident Pürstl einen Polizisten, der den unglaublichen Skandal um Planvorgaben für Strafmandate öffentlich gemacht hat. Die gähnend leeren Wiener Stadtkassen brauchen ja dringend das Geld der Polizei. Diese Vorgaben führen zu ständigen Einkassieraktionen von Pürstls Truppe an völlig gefahrfreien Stellen. Denn dort ist das Plansoll am leichtesten erreichbar. Dort aber, wo aus anderen Behörden, nämlich der Staatsanwaltschaft, ständig amtsgeheime Strafakten hinaussickern, hat der Herr Präsident noch nie etwas Zweckdienliches unternommen. Klar: Dort sind ja „nur“ Bürger die Opfer, und nicht das geldgierige Ratshaussystem. Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Da zeigt eine neue Studie, dass Österreich im Vergleich das komfortabelste Pensionssystem hat. Hier geht man vier Jahre vor dem EU-Schnitt in die Rente. Und die Höhe dieser Rente deckt in Österreich 77 Prozent des Letztgehalts, während es im Durchschnitt der Industrieländer weniger als 55 sind. Bloß eine Kleinigkeit ist noch ungeklärt: Wer diese Großzügigkeit bezahlen soll, da jetzt die Babyboomer in Bataillonsstärke in Pension gehen. Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Da ist im November die Zahl der Arbeitslosen sogar schon um fast elf Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen; vor allem bei den Unqualifizierten ist die Entwicklung ganz schlimm. Dabei ist die Zahl der Beschäftigten zugleich noch durchaus gestiegen. Gleichzeitig sind die Kindergeburten seit langem stark im Sinken. Wie kann es das geben, das passt doch rechnerisch nicht zusammen? Des Rätsels Lösung liegt in der Massenzuwanderung unqualifizierter und vom Arbeitsmarkt nicht nachgefragter Menschen aus der Dritten Welt und dem Balkan. Das wird jedoch nirgendwo erwähnt, weil es politisch unkorrekt ist. Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Da ist in Wien die Arbeitslosigkeit am steilsten gestiegen. Dabei betrugen hier die Arbeitslosenzahlen schon vorher einen weit höheren Prozentsatz als in den anderen Bundesländern. Seltsamer Zufall: Wien liegt auch bei der Gewährung von „Mindestsicherungen“ österreichweit an der Spitze. 57 Prozent aller österreichweit ausbezahlten arbeitslosen Einkommen dieser Art hat die rotgrüne Rathausverwaltung genehmigt. In Wien leben jedoch kaum mehr als 20 Prozent der Österreicher. Ziemlich seltsam. Das zur Kontrolle zuständige Sozialministerium findet das jedoch gar nicht seltsam. Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Da werden hierzulande unter großem Aufwand die absurdesten Zahlen erhoben und staatsoffiziell veröffentlicht. Bis hin zur Tatsache, dass es im Burgenland zwei Kinos mit Digitalprojektion gibt. Wen auch immer das interessiert. Aber zur tatsächlich spannenden Frage, in welchem Ausmaß Frauen und in welchem die Männer vom Wahlrecht Gebrauch machen, gibt es Null offizielle Daten. Weder österreichweit und schon gar nicht bundesländerweise. Ebensowenig gibt es das über die Wahlbeteiligung der neuerdings ja wahlberechtigten Jugendlichen. Das interessiert offenbar niemanden außer den Tagebuch-Autor. Im zuständigen Innenministerium faselt man auf Anfrage des Tagebuchs zuerst etwas vom Wahlgeheimnis. Was ein Schwachsinn ist, wird doch sogar bei Gemeinden mit wenigen Dutzend Einwohnern bekanntgegeben, ob es dort plötzlich einen Kommunisten gibt. Ich wollte aber nur die Zahlen der beiden Geschlechter wissen, die zur Wahl gehen. Schlussendlich zog sich das Ministerium auf ein anderes, ebenfalls hanebüchenes Argument zurück: Das wäre mit beträchtlichem organisatorischem Aufwand verbunden. Was es überhaupt nicht ist, wenn man es effizient organisiert, da man ja Geschlecht und Alter jedes Wahlberechtigten ganz genau kennt. Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Da wird in Oberösterreich aus Steuergeld ein Theaterprojekt(!) eines SPÖ-nahen Vereins mit 100.000 Euro gefördert. Um ein besonders absurdes Beispiel Abertausender sinnloser Subventionen zu nennen. Das Geld fließt über ein Programm unter dem Arbeitstitel „Aktionspaket für MigrantInnen“. Mit seiner Hilfe sollen „wichtige individuelle Kompetenzen“ entwickelt werden. Eine vom Markt nachgefragte Kompetenz ist das freilich nicht. Nicht einmal mit dem dudenwidrigen Binnen-I. Egal, zahlen tun‘s ja die blöden arbeitenden Bürger. Eh wurscht, wir sind ja in Österreich.

Drucken

FN: 532: Spinnen die Belgier – oder die Österreicher?

30. November 2013 02:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Belgien hat einen sozialistischen Regierungschef, Österreich auch. Aber Belgien tut in kritischen Zeiten das Gegenteil von Österreich.

In Belgien wird eine wichtige Steuer, die Stromsteuer, dramatisch gesenkt: von 21 auf 6 Prozent, also auf weniger als ein Drittel. Mit dem ausdrücklichen Zweck, die Unternehmen in kritischen Zeiten anzukurbeln. In Österreich will der Regierungschef hingegen in kritischen Zeiten Steuern erhöhen oder neu einführen, die die Wirtschaft schwer treffen. Wer da wohl klüger handelt? Besonders absurd ist zugleich das Auftreten eines österreichischen Gewerkschaftsbosses. Dieser ging im Vulgärton ins Fernsehen, um einen Bankenchef niederzumachen, der den Zusammenhang zwischen der Bankensteuer und zahlreichen neuen Regulierungen einerseits und dem Verlust von Arbeitsplätzen andererseits aufzuzeigen gewagt hatte. Wobei das Auftreten dieses Vulgärgewerkschafters auch deshalb besonders frech ist, weil er der SPÖ angehört. Die aber trägt die Hauptverantwortung dafür, dass diese jetzt gewerkschaftlich beschimpfte und einst der Gemeinde Wien gehörende Bank nicht als österreichische Bank privatisiert, sondern ans Ausland verscherbelt worden war. Wo sie nun einer Gruppe gehört, die heute schwerst im Schwimmen ist. Und die SPÖ war auch die Partei, die am lautesten behauptet hatte, die Banken folgenlos ausrauben - pardon: besteuern zu können (wobei die ÖVP allerdings letztlich voll mitgetan hat und die FPÖ Banken sowieso biblisch hasst).

Drucken

Immer wieder die Deutschen

21. November 2013 14:28 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Sie sind und bleiben unverbesserliche Kriegstreiber! 1870/71 führen die ruchlosen Teutonen Krieg gegen Frankreich, das von einem (20 Jahre zuvor an die Macht geputschten) Friedensengel regiert wird; 1900 tönt der Kaiser anlässlich der Verabschiedung des Expeditionskorps zur Niederschlagung des Boxeraufstands in China: „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“ Hunnen! 1914 stürzen die Deutschen die Alte Welt in eine katastrophale zweite Auflage des Dreißigjährigen Krieges. Kaum sind sie dafür mit Gebietsverlusten, Massenvertreibungen und Plünderungen gebührend bestraft, düpieren sie die Welt mit ihrem „Wirtschaftswunder“ (das mit den bescheidenen Marshall-Plan-Krediten übrigens wenig bis nichts zu tun hat).

Anno 2013 sind sie, zum größten Verdruss ihrer europäischen „Partner“ und ihrer transatlantischen „Freunde“, Exportweltmeister und brechen, den krausen Vorstellungen der Spitzenbürokraten der „Freunde“ zu Folge, schon wieder einen Krieg vom Zaun. Diesmal nicht mit MG42, Stuka und Sturmgeschütz, sondern mit wirtschaftlichen Mitteln. Alleinige Ursache des verheerenden Zustands, in dem sich Staatsfinanzen und Beschäftigungssituation der „Südstaaten“ befinden, ist demnach – wieder einmal – der „Deutsche Sonderweg“ (der darin besteht, zu arbeiten anstatt zu streiken). Das Säbelrasseln gehört eben einfach zur deutschen Natur…

Stand für die seriöseren unter den europäischen Staatsmännern einst die Idee von Markt und Freihandel als zukunftsträchtiges europäisches Friedensprojekt im Mittelpunkt, hat der Wind längst um 180 Grad gedreht: Für die Neobolschewiken der EU-Kommission ist Planwirtschaft Trumpf. Ganz im Sinne dieser Logik droht Olli Rehn, seines Zeichens Wirtschaftskommissar der EU, den Deutschen ein Verfahren an und will sie bestraft sehen – und zwar wegen seit Jahren zelebrierter „Exportexzesse“. Nicht etwa kollektiver mediterraner Schlendrian, Ineffizienz und Korruption stehen in der Kritik, sondern die als aufreizend empfundene (deutsche) Tüchtigkeit. Dafür könnte es am Ende sogar empfindliche Strafen setzen. Bastelstunde im Irrenhaus. Wer nach den Gründen für wachsende Politikverdrossenheit und EU-Skepsis sucht – hier wird er fündig!

Nun muss man allerdings wissen, dass Herr Rehn nicht nur Kommissar ist (was allein schon einiges darüber verrät, wes Geistes Kind er ist, denn anständige Menschen zieht es nun einmal nicht in die Politik – schon gar nicht nach Brüssel!), sondern auch Ökonom. Eine brandgefährliche Synthese! Bekanntlich wimmelte es ja auch in der selig entschlafenen UdSSR von an maßgeblichen Positionen tätigen Volkswirten. Die lichtvollen Höhen, zu denen diese die Wirtschaft ihres Landes führten, sind noch in lebhafter Erinnerung. Je mehr beamtete Ökonomen, desto mieser die Wirtschaftslage. Ein ehernes Gesetz. Euroland bildet da keine Ausnahme.

Herr Rehn stößt sich also daran, dass in der Mitte Europas tüchtig gearbeitet wird und alle Welt demzufolge auf Produkte „Made in Germany“ scharf ist. Das darf nach seiner, leider durchaus maßgeblichen, Meinung nicht sein. In der Tat exportiert die deutsche Volkswirtschaft deutlich mehr als sie importiert. Logische Folge ist ein beachtlicher Leistungsbilanzüberhang.

In einer freien Wirtschaft läuft es so: Wenn Betrieb A stärker begehrte Produkte herstellt als der mit ihm konkurrierende Betrieb B, wird letzterer Maßnahmen ergreifen (müssen), um seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Andernfalls verliert er Kunden und läuft am Ende Gefahr, Pleite zu machen.

In der Europäischen Union herrschen – nach den Vorstellungen der Zentralbürokratie – völlig andere Regeln. Hier sinnt man daher auf Mittel und Wege, dem leistungsfähigeren Wettbewerber möglichst viele Prügel vor die Füße zu werfen, um ihn wirkungsvoll daran zu hindern, zum Nutzen seiner Kunden tätig zu werden. Genau darauf laufen die Pläne des Kommissars hinaus. Deutsche Unternehmen sollen schlechter, unwirtschaftlicher und teurer arbeiten, nicht etwa alle anderen besser und kostengünstiger. Man sollte so viel Torheit nicht für möglich halten!

Der Vorwurf Herrn Rehns an deutsche Adressaten basiert offensichtlich auf einem tief verinnerlichten, planwirtschaftlichen Denken: Denn selbstverständlich sind die deutschen Exportüberschüsse keineswegs das Ergebnis einer von langer Hand geplanten Verschwörung ebenso bösartiger wie kriegslüsterner Krauts, sondern die Folge der Summe freier Entscheidungen aller Konsumenten auf den internationalen Märkten. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Binnenmarktes geben viele von ihnen deutschen Produkten einfach den Vorzug vor allen anderen. Daran ist nichts verkehrt. Ende der Durchsage. Auf welche Weise und zu welchen Kosten von deutschen Betrieben produziert wird, geht (neben Eigentümern und Mitarbeitern) allein die Käufer der Waren etwas an. Brüsseler Geistesathleten vom Schlage Olli Rehns aber ganz sicher nicht!

Um zu begreifen, inwiefern etwa der griechischen Tsatsiki-Industrie oder französischen Froschzüchtern damit gedient wäre, wenn Brüssel deutsche Auto- oder Maschinenbauer dazu zwänge, ab sofort miese Produkte zu überhöhten Preisen anzubieten, muss man schon Kommissar sein. Ohne einen ausgedehnten Aufenthalt im sozialistisch verstrahlten Brüssel würde keiner auf die außerirdisch blödsinnige Idee verfallen, die strukturellen Probleme des „Club Méditerranée“ (inklusive Frankreichs) ausgerechnet dadurch lösen zu wollen, dass man die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie reduziert.

Dass die deutschen Bürger (namentlich die Sparer und Nettosteuerzahler unter ihnen) ihre Exporterfolge innerhalb der Eurozone letztlich aus der eigenen Tasche bezahlen, da die Rechnungen für ihre Lieferungen – etwa nach Griechenland - zu einem guten Teil nicht prompt beglichen, sondern langfristig, und zwar mutmaßlich uneinbringlich, kreditiert werden, ist wieder eine andere Geschichte – Stichwort „Targetfalle“.

Tatsache ist, dass die deutschen Verkäufe nach Übersee ein deutlich stärkeres Wachstum aufweisen als jene in Euroland. Wer sich also anschickt, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Betriebe zu reduzieren, schädigt damit am Ende ganz Europa. Durch Bummelei bei der Arbeit, Frühpensionierungen, Streiks, „soziale Umverteilung“ und mittels als „öffentliche Investitionen“ getarnter, staatlicher Geldverbrennungsaktionen, wird die EU nicht weiterkommen. Von dem einstigen Ziel, dadurch zum „dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt“ zu werden, wie anno 2000 in Lissabon vollmundig angekündigt, ganz zu schweigen. Planwirtschaft funktioniert eben nicht. Weder in der UdSSR, noch in ihrem Nachfolgemodell namens EU.

Herr Rehn wäre daher gut beraten, wirtschaftsfeindliche linke Regierungen – wie jene Frankreichs – oder Griechenlands beamtete Kleptokraten, ins Visier zu nehmen, anstatt die vorbildlich arbeitenden deutschen Betriebe und deren Mitarbeiter…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Tributpflicht à la IWF

11. November 2013 11:11 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das Bekanntwerden der Überlegungen des Internationalen Währungsfonds, ob die Staatskassen eventuell mittels der Enteignung von Sparern und Immobilienbesitzern zu entlasten und auf den Stand von 2007 zurückzuführen wären, hat einigen Staub aufgewirbelt. Nachdem sich – völlig überraschend – selbst die gewöhnlich zuverlässig staatsfreundlichen Hauptstrommedien überwiegend kritisch zur Idee einer Teilenteignung jener Menschen äußerten, die den schwerwiegenden Fehler begingen, keine Schulden gemacht zu haben, folgten Erläuterungen, die so glaubwürdig klangen wie weiland Walter Ulbrichts Beteuerung „Niemand will eine Mauer bauen!“

Doch jetzt ist die Katze einmal aus dem Sack. Das ist auch gut so, da die „Lektion Zypern“ vom Publikum offensichtlich nicht verstanden wurde. Jetzt sollte auch der Dümmste begriffen haben, dass die Herrschenden und die ihnen zuarbeitenden Staatsökonomen und Intellektuellen vor keinem Verrat zurückschrecken werden, wenn es darum geht, das seit vielen Jahren laufende Pyramidenspiel aus Zinsmanipulation, Kreditexzess und Geldwerterosion wenigstens noch eine Zeit lang am Laufen zu halten.

Nehmen wir an, die Sache würde tatsächlich wahr gemacht: Dann erscheint es mehr als zweifelhaft, dass kleine Sparer und Eigenheimbesitzer überhaupt die Möglichkeit hätten, sich einem generalstabsmäßig geplanten und transnational orchestrierten Raubzug der Regierungen zu entziehen. Die Möglichkeiten dazu sind begrenzt. Denn wenn, wie im IWF-Papier ventiliert, eine bestimmte Vermögensquote zugunsten maroder Staatshaushalte konfisziert werden soll, dann geraten damit ja nicht nur der amtsbekannte Immobilienbesitz, Sparbücher und Wertpapierdepots ins Fadenkreuz des Fiskus, sondern natürlich auch alle anderen Vermögenswerte. Wenn schon enteignen, dann aber schon ordentlich und „sozial gerecht“.

Schließlich wäre es undenkbar, zwar die Schrebergartenhütte der Wettitant mit einer Zwangshypothek zu belasten, nicht aber Teile der Gemäldesammlung von Herrn X und/oder das Edelmetalldepot der Frau Y und deren Juwelen zu konfiszieren. Derartige Werte sind aber, falls der jeweilige Besitzer darüber keine Zeitungsinserate schaltet oder in aller Öffentlichkeit lautstark damit prahlt, anonym und daher nur durch behördliche Nachschau aufzuspüren. Von Regierungsseite wurde bereits mehrfach betont, dass im Zusammenhang mit der Vermögensbewertung nicht an Hausdurchsuchungen gedacht sei. Das ist – siehe Ulbricht – als eindeutiger Hinweis darauf zu verstehen, dass genau diese natürlich durchgeführt würden.

Beim Geld hört bekanntlich der Spaß auf – besonders der des Fiskus. Ein Anschlag auf die Vermögen der Untertanen wird daher notwendigerweise mit einer Öffnung von Bankschließfächern unter Behördenaufsicht, sowie einer gründlichen Inspektion von Heimstätten der üblichen Verdächtigen einhergehen, als da wären: Unternehmer, Besitzer lastenfreier Eigentumswohnungen oder Eigenheime und andere Geldsäcke, sowie alle jene, die keinen großen Proletariernachweis erbringen können. Im Zuge der Bewältigung der Staatsschuldenkrise werden wir daher jede Hemmung fallen sehen, auch noch die letzten verbliebenen Reste von Privatsphäre zu beseitigen. Schließlich steht ja nicht weniger als das Gemeinwohl auf dem Spiel! Unverletzlichkeit der Wohnung? Lächerlich!

Auch jene Schlaumeier, die nun – einerseits um der Enteignung durch den Staat und andererseits um einem möglichen Bankrun zuvorzukommen – ihre Konten auflösen um die abgehobenen Banknoten zu Hause in ihre Matratzen stopfen, wären leichtsinnig, würden sie sich deshalb in Sicherheit wiegen. Rascher, als sie von der Bank heimkommen, können nämlich jene Banknoten für ungültig erklärt werden, die nicht über eine entsprechende behördliche Kennzeichnung verfügen. Im Zuge dieser Kennzeichnung (oder des Umtauschs) von daheim gehorteten Barmitteln, wird dann erst recht die jeweilige Zwangsabgabe (deren Quote eher über als unter den kolportierten zehn Prozent liegen wird) eingetrieben. Derlei Übungen sind nicht neu. Es ist alles schon einmal da gewesen!

Die Konsequenz der vom IWF überlegten Ausplünderung von Nichtschuldnern und Vermögensbildnern wird nicht lange auf sich warten lassen: Nach der Immobilenbranche, den Aktien- und Rohstoffbörsen, werden jetzt die Konsumtempel Umsatzrekorde feiern und die Tourismusindustrie wird einen Boom erleben. Ludwig Mises hat ein derartiges Phänomen einst als „Katastrophenhausse“ bezeichnet. Wer keine Möglichkeit sieht, sein mühsam erspartes Vermögen dem Zugriff grob fahrlässiger oder krimineller Machthaber oder einer galoppierenden Inflation zu entziehen, wird konsumieren, als gäbe es kein morgen. Lieber noch ein paar Monate im Dauerrausch, als gar nichts vom Ersparten zu haben – durchaus rational überlegt! Ist dann der letzte Cent verbraten, und der letzte bar bezahlte Laib Brot aufgegessen, heißt es „Fertigmachen zum Zusammenbuch!“ Dann – wenn auch leider zu spät – werden selbst glühende Etatisten und eingefleischte Keynesianer erkennen, dass es doch keine Möglichkeit gibt, sich „reich zu konsumieren“ oder „in den Wohlstand zu verschulden“.

Die Ironie des Ganzen ist, dass derartige Ungeheuerlichkeiten und all der verheerende Schaden, der damit angerichtet wird, dennoch keine nachhaltige Sanierung der Staatshaushalte bewirken würden. Denn niemals waren die Abgabenlasten höher als unserer Tage; zu keiner Zeit haben die Steuerquellen ergiebiger gesprudelt als gerade jetzt. Das Problem der Staaten besteht nämlich nicht in zu geringen oder abnehmenden Einnahmen, sondern in zu hohen und zudem laufend steigenden Ausgaben. Und daran wird sich auch nach einer Entschuldung der Staaten – gleich auf welche, jedenfalls schmerzhafte Weise diese erfolgen wird – absolut nichts ändern. Schon tags darauf werden erneut die Staatsausgaben die -einnahmen übersteigen, da niemand innerhalb der politischen Klasse daran denkt, die Strukturen zu verändern.

Denn auf dem Boden der westlichen „Prolokratie“ liefe ein Entzug steuer- oder schuldenfinanzierter Wohltaten glatt auf einen politischen Selbstmord der Regierungen hinaus, den zu begehen diese mit Sicherheit nicht vorhaben. Daher würden – auch nach einer Sanierung der Staatshaushalte – dem über die Stimmenmehrheit verfügenden Proletariat weiterhin Brot und Spiele geboten werden müssen. Schließlich will man sich ja als Systemprofiteur die Finger nicht mit ehrlicher, produktiver Arbeit schmutzig machen müssen, sondern weiterhin am wohl gefüllten Futtertrog der Politik verbleiben und wiedergewählt werden. Das grausige Spiel könnte daher von neuem beginnen.

Fazit: Das herrschende politische System ist – nicht nur in materieller Hinsicht – bankrott und mutmaßlich unreformierbar. Ohne eine Rückkehr zu persönlicher Verantwortung und Haftung, Respekt vor privatem Eigentum und einem soliden Geldsystem wird die Gesellschaft jedenfalls zerfallen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Die seltsamen Sorgen der Nomenklatura und ein echtes Problem

07. November 2013 02:40 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Es fällt immer schwerer, für die Bocksprünge der Brüsseler Spitzen wenigstens noch Spurenelemente rationaler Begründungen zu finden. Die pure Lust an der Ausübung ihrer Macht zum Ge- und Verbieten scheint mit den Damen und Herren Zentralbürokraten immer häufiger durchzugehen. Die Initiative zur Leistungsbegrenzung von Staubsaugern ist ein gutes Beispiel dafür. Nur zwei Erklärungen für diese haarsträubende Schnapsidee bieten sich an: Einerseits der völlige Mangel an Kenntnissen fundamentaler Prinzipien der Physik; anderseits die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass keiner der Urheber dieser Groteske jemals selbst mit einem Staubsauger gearbeitet hat.

Andernfalls wäre jedem von ihnen klar, dass ein leistungsstärkeres Gerät effektiver arbeitet und damit kürzere Arbeitszeiten ermöglicht. Als Besitzer eines kurzhaarigen weißen Hundes sowie einiger dunkelroter Teppiche und zugleich deklarierter Freund der Sauberkeit, betrachtet sich der Autor dieser Zeilen als einschlägigen Experten: Mit geringer Saugleistung ist es beinahe unmöglich, jedenfalls aber mit erheblichen zusätzlichen Anstrengungen verbunden, die wie Nadeln im Teppichflor steckenden Hundehaare zu entfernen.

Mein kürzlich erworbenes 2000-Watt-Gerät dagegen schafft das in kürzester Zeit mühelos. Es besteht, wovon sich jedermann jederzeit praktisch überzeugen kann, ein linearer Zusammenhang zwischen der Leistungsaufnahme eines Staubsaugers und der aufzuwendenden Einsatzzeit, um eine gegebene Fläche zu reinigen. Doppelte Leistung = halbe Einschaltzeit. Das bedeutet eine neutrale Energiebilanz und damit die Unmöglichkeit, durch verringerte Geräteleistung Strom zu sparen.

Auch das Argument, durch behördliche Auflagen würde der industriellen Innovation auf die Sprünge geholfen, ist an Putzigkeit kaum zu überbieten. Klar, jene Kreaturen, die ja gerade deshalb Bürokraten und nicht etwa Produktentwickler geworden sind, weil sie jeglicher Kreativität, konstruktiver Phantasie und Bereitschaft zum Dienst am Bürger/Konsumenten ermangeln, braucht es, um den Fortschritt voranzutreiben. Ganz bestimmt!

Wie dem auch sei: Das Ziel der (selbstverständlich im Hinblick auf den zunehmend pathologische Züge annehmenden Klimarettungskult) angestrebten Energieeinsparung ist durch die Reduktion der Leistung von Staubsaugern nicht zu erreichen. Über die Regelung von Duschkopfgrößen und die Begrenzung der Wassermenge pro Toilettenspülung wird von der Nomenklatura ebenfalls intensiv nachgedacht – was besonders in Ländern wie Österreich ungemein viel Sinn haben wird, wo 80 Prozent des zur Verfügung stehenden Wassers ohnehin ungenutzt – im wahrsten Sinn des Wortes – den Bach runtergehen. Herr, bitte lass nicht nur Wasser, sondern auch Hirn regnen – bevorzugt über dem Berlaymont!

Müßiggang ist bekanntlich aller Laster Anfang. Auf den real existierenden Irrsinn der EUdSSR übertragen: An Nutzlosigkeit nicht zu übertreffende Schreibtischtäter haben – in totaler Ermangelung produktiver Aufgaben – ganztägig Zeit, sich den Kopf darüber zerbrechen, auf welch trickreiche Weise sie die Freiheit von 500 Millionen Europäern weiter beschränken. Im Gegenzug dazu können sie ihre eigene Macht noch stärker ausdehnen.

Die Staubsauger-Initiative ist nur der Anfang. Wird der Gedanke konsequent weitergedacht, ist der Tag nicht mehr allzu fern, an dem absolute Leistungsbegrenzungen für den Strombedarf privater Haushalte verfügt und durchgesetzt werden. Das (einst schon von Bruno Kreisky propagierte) Nassrasieren wird zur unbedingten Pflicht werden. Der zeitgleiche Einsatz von Bügeleisen, Kühltruhen, elektrischen Rasenmähern und Fernsehern und einer einigermaßen akzeptablen Beleuchtung wird dann technisch unmöglich gemacht sein. Eine Wahl oder ein Ausweichen wird es für den gemeinen Untertanen des EU-Molochs nicht mehr geben. In Nordkorea ist man schon so weit. Die Alte Welt ist auf dem besten Weg dahin…

Über die Aufregung angesichts all dieses sagenhaften Unfugs drohen die wahrhaft besorgniserregenden Entwicklungen gänzlich übersehen zu werden. Besonders alarmierend erscheint die seit Jahren drastisch sinkende Sparquote in der Alpenrepublik. Lag diese vor einigen Jahren noch bei über zehn Prozent des verfügbaren Einkommens, ist sie nun auf unter sechs Prozent gesunken. Manche „Experten“ entblöden sich nicht, diesen Umstand auch noch regelrecht zu bejubeln, da dadurch der Konsum – und damit die Konjunktur – angetrieben würde. Klar, durch Konsum wird man reich, während man durchs Sparen verarmt – das liegt doch auf der Hand, oder?

Die Wahrheit hängt indes nicht davon ab, was die Hauptstrommedien kolportieren – und schon gar nicht davon, was linke Wirtschafts„wissenschaftler“ (die gewissenlosen Herolde und Apologeten einer absolut verantwortungslosen Schuldenwirtschaft) von sich geben. Denn wahr ist: Konsum mindert den Kapitalstock. Anders herum: Was heute nicht gespart wird, steht morgen für Investitionen nicht zur Verfügung.

Keine oder zurückgehende Investitionen bedeuten abnehmende Kapitalproduktivität. Im Klartext: Steigende Konsumausgaben bei sinkender Sparneigung zu bejubeln, offenbart die totale Verinnerlichung dessen, was der liberale Ökonom Guido Hülsmann als „Inflationskultur“ bezeichnet. Denn ausschließlich die aus dem Konsumverzicht resultierende Bildung von Ersparnissen bietet die Möglichkeit zur schuldenfreien Schaffung von Realkapital, das die zukünftig verfügbaren Einkommen und den Wohlstand der Gesellschaft sicherstellt. Wer dagegen sein Einkommen nicht zum Teil spart, sondern vollständig verkonsumiert, später aber dennoch Investitionen tätigen möchte, entscheidet sich damit langfristig für den Weg in die Schuldknechtschaft.

Ob die Erklärung für die sinkende Sparneigung primär in der Einsicht großer Teile der Bevölkerung besteht, dass das Geld, dank der moralfreien staatlichen Geldpolitik, zunehmend an Kaufkraft verliert und Sparen daher tatsächlich reale Verluste bedeutet, oder ob die stetig wachsende fiskalische Enteignungsquote dazu führt, die realen Einkommen derart zu erodieren, dass zum Sparen schlicht nichts mehr übrigbleibt, ist letztlich unerheblich.

Es ändert sich dadurch nichts an der mittel- bis langfristig zu erwartenden Folge der sinkenden Sparbereitschaft: Der kollektiven Verarmung der gesamten Volkswirtschaft. Dafür bedanken dürfen sich sämtliche Betroffenen nicht bei den zu Sündenböcken erklärten, herzlosen „Spekulanten“ oder ausbeuterischen Unternehmern, sondern bei jener ehrenwerten Gesellschaft, die in Staatskanzleien und Zentralbanken seit Jahrzehnten damit beschäftigt ist, den Weg ins (nicht nur wirtschaftliche) Chaos zu pflastern…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Werte schaffen oder vernichten?

06. November 2013 07:35 | Autor: Günther Voith
Rubrik: Gastkommentar

Wer ein Produkt herstellt oder eine sonstige Leistung erbringt, wofür ein anderer freiwillig etwas bezahlt, der schafft einen Wert. Wenn der Einsatz teurer ist als der Erlös, so entsteht kein Wert, sondern ein Verlust und damit – irgendwo – eine Wertvernichtung. Gerade Politikern ist diese wirtschaftliche Grundtatsache nicht bewusst oder sie wird absichtlich verschleiert oder ignoriert.

Natürlich gibt es ethische Gründe, dass Werte bewusst vernichtet werden, wie die Versorgung von Kindern und Kranken. Übel und zu bekämpfen wären aber die zahlreichen Fälle, wo die „Freiwilligkeit“ durch Monopole in Frage zu stellen ist. Der ärgste Monopolist ist der Staat. Zwar sind die Bürger im Prinzip bereit, etwa für ihre Sicherheit, für Straßenreinigung oder Schulen angemessen(!) zu bezahlen, auch in Form von Steuern, wenn der Staat die Leistung erbringt. Aber bei einem Großteil der staatlichen Verwaltungstätigkeit hat der Steuerzahler das Gefühl, dass vieles unnötig und/oder zu teuer ist: Es fehlt die Freiwilligkeit, denn der Staat kann mit seiner Macht Steuern festsetzen und verteilen, und die Frage, ob auch Werte geschaffen oder eher vernichtet werden, wird meist gar nicht beurteilt.

Unsinn ist dabei die Behauptung, dass jedes, auch arbeitsloses, Einkommen „ohnehin in die Wirtschaft fließt“: Dann wäre das Land also am Besten dran, wenn kein Mensch arbeitete? Politiker verstecken sich bei der Verantwortung für die Verwendung der Steuergelder hinter der Fassade, dass es um politische Ziele gehe. Eine Rentabilitätsrechnung, ob eine Investition Werte schafft oder Verlust bringt, wird erst gar nicht gemacht (in Wahrheit verdrängen Politiker sogar jeden Gedanken an die Zeit nach den nächsten Wahlen).

Die Folge sind höhere Steuern, Schulden und Verarmung. Ein Koralmtunnel könnte nur einen Wert bedeuten, wenn die Frachtkosten und damit die Verbraucherpreise durch die kürzere Fahrzeit sinken. Langfristig ist das gar nicht ausgeschlossen, aber die Rechnung wurde wohl nie gemacht. Ein Klagenfurter Stadion, zwei neue Wiener Bahnhöfe und hunderte andere Projekte (auf Schulden, also jedenfalls schon mit Zinskosten belastet) sind Wertvernichtung – man kann diese wollen, aber in einer Demokratie gehört das zumindest transparent gemacht.

Das „soziale“ Argument, damit werden Arbeitsplätze geschaffen, ist schlicht falsch; denn Arbeitsplätze, mit denen keine Werte geschaffen werden, sind wirtschaftlich reine, und zu teure, Arbeitsosenunterstützung.

Selbst bei „Rettung“ etwa von Baufirmen muss man fragen, ob nicht die Priorität falsch gesetzt wird. Die Wertschöpfung in der Baubranche ist schwach. Nur Objekte, die gut verkauft oder vermietet werden können, haben einen Wert. Tatsächlich können Werte und damit echte Arbeitsplätze nur von Ertrag bringenden Unternehmen geschaffen werden; der Staat ist mit ganz wenigen Ausnahmen als Unternehmer völlig ungeeignet, lehrt die Erfahrung. Er kann nur umverteilen!

Der Missbrauch seiner Macht für falsch eingesetztes Steuergeld führt unser reich gewesenes Land nach unten; Wählerkauf kann das Grundgesetz der Wertschöpfung oder -vernichtung nicht ändern.

Dr. Günther Voith ist Jurist und Unternehmer. Er hat lange die Inzersdsorfer Nahrungsmittelwerke geführt, war Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung, Mitglied des Österreich-Konvents, der Staatsaufgaben-Reformkommission und Lehrbeauftragter. Er hat soeben ein 600-Seiten-Buch „Reimekraut und Schüttelrübern" herausgebracht mit Alltags-Gedichten und Schüttelversen. Sie sind kritisch, persönlich, menschlich, politisch, zum Besinnen und zum Schmunzeln, jedenfalls unterhaltsam, aber keine Lyrik. Zu beziehen um € 28,- inkl. Versand via E-Mail guenter.voith@chello.at.

Drucken

An der WU links abbiegen, bitte!

22. Oktober 2013 22:20 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Jahrzehnte konnte die Wiener Wirtschaftsuniversität dem linken Mainstream widerstehen. Jetzt sind die letzten Dämme gebrochen, heute will man „den Kapitalismus zerstören und die Konzernallmacht brechen“. Schon in den 1990er Jahren standen die Volkswirtschafts-Institute der WU mehr oder weniger links – der Nationalbank-Chef, Ewald Novotny (SPÖ), kommt von so einem. Auch die Theorien berühmter (aber leider liberaler) Österreicher wie Ludwig von Mises oder Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek waren damals schon verpönt. Und wie alle Soziologen waren auch die der WU Wien latent „marxistoid“.

Aber es gab da auch genügend andere. Solche, die sich trauten, bürgerlich-konservative oder selbst markt-liberale Positionen zu vertreten. Wer als Jugendlicher in der „katholisch-sozialistischen Welt“ des kleinformatigen Österreichs sozialisiert war, dem blieb die Spucke weg, wenn er in den 90ern zum ersten Mal „Ideen eines selbstbestimmten Lebens ohne permanenten Staatseinfluss“ vernahm. Von der Freiheit aller Menschen, die das höchste Gut im Leben wäre. Doch Freiheit oder gar Privatwirtschaft sind heute aus der Mode.

„Re-think Economy“ nennt die WU ihren Schwenk nach links. Der Pfeil am Logo zeigt zurück. Wahrscheinlich meint man ohnedies „Zurück-denken“ – an die Gemeinwohl-Utopien der 1920er. Am Institut für Wirtschaftspädagogik (Prof. Aff) werden künftige HAK-Lehrer jetzt unterwiesen, dass Profit kein Hauptziel junger Unternehmer sei. Christian Felber vertieft marxistisches Welt(un)verständnis: Bis auf kleine Firmen und Genossenschaften will er Österreichs Betriebe verstaatlichen oder an die Arbeiter übertragen. Börsen müssten schließen, Zinsen wären verboten, Rohstoffpreise oder Warenhandel würden von Politikern kontrolliert werden. Lenins „Neue ökonomische Politik“ lässt grüßen.

Martin Schürz (Nationalbank) will Erbschaften zu 100 Prozent verstaatlichen, das Wirtschaftsforschungsinstitut schickt Markus Marterbauer zum Kampf gegen die letzten Glut-Nester des Neo-Liberalismus. „Regimetreue“ Arbeiten können sich an den Talenta-Preisen der Gemeinde Wien erfreuen, und Banker Pichler diskutiert den Drang nach einer neuen Ordnung in Europa.

Österreich auf „Kurs 1920“

Das wichtigste Aufsichtsorgan der WU, der fünfköpfige Universitätsrat, ist fest in „roter“ Hand: Neben Brigitte Jilka von der Gemeinde Wien sitzen dort Ewald Novotny von der Nationalbank und Silvia Angelo von der Arbeiterkammer. Analog die Situation der anderen Unis.

Damit sind in Österreich neben Institutionen wie Nationalbank und Statistik Austria, neben den Rundfunksendern und Fernsehprogrammen des ORF, neben den Boulevard- und den meisten Wochenmedien auch Schulen und Universitäten im Einfluss unserer „Staatspartei“.

Bisher ist es noch niemandem aufgefallen, dass seit über 40 Jahren – mit nur einer einzigen Ausnahme, 2002 – immer nur die eine, selbe Partei zur stimmenstärksten gewählt wird (Alexander Lukaschenko in Weißrussland gelingt dies erst seit 19 Jahren). Und wer glaubt, dass sich das in den nächsten 40 Jahren einmal ändern wird, der kann wohl nur in Österreich zur Schule oder Uni gegangen sein.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Sein letztes Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“, beschäftigt sich kritisch mit dem Linken Mainstream – allen voran Christian Felber, Caritas und AK.

Drucken

Marode Unternehmen: Rettung durch den Staat?

20. Oktober 2013 04:38 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Frankreich leistet in verschiedenen Bereichen Hervorragendes. Einige der großen Rotweine aus Burgund, Bordeaux oder der südlichen Rhône sind unübertrefflich. Als Land der Modeschöpfer, Parfumeure und Schmuckproduzenten der Luxusklasse ist es unerreicht. Und im Stellen unbeteiligter Zuschauer bei einer Invasion setzt es bekanntlich Maßstäbe. Weniger toll läuft es indes mit Frankreichs Industrie, deren Anteil an seiner gesamten Wertschöpfung bei mittlerweile zehn Prozent angelangt ist – mit weiter fallender Tendenz.

Beim Erzrivalen Deutschland beträgt der gleiche Wert immerhin 23 Prozent. Besonders der Metallbranche und den Automobilherstellern geht es gar nicht gut. Die Weltnachfrage nach Autos französischer Provenienz ist ähnlich jener nach bulgarischen Ski, dänischem Wein oder jemenitischen Designermöbeln. Jeder, der einmal eine französische Karre gefahren hat, weiß auch warum.

Ein schwerer Nachfrageeinbruch im Segment der Kompaktfahrzeuge in Europa und stetig wachsende Konkurrenz aus Übersee tun das ihre, um den französischen Herstellern stärker zuzusetzen, als etwa den deutschen. Der PSA-Konzern (mit den Marken Peugeot und Citroen) schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen. Der Hut brennt.

Es muss etwas geschehen! Die Politik ist gefordert! Ist sie das wirklich?

Die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Unternehmen kommen und gehen. In einer arbeitsteiligen, innovativen, von Wettbewerb geprägten Volkswirtschaft ist das keine Katastrophe, sondern ganz normal. Unternehmen können, müssen aber nicht ein Menschenleben überdauern (das geschieht auch nur in den seltensten Fällen). Nur in Wirtschaftsfragen völlig unbedarfte Zeitgenossen halten Unternehmen, besonders die großen, für „unsinkbare Schiffe“.

Josef Schumpeter hat für das Phänomen der Verdrängung des unrentablen Alten durch das rentable Neue einst den Begriff „Schöpferische Zerstörung“ geprägt. Hunderttausende Landarbeiter, Leinenweber, Lastenträger und Schriftsetzer haben infolge des technischen Fortschritts ihre Arbeitsplätze verloren und an anderer Stelle Lohn und Brot gefunden. Der kleine Greißler ums Eck ist den Filialbetrieben der Handelsketten gewichen. Keine finsteren Mächte, sondern veränderte Konsumentenpräferenzen haben dafür gesorgt. Das mag mancher bedauern. Mit politischen Mitteln zu ändern ist es nicht.

Zweifellos ist es für unmittelbar Betroffene, Kapiteleigner wie Beschäftigte, dramatisch, seinen Betrieb untergehen zu sehen. Ihr Interesse an dessen Erhaltung ist daher verständlich. Allerdings stellt sich die Frage nach Kosten und Nutzen der Bewahrung eines Unternehmens, dessen Produkte nicht (mehr) gefragt sind. Kann es sinnvoll sein, die aus freien Stücken getroffenen Entscheidungen der Marktakteure konterkarieren zu wollen?

Zusätzliches Gewicht gewinnt diese Frage dann, wenn nicht ausschließlich Geld privater Investoren, sondern Steuermittel zu diesem Zweck aufgewendet werden sollen. Gegenwärtig wird von PSA ja nicht nur mit dem chinesischen Staatsbetrieb Dongfeng über eine Beteiligung verhandelt, sondern auch darüber spekuliert, ob die französische Regierung Steuermittel dazu einsetzen soll, um dem angeschlagenen Konzern unter die Arme zu greifen.

Vor nicht allzu langer Zeit erfolgten staatliche „Rettungsaktionen“ zum Beispiel für die angeschlagene Luftlinie Alitalia oder den Autohersteller General Motors. Wie sinnvoll sind derartige Engagements?

Empirisch lässt sich die volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Erhaltung von an der Nachfrage vorbei produzierenden Produzenten nicht nachweisen. Die Belohnung eines nicht marktorientierten Verhaltens, wie die subventionierte Produktion von nicht nachgefragten Gütern und Dienstleistungen, verursacht allemal Kosten, liefert aber netto keinen Nutzen.

Staatsinterventionen in die Wirtschaft sollen Konkurse verhindern, etwa von Banken, die es geschafft haben, von einer Regierung als „too big to fail“ eingestuft zu werden. Sie laufen aber regelmäßig auf die Zementierung bestehender, unwirtschaftlicher Strukturen hinaus und behindern notwendige Korrekturen und wirtschaftliche Innovationen.

Dass derlei „Rettungsaktionen“ ausschließlich Großbetrieben zugute kommen, die mit Steuermitteln finanziert werden, die von ordentlich wirtschaftenden KMU und deren Mitarbeitern erbracht werden, fügt dem ökonomischen Irrsinn den blanken Hohn hinzu: Der Staat plündert die Kleinen aus, um jene Giganten zu päppeln, welche die Kleinen peu à peu aufkaufen oder aus dem Geschäft drängen. Am Ende sehen dann linke Etatisten das marxistische Märchen von der „Gesetzmäßigkeit des kapitalistischen Konzentrationsprozesses“ bestätigt…

Die Menschen wissen sehr genau, weshalb sie keine Peugeots kaufen wollen. Es gibt keinen plausiblen Grund anzunehmen, dass es die französische Regierung besser wissen könnte. Der Ökonom und Pamphletist Frédéric Bastiat brachte das Problem mit folgender Formel auf den Punkt: „Was man sieht und was man nicht sieht.“ Eine staatliche Rettungsaktion erhält den Beschäftigten (zumindest kurzfristig) Tausende Arbeitsplätze, den Aktionären ihr Kapital und der Regierung eine Menge Wählerstimmen.

Das ist es, was man sieht. Das nun andernorts fehlende Geld kann allerdings nun nicht mehr in ertragreichere und, vor allem, zukunftstaugliche Projekte investiert werden, wo es wesentlich mehr Nutzen hätte stiften können. Das ist es, was man nicht sieht.

Ökonomisch kluge Entscheidungen sind daher nicht nur auf die Verwirklichung unmittelbar sichtbarer Ziele gerichtet, sondern beziehen auch allfällige, möglicherweise erst später eintretende „Kollateralschäden“ mit ein. Der bei Peugeot Verluste produzierende Ingenieur oder Facharbeiter könnte mittel- und langfristig in wirtschaftlich gesunden Unternehmen weit bessere Dienste leisten. Und das bei Peugeot verbrannte Kapital würde, anderweitig eingesetzt, erheblich mehr Wertschöpfung generieren.

Angesichts des von der linksradikalen Regierung Frankreichs hinreichend erbrachten Nachweises ihrer atemberaubenden wirtschaftspolitischen Inkompetenz, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sie die jahrelang betriebene Misswirtschaft bei Peugeot mit Steuermitteln belohnen wird. Immerhin steht ja auch das Prestige der gallischen Autobauer auf dem Spiel. Und ohne Gloire und Grandeur geht ja bei den Franzosen schließlich gar nichts – auch nicht bei den ordinärsten Sozialisten…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

FN 511: Die Arbeitslosigkeit und Faymanns Unwahrheiten

15. Oktober 2013 11:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Fakten der Ökonomie und die Lügen eines Wahlkampfes.

Sehr trocken der – meist SPÖ-nahe agierende – Chefökonom der Bank Austria: Die Arbeitslosigkeit werde Ende 2013 den „höchsten Wert der jüngeren österreichischen Geschichte“ erreichen. Na Bumm. Deutlicher geht’s nimmer. Zu diesem Rekordwert kommen noch die in der Statistik gar nicht erfassten österreichischen Formen, Arbeitslosigkeit zu verstecken: Weitaus am gravierendsten ist da der frühe Pensionsantritt, vier Jahre unter dem EU-Schnitt. Dabei haben wir alle noch die vibrierende Stimme des kleinen Bundeskanzlerdarstellers aus dem Wahlkampf in den Ohren. Da hat er sich noch der niedrigen Arbeitslosigkeit gebrüstet, jede substanzielle Pensionsreform abgelehnt, einen absurd hohen, damit massenweise Jobs vernichtenden Mindestlohn angedroht (in der roten Diktion: „versprochen“) und angekündigt, jene Menschen, die als einzige Arbeitsplätze schaffen könnten (in der rot-grünen Diktion: „die Reichen“), mit jeder Menge neuer Steuern zu belasten. Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit. Wohl rascher, als es sich die Genossen selbst in ihren ärgsten Albträumen vorstellen konnten.

 

Drucken

Die Kunst der Zentralbanken

12. Oktober 2013 05:37 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Janet Yellen wird also die neue Chefin der wichtigsten Zentralbank der Welt, der amerikanischen Federal Reserve Bank. Die Nachfolgerin von „Helikopter-Ben“ Bernanke ist eine überzeugte Befürworterin „kontrollierter Inflation“. Der zu erwartende Kurs: Fortsetzung, oder gar weitere Intensivierung der Politik des „quantitative easing“. Die amerikanische Notenpresse wird so bald also nicht zur Ruhe kommen.

Am gleichen Tag, da Yellen ernannt wurde, befasste sich im Wiener Hayek-Institut der Chefökonom der BlackSummit Financial Group mit den Herausforderungen für das weltweite Finanzsystem. Der griechischstämmige Amerikaner John E. Charalambakis, der auch an Universitäten lehrt, konstatierte: Das entscheidende Problem der „westlichen Welt“ bestehe heute darin, dass sie die Fähigkeit verloren hat, Wohlstand mittels Kapitalbildung zu produzieren. Kapitalismus ohne Kapitalakkumulation sei indes unmöglich.

Man dürfe keinesfalls den Fehler begehen, Kapital (assets) mit Haftungen und Verpflichtungen (liabilities) zu verwechseln. Nichts anders als derartige Schuldtitel aber seien etwa Staatsanleihen oder auf dem Finanzmarkt gehandelte Derivate. Dabei handle es sich lediglich um Forderungen, die durch nichts anderes als „…aus dünner Luft geschaffene Kredite“ entstanden und durch keinerlei Realwerte unterlegt seien. Durch Sparen gebildetes Kapital dagegen produziere „greifbare“ Werte. Es könne so zur Grundlage der Wohlstandsmehrung werden. Gewinne würden heute aber zum Großteil nicht mehr durch die Produktion von Waren und Dienstleistungen, sondern vielmehr durch Geldgeschäfte realisiert.

Die Zentralbanken stünden nunmehr vor der paradoxen Aufgabe, jene Banken, welche ihre „ultimativen Reserven“ bei ihr zu halten hätten, mit eben diesen Reserven auszustatten, sobald sie in Probleme geraten würden. Das sei der Weg in die „mengenmäßige Lockerung der Geldproduktion“ – in die hemmungslose Ausweitung der ungedeckten Geldmenge.

Es sei aber klar, dass diese Politik zu Blasenbildungen führe und alle Blasen – gleichgültig, ob sie sich im Wertpapier- oder Immobiliensektor bilden – früher oder später platzen und die Anleger mit Verlusten zurücklassen. Zudem wären die Zentralbanken mittlerweile dazu übergegangen, Staatsschulden zu „monetisieren“ [Staatsanleihen direkt oder indirekt aufzukaufen und damit unmittelbar den Staat zu finanzieren, Anm.], während sie durch eine künstliche Absenkung des Zinssatzes „finanzielle Repression“ betrieben [ein Vorgang, den man, weniger euphemistisch, auch als Raub an den Sparern bezeichnen könnte, Anm.].

Charalambakis befürchtet, dass das System in dieser Art zwar noch ein paar Jahre lang fortzuführen sein wird – wenn auch nur unter der Voraussetzung, dass die Geldmengenausweitung gebremst wird („tapering“) und es damit zu einem Zinsanstieg kommen kann. So oder so aber sei die in den zurückliegenden Jahren explosionsartig erfolgte Ausweitung der Geldreserven so weit fortgeschritten, dass damit jedenfalls die Voraussetzungen für eine „Implosion“ geschaffen worden seien.

Wir würden es dann mit der „Mutter aller Krisen“ zu tun bekommen, gegen die sich die Depressionszeit nach 1929 oder der Crash von 2007/2008 als geradezu harmlos ausnehmen würde. Arbeitslosenquoten von 50 Prozent wären mithin zu erwarten. Schon David Ricardo habe einst festgestellt, dass „weder ein Staat noch eine Bank jemals die Macht hatten, unbegrenzte Mengen von Papiergeld zu produzieren – ohne diese Macht zu missbrauchen.“

Wäre der Wohlstand einer Nation tatsächlich, wie von der Hauptstromökonomie hartnäckig behauptet, von der Geldproduktion abhängig, müsste Zimbabwe ein Paradies sein. Zimbabwe ist indes kein Paradies, ebenso wenig wie Haiti oder Argentinien. Ein Europäer, der anno 1900 ans Auswandern gedacht habe, hätte sich zwischen Buenos Aires und New York entscheiden können, indem er eine Münze wirft. Argentinien sei damals wirtschaftlich ebenso attraktiv gewesen wie die USA. Heute dagegen liege Argentinien, dank seiner katastrophalen Finanzpolitik, am Boden und keiner wolle mehr dorthin.

Im wirtschaftlichen Wettstreit mit Europa verfügten die USA – trotz aller in der Vergangenheit begangenen Fehler – über die weitaus besseren Karten:

Charalambakis plädiert für ein „solides Geld“, das jedenfalls über einen „inneren Wert“ verfügen müsse und keinen bloßen Schuldtitel repräsentiere. „Echtes Geld hat Sicherheiten hinter sich.“ Er schlägt als Basis dieser Sicherheiten ein „Warenbündel“ vor, das z. B. aus Edelmetallen, Öl und Korn bestehen könnte. Auf dieser Grundlage trete er für ein „Free Banking“ ein – und für das Ende der Zentralbanken.

Man würde nicht auf die Idee kommen, den Preis für Mäntel, Autos, etc. politisch festsetzen zu wollen. Bis vor genau hundert Jahren, als das US-Fed-System aus der Taufe gehoben wurde, habe auch niemand je daran gedacht, den Preis für Geld (den Zins) zentral und politisch zu steuern. Die Idee der planwirtschaftlichen Festsetzung des Geldpreises sei ebenso wenig mit einer freien Ökonomie zu vereinbaren, wie ein (staatliches) Geldmonopol.

Der Gedanke, dass „geborgte Reserven“ als Dünger für neu zu schaffende wirtschaftliche Aktivitäten fungieren, mittels derer reales Kapital gebildet und die herrschende Krise überwunden werden könne, sei illusorisch. Der „Krebs“ im System sei die ungebremste Ausweitung des Kredits. Das Kreditsystem müsse daher einem chirurgischen Eingriff unterzogen werden. Sollte es dadurch kurzfristig zu einer Kreditverknappung kommen, habe das mittel- und langfristig nur positive Effekte: Seriöses Wirtschaften würde sich dann wieder lohnen.

Zum Problemfall Griechenland: Es sei ein Fehler der griechischen Regierung gewesen, sich auf ein von der „Troika“ orchestriertes „Bail-out“ einzulassen. Dieses habe faktisch ausschließlich den involvierten Banken geholfen, nicht jedoch dem griechischen Staat oder dessen Bürgern. Es wäre stattdessen wesentlich besser gewesen, eine Staatspleite hinzulegen.

Charalambakis erwartet, dass das Beispiel Zyperns („Bail-in“) Schule macht und in den nächsten Jahren auch andere Länder (etwa Griechenland) dessen Beispiel folgen könnten. Einen Zerfall der Eurozone halte er für nicht ausgeschlossen. Länder wie Griechenland könnten sich dann etwa der Dollar-Zone (!) anschließen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Es geht ja doch: Wenn einem Österreicher Gutes widerfährt

05. Oktober 2013 11:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die neue Wiener WU lässt jubeln. Sie lehrt uns und die Politik vieles. Und das meiste davon ist extrem erfreulich.

Man weiß fast nicht, wo man mit der Freude über den Universitäts-Neubau beginnen soll, der von der Fläche (90.000 Quadratmeter) bis zu den Kosten (eine halbe Milliarde) der weitaus größte Europas ist.

Die Moderne ist in Wien angekommen

Am wichtigsten ist wohl, dass endlich auch in Wien moderne Architektur auf Weltspitzenniveau Einzug gefunden hat. Endlich gibt es auch aus dem Nach-Habsburg-Jahrhundert ein Großprojekt, das man voll Stolz ausländischen Besuchern zeigen kann. Es ist eine Universitätslandschaft, die nicht durch plumpe Höhe (wie etwa bei den Donauplatten-Hochhäusern der letzten Jahrzehnte) oder Länge (wie beim Karl-Marx-Hof oder den dumpfen Plattenbau-Siedlungen am Stadtrand) aufzutrumpfen versucht. Vielmehr besticht sie durch erstaunliche Kreativität und Vielfalt sowie – zumindest nach Aussage der Nutzer – auch Funktionalität. Und der Campus wirkt auch trotz seiner Größe überhaupt nicht groß.

Erstmals fällt einem in Wien bei moderner Architektur das Wort Schönheit ein. Wer das für übertrieben hält, sollte einfach in den Prater fahren und sich‘s anschauen (von der WU geht man dann übrigens auch gleich direkt in den Wurstelprater, ohne sich den jammervollen, von den RaushausgenossInnen verbrochenen Kitsch-Eingang am Praterstern antun zu müssen).

Keinen Cent Zusatzkosten

Für den Steuerzahler – und wohl auch jeden privaten Hausbauer – ebenso sensationell: Die Sache hat keinen Cent mehr gekostet als von Beginn an geplant gewesen war. Und zugleich ist der Campus auch völlig termingemäß fertiggeworden. Beides ist gerade in dieser Stadt absolut unglaublich.

Beides hat – neben den handelnden und offensichtlich sehr fähigen Personen – eine klare Hauptursache, die aber niemandem mehr richtig bewusst wird. Das war die komplette Ausgliederung der Universitäten wie auch der Bundesimmobiliengesellschaft BIG aus der Bundesverwaltung. Die BIG wurde der Politik weggenommen und auf den Markt und auf kapitalistische Verhaltensweisen hingelenkt. Das heißt natürlich auch, dass dort selbstverständlich kein Beamter mehr aufgenommen wird.

Ältere Österreicher werden sich noch erinnern, wie viele und wie schlimme Korruptionsskandale mit der einstigen Bundesgebäudeverwaltung verbunden gewesen sind. Auch der Bundespräsident erinnerte sich in seiner Eröffnungsrede schmerzhaft an den Bau des Wiener AKH, der ihn in seiner Ministerzeit enorm belastet hatte. Wohl nicht nur wegen der üblen Korruptionsskandale, sondern auch wegen der Hässlichkeit des Baus und seiner unmenschlichen Dimensionen.

Wenn kein Politiker etwas mitzureden hat

Bei der neuen WU hingegen ist mit Sicherheit kein Professor mehr auf die Idee gekommen, wie in den dunklen AKH-Zeiten ständig beim Minister oder einem Sektionschef zu antichambrieren. Beispielsweise mit dem Ansinnen, dass er doch unbedingt ein größeres oder ein zusätzliches Zimmer oder ein bestimmtes Gerät brauche.

Ganz klare Erkenntnis: Je weiter die Politik von jeder Entscheidung weg ist, umso besser wird diese. Seltener ist das so klar bewiesen worden wie hier. Ästhetisch, sparsam, funktionell. Das heißt natürlich nicht, dass die Politik beim Neubau einer staatlichen Universität überflüssig ist. Denn immer noch hatte sie bei der WU eines zu tun: den Finanzierungsbeschluss zu fassen.

Dank dem Bürger

Aber auch in diesem Zusammenhang macht die neue WU aber vor Begeisterung sprachlos. In einer großen Inschrift im zentralen Eingangsbereich des zentralen Bibliotheksbaus wird nämlich gedankt. Aber wohl erstmals in der österreichischen Geschichte nicht der Politik, einem Minister, einem Stadtrat, einem Bürgermeister. Sondern dem einzigen wahren Wohltäter und Financier der Wirtschaftsuniversität: dem Bürger.

Dieser liest das und freut sich. Und ist ungemein stolz. Und dankt für den Dank der WUler.

Manche Tagebuch-Leser werden sich fragen, ob es denn diesmal gar nichts zu kritisieren gibt. Nun freilich gibt es das. Aber dimensionsmäßig tritt hier die Kritik weit hinter das Lob für den Beweis zurück, dass all das in Österreich ja doch geht.

Was einen doch nicht so ganz freuen kann

Aber dennoch seien die kritischen Punkte auch angeführt, obwohl sie gar nicht direkt etwas mit dem Bau zu tun haben:

  1. Da stößt etwa relativ sauer auf, dass die bisherige, die „alte“ WU schon nach 30 Jahren Nutzungszeit praktisch ein Totalschaden ist. Sie muss wohl in absehbarer Zeit abgerissen werden (vielleicht kann sie davor noch als Ausweichquartier während der Parlamentsrenovierung dienen). Was die meisten vergessen haben: Dieses WU-Gebäude in der Spittelau ist ja gar nicht die wirklich „alte“. Es gibt ja noch die ganz alte „Hochschule für Welthandel“. Diese aber ist noch keineswegs ein Abrisskandidat. Sie war nur in den 70er Jahren viel zu klein geworden.
    Diese Diskrepanz zwischen den beiden „alten“ WUs ist schon recht seltsam. Haben die modernen Architekten generationenlang verlernt, nachhaltig und für dauerhafte Nutzungen zu bauen? Sie hatten offenbar nur eines beherrscht, aber das perfekt: soziologische, ökonomische, politische, feministische und sonstige Schwachsinnigkeiten von sich zu geben. Und natürlich: fett zu kassieren.
  2. Ebenso bedenklich ist, dass die Politik weder der WU noch sonst einer Uni jemals gesagt hat, für wie viele Studenten sie eigentlich da zu sein hat. Darüber gab es nie einen koalitionären Konsens. Daher könnte auch der Praterbau eines Tages aus allen Nähten platzen, weil die Politik, vor allem die SPÖ, in den Unis ja offenbar nur eine Wärmestube mit unbegrenzter Kapazität für sonst arbeitslose Jugendliche sieht.
  3. Ärgerlich ist aber auch, dass es an der WU – den offiziellen Formulierungen zufolge – gar keine Studenten, Professoren und Assistenten mehr gibt. Es gibt nur noch die undeutschen Zungenbrecher „Studierende“ und „Lehrende“. Sind die Wissenschaft und ihre Lehre eigentlich wirklich frei, wenn sich ihre Amtsträger so duckmäuserisch der Political correctness einiger Radikalfeministinnen beugen? Wenn sie nicht einmal mehr die deutsche Sprache beherrschen? Wissenschaft braucht nämlich immer auch gute, korrekte und präzise Sprache. Jeder ordentliche Germanist könnte den WUlern erklären, dass solche Partizip-Konstruktionen das sind, was sie sind: einfach schlechtes Deutsch.
  4. Und last not least fiel der Rektor Christoph Badelt – der sich sonst wirklich brillante Verdienste um seine neue WU erworben hat – in seiner Eröffnungsrede unangenehm auf. Er machte wider alle faktische Evidenz auf die Schlechtgewissens-Tour und sagte, es würde immer mehr Arme auf der Welt geben. Deswegen bräuchte es eine ganz neue, eine andere Wirtschaft (da es außer den Menschen, also dem Markt nur den Staat gibt, kann er nur mehr Staatseinfluss wollen). Wahr ist aber, dass gerade wegen der globalen Marktwirtschaft, die Badelt so viel Kopfzerbrechen macht, einen dramatischen Rückgang des Hungers in der Welt, und eine dramatische Zunahme der Lebenserwartung und Lebensqualität gegeben hat. Elend gibt es nicht wegen der Marktwirtschaft, sondern wegen des Sozialismus (Nordkorea bis Venezuela) und des Islam (Syrien bis Somalia). Unverständlich, warum gerade ein Wirtschaftsrektor den großen Erfolg der Menschheit und der Marktwirtschaft wegzuleugnen versucht.
  5. In einstigen Zeiten hat man so einen Neubau übrigens auch eingeweiht. Aber das kommt ja sowieso außer Mode.

PS: Zum Schluss noch ein kleines, ganz anders Positivum am Rande der WU-Eröffnung: Es ist immer wieder erstaunlich, wie Karlheinz Töchterle mit kurzen, eigentlich bescheidenen Antworten alle Sympathien für sich erringt. Denn er zeigt dabei einfach das, was fast allen anderen in der Politik so bitter fehlt: Bildung.

 

Drucken

Wahlzuckerln – teuer und immer wieder

26. September 2013 23:19 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Auch wenn erfahrene Politologen meinen, die Wirkung von Wahlversprechen werde von den Parteien überschätzt, so sind sie doch nicht auszumerzen. Die Versuchung, Wähler mittels „Wahlgeschenke“ zu beeinflussen, ist vor allem in den letzten Wochen knapp vor dem Wahltermin besonders verlockend.

Zu früh ventiliert verpufft ihre Wirkung, zu spät ins Spiel gebracht, werden sie nicht mehr richtig wahrgenommen. Dabei ist der Begriff „Wahlgeschenke“ purer Zynismus, denn erstens wird den Wählern nichts geschenkt, und zweitens bezahlen sie die fremden Spendierhosen mit Zins und Zinseszins, sowie im Nachhinein notwendigen Sparprogrammen teuer zurück.

Denkwürdiger 24.September 2008

Abschreckendes Beispiel unverantwortlicher Lizitationspolitik der meisten Parlamentsparteien war die unrühmliche Parlamentssitzung vom 24. 9. 2008. Innerhalb weniger Stunden wurden mit unterschiedlichen Allianzen zahlreiche Gesetze beschlossen, die den Staatshaushalt mit mehr als EUR 2 Mrd. pro Jahr belasteten. Die Liste der Sündenfälle von damals liest sich extrem lang, wäre aber noch teurer ausgefallen, wenn die geplante Senkung der Umsatzsteuer für Lebensmittel von zehn auf fünf Prozent nicht gescheitert wäre.

Daher hier nur die Zusammenfassung der milliardenschweren Wahlzuckerln mit Mindest- und Höchstwerten nach Ablauf der Einschleifphase (zu den Details siehe Anhang). Wie aus der Aufzählung im Anhang erkenntlich, wurden vor allem die Pensionisten und Familien als Begünstigte auserkoren. Doch nicht alle Beschlüsse währten die gesamte abgelaufene Legislaturperiode. Das ab 2009 explodierende Budgetdefizit und die Aufforderung der Europäischen Kommission, das strukturelle Budgetdefizit jährlich um 0,5 bis 0,75 Prozentpunkte zu reduzieren, bescherten einigen Wahlzuckerln vom 24.9.2008 ein kurzes Leben.

So mussten mit dem 1. Konsolidierungspaket 2010 die zuerst Begünstigten bzw. alle Steuerzahler die großzügigen Wahlversprechen wieder begleichen. Übersicht 2 im Anhang zeigt die Maßnahmen des 1. Konsolidierungspaketes im Detail. Der Vergleich mit Übersicht 1 macht deutlich, dass die Konsolidierungsbetroffenen großteils mit den Wahlzuckerlbegünstigten übereinstimmen. Doch damit nicht genug! Im Februar 2012 musste das 2. Konsolidierungspaket geschnürt werden, das bis 2016 ein Ausgaben- bzw. Einnahmenvolumen von insgesamt EUR 26 Mrd. umfasste und Österreich wieder auf den mittelfristigen Budgetpfad brachte. Die Lehre aus der Geschichte ist, dass Wahlzuckerln mittlerweile schon innerhalb einer Gesetzgebungsperiode gegenfinanziert werden. Man könnte sich erwarten, dass Politiker lernfähig und die Wähler schlau genug sind, sodass zur Nationalratswahl 2013 milliardenschwere Versprechungen unterbleiben.

Immer wieder, immer wieder, …

Aber trotz dieser bitteren Erfahrung scheint das „Geschenk-Gen“ der Politiker so ausgeprägt zu sein, dass man es auch 2013 offenbar nicht lassen kann. Mit der Erhöhung der Pendlerpauschale und der Einführung eines Pendlereuros im Frühjahr hat man das Pulver vielleicht etwas früh verschossen. Einen zweistelligen Millionenbetrag kostet es an Steuerminderung auf jeden Fall.

Ein noch teureres Wahlversprechen haben die Regierungsparteien im Juni dem Land Oberösterreich gemacht. Trotz namhafter Ablehnung von Gesundheitsökonomen, Gewerkschaft und Ärztekammer wird in Linz die vierte Medizinfakultät Österreichs errichtet, obwohl Oberösterreich eine Technische Universität angesichts seiner wirtschaftlichen Struktur wesentlich dringender brauchen würde. Da die Nationalratswahlen nach Politologensicht neben Nieder- auch in Oberösterreich entschieden werden könnten, wird der nur vorläufig vorhandene Geldsegen ins Land ob der Enns getragen, dem Bundesland mit den drittmeisten Wahlberechtigten.

Ebenfalls im Juni stellte die Regierung eine substanzielle Erhöhung der Familienförderung für die nächste Legislaturperiode in Aussicht. Beabsichtigt ist der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, wofür jährlich EUR 100 Mio. zusätzlich investiert werden sollen. Zweitens ist auch eine markante Erhöhung der Kinderbeihilfe geplant. Statt der bisherigen EUR 105 bis 153 plus Absetzbetrag pro Monat, wird den Familien zwischen EUR 180 und 220 je Altersstufe offeriert, was jährlichen Mehrausgaben von EUR 200 Mio. entspricht. Insgesamt ergibt das auf die nächsten vier Jahre eine Summe von EUR 1,2 Mrd., die der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und der allgemeine öffentliche Haushalt aufbringen müssen.

Jetzt soll hier keinesfalls der falsche Eindruck entstehen, dass Familienförderung in einen Topf mit anderen staatlichen Aufgaben und Ausgaben gehört, sondern richtigerweise eine der wesentlichen Grundlagen für künftige Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit darstellt. Doch wenn Österreich schon jetzt mit EUR 6,5 Mrd. jährlich mit Abstand die höchste Familienförderung in der Europäischen Union hat und offensichtlich seine Ziele damit nicht erreicht, muss schon die Frage nach der Effizienz der eingesetzten Mittel ernsthaft gestellt werden. Dies ist übrigens im Bildungsbereich ebenso der Fall.

Da der FLAF auch nur durch Arbeitgeberbeiträge gemäß Beschäftigungslage gespeist wird, sind diese kräftigen Ausgabensteigerungen wieder nur mit einer Erhöhung der Lohnnebenkosten verbunden. Gerade bei diesen sind wir aber in Österreich ebenfalls Europaspitze und folglich fordern die gleichen Parteien richtigerweise auch eine Senkung eben dieser. Mit der Frage, wie dieser Widerspruch aufzulösen ist, muss sich die nächste Regierung herumschlagen.

Natürlich finden sich in den Wahlprogrammen auch so populistische wie berechtigte Forderungen, wie die Senkung des Eingangssteuersatzes für Lohn- und Einkommensteuer, ein Österreich-Ticket oder vermehrter Ausbau der Ganztagsschulen. Doch mit Ausnahme der SPÖ, die über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer (Selbstdefinition: Millionärssteuer) über EUR 2 Mrd. hereinbringen will, gibt es für kein einziges Wahlversprechen einen Gegenfinanzierungsvorschlag. Dass dies in krassem Widerspruch zum verpflichtenden Stabilitätsprogramm der Bundesregierung steht, bis 2017 ein ausgeglichenes Budget und einen Schuldenstand von unter 70 Prozent des BIP zu erreichen, ist rechnerisch eine simple Aufgabe. proMarktwirtschaft fragt sich schon jetzt, zu welchem Zeitpunkt in welcher Höhe das 3. Konsolidierungspaket eintrifft.

Forderungen von proMarktwirtschaft

Daher fordert proMarktwirtschaft, dass dem regelmäßigen Treiben der wahlwerbenden Parteien in punkto überbordender Wahlversprechen klare Vorgaben gesetzt werden. Wir fordern von jeder den Steuerzahler ernst nehmenden Gruppierung, dass versprochene Ausgabenerhöhungen und/oder Steuer- und Abgabensenkungen mit einer Gegenfinanzierung vorgestellt werden müssen. Wer soll belastet und wer soll entlastet werden, und wie passt der Vorschlag zum Ziel des mittelfristig ausgeglichenen Budgetpfades?

Wir beziehen auch ganz klar dazu Stellung, dass geforderte Ausgabenerhöhungen nur durch entsprechende Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen und nicht durch Steuererhöhungen gegenfinanziert werden sollen. Mit einer Ausgabenquote von über 51 Prozent des BIP hält Österreich einen Platz unter den Top 5 in Europa und die Abgabenquote ist mit 44,3 Prozent fast 10 Prozent höher als im Durchschnitt der Eurozone. Da ist nicht nur aus Wettbewerbsgründen kein Platz für mehr Belastung; die mit zusätzlichen Steuern und Abgaben verbundenen negativen Wachstums- und Beschäftigungseffekte verlangen entsprechende Ausgabenkürzungen.

proMarktwirtschaft
Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Uta Pock und Thomas Url

 

 

 

 

Drucken

Spar, das FBI und Rechtsbedrohungs-Behörden

19. September 2013 17:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Tagebuch ist weder Peter Pilz noch der Falter noch News. Es hält nicht jeden Vorwurf irgendwie automatisch für wahr. Und das ist durchaus ernsthafter gemeint als die häufige süffisante Floskel von der Unschuldsvermutung (die rechtlich übrigens völlig bedeutungslos ist). Aber dennoch kein Zweifel: Der Vorwurf von Spar gegen die Bundeswettbewerbsbehörde und das Bundeskriminalamt ist so gravierend, dass er zum skandalösesten Kriminalfall der österreichischen Behörden werden könnte. Und was die Sache noch bedenklicher macht: Im Grunde wurde ja auch der zugrundeliegende Sachverhalt schon eingestanden.

Die Kriminalbeamten haben bei sogenannten Hausdurchsuchungen laut Spar eine geheime Spionagesoftware des FBI in die Computer der durchsuchten Firma implantiert, die in Österreich nur bei schweren Blutverbrechen und da nur unter genauester Kontrolle von Richtern und Rechtsschutzbeauftragten eingesetzt werden darf. Die schnoddrige Antwort der Behörden, dass das ja nur eine Routinesoftware wäre, macht die Sache noch viel schlimmer: Es ist offenbar schon Routine der Behörden, mit FBI-Technologien in privaten Computern herumzuspionieren. Aber keine der offenbar hundertfach so durchsuchten Firmen hat von solchen seltsamen „Routinen“ gewusst.

Das heißt, die Republik tut das als Routine ab, was man bisher nur bei Geheimdiensten der Großmächte im Kampf gegen Terrorismus eingesetzt geglaubt hat. Zumindest die Computertechniker von Spar, die das entdeckt haben, legen ziemlich schlüssig dar, dass diese Spionageviren auch schweren wirtschaftlichen Schaden im Computersystem anrichten können.

Das alles geschieht wegen der von der Arbeiterkammer seit Jahr und Tag angeheizten Jagd auf vermutete Kartelle, also aauf angebliche Preisabsprachen in Handel und Industrie. Die Arbeiterkammer glaubt ja, dass Preissteigerungen durch Absprachen entstehen. Und nicht primär als Folge von Lohnerhöhungen, Steuern, Rohstoffverknappungen, Energieverteuerungen (derzeit vor allem wegen der hohen Kosten von Alternativenergien), Gelddruckaktionen der Notenbanken und Erhöhungen von Gebühren (nicht nur, aber insbesondere auch im rot-grünen Wien).

Nun, es gab und gibt gewiss da und dort solche Absprachen. Aber die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass jede Absprache, sobald sie wirklich spürbar wurde, in jedem freien Markt am Ende von einzelnen Konkurrenten umgangen wurde, die dann immer anfangen, ihre Produkte billiger anzubieten.

Aber selbst, wenn man an die große Macht von Kartellen und Monopolen glaubt: Gerade die Arbeiterkammer, die das Thema immer so betont und die deswegen die Kartellbehörde vor sich herpeitscht, schweigt völlig, wenn Kartelle und Monopole ihr nahestehen.

Etwa zu den ÖBB. Die ÖBB sind bekanntlich erst dann – da aber gleich dramatisch – billiger geworden, als sie Konkurrenz bekommen haben: durch Billigflieger im Städteverkehr; und durch die private „Westbahn“ auf der Strecke Wien-Salzburg. Aber das kartellartige Monopol ÖBB hat weder die Wettbewerbsbehörde noch die Arbeiterkammer jemals bewegt.

Ebenso ignoriert wird das klassische Kartell namens „Gewerkschaft“. Diese ist ebenfalls ein Zusammenschluss, um Preise (auch Löhne sind ja nichts anderes als Preise) hochzuhalten und höherzutreiben. Zum Schaden all jener, denen dadurch kein Arbeitsplatz mehr angeboten werden kann, weil die Gewerkschaft den Preis zu teuer gemacht hat.

Aber auch wenn man die Frage „Kartell“ in altsozialistischer Weise anders sieht, so sollte doch Einigkeit bestehen: Es darf bei deren Verhinderung niemals zum Einsatz von Waffen kommen, die maximal im Krieg gegen den blutigen Terror legitim sind. Es kann niemals durch Behörden zur Umgehung von Gesetzen und Rechtsschutzbeauftragten kommen. Und es kann niemals zu Fahndungsmethoden kommen, die selbst große Schäden verursachen können.

Es waren aber schon die bisherigen Methoden der Wettbewerbs- und Kriminalbehörden problematisch, Firmen durch die öffentliche Bekanntgabe von Hausdurchsuchungen ohne jede Verurteilung an den Pranger zu stellen. Noch immer sollte in einem Rechtsstaat bis zu einer Verurteilung die Unschuld gelten.

Aber diese Behörden agieren so, dass immer mehr Firmen rasch und schnell freiwillig auf dem Vergleichsweg ein Schutzgeld zahlen, um nicht weiterhin geschäftsschädigend am Pranger stehen zu müssen, wie es Spar nun schon mehrmals passiert ist. Umso erfreulicher und wichtiger ist, dass sich endlich einmal ein Unternehmen gegen angebliche Rechtsschutz-Institutionen wehrt. Die im Grund zu Rechtsbedrohungs-Institutionen zu werden beginnen.

Man kann jetzt nur hoffen, dass objektivere Strafverfolger als die Wiener Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwaltschaft den Fall zur Bearbeitung bekommen. Auf offene Schuldeingeständnisse und Rücktritte im Bundeskriminalamt oder bei der Wettbewerbsbehörde zu hoffen, wäre ohnedies viel zu naiv.

Drucken

Hoch Ederer!

18. September 2013 12:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Abschuss von Brigitte Ederer aus dem globalen Siemens-Vorstand lässt die Sympathien für die einstige SPÖ-Politikerin stark wachsen. Zumindest wenn die in Deutschland kolportierten Gründe ihres Abschusses zutreffen. Das ist zwar angesichts der vielen Geheimgespräche rund um einen Aufsichtsrat nicht hundertprozentig sicher, aber sehr wahrscheinlich.

Diesen Informationen zufolge musste Ederer gehen, weil sie sich gegen immer frecher werdende – ganz persönliche! – Privilegien-Ansprüche des Siemens-Betriebsrates gewehrt hat. Dafür kann man ihr nur Rosen streuen. Und das sollten sich auch in Österreich mehr Unternehmen zu Herzen nehmen. Wo ebenfalls die ständige direkte (wenn auch meist formal im Rahmen der Gesetze bleibende) Bestechung der Betriebsräte Usus ist.

Dabei ist nach dem deutschen Recht die Haltung Ederers besonders riskant gewesen. Denn dort stellt auf Grund des unseligen Mitbestimmungsrechts in AG-Aufsichtsräten der Betriebsrat die Hälfte der Aufsichtsräte. Dort mischt er sich zwar meist nicht in die Betriebsführung ein; aber er hat fast immer sehr stark die persönlichen Interessen der Betriebsräte im Auge. Etwa hohe Karriere-Sprünge, obwohl solche Betriebsräte meist nicht arbeiten.

Konkret soll sich Ederer unter anderem geweigert haben, den Arbeitsvertrag von Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler zu verlängern. Dieser erreicht nächstes Jahr die unternehmensinterne Altersgrenze von 65 Jahren. Der Gewerkschafter ist seit zehn Jahren Aufsichtsratsmitglied. Er wollte auch weiterhin in dem Gremium sitzen, und außerdem befördert werden. So schreibt es etwa die "Süddeutsche Zeitung".

Ein von Siemens in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten ist jedoch zum Ergebnis gekommen, dass das nicht geht. Die verlangte Verlängerung und Beförderung würden eine "unzulässige Begünstigung" eines Betriebsrates darstellen. Was Ederer als Arbeitsvorstand auch zu ihrer eigenen Linie machte.

Also: Hoch Ederer! Auch wenn Ihre schlechtere Hälfte, Hannes Swoboda, sich als Chef der europäischen Sozialistenfraktion in immer radikaler werdenden Tönen übt. Auch bei ihm zeigt sich halt so wie bei Ederer, nur mit ganz anderen Ergebnissen, eine alte Weisheit: Das (berufliche) Sein prägt den (ideologischen) Schein.

Aber wo ist die Partei, die sich in Deutschland wie Österreich endlich für ein Ende der absurden Mitbestimmungsregeln einsetzt (solange diese nicht mit echter Mitarbeiterbeteiligung verbunden ist)? Hierzulande sollte sie vor allem im ORF beginnen, wo die egoistische Gier der Betriebsräte immer abenteuerliche Ausmaße angenommen hat. Zu Lasten der Seher und Hörer. Die SPÖ ist freilich noch viel weniger als die SPD die Partei, die über solche Dinge auch nur nachdenken würde.

PS: Ederer wäre übrigens auch eine bessere Bürgermeisterin als die gesamte Bussi-Bussi-Korruptionspartie, die jetzt das Rathaus bevölkert.

 

Drucken

Wahlkampfthema Wirtschaft: Ein Trauerspiel

18. September 2013 00:09 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

It´s the economy, stupid! Mit diesem Schlachtruf errang Bill Clinton anno 1992 bei den US-Präsidentschaftswahlen den Sieg über George Bush sen. Nun ist Wirtschaft zwar sicher nicht alles. Aber ohne Wirtschaft ist eben alles nichts. Denn das Geld für Bildung, Straßenbau und Pensionen kommt nicht von unproduktiven Politikern und Bürokraten, sondern von den in der Wirtschaft tätigen Menschen, die Werte schaffen.

Vornehmstes Ziel der politischen Verantwortungsträger sollte es daher sein, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die es Unternehmern und deren Beschäftigten erlauben, bestmöglich zu arbeiten. Wahlkampfzeiten sind gut geeignet, um sich ein Bild darüber zu verschaffen, was in wirtschaftlicher Hinsicht zu erwarten ist. Zumindest kann man solche Parteien, die jeden einschlägigen Sachverstand vermissen lassen, guten Gewissens von Vornherein ausschließen.

Jene Parteien, die unentwegt von der Erhöhung der Staatseinnahmen schwärmen, während sie keinen Gedanken daran verschwenden, von wem und wie dieses Geld verdient werden muss, sollten – siehe oben – gar nicht erst nicht in Betracht gezogen werden. Die Protagonisten dieser Parteien leben nämlich in einem Paralleluniversum, in dem weder permanenter Mangel, noch das Gesetz von Angebot und Nachfrage existieren, von der unser irdisches Jammertal nun einmal gekennzeichnet ist.

In Österreich, einem Land mit einer der höchsten Steuerbelastungen in der OECD, nach der Einführung neuer Steuern und der Erhöhung bestehender Steuern zu rufen ist geradezu grob fahrlässig. Die Pleitenstatistik strebt heuer einem neuen Rekord entgegen – ebenso wie die Arbeitslosenstatistik. Weniger, nicht mehr Staat sind in einer solch prekären Lage gefragt. Jeder dem Privatsektor entzogene Euro verschlechtert die Wirtschaftslage weiter.

Sozialisten und Grüne zu wählen kommt daher nur für praktizierende Masochisten und/oder jene Systemprofiteure in Frage, die ihr Geld nicht mit ehrlicher Arbeit unter Wettbewerbsbedingungen, sondern in geschützten Werkstätten „verdienen“. Seit Monaten vergeht kaum ein Tag, an dem aus der rotgrünen Ecke nicht Forderungen nach neu einzuführenden oder zu erhöhenden Steuern und Abgaben ertönen. Doch die erträgliche Steuerlast ist nun einmal endlich. Die links außen stehenden Parteien des Landes sägen mit ihrer Politik daher beharrlich an dem Ast, auf dem wir alle sitzen.

Bemerkenswerten Humor in diesem Wahlkampf beweist indes die einstige „Wirtschaftspartei“, ÖVP, die bedauerlicherweise immer mehr zum Privilegien- und Subventionskonservator für Beamte und Bauern degeneriert. Die „Wirtschaft entfesseln“ möchte deren Boss, Vizekanzler Spindelegger. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass der Mann nie in seinem Leben ein Unternehmen von innen gesehen hat. Profipolitiker. Ebenso wenig übrigens, wie seine ebenfalls aus den Reihen des ÖAAB stammende Parteigenossin „Her-mit-der Marie!“-Mikl-Leitner.

Der emeritierte VWL-Universitätsprofessor Erich Streissler stellte einst – sicher nicht grundlos – launig fest, dass er ÖAAB und Kommunisten mit freiem Auge kaum voneinander unterscheiden könne. Der ebenfalls der ÖVP zugehörige Wirtschaftkammerchef Christoph Leitl assistiert Spindelegger, wenn er beklagt, Österreich sei wirtschaftlich „abgesandelt“. Nicht, dass er damit nicht absolut recht hätte: In mehreren internationalen Rankings hat das Land gegenüber seinen Wettbewerbern bei einer ganzen Reihe von Parametern zuletzt kräftig an Boden verloren. Eine nicht ganz unbedeutende Kleinigkeit allerdings scheinen die schwarzen Damen und Herren übersehen zu haben: Sie sitzen seit 27 Jahren ununterbrochen in der Regierung – und zwar an maßgeblichen Positionen. Jetzt plötzlich oppositionelle Töne anzuschlagen und so zu tun, als ob sie die Gängelung der Wirtschaft und deren zu Recht beklagten Niedergang nicht selbst mitverschuldet hätten, ist ein übler Witz.

An das BZÖ sind kaum noch Gedanken zu verschwenden, was insofern schade ist, als aus seinen Reihen zuletzt, etwa im Hinblick auf das Steuersystem, durchaus vernünftige Vorschläge kamen. Indes ist davon auszugehen, dass gerade diese Gruppierung stark unter der Konkurrenz neuer Mitbewerber leiden wird. Weder das Erreichen eines Grundmandats in einem der Bundesländer, noch das Überspringen der bundesweit geltenden Vier-Prozent-Hürde erscheint daher wahrscheinlich. Diese Partei hat ihre Zukunft hinter sich und wird wohl aus dem Parlament verschwinden.

Das Team Stronach, anfangs der Hoffnungsträger für von den Schwarzen frustrierte Bürgerliche und in der Alpenrepublik traditionell heimatlose Liberale, lässt bis heute keine klaren Konturen erkennen. Zwar kann man deren Chef, einem Selfmademilliardär, betriebswirtschaftlichen Sachverstand natürlich nicht absprechen. Eine Regierung ist allerdings keine Konzernzentrale.

Auf konkrete Ansagen, was und wie an öffentlichen Mitteln gespart, wie viele Beamte welcher Ministerien abgebaut, welche Steuern reformiert und welche wirtschaftspolitischen Impulse gesetzt werden sollen, wartet man bis heute vergebens. Die zum Teil geradezu skurrilen Aussagen Stronachs, der sein Team mit eiserner Hand führt („Wer das Gold hat, der macht die Regeln!“) zu Fragen der Währungspolitik sind auch nicht eben geeignet, großes Vertrauen in die Wirtschaftskompetenz dieser Neugründung zu setzen.

Die um den erstmaligen Einzug in den Nationalrat kämpfenden Neos hätten, trotz vieler Vorbehalte, für manchen Wirtschaftsliberalen eine Alternative darstellen können – wenn sie sich nicht in letzter Sekunde dazu entschlossen hätten, mit Hans Peter Haselsteiner ein altes Schlachtross des selig entschlafenen, ultralinken LIF auf den Schild zu heben. Sein Ruf nach einem 95-prozentigen Spitzensteuersatz und die Befürwortung einer Inflation von 10 bis 12 Prozent (zwecks Staatsentschuldung auf Kosten der Sparer!) dröhnen denn doch allzu laut in den Ohren.

Ein Mann fortgeschrittenen Alters, der mit Staatsaufträgen (im Straßenbau) reich geworden ist, möchte also, nachdem er seine eigenen Schäfchen ins Trockene gebracht hat, alle anderen am Vermögensaufbau hindern. Verheerend! Was soll ein Liberaler davon halten? Seine Kandidatur jedenfalls ist eine Hypothek für die Neos und wird es diesen schwer machen, die Vier-Prozent-Hürde zu schaffen.

Bleiben die Freiheitlichen. Eine Partei, die sich seit den Tagen Jörg Haiders als die bessere, „nationale“, Sozialdemokratie versteht. Umverteilung ja, aber nicht an Ausländer – so könnte man deren Sozialprogrammatik zusammenfassen.

Leider ist die von Parteichef Heinz-Christian Strache zuletzt im lockeren Plauderton beiläufig hingeworfene Kritik am „Zinseszinssystem“ (das er gerne abschaffen würde) auch kein überzeugender Beleg für überragende Wirtschaftkompetenz. Denn dass derjenige, der sich verschuldet, dafür einen Preis – nämlich Zinsen – zu zahlen hat, steht weithin außer Streit. Und jemand, der nicht einmal die Zinsen entrichtet, hat demnach auch einen Zins auf den Zins zu tragen. Was wäre daran verkehrt?

Wer heute noch (oder schon wieder?) von einer „Brechung der Zinsknechtschaft“ tönt, hat einige Grundregeln des Wirtschaftens offensichtlich nicht intus. Auch ansonsten vermisst man bei den Freiheitlichen engagierte Initiativen, Unternehmen zu entlasten und den Standort Österreich attraktiver zu gestalten.

Fazit: Wer sein Stimmverhalten davon abhängig macht, eine wirtschaftsfreundliche Politik unterstützen zu wollen, dem bleibt nur, sich für 29. September schönes Wetter zu wünschen und, anstatt zur (Wahl-)Urne zu schreiten, besser an die frische Luft gehen. Welche Koalition nach der Wahl am Ende auch immer herausschauen wird: Es wird auf jeden Fall eine sozialistische sein…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Vergiftete Zuckerln

17. September 2013 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist die brillanteste Idee dieser Wahlkampf-Wochen: Jedes Wahlversprechen soll durch gleichwertige und vor allem konkrete und präzise Einsparungen finanziert werden. Sonst dürfe es gar nicht veröffentlicht werden.

Natürlich ist das, was die Ökonomen-Gruppe ProMarktwirtschaft damit vorschlägt, letztlich utopisch. Die Parteipolitik wird sich nie an solche Regeln halten. Aber eigentlich liegt es ja gar nicht an den Parteien, sondern an den Bürgern und noch mehr an den Medien, der Politik durch entsprechende Reaktionen das Verteilen von Wahlkampfzuckerln und sonstigen Wählerbestechungen abzugewöhnen.

Jedoch: Wenige Stunden nur, nachdem die Ökonomen diese Notwendigkeit präsentiert haben, präsentierte die SPÖ ein Steuerprogramm. Und dessen Finanzierung? Die erfolgt laut SPÖ halt einfach mit so nebulosen Dingen wie „Stärkung der Kaufkraft“. Statt der SPÖ solch haltlose Lügen um die Ohren zu knallen oder das Ganze zumindest zu ignorieren, hechelt der ORF ganz aufgeregt: Wir haben es exklusiv! Und nicht einmal das hat gestimmt, ist das gleiche Zuckerl doch zugleich auch in etlichen anderen Medien veröffentlicht worden. In Wahrheit dient die ganze Aktion einzig dazu, von der roten Wahlplakat-Finanzierungsaffäre abzulenken.

Die Ökonomen weisen die Absurdität solcher Zuckerln exzellent an Hand des Jahres 2008 nach. Damals sind in der letzten Woche vor der Wahl binnen weniger Stunden Gesetze beschlossen worden, welche zwei Milliarden Kosten verursacht haben. Jährlich. Die Ökonomen zeigen, dass all das, was da hinausgeworfen worden ist (Haupttäter ein gewisser Werner Faymann), den Menschen schon zwei Jahre später mit einem „Konsolidierungspaket“ wieder abgenommen worden ist, werden musste. Und gleich noch ein bisschen mehr.

Aber die Politik ist unverbesserlich, wie der Wahlkampf zeigt. Und das Schlimme: Ein Teil der Wähler fällt immer noch darauf hinein. Wieder werden von den Pendlern bis zu den Familien Wählergruppen mit Geld oder zumindest Versprechungen überhäuft. Diese machen die ohnedies schon gewaltigen Sparnotwendigkeiten der nächsten Jahre naturgemäß noch viel härter.

Genauso wichtig ist noch ein zweiter Aspekt am Vorstoß der Ökonomen: Sie machen beinhart klar, dass Österreich insgesamt eine so hohe Abgabenquote hat, dass absolut kein Spielraum für Steuererhöhungen vorhanden ist. Welcher Art auch immer. Die Abgabenquote muss im internationalen Wettbewerb vielmehr dringend gesenkt werden. Das löst nur ein Problem aus: Dann würden sich ja viele Politiker als arbeitslos fühlen, weil sie nichts mehr zu verteilen haben.

Drucken

Besprechungsziel unbekannt

14. September 2013 23:19 | Autor: Christian Freilinger
Rubrik: Gastkommentar

In allen Bereichen der Wirtschaft müssen sich Mitarbeiter untereinander abstimmen und Informationen austauschen, um gemeinsam zu vernünftigen Entscheidungen zu kommen. In vielen Arbeitsbereichen verbringen sie mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Besprechungen. Wenn beispielsweise acht Mitarbeiter an einer einstündigen Besprechung teilnehmen, kostet dies acht Arbeitsstunden. Stehen die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen?

Eine Befragung von 230 Führungskräften in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die im Auftrag der Wirtschaftsakademie AFW Bad Harzburg durchgeführt wurde, lässt den Schluss zu, dass man weniger von einem Besprechungswesen als von einem „-unwesen“ sprechen muss. So beklagten 56 Prozent der Befragten, dass es keine klaren Prioritäten in der Tagesordnung gäbe. Und nur die Hälfte derjenigen, die an einem Tisch sitzen, vermag überhaupt ein Besprechungsziel zu erkennen.

„Wenn Probleme auftauchen“ so gaben vierzig Prozent der Teilnehmer an, „wird nach den Schuldigen gesucht und weniger nach den Lösungen“. Auf der Bewertungsskala ganz oben rangiert die Aussage: „Triviale und wichtige Fragen nehmen oft gleich viel Zeit in Anspruch“, gefolgt von „Oft schweifen wir vom Thema ab“ sowie „Wir halten nicht fest, was wir bis zum Ende einer Sitzung erreicht haben wollen“. Aber auch Aussagen wie: „Die Besprechungsergebnisse werden nicht konsequent genug in die Praxis umgesetzt“ und „Wir stimmen uns nicht ab, welche Tagesordnungspunkte Vorrang haben“ werden getroffen. Einige dieser Probleme würden bei mehr Disziplin während der Besprechungen nicht auftreten.

Interessant ist, dass Aussagen, die das Führungsverhalten der Vorgesetzen kennzeichnen, wie zum Beispiel: „Wir haben das Gefühl, dass der Vorgesetze mit vorgefassten Meinungen in die Besprechung geht, von denen er sich nicht mehr abbringen lässt“ relativ weit unten rangierten. Auch Punkte wie „Kaum ein Teilnehmer wagt offen und ehrlich seine Meinung zu sagen“, „Es spricht vor allem immer nur der Vorgesetzte“ werden selten als Problem genannt.

Insgesamt zeigten die Ergebnisse, dass die Effizienz von Besprechungen rasch erhöht werden kann, wenn die Tagesordnungspunkte nach Prioritäten geordnet und ein sinnvolles Zeitmanagement in den Besprechungen eingeführt wird.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart.
Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

Drucken

Die Schwellenländer als Opfer der europäischen Notenpresse

13. September 2013 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Weltwirtschaft scheint wieder das alte Bild zu zeigen, das schon lange vergessen war: gute Nachrichten aus Europa und Amerika, heftige Turbulenzen in der Dritten Welt. Deren Währungen haben einen wilden Schlingerkurs begonnen, die Börsenkurse stürzen ab, während sie Europa ganz gut gehen. Wenn sich die Europäer und Amerikaner darüber aber wirklich freuen sollten, dann wären sie Opfer einer extremen Selbsttäuschung.

Faktum ist, dass auch die freundliche und überraschende Konjunkturentspannung der letzten Wochen den Europäern nur sehr bescheidene Wachstumsraten beschert. Diese sind zwar gewiss besser als die vielen Minus-Bilanzen der letzten Rezessionsjahre. Das europäische Wachstum macht aber weiterhin nur einen Bruchteil der Raten des Wachstums der Schwellenländer aus. Und Europa ist vor allem – bis auf Deutschland – weit weg von jenen Wachstumsraten, die für einen Stopp der Arbeitslosenzahlen nötig wären.

Ebenso ist Faktum, dass vor den deutschen Wahlen zwar alle negativen Nachrichten möglichst unter den Teppich gekehrt werden. Aber dennoch ist klar: Europa ist mehr als jede andere Weltregion von den Turbulenzen im Nahen Osten bedroht. Dabei geht es keineswegs nur um Syrien oder das Palästinenserproblem, sondern noch um einen viel größeren Bogen: Der reicht von Libyen (mit seinen seit Monaten der Konflikte wegen weitgehend ungenutzt bleibenden Energieschätzen) über Ägypten (mit seinem halben Bürgerkrieg), Iran (mit seinen Nuklearentwicklungen) bis Afghanistan (wo nach dem bevorstehenden Abzug der Westmächte ein weitgehender Triumph der Taliban droht).

Europa kann zwar auf einige Reformen verweisen, die durch die Krise mancherorts in Gang gesetzt worden sind. Aber kein Ökonom hält sie wirklich für ausreichend. Österreich übrigens hat seit Krisenausbruch laut EU-Kommission weitaus am wenigsten Reaktionen und Reformen gesetzt. Das spiegelt sich ja auch im laufenden Wahlkampf wider. Aber auch in den meisten anderen Staaten der EU gleichen die derzeit beruhigenden Signale mehr einem Pfeifen im Wald als einem Startschuss zu neuer europäischer Stärke.

Das Geld kehrt nach Europa und Amerika heim

Dennoch zeigt sich der Euro an den internationalen Märkten seit längerem sehr stark, und fast alle Drittweltwährungen sind im Trudeln. Das scheint ein ziemlicher Widerspruch. Dafür gibt es aber doch durchaus Erklärungen. Die wichtigste Erklärung: Bei Signalen der globalen Unsicherheit flüchtet man noch immer am liebsten in altvertraute Häfen. Und das sind nun mal Europa und Nordamerika.

Zugleich gibt es erste zarte Zwischentöne, dass in beiden Regionen die Zentralbanken mit dem hemmungslosen Gelddrucken aufhören könnten. Zart. Vielleicht. Und irgendwann einmal, wenn das Wachstum kräftig genug ist: Aber schon solche vagen Perspektiven genügen offensichtlich, um die Ängste zu zerstreuen, dass Europas und Amerikas hemmungsloses Gelddrucken am Ende in eine Inflation führen muss. Daher glauben Europäer wie Nichteuropäer offensichtlich sofort, dass man dort wieder sicherer anlegen kann.

Zugleich würde bei einer auch nur leichten Verknappung der europäischen und amerikanischen Geldmenge wieder weniger Geld für Investitionen in den einige Jahre von Dollars und Euros überschwemmten Schwellenländern zur Verfügung stehen. Daher ziehen viele Investoren Geld jetzt schon aus diesen Ländern ab, also noch vor irgendeiner echten Verknappung.

Es ist in der Tat zumindest möglich, dass Deutschland nach der Wahl die Politik der fast unbegrenzten Haftungen für Griechenland & Co beenden oder abbremsen könnte. Das würde Investitionen in Europa wieder sinnvoll machen. Vor der Wahl konnten Angela Merkel und Wolfgang Schäuble zwar nicht gut zugeben, dass das ein großer Fehler war, was sie seit 2010 an Krediten und Haftungen alles unterschrieben haben. Aber nach den Wahlen ist ein Politikwandel zumindest denkbar.

Zwar scheint ein solcher Kurswechsel nach wie vor nicht sehr wahrscheinlich. Aber die Investoren und Devisenmärkte reagieren offensichtlich auch schon, wenn eine Denkmöglichkeit bloß einmal ausgesprochen wird.

Pubertäre Wachstumsstörungen

Genauso wichtig sind aber auch die Turbulenzen in den einzelnen Schwellenstaaten. Wenn man es biologisch vergleicht: Diese Turbulenzen ähneln schweren pubertären Wachstumsstörungen. Diese sind ja auch bei Menschen oft sehr heftig. Nur sind sie in der Dritten Welt in aller Regel eben mit kräftigem Wachstum – und nicht mit Stagnation verbunden.

Neben den skizzierten globalen Trends hat fast jedes der pubertierenden Schwellenländer auch sehr spezifische eigene Wachstumsstörungen.

In China ist es etwa die Notwendigkeit, sich erstens auf eine rasch alternde Bevölkerung umzustellen, die logische Folge von Jahrzehnten der Einkindpolitik. Zweitens versucht China, die einseitige Abhängigkeit von billigen Industrieproduktionen abzubauen und sich in Richtung einer Dienstleistungsgesellschaft zu entwickeln. Drittens muss es dringend die – noch immer großen – Überreste der alten und nicht wettbewerbsfähigen Staatsindustrie abbauen, in der Unmengen fauler, jedoch noch nicht abgeschriebener Kredite stecken. Und viertens steht China vor der unabdingbaren Mega-Aufgabe, die Korruption nicht nur verbal, sondern wirklich zurückzudrängen. Was ja vor allem bedeutet, eine unabhängige Justiz aufzubauen, die auch gegen mächtige Parteisekretäre vorgehen darf, welche sich bisher über das Recht meist hemmungslos hinweggesetzt haben.

Indien als Opfer des eigenen Populismus

Ganz anders, aber in Wahrheit noch viel schlimmer sind Indiens Wachstumsprobleme. Indien ist nämlich unter dem populistischen Druck vieler Politiker noch weniger in der Marktwirtschaft angekommen als China. Indische Aktien werden derzeit massenweise verkauft. Indien hat ein gewaltiges, politisch verursachtes Leistungsbilanzdefizit.

Indien hat im Gegensatz zu China eine sehr junge und rasch wachsende Bevölkerung. Daher müsste es dringend etwas für die vielen Jungen tun. Denn das eindrucksvolle Wachstum des Mittelstandes alleine ist sicher zu wenig, um die nachdrängenden Massen zu beschäftigen.

Nur eine echte Öffnung für ausländische Unternehmen – auch im Handel und bei Dienstleistungen – kann die benötigten Arbeitsplätze schaffen. Aber die vielen kleinen heimischen Händler und sonstigen Betriebe bekämpfen das bis aufs Messer. Denn sie fürchten – wohl zu Recht – dass ihnen die Konkurrenz wehtun wird.

Die verzweifelt um eine Wiederwahl kämpfende indische Regierung hat in dieser Situation die völlig falschen Maßnahmen gesetzt. Sie hat als Reaktion auf die Turbulenzen die wirtschaftlichen Freiheiten eingeschränkt, statt sie auszubauen: Der Geldtransfer ins Ausland wurde limitiert, ebenso der Import von Gold.

Am schlimmsten ist die jüngste Maßnahme: Künftig haben 820 Millionen Inder Anspruch auf ein paar Kilo Getreide zu Billigpreisen. Freilich nur auf dem Papier. Denn in der Geschichte hat noch jede Preisregulierung unter dem Marktpreis zu Verknappungen geführt. In Indien ebenso wie anderswo.

Indien hat außerdem eine große Tradition, dass staatlich subventionierte Lebensmittel auf dem Schwarzmarkt oder in korrupten Kanälen landen, aber nicht bei den Armen – genauer gesagt: Wählern. Nichts wird auch gegen die großen Probleme bei der Lagerung und beim Transport von Getreide getan. Niemand kümmert sich, ob überhaupt genug Getreide produziert wird. Aber trotz des mutmaßlichen Scheiterns wird das Nahrungsprogramm den schwer verschuldeten indischen Staat jedenfalls viele Milliarden kosten.

Argentinien hängt noch die alte Schuldenkrise nach

Ähnlich kann man auch für andere große Staaten wie Indonesien, Brasilien, Argentinien oder Thailand jeweils spezifische nationale Probleme analysieren. Argentinien etwa wird jetzt noch von seiner alten Schuldenkrise knapp nach der Jahrtausendwende eingeholt, die nur in der Rhetorik der Politik schon überwunden war: Das Land ist von US-amerikanischen Gerichten verurteilt worden, in Amerika gemachte Schulden auch voll zurückzuzahlen, sofern kein freiwilliger Teilverzicht stattgefunden hat.

Jenseits ihrer Spezifika ist allen Schwellenländern gemeinsam, dass Währungen und Börsenkurse den ganzen Sommer über steil gefallen sind, dass viele Investitionen reduziert worden sind, dass viel zu wenig neue kommen.

Diese Entwicklungen sind vor allem für die Demokratien ein Problem: Denn das Wissen um weltwirtschaftliche Zusammenhänge fehlt bei den meisten Wählern komplett. Daher ist jede notwendige Reform zumindest anfangs sehr unpopulär.

Bei allen Problemen Europas und Amerikas zeigt sich nun überraschenderweise, dass die Schwellenländer trotz der gewaltigen Erfolge in den letzten Jahren noch keineswegs eine selbsttragende Wirtschaftskraft geworden sind. Sie hängen in hohem Maße weiterhin von den beiden weißen Kontinenten ab. Die Schwellenländer haben oft nur einen Scheinboom erlebt, der lediglich auf europäisch-amerikanischen Notenpressen basiert ist.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Die Realität des Manager-Lebens

12. September 2013 00:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Zwei Selbstmorde auf der Vorstandsebene von Großkonzernen ließen in den vergangenen Tagen aufhorchen. Vielleicht macht das auch manchem Klassenkämpfer klar: Auf dieser Ebene verdient man zwar zeitweise exzellent, aber Druck und Arbeitsmenge sind so gewaltig, dass immer wieder Menschen darunter zerbrechen. Dabei geht es in beiden Fällen um durchaus gesunde Konzerne.

Von den gewerkschaftlich so empört abgelehnten gelegentlichen Zwölfstunden-Arbeitstagen kann man in solchen Jobs nur träumen. Ebenso wie davon, dass man einen Arbeitsplatz teilen könnte. Oder dass man in irgendeine Form der Karenz gehen könnte. Wer Verantwortung für 60.000 Arbeitsplätze und Ersparnisse von Hunderttausenden trägt, der muss selber ins Kreuzfeuer. Etwa in das eines Verwaltungsratspräsidenten, der wegen einer flauen Kursentwicklung Druck macht. Weder Verantwortung noch Wissen kann man teilen. Oder gar tageszeitmäßig begrenzen. Auch wenn das an Stammtischen oder im feministischen Traumland so verzapft wird.

Bei globalen Konzernen wie etwa dem Zürich-Konzern hat der Tag wirklich 24 Stunden. Irgendwo auf der Welt ist da immer ganz normale Arbeitszeit. Irgendwo kann immer die direkte und sofortige Entscheidung der obersten Ebene nötig werden. Ganz abgesehen von den zahllosen Meilen, die man ständig rund um den Globus fliegen muss, um sich vor Ort ein Bild zu machen, um bei Regierungen oder Institutionen zu antichambrieren.

Nun braucht man gewiss nicht vor Mitleid zu zerfließen. Aber Journalisten, Funktionäre oder „Wissenschaftler“ (die ihr ganzes Leben nur von den durch die böse Wirtschaft bezahlten Steuern leben) sollten halt schon auch die Realität kennen, wenn sie über die hohen Bezüge auf Vorstandsebenen stänkern.

An diesen Stänkereien ist noch etwas Zweites widerlich: Es wird immer nur groß geschrieben, wenn Vorstandsbezüge stark nach oben gehen. Stürzen diese in Krisenjahren hingegen steil ab, wird das meist totgeschwiegen. Dann kann man ja mit Neidreflexen keine Stimmung machen. So wurde es nirgendwo vermerkt, als am Höhepunkt der Krise der CEO einer der nun durch Selbstmorde belasteten Konzerne sogar ein Minuseinkommen hatte. Variable Bezüge mit dem Schwerpunkt auf Aktienoptionen können durchaus dazu führen.

Nochmals: kein Mitleid. Aber in der Summe sind es zweifellos primär die Manager der Industriewelt, die trotz des Drucks von immer mehr Gesetzen und Regulierungen, trotz teilweise konfiskatorischer Steuern, trotz querschießender Politiker die Maschinerie der modernen Industriewelt bisher irgendwie in Gang halten konnten.

Unpopuläre Worte? Gewiss. Jeder journalistische Anfänger weiß ja, dass man mit Attacken auf „Mächtige“ in Wirtschaft und Politik am leichtesten punktet. Trotzdem sind wir alle mehr von deren Qualität und Effizienz abhängig, als wir glauben. Daher sollten wir sie auch an ihrem Handeln bewerten, und dafür wenn nötig auch scharf kritisieren, aber nicht wegen der Größe von Dienstwagen oder Gehaltskonto.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Der Gesundheitsschock: Was alles nötig wäre, und was alles total falsch läuft

11. September 2013 00:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine kritische Analyse der österreichischen Gesundheitspolitik führt gleich zu mehreren hochriskanten Folgen: Erstens zu Schock über den planwirtschaftlichen Murks, den uns die Politik (Bund, Länder, Sozialversicherungen) als gelungene Reform verkaufen will. Zweitens zu Schock über alles, was da seit Jahren strukturell falsch läuft. Und drittens zu Schock über jene einschneidenden Maßnahmen, die alleine eine sinnvolle Therapie wären.

(eine grundsätzliche Analyse, nichts für eilige Leser).

Zu Beginn zwei persönliche Anekdoten. Erstens jene von meiner Entlassung aus dem Spital. Mein Internist fand nach zwei Nächten sehr beruhigende Worte für mich. Diese Beruhigung endete jedoch abrupt, als ich seinen schriftlichen Bericht las. Dessen Lektüre veranlasste mich zur panischen Anfrage: "Wie lange habe ich denn noch zu leben, da ich jetzt die ganze Wahrheit gelesen habe?" Die Antwort des Arztes: „Aber Nein, das ist ja nur für die Versicherung.“

Ein anderes Erlebnis spielte auf einer orthopädischen Station, als ich mich wie bestellt zu einer Meniskus-Athroskopie meldete. Die erste Frage an der Abteilungs-Rezeption war: „Ambulant?“ Ich reagierte ziemlich erstaunt, denn ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass das auch ambulant möglich ist. Ergebnis: Bis zu meiner Entlassung behielt man den mit einer Zusatzversicherung versehenen Patienten Unterberger schließlich fünf Nächte stationär in jener Abteilung. Dabei hatte es keinerlei Komplikationen rund um den Eingriff gegeben. Dafür wurde ich dann auch noch von einem Schlaflabor-Experten beglückt, der meinen ganzen Körper so verkabelte, dass ich keine Minute ein Auge zumachen konnte. Dabei hatte ich nur gesagt, ich schlafe manchmal schlecht, wenn ich am nächsten Tag einen Vortrag habe. aber es zahlt ja eh alles die Allgemeinheit, also scheinbar niemand.

Natürlich weiß ich: Persönliche Erlebnisse können zwar Symptome zeigen, sind aber noch keine Gesamtanalyse eines zentralen Bereichs der Gesellschaft, den ich hier versuchen möchte. Meine Sichtweise ist dabei eine mehrfache:

Verfolgt man die politischen und medialen Äußerungen des letzten Jahres zur Gesundheitspolitik, dann wird einem die Überzeugung vermittelt: Die Gesundheitspolitik sei am Ziel angekommen; die Finanzierungsprobleme seien gelöst; und man müsse nur noch nachdenken, für welche neuen Aufgaben man jetzt das reichlich vorhandene Geld ausgeben wird.

Der erstaunliche kommunikative Konsens rund um die Gesundheitspolitik wurde nur zeitweilig von Ärztekammervertretern gestört. Die waren freilich nie imstande, sich konsistent zu äußern. Das Donnern der Faust auf den Tisch, Vergleiche der elektronischen Gesundheitsakte Elga mit Auschwitz und Streikaktionen wechselten abrupt mit offenbar zufriedenem Schweigen. Ohne strategische wie inhaltliche Konsistenz und Strategie hat man aber im 21. Jahrhundert in einer kompliziert gewordenen Gesellschaft keine Positionierungs-Chance.

Aber das ist primär das Problem der offensichtlich uneinigen Ärzteschaft.

Die vielen grundsätzlichen Defizite

Hier geht es jedoch um eine ordnungspolitische Sicht auf die Gesundheitspolitik. Die ich ohne hybriden Anspruch eines Gesamtkonzeptes einfach in einigen Überlegungen aufgliedere. Das jetzige Gesundheitssystem hat viele Fehler, die zwar großteils bekannt sind, von denen aber kaum einer durch die groß bejubelte Reform wirklich gelöst wird:

  1. Die Finanzierung der Gesundheit erfolgt in anderen Staaten entweder durch die Versicherungen oder durch Steuereinnahmen. Wir hingegen haben ein Mischsystem, das zu jährlich mehr als 5 Prozent Kostensteigerungen geführt hat.
  2. In einer Art doppelter Planwirtschaft schieben einander öffentlich-rechtliche Moloche ständig gegenseitig Kosten zu, wobei gleichzeitig diese Moloche heftig um die Macht kämpfen.
  3. In keinem Land werden so viele Menschen so lange im Spital behandelt wie in Österreich.
  4. Zumindest statistisch liegt unsere gesunde Lebenserwartung unter dem EU-Schnitt.
  5. Eine Ursache der hohen Kosten ist der Mangel an Pflegebetten, weshalb durch Pflegefälle teure Akutbetten belegt werden.
  6. Eine weitere ist regionalpolitischer Chauvinismus, der um die Erhaltung jedes noch so kleinen Spitals kämpft.
  7. Viele Primariate werde nicht nach Leistung und Können, sondern nach Beziehungen und Parteipolitik besetzt.
  8. Die im Vergleich zu Privatordinationen viel teureren Ambulanzen werden vor allem deshalb aufgesucht, weil man dort immer sofort einen Termin hat, weil vielerorts die Kassen die Zahl der Kassenärzte zu streng limitieren, weil diese ab Freitagmittag kaum erreichbar sind. Aber auch weil oft Ambulanzen trotz ihrer Unpersönlichkeit höhere Qualität zugeschrieben wird.
  9. Die behauptete Teilsanierung der Krankenkassen in den letzten zwei Jahren ist vor allem auf die relativ gute Arbeitsmarktsituation und damit ausreichende Beiträge zurückzuführen, nur zum sehr kleinen Teil auf echte dauerhafte Veränderungen.
  10. Daher ist es absurd, dass wegen einer leichten Verbesserung der Einnahmen sofort dauerhafte Ausgabenerhöhungen beschlossen werden, wie etwa gerade im Bereich Zahnmedizin.
  11. Weltweit ist genauso wie etwa im Schulsystem die ständige fortschreitende Verrechtlichung ein Hauptproblem. In fast allen Ländern, mit den USA an der Spitze, verteuern die ständig steigenden Haftungsfolgen von wirklichen oder vermeintlichen Kunstfehlern, die immer stärker aufgeblähte Bürokratie und Kontrollen das Gesundheitssystem enorm, aber ohne sachlichen Nutzen. Aber Juristen wie Journalisten üben da gewaltigen Druck aus. Nichts darf mehr ohne dramatische rechtliche Folgen passieren. Daher werden auch die Haftpflichtversicherungen für Ärzte massiv teurer. Und damit die kosten des Gesundheitssystems.
  12. Die ständig steigende Lebenserwartung ist zwar ein Erfolg auch der Medizin, sie macht diese aber ebenfalls unweigerlich teurer.
  13. Das tut auch die – an sich sehr erfreuliche – Tatsache, dass früher unheilbare oder gar letale Krankheiten behandelbar geworden sind.
  14. Eine besonders schmerzhafte Tatsache: Vorsorgeuntersuchungen führen zu mehr Behandlungen.
  15. Internationale Statistiken zeigen eine klare Korrelation: Je mehr Ärzte und Spitäler es gibt, umso teurer ist ein Gesundheitssystem.
  16. Berechnet man die Gesundheitskosten korrekt, müsste man primär die bessere Hygiene, Wasserversorgung, Abwasserklärung und – trotz der rapiden Zunahme von Adipositas – wohl ebenso die gesündere Ernährung zu den primären Ursachen der gestiegenen Lebenserwartung rechnen und nur zu 20 Prozent die eigentliche Medizin.
  17. Sehr erfreulich ist auch der Rückgang der Arbeitsunfälle durch Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Während die privaten Unfälle, wo man nicht so reglementierend eingreifen kann, hoch blieben. Es wäre aber unerträglich, jedes Jahr einen Kontrollbesuch des Arbeitsinspektors in der eigenen Wohnung zu bekommen.
  18. Besonders die gut bezahlten Operationen nehmen statistisch zu. Nach einer deutschen Studie werden zwei Drittel der zusätzlichen Operationen nur deshalb gemacht, damit Krankenhäuser besser verdienen.
  19. Ein besonderer Kostentreiber in vielen öffentlich rechtlichen Spitälern in Wien: Die jungen Ärzte müssen vieles an Systemarbeit tun, was die Gewerkschaft den Krankenschwestern untersagt.
  20. Die Arbeitszeiten von Spitalsärzten sind unverantwortlich lang. Das zeigt vor allem der Vergleich mit dem sonstigen Arbeitsrecht, wo man als Arbeitgeber bestraft wird, wenn ein Mitarbeiter – auch durchaus freiwillig! – länger als zehn Stunden arbeitet.
  21. In fast keinem anderen Berufsfeld ist die Diskrepanz zwischen extrem gut Verdienenden und sehr schlecht Verdienenden so extrem wie bei den Ärzten.
  22. Schlechte Gehälter, hohe Abgaben und die Dauer wie die Qualität der Ausbildung führen seit einiger Zeit zu starker Abwanderung: 700 Ärzte verlassen Österreich jährlich.
  23. Gut verdienende Ärzte können meist ihre Doppelstellung als ärztlicher Leiter in Spitälern und gleichzeitiger Inhaber einer Privatordination nutzen, ohne dass immer das finanzielle und zeitliche Verhältnis zwischen beiden Einkommen geklärt wäre.
  24. Angesichts ihrer Finanznöte zahlen die Kassen die Allgemeinmediziner sehr schlecht, sodass diese zu wenig Zeit für ärztliches Wirken haben; manche forcieren deshalb ertragreichere Nebengeschäfte, wie etwa fragwürdige Nahrungsergänzungen. Zugleich verstärkt der Mangel an Allgemeinmedizinern den Patienten-Run aufs Spital.
  25. Ein weiterer schwerer Fehler der Kassen ist es, die Bildung von Gruppenpraxen lange ver- oder behindert zu haben.
  26. Zahllose weitere Formen der Geldverschwendung bestehen in Organisationsmängeln, überflüssiger Bürokratie, und Abschiebung der bürokratischen Lasten von den Kassen zu Ärzten und Spitälern.
  27. Selbstverständlich gibt es eine Mehrklassenmedizin, auch wenn es viele Politiker leugnen. Es wird sie mit absoluter Sicherheit auch immer geben; die einzige Frage ist, ob legal oder illegal, ob nur zum individuellen Nutzen oder in einem sinnvollen Gesamtsystem.
  28. Ein ökonomisch explodierendes Problem ist, dass immer öfter Alltagsprobleme als seelische und psychiatrische Krankheiten gesehen und auch behandelt werden. Alleine dieser Aspekt lässt mit Sicherheit die Gesundheitskosten weiter explodieren.
  29. Der Politik wie der Öffentlichkeit ist noch nicht ausreichend bewusst, dass wir aus demographischen Gründen in einen Ärztemangel hineingleiten. Eine neue Uni zu gründen, statt sich auf die Stellung der Jungmediziner zu konzentrieren, ist aber der total falsche Weg, solange so viele Jungmediziner sofort ins Ausland abwandern.
  30. Eine bei Patienten beliebte Betrugsform ist die Verwendung der e-card durch Nichtberechtigte, die durch biometrische Daten leicht gestoppt werden könnte.
  31. Die Patienten sind im hohen Ausmaß zum bloßen Objekt degradiert. Sie durchschauen das System in keiner Weise. Auf der einen Seite wird ihnen einfach das Geld fürs Gesundheitssystem abgenommen, ohne dass sie gefragt werden, ob das nun über die Sozialversicherungsbeiträge oder die Steuern geschieht. Auf der anderen Seite sind sie auch im Krankheitsfall Objekt. Das hat die Menschen in den letzten Jahrzehnten so erzogen, dass sie sich in der Gesundheitsmaschinerie nur noch als Objekt fühlen. Dass sie sich fühlen wie das Auto, das in der Servicewerkstatt steht. Ohne jede Motivation zur Eigenverantwortung.
  32. Hingegen tritt der Arzt meist sowohl als Anbieter wie Nachfrager von Gesundheitsleistungen auf. Daran ändert auch eine teilweise ohne Ärzte ausverhandelte Gesundheitsreform nichts. Die starke Rolle der Ärzte ist zwar zum Teil unvermeidlich. Aber eben nur zum Teil.
  33. Ein unpopulärer Hinweis zur Pharmazie: Zahlen zeigen einen steilen Rückgang der Erträge dieser Konzerne. Die Ursachen sind vor allem durch Preisreduktionen und die Verwendung von Generika. Das ist nur vordergründig und kurzfristig positiv. Langfristig dämpft das jedoch die Ausgaben für Forschung und damit auch den medizinischen Fortschritt. Eine eher kurzsichtige Einsparung.

Alle bejubeln die Planwirtschaft

Jetzt aber zur sogenannten Reform: Wenn die letzten Beschlüsse von Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialversicherungen und Sozialpartnern wirklich zu einer effizienteren, billigeren und menschlicheren medizinischen Versorgung führen sollten, dann wäre das eine absolute Premiere: Dann würde zum ersten Mal in der Geschichte noch mehr Planwirtschaft statt Eigenverantwortung und Freiheit zu irgendeinem Fortschritt führen.

Die Erfahrung lässt jedoch statt dessen mit einem weiteren Verlust an Effizienz und Menschlichkeit rechnen. Die Politik und die Planer scheitern in allen Ländern derzeit daran, auch nur einen neuen Flughafen zu planen oder ein neues Konzertgebäude. Oder in Salzburg binnen weniger Wochen festzustellen, wie viele Schulden das Land eigentlich hat. Und da wollen uns Politik und Bürokratie allen Ernstes einreden, ein komplett neues Gesundheitssystem planen und administrieren zu können?

In Wahrheit muss es einen doch vor Entsetzen beuteln, wenn uns ein „Bundeszielsteuerungsvertrag“ und neun dann folgende Landesverträge als Wunderdroge verkauft werden. Oder wenn man ernstlich glaubt, heute – also schon vor Abschluss dieser Verträge! – ein „Dämpfungsvolumen“ von 3,4 Milliarden Euro bis 2016 verkünden zu können. Das erinnert stark daran, dass man uns ja derzeit auch weismachen will, dass es 2016 mit Sicherheit das letzte Budgetdefizit geben werde. Wie oft haben wir das freilich in den letzten Jahrzehnten schon jeweils für andere Zeitpunkte gehört?

Was heißt eigentlich „Zielsteuerung“? Heißt es wörtlich, dass man die Ziele beliebig verändern kann? Derzeit gibt es jedenfalls neun Ziele, die miteinander ungeordnet ohne Hierarchie konkurrieren sollen. Aber auch die jetzt scheinbar friedlich zusammengeschweißten Akteure, die Zahler, die Opfer wie die zahllosen Lobbies haben weiterhin völlig unterschiedliche Ziele und Motive.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn Ambulanzen, wie versprochen, noch besser werden, ist das ökonomisch schlecht im Gesamtsystem. Denn dann werden noch mehr Patienten in Ambulanzen statt Ordinationen gehen.

Man hat die Absurdität einer rein politisch-bürokratischen Regelung der Gesundheitsausgaben ja erst im Frühjahr rund ums Thema Hüfte gesehen. Sobald die Öffentlichkeit auch nur glaubt, dass irgendeine „Kostendämpfung“ die vermeintlich oder wirklich beste Therapie limitiert, beginnt politischer und medialer Druck, bis dann alle unisono verkünden: Nein, natürlich war das nicht so gemeint. Selbstverständlich bekommt jeder unbegrenzt die beste Therapie. Auch wenn er sie gar nicht braucht.

Es geht um die Rechte der Patienten

Fassungslos macht, dass bei den zahllosen Reformgesprächen neben den nur teilweise beigezogenen Ärzten, die aber zumindest viel faktische Macht haben, eine Gruppe völlig ausgeschlossen geblieben ist. Offenbar weil zu unbedeutend. Das sind die Patienten. Zwar machen sich viele zu ihren Sprechern. Aber alle angeblichen Patienten-Vertreter haben in Wahrheit ganz andere Eigeninteressen.

Eine Stärkung der Rechte der Patienten als eigentliche und einzige Kunden des Gesundheitssystems ist in einer entwickelten Demokratie jedoch unverzichtbar. Sie wird auch angesichts der für zentralistische Planer völlig unüberschaubaren Individualbedürfnisse und insbesondere angesichts des bevorstehenden europaweiten Finanzkollapses unumgänglich sein.

Statt Patientenrechte zu verstärken, will die Politik nun von oben her „Best Points of Service“ dekretieren. Ohne zu begreifen, dass sich Menschen, so wie das Wasser, immer ihre eigenen Wege suchen. Egal was dekretiert ist.

Zur Stärkung der Patientenrechte und zur gleichzeitigen Sanierung des Gesundheitssystems gibt es in Wahrheit nur zwei Wege, die durchaus auch additiv gegangen werden können. Der eine Weg ist, den Bürgern die Wahl zwischen mehreren möglichen Krankenversicherungen zu geben. Dadurch entstünde Wettbewerb und Patientenorientierung bei den Kassen.

Das ständige Gegenargument „Was ist mit den schlechten Risken, also insbesondere chronischen Patienten?“ lässt sich wie bei den Autoversicherungen durch Zwangskontrakte leicht lösen. Da bekommen ja auch unfallfreudige Fahrer eine Kaskoversicherung.

Alles (außer dem Populismus) spricht für einen allgemeinen Selbstbehalt

Die zweite mögliche Stärkung der Rolle des Patienten besteht darin, dass sie bei einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge einen zumindest kleinen Teil jeder Behandlung, jeder Medikation selbst in Form eines Selbstbehalts zahlen müssten. In diesem Fall würden sie automatisch viel häufiger fragen als jetzt, ob diese oder jene Behandlung wirklich sinnvoll ist. Dann würde aber auch bei den allermeisten Ärzten ein Umdenken einsetzen.

Denn viele Menschen – und auch Ärzte sind Menschen! – sind nämlich bereit, eine anonyme Allgemeinheit, egal ob Staat oder Privatfirma, ohne sonderliche Gewissensbisse zu schädigen. Sie sind aber viel weniger bereit, einen unmittelbar vor ihnen sitzenden oder liegenden Patienten mit überflüssigen Kosten zu belasten. Wenn der Satz „Zahlt eh die Krankenkassa“ aus unserem Repertoire verschwunden ist, dann wird sich mit Sicherheit im Gesundheitssystem mehr ändern als durch noch so viele papierene Fünfjahrespläne.

Eine stärkere Eigenverantwortung der potentiellen Patienten bei den Behandlungskosten würde mit Sicherheit die noch viel wichtigere Eigenverantwortung auch in Hinblick auf eine gesündere Lebensweise erhöhen. Dabei geht es um ein generelles Umdenken. Viel mehr und verständlich kommunizierte Aufklärung ist dabei aber jedenfalls zentral. Das zeigt etwa die enge Korrelation zwischen Bildung und Gesundheit. Wissen erhält länger gesund. Wissen kann aber natürlich nicht so hergestellt werden, dass man jetzt einfach jedem eine Matura oder einen Master schenkt.

Nicht ein Plan, sondern Selbstdisziplin samt einem freiwillig gewählten sozialen Netz erhält gesund. Das zeigt die hohe Lebenserwartung in Klöstern.

Eine notwendige Konsequenz wäre aber auch das Recht, nein: die Pflicht des Systems zu sagen: Bevor du eine neue Hüfte bekommen kannst, muss das Übergewicht weg. Heute und auch nach der Reform suggerieren wir hingegen: Mach was du willst, die Gesellschaft wird eh die gesamte Reparatur zahlen.

Zur Mündigkeit der Patienten gehören auch viel bessere Informationen über medizinische Qualität. Dazu gehören beispielsweise Vergleiche von Operationszahlen und -erfolgen zwischen einzelnen Spitälern. Amtsgeheimnisse, Datenschutz und ähnliches haben da absolut nichts verloren.

Eines der falschesten Argumente kommt bei dieser Diskussion gerne von der Politik: Wenn Selbstbehalte eingeführt werden, dann könnten sich die Armen keine Gesundheitsausgaben mehr leisten. Das hat zu dem verheerenden Prinzip geführt: Gesundheit darf nichts kosten. Was nichts kostet, ist aber auch automatisch in den Augen der Menschen nichts oder wenig wert. Damit wird auch die Eigenverantwortung drastisch reduziert. Die sogenannten oder wirklich Armen wissen ja hingegen auch bei Essen, Fernseher oder Auto, dass sie sich da selber kümmern müssen.

Ich will hier nicht die gesamte Armutsdebatte aufrollen. Aber ein Hinweis sei gestattet: Die statistisch ärmsten Österreicher geben nicht nur relativ, sondern auch in absoluten Euro-Beträgen mehr für Unterhaltungselektronik aus als die Besserverdienenden.

Eine weitere absurde Randerscheinung der Reformdebatte ist, dass die schon jetzt diskriminierten Privatspitäler neuerlich ignoriert worden sind, obwohl sie bei durchaus gleicher Qualität weniger kosten. Weshalb man von ihnen viel lernen könnte.

Genauso ein Tabu ist auch die Frage, ob nicht mehr Geld für altersgerechte Wohnungen wirksamer sind als mehr Geld für das Gesundheits- und Pflegesystem.

Die Conditio humana

Die wirklich fundamentale, aber nie ausdiskutierte Frage ist die philosophische nach dem Menschenbild, nach der Freiheit. Haben Menschen das Recht zu ungesundem Leben? Ich kann das nur bejahen. Anders lässt sich eine freie Gesellschaft außer in extremem Totalitarismus gar nicht vorstellen. Das muss freilich auch subjektive Konsequenzen haben.

Es wäre der Anfang vom Ende jeder Menschlichkeit, wenn der Staat die Menschen auch zu ihrer Gesundheit zwingen wollte. Dann bekommen wir ihn überhaupt nicht mehr aus unserem intimsten Leben hinaus. Von der Zahnputzkontrolle bis zu den Essens- und Alkoholverboten. Ja, die Krankheit und der ja sichere Tod müssen das Risiko des Patienten bleiben, nicht der Politik. Sie sind Teil der Conditio humana.

Manche meinen nun sicher, ich würde zu ökonomisch argumentieren. Aber gerade mit der Medizin und anderen Naturwissenschaften ist die Ökonomie sehr eng vergleichbar: Ihre Regeln und Gesetze gelten ganz unabhängig vom Willen der Menschen. So können ja auch noch so viele blöde Sprüche von Rauchern wie „Ohne Rauch stirbst auch“ den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs, Herzinfarkt sowie etlichen anderen Krankheiten nicht aus der Welt schaffen. So können ja auch Päpste und alle Mächtigen der Erde nicht die Regeln der Astronomie bestimmen, obwohl sie es einst versucht hatten. So wirkt ja auch die Gravitationskraft ganz unabhängig von Beschlüssen der Politik.

Und ganz genauso gelten auch ökonomische Regeln ganz unabhängig von unserer Zustimmung. Wie etwa der millionenfach bewiesene Zusammenhang: „Was nichts kostet, ist in den Augen der Menschen auch nichts wert und wird verschwendet.“ Oder: „Nur wenn man individuell Kosten tragen muss, werden die Kosten beachtet, niemals, wenn die Allgemeinheit sie trägt.“ Oder: „Kostenfolgen haben sich als einzig funktionierender Weg erwiesen, Eigenverantwortung zu tragen.“ Und ebenso: „Wenn wir nichts tun, wird unsere Gesellschaft, unser demokratischer Rechtsstaat in den nächsten 20 Jahren an drei Kostenfaktoren zerschellen: Pensionen, Gesundheit, Pflege.“ (In dieser Reihenfolge)

Ganz anders ist es um juristische Regeln und Gesetze bestellt: Sie können je nach politischer Lust und Laune abgeändert werden. Sie können auch gegen die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten beschlossen werden. Nur führen sie dann regelmäßig zu unerwünschten Folgen: Wenn man etwa Preise unter die Marktkosten limitiert, wird das Produkt aus den Regalen verschwinden; oder Dienstleistungen werden nur noch zu Schwarzmarktpreisen angeboten. Wie es beispielsweise mit vielen Gesundheitsdienstleistungen auf dem Balkan der Fall ist.

Ebenso unsinnig ist der Satz: „Gesundheit ist ein so hohes Gut, das darf doch keine Frage des Geldes sein.“ Wer so spricht, sollte immer auch die Frage beantworten müssen: Ist er etwa bereit, umsonst im Dienste der Gesundheit anderer zu werken? Das sind eben nur ganz wenige. Lobenswert, aber völlig unzureichend.

Auch das immer  so gern bemühte Prinzip der Gerechtigkeit spricht gegen die gegenwärtige Form der Gratismedizin. Es ist ja zweifellos absolut ungerecht, wenn diszipliniert lebende Menschen ohne Bremse und Limit die statistisch viel höheren Gesundheitsausgaben für Raucher, für Übergewichtige, für bewegungsaverse Couch-Potatoes, für Risikosportler tragen müssen.

Bitte nur kein Gesamtkonzept

Das waren einige Anmerkungen über einige gesundheitspolitische, ethische und ökonomischeZusammenhänge. Dahinter steht zwar eine klare ordnungspolitische Idee, aber sicher nicht die Anmutung, ein neues Gesamtkonzept zu haben. Mir ist im Gegenteil jeder unheimlich, der behauptet, ein solches zu haben.

Ich bin mir auch keineswegs sicher, dass das wohl unvermeidliche Scheitern von Reform wie Praxis automatisch zu mehr Vernunft führen wird. Das Wissen um die Rolle von Eigenverantwortung, um die genannten Zusammenhänge ist nämlich europaweit nicht gerade im Steigen.

Daher ist es auch durchaus möglich,

Aber in einem bin ich mir sicher: Wenn ein Gesundheitssystem funktionieren soll, dann kann es nur in einer Verbindung der Gesetzmäßigkeiten von Ökonomie UND Medizin bestehen. Je mehr hingegen Politik und damit Populismus, Gesetze und Gerichte mitspielen und überregulieren, umso schlechter werden die Dinge funktionieren.

(Diese Ausführungen fassen zusammen, was ich in teilweisen Passagen in der medizinischen Zeitschrift „Spectrum Urologie“, in der „Academia“ sowie in einem Vortrag vor Ärzten formuliert habe)

 

Drucken

Steuern: Geschichte und Sinn, Nutzen und Schaden

06. September 2013 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Historisch hat es Steuern, soweit die Geschichtsforschung reicht, immer gegeben. Das waren beispielsweise Wegesteuern, Mauten oder Zölle. Das waren Kopfsteuern, wo jeder gleich viel zahlen musste. Besonders interessant sind zwei Steuerprinzipien, auf die man quer durch die Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende, trifft. Das eine ist der sogenannte Zehent. Das heißt nichts anderes als eine zehnprozentige Abgabe. Es gibt eine Reihe von Quellen, die sich maßlos über diesen Zehent als viel zu hoch erregen, den einst auch die Kirche mancherorts vorgeschrieben hat. Man kann das natürlich tadeln, denn heute ist die Kirchensteuer viel geringer. Nur vergisst man dabei: Die Kirche, Klöster und andere religiöse Einrichtungen hatten viele Jahrhunderte lang allein die gesamte Funktion des heutigen Sozialstaates getragen. Der Kaiser und der Adel, also die politische Macht, haben sich hingegen fast nie um Krankheit, finanzielle Not oder Altersversorgung gekümmert. Das war Aufgabe der Kirche und wurde mit diesem Zehent finanziert, der in dieser Sicht im Vergleich zur Gegenwart gar nicht hoch erscheint.

(Das ist eine etwas längere, grundsätzliche Analyse, also nichts für flüchtige Leser)

Das zweite Steuer-Prinzip war noch viel verbreiteter, auch wenn der Ausdruck jünger ist: Durch Jahrhunderte und Jahrtausende gibt es nämlich schon eine „Flat Tax“. Das heißt: Der Prozentsatz der abzukassierenden Steuer steigt nicht, wenn man mehr verdient, sondern er ist über alle Einkommensstufen völlig gleich. Das ist keineswegs eine neue Erfindung, auch wenn heute schon der Gedanke daran als ein politisch unkorrekter Tabubruch wirkt. Übrigens war auch der fixe Prozentsatz des kirchlichen Zehents eine Flat Tax.

Erst im 19. Jahrhundert hat man mit der Einführung progressiver Steuern begonnen. Die heute wichtigsten Steuern, die Einkommensteuern, waren zwar am Beginn des 20. Jahrhunderts schon progressiv – aber sie waren insgesamt im Vergleich zu heute sensationell niedrig. In keinem europäischen Land, über das ich Quellen gefunden habe, hat es damals Spitzensteuersätze gegeben, die einen zweistelligen Prozentsatz ausgemacht hätten. Sie lagen also weit unter 10 Prozent. Im Deutschen Reich etwa ist die Progression von 0,62 Prozent – also weniger als 1 Prozent! – nur bis zum „gigantischen“ Höchstbetrag von 4 Prozent gegangen. Interessanterweise haben die Staaten auch damals trotz dieser niedrigen Steuern ganz gut existiert, und sich mit diesem Geld sogar für Kriege gerüstet.

Noch ein weiterer historischer Rückblick ist hochinteressant. Der Parlamentarismus hat sich zwar über viele Formen und Zwischenstufen entwickelt. Aber die wichtigste Forderung bei der Entstehung fast aller Parlamente war eindeutig das Verlangen der Steuerpflichtigen, durch gewählte Repräsentanten über die Steuereinhebung und den Steuersatz mitzubestimmen. Wenn man hingegen die Arbeit heutiger Parlamente analysiert, dann gehen dort weit mehr als 90 Prozent der parlamentarischen Energien ins Gegenteil hinein, ins Nachdenken, wie man die vorhandenen wie auch die noch nicht vorhandenen, also die erhofften künftigen Steuern ausgibt.

Zwangsläufig ist es schon allein durch diese Veränderung in der Bewusstseinslage der Parlamentarier zu einer ständigen Erhöhung der Abgabenquote gekommen. Die Abgabenquote ist jener Anteil des Einkommens, den der Staat den Menschen wegnimmt. Sei es über Sozialversicherungsbeiträge, sei es über Steuern, sei es über sonstige Abgaben. Alleine in den letzten 40 Jahren haben wir da eine Steigerung von 36 auf 43 Prozent erlebt.

In diesen Jahrzehnten ist tatsächlich auf vielen Gebieten eine Trendwende eingetreten. 1970 gab es in Österreich das Ende der ÖVP-Alleinregierung und der Beginn der SPÖ-Alleinregierung – nur kann dieser fundamentale Regierungswechsel nicht alleine die Ursache jener Wende gewesen sein. Viele Werte, Orientierungen, politische Usancen waren plötzlich auch in anderen Ländern nicht mehr gültig. Der Staat wurde fast überall immer mehr aufgebläht, neue gesellschaftliche Muster griffen um sich, der Wohlfahrtsstaat explodierte, Leistung und Sparsamkeit galten plötzlich als altmodisch. Es fand ein historischer und europaweiter Paradigmenwechsel statt. Der ganze Kontinent erhöhte nicht nur massiv die Abgabenquoten, sondern begann auch noch auf Pump zu leben.

Die erwähnte Steigerung der Abgabenquote von 36 auf 43 Prozent klingt ja relativ harmlos. Viel dramatischer ist die Entwicklung der Staatsschulden seit 1970. Diese haben damals weniger als 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen und sind seither auf über 70 Prozent gestiegen. Dementsprechend ist die jährliche Zinsenlast schon auf acht Milliarden Euro gestiegen.

Das ist wohlgemerkt nur die Zinsenlast, in dem Betrag ist noch keine Rückzahlung auch nur eines einzigen Kredites enthalten. Die Staatsverschuldung hat in Wahrheit so dramatische Folgen angenommen, dass diese eines Tages zum Zusammenbruch der Republik führen können. Zugleich hat sich die Begründung der Kreisky-Androsch-Jahre für die damals in Gang gesetzte (und seither nur eine kurze Periode lang kurzfristig gebremste) Schuldenspirale als haltlos erwiesen: Die Arbeitslosigkeit wurde durch die Schulden nicht reduziert, sondern ist völlig parallel gestiegen.

Die Gier der Politik

Österreich, also die Summe von Bund, Ländern und Gemeinden, hat kein Einnahmenproblem, sondern ein riesiges Ausgabenproblem. Das beweist die fast ständige Steigerung der Abgabenquote und die gleichzeitige Zunahme der Verschuldung. Daher ist es eigentlich absurd, über eine weitere Steigerung der Abgabenquote, über neue Steuern auch nur zu diskutieren.

Dennoch hat die Tendenz der Politik, den Menschen immer mehr wegzunehmen und das Geld dann als freigiebige Herrscher irgendwie umzuverteilen, ständig zugenommen. Der allergrößte Teil der Politiker hat, quer durch die Parteien, unter politischer Tätigkeit immer nur das Beschließen von immer mehr Ausgaben verstanden, auch wenn diese großteils nur noch durch Schulden zu finanzieren waren. Im privaten Leben landet man dafür vor dem Strafrichter, die Gesetzgeber haben sich aber selber von der Strafbarkeit für irgendeinen Gesetzesbeschluss befreit. Und sie waren sogar meist stolz auf diese Beschlüsse.

Lediglich in einer einzigen Periode hat es einen signifikanten Rückgang der Staatsschuldenquote gegeben. Das war die schwarz-blaue Ära Schüssel. Zwischen 2000 bis 2007 – das Jahr 2007 geht ja noch auf Schüssel zurück – sind diese Schulden immerhin von 68 auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückgegangen. Das sollte eigentlich zumindest Funktionäre der Volkspartei sehr positiv stimmen. Nur wird dieser historische Erfolg auch von VP-Politikern erstaunlicherweise sehr wenig kommuniziert. Aus welchen Gründen immer. Vielleicht weil die ÖVP damals den aus heutiger Sicht falschen Koalitionspartner hatte?

Wechseln wir kurz ins Ausland und zu den Staatsverschuldungen in Griechenland oder Italien. Griechenlands Staatsschuldenquote hatte - wenn man zumindest diesen Zahlen trauen darf, schon 180 Prozent erreicht. Durch das riesige Hilfspaket zu Lasten anderer Länder soll die Quote auf 125 Prozent hinunter kommen. Bei rund 120 Prozent steht aber schon Italien. Mit anderen Worten: Wenn die Griechen auf 125 Prozent herunterkommen – mit einer unglaublichen Kraftanstrengung, mit Schockwellen quer über den Kontinent – stehen sie erst dort, wo heute Italien steht. Das schafft alles andere als Zuversicht, dass schon irgendein Teil der europäischen Schuldenkrise gelöst wäre.

Da meinen nun manche, dass eine Schuldenquote von 73 Prozent in Österreich eigentlich recht beruhigend wäre. Jedoch: Dieser Wert ist ja noch lange nicht die ganze Wahrheit. In dieser Zahl sind erstens einmal die ausgegliederten Schulden – ÖBB, ASFINAG – noch nicht drinnen. Zweitens kennt man die Summe der Haftungen von Bund, Ländern und Gemeinden nicht einmal annähernd.

Man erinnere sich nur der Kärntner Haftungen für die Hypo-Alpen-Adria. Ein Land mit einem Budgetvolumen von 2 Milliarden Euro im Jahr ist allein für diese Bank Haftungen von insgesamt rund 20 Milliarden eingegangen. Dieser Umfang war aber jahrelang überhaupt nicht bekannt! Selbst bei der Verstaatlichung der Bank sprach der österreichische Finanzminister noch von bloß sechs Milliarden Haftungen. Diese reichten aber in seinen Augen schon aus, um eine Verstaatlichung der Bank zu rechtfertigen, weil Kärnten das alles nicht aushalten würde.

Wenn angesichts solcher Zustände nicht alle Glocken auf höchsten Feueralarm geschaltet werden, dann habe ich ein ziemliches Problem, eine solche Politik noch ernst zu nehmen.

Vergleichen wir uns jetzt noch einmal mit Griechenland. Diesmal nicht in Prozentsätzen, sondern mit absoluten Beträgen und der Bevölkerungsgröße, wodurch also das in Österreich deutlich höhere Bruttoinlandsprodukt nicht mehr Vergleichsbasis ist. Das deutsche Finanzministerium hat 2009 für ganz Europa einmal die Pro-Kopf-Verschuldung in Euro berechnet. Da kam für Österreichs offiziell gemeldete Staatsschulden, also noch ohne ÖBB, Asfinag und Haftungen, eine Schuldenlast von 22.000 Euro pro Kopf heraus; Griechenlands Schulden betrugen hingegen 24.000 Euro pro Kopf. Wer angesichts dieser Zahlen meint, Griechenlands Schulden seien ein Skandal, in Österreich sei aber alles wohlbestellt, der muss träumen.

Der Staatsschuldenrechner.at, der freilich noch immer nicht ganz klar legt, wie er berechnet, sah Österreich zwei Jahre später sogar schon bei 28.000 Euro. Und wenn man die Schuldensumme auf die Erwerbstätigen umrechnet – und das sind ja die einzigen, die Steuern erwirtschaften, – sind es gar schon deutlich über 50.000 Euro pro Kopf.

Das muss bei jenen, die sich ernsthaft mit Wirtschaftszahlen befassen, größte Besorgnis auslösen. Schon lange bevor es passiert ist, haben daher Experten gewarnt, dass Österreich das sogenannte Triple A verlieren wird. Was hat die Politik getan? Nichts. Sie hat sich über die Warner lustig gemacht. Sie hat die guten Jahre 2010 und 2011 nicht genutzt, und hat erst Anfang 2012 einige Sanierungsmaßnahmen beschlossen, die aber großteils erst 2013 wirken werden. Auch die meisten Medien haben das Thema lange ignoriert. Nun, wir sind eben das Land, wo Sigmund Freud den Begriff „Verdrängung“ entdeckt hat.

Der Verlust des Triple A war nur ein Zeichen des Verlustes an Kreditwürdigkeit. Daher müssen schon seit Jahren Bund, Länder, Firmen und auch Privatpersonen höhere Zinsen für jeden Kredit zahlen als etwa die Deutschen. Selbstverständlich sind auch die Gemeinden davon getroffen, wenn sie einen neuen Kredit wollen oder einen alten umschulden müssen.

Die versteckten Schulden

Das ist aber noch immer der harmlose Teil der Geschichte. Denn jetzt kommt der dritte Punkt, weshalb die österreichische Schuldenquote alles andere als beruhigend ist. Der ist nun ein wirklicher Schock. Er zeigt, wie sich die Staatsschuldenquote in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird. Die EU-Kommission hat sie nämlich für die nächsten 50 Jahre geschätzt. Sie kam dabei auf den unglaublichen Wert von 337 BIP-Prozent. Da sind sowohl Inflation wie Wachstum schon herausgerechnet. Diese 337 Prozent sind damit eine absolute Horrorzahl, die alles, was ich bisher gesagt habe, in den Schatten stellt.

Der Horror ist aber nicht nur von der EU errechnet worden. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, also die Zentralbank aller Zentralbanken, hat eine Prognose schon für das Jahr 2040 berechnet. Und bei dieser liegt Österreich schon 2040 bei 300 Prozent. Das ist also ein noch steilerer Anstieg, als das, was die EU-Kommission prophezeit hat.

Objektiverweise muss man zwar sagen, dass diese Berechnungen noch vor dem Spar- und Belastungspaket erstellt worden sind. Jetzige Berechnungen bewegen sich zwischen 200 und 300 Prozent. Dieses Paket hatte aber viel zu wenig Elemente, um Gravierendes zu ändern. Denn diese Berechnungen beziehen sich auf bisher noch gar nicht erwähnte weitere versteckte Schulden. Das sind vor allem die Kosten des Pensionssystems. Und gegen das, was da auf Österreich zukommt, ist selbst der Hypo-Alpen-Adria-GAU harmlos.

Bekanntlich muss jedes bilanzierende Unternehmen, das irgendwem eine Zahlung zugesagt hat, diese Verpflichtung in seiner Bilanz rückstellen. Es kann sie nicht mit dem Argument ignorieren, dass die Zahlungspflicht ohnedies erst in 5, 10 oder 20 Jahren eintreten wird. Die Republik Österreich jedoch beziehungsweise ihre Pensionsversicherung tut genau das. Sie handelt also auch weiterhin nicht so, wie es jeder ordentliche Kaufmann muss. Sie hat überhaupt nichts rückgestellt. Sie rechnet einfach wie ein Greißler am Gemüsemarkt. Sie schreibt das, was in einem Jahr hereinkommt, auf die eine Seite, und das was hinausgeht, auf die andere. Und das, was sie darüber hinaus verspricht, schreibt sie nirgends hin.

Die Pensionskatastrophe

Daher wird in allen Bilanzen und Berechnungen der Republik die dramatische Problematik des Pensionssystems total verschwiegen. Deren Hauptursache lautet kurz gesagt „Demographie“. Das ist aber ein Problemgemenge gleich auf sechs Ebenen.

Natürlich wird es dennoch niemals eine 300-prozentige Staatsverschuldung geben. Diese Beruhigung folgt aber nicht aus dem Glauben an eine plötzliche Weisheit der Politik. Jedoch wird lange vor Erreichung der 300-Prozent-Grenze die Wirkung der wirtschaftlichen Naturgesetze durchschlagen. Niemand mehr wird Österreich Geld borgen. Die internationalen Ökonomen sind sich ziemlich einig, dass spätestens ab 80 oder 90 Prozent Staatsverschuldung die Handlungsfähigkeit eines Staates mehr oder weniger verschwindet. Italien und Griechenland haben sie zwar erst bei einem höheren Prozentsatz verloren. Aber man kann sicher sein, dass seit dem Ausbruch der Krise alle Länder von den Geldgebern viel kritischer angeschaut werden, falls sie wieder neue Schulden aufnehmen oder alte Schulden umschulden müssen.

Da kann man dann zwar über die Finanzmärkte und die bösen Kapitalisten schimpfen. Da kann man zwar große und ideologische Kreuzzüge gegen den bösen Neoliberalismus und viele andere Pappkameraden führen. Das wird aber die Chinesen, die amerikanischen Pensionsfonds, die arabischen Staatsfonds und die sonstigen Institutionen, die Geld haben und uns dieses borgen könnten, überhaupt nicht beeindrucken. Jedoch ist Österreich überwiegend im Ausland verschuldet. Mehr als 70 Prozent aller Staatsschulden hat es im Ausland aufgenommen.

Das zeigt erstens eine fast totale Abhängigkeit vom Ausland, und zweitens, wie unsozial Verschuldungen sind. Denn alle Österreicher, vor allem der Mittelstand, zahlt Steuern. Die Zinsen aus den staatlichen Schulden zahlen nicht etwa die imaginären Kapitalisten auf irgendwelchen Schlössern, gegen welche die SPÖ, die Grünen, die Blauen und auch manche ÖVP-Politiker so gerne kampagnisieren, sondern das Ausland. Jene, die das Geld geborgt haben, das Staat und Bürger längst verkonsumiert haben. Sei es zur Bezahlung der Ölrechnung, sei es für die vielen Konsumprodukte aus Ostasien, sei es für schöne, aber teure Auslandsreisen.

All das heißt: Österreich und in ähnlicher Weise ganz Europa steuern mit Volldampf auf die Unfinanzierbarkeit zu. Es gibt im Grund nur zwei Möglichkeiten, wie das enden wird, wenn die Regierungen nicht zu kräftigem Sparen imstande oder bereit sind. Entweder in einem Crash, in dem der Staat am nächsten Monatsersten nicht einmal mehr seine Beamten und Pensionen zahlen kann. Die andere Möglichkeit scheint zwar oberflächlich etwas weniger explosiv, hat aber ähnliche Wirkungen: Das ist eine Megainflation, in der alle Ersparnisse der Durchschnittsösterreicher dahinschmelzen. Dabei wird es den Herrn Mateschitz oder die Familie Swarovski noch am wenigsten treffen. Denn die werden ihr Vermögen etwas professioneller als wir alle zu sichern verstanden haben.

Die unsoziale Schuldenpolitik

In einem kleinen inoffiziellen Kreis hat einst der frühere Finanzminister und spätere Notenbankpräsident Stephan Koren gesagt: „Schauen Sie, im Grunde hat jede Generation noch einmal ihre Ersparnisse verloren.“ Das klang damals in meinen Ohren sehr zynisch, aber heute kommt mir der Hinweis deutlich realistischer vor. Daher ist die lange vor allem von Arbeiterkammer und Gewerkschaften forcierte Schuldenpolitik das Allerunsozialste, was Politik ja anstellen kann.

Der Glaube, dass man mit immer weiteren Schulden das Wachstum ankurbeln kann, ist längst als Mythos entlarvt. Bei diesem Schuldenstand funktioniert das Ankurbeln nicht mehr. Das von den Notenbanken gedruckte Geld, das derzeit die Staaten von den USA bis zur Europäischen Union unter die Menschheit bringen, wird zwar wieder ausgegeben, aber es löst keine weiteren Multiplikatoren aus. Es vervielfältigt sich nicht mehr.

Die arbeiterkammernahen Ökonomen wie die Herren Schulmeister und Marterbauer, die ob ihrer linken Positionierung ständig im ORF zu Wort kommen, sagen ständig, man müsse durch Schulden ankurbeln. Diese Herren haben hingegen noch nie gesagt: „Jetzt wäre die Zeit zum Sparen“. Was aber auch ein (ehrlicher) Keynesianer in allen Jahren mit Wachstum sagen hätte müssen. Ihr Stammvater Keynes hat selbst noch davon gesprochen, dass maximal eine Steuer- und Abgabenquote von 25 Prozent denkbar sei.

Die Linken sagen hingegen in guten wie in schlechten Jahren: „Ankurbeln, Schulden machen, Löhne kräftig erhöhen und dann geht’s schon wieder gut.“ Würde diese Theorie stimmen, dann wäre Griechenland heute das wohlhabendste und erfolgreichste Land Europas. Griechenland hat nach Einführung des Euro seine Gehälter und Löhne um rund 30 Prozent steiler, schneller erhöht, als diese etwa in Deutschland gleichzeitig gestiegen sind. Aber das Schicksal der Griechen war dann halt trotz der Arbeiterkammer-Ökonomie nicht so toll.

Kern dieser Ökonomie ist ja die Hoffnung, dass Lohnerhöhungen den Konsum und dieser die Wirtschaft ankurbeln. Das ist aber eine reine Milchmädchenhoffnung. Erstens fließt ein guter Teil jeder Lohnerhöhung in Steuern und Abgaben. Zweitens wird bei Lohnerhöhungen regelmäßig primär die private Sparquote und nicht der Konsum erhöht. Und drittens landet vom Rest, der dann wirklich konsumiert wird, der Großteil im Ausland. Unsere Ankurbelung kurbelt die Wirtschaft in China und Umgebung an. Die Wirtschaft ist also durch die Lohnerhöhungen viel stärker belastet, als sie dann durch die Einnahmen daraus am Ende profitieren könnte.

Aus all diesen Gründen führt nichts um kräftiges Sparen herum. Wo das überall möglich ist, würde diesen Rahmen sprengen. Ich habe jedenfalls hier schon Hunderte Sparvorschläge präsentiert. Aber jetzt noch einige Überlegungen zu noch höheren Steuern.

Höhere Steuern bringen weniger Geld

Im Prinzip gilt: Wenn die Situation so verzweifelt ist, kann natürlich auch die Diskussion über Steuererhöhungen nicht vermieden werden. Bevor ein Staat gegen die Wand fährt, darf es in der Diskussion keine Tabus geben. Nur zeigt die nähere Analyse der Folgen von Steuererhöhungen in den allermeisten Fällen eine negative Wirkung, also einen Verlust für die Staatskassa.

Österreich hat schon jetzt eine der höchsten Steuer- und Abgabenquoten. Nur sehr naive Menschen können da noch viel Spielraum für Erhöhungen sehen.

Die pseudomoralischen Argumente, die ständig Vokabel wie Gerechtigkeit und Armut verwenden, sind in dieser Debatte absolut fiktiv. Österreich ist eindeutig ein Land mit sehr geringen sozialen Unterschieden. Die medial immer wieder präsentierten Armuts-zahlen sind nicht ernstzunehmen. Denn sie erklären jeden, der weniger als 60 Prozent vom Durchschnittseinkommen verdient, für arm oder armutsgefährdet. Diese Armuts-Argumentation ist absolut sinnlos.

Was sich leicht mit der Frage beweisen lässt: Was würde sich an der Zahl der Armen ändern, wenn ein reicher Onkel aus Amerika oder China das Einkommen jedes Österreichers verdoppelt? Also nicht inflationär, sondern real. Wie viel weniger Arme gibt es dann in Österreich weniger? Antwort: Keinen einzigen. Es bleiben nach dieser Armutsberechnung genauso viele Menschen arm. Jeder hat zwar doppelt so viel Geld wie vorher, aber trotzdem haben wir genauso viele Arme.

Dennoch laufen zahllose Vereine herum und klagen: „Die Armut ist furchtbar gestiegen“. Und jede Zeitung hat schon 50-mal die Schlagzeile gemacht: „Schon wieder mehr Arme“. Sie glauben halt, dass sich negative Schlagzeilen besser verkaufen; und viele der Jammer-Vereine glauben, nur dann Subventionen zu kriegen, wenn alles immer schlechter wird.

Es gibt sehr starke Indizien, dass eine weitere Erhöhung am Schluss weniger Geld in die Kasse des Finanzministers und damit natürlich auch von Ländern und Gemeinden einbringen würde.

  1. Es wird die Motivation zur Schwarzarbeit wachsen.
  2. Es wird der Anreiz wachsen, die Steuerpflicht in andere Länder zu verschieben. Ich kenne jetzt schon ganz persönlich Fälle, die durch zum Teil fiktive Verschiebung ihres Wohnsitzes nicht mehr in Österreich Steuer zahlen, obwohl sie Österreicher sind. Der eine zahlt in der Slowakei und der andere in einem lateinamerikanischen Land Steuern. Jedenfalls nicht mehr in Österreich. Wenn man nicht 181 Tage in Österreich ist, beziehungsweise wenn die Finanzämter die Behauptung nicht widerlegen können, dass man es nicht ist, zahlt man hier keine Steuern.
  3. Es wird die Motivation zu zusätzlichen Anstrengungen sinken. Ich habe es in meinen Chefredakteursjahren X-mal erlebt, dass gerade Gutverdiener, die interessante Autoren wären, die Einladung ablehnen, einen Artikel für die Zeitung zu schreiben: „Lasst mich in Ruhe mit den paar Euro, die ich da krieg. Ich tu mir das nicht an. Ich hätte dann die ganze Schererei mit einer Einkommenssteuererklärung und muss dann die Hälfte abgeben. Entweder ich schreibe es euch gratis, wenn es mich wirklich brennend interessiert, oder ich genieße lieber meine Freizeit.“ Wenn ein Zeitungsartikel weniger erscheint, ist das nicht weltbewegend. Aber ähnliche Demotivationsvorgänge finden ja in vielen Ebenen vom Tischler bis zu jedem anderen Gewerbebetrieb statt. Zu hohe Einkommensteuern reduzieren die Motivation dramatisch zu arbeiten. Und noch mehr reduzieren sie die Motivation legal zu arbeiten.

Jetzt werden manche sagen, das mit den 50 Prozent und künftig noch mehr stimmt ja gar nicht, denn es gibt ja die Begünstigung für den 13. und 14. Gehalt; daher sei die Steuerlast ohnedies um 7 Prozentpunkte weniger.  Nun, versuchen Sie das mal einem ausländischen Spitzenwissenschafter oder Unternehmer zu sagen: Der hört sich so komplizierte Konstruktionen gar nicht an, der fragt nur verwirrt: „Habt ihr in Österreich 14 Monate pro Jahr?“ Aber er ist nicht bereit, sich auf das System einzulassen, sondern schaut nur auf den Steuertarif und sagt: „Österreich? 50 Prozent? Nein danke!“

Noch schlimmer ist diese Wirkung bei einem Manager, der darüber zu entscheiden hat, ob er mit einer Zentraleuropa-Niederlassung nach Österreich geht oder nach Prag oder Pressburg. Der schaut natürlich sofort, was er selber an Steuer zu zahlen hat – und verzichtet dann meist (wobei er freilich andere Vorwände vorschützt) auf die Investition in Österreich. Was das Land viele Arbeitsplätze kostet.

Welche Steuern kann ein Staat noch erhöhen, ohne insgesamt weniger zu verdienen? Da kommen dann sofort Vorschläge, Tabak oder Benzin noch mehr zu besteuern. Darüber kann man aus gesundheitlichen oder ökologischen Gründen durchaus diskutieren. Weniger Rauchen, weniger Auto fahren sind lobenswerte Effekte.

Nur sollte man dabei nicht vergessen, dass wir nicht auf einer Insel leben: Jede Zigarettenverteuerung macht Schmuggel oder Einkäufe im Ausland noch attraktiver. Und die finden heute schon in großem Umfang statt.

Beim Benzin gibt es derzeit den umgekehrten Effekt. Österreich profitiert derzeit davon, dass es niedrigere Benzinpreise als die meisten Nachbarn hat. Dadurch erzielt das Land zusätzliche Steuereinnahmen. Wenn wir die Tanktouristen vertreiben, könnten wir dann maximal beim Kyoto-Ziel profitieren, obwohl kein Kilometer weniger gefahren wird. Die tanken halt dann wieder in Freilassing. Mit anderen Worten: Auch bei Benzin und Tabak ist eine Steuererhöhung mit relativ großer Wahrscheinlichkeit von Mindereinnahmen für Österreich begleitet.

Nur die Umsatzsteuer würde noch Geld bringen

Eine der wenigen Steuererhöhungen, die funktionieren und mehr Geld einbringen würde und auch positive Lenkungseffekte hätte, ist die Umsatzsteuer. Von dieser redet aber überhaupt kein Politiker, weil ihre Erhöhung als politischer Selbstmord gilt. Sie würde jedenfalls den Abfluss von Geld für die zu 60 Prozent im Ausland produzierten Konsumartikel reduzieren. Sie ist aber politisch derzeit tabu. Sie gilt auch als unsozial, weil ärmere Menschen prozentuell einen größeren Teil ihres Einkommens konsumieren. Reichere investieren hingegen mehr.

Dann gibt es noch die ewige Debatte um höhere Vermögenssteuern. Auf Vermögen, auf Erbschaften, auf Stiftungen. Bei Stiftungen hat man die Steuer schon erhöht. Ihre minimale Privilegierung ist schon bei der letzten Steuerreform beseitigt worden. Das hat dazu geführt, dass kaum noch Stiftungen gegründet werden und dass etliche große Stiftungen bereits Geld aus Österreich abgezogen haben. Darunter ist auch eines der größten Sponsorvermögen Österreichs, von dem sowohl Theater in der Josefstadt wie auch die Wiener Sängerknaben profitiert haben.

Dasselbe wird natürlich auch bei Einführung einer Vermögenssteuer passieren. Mobile Vermögen sind schneller über die Grenze, als der Nationalrat auch nur ein solches Gesetz beschlossen hat.

Und welches Vermögen will man überhaupt konkret treffen? Das bei der Bank angelegte Geld ist jedenfalls über die Kapitalertragssteuer schon endbesteuert. Würde das – verfassungswidrig – noch mehr besteuert, würde überhaupt niemand mehr übers Sparbuch sparen. Auch stimmen die Behauptungen, im Ausland werde Vermögen viel höher besteuert, nur zum Teil. In den Vermögenssteuern sind im Ausland nämlich sehr viele Aufschließungs- und Infrastrukturkosten integriert, die bei uns über diverse andere Abgaben von den Grundeigentümern konsumiert werden.

Man muss aber auch die ethische Frage stellen: Angenommen, zwei Menschen verdienen gleich viel. Der eine konsumiert alle Einkünfte sofort; der andere spart einen Gutteil, verschiebt Konsumwünsche auf später, spart für seine Familie. Der wird dann im Gegensatz zum ersten durch eine alljährliche Vermögenssteuer bestraft, welche also die Substanz des durch Verzicht Ersparten angreift. Ist das wirklich so ethisch, diesen Sparefroh zu besteuern, wie da immer behauptet wird?

Wir sollten uns auch daran erinnern, wie wir die Vermögenssteuer in den 90er Jahren abgeschafft haben. Damals sind viele Vermögen – laut oder leise – nach Österreich gekommen. Viel davon wird bei einer Steuererhöhung wieder abfließen. Vor allem wird das Land auf Dauer einen schweren Vertrauensverlust bei allen internationalen Investoren erleiden. Das wäre katastrophal. Die Ablehnung von Vermögenssteuern hat überhaupt nichts mit persönlichen Sympathien für die Reichen zu tun, sondern nur mit ganz rationalen Überlegungen: Was nützt Österreich und was schadet den Finanzen eines schwer überschuldeten Landes?

Und worin bestehen eigentlich die Vermögen, die zu besteuern sind? Rund 80 Prozent waren damals in den 90er Jahren vor der Abschaffung der Steuer unternehmerische Vermögen. Wollen wir die wirklich wieder besteuern und damit Arbeitsplätze und Investitionen bedrohen?

Dann haben wir nur noch einen relativen kleinen Prozentsatz Privatvermögen. Wenn man das schon besteuerte Geld beiseite lässt, sind das primär Schmuck, Kunstwerke, Goldbarren, Elektrogeräte, Autos und Pelze. Wollen wir wirklich Steuerfahnder in unsere Wohnungen lassen, die dort alljährlich auf die Suche nach solchen Schätzen gehen? Ganz abgesehen davon, dass das beispielsweise den Absatz der österreichischen Künstler einbrechen lassen würde.

Die Einheitswerte sind ein echtes Privileg

Bleiben noch die Grundsteuern. Die kann man am leichtesten erhöhen. Auch der Verfassungsgerichtshof sagt immer wieder, die artifiziell niedrigen Einheitswerte seien ein arges Privileg gegenüber jeder anderen Form, sein Geld anzulegen. Freilich sind Grundsteuererhöhungen extrem unpopulär. Jeder weiß, wie sehr die Landwirtschaft dagegen kämpfen wird. Aber es sind ja nicht nur die Bauern, eine Grundsteuer würde auch Industrie und Gewerbe treffen. Und ebenso jeden Häuslbauer. Auch die SPÖ wird absolut null Interesse haben, die Grundsteuern zu erhöhen. Denn diese träfen ja über die Mieten auch alle Mieter, einschließlich jener in den Wiener Gemeindebauten, wo gerade das große Match zwischen Rot und Blau und Stronach um die Mehrheit in Stadt und Bund ingange ist. Eine steilere Steilvorlage könnte man der Opposition gar nicht machen, als die Grundsteuern auf Mietshäuser zu erhöhen.

Aus all diesen Gründen ist die Konklusion klar: Über Steuererhöhungen ist die Schuldenkrise kaum mehr bekämpfbar. Man wird nicht um ganz, ganz brutale Sparmaßnahmen herumkommen, die all das übersteigen, was wir bis jetzt erlebt haben. Denn das drohende Szenario einer Staatsinsolvenz oder einer Megainflation bedeutet dann nicht bloß irgendwelche Zahlen auf einem Stück Papier. Das hat dann katastrophale soziale Wirkungen. Unruhen und Bürgerkrieg sind in der Geschichte fast regelmäßig auf solche Staatsinsolvenzen gefolgt. So hängt etwa auch der Aufstieg der Nationalsozialisten kausal mit der großen Inflation der 20er Jahre zusammen, in der der gesamte Mittelstand all seine Ersparnisse verloren hat. Damals waren die davorliegenden Kriegskosten die Ursache, heute sind es die unbedeckten Rechnungen für die Wohlfahrt der letzten Jahrzehnte.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Die Ideen der Österreichischen Schule als Grundlage einer Gesellschaft freier Bürger

03. September 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Dem Ruf der veröffentlichten Meinung nach immer mehr hoheitlicher Regulierung aller Lebensbereiche kommt die Politik nur allzu gerne nach. Von der Benzinpreisbildung bis zur Ladenöffnung, von einer „gerechten“ Entlohnung bis zu „angemessenen“ Mieten – so gut wie nichts soll und darf der freien, privatrechtlichen Vereinbarung mündiger Bürger überlassen bleiben.

Wilhelm Röpke (1899 – 1966): „Eines von beiden wird früher oder später weichen müssen: das freie Gesellschafts- und Wirtschaftssystem oder der heutige Wohlfahrtsstaat.“

Ludwig von Mises (1881 – 1973): „Man kann Liberalismus nicht ohne Nationalökonomie verstehen. Denn der Liberalismus ist angewandte Nationalökonomie, ist Staats- und Gesellschaftspolitik auf wissenschaftlicher Grundlage.“

Was gilt schon der Prophet im eigenen Land – noch dazu in einem, in dem „verantwortliches“ Denken allein Politikern, Beamten und staatsabhängigen Intellektuellen überlassen bleibt und wo kritisches Denken zunehmend als Verrat am „Gemeinwohl“ gilt?

Von den Protagonisten der Österreichischen Schule ist hierzulande heute gerade einmal Friedrich August Hayek, dank des 1974 an ihn verliehenen Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften, bekannt. Allenfalls noch Eugen von Böhm-Bawerk ist manchen ein Begriff. Wenigstens als Portrait, das die letzte gültige 100-Schilling-Banknote zierte. Carl Menger, Friedrich von Wieser oder Ludwig Mises dagegen sind der breiten Öffentlichkeit in Österreich heutzutage weitgehend unbekannt. Mit Murray Rothbard oder den Namen der rezenten Vertreter der Österreichischen Schule weiß allenfalls eine kleine Gemeinde ideengeschichtlich interessierter Zeitgenossen etwas anzufangen. In den USA oder in Großbritannien – Ländern mit Jahrhunderte alter liberaler Tradition – liegen die Dinge anders…

Am Beginn der Österreichischen Schule stand die akademische Auseinandersetzung mit der deutschen „Historischen Schule“, zu deren wichtigsten Protagonisten Werner Sombart, Luigi Brentano und der Kathedersozialist Gustav von Schmoller zählten. Der von Carl Menger 1883 angestoßene „Methodenstreit“ stand im Mittelpunkt dieser Kontroverse. Die historische Schule sah keine Möglichkeit, eine konsistente, von Zeit und Ort unabhängige Wirtschaftstheorie zu entwickeln. Sie konzentrierte sich stattdessen auf die Betrachtung eng umgrenzter Untersuchungsbereiche und versuchte, empirisch gewonnene Erkenntnisse induktiv auf andere Zusammenhänge – von Deutschland auf das größere Ganze – zu übertragen.

Der „Vater“ der Österreichischen Schule, Carl Menger (1840 – 1921), ersann eine logisch deduktive Methode, die den Wert konsistenter Theorien betont und die eine bloße Sammlung empirischer Daten, die niemals allgemein gültigen Erklärungswert besitzen können, vergleichsweise gering schätzt. 1871 erschien Mengers Werk „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“, mit welchem er der bis dahin herrschenden klassischen Werttheorie eine „Grenznutzenbewertung“ entgegensetzte. Es ist ein historisch reizvolles Detail, dass Carl Menger Lehrer und Freund des 1889 durch Suizid zu Tode gekommenen österreichischen Thronfolgers, Kronprinz Rudolf, war. Hätte der die Chance gehabt, seine durch Menger beeinflussten Ideen umzusetzen – wer weiß, welchen Weg die k.u.k. Monarchie – ja ganz Europa – in der Folge eingeschlagen hätte und was unseren Vorfahren erspart geblieben wäre…?

Eugen von Böhm-Bawerk (1851-1914), der zweite große Geist der „Austrians“ war nicht nur als Gelehrter, sondern auch in der Politik tätig. Von 1895 bis 1904 wurde er drei Mal, nach einer Beamtenkarriere im Finanzressort, als Finanzminister ins Kabinett berufen. Im Anschluss daran lehrte er bis zu seinem Tode Finanzwissenschaften an der Universität Wien. In seiner Amtszeit als Finanzminister sah er sich einer ausgeglichenen Gebarung der Staatsfinanzen, die er u. a. durch die Einführung einer direkten Einkommenssteuer (mit einem Spitzensatz von fünf Prozent!) erreichte, sowie einer strikten Golddeckung der Währung verpflichtet. Nach seinem wissenschaftlichen Hauptwerk „Kapital und Kapitalzins“ veröffentlichte er unter dem Titel „Macht oder ökonomisches Gesetz?“ eine kleinere Publikation, in welcher er den Nachweis führte, dass auch ein Staat sich der Gültigkeit wirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten nicht entziehen kann.

Ludwig von Mises (1881 – 1973), ein Schüler Böhm-Bawerks, war der wohl produktivste Geist aus dem Kreise der Protagonisten der Österreichischen Schule. Angesichts seiner staatskritischen Haltung nimmt es nicht Wunder, dass er zeitlebens niemals eine seinem brillanten Geist angemessene Position auf universitärem Boden erlangte. Das Motto „Wes´ Brot ich ess´ des Lied ich sing“ war seine Sache nicht. 1922 veröffentlichte er – ein Jahr nach der Ausrufung der „Neuen ökonomischen Politik“ durch Lenin (die eine Rücknahme zahlreicher Kollektivierungsmaßnahmen unter dem Eindruck katastrophaler Versorgungsmängel brachte) – ein umfangreiches Werk mit dem Titel „Die Gemeinwirtschaft“ (in der englischen Version: „Socialism“).

Darin führt er den stringenten Nachweis für die – angesichts des Fehlens von Marktpreisen – Unmöglichkeit einer Wirtschaftsrechung in der sozialistischen Planwirtschaft. Eine zentral gelenkte Kommandowirtschaft ist zur willkürlichen Preisfestsetzung, zur systematischen Fehlallokation der Ressourcen und damit zu Verschwendung, Ineffizienz und Wohlstandsvernichtung verurteilt. Es ist bemerkenswert, dass bis zum heutigen Tage keine nennenswerte akademische Erwiderung dieses Frontalangriffs auf die Planwirtschaft vorliegt. Mises selbst durfte die empirische Bestätigung seiner Thesen – den Zusammenbruch des Realsozialismus – nicht mehr erleben.

Mit seinem 1929 – noch vor dem „Schwarzen Freitag“ – erschienenen Text „Kritik des Interventionismus“ zeigte dieser Mann geradezu seherische Gaben. Er beschrieb darin jene durch staatliche Geldmengenausweitung und Wirtschaftsgängelung ausgelöste Dynamik, die schließlich in Börsencrash und jahrelanger Depression ihre notwendigen Konsequenzen fand. Dass es den Staatsinterventionisten anschließend auf ganzer Linie geglückt ist, dieses ausschließlich ihrer Politik geschuldete Desaster zu einer „zyklischen Krise des Kapitalismus“ umzudeuten und daraus die Notwendigkeit noch drastischerer Eingriffe in den Markt abzuleiten, ist ein schlechterdings nicht zu überbietender Treppenwitz der Geschichte. Mises´ Hauptwerk ist das 1940 erschienene Werk „Nationalökonomie“ (in der erweiterten englischsprachigen Fassung: „Human Action“). Darin legt er eine umfassende Theorie menschlichen Handelns vor, die weit über den Bereich der Ökonomie hinaus greift.

Der wirkungsmächtigste Nationalökonom des 20. Jahrhunderts, John Maynard Keynes, hat die Auseinandersetzung mit den „Austrians“ indes klar für sich entschieden. Seit den Dreißiger Jahren dominieren seine als „Keynesianismus“ kanonisierten Ideen bis heute die Wirtschaftspolitik. Er hat es verstanden, mit seinem Plädoyer für umfassende staatliche Interventionen in die Wirtschaft die politische Klasse und große Teile der tendenziell marktkritisch und antikapitalistisch eingestellten Intellektuellen auf seine Seite zu ziehen. Zwischen den beiden Weltkriegen setzten nationale Regierungen diesseits und jenseits des Atlantiks konsequent keynesianische Ideen ins Werk.

Die „ordentliche Beschäftigungspolitik des dritten Reiches“ unterschied sich nur marginal vom „New Deal“ der Roosevelt-Administration. Beide setzten auf Staatsverschuldung zugunsten von Arbeitsbeschaffungsprogrammen, massive „soziale Umverteilung“ und vermeintliche Kaufkraftsicherung für die Massen. Marxistische und nationalsozialistische Wirtschaftslenkung sind mit freiem Auge kaum voneinander zu unterscheiden – eine Tatsache, auf die Ludwig Mises schon in den Vierzigerjahren mit Nachdruck hinwies (acht von zehn Programmpunkten des „Kommunistischen Manifests“ wurden von den Nationalsozialisten umgesetzt. Lediglich die Abschaffung des Grundbesitzes und des Erbrechts fehlten noch). Liberale „österreichische“ Konzepte hatten – insbesondere unter den Bedingungen eines in den 40er-Jahren weltweit grassierenden Kriegssozialismus – keine Chance.

Die modernen Vertreter der Österreichischen Schule

Erst nach dem 2. Weltkrieg wurden die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der „Austrians“ – wenn auch nur zum Teil und für jeweils kurze Zeit – z. B. unter der Federführung des Wirtschaftsministers Ludwig Erhard in Deutschland, unter Margaret Thatcher im Vereinigten Königreich, unter Ronald Reagan in den USA und vom Regime Augusto Pinochets in Chile umgesetzt.

Friedrich August von Hayek, (1889 – 1992) ein Schüler L. Mises´, ist der bis heute prominenteste Protagonist der Österreichischen Schule. Seinen Weltruhm begründete er mit dem 1944 erschienen Werk „The Road to Serfdom“ (Der Weg zur Knechtschaft), in welchem er, unter dem Eindruck des Kriegssozialismus, eine eindringliche Warnung vor dem Abgleiten in den Totalitarismus formuliert. Die Veröffentlichung des Textes durch „Readers Digest“ im Jahr 1945 verhalf dem Buch – und dessen Autor – zu weltweiter Popularität. Von größter Bedeutung für sein Werk ist die These von der „Anmaßung von Wissen“, an dem jede zentral planende Macht scheitern muss. 1974 erhält er für „… seine bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie …“ den Nobelpreis für Wirtschaftwissenschaften. Das offizielle Österreich – das Kreisky/Androsch-Regime ist damals auf keynesianischem Kurs – schweigt zu diesem Erfolg eines Landsmannes; es gibt keinerlei Ehrung Hayeks. Seine Thesen finden (in Teilen) ihre reale Umsetzung in der „neoliberalen” Politik Margaret Thatchers im Vereinigten Königreich (insbesondere in deren Kampf gegen die Hegemonie der Gewerkschaften) und den „Reaganomics“ in den USA.

Der in New York geborene Murray Newton Rothbard (1926 -1995) ist der erste nicht aus Europa stammende „Austrian“. Wie sein Mentor Mises versteht er sich eher als politischer Philosoph, denn als Wirtschaftswissenschaftler. Während Hayek und Mises erklärte Vertreter des „Minimalstaatskonzeptes“ waren, lehnt Rothbard jede staatliche Autorität dem Grunde nach ab und wird zum Vordenker einer staatsfreien Ordnung, des „Anarchokapitalismus“. Er steht dabei auf jenem gedanklichen Fundament, das von der spanischen Scholastik und von John Locke (1632 – 1704) gelegt wird, dessen Philosophie strikt dem Konzept des Naturrechts folgt. Rothbards Gedanken basieren auf der Vorstellung von angeborenen, unveräußerlichen Rechten, über die jedes Individuum verfügt und der Locke´schen Idee des „Eigentums an sich selbst“. Wesentliches Kennzeichen seiner Philosophie ist das „Nichtaggressionsprizip“, welches besagt, dass kein Mensch das Recht hat, auf andere Zwang und Gewalt auszuüben oder das Recht, in seinem Namen Zwang und Gewalt auszuüben, an andere zu delegieren. Damit steht er in fundamentalem Widerspruch zu jedem politischen System, dessen Wesen in der Ausübung von Zwang und Gewalt liegt.

Hans-Hermann-Hoppe (geb. 1949) ist einer der bekanntesten lebenden Vertreter der Österreichischen Schule. In Deutschland geboren, unterrichtete er ab 1986 an der Universität von Las Vegas/Nevada Volkswirtschaftslehre. Mit seinem Werk „Demokratie, der Gott der keiner ist“ legt er 2003 eine vernichtende Demokratiekritik vor. Wie sein Lehrer Rothbard plädiert auch er für eine staatsfreie Privatrechtsgesellschaft, deren Konzept er u. A. im genannten Buch skizziert. Der an der Universität Madrid lehrende Jesús Huerta de Soto (geb. 1956), der an der Universität Angers/Frankreich wirkende Jörg Guido Hülsmann (geb. 1966) und Philipp Bagus („Die Tragödie des Euro“) bilden heute die jüngste Generation von Wirtschaftswissenschaftlern, die in der Tradition der Österreichischen Schule stehen. Sie alle haben hochinteressante Abhandlungen zur Geldtheorie vorgelegt, denen – im Lichte der aktuellen Entwicklungen – größte Bedeutung zukommt.

Hoppe meint, wohl zu Recht, dass die Fehler der Massendemokratie nicht auf dem Boden dieses Systems behoben werden können und fordert eine „Nachfolgelösung“. Er meint damit eine (im „Endausbau“) staatsfreie Privatrechtsgesellschaft, in welcher miteinander konkurrierende Agenturen jene Aufgaben wahrnehmen, die der Staat im Laufe der Zeit übernommen hat (z. B. Bildung, Unfall- Kranken und Pensionsversicherung, Straßenbau, Energieversorgung, Rechtsprechung und Sicherheitsproduktion).

Zu glauben, die Schuld der in der „freien westlichen Welt“ (was für ein zynischer Witz!) in den letzten Jahren unübersehbaren Fehlentwicklungen allein einer durch und durch verkommenen Politikerkaste zuschreiben zu können, wäre verfehlt. Die Korruption beginnt vielmehr beim Wahlberechtigten, der, von den vermeintlichen Segnungen des Demokratismus und der vom Wohlfahrtsstaat scheinbar garantierten Sicherheit gegen sämtliche Fährnisse des Lebens geblendet, seiner eigenen Entmündigung, Ausplünderung und Unterdrückung bedenkenlos Vorschub leistet.

Darüber nachzudenken, wie das kurz vor dem Einsturz stehende Gebäude des Wohlfahrtsstaates vor dem Kollaps bewahrt werden könnte, ist verlorene Liebesmüh. Ein bis in die Grundmauern defektes Bauwerk ist durch das bloße Aufbringen einer neuen Fassade einfach nicht zu sanieren. Ein Abriss bis auf die Grundmauern wird sich nicht vermeiden lassen – falls beabsichtigt ist, seine Bewohner davor zu bewahren, bei dessen Zusammenbruch verschüttet zu werden. Andernfalls kann weitergewurstelt werden wie in den letzen Jahren…

Die wohl einzig brauchbare Alternative zum allsorgenden Wohlfahrtsstaat besteht nicht im „Nachtwächterstaat“ (© Ferdinand Lasalle), sondern in einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Fußnote 484: Kapsch, die Intelligenzbestie

27. August 2013 14:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Da bleibt einem der Mund offen: 500 Millionen höhere Steuereinnahmen schlägt – ausgerechnet die Industriellenvereinigung vor.

Sie hat irgendeine neue Struktur für die Grundsteuer ausgearbeitet, die diese höheren Einnahmen bringen soll. Genaueres hat uns der seltsame Industriepräsident Kapsch noch nicht verraten, außer dass es nicht die Bauern sein sollen, die das zu berappen haben. Und dass es auch nicht die Industrie sein dürfte, kann man wohl annehmen. Bleiben einzig und allein die Ein- und Mehrfamilienhäuser, also Mieter und Wohnungseigentümer. Vielen Dank, Herr Präsident. Dabei war die IV einst ein stolzer wie tapferer Verein, der vehement für Steuersenkungen und insbesondere eine Senkung der gesamten Abgabenquote gekämpft hat. Ausschließlich Ausgabenkürzungen waren das Ziel der Vor-Kapsch-IV (für die es jede Menge an Möglichkeiten gibt). Zwar sprach Herr Kapsch auch von einer Kürzung der Einkommensteuern. Nur sollte es einem Menschen mit wenigstens zehn Deka politischer Intelligenz klar sein, dass die SPÖ nur den Steuererhöhungsteil hören und sich künftig ständig auf Kapschs Steuererhöhungspläne berufen wird. Hat sie doch schon jeden einzelnen Euro aus zusätzlichen Steuern mindestens zehn Mal an die verschiedensten Lobbies versprochen. Und verspricht es im Wahlkampf täglich noch mehr Empfängern. Wieder ein neuer Beweis, dass Kapsch aus dem linken LIF und nicht einer liberalen oder marktwirtschaftlichen Denkschule kommt.

Drucken

Fußnote 482: Intellektuelle Selbstverteidigung

23. August 2013 17:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Gerade rechtzeitig vor dem Höhepunkt des politischen und medialen Verdummungswahlkampfes hat die neugegründete Plattform „Agenda Austria“ ein „Handbuch zur intellektuellen Selbstverteidigung“ herausgebracht.

Darin werden viele der Mythen zertrümmert – so wie es oft schon auch dieses Tagebuch unternommen hat. Dabei geht es etwa um die populären Behauptungen: „Die Globalisierung bedroht unsere Gesellschaft und Arbeitsplätze“, „Wirtschaftswachstum zerstört unseren Planeten und hilft nur den Reichen“, „Die Banken müssen endlich streng reguliert werden, damit sie der Wirtschaft nicht mehr schaden“, „Föderalismus ist ineffizient und teuer“, „Die Wirtschaft schwächelt – deshalb braucht es höhere Löhne“, „Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich. Mehr Umverteilung behebt diese Ungerechtigkeit“ oder: „Der Staat wird kaputtgespart und der Sozialstaat der Wirtschaft geopfert“. Zu jedem einzelnen Satz wird sehr plausibel dargelegt, warum er – auch wenn in hunderten Leitartikeln verwendet – falsch oder schädlich ist.

PS: Tagebuch-Leser, die diese auf 126 Seiten zusammengestellten Argumente genauer kennenlernen wollen, können sich die Broschüre gratis zusenden lassen: durch ein Mail (mit der eigenen Adresse) an office@agenda-austria.at. Da der Ansturm inzwischen alle Grenzen übersteigt und es zu längeren Wartezeiten kommt, empfehle ich den Download direkt von der Webseite: www.agenda-austria.at.

Drucken

Fußnote 481: Feueralarm - die Berater kommen!

23. August 2013 01:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Selten noch ist so klar geworden, wie sehr oft Gelder für Berater&Co hinausgeschmissen werden. Für lauter klingende Namen, die jedenfalls eines gut können: Sich selbst gut verkaufen!

Tatsache ist, dass die die deutsche Baumarktkette "Praktiker" in die Pleite geschlittert ist. Und Tatsache ist ebenso, dass eine schockierte Großaktionärin in den Bilanzen der letzten beiden Jahre den horrenden Betrag von 70 Millionen Euro an Ausgaben für Unternehmensberater, Rechtsanwälte und Finanzdienstleistungen gefunden hat. Wozu im ersten Halbjahr 2013 noch ein zweistelliger Millionenbetrag hinzugekommen ist. Und im Detail finden sich dort vor allem klingende Namen wie die Wirtschaftskanzlei Freshfields sowie die Unternehmensberatungen Roland Berger, Boston Consulting Group und McKinsey. Tatsache ist ebenso, dass all diese großen Namen das Unternehmen nicht vor dem Konkurs gerettet haben. Nicht konkret beweisbar ist freilich, dass "Praktiker" noch am Leben wäre, wenn man sich diese horrenden Ausgaben erspart hätte. Aber denken darf man sich ja noch seinen Teil.

Drucken

Fußnote 478: Ein Gesichtsbuch verliert das Gesicht

20. August 2013 02:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Für alle, die noch immer glauben, irgendetwas könne in Facebook – oder sonst – unter uns, unter Freunden bleiben, ist es ein Damaskus-Erlebnis. Für alle anderen ist es aber ziemlich heiter.

Ein Hacker hat die private Facebook-Seite von Mark Zuckerberg geknackt und so, wie wenn er der Facebook-Gründer und -Haupteigentümer selbst wäre, etwas auf dessen Pinnwand geschrieben. Peinlicher geht’s nimmer. Bei Zuckerberg werden die klugen EDV-Leute ja nicht einmal die sonst beliebte Ausrede anwenden können, dass der Besitzer dieser Homepage irgendwelche Sicherheitsregeln verletzt hätte. Dementsprechend humorlos hat man in der Gesichtsbücherei reagiert. Wir anderen können uns aber über diese Entblößung Zuckerbergs, des Internets und all der anderen sozialen Medien nur amüsieren. Sie sind nichts anderes als der Exhibitionismus des 21. Jahrhunderts. Wenn auch meist ein unfreiwilliger.

Drucken

Was für uns zählt, hat keinen Preis!

20. August 2013 00:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

„Satanische Verse“ wider die „reine“ Ökonomie des Mainstreams, vorgetragen von Tomáš Sedlacek. Es gehört zu der bitteren Wahrheit des schleichenden Kulturverfalls, dass auch in der Wirtschaftswissenschaft Vorlesungen über die Entwicklungsgeschichte der Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre kaum noch gehalten werden. An die Stelle der Dogmengeschichte ist die „reine“ Ökonomie getreten mit ihrem „ökonomischen Kalkül“ von Nutzen und Aufwand, Kosten und Ertrag, „pleasure and pain“ (W. St. Jevons). Mathematik, Ökonometrie, Modelltischlerei haben sich derart verselbständigt, dass der Verlust ihres Bezugs zur Realität nun schon von den Klagemauern der Massenmedien widerhallt.

Als Musterbeispiel dürfen hier die Voraussagen der hochkarätigen Experten der „Troika“ (IWF, EZB, EU) über die Entwicklung von Griechenlands Wirtschaft angeführt werden, die, kaum veröffentlicht, gleich wieder revidiert werden mussten. Die Versuche, die Entwicklung des Bruttosozialprodukts auf zehntel Prozentpunkte genau vorauszusagen, ruft heute nur noch Kopfschütteln hervor.

Ist Ökonomie Wissenschaft? Nicht im naturwissenschaftlichen Sinn!

Angesichts dieser Leerstelle, den der universitäre Lehrbetrieb offen lässt, darf es uns nicht wundern, dass sich das Buch eines jungen Ökonomen (Jg. 1972) zum Bestseller mausern konnte, welches die herkömmlich gelehrte und praktizierte „reine“ Theorie in Frage stellt oder, wenn wir noch deutlicher werden dürfen, als Humbug entlarvt. Wenn nämlich nach Auguste Comte „der Zweck aller Wissenschaften die Voraussage ist“, dann ist die Ökonomie keine Wissenschaft. „Die letzte Wirtschaftskrise hat erneut gezeigt, dass die Ökonomen die Zukunft einfach nicht vorhersagen können“. (S. 379).

Der Autor, der sich nach dem Urteil vieler seiner Kollegen zu solchen Aussagen „erfrecht“, der Tscheche Tomáš Sedlácek, ist kein meckernder „misfit“ (Ungustl), sondern Chefökonom der größten tschechischen Bank. Er ist Mitglied des Nationalen Wirtschaftsrates. Er hält Vorlesungen an der Prager Karls-Universität und wird laufend zu Gastvorlesungen an namhaften Universitäten in den USA, der Schweiz und sogar Österreich eingeladen. In Yale, Oxford, Cambridge oder London gilt er gar als Kanone („big gun“) und Popstar unter den Ökonomen. Während der Amtszeit von Vaclav Havel war er Berater des Präsidenten, und ihm hat er auch das Vorwort zu seinem Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“ zu verdanken.

In der deutschen Edition ist der Untertitel weggeblieben, der in der tschechischen Originalausgabe und auch in der englischen Übersetzung angeführt ist: „Die Frage nach dem Sinn und nach der Bedeutung des Wirtschaftens vom Gilgameschepos bis zur Finanzkrise“. Mit Fug und Recht darf Tomáš Sedlácek behaupten, er habe mit diesem Buch eine „Kulturgeschichte der Ökonomie“ für gebrannte Kinder geschrieben, die mit der Krise von heute nicht fertig werden. Und dass er das auch noch auf kreative, einfallsreiche und humorvolle Weise getan hat, macht sein Buch zu einer ernsten, bedenkenswerten und zugleich amüsanten Lektüre.

Die falsche Auffassung der Ökonomie als Grund für die Krise

„Einer guten Theorie hält die Wirklichkeit nicht stand“, hat uns Hegel gelehrt. Leider gilt sein Satz auch für schlechte Theorien. In ihnen erkennt Tomáš Sedlácek den eigentlichen Grund für unsere Misere. Unsere Wirtschaftsauffassung ist einfach falsch. Wir betrachten Wirtschaft nicht mehr als Teil unserer Kultur und Zivilisation, sondern glauben, wir könnten sie sich selbst überlassen, irgendeine mystische, geheimnisvolle „unsichtbare Hand“ sorge dafür, dass die Bäume des Eigennutzes in den Himmel des Gemeinwohls wachsen. Wir glauben, die Wirtschaft funktioniere wie ein Mechanismus, nach Regeln der Physik.

Wie bei der Konstruktion eines Automotors ethische Vorschriften nichts zu suchen haben, so verhielte es sich auch mit dem „Wirtschaftsmotor“, der, wenn richtig konstruiert, nach den Mechanismen des Marktes abläuft. Ethische Normen oder „Werte“, so die Auffassung der meisten Ökonomen von Adam Smith bis zu den „Austrians“ (Mises, Hayek etc.), könnten den reibungslosen Ablauf nur stören. Doch, so die These von Sedlacek, in jeder wirtschaftlichen Entscheidung, ob sie nun ein Manager trifft oder der Käufer einer Banane, ist Moral mit im Spiel. „In every purchase, every managerial decision there is moral impact on others”, schärfte er den „Leaders of Tomorrow” in St. Gallen (Schweiz) ein.

Was ist eigentlich ist „wertvoll“ oder „gut“?

Wie konnte es dazu kommen, fragt sich Tomáš Sedlácek, dass eine Wissenschaft, in der „Werte“ eine so große Rolle spielen, „Werte außen vor lässt“, wie man heute neudeutsch sagt? Es ist für ihn geradezu „paradox, dass ein Gebiet (Anm.: gemeint ist die Ökonomie als Wissenschaft), das sich vorwiegend mit Werten beschäftigt, wertfrei sein will“. Er kann Milton Friedman nicht verstehen, für den die Ökonomie eine „positive Wissenschaft“ zu sein hat, „wertneutral“, „die Welt so beschreiben(d) wie sie ist, nicht wie sie sein sollte“ (S. 18). „Im wirklichen Leben“, wendet Tomáš Sedlácek ein, „ist die Ökonomie keine positive Wissenschaft“, die meisten Wissenschafter versuchen sie nur dazu zu machen, um „lästigen Grundfragen – das heißt der Metaphysik – aus dem Wege zu gehen“ (S. 19).

Ein schwerer, doch treffender Vorwurf! Indem wir die Grundfragen nicht mehr stellen, wissen wir auch nicht, ob das, was wir tun, verlangen, veranlassen, eigentlich „gut“ oder „böse“ ist. Ist hohes Wachstum des BIP gut oder sollten wir uns bescheiden mit dem, was wir bereits haben und die ständige Unzufriedenheit aufgeben (vgl. . 400)? Sollen wir Konkurrenz anheizen oder runinöse und halsabschneiderische Konkurrenz dämpfen? Müssen wir über Monopole und hohe Preise, wie Friedrich August von Hayek es vertritt, sub specie aeternitatis froh sein, weil sie den verschwenderischen Umgang mit nichterneuerbaren Rohstoffen hintanhalten oder sollen wir die Rohstoffkonzerne zwingen, sie billig auf den Markt zu bringen, um unsere gegenwärtigen Lebenshaltungskosten zu Lasten der Versorgung künftiger Generationen zu senken? Dürfen wir (ethisch gesehen) alles machen, was wir (technisch) machen können, z.B. die Gene von Pflanzen manipulieren, Tiere oder gar Menschen klonen? Was ist eigentlich überhaupt der Zweck der Ökonomie? Wofür nehmen wir die ganzen Anstrengungen auf uns? Doch wohl nur, um ein gutes Leben zu führen. Doch was ist das, das „gute Leben“?

Die Ökonomie und das gute Leben

Die Antwort geben uns nicht Graphiken, Tabellen, ökonomische Kalküle von Nutzen und Aufwand oder mathematische Modelle, mit denen unsere Lehrbücher voll gestopft sind. Wir finden die Antworten viel eher in unseren Annahmen, Vor-Urteilen, Überzeugungen, Ideologien, Welt-Anschauungen, philosophischen Erkenntnissen und zuletzt sogar in unseren religiösen Überzeugungen. Wirtschaft ist nämlich, so die triviale, doch wahre Aussage von Tomáš Sedlácek, eine kulturelle Erscheinung, ein Produkt unserer Zivilisation.

Dem sollten Ökonomen Rechnung tragen, sie sollten die Grenzen ihres Fachs überschreiten, fordert er. Die Ökonomie kann nämlich nicht verstanden werden ohne „Einbettung“ in die Gesellschaft, also in ihre Gestaltung durch Religion, Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Ethik, Moral, Recht, Politik, Machtverhältnisse, staatliche Strukturen, bildungsmäßige Voraussetzungen der Bevölkerung, Arbeitsauffassung, demographische Entwicklung, Stand der Technik, Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen.

Der Mensch, ein unnatürliches Wesen

Das war schon immer so. Im Gilgamesch-Epos wird vor mehr als viertausend Jahren das beschrieben, was wir heute „Stadtwirtschaftspolitik“ nennen. Der Held des Epos, Gilgamesch, will das Leben in der Stadt Uruk für die Bewohner sicherer und angenehmer gestalten. Um sie gegen die Bedrohung von außen zu schützen, umgibt er sie mit einer Mauer und zieht so eine Grenze gegen die drohende, unheimliche, von Dämonen und bösen Geistern beherrschte Umgebung, den undurchdringlichen „Wald“. Gilgamensch scheut den Wald nicht, er holzt ihn ab und zeigt uns Späteren, dass „die Natur existiert, um den Städten und Menschen Rohstoffe und Produktionsmittel zu liefern“ (S. 40).

Hier werden wir Zeugen einer wichtigen geschichtlichen Veränderung: Die Menschen fühlen sich in einem unnatürlichen, künstlichen Konstrukt, in der von ihnen gebauten Stadt, wohl. Gilgamesch lehrte uns, uns als Geschöpfe zu begreifen, „für die es natürlich ist, unnatürlich zu sein“ (S. 342). „Die Natur ist nicht mehr der Garten, … in den er (der Mensch) gesetzt wurde, um den er sich kümmern und in dem er wohnen sollte, sondern nur noch ein Reservoir natürlicher Ressourcen“ (S. 41). Sie liefert Bauholz. Innerhalb der Stadtmauern können sich Reichtum und Wohlstand entwickeln, die Bewohner können sich spezialisieren, Handwerk und Handel blühen auf, durch Erziehung und Zivilisation wird der Mensch aus der Abhängigkeit von der Natur oder, wie Marx schrieb, „aus der Idiotie des Landlebens“ befreit, er gewinnt an „Menschsein“.

Doch das hat seinen Preis: Je mehr Zivilisation, desto abhängiger wird der Mensch von der Gesellschaft (vgl. S. 46). So wie Gilgamesch verhalten wir uns gegenüber der Natur: Wir beuten sie nur noch aus. Und das auf Kosten künftiger Generationen. In „Global 2000“ haben im Auftrage des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter tausende Experten eindrücklich beschrieben, wie wenig nachhaltig wir mit unseren Lebensgrundlagen umgehen.

Was uns die Juden lehren

Zu einem der interessantesten Kapitel des Buches gehört jenes über den Einfluss der Juden, welchen sie seit dem Alten Testament bis zum heutigen Tage auf unsere ökonomischen Auffassungen ausüben. „Die Juden“, so gleich der erste Satz des relevanten zweiten Kapitels, „haben bei der Entwicklung der heutigen europäisch-amerikanischen Kultur und ihrer Wirtschaftssysteme eine Schlüsselrolle gespielt – doch weder die führenden Fachbücher zu ökonomischen Ideen noch andere Wirtschaftstexte haben ihnen viel Platz eingeräumt“ (S. 65). Dabei „können wir den Einfluss des jüdischen Denkens auf das gegenwärtige Stadium der freien Marktwirtschaft gar nicht überbewerten“ (S. 121). Der Autor, so sei hier eingeschoben, verwendet die Bezeichnungen Jude, Hebräer oder Israeli synonym. Mit den führenden Köpfen, die wirtschaftsgeschichtliche Fragen diskutieren, ist er sich über die ausschlaggebende „Bedeutung des Beitrags des jüdischen Denkens und seiner Rolle bei der Entwicklung der modernen kapitalistischen Ökonomie“ einig. Die Juden sind es, die den Himmel auf die Erde holten: „Die hebräische Religion ist also stark mit dieser Welt verbunden, nicht mit irgendeiner abstrakten Welt“ (S. 67).

Die Juden bringen uns die Idee des Fortschritts, ihr Zeitverständnis ist linear, nicht, wie für Gilgamesch, zyklisch, Zeit hat für sie Anfang und Ende. Am Ende kommt der Messias, bringt allen Völkern das „gute Leben“, das Paradies auf Erden, Wohlstand und ewigen Frieden. Mit dem Kommunismus hat Marx diese religiöse Vorstellung in eine säkularisierte Form gebracht.

Reichtum ist keine Schande

Für Juden ist Reichtum keine Schande, ihre Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, die Begründer des Judaismus, waren alle reich. Reichtum, auch wenn er nur der Befriedigung durch und durch irdischer Bedürfnisse diente, betrachteten die Hebräer als Ausdruck der Gnade Gottes. Sich an äußeren Gütern zu erfreuen und leibliche Bedürfnisse zu befriedigen, ist für Juden keine Sünde, ist doch auch die materielle Welt von einem guten Gott erschaffen. Askese und Armut gehören nicht zu den von Juden gepflegten Tugenden.

„Die Religion des Alten Testaments agierte nicht als asketische Religion, sie untersagte irdische Freuden nicht. Ganz im Gegenteil“ (S. 97). Die Helden der Juden sind keine Heiligen, sondern eher „Trickster“ (S. 75) und manches Mal heroisch Leidende wie Ijob und Jesaja. Sie machten aus ihren Königen und Herrschern keine Götter, sondern wiesen ihnen ihre Fehlbarkeit nach und unterwarfen sie scharfer Kritik. Sie verließen sich lieber auf die Richter, die weniger Exekutivmacht hatten. Politik konnte hinterfragt werden, sie ist alles andere als unfehlbar.

Heute wird Politik und Politikern kaum noch Vertrauen entgegengebracht oder Kompetenz zugetraut. Und was die Ablehnung von Askese für den Konsum bedeutet, braucht hier nicht besonders hervorgehoben zu werden, haben wir doch die Konsum-Ankurbelei und das Güterwachstum zu einer säkularen Religion gemacht.

Wir sind in die Wachstumsfalle hineingetappt und glauben, Güterfülle bedeute mehr Glück und Zufriedenheit. Wir merken gar nicht, wie teuer sie oft erkauft ist. Manchmal nämlich durch Schulden, die uns zu Sklaven machen.

Nur noch Arbeitstier?

Nicht weniger bedeutsam ist die Einstellung zur Arbeit. Anders als bei den Griechen, ist für Juden Arbeit ursprünglich nicht mit Erniedrigung verbunden. Arbeit im Paradies sollte Adam Spaß machen, ihm war die ganze Schöpfung zur Pflege anvertraut, er „herrschte über die Fische des Meeres über die Vögel des Himmels, die Tiere, die sich auf dem Lande regen“, sie alle folgten ihm aufs „Wort“. Der Mensch sollte als Vollender der Schöpfung fungieren. Leider hat sich das mit dem Sündenfall geändert. Vertrieben aus dem Paradies, muss er nun „sein Brot im Schweiße seines Angesichts essen“. Arbeit wurde zum Fluch, der Mensch zum „Roboter“. Robotnik ist das slowakische Wort für „Arbeiter“.

Doch nach jüdischer Auffassung soll der Mensch nicht zum Arbeitstier werden, noch soll die Ökonomie die Gemeinschaft zerstören. Wie Gott bei seiner Schöpfungsarbeit, so sollte auch der Mensch am siebenten Tage ruhen, nachdenken und sich sammeln. Im siebenten Jahr sollte der Boden ausruhen und nicht bebaut werden. Alle sieben Jahre sollten auch die Hebräer, die durch hohe Schulden in die Sklaverei gefallen waren, von ihren Herren aus der Sklaverei und in die Freiheit entlassen werden. Alle sieben mal sieben, also nach 49 Jahren sollten alle Schulden erlassen werden und das Land an die ursprünglichen Stammesfamilien zurückgegeben werden.

Das Wachstum des BIP war also nicht das letzte Ziel aller wirtschaftlichen Aktivitäten, die „Sabattökonomie“ beschränkte es, sogar auf Grund strikter göttlicher Gebote. Gesetzliche Ruhetage, Bodenbrache, Forderungsverzicht, Restitution, ist das ökonomisch vernünftig? Sicher nicht. Ökonomen würden ja zwecks Optimierung am liebsten die Pausen in einer Sinfonie streichen, spottet Vaclav Havel im Vorwort, Pausen „ sind ja schließlich zu nichts gut, sie halten nur den Lauf der Dinge auf, und die Mitglieder des Orchesters können doch nicht dafür bezahlt werden, dass sie nicht spielen…“ (S. 10).

Glück lässt sich nicht messen

Für die Wirtschaftsauffassung der Griechen haben Poesie und Philosophie größte Bedeutung. Zur Arbeit sind wir Menschen nach Hesiod verdammt durch die Strafe, welche die Götter über den „krummgesinnten Prometheus“ verhängten, der ihnen das Feuer raubte. Tiere brauchen kein Feuer, wir brauchen es zum Leben. Manches Mal verbrennt es uns. So wie in Sodom und Gomorra, Hirsoshima, Nagasaki, Fukushima, Tschernobyl.

Pythagoras lehrte uns Zahlen („numbers“) zu schätzen, aber Zahlengläubigkeit kann man auch übertreiben. Das, worauf es im Leben ankommt, „Glück“, messen sie nicht. Was Glück ist, haben uns Sokrates, Platon und Aristoteles beizubringen versucht – nämlich ein fortwährendes Streben nach dem „Guten“ im persönlichen Leben wie in der Gesellschaft.

Sie räumten jeden Zweifel aus über das, was denn das Gute sei, nämlich das Göttergleiche, ewig Wahre, Schöne und Gerechte. Es sollte Menschsein und Ordnung im Staate bestimmen. Doch das Gute, so lehrten sie es uns, wird einem nicht geschenkt. Zu erreichen ist es nur durch große Anstrengung, Führung und Erziehung zur Tugend. Weisheit, Gerechtigkeitssinn, Klugheit, Tapferkeit, Maßhalten und die überschießenden Triebe zähmen, das gelte es zu entwickeln und dazu müsse auch der Staat, die ganze Politik und selbst die Wirtschaft in die Pflicht genommen werden.

Es gibt kein gutes Leben im falschen

Den Griechen war bewusst, dass der Mensch, dieses „zoon politicón“, dieses auf die „polis“, die Gemeinschaft oder Gesellschaft angewiesene „Tier“, den gut geführten Staat braucht, um ein gutes Leben führen zu können. Die Staatsführung sollte deshalb den „Weisen“ vorbehalten werden, denn „bevor nicht die Philosophen Könige werden oder die Könige Philosophen“, sei an ein Ende der ärgsten Übel im Staate nicht zu denken.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wo Demagogen herrschen – Platon nennt sie „Volksverführer“ – ist mit dem guten Leben Schluss. Bald zweieinhalb Jahrtausende nach Platon und Aristoteles findet Theodor Adorno für die Einsicht dieser beiden griechischen Meisterdenker in die Notwendigkeit einer rechtgestalteten und -geführten „Polis“ (= Stadt, Gesellschaft, Gemeinschaft, Staat) die prägnante Formulierung: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“

Für manche Güter gibt es keinen Markt

Allergrößten Einfluss auf die Entwicklung der modernen Ökonomie hat das Christentum genommen. „Ohne das Christentum“, so die gewagte These von Tomáš Sedlácek, „wären die heutigen westlichen Demokratien mit ihrer freien Marktwirtschaft kaum denkbar“ (S. 170). Dem Christentum ist es gelungen, wesentliche Elemente des jüdischen und griechischen Denkens aufzunehmen, mit seinem Erlösungsglauben eine neue Dimension hinzuzufügen und so zur „Entwicklung der europäisch-amerikanischen Zivilisation“ (S. 170) wesentlich beizutragen.

Zumindest lehrte es uns, den weltlichen Dingen nicht Priorität zuzuerkennen, denn hier auf Erden haben wir keine ewige Heimstätte. Zum Unterschied zum Judentum wird Armut gepriesen. Für das Heil der Seele gibt es keinen Markt, was für uns von wirklichem Wert ist – Freundschaft, Liebe, Selbstzufriedenheit – kann man nicht kaufen. Reichtum öffnet keine Tür zum Himmelreich, der Reiche kommt nicht durchs Nadelöhr.

Gerechtigkeit ist in der Welt nicht zu haben

Neunzehn von dreißig Gleichnisreden Jesu schneiden ökonomische Fragen in einer Weise an, die Ökonomen vor den Kopf stößt. Die Arbeiter im Weinberg erhalten abseits jeder Form von Gerechtigkeit gleichen Lohn für ungleiche Leistungen. Die Verschwendung des Verlorenen Sohnes wird vom Vater dem Fleiß seines Bruders vorgezogen. Der barmherzige Samariter verzichtet auf Kompensation. Die wieder gefundene Drachme wird sogleich verfeiert. Die zwei Münzen, welche die arme Witwe in den Opferkasten wirft, sind mehr wert als die vielfach größere Spende des Wohlhabenden. Die überreiche Ernte einzulagern, wird als wenig sinnvoll bezeichnet. Sich um die Nahrung für den nächsten Tag zu sorgen, erscheint überflüssig, die Sperlinge, für die der Herr sorgt, tun es ja auch nicht (S. 180).

Von überragender Bedeutung ist die Streichung von Schulden. Der Betende bittet den Herrn um die Vergebung seiner Schuld und verspricht auch seinen Schuldigern zu vergeben. Die Schuldner werden von Christus „losgekauft“, und das sogar unter Opferung des eigenen Lebens. Heute halten wir das Versprechen der Schuldvergebung ein, indem wir unsoliden Staaten und Banken ihre Schulden erlassen und sie mit Unsummen loskaufen, die umso größer sind, je mehr sie versagt und je unökonomischer sie gehandelt haben.

Den Gestrauchelten aufzuhelfen, gehört zum Liebesgebot. Unsere ganze moderne Gesellschaft, so Tomáš Sedlácek, „kann ohne die ungerechte Vergebung von Schulden nicht funktionieren“ (S. 174). Marktwirtschaft und Wettbewerbsregeln werden in der Krise ohne Hemmung außer Kraft gesetzt.

Glück ist ein Geschenk

Das Schenken und die „Gnadengabe“ gehören zum Christentum wie das Amen zum Gebet. Die Erlösung ist kostenlos, wir können sie uns nicht „verdienen“, weder durch gute Werke noch Taten (S. 174f). Für Menschen, die sich nahe stehen oder in einer Gemeinschaft zusammenleben, spielt Geld und Bezahlung gar keine oder höchstens eine sehr untergeordnete Rolle.

„Freunde sind Menschen, die sich gegenseitig so viel schulden, dass sie vergessen wie viel“ (S. 178). Ihre Beziehung in Geld oder Preisen auszudrücken, gilt als „vulgär“. Der Vorwurf der „Profitgier“ wird als kränkend empfunden. Privateigentum ist kein absolutes Recht, „die Erde gehört allen gemeinsam“, die Ausübung von Besitzrechten steht unter dem Gemeinwohlvorbehalt (vgl. S. 193).

In den frühchristlichen Gemeinschaften „nannte keiner von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam“ (S195, unter Bezug auf Apostelgeschichte 2, 44 – 4, 35). Tomáš Sedlácek ist der Ansicht, dass die Kommunisten den Christen die Idee des Gemeineigentums verdanken, fügt allerdings hinzu, die Geschichte zeige, „dass die marxistische Vision vom Kommunismus keine funktionierende Alternative zum Kapitalismus bieten konnte“ (vgl. S. 195).

Den idealen Staat gibt es nicht

Mit der Verurteilung der irdischen Welt als „civitas diaboli“ durch Augustinus wurde uns für immer eingeprägt, dass es auf dieser Erde weder den idealen Staat geben, noch den Bürgern der „civitas terrena“ Gerechtigkeit zuteil werden kann. Das Böse kann nicht ausgerottet werden, Unkraut und Weizen gedeihen nur gemeinsam. Das „laissez faire, laissez passé, le monde va de lui même“ der Liberalen findet nach Tomáš Sedlácek hier einen seiner Ursprünge. Noch ältere hat er bei den Stoikern und Aristophanes entdeckt (vgl. S. 203).

Mehr Wirklichkeitssinn als von Augustinus erhielt das Christentum erst durch Thomas von Aquin (1225-1275) und die von ihm vorgenommene „Taufe“ des Aristoteles. Statt Weltverneinung erfolgt jetzt Weltbejahung. „Gott ist in allen Dingen“ (Summa theologica, I, 8, Art. 1), alles was Dasein hat, ob lebendig oder nicht, ob materiell oder geistig, ob vollkommen oder armselig, ja, ob gut oder böse, ist „heilig“ (S. 199), „denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut“ (S. 200).

Ontologisch gesehen, ist jedes Phänomen (Ding, Tatsache), wenn auch noch so unvollkommen und verzerrt, Ausdruck seines „Wesens“ (Noumenon), und dieses ist immer „gut“. „Es existiert kein Böses an (und für) sich“, es gibt kein Heil ohne Unheil, kein Licht ohne Dunkel, „selbst Satan, die Verkörperung des Bösen, spielt eine Doppelrolle: In seiner bösen Rolle hat er die Funktion zu etwas Gutem beizutragen“ (S. 204), er ist „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ (S. 205).

Kein Böses ohne das Gute: Gott pflügt mit dem Teufel

Hier wagt sich Tomáš Sedlácek außerordentlich weit vor. Die größten Gräueltaten wurden, wenn auch irrtümlich, in dem Bemühen begangen, irgendetwas Gutes zu bewirken (S. 202). „Selbst die großen Übel (wie der Holocaust und die Hexenverbrennungen) werden unter dem Vorwand (rhetorisch, aber auch aus Überzeugung vieler heraus) begangen, dass hinter diesem Bösen ein größeres Gutes steht (die Nazis führten an, das deutsche Volk brauche einen größeren Lebensraum, die Inquisitoren, sie würden die Welt durch ihr Handeln vom Bösen befreien).“ Die Einfügungen in Klammer finden sich im Original!

Diese Passage hat Tomáš Sedlácek den Vorwurf des Antisemitismus eingetragen, doch damit wird er wohl fertig werden. Seine zugespitzte Aussage entspricht nicht nur katholischer Lehre, sondern der Logik. „Es ist unmöglich, Böses zu tun, ohne dass es etwas Gutes gäbe, um dessentwillen man das Böse tut“ (S. 201, unter Berufung auf Thomas v. Aquin, Summa contra gentiles, III. Buch, Kapitel 4, 6-7).

Der Vernunft eine Gasse, doch ohne Vorfahrt

Durch Thomas von Aquin wurden Vernunft und Logik gegenüber dem Glauben ihr Recht eingeräumt. Eine Tat, die für die spätere, „wissenschaftlich“ geprägte Zivilisation und ihre Ökonomie ausschlaggebend wurde. Anders als für Martin Luther, für den die Vernunft „des Teufels Braut“ und eine „Metze“ ist (S. 209), besteht der Aquinate darauf, dass natürliche Vernunft und rechter Glaube sich niemals widersprechen können, denn Gott, der ja selbst Geist ist und sich im Logos der Schöpfung offenbart, täuscht weder sich noch uns. Auflehnung gegen die Vernunft ist gleichbedeutend mit der Auflehnung gegen Gott.

Der „Vernunft als Vertretung Gottes im Menschen“ kommt es zu, zu herrschen, nicht auf sie zu hören und entsprechend zu handeln ist für Thomas „Sünde“ (S. 210). Eine höhere Anerkennung kann der Vernunft nicht zuteil werden, sie ist Ausgangspunkt für den „Rationalismus“, der in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft bald triumphieren sollte. Durch übertriebene Rationalisierung wurden Großbetriebe, Verwaltungen und Büros für viele Arbeitnehmer zu frustrierenden, „stählernen Gehäusen der Hörigkeit“ (Max Weber), die ihnen die Lebensfreude nahmen und sie zu Eskapisten machten.

Der Mensch, das gesellige Wesen, braucht Ordnung und Führung

Besondere Beachtung verdient das Hohelied der Gemeinschaft, mit dem Tomáš Sedlácek, gestützt auf Thomas von Aquin, jede individualistische Gesellschaftsauffassung, wie sie heute in liberalen Kreisen gang und gäbe ist, in die Schranken weist. „Es ist aber die natürliche Bestimmung des Menschen, das für gemeinschaftliches und staatliches Leben erschaffene Geschöpf zu sein, das gesellig lebt“, weil es anders seinen Zweck nicht erreicht und auch nicht an den Kulturgütern teilnehmen kann, welche die Gesellschaft ihm bietet. „Wenn er (der Mensch) jedoch in einer Gesellschaft lebt und deren Vorteile nutzen will, muss er Teil der Ordnung sein, die es der Gesellschaft ermöglicht, ein gemeinsames Ziel anzustreben“ (S. 212). Als Teil der Ordnung muss er sich der Führung der Gesellschaft, die auf das gemeinsame Wohl Bedacht nimmt, unterordnen, denn „wo kein Regent ist, zerstreut sich das Volk“ (S. 209, unter Berufung auf Buch der Sprüche 11, 14).

Die Gesellschaft braucht also einen „Steuermann, der am Ruder steht“ (S. 209). Wenn jeder nur auf das bedacht ist, was ihm nützt, würde die Gesellschaft auseinander geraten, „falls nicht eben jemand da wäre, der für das Sorge trägt, was das Wohl der Gesellschaft betrifft“ (S. 209).

Was bleibt außer dem Zweifel?

Die auf die lutherische Verneinung der Autorität von Vernunft und Kirche folgenden politischen Wirren, der dreißigjährige Glaubenskrieg (1618-1648), ließen Zweifel an allem aufkommen, was bis dahin durch Offenbarung, Dogma, Sitte, Recht, Brauchtum oder breiten Konsens als gesicherte Wahrheit galt. Diesen Zweifel griff einer der schärfsten Denker jener Zeit auf, René Descartes (1596 – 1650).

Er ließ nur eine einzige Gewissheit zu, dass er – wie auch jeder andere Mensch – es nämlich selbst ist, der da zweifelte und nach Erkenntnis des Wahren ringt: Cogito ergo sum.

Das „Ich“ oder „Subjekt“, ausgesetzt einer Vielfalt von äußeren Eindrücken, Erfahrungen und Einflüssen unterschiedlichster Art und Stärke, wie konnte es da zu einer allen gemeinsamen und von allen anerkannten Wahrheit gelangen, einem Wissen, dass jedem zugänglich sein sollte? Mit der Stellung dieser Frage leitete Descartes das bis heute andauernde „wissenschaftliche Zeitalter“ ein. Ab nun setzte sich wissenschaftliches Denken zum Ziel, „eine Methode zur Untersuchung der Welt durchzudrücken, die keinen Zweifel zuließ und frei von jeder subjektiven, disputablen Dimension war“ (S. 215).

Das war nur möglich durch Beschränkung auf die „körperlichen“ Teile der Welt, die mit den Sinnen erfasst, gezählt, gemessen und gewogen, deren Bewegungen im Raum beobachtet und zueinander in Beziehung gesetzt werden konnten. Wissenschaft war von nun an nur das, was beobachtet und durch Experiment bewiesen werden konnte. „Unsichtbaren Dingen“, von denen im Credo die Rede ist, oder „Werte“, die auf subjektiven Empfindungen und Urteilen beruhen, waren von da an keine Gegenstände der „science“ mehr.

Die Gegenstände oder „Objekte“ der Wissenschaft, die physischen Körper, zerlegte die Atomistik in ihre kleinsten Teile, die Mechanistik erfasste ihr Zusammenwirken, die aufgefundenen Regelmäßigkeiten wurden als Naturgesetze formuliert und ausgedrückt in einer kulturunabhängigen, allen gemeinsamen Sprache: der Mathematik.

Das ökonomische Kalkül

Tomáš Sedlácek sieht in dieser kartesianischen Beschränkung und Methode „den großen Durchbruch, besonders für Ökonomen“. Der kleinste Teil der Wirtschaft ist das Individuum, das nicht mehr teilbare „Atom“ der Gesellschaft, das so gut es nur kann, seinen „Nutzen“ sucht, mithin der berühmte „homo oeconomicus“. Seine hedonistische (A-)Moral stammt von Epikur. Seine mathematische und mechanistische Seite verdankt er Descartes. Der homo oeconomicus „ist ein mechanisches Konstrukt, das gemäß unfehlbaren mathematischen Prinzipien und durch reine Mechanik funktioniert“ (S. 218).

Das Individuum, „der Mensch wird nicht im Kontext der Gesellschaft definiert“ (S. 226), er wird reduziert „auf ein mechanisch-mathematisches Kalkül“, auf „eine mathematische Gleichung: kalt, distanziert, für alle gleich, historisch und räumlich konstant“ (S. 226). Für eine Rechenmaschine ist es gleich, ob sie in China oder in der Schweiz ihre ökonomischen Kalküle von Nutzen und Aufwand, Ertrag und Kosten, Lust und Unlust, ausführt. „Das einheitliche, fundamentale und alles erklärende Prinzip, zu dem die Ökonomie bei nahezu jeder Gelegenheit neigt, ist verständlicherweise das Selbstinteresse“ (S. 219), der Egoismus, die Selbstsucht.

In allem sein Selbstinteresse zu verfolgen, gehört seit Descartes zum Prinzip der Wirtschaftstheorie des Mainstreams. Die herkömmliche Theorie besteht darauf, keine ethische Wissenschaft zu sein und daher zwischen Gut und Böse nicht zu unterscheiden. Moralische „Werturteile“ verbannt sie in die subjektive Sphäre.

Die Verwandlung von Amoral in Moral

Der Zynismus dieses Systems findet eine kaum überbietbare Darstellung in der berühmten „Bienenfabel“ des Bernhard von Mandeville, durch welche private Unmoral und Laster („private vices“) als Beitrag zum Gemeinwohl („public benefits“) gefeiert werden. Als sie 1723 in zweiter Auflage erschien, rief sie eine riesige Kontroverse hervor, denn alle Gutmenschen und Moralprediger der damaligen Zeit sahen sich der Heuchelei angeprangert und überführt.

„Mandeville begründete die Auffassung, dass der materielle Wohlstand umso größer ist, je mehr Laster es gibt. Das ursprünglich universelle Konzept des Zusammenhangs zwischen Ethik und Ökonomie, dem wir schon im Alten Testament begegnen, wird auf den Kopf gestellt“ (S. 230). Er „war derjenige, der das Konzept in das westliche Mainstream-Denken einführte, dass moralische Laster des Einzelnen dem Ganzen wirtschaftlichen Wohlstand bringen können“ (S. 231).

Er, „nicht Smith, muss als erster moderner Ökonom gelten“ (S. 231). Seine These: „Es gibt keinen Handel ohne Betrug, keine Obrigkeit ohne Bestechung und Korruption“ (S. 232). Sie sind Bedingung für eine florierende Gesellschaft. Wenn der Luxus zusammen mit den oberen, lasterhaften Gesellschaftsschichten schwindet, haben die „kleinen Leute – Bauern, Diener und Dienstmädchen, Schuhmacher und Schneider – unter der gesunkenen Nachfrage zu leiden“ (S. 233).

„Stolz, Luxus und Betrügerei
Muss sein, damit das Volk gedeih …
Mit Tugend bloß kommt man nicht weit;
Wer wünscht, dass eine goldene Zeit
Zurückkehrt, sollte nicht vergessen:
Man musste damals Eicheln essen“.

Mit der Pflege der Kardinaltugenden wird kein Suppentopf gefüllt und kein Rock genäht (vgl. S. 235). Auf welches Wirtschaftssystem haben wir uns da eigentlich eingelassen? Wagen wir es, diese Frage überhaupt noch zu stellen?

Durch die unsichtbare Hand wird aus Gier Fortschritt

Die Wandlung oder Transsubstantiation von Selbstinteresse in Gesamtinteresse, Eigennutz in Gemeinnutz, Eigenwohl in Gemeinwohl geschieht, so unser neuer Glaube, durch eine mystische, geheimnisvolle, „unsichtbare Hand“ („invisible Hand“), deren wunderbares Wirken Mandeville einige Jahre vor Adam Smith wiederentdeckt hat. Und auch dem Markt ordnet er hohe Bedeutung zu. „Nach Ansicht von Mandeville sind die Märkte nicht nur Koordinatoren der menschlichen Interaktionen, sondern (sie) können auch persönliche Laster in öffentliche Vorteile verwandeln“ (S. 239).

Selbst Gier, dargebracht auf dem Altar des Marktes, wird zum „Heilsgut“ oder „Sakrament“: Gier ist „notwendige Bedingung für den Fortschritt einer Gesellschaft“ (S. 238).

„Mandeville war eindeutig ein Befürworter des hedonistischen Programms“. Ja „er ging sogar noch weiter als die Hedonisten: Unsere Nachfrage muss immer weiter wachsen, denn das ist … der einzige Weg zum Fortschritt. In dieser Hinsicht ist die moderne Ökonomie aus seinem Denken erwachsen“ (S. 238). Nie mehr sollten wir zufrieden sein mit dem, was wir haben, denn das würde Stillstand bedeuten. Der „Bliss Point“ (Sättigungspunkt) wird umso schneller höher geschraubt, je mehr wir uns ihm nähern. Massen arbeiten in Jobs, „die sie hassen, nur damit sie kaufen können, was sie gar nicht wirklich brauchen“ (S. 299).

Ist Ziel der Wirtschaft mehr Wirtschaft? Wie kann mehr Wirtschaft ökonomisch sein? Hängt Ökonomie nicht mit dem richtigen Haushalten zusammen, dem Kräftesparen, dem „Optimieren“? „Wenn die Ökonomie ihr Ziel verliert, bleibt uns nur noch eines – ein Wachstum, das nichts kennt als sich selbst, da es kein Ziel als Maßstab hat“ (S. 301). Ist Ziellosigkeit unser Ziel? „Die ganze Produktion scheint eine Leere zu füllen, die sie selbst erzeugt“ (S. 303).

Der schizophrene Adam Smith

Joseph Schumpeter, der in seinem Leben der größte Don Juan, der größte Herrenreiter und der größte Nationalökonom werden wollte (und bedauerte, die beiden ersten Ziele nicht erreicht zu haben), hatte für einen Hagestolz wie Adam Smith, der nie mit einer anderen Frau als seiner Mutter verkehrte, und die Schönheiten und Leidenschaften des Lebens nur aus Literatur kannte, nichts übrig. Er sprach ihm auch als Nationalökonom jede Originalität ab, „denn keine einzige analytische Idee oder Methode und kein analytisches Prinzip“ hätte er neu hervorgebracht (S. 263). Er war sich darin mit Friedrich August von Hayek einig, der sich weigerte, in Adam Smith einen großen Ökonomen zu sehen (ebenda).

Der Historiker Norman Davis hält den kauzigen Schotten gar für einen „chaotischen Mann“, der in Edinburgh zu wiederholten Malen halb nackt auf den Straßen herumlief und schwadronierte, mit seltsam affektierter Stimme und wie in Trance hitzig mit sich selbst debattierend, bei seiner Mutter wohnte und nie eine Chance hatte, eine Frau zu finden (vgl. S. 243). Tomáš Sedlácek – und mit dieser Ansicht ist er keineswegs allein – hält ihn gar für schizophren (vgl. S. 253). Lehnt Smith doch in seinem Buch über die Theory of Moral Sentiments Selbstsucht und Eigeninteresse als verwerflich ab, während er sie in den Wealth of Nations als „die einzige, offenbar ausreichende Verbindung zwischen den Menschen“ ansieht und zur Notwendigkeit von Sympathie, gegenseitigem Wohlwollen und moralischen Gefühlen als Kitt der Gesellschaft „kein einziges Wort sagt“ (S. 252). 

Für Sedlácek kann Smith als Moralphilosoph gelten, „nicht als Ökonom“. Zum „Vater der klassischen Nationalökonomie“ wurde Smith nur bei Freunden der kartesianischen Engführung dieser Wissenschaft, welche bis heute in der Nutzenmaximierung des Egoisten ihr einigendes und einziges Prinzip sehen.

Die Entleerung des Nutzenbegriffs macht die meisten Lehrbücher zur Makulatur

Diesen Freunden wirft Tomáš Sedlácek vor, den Nutzenbegriff derart von allem Inhalt entleert zu haben, dass er jede Bedeutung verlor. Johan Hus maximiert seinen Nutzen, indem er lieber die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen in Kauf nimmt, als seine „ketzerischen“ Überzeugungen zu widerrufen. Ob die Tschechen je diese Tragödie als Verletzung ihres Nationalstolzes überwunden haben und was sie für ihren Sonderweg durch die europäische Geschichte auch wirtschaftlich bedeutete, interessiert Nationalökonomen nicht. Für sie hat Johan Hus seinen Nutzen genauso selbstsüchtig maximiert wie Judas, der seinem Herrn untreu wurde und ihn um 30 Silberlinge verriet.

Den Trick, Selbstsucht moralisch als Laster zu verurteilen und sie in das eher salonfähige, neutralere und weniger anstößige Eigeninteresse „umzutaufen“ (vgl. S. 251), gelang bereits Adam Smith, dem „Moralphilosophen“. Seine Moralphilosophie, so sei nebenbei bemerkt, basierte er im Übrigen, ganz ähnlich wie sein Freund David Hume, auf „Gefühlen“ („sentiments“), ohne zu erkennen, dass irrationale Gefühle niemals imstande sind, eine verbindende und verbindliche Form von Gesellschaftsethik hervorzubringen.

Für Thomas Hobbes war dieses Unvermögen der Grund, nach dem Leviathan zu rufen, der festlegt, was als Gut oder als Böses gilt und der das mit dem Monopol auf Gewalt im Staat auch durchsetzt: auctoritas facit legem.

Gary S. Becker bekam 1992 seinen Nobelpreis für die absurde These, dass alle menschlichen Entscheidungen, seien es wichtige wie die Ehe, oder auch nebensächliche wie der Kauf einer Kinokarte, durch den ökonomischen Ansatz abgedeckt werden. Wie alle Ökonomen des Mainstreams brachte er damit die Ansicht zum Ausdruck, „dass jeder – ganz egal was er macht – seinen Nutzen maximiert“ (S. 279).

Doch was bedeutet das Wort „Nutzen“? „In der Flut der ganzen mathematischen Definitionen haben unsere >strengen< Lehrbücher aber leider vergessen, zu definieren, was der Begriff >Nutzen< eigentlich bedeutet“.

Das geschah ganz mit Absicht, denn wenn ihre Verfasser „eine Definition des Nutzens liefern würden, würden die Studenten schnell das Interesse an ihren Büchern verlieren“ (S. 280). Sie wären bloß noch Makulatur. Die Jahre, die sie Studenten zwingen, sich mit tausenden von Optimierungsrechnungen zu befassen, täuschen darüber hinweg, dass ihr Erkenntnisgewinn auf tautologischen Leerformeln beruht, nach dem Muster „TautoUtlity, MaxU“ (S. 279).

Ob der Homo oeconomicus untätig herumsitzt, mit seinen Kindern plaudert, schläft oder arbeitet, er kann gar nicht anders, als in allem, was er macht, seinen Nutzen zu maximieren. Damit tappen die Ökonomen in die poppersche Falle der Unüberprüfbarkeit ihrer Modelle: Wenn es für den homo oeconomicus ausgeschlossen ist, seinen Nutzen nicht zu maximieren, sind Theorie und Modelle, die sein Verhalten erklären wollen, „de facto sinnlos“ (S. 283), sie können nicht „falsifiziert“ werden.

Heute macht sich sogar der Nobelpreisträger Paul A. Samuelson – nach Sedlácek der „orchestrator of the orchestration“ des uniformen Mainstream-Denkens ganzer Generationen von Studenten aller Kontinente – über den tautologischen Inhalt des „Gesetzes von Angebot und Nachfrage“ lustig: Warum ist der Preis von Schweinefleisch so hoch? Weil der Preis für Futtermais so hoch ist. Und warum ist Preis für Futtermais so hoch? Weil der Preis von Schweinefleisch so hoch ist!

Ökonomie ist keine wertfreie und empirische, sondern eine normative Sozialwissenschaft

„Blasphemische Gedanken“ überschreibt Tomáš Sedlácek den zweiten und letzten Teil seines Buches. Blasphemisch sind die geäußerten Gedanken, weil sie allen wesentlichen Annahmen und Methoden der herkömmlichen Wirtschaftstheorie und ihren prominentesten Vertretern widersprechen. Wir fassen hier seine wichtigsten Aussagen zusammen.

Für Tomáš Sedlácek ist die Ökonomie keine empirische Wissenschaft. Es gibt in ihr keine „Gesetzmäßigkeiten“, die sich aus Erfahrungen, Beobachtungen oder Zeitreihen ableiten ließen. Mit ökonometrischen Methoden lassen sich keine Kausalverhältnisse feststellen, z. B. lässt sich die Inflation nicht immer durch die Geldmenge erklären. „Die Benutzung ökonometrischer Modelle für die Projektion der wahrscheinlichen Ergebnisse verschiedener politischer Entscheidungen … gilt weithin als nicht zu rechtfertigen oder sogar als Hauptursache der Probleme, die in letzter Zeit aufgetreten sind“ (S. 366, unter Berufung auf Jeffrey Sachs, Christopher Sims und Stephen Goldfeld: Policy Analysis with Econometric Models, Cambridge 1997, S 107).

 „Mathematik ist eine reine Tautologie.“ (S. 363). „Numerische Einheiten … tragen ihre Existenz in sich, beziehen sich auf nichts, verweisen auf nichts, repräsentieren nichts, stehen für nichts, zeigen nichts an und bedeuten nichts außer sich selbst“ (S. 361). Mathematik hat zur äußeren Welt von sich aus keine Verbindung, die entsteht erst in unserem Kopf. Mathematik benutzen wir als Sprache zur sehr eingeschränkten Beschreibung der Welt.

Wir können die Sonne als Kreis beschreiben, doch sie ist für uns weit mehr. So ist es auch mit mathematischen Modellen. Sie bilden die Realität, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt ab. Ihre Ergebnisse sind nur logische Ableitungen aus getroffenen Annahmen. Ändern sich die Annahmen – und die ändern sich im Zeitverlauf immer – dann auch die Ergebnisse. Mathematische Modelle eignen sich daher auch nicht für Prognosen. Kein mathematisches Modell konnte vor dem Zusammenbruch von Märkten schützen (S. 356).

Die Ökonomie ist keine wertfreie, positivistische Wissenschaft. Sie trifft Aussagen über das, was „ist“ (Analyse), was sein „soll“ (angestrebter Zustand, Ziel) und über die Wege (Maßnahmen, Politik), wie das „Soll“ erreicht werden kann. Urteile über „wirtschaftlich“ und „unwirtschaftlich“, „produktiv“ oder „unproduktiv“, „effizient“ oder „ineffizient““, „exzellent“ oder „dürftig“, „gut oder böse/schlecht“, sind grundsätzlich normativ oder „value loaded“ (Nobelpreisträger Gunnar Myrdal), sie orientieren sich an „Vollkommenheitszuständen“.

Der kartesianische Ansatz der herkömmlichen Ökonomie ist nicht zu halten. Das isolierte, an allem zweifelnde „Ich“ existiert nicht. Die individualistische Gesellschaftsauffassung, derzufolge die Gesellschaft nur eine Summe von Individuen ist, entspricht nicht der Realität.

Der Mensch ist von seiner Natur her ein Gemeinschaftswesen, er wurde „geschaffen als Mann und Frau“ (Genesis 1, 27), er existiert nur als „geselliges Wesen“, als animal culturalis et socialis. Er ist kein „Individuum“, sondern „Person“, in welcher der Geist der Gemeinschaft „tönt“, durchklingt und Ausdruck findet.

Die einzelne Person handelt daher immer nur als „Gemeinschaftswesen“, als „Organ“ einer Gemeinschaft, in deren Auftrag und für diese. Auch das Individuum, der einzelne Mensch, ist kein Homo oeconomicus, der selbstsüchtig seinen Nutzen abwägt, sondern er ist eine Person, die ihre Aufgaben und Pflichten gegenüber der Gemeinschaft mehr oder minder gut erfüllt und dafür von dieser entsprechend geachtet und gesellschaftsüblich (z.B. Beamtengehaltsschema, Kollektivvertrag, im Familienverband häufig auch nichtmonetär!) belohnt wird.

Wie die einzelne Person, so steht auch die ganze Wirtschaft im Dienst des Gemeinwohls, des Bonum commune. Wirtschaftlich primär ist darum nicht das Wohl des Einzelnen, sondern des „Ganzen“. Das „Ganze“, die Gemeinschaft, hat den Vorrang vor den Teilen, den „Angehörigen“, den „Mitgliedern“. Ihre Aktivitäten und Besitztümer stehen unter Gemeinwohlvorbehalt. Den Nachweis für diesen Vorrang bringt Tomáš Sedlácek im kulturgeschichtlichen Teil seines Buches (Gilgamesch, Judentum, Griechentum, Christentum).

In den Bereich der Wirtschaft fällt die Bereitstellung der äußeren Mittel, welche für die Erreichung der von der Gemeinschaft oder „Gesellschaft“ vorgegebenen Ziele notwendig sind. Obwohl betroffen, entscheidet über diese Ziele nicht das einzelne Individuum, es nimmt höchstens Teil an diesen Entscheidungen und beeinflusst sie als mitbestimmendes Glied der Gemeinschaft.

Alle wesentlichen, wirtschaftlich relevanten Entscheidungen werden nicht nach Nutzenkalkülen getroffen, sondern „politisch“ nach den Zielen oder Bedürfnissen der jeweiligen Gemeinschaft (der Nutzen von „to put a man on the moon“ ist keine Rechengröße!). Entschieden wird von den Repräsentanten der Gemeinschaft darüber, welcher Aufwand oder welche Kosten vertretbar erscheinen, und welche nicht. Politische Entscheidungen werden gefällt im politischen „Prozess“. „Die“ Wirtschaft kann in diesem Prozess nur ihren Sachverstand einbringen, der sich auf die Bereitstellung der Mittel bezieht.

Mit Paul Feyerabend warnt Tomáš Sedlácek vor den „Irrwegen der Vernunft“. Der Versuch, die Realität an falsche Denkansätze und Modelle anzupassen und zu vergewaltigen, ist nicht nur für die Wirtschaft von Nachteil, er kann ganze Kulturen und Völker „abschaffen“. Beide fordern auf, die Spanischen Stiefel auszuziehen, die uns an Grenzüberschreitungen hemmen und wieder mehr auf unsere innere Stimme zu hören, welche neue Wege weist: „Farewell to reason“, „anything goes.“ (vgl. S. 396).

Ein Plädoyer für „wildes Denken“

Mainstream-Ökonomen werden sich damit abfinden müssen, dass sie von Fachkollegen herausgefordert werden, welche mit Tolkiens „Herr der Ringe“ oder dem Film „Matrix“ die Ökonomie neu interpretieren.

Solche Fachkollegen warnen vor einem Volk wie die „Orks“, dessen Angehörige wie verrückt daran arbeiten, das Bruttoinlandsprodukt zu steigern und dunklen Mächten als willige Vollstrecker dienen. Die Vertreter dieser neuen Generation von Fachkollegen halten es lieber mit den Elben, jenen Zauberwesen, die in ihren Träumen, Geschichten und Mythen leben und vieles, was sie an Wertvollem besitzen, aus der Vergangenheit schöpfen. Sie schätzen immaterielle Güter höher als materielle und wissen, dass geistiges Kapital der wichtigste Produktionsfaktor ist, um, wie Tomáš Sedlácek meint, „alles nach oben zu ziehen“.

Er und seine Freunde sympathisieren mit den „Auserwählten“ im Film, die Widerstand gegen die „Matrix“ leisten, die die Menschen durch eine hochkomplexe Computersimulation in einer virtuellen Welt gefangen hält, welche Realität suggeriert und von den Gefangenen als „Energielieferanten“ auch noch erhalten wird. Sie loben den Hacker „Neo“ – heute Assange, Manning, Snowden – der das System knacken will, jedoch verfolgt und vom Agenten des Systems, (Adam?) Smith, erschossen wird. Im Film wird der Tote durch den Kuss seiner Komplizin und Freundin „Trinity“ wieder auferweckt. Er fängt dann an, ein paar Menschen aus der „Matrix“ zu befreien, um dann bald nach Art des Superman in den Lüften zu entschwinden. Die biblische Geschichte wird so den Kindern von heute nahe gebracht, freut sich Tomáš Sedlácek, und auch darüber, dass die Zahl seiner Hörer in der Welt von Tag zu Tag wächst.

Vielleicht hängt mit dem Durchbruch, den er durch sein Buch erzielt hat, zusammen, dass nun auch „The Other Austrians“ (T. Ehs, 2011), sehr zum Missfallen der Linken und Liberalen, neues Interesse erwecken. Diese „anderen Österreicher“ – schon 1953 hat F. A. Graf von Westphalen für die Kongressbibliothek der USA einige von ihnen gewürdigt – haben nie aufgehört, eine „ganzheitliche“ oder christlich-naturrechtliche Nationalökonomie zu vertreten, welche größten Wert auf die „Einbettung“ von Mikro- und Markroökonomie in Kultur, Politik und Soziales gelegt hat.

Erinnert sei hier nur an Johannes Messner, Anton Orel, Leopold Kohr, Ferdinand Graf von Degenfeld-Schonburg, Othmar Spann, Walter Heinrich, Wilhelm Andreae, Ferdinand A. Graf von Westphalen, Anton Tautscher, Fritz Ottel, Erich Hruschka, Erich Loitlsberger, Joseph Kolbinger, Michael Hofmann, Hans Bach, J. H. Pichler, Anton Schöpf, Adolf H. Malinsky, Geiserich E. Tichy, Ernest Kulhavy, Walter Sertl u. v. a.

Obwohl nach 1945 zu einer „unerwünschten Forschungsrichtung“ zählend, haben sie sich nicht davon abhalten lassen, sich vielfach mit äußerster Schärfe gegen die individualistisch-liberale Gesellschaftsauffassung, die naturwissenschaftlichen Methoden in den Sozialwissenschaften und die neoklassischen Theoreme zu wenden. Im Unterschied zu Tomáš Sedlácek, haben sie ihr eigenes „wildes Denken“, mit dem sie zahlreiche Durchbrüche schafften, durch Ringen um System in geordnete Bahnen gezwungen. Ihre unzähligen Schüler danken es ihnen noch heute.

Tomáš Sedlácek: Die Ökonomie von Gut und Böse, Carl Hanser, München 2012, 447 Seiten. (Übersetzung aus dem Amerikanischen von Ingrid Proß-Gill), ISBN 978-3-446-42823-2, Euro 24,90

Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er verfasste u.a. „Wirtschaft der Mitte“ (Salzburg), „Die Theorie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit“ (Berlin), „Die ideologischen Elemente der neoklassischen Theorie – eine Auseinandersetzung mit Paul A. Samuelson“ (Berlin), „Vier Traktate über das Wesen des Konservativismus“ (Wien), „Die Rechte der Nation“ (Graz), „Der Sinn der Geschichte“ (Kiel).

Drucken

Wenn Medien uns verängstigen: Die größten Flops der letzten Jahre

16. August 2013 03:39 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Amerikaner lieben Katastrophen-Szenarien – doch nur im Film. Auch Europäer lieben Katastrophen – doch sie sterben fast vor Angst, weil man fix mit ihnen rechnet.

„Erst stirbt der Wald und dann der Mensch“, so „grüne“ Befürchtungen 1986, im Jahr 2000 wäre Europa entwaldet. Heute „ersticken“ viele Länder im Wald (47 Prozent der Gesamtfläche). Nur ein Beispiel von vielen. Natürlich ist es legitim, negative Entwicklungen rechtzeitig aufzuzeigen. Oft wird aber viel zu dick aufgetragen, Ängste werden künstlich geschürt. So hatte man 1980 Verschmutzungsdaten aus der Stahl-Stadt Linz auf ganz Österreich hochgerechnet…

Die größten Flops der letzten Jahre

Club of Rome: Fatale Denkfehler

Vor Krieg und Massenverelendung warnte 1972 auch der Club of Rome. Schon in den 1990-ern würden viele Rohstoffe ausgegangen sein. Kriege um Öl, Wasser oder Kohle würden die Erde verwüsten.

Tatsächlich ist nichts davon eingetroffen. In ökonomischer Unbedarftheit hatte man einfach die damals bekannten Rohstoff-Lagerstätten durch ihren Jahres-Weltverbrauch dividiert und linear in die Zukunft extrapoliert. Demnach wäre 2012 dann alles Öl auf dieser Welt verbraucht gewesen.

Wohlstand wegen Preisanstieg

Wurden in der Menschheitsgeschichte Güter knapp, setzte dies stets Mechanismen in Gang, die wir heute unter dem Begriff  „Markt“ subsummieren: Wer über „knappe Güter“ (noch) verfügt, hat jetzt mehr Macht als jene, die sie benötigen. So drehen Erstere an der Preisschraube. Dies führt nun aber nicht zur Verarmung der Zweiteren – im Gegenteil. Erst die höheren Preise machen es für Erfinder und potentielle (oder bestehende) Unternehmer lukrativ, in deren Ersatz, in neue Lagerstätten, in sparsamere Technologien zu investieren. Wer spart, der hat: Und so reichen die Öllagerstätten nun nicht mehr 40 Jahre aus, sondern plötzlich 80 Jahre – oder gar 120.

Es bedurfte erst gestiegener Energiepreise, damit junge Solar-, Wind- und Hausdämm-Firmen Millionen neuer Jobs und Milliarden neuer Wertschöpfung schaffen konnten.

Rohstoffe gehen nicht aus

Wie einst das Heizmittel des Mittelalters, der Torf, werden die meisten Energieträger wahrscheinlich gar nicht vollständig ausgebeutet werden (hoffentlich). Der gestiegene Preis hat andere Ressourcen dann längst attraktiver werden lassen.

Die nachgewiesenen Eisenerzreserven reichen auf dem Papier zwar „nur“ noch 300 Jahre, doch werden die Menschen auch danach noch Häuser oder Autos bauen können. Denn das Eisen der Motorblöcke kann durch Aluminium ersetzt werden, und die Bleche durch Karbon-Fasern. Und selbst das Öl für diese Kunststoff-Fasern kann heute schon (im Labor) aus Plantagen-Holz gewonnen werden.

Und der Stahl für den Beton der Hochhäuser? Eigentlich schon heute nicht mehr nötig: Seit 2011 steht im vorarlbergischen Dornbirn der LifeCycle Tower – ein achtgeschossiges Gebäude ganz aus Holz. Auf bis zu 100 Meter und 30 Stockwerke könnte man die Holz-Module heute schon auftürmen.

Globale Demokratisierung: Mut!

Selbst der „Süden“ profitiert. Dank Internet war Technologietransfer noch nie demokratischer. Nie zuvor studierten so viele Menschen aus dem „Süden“ im „Norden“. Und nie zuvor haben Weltregionen, die sich über Jahrhunderte hinweg von Welthandel, Entwicklung und Wohlstand abgeschottet hatten (wie China und Indien), dank globaler Vernetzung so schnell wieder nach vorne bringen können.

Der Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge Michael Hörl ist Lehrer an den Tourismusschulen Salzburg Klessheim. In seinem letzten Buch, „Die Gemeinwohl-Falle“, befasste er sich mit den Mythen des „linken Mainstreams“.
www.michaelhoerl.at

Drucken

Fußnote 471: Keine Züge in Mainz

14. August 2013 02:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Angeblich sind Urlaube und plötzliche Krankenstände die Ursache der Bahnpanne.

Die wahre Ursache ist jedoch die Unflexibilität einer Staatsbahn unter starkem Gewerkschaftseinfluss. Denn jeder halbwegs gut geführte Privatbetrieb plant Personalentwicklungen voraus, und er „zwingt“ (Achtung: böse Ausbeuter!) seine Mitarbeiter zur Flexibilität. Das heißt: Man würde – im konkreten Fall – mehr Fahrdienstleiter und Zugsführer ausbilden, als man normalerweise braucht, und setzt diese anderwärtig - nicht nur zum Daumendrehen ein, hat sie aber dadurch in der Stunde des Bedarfs zur Verfügung. Und überhaupt kein Problem gäbe es, wenn – wie ebenfalls in fast jedem Privatbetrieb – die Deutsche Bahn (natürlich gegen satten Kostenersatz) Mitarbeiter in der Stunde der Not, die ja immer durch blöde Zufälle schlagen kann, zum Abbruch des Urlaubs und zu Überstunden veranlassen würde. Aber das ist laut den Bahngewerkschaftern völlig unzumutbar.

PS: Nie beweisbar wird das Gerücht sein, dass die plötzliche Krankheitswelle mit den Bundestagswahlen zusammenhängt, wo ja der SPD der Abhörskandal überhaupt nichts genützt hat. Zumindest nicht, seit klar ist, dass auch schon unter SPD-Regierungen heftig gelauscht worden war. Irgendwie möchte man ja noch einmal so einen schönen Wahlkampfgag wie den Stuttgarter Bahnhof herbeiinszenieren.

Drucken

Wenn man statt Inflation Liquidität sagt

12. August 2013 01:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist erstaunlich, wie oft versucht wird, mit neuen Wortprägungen Probleme aus der Welt zu schaffen. Das geschah etwa bei der Ersetzung von  Blinder/Krüppel/Tauber (usw.) durch "Behinderter"; da aber auch dieses Wort schon tabuisiert wird, haben wir nun von "Menschen mit besonderen Bedürfnissen" zu sprechen. Dahinter steht der Glaube, dass durch ein Umtaufen irgendwelche Probleme gelöst wären. Ganz Ähnliches ist in den USA mit der Umformulierungsreihe Neger-Schwarze-Afroamerikaner zu beobachten. Aber auch in der Finanzwelt passiert das Gleiche.

Das ist insbesondere an der neuerdings üblichen Verwendung von "Schaffung von Liquidität" anstelle von "inflationsförderndes Gelddrucken durch Notenbanken" zu sehen. Beides bedeutet aber dasselbe. Wer die Immobilienpreise in deutschen oder österreichischen Städten beobachtet, weiß, wohin viel des frischgedruckten Geldes fließt: in eine gefährliche Blase. Aber da aus Asien importierte Konsumartikel preisstabil sind - oder gar billiger werden - wird das in der offiziellen Inflationsrate kaum reflektiert.

Diese "Liquiditätsschaffung" scheint ja kurzfristig tatsächlich Probleme zu lösen. Daher wird sie von der Politik auch so geliebt. Die unweigerlich dadurch ausgelösten späteren und größeren Probleme ignoriert man hingegen - oft in der insgeheimen Überzeugung, dass sie erst unter den Nachfolgern sichtbar werden.

Wen aber wird die Inflation dann eigentlich treffen? Primär scheinen es die Sparer zu sein. Diese haben jedoch die Chance, durch kluges Disponieren den Schaden zu mildern. Milton Friedman wieder hat gemeint, dass letztlich alle gleichmäßig getroffen würden. Das stimmt jedoch auch nicht. Denn das würde voraussetzen, dass alle ihr Eigentum gleichmäßig verteilt haben, dass alle Preise gleichmäßig steigen, und dass alle die gleichen Informationen haben.

In Wahrheit ist es jedoch immer so, dass zuerst nur ein kleiner Personenkreis Zugang zum künstlich geschaffenen Geld hat. Wohlhabende Menschen oder Banken sind auch meist besser informiert als die kleinen Sparer und schichten ihr Geld früher um.

Das haben nun Berechnungen des Ökonomen Zoran Balac genau analysiert. Sie zeigen klar: Je größer die Inflation - pardon: Liquidität - umso größer die Umverteilung von unten nach oben.

Der Zusammenhang ist auch ohne lange Ökonometrie logisch. Unlogisch ist nur, dass sich gerade jene, die sich stets als Vorkämpfer der weniger Verdienenden ausgeben, immer besonders heftig für das Gelddrucken unter der Tarnung als Liquiditätsschaffung einsetzen. Dass sie also gerade der eigenen Klientel am meisten schaden.

Ein gutes Beispiel eines Missbrauchs des Wortes „Liquidität“ ist die bankrotte Baufirma Alpine. Diese wäre schon 2010 konkursreif gewesen, hätte der Steuerzahler nicht 200 Millionen hineingebuttert, die er nun nie wiedersehen wird. Vorwand der amtlichen Geldverbrennung: ein "Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz" . . .

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Bildung und Schule: Scheingefechte und Notwendigkeiten

06. August 2013 02:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Wahlkampf hat ein neues Thema: Schulpflicht vs. Bildungspflicht. Der Reformvorschlag der ÖVP, eine Bildungspflicht einzuführen, klingt interessant. Er ignoriert aber die wirklichen Probleme in den Schulen. Das tun freilich die sozialistischen Konzepte (Schulpflicht mit Zwangsgesamtschule) noch viel mehr.

Der Auslöser der gegenwärtigen Bildungsdebatte: Immer mehr Arbeitgeber sind entsetzt, dass Möchtegern-Lehrlinge weder ordentlich lesen noch schreiben noch rechnen noch grüßen können. Diese Defizite machen einen jungen Mann, eine junge Frau ziemlich unbrauchbar für fast jede Berufstätigkeit. Einige große Handelsketten haben deswegen im Frühjahr sogar angefangen, mit Fernsehspots um die rar gewordenen brauchbaren Schulabsolventen zu werben. Das heißt: Alle jene, die auch jetzt noch keine Lehrstelle haben, sind hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit unbrauchbar.

Aber auch das Niveau von Uni-Absolventen bestimmter Studienrichtungen liegt unter dem, was sich Arbeitgeber eigentlich schon von einem Maturanten erwarten würden. Die Arbeitgeber rufen daher nach dringendem Handeln. Das ist mehr als verständlich. Da sie aber keine Ahnung von den Problemen in den Schulen haben, erkennen sie die wirklichen Ursachen der Bildungsmisere nicht.

Einige von ihnen (etwa die derzeitige Führung der Industriellenvereinigung) fallen sogar auf Rattenfänger herein, wie etwa auf die Gesamtschulpropagandisten rund um Hannes Androsch. Sie begreifen in ihrer Ahnungslosigkeit nicht, dass deren Projekt das Niveau der Schulabgänger noch dramatisch weiter verschlechtern würde.

Das sieht man im Grund schon jetzt bei der Neuen Mittelschule, obwohl brutale und eigentlich menschenrechtswidrige Maulkorberlässe die dortigen Lehrer zum Schweigen zu zwingen versuchen: Unter dem Schutz der Anonymität berichten aber dennoch erzürnte Lehrer, dass von ihnen verlangt wird, auch bei nur 30 Prozent erbrachter Leistung noch ein Genügend zu geben (während früher bei 50 Prozent die Grenze war)!

Bildungspflicht macht Schulen zu Dauer-Wärmestuben

Einige etwas klügere Bildungskritiker setzen nun auf einen Wechsel von der Schulpflicht auf die Bildungspflicht. Das heißt im Klartext: Jugendliche sollen so lange die Schulbank drücken, bis sie das Lesen, Schreiben, Rechnen und ein paar simple Sozialtugenden halbwegs beherrschen. Das klingt vernünftig. Ist es aber nicht. Denn vernünftiger zu sein als die rotgrünen Gesamtschulphantasien ist noch lange nicht ausreichend für eine funktionierende Antwort auf die Bildungsmisere.

Die Bildungspflicht-Idee bietet bisher keinerlei Antwort auf zentrale Fragen: Was macht man mit jenen pubertären und postpubertären Typen, die gar keine Intention (mehr) haben, auch nur irgendetwas zu lernen? Was tut man, wenn für manche Jugendliche und deren Familie die Schule ein weit angenehmerer Aufenthaltsort ist als ein Arbeitsplatz, also gewissermaßen eine staatlich bezahlte Wärmestube? Wissen die Bildungspflicht-Proponenten nicht, dass mit 15 Jahren bei 98 Prozent aller Jugendlichen keine Weichenstellung hin zum bisher ignorierten Lernen mehr erfolgreich ist?

Natürlich haben auf all diese kritischen Fragen auch die Verfechter der Schulpflicht und erst recht die der Gesamtschule keine Antwort. Das – zweifellos richtig diagnostizierte – Problem mit der mangelnden Qualität der Schulabgänger hat nämlich ganz andere Ursachen. Nicht gegen jede gibt es eine Therapie. Dennoch sollte man zumindest die wichtigsten ehrlich auflisten und nicht aus politischer Korrektheit verschweigen.

Die wirklichen Wurzeln der Bildungsmisere

Ich wette jede Summe, dass durch die Summe solcher Maßnahmen das Bildungsniveau viel eher verbessert würde, als durch eine noch so lange Bildungspflicht, solange diese mit der bisherigen Leistungsfeindlichkeit verbunden bleibt.

Die absurde Dienstrechtsdebatte

Abgesehen von der neuen Bildungspflicht-Idee hat sich die Bildungsdebatte aber seit Monaten absurderweise an der Frage der Lehrergehälter und der Arbeitszeit-Kontroverse festgebissen. Dabei kann keiner der dabei umstrittenen Punkte die Schulqualität verbessern. Höchstens eine Verschlechterung ist möglich.

Überdies sollte eines klar sein: Mehr Arbeit fürs gleiche (oder nach recht glaubwürdig klingenden Berechnungen: für weniger!) Geld – das wird sich mit Sicherheit keine Gewerkschaft ohne Kampfmaßnahmen gefallen lassen. Selbst wenn die zuständigen Ministerinnen in ihren Interviews noch so schrill werden. Darüber einen Konsens zu erringen, kann der Regierung schon gar nicht gelingen, seit soeben die Wochenarbeitszeit der ÖBB deutlich reduziert worden ist.

In Wahrheit hofft diese Regierung natürlich insgeheim, durch längere Lehrerarbeitszeiten den trotz geringerer Kinderzahlen bevorstehenden krassen Lehrermangel beheben zu können. Diesen Mangel hat sie aber selbst verschuldet: durch das Fehlen rechtzeitiger Planung und durch sinnlose und teure Vergeudungen von Lehrerkapazitäten. Insbesondere schädlich in Hinblick auf Personalressourcen und Budget war:
- die Einführung der Wahlpflichtfächer in den AHS-Oberstufen (wo oft nur ein halbes Dutzend Kinder von jeweils einem Lehrer betreut wird);
- die Entsendung eines Zweitlehrers in jede Klasse der „Neuen Mittelschule“;
- die Verwendung von staatlich bezahlten Lehrern in einer aufgeblähten Bürokratie und bei parteinahen Vereinen;
- und künftig auch die maßlose Verlängerung der Studienzeiten für alle Lehrer.

 

Drucken

Die Ökonomie von Gut und Böse

04. August 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der Autor, Tomáš Sedlácek, Chefökonom einer tschechischen Großbank, lehrt an der Universität Prag Wirtschaftswissenschaften und fungierte während der Amtszeit von Präsident Václav Havel als dessen Berater. Kein ausschließlich im Elfenbeinturm sitzender Gelehrter also, sondern vielmehr ein Mann mit praktischem Zugang zu den in seinem Buch behandelten Fragen.

Der von John Stuart Mill (dem „Vater“ des Utilitarismus), später auch von F. A. Hayek, formulierte Gedanke „Wer nichts anderes ist, wird wahrscheinlich kein guter Volkswirt sein“, charakterisiert die Arbeit Sedláceks. Hier schreibt eher der Philosoph, weniger der Ökonom. Sein zentrales Anliegen ist es, der Frage nachzugehen, ob es sich auszahlt, gut zu sein, oder ob das Gute außerhalb jedes Nutzenkalküls liegt.

Zu diesem Behufe schlägt der Autor – nicht ohne Witz und mit scharfem Blick fürs Wesentliche – einen weiten Bogen von den Anfängen aller schriftlichen Überlieferungen, dem Gilgamesch-Epos, über das Alte und Neue Testament (letzteres hat er akribisch auf seine erstaunlich zahlreichen wirtschaftlich relevanten Aussagen untersucht) und die „Klassiker“ der Ökonomie, bis in unsere von einer langjährigen Schulden- Währungs- und Demokratiekrise gekennzeichneten Tage.

Sedlá?ek geht mit seiner eigenen Zunft durchaus hart ins Gericht. So kritisiert er etwa scharf deren Reduzierung des Menschen auf den Homo oeconomicus und dessen rein mathematische Funktionen. Die moderne Ökonomie lege seiner Meinung nach „zu viel Gewicht auf die Methode anstatt auf die Substanz.“ In der Tat: Moderne Lehrbücher der Ökonomie sind – seit Paul Samuelsons „Economics: An Introductory Analysis“ – anders als die der Klassiker, voll mit Formeln und Diagrammen. Man meint, es mit Werken zur Physik zu tun zu haben…

Betrachtungen der Phänomene Geld, Zinsen, Wert und Bedeutung der Arbeit (die dem Menschen erst mit seiner Vertreibung aus dem Garten Eden zum Fluch wurde) bilden ebenso Bestandteile seiner Ausführungen, wie solche zum Unterschied von Tausch- und Gebrauchswert von Gütern und die Beschäftigung mit der Spieltheorie.

Der heutzutage so gut wie ausschließlichen Festlegung von Studenten der Wirtschaftswissenschaften auf die total mathematisierte „Neoklassik“ steht Sedlácek kritisch gegenüber: „Obwohl wir am stärksten an die menschliche Entscheidungsfreiheit glauben, erlauben wir es den Stundenten ja nicht, ihre eigene ökonomische Denkschule auszuwählen – wir lehren sie nur noch den Mainstream.“ Man meint, den Befund eines Protagonisten der „Austrian Economics“ vor sich zu haben.

Bilanz des Autors: „Wir haben zu viel Weisheit gegen Exaktheit getauscht, zu viel Menschlichkeit gegen Mathematisierung.“ Mein Fazit: Erhellende Sommerlektüre!

Die Ökonomie von Gut und Böse
Tomáš Sedlácek (Carl Hanser Verlag, München 2012
ISBN 978-3-446-42823-2
447 Seiten, gebunden, € 24,90,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Die Krise, die Autos und der Ausweg

30. Juli 2013 00:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nirgendwo sonst sieht man klarer die Tiefe der Krise als in der Autobranche. Besonders deutlich ist das in Italien: Dort sind die hinter dem Lenkrad verbrachten Stunden um 27 Prozent zurückgegangen, die Zahl der neu ausgestellten Führerscheine um 19 Prozent, der Verkehr in den Städten um 34 Prozent. Die Neuwagenverkäufe haben sich überhaupt halbiert.

Dramatisch. Aber auch in der ganzen EU sieht es kaum besser aus: Die Autoverkäufe sind auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren. Lediglich Großbritannien – das ja nicht im Euroraum ist – kann ein deutliches Plus aufweisen.

Das sind auch für Österreich schlechte Nachrichten. Hat das Land doch eine sehr signifikante Auto-Industrie von Miba bis Magna. Von dort kommen zwar noch eher beruhigende Nachrichten. Dennoch wird sich auch Österreich nicht von europaweiten Trends abkoppeln können.

Auch Nordamerika geht es nicht so viel anders. Dort hat nur der Steuerzahler GM und Chrysler in der Krise retten können. Das empörte wiederum viele andere Branchen, wo Konkurse weiterhin der natürliche Lauf der Dinge sind, die aber für die Autorettung zahlen müssen. Der Bankrott der Autostadt Detroit mit allen katastrophalen sozialen und demographischen Folgen konnte dennoch nicht verhindert werden.

Das sollte allen Beteiligten ein dramatischer Weckruf zur Umkehr sein. Diese Umkehr ist in vielfacher Hinsicht notwendig. Man schaue etwa noch einmal nach Detroit.

In der Ursachenanalyse stößt man dort immer wieder auf zwei Aspekte. Der eine ist die Politik der Gewerkschaften; diese haben mit überzogenen Forderungen die globale Wettbewerbsfähigkeit der US-Autos stark reduziert; und sie haben überdies die Verlagerung etlicher Produktionsstätten aus Detroit in kleinere Städte ausgelöst, wo die Macht der Syndikate viel schwächer war. Der zweite Grund war die Stadtverwaltung, die mit wahnsinnig überzogenen Gehältern und Pensionen für Stadtbedienstete den Bogen weit überspannt hat, bis das goldene Kalb tot war, von dem man lebte.

Beide Verhaltensweisen sind auch in Europa keineswegs unbekannt. Auch hier holen sich viele aus der Wirtschaft zu viel heraus und übersehen, dass diese – in jeder Branche – in einem beinharten internationalen Wettbewerb steht.

Speziell die Autobranche leidet aber unter noch etwas: Europa hat die weltweit weitaus schärfsten Klimaschutzvorgaben. Diese richten sich geradezu gezielt gegen die deutschen Luxusmarken. Offenbar sollen diesen die gleichen Probleme angehängt werden, die schon Opel, Fiat und die schwedischen und französischen Marken existenziell plagen.

Das geschieht wohl aus purer Schadenfreude, um die (noch) selbstbewussten Deutschen zu demütigen. Denn das Klima kann nicht das Motiv sein. Selbst wenn alle negativen Prognosen stimmen sollten, würde die Erwärmung doch nur durch weltweit gültige Maßnahmen eingebremst. Europäische Selbstbeschädigung hingegen nutzt niemandem.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Krise der Inflationskultur

25. Juli 2013 04:38 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Dieses Buch erscheint, da die Eurokrise trotz – oder besser: wegen! – immer neuer „Rettungspakete“ von einem Höhepunkt zum nächsten eilt, genau zum rechten Zeitpunkt. Der Autor, Jörg Guido Hülsmann, der an der Universität von Angers Volkswirtschaftslehre unterrichtet, lässt die Luft aus der von staatsnahen Scharlatanen geschaffenen Erklärungsblase, wonach angeblich unregulierte Märkte, die Gier von Bankern und Spekulanten, und eine kollektive Unterkonsumption die Schuld am nicht enden wollenden Verschuldungs- und Währungsdebakel tragen sollen.

Einer Schuldenkrise mit einer noch weiter auf die Spitze getriebenen Schuldenorgie Herr werden zu wollen, wie es gegenwärtig die politischen Eliten versuchen, erscheint verrückt. Bereits jetzt in vielen Branchen bestehenden Überkapazitäten mittels „Konjunkturprogrammen“ noch weitere hinzuzufügen, irrsinnig.

Weder Monetaristen noch Keynesianer hatten die Blasenbildungen der letzten Jahrzehnte kommen sehen. Bis heute kann keiner von ihnen eine konsistente Erklärung für deren Entstehung anbieten, geschweige denn eine plausible Idee vorweisen, welcher Ausweg zu nehmen ist. Hülsmann stellt die auf dem Kopf stehenden Theorien und Lösungsansätze der Hauptstromökonomie auf rund 300 Seiten wieder auf die Füße: Nein, an Regulierungsdichte mangelt es der Finanzwirtschaft nicht. Nein, von einem zu zaghaften Einsatz der Notenpresse, oder anderen den Staaten zur Verfügung stehenden Instrumenten, kann auch keine Rede sein. Wo also liegt der Hund begraben?

Um seine Erklärung für die Krise und den darauf folgenden Maßnahmenkatalog zu fundieren, holt der Autor weit aus. Im „Über Wachstum“ betitelten ersten Teil seines Buches unterzieht er einige irrige Vorstellungen, wie jene, wonach Deflation der Übel größtes sei, oder dass ohne „billige Kredite“ kein Wachstum möglich wäre, einer kritischen Würdigung. Im zweiten Teil nimmt er das Phänomen Inflation aufs Korn, erklärt deren verschiedene Erscheinungsformen und beschreibt die fatale Wirkung, die sie nicht nur auf Geldwert und private Ersparnisse ausübt, sondern in letzter Konsequenz auch auf die Richtung, in die sich eine Gesellschaft entwickelt.

Dass Inflation Schuldnern und Verschwendern nutzt, während sie Sparern schadet, dürfte eine Einsicht sein, die auch Zeitgenossen vermittelt werden kann, die sich selten mit Wirtschaftsfragen befassen. Weniger leicht zu erklären sind indes deren langfristige Folgen, da nicht offensichtlich auf der Hand liegt, welch tief greifende Veränderungen der Gesellschaft mit einer dauerhaft gepflegten „Inflationskultur“ einhergehen.

Erste und größte Nutznießer der Inflation sind der Staat und der mit ihm innig verbundene Bankensektor. Der wesentlichste Grund dafür ist, dass Staat und Banken, vor allen Normalsterblichen, über das neu in die Welt gebrachte – keinerlei „inneren Wert“ repräsentierende – Geld verfügen können. Das unentwegte Staatswachstum einerseits und die monströse Aufblähung des Finanzsektors andererseits, sind unmittelbare Konsequenzen des staatlich monopolisierten Schuldgeldsystems.

Da Staaten nichts produzieren, und daher nichts „verdienen“, sind die Regierungen genötigt, ihre Bürger mittels Steuern und Abgaben um ihr erarbeitetes Einkommen und das ersparte Vermögen zu bringen, um ihre Vorhaben zu finanzieren. Da die tragbare Steuerlast, trotz theoretisch unbegrenzter staatlicher Zugriffsmöglichkeiten, endlich ist, die Begehrlichkeiten der Regierungen aber grenzenlos sind, bildet die Schuldenmacherei eine willkommene Finanzierungsalternative. Stehen den Regierungen in einer solchen Lage hörige Zentralbanken und willig kooperierende, weil gegenüber allen anderen Wirtschaftsakteuren privilegierte, Geschäftsbanken zur Seite, steht der planmäßigen Ausplünderung der Privathaushalte durch eine in „finanzieller Repression“ kulminierende Geld- und Fiskalpolitik, nichts mehr im Wege.

Die im dritten Teil des Buches präsentierten Vorschläge für einen Ausweg aus der Krise sind – so richtig sie erscheinen – auf dem Boden des demokratischen Wohlfahrtsstaates schwer bis unmöglich umzusetzen. Da der Staat es geschafft hat, die Mehrheit der Wahlberechtigten – mit deren eigenem Geld! – von sich abhängig zu machen, wird die Reduzierung der Staatsaufgaben schwierig werden. Schließlich hängt eine große Mehrheit der Wahlberechtigten der von Intellektuellen und Massenmedien genährten Illusion an, letztlich doch mehr aus dem System herausziehen zu können, als sie einzahlt. „Der Staat ist die große Fiktion, dass jedermann auf Kosten von jedermann leben kann.“ Ein Ende für das staatliche Geldmonopol und die Zentralbanken (und damit der über Jahrzehnte gepflegten „Inflationskultur“) wird Otto Normalverbraucher daher als utopisches Vorhaben erscheinen. Die Inkaufnahme einer – möglicherweise mehrere Jahre anhaltenden – deflationären Rezession, die alle durch den Staatsinterventionismus geschaffenen Verzerrungen beseitigt, wird keine Regierung aushalten, ohne aus dem Amt gejagt zu werden.

Dennoch: Das vom Autor geforderte „Ende mit Schrecken“ ist zweifellos die einzig sinnvolle Alternative zum derzeit zelebrierten, immer tiefer in den Abgrund führenden, „Mehr vom selben“. Erleben werden wir eine Umsetzung der Hülsmann´schen Vorschläge wohl eher nicht. So werden wir vielmehr weiterhin mit einem Schrecken ohne Ende zu leben haben…

Krise der Inflationskultur
Jürg Guido Hülsmann
Finanzbuchverlag 2013
320 Seiten, broschiert
ISBN 378-3-89879-797-9
€ 17,99,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Die Arbeitsplätze, die Fakten und die Fließrichtung des Geldes

23. Juli 2013 02:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Schlechte Nachrichten für die SPÖ, die ja derzeit nicht nur das Wetter für wunderbar hält. Aber auch für Investoren - die machen freilich ohnedies längst schon einen weiten Bogen um Österreich.

Das Finanzministerium spricht in einer neuen Studie von 70.000 durch die wirtschaftsfeindliche Politik Österreichs und die investorenfeindlichen Ankündigungen vor allem der SPÖ verloren gegangenen Arbeitsplätzen; das entspricht auch den Beobachtungen vieler Manager (ohne dass diese die Auswirkungen natürlich genau beziffern könnten). Der Sozialminister betont im üblichen roten Reflex hingegen sofort öffentlich, dass alles bestens wäre und blühend.

Für diese SPÖ-Propaganda ist nun die wenige Stunden später gekommene Nachricht von der Immobilienfront mehr als vernichtend: Im ersten Halbjahr ist hierzulande um ein Fünftel weniger in Gewerbe-Immobilien investiert worden als in der ersten Jahreshälfte 2012. Das ist deutlich schlechter als im restlichen Europa, wo sogar um etwa ein Viertel mehr investiert worden ist als im Vorjahr. Dieser katastrophale Trend passt aber auch haargenau zu dem – schon 2012! – eingetretenen steilen Absturz der ausländischen Investitionen in Österreich um 43 Prozent.

Aber wer soll denn noch in einem Land investieren,

Ernst nehmen sollten diese Nachricht aber auch alle jene, die allzu viel Geld in Immobilien investiert haben. Die Blase scheint am Platzen, zumindest am gewerblichen Sektor, während bei den Wohnimmobilien der Run des billigen Geldes weitergeht, ja sich noch verstärkt hat.

Dabei begründet die Zentralbank die Überflutung Europas mit Billigstgeld ständig mit der Notwendigkeit von Investitionen. Das Geld landet jedoch nicht bei den Investitionen, sondern nur beim Konsum, insbesondere in den Wohnungen und Privathäusern, wo überdies auch noch italienisches und russisches Fluchtgeld die Situation anheizt.

 

Drucken

Die Gewerkschaften und die jungen Arbeitslosen

19. Juli 2013 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Jugendarbeitslosigkeit nimmt in immer mehr Ländern dramatische Formen an. In manchen beträgt sie schon weit über 50 Prozent. Diese vielfach kolportierten Zahlen sind freilich zu relativieren – aber in zweierlei Richtungen. Die Arbeitslosigkeit der Jungen wie der Alten wird aber dennoch zur historischen Gefahr, welche die europäischen Gesellschaften zerstören kann. Über die wahren Schuldigen spricht freilich kaum jemand.

Zu relativieren sind diese Prozentsätze vor allem, weil sie etwas anderes messen, als die meisten glauben: Sie geben nämlich immer nur den Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtheit jener Jugendlichen aus, die sich auf dem Arbeitsmarkt bewegen. Das heißt aber beispielsweise, dass Studenten oder Menschen, die aus anderen Gründen dem Arbeitsmarkt fernbleiben, nicht dazuzählen, etwa weil sie sich dort ohnedies Null Chancen ausrechnen. Damit ist natürlich der Anteil der formal arbeitslosen Jugendlichen an der gesamten Altersgruppe deutlich geringer, der Anteil der real Arbeitsplatzlosen ist jedoch noch viel höher.

Der objektive Vergleich

Objektiv wäre nur eine einzige Vergleichsziffer: der Anteil der Berufstätigen an der Gesamtbevölkerung. Wie viel Prozent aller 15 bis 25-Jährigen, wie viel Prozent aller 15 bis 65-Jährigen haben einen Arbeitsplatz, gehen einer – selbständigen oder unselbständigen – Arbeit nach? Nur dieser Vergleich wäre objektiv und würde alle möglichen Verzerrungen ausschalten. Dies gilt insbesondere, wenn man unter den EU-Staaten vergleichen will, die sich ja in ihren Strukturen ansonsten relativ weit angeglichen haben.

Jedoch mögen Länder wie Österreich diese objektiven Vergleiche aber überhaupt nicht. Und sie publizieren sie daher auch nicht. Denn dann gerieten sie plötzlich in eine viel schlechtere Optik.Sie lägen plötzlich nur im Mittelfeld. Vor allem aus zwei Gründen:

  1. Österreich lässt seine jungen Menschen deutlich länger auf den Unis verweilen – um nicht zu sagen: herumlungern – als andere Länder. Das weitgehende Fehlen von Gebühren und Zugangsschranken vergrößert deren Zahl zusätzlich.
  2. Und Österreich lässt am anderen Ende der Berufskurven seine älteren Menschen viel früher und zu besseren Konsitionen in Pension gehen als andere Länder (vier Jahre vor dem EU-Schnitt). Es manipulierte dadurch die offiziell publizierten Arbeitslosigkeits-Vergleiche stark zu seinen Gunsten.

In den Studenten- wie auch in den Pensionistenzahlen versteckt sich also ein hoher Anteil an Arbeitslosigkeit. Dass die Arbeitslosen-Statistik keineswegs alle Arbeitslosen erfasst, sollte man den versteckten Arbeitslosen keineswegs zum Vorwurf machen. Zu ihnen gehören eben Menschen, die sich auf Grund ihres Alters – obwohl voll arbeitsfähig – noch schwerer tun als andere, einen Job zu finden; sie nutzen daher jede Möglichkeit, ins Pensionssystem zu flüchten, sobald es diese Möglichkeit gibt.

Lieber an der Uni als am Arbeitsamt

Zu den versteckten Arbeitslosen gehören vor allem viele junge Leute, die halt lieber ewig herumstudieren, statt sich in die demütigende Position eines Anstellens am Arbeitsamt zu begeben. Sie schließen ans Bachelor-Studium noch einen ursprünglich gar nicht geplanten Master an, an diesen noch ein Doktoratsstudium, an dieses noch einen Lehrgang, an diesen wieder die prekär bezahlte Mitarbeit an irgendwelchen Forschungsprojekten. Und so weiter. Oder sie beginnen überhaupt noch mit einem weiteren Studium.

Es klingt ja auch viel besser, zu sagen „Ich studiere“ als „Ich bin arbeitslos“. Damit beruhigt man Familie, Freunde und Gesprächspartner, aber auch sich selber.

Am Faktum, dass es weder für die älteren Menschen ohne Job, noch für die jüngeren einen Arbeitsplatz gibt, können solche Verschleierungen aber nichts ändern. Viele Frühpensionisten wie Langzeitstudenten wären ja durchaus arbeitsbereit, fänden sie nur einen Job. Es gibt aber keinen, zumindest keinen zu den einträglichen Bedingungen eines Kollektivvertrags. Solche Jobs sind nämlich samt allen Lohnnebenkosten so teuer geworden, dass sich immer weniger Arbeitgeber bereitfinden, jemanden zu diesen Bedingungen anzustellen.

Kündigungsverbote schaffen noch mehr Arbeitslose

Noch schlimmer ist der Arbeitsmarkt in den sozialutopischen Südländern: Dort gibt es insbesondere ein weitgehendes Kündigungsverbot. Dieses macht jede Anstellung für Arbeitgeber langfristig besonders teuer. Jobs sind für jene, die keinen haben, die draußen und nicht drinnen sind, wo sie von der gewerkschaftlichen Macht profitieren, daher in Südeuropa schon ähnlich selten wie ein Totozwölfer geworden.

Die meisten Gewerkschaften stehen überdies immer an der Spitze der Forderungen, wenn es um eine Erhöhung der Lohnnebenkosten geht, also um eine Vergrößerung der Differenz zwischen Brutto- und Netto-Bezügen. Man denke etwa an die hohen Kosten der gewerkschaftlich kontrollierten und auf diesem Weg finanzierten Sozialversicherungen. Man denke an den dort versteckten Zwangsbeitrag zur Arbeiterkammer in Österreich.

All das zeigt ganz klar: Die Hauptschuld an der Arbeitslosigkeit tragen die Gewerkschaften. Gerade ihre Erfolge für die Lohnbezieher hat sie zu den Todfeinden der Arbeitslosen gemacht, der versteckten wie der deklariert Arbeitslosen.

Die Opfer der Mindesteinkommen

Und die Feinde der Arbeitslosen kämpfen weiter: Jetzt will Rot-Grün in Deutschland ein landesweites Mindesteinkommen erzwingen. Die Linksparteien erwarten dadurch um 18 Milliarden Euro erhöhte Konsumausgaben. Falls diese Berechnungen stimmen, heißt das, dass die deutschen Arbeitgeber um fast das Doppelte dieser 18 Milliarden zusätzlich für die gleichen Arbeitsleistungen wie bisher zahlen müssen (wegen der versteckten und offenen Lohnnebenleistungen). Das ist gewaltig viel Geld, das nur in den Märchenbüchern mancher Ökonomen aus dem Nichts geschaffen werden kann.

Sie argumentieren halt damit, dass wenigstens diese 18 Milliarden in die eigene Wirtschaft fließen würden. Nur: Ein hoher Anteil davon fließt in Fernreisen und fließt in den Import von Gütern, kommt also dem Ausland zugute.

Finanziert muss das alles aber zur Gänze von Arbeitgebern in Deutschland werden. Das heißt aber nach absolut zwingender wirtschaftlicher Logik: Ein guter Teil dieser Arbeitgeber wird sich das nicht leisten können oder wollen. Sie werden Personal abbauen, um sich die betriebswirtschaftlich nicht mehr gedeckten Ausgaben zu ersparen. Da Bezieher kleiner Einkommen vor allem in prekären Branchen arbeiten, werden dort staatlich erzwungene Lohnverteuerungen besonders stark zu Kündigungen führen.

Folge: Die Konsumausgaben werden sich keineswegs um den erhofften Betrag erhöhen. Aber die Arbeitslosigkeit wird sich sehr wohl erhöhen. Und dabei gibt es auch in Deutschland jetzt schon echte Arbeitslosigkeit.

Auch in anderen Ländern haben solche Taschenspielertricks wie ein Mindestlohn nicht funktioniert. Man schaue etwa nach Italien, also in ein Land, wo der Arbeitsmarkt jahrzehntelang von besonders vielen utopisch-gutmenschlichen Regeln überhäuft worden ist. Man hat Arbeit so teuer gemacht, dass sich immer weniger potenzielle Arbeitgeber und Auftraggeber solche Arbeit leisten konnten. Diese haben daher viel weniger Aufträge vergeben.

Als Folge sind in Italien alleine in der Baubranche in den letzten fünf Jahren 360.000 Arbeitsplätze verloren gegangen; dazu kommen 550.000 weitere in abhängigen Branchen. Viele Unternehmen mussten zusperren oder in Konkurs gehen, weil sie jahrelang weit unter den entstehenden Kosten angeboten haben. Dieses Verhalten hat ja soeben auch den europaweit tätigen Alpine-Konzern umgebracht.

Die Jugend als Opfer der Jobbesitzer

Wir haben daher nur oberflächlich ein spezifisches Jugendphänomen. Das Problem ist aber nicht die Jugend, sondern das Verhalten der Arbeitsplatzbesitzer. Die Jugend ist nur das Opfer.

Die Jungen sind halt jene, die nicht den protektionistischen Schutz der gewerkschaftlichen Gehaltsstrukturen haben, weil sie noch außerhalb derselben stehen. Sie sind daher direkte Opfer kollektivvertraglicher Löhne, die höher sind, als es der Markt hergibt. Für sie bleibt dann logischerweise kein Job mehr über, denn die paar noch vorhandenen Jobs werden von den glücklichen Besitzern eines solchen mit Klauen und Zähnen verteidigt. Diese tun das legitimerweise individuell. Sie tun das mit katastrophalen Folgen aber auch kollektiv. Der Markt ist nun einmal ein Weltmarkt und lässt sich weder durch Leitartikel noch durch Politikerprogramme ändern. Und schon gar nicht durch Gewerkschaften.

Man ist nun verleitet, fatalistisch zu sagen: Das ist halt so und wird so bleiben, bis Gewerkschaften und populistische Politiker – oder ihre Wähler – endlich die Grundregeln der Ökonomie lernen. Das wird freilich noch lange dauern.

In der Zwischenzeit entsteht jedoch durch die wachsende Arbeitslosigkeit eine weitere, noch viel größere Gefahr: nämlich die einer sozialen Explosion.

Zwar nicht durch Grüppchen wie Occupy, Attac, „99 Prozent“ oder wie die epigonalen Aufgüsse der alten 68er Generation sonst immer heißen mögen. Diese Grüppchen schaffen mit ihrem Aktionismus immer nur jeweils kurzfristig Euphorie und Revolutionsgeilheit bei altlinken Journalisten, die dann aber bald immer versiegen.

Wann erreicht Krise den Mittelstand?

Wirklich explosiv wird die Lage jedoch dann, wenn die Krise, wenn die Arbeitslosigkeit den Mittelstand voll erreicht. Wenn diesem gleichzeitig die Ersparnisse durch Inflation weggefressen werden. Dann wird der antidemokratische Aufstand nicht nur in ein paar Zelten auf öffentlichen Plätzen bestehen. Wir werden dann mit einem dramatischen Zuwachs links- und rechtsradikaler Parteien konfrontiert sein, mit dem Zusammenbruch von Rechtsstaat und öffentlicher Ordnung, mit revolutionären Umtrieben.

Dann droht sich die Zwischenkriegszeit zu wiederholen. Damals sind viele Länder durch die Folgen der Arbeitslosigkeit demokratisch unregierbar geworden. Die Arbeitslosigkeit wiederum war eine Folge der Inflation. Nach dem ersten Weltkrieg hatte populistische Politik geglaubt, die Kosten und Folgen des Krieges (und der nachfolgenden Bürgerkriege) einfach durch Inflation beseitigen zu können. Dadurch hatten sich die Regierungen die Bedienung von Anleihen erspart. Das wiederum hat jedoch sämtliche Ersparnisse total entwertet. Und das hat den Mittelstand in Verzweiflung, in antidemokratische Reflexe und Empörung getrieben.

Heute glaubt die Politik, dass sie die seit Jahrzehnten angehäuften unbeglichenen Rechnungen des exzessiven Wohlfahrtssystems auf diesem Weg beseitigen kann. Sie denkt nicht daran, am Wohlfahrtssystem substanzielle Einsparungen vorzunehmen. Die Parteien wollen ja wiedergewählt werden.

Ein Teufelskreis droht sich zu wiederholen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com

Drucken

Lügen, Triumphe, Heuchelei

18. Juli 2013 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eine der meistverbreiteten Unwahrheiten über die Folgen der Euro-Teilnahme. Deutschland und Österreich hätten über die Steigerung ihrer Exporte in den Euroraum von der Währung enorm profitiert. Sie müssten daher geradezu froh sein über die Verschuldung der Südeuropäer.

Klingt gut, ist aber falsch. Österreich oder Deutschland haben wegen der Qualität ihrer Exportprodukte triumphiert und nicht wegen des Euro. Denn der Anteil des Euro-Raums an den Exporten beider Länder ist seit Euro-Einführung stark zurückgegangen. In den Ländern außerhalb des Euro gibt es hingegen sehr starke Zuwächse. Das sieht man ganz deutlich an Zahlen, die Thilo Sarrazin für Deutschland zusammengetragen hat, aber auch an denen der Statistik Austria.

Österreichische Industriebetriebe, früher meist nur südlich des Mains präsent, aber auch viele KMU bewegen sich heute souverän auf dem Weltmarkt. Auf deutliche rot-weiß-rote Spuren trifft man nicht nur in Mittel- und Osteuropa, sondern von Asien bis Lateinamerika. So habe ich – ein winziges, aber besonders erstaunliches Beispiel – in fünf verschiedenen Hotels in Indien beim Frühstück Marmeladen eines österreichischen Produzenten gefunden. Und zwar nur diese.

Freilich: Zunehmend stoßen Firmen gerade dieser beiden Länder auf von der Politik gebaute Hindernisse für ihre Exporte. Das sind die Antikorruptions-Gesetze. Diese gelten seit einigen Jahren auch dann, wenn es in bestimmten Ländern geradezu unmöglich ist, ohne Schmiergeld (für Politiker, Genehmigungsbürokraten, Zollinspektoren usw.) irgendeinen Handel, irgendeine Investition vorzunehmen.

Die Exporteure versuchen nun mit Hilfe aufwendiger und besonders teurer Konstruktionen, diese Barriere zu umgehen. Dabei werden meist an örtliche Berater oder Anwälte überhöhte Honorare bezahlt. Oder es gibt scheinbar ohne Zusammenhang für etwas anderes besonders günstige Preise. Oder es wird ein „Entwicklungs“-Projekt gefördert.

Aber die Tricks stoßen immer öfter an Grenzen. Das zeigt etwa jetzt der Prozess gegen die Gelddruckerei der Nationalbank wegen – „mutmaßlich“ – überhöhter Provisionen.

Die Antikorruptions-Regeln können jedenfalls nur dann funktionieren, wenn sie in allen exportierenden Ländern wirken. Das ist aber nicht der Fall. Ungarn beispielsweise denkt „im nationalen Interesse“ nicht daran, gegen den Ölkonzern MOL vorzugehen oder deren Chefs auszuliefern, obwohl Kroatien sehr konkret behauptet, dass MOL (ein Erzkonkurrent der OMV) bestochen habe.

Besonders infam verhalten sich die USA. Diese benutzen Korruptionsvorwürfe als Waffe gegen Konkurrenten auf Drittmärkten. Eigene Konzerne werden jedoch geschont. Siemens etwa wurde dadurch in die Knie gezwungen. Es ist daher alles andere als Paranoia, wenn die USA so unglaublich umfassend spionieren. Denn damit können sie ganz leicht in die Geschäftsgeheimnisse der europäischen Konkurrenten eindringen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Das EU-Budget und seine fünf Problemzonen

08. Juli 2013 00:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die EU hat in den vergangenen Tagen einige gewaltige Brocken gelöst, die sie seit langem geplagt haben: den neuen Finanzrahmen und die Agrarpolitik. Das ist jedenfalls eine anerkennenswerte Leistung und beweist: Europa kann sich doch noch bewegen, wenn es sein muss. Das ist fast ein Wunder angesichts des dafür nötigen Konsenses zwischen mittlerweile 28 Nationen (mit ihren bisweilen uneinigen Koalitionen), dem EU-Parlament und (ja, die gibt’s auch noch) der Kommission. Dennoch sind fünf ganz gravierende Einwände und Defizitpunkte festzuhalten.

Der erste ist ein altvertrauter. Das ist der Ärger über die prinzipiell verfehlte EU-Agrarpolitik. Zwar ist anzuerkennen, dass sich diese wieder einige Millimeter in die richtige Richtung verschoben hat. Dennoch richtet sie weiterhin viel Schaden an.

Die Fehler der Agrarpolitik

Die EU-Agrarpolitik hat in Wahrheit nur aus einer einzigen Begründung Anspruch auf Geld der Steuerzahler: Das ist der Landschafts- und Umweltschutz. Von der Pflege der Almen bis zur Reinhaltung der Grundwässer ist da vieles der Agrar-Förderungen durchaus sinnvoll. Im Grund darf und soll überall dort Geld fließen, wo andere als die Bauern selbst den Nutzen einer bestimmten Form von Landwirtschaft haben, etwa der Tourismus durch gepflegte Almen, etwa die Wassertrinker durch Schutz des Grundwassers.

Bei diesen Aufgaben kann man im übrigen auch keinen logischen Unterschied zwischen Großen und Kleinen machen, wie es manche gefordert hatten. Das ist in den Verhandlungen zu Recht am Ende abgelehnt worden. Denn (beispielsweise) Wasserverschmutzung ist bei großen Betrieben nicht weniger schlimm als bei kleinen. Ganz im Gegenteil.

Parlament als Ausgabentreiber

Der zweite Kritikpunkt in Hinblick auf die Finanzeinigung bezieht sich auf die mehr als merkwürdige Rolle des Parlaments, die dabei stärker denn je offenkundig geworden ist. Dazu ein kurzer Blick in die Geschichte:

No taxation without representation. Keine Steuern ohne Mitsprache der Betroffenen. Mit diesem Schlachtruf wurden einst überhaupt die ersten Parlamente erkämpft. Die Steuerzahler setzten angesichts der Ausgaben- und Verschwendungsgier der Fürsten, Lobbies und Administrationen ein Mitspracherecht bei der Einhebung der Steuern durch. Und diese Funktion müsste eigentlich auch heute noch eine der zentralsten jeder Volksvertretung sein. Ja sogar noch viel mehr als einst: Ist doch die Abgaben- und Steuerquote ein Vielfaches jener der Feudalzeit.

Das EU-Parlament hat diese Aufgabe jedoch ins absolute Gegenteil verkehrt. Bei allen Streitigkeiten und Verhandlungen hat das Parlament seit seiner machtpolitischen Aufwertung für mehr und höhere Ausgaben gekämpft - gegen die im Rat vertretenen Regierungen, die relativ viel mehr die Steuerzahler vertreten haben. Das ist eigentlich eine unglaubliche Perversion der einstigen Aufgabenteilung.

Aus dieser Einstellung heraus hat das Parlament auch beim jetzigen Finanzrahmen höhere Ausgaben durchgesetzt: Dies gelang ihm mit Hilfe eines nur scheinbar harmlosen Tricks. Bisher sind Budgetposten, die aus welchen Gründen immer nicht ausgegeben werden konnten, verfallen. Das ist den europäischen Steuerzahlern als Einsparung zugute gekommen. Jetzt hat das Parlament hingegen durchgesetzt, dass das budgetierte Geld jedenfalls ausgegeben werden muss. Wenn nicht für die eigentlich vorgesehenen Zwecke dann eben für anderes.

Das Erstaunliche ist, dass auch die Liberalen, Konservativen und EU-Kritiker im Parlament – also eigentlich die Mehrheit! – Seite an Seite mit den ja immer ausgabenfreudigen Linken im EU-Parlament ständig für mehr Ausgaben kämpfen.

Kampf der Arbeitslosigkeit – aber richtig

Dennoch beklagen manche, so etwa der österreichische Bundeskanzler, der im Rat noch an die Sparsamkeitsbeschlüsse der Finanzminister gebunden war (die wieder primär den Deutschen und Briten zu danken sind), dass etwa für die Jugendarbeitslosigkeit zu wenig Geld zur Verfügung steht. Die vorgesehenen sechs Milliarden seien viel zu wenig. Es gibt also durchaus auch Regierungspolitiker, die so wie die Parlamentarier für noch mehr Ausgaben sind. Womit wir bei der dritten Kritikzone sind.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist nun in der Tat ein gewaltiges Problem Europas. Nur braucht es zu ihrer Bekämpfung keineswegs mehr Geld. Das kann ja nur auf Schulden zu Lasten der Jungen aufgetrieben werden, denen man vorgibt, helfen zu wollen.

Es geht vielmehr darum, dass in vielen Ländern Tarifverträge und Gewerkschaften die Arbeitsplätze der Älteren und deren hohe Gehälter effektvoll schützen, während die Jungen arbeitslos herumhängen und nicht mehr in das Privilegiensystem hineinkommen.

Es geht darum, dass eine völlig fehlgeleitete Bildungspolitik die Jugend Europas einseitig zu Abitur und Studium hinlenkt – noch dazu völlig überdimensioniert in Richtung der schönen, aber kaum benötigten Sozial- und Geisteswissenschaften. Die viel notwendigere Facharbeiterausbildung bleibt hingegen weitgehend auf das duale System in Deutschland und Österreich beschränkt, also jene Länder, die keine zwangsweise Gesamtschule und kaum Jugendarbeitslosigkeit haben.

Und es geht schließlich darum, dass viel zu wenige der arbeitslosen Jungen aus den Südländern nach Deutschland&Co kommen. Dabei gibt es dort derzeit noch eine Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. Dabei kann man ja heute in Europa überall seinen Arbeits- und Ausbildungsplatz suchen.

Migration ist an sich auch nichts Inhumanes. Arbeitsmigration, also die Auswanderung zu den Plätzen, die Arbeitskräfte brauchen, ist seit jeher ein Teil der Menschheitsgeschichte. Umso genauer ist für die Beseitigung von bürokratischen Hürden und sprachlichen Defiziten zu kämpfen, die einer innereuropäischen Migration noch im Wege stehen.

Frankreich will Geld, aber weder Öffnung noch Reformen

Der vierte trotz Budgeteinigung sehr negativ stimmende Aspekt in Europa ist die derzeitige Politik Frankreichs. Dort sieht man stärker denn je Europa nur als einen Mechanismus, um ans Geld anderer Länder heranzukommen. Frankreich wehrt sich jedoch vehement, wenn die EU auch die Grande Nation auf die dringend notwendigen und im Prinzip längst beschlossenen Strukturreformen drängt. Als Antwort wird in Paris provozierend behauptet, dass diese die EU nichts angingen. Was schlicht nicht stimmt. Die Union wird in Frankreich von der Regierung neuerdings sogar als schuldig daran beschimpft, dass dort die gemäßigte und die radikale Rechte deutlich Auftrieb haben.

Zugleich verlangt Frankreich aber, dass seine wenig erfolgreiche Kulturindustrie vor dem Wettbewerb geschützt werde. Das aber verurteilt die soeben anlaufenden Verhandlungen mit Amerika über eine große Freihandelszone mit hoher Wahrscheinlichkeit a priori zum Scheitern. Ist doch die amerikanische Kultur-Industrie im Gegensatz zur französischen sehr erfolgreich. Und noch haben die Menschen die Freiheit, selbst zu bestimmen, welche Filme sie ansehen, welche Musik sie hören.

Was besonders schlimm an diesem französischen Kulturchauvinismus ist: Durch Frankreichs Haltung zum Thema Kultur ist die gesamte, jetzt intensiv als Allheilmittel diskutierte transatlantische Freihandelszone bedroht. Diese würde viele Hunderttausende Arbeitsplätze schaffen. Diese Jobs würden wiederum die europäischen Finanzprobleme mildern und die Jugendarbeitslosigkeit signifikant reduzieren. Womit sich der Kreis schließt.

Kroatien: ein neuer Hilfsbedürftiger

Und last not least ist auch eine neue Mitgliedschaft zu verzeichnen, nämlich die Kroatiens. Gewiss kann und soll man sich darüber menschlich mit den sympathischen Menschen zwischen Istrien, Slawonien und Dalmatien nach langen Jahren der Kämpfe um die Selbständigkeit freuen. Aber wirtschaftlich bedeutet Kroatien eine Wiederholung dessen, was frühere Aufnahmen von Balkanländern gebracht haben. Und damit sind wir beim fünften und letzten Sorgenpunkt.

Das ausgepowerte Kroatien ist eine weitere große Last für die europäischen Schuldentöpfe. Es ist in Sachen Rechtsstaat und Korruption noch lange nicht auf dem europäischen Standard. Der ist erst dann erreicht, wenn nicht nur so wie in der Ukraine Politiker der jeweils früheren Regierungen strafrechtlich verfolgt werden. Sondern wenn es auch Korruptionisten aus dem Kreis der gegenwärtigen Machthaber an den Kragen geht.

Freilich muss man zugeben: Auch in Frankreich oder Österreich ist man da offensichtlich noch nicht ganz so weit. Man sehe sich nur den unterschiedlichen Umgang mit aktueller und früherer Korruption an.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Wir sind jetzt alle Keynesianer!

05. Juli 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

1971, im selben Jahr, als der damalige US-Präsident Nixon die Bindung des Dollars an das Gold aufkündigte und damit de facto die größte Enteignungsaktion der Weltgeschichte inszenierte (ein Coup, der interessanterweise bis heute keine entsprechende Würdigung erfahren hat!), bekannte er freimütig, „jetzt ein Keynesianer“ zu sein. In der Tat setzte „Tricky Dick“ auf die von John Maynard Keynes, dem bis in unsere Tage wirkungsmächtigsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, propagierte Politik hoher Steuern und schuldenfinanzierter Staatsausgaben.

Dessen Theorie besagt, dass der Staat – zum Ausgleich der für private Wirtschaftsakteure typischen Irrationalität und in Zeiten des Nachlassens deren Investitionstätigkeit – alles tun muss, um einer deflationären Entwicklung entgegenzuwirken. Zu diesem Zweck ist hemmungslos und unter allen Umständen Geld unter die Leute zu bringen – indem etwa das Graben und wieder Zuschaufeln von Löchern staatlich finanziert wird. Vollbeschäftigung ist in jedem Fall sicherzustellen. Genau deshalb sei eine deflationistische Politik schlicht des Teufels.

Zum ebenso leidenschaftlich wie faktenwidrig ins Treffen geführten historischen „Beweis“ dafür wird behauptet, dass der deutsche Reichskanzler Heinrich Brüning, der von 1930-1932 eine Deflation zugelassen hatte, damit schließlich dem Nationalsozialismus den Weg bereitet habe. Diese von keinerlei Seriosität belastete Kritik übersieht völlig, dass die Politik Brünings bereits auf dem besten Wege war, die Wirtschaft Deutschlands wieder auf eine gesunde Basis zu stellen. Zudem ging der Stimmenanteil der Nationalsozialisten während der Zeit seiner Regierung von 37 auf 33 Prozent zurück. Die tatsächlichen Wegbereiter des NS-Regimes hörten auf alle möglichen Namen. Der des „Deflationskanzlers“ Brüning war mit Sicherheit nicht darunter…

Dass bis heute jeder empirische Nachweis für die angeblichen Segnungen einer inflationistischen Politik fehlt, an deren Ende ja niemals Prosperität und Vollbeschäftigung, immer aber ein gewaltiger Schuldenberg steht, ficht keinen der politischen Akteure an. Sie setzen weiterhin unbeirrt auf Keynes´ Voodoo-Ökonomie.

Anders als in den USA traten auf der europäischen Seite des Atlantiks einst nur linke Parteien für eine Konjunkturbelebung mittels Schuldenwirtschaft ein. Heutzutage gilt das längst nicht mehr. „Wir sind alle Keynesianer“ – in diesen Chor stimmen heute so gut wie alle politischen Parteien zwischen Helsinki und Valetta, Portugal und Polen ein – inklusive derer, die über die beeindruckende Chuzpe verfügen, sich zu allem Überfluss auch noch „liberal“ zu nennen (wie etwa die deutsche FDP). Wir haben es gegenwärtig mit einem späten, dafür aber weltweit vollständigen Triumph des 1946 verstorbenen britischen Magiers zu tun.

Es versteht sich von selbst, dass die zu 99 Prozent aus geschützten Werkstätten in Regierungsämter gestolperten wirtschaftspolitischen Leichtmatrosen in den Staatskanzleien keine Alternativen zum „Deficit spending“ kennen – schon gar nicht, wenn Wahlen heraufziehen und spießige Sparsamkeit im Arsenal der politischen Parteien nichts verloren hat. Da ist vielmehr das großzügige Ausschütten von Wohltaten angesagt, was – angesichts der bekannten Unbedarftheit einer soliden Wählermehrheit in Wirtschaftsfragen – gute Aussichten auf einen weiteren Verbleib am steuerfinanzierten Futtertrog eröffnet.

Da die Regierenden, mangels attraktiver Alternativen, also wild entschlossen sind, ihr segensreiches Wirken nach den Wahlen fortzusetzen, buttern sie davor gerne erhebliche Mittel in so genannte „Konjunkturpakete“. Sie versuchen damit die Illusion zu erwecken, einer dräuenden Rezession tatsächlich ein Schnippchen schlagen zu können. 1,6 Milliarden Euro sind es, die jetzt nach dem Willen der rotschwarzen Regierungsparteien in Österreich in „konjunkturbelebende Maßnahmen“ fließen sollen. Darunter ist – wie könnte es anders sein – nichts weiter als die Konservierung von Überkapazitäten in der Bauwirtschaft zu verstehen, was keinerlei Effekte für die Wohlstandsentwicklung im Lande erwarten lässt – zumindest keine positiven!

Die phantastische Wirkung exzessiver – schuldenfinanzierter – Bautätigkeit kann man beispielsweise in Japan bewundern, wo seit mehr als 20 Jahren die letzten Quadratmeter unbebauter Fläche zugepflastert werden. Fazit: Keine Konjunktur – dafür aber Staatsschulden jenseits der 200-Prozent-Marke.

Der unerschütterliche Glaube, dass durch das Zubetonieren von Landschaften oder durch „Investitionen“ in die Bahninfrastruktur (z. B. in ebenso scheußlich anzuschauende wie funktional mangelhafte Monstrositäten wie den Wiener Zentralbahnhof) Impulse für eine Aufwertung des Standortes und die Schaffung von (selbsttragenden, nicht steuersubventionierten!) Arbeitsplätzen gelingen könnte, stirbt nie. Es handelt sich dabei inzwischen um eine „wissenschaftlich fundierte Tatsache“, die von listigen Etatisten erfolgreich in die Hirne gläubiger Demokraten implantiert wurde…

Dass staatliche Projekte, sofern sie mit tatsächlich vorhandenem Geld finanziert werden, zu einer Verdrängung privater Investitionen führen, ist allein schon schlimm genug. Denn, auch wenn viele das nicht glauben können: Das vorhandene Geld kann nur einmal ausgegeben werden. Entweder Privatpersonen investieren es – auf Grund ihrer freien Entscheidung in für von ihnen bevorzugte Projekte, oder Politbonzen finanzieren damit – ohne sich damit aufzuhalten, die Zustimmung der Eigentümer der Kohle einzuholen – die Mehrung ihres Ruhmes. Entsprechend sehen die Entscheidungen aus: Butter oder Kanonen.

Noch weit schlimmer wird es, wenn für staatliche Brot-und-Spiele-Lustbarkeiten Gelder verbraten werden, die – noch dazu bei einer bereits bestehenden Überschuldung – über Kredite bereitgestellt werden. Denn damit ist, zusätzlich zum genannten, unheilvollen Verdrängungseffekt, eine materielle Umverteilung verbunden, die weit in die Zukunft reicht. Für die Regierenden fällt der Nutzen infolge des Stimmenkaufs augenblicklich an. Für die Schulden indessen muss jemand anderer geradestehen. Wer sollte das sein, wenn nicht die kommende(n) Generation(en)?

Im eben erschienen Buch „Krise der Inflationskultur“ richtet der deutsche Ökonom Guido Hülsmann seinen Scheinwerfer auf die zahlreichen, der keynesianischen Konjunkturtheorie inhärenten Fehler. Deren schwerster dürfte wohl darin bestehen, dass Ausgaben, die getätigt werden, ohne dafür auf eine entsprechende Ersparnisbildung zurückgreifen zu können, stets negative Konsequenzen nach sich ziehen. Es bleibt – anders als uns Politik und Hauptstromökonomie weismachen wollen – niemals ohne nachhaltig schädliche Konsequenzen, wenn Geld aus dem Nichts geschaffen und etwa für „Konjunkturpakete“ verpulvert wird…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Fußnote 455: dayli ein Managementfehler und die Betonpatschen

04. Juli 2013 11:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ach ja, natürlich waren es Management-Fehler, wie uns jetzt nach der Insolvenzanmeldung von dayli der Sozialminister mitteilt.

Erstens wissen wir eh: Es sind immer Management-Fehler, wenn etwas schiefgeht, selbst wenn die Katastrophenmeldungen schon im Tagesrhythmus kommen; und wenn es aufwärts geht, ist es immer Verdienst unserer großartigen Politik, die daher ständig zu preisen ist. Zweitens kann man im konkreten Fall den Management-Fehler sogar benennen. Er lautet: grenzenlose Naivität. Wie kann man nur ernsthaft glauben, dass Gewerkschaft, Sozialpartner und Politik wenigstens dann handeln würden, wenigstens dann verzweifelten Menschen das Arbeiten an Sonntagen erlauben, wenn diesen das Wasser schon bis zum Mund steht? Keineswegs. Die Rollbalken bleiben unten. Gewerkschaftsfunktionäre sind ja auch die letzten, die ihren Job verlieren. Daher bleibt ihre Devise (und im Schlepptau die der WKO): Beton. Warum nur denke ich da an Betonpatschen, die sie da der ganzen Nation verpassen? Warum braucht es einen Frank Stronach, um wie bei des Kaisers neuen Kleidern die Hauptschuld der Gewerkschaft einmal auszusprechen? Warum sagt Michael Spindelegger mit seinem neuen, an sich richtigen Slogan, er wolle die Wirtschaft entfesseln, nichts vom Ladenschluss?

 

Drucken

Hokuspokus: Die Medizin, die nichts kostet

03. Juli 2013 09:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist geradezu phänomenal, was diese Regierung alles aus geheimnisvollen Rücklagen finanzieren kann. Nach dem skurrilen Milliardenpaket für die Bauwirtschaft wird jetzt auch noch eine Linzer Medizin errichtet. Und nie kostet nach den Worten unserer lieben Regierung das alles den Steuerzahler irgendetwas. Daher sollten auch andere bis zum Wahltag noch rasch ihre Wünsche beim Finanzministerium anmelden. Ich zum Beispiel würde dringend einen Lamborghini brauchen. Bitte in Weiß.

Und das ist ja angesichts der Wunscherfüllung für einen Oberösterreicher – Motto: Pühringer wünscht, Österreich zahlt – nun wirklich ein bescheidenes Anliegen. Da müsste sich doch eigentlich auch das nötige Gratisbenzin für die nächsten drei Jahre ausgehen.

Ganz, ganz zufällig ist die Finanzministerin oberösterreichische Spitzenkandidatin. Und ganz, ganz sicher wird in absehbarer Zeit auch der sich noch sträubende Wissenschaftsminister Töchterle umfallen und einem Ministerratsbeschluss nicht im Wege stehen (nach dem Vorbild früherer Umfaller anderer Politiker könnte er ja gerade bei der entscheidenden Ministerratssitzung verhindert sein).

Um die Kleinigkeit, dass ganz andere Faktoren schuld am künftigen Ärztemangel sind, braucht man sich ja angesichts der unerschöpflichen Rücklagen wirklich nicht zu kümmern. Und auch nicht darum, dass selbst nach noch so vielen Uni-Eröffnungen quer durchs Land Ärztemangel herrschen wird.

Aber falls die Ursachen doch irgendeinen Politiker interessieren sollten: Dann sollte man sich vor allem anschauen, warum so viele um teures Geld bei uns ausgebildete Mediziner ins Ausland abwandern. Insbesondere in Deutschland (das uns im Gegenzug die dümmeren, am Numerus clausus scheiternden Studenten schickt) herrscht ja großer Ärztemangel.

An diesem negativen Brain drain sind vor allem die schlechten Bedingungen für Turnusärzte in Österreich schuld. Er hängt aber auch mit der Lage der Hausärzte zusammen. Er hängt mit dem Versagen der österreichischen EU-Politik zusammen, die sich bei den EU-Vertragsänderungen nicht mit einer Klausel gegen die erzwungene Medizinerausbildungs-Entwicklungshilfe für Deutschland durchgesetzt hat. Er hängt mit einer gegen die Ärzte durchgepeitschten „Gesundheitsreform“ zusammen, die eher an einen kommunistischen Fünfjahresplan als an eine funktionierende Marktwirtschaft erinnert.

Die gesamte Krise im Gesundheitswesen hängt mit der auch durch diesen Fünfjahresplan nicht gestoppten Geldverschwendung zusammen. Deren zwei wichtigste Ursachen: Länder und Krankenkassen (=Sozialpartner) schieben sich gegenseitig Kosten zu. Und jeder Bürgermeister kann den Bestand „seines“ sinnlosen Kleinspitals durchsetzen.

Aber sich all diesen Missständen zuzuwenden, wäre halt viel mühsamer, als nächstes Jahr eine „Linzer Medizin“ zu eröffnen. Mit Blasmusik und lokalchauvinistischen Reden.

Nur eines ist zu befürchten: Den Wirtschaftsnobelpreis wird es für diesen ganzen Hokuspokus nicht geben.

 

Drucken

Der Wettbewerb und das Bankgeheimnis

30. Juni 2013 03:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Präsident der italienischen Region Veneto jammert vehement: 700 Betriebe seien aus seiner Region schon Richtung Österreich abgewandert. Er nannte drei Gründe: die Steuerlast, die Bürokratie und das Bankgeheimnis; überall behandle Österreich seine Unternehmer besser. Gewiss: Politiker sind nicht immer seriöse Quellen der Wahrheit. Aber jedenfalls tut es den Österreichern gut, zumindest bisweilen zu hören, dass in anderen Ländern ihre Heimat noch irgendwo als Vorbild gehandelt wird. Wenn auch nur in Krisenländern wie Italien.

Aber jedenfalls macht diese Bemerkung eines Regionalpolitikers klar: Es geht bei allen Aspekten der Wirtschaftspolitik primär immer um die Standort-Vorteile einer Region, eines Landes gegenüber anderen. Sowohl innerhalb der EU wie auch zwischen EU-Regionen und außerhalb liegenden Wettbewerbern. Das vergessen populistische Politiker freilich allzu leicht. Nur in standortgünstigen ("wirtschaftsfreundlichen") Ländern wird investiert. Und nur bei Investitionen entstehen Arbeitsplätze. Und niemals durch Gewerkschaften oder Ministerien.

Stabilität, Rechtsstaat und Binnenmarkt

Dabei gibt es nicht den einen einzigen entscheidenden Faktor, der über Glück oder Elend eines Landes entscheidet. Vieles spielt dabei mit. An der Spitze der für einen Standort entscheidenden Notwendigkeiten stehen zweifellos die innere Stabilität eines Landes und das Funktionieren des Rechtssystems. Aber auch die Teilnahme am EU-Binnenmarkt hat sich als Wettbewerbsvorteil erwiesen, den jedenfalls kein Land aufgeben will.

Die sonstige Regulierungswut der EU ist hingegen keineswegs ein Konkurrenzvorteil. Auch der Euro hat sich nicht als solcher erwiesen, obwohl viele anfangs – auch der Autor dieser Zeilen – sehr wohl einen solchen Nutzen des Euro erwartet hatten. Im Gegenteil: Im Schnitt stehen die Euro-Länder heute bei allen volkswirtschaftlichen Messgrößen schlechter als die EU-Länder da, die nicht den Euro haben.

Freilich zeigen die Fakten ein differenziertes Bild: Auch etliche Nicht-Euro-Länder der EU wie etwa Malta oder einige Osteuropäer erlitten in den letzten Jahren schwere Krisen. Andererseits stehen einige Nicht-EU-Länder, die also auch nicht vollberechtigt am Binnenmarkt teilnehmen können wie die Schweiz und Norwegen, in jeder Hinsicht sehr gut da.

Eine Reihe anderer Ursachen des wirtschaftlichen Erfolgs eines Landes ist daher außerhalb von Binnenmarkt oder Euro zu suchen, wobei auch die Faktoren Rechtsstaat und Stabilität bei weitem nicht ausreichen.

Teilhabe an der Globalisierung und ethnische Vorteile

Besonders wichtig ist für alle erfolgreichen Länder, dass sie sich extrem weit dem Weltmarkt geöffnet haben und auf Schutzzölle und ähnliche Maßnahmen in hohem Ausmaß verzichten. Und dass ihre Löhne nur soweit höher sind als in anderen Ländern, wie die Arbeitskräfte fleißiger und besser ausgebildet sind. Eher irrelevant scheint hingegen die einst stark betonte Größe eines Landes zu sein; denn Singapur und Hongkong sind ebenso erfolgreich wie Kanada und die USA.

Eine absolut dominante Rolle spielen jedoch Faktoren, die von vielen Ökonomen als politisch inkorrekt und heikel gemieden werden wie das Weihwasser vom Teufel. Das sind die ethnischen Unterschiede. Denn kaum werden diese Aspekte auch nur untersucht, schreien Gesinnungsterroristen bereits „Rassismus!“

Aber es kann kein Zufall sein, dass sich Ostasien seit seiner Öffnung für die globale Marktwirtschaft weit besser entwickelt als Afrika und die arabischen Länder, die sich nach sozialistischen Irrwegen ja ebenfalls der Marktwirtschaft geöffnet haben. Es sind also eindeutig auch ethnische Unterschiede im Spiel – ohne dass man sagen kann, ob und wie weit sie kulturell oder genetisch bedingt sind.

Jedenfalls wird dieser gerne verschwiegene Faktor auch dadurch bewiesen, dass die Ostasiaten auf amerikanischen Universitäten die weitaus erfolgreichsten Studenten sind. Sie sind deutlich besser als die Nachfahren der aus Europa gekommenen Amerikaner. Diese liegen selbst wieder weit vor den lateinamerikanischen Zuwanderern. Und diese haben wiederum die Afroamerikaner deutlich hinter sich gelassen.

Steuern und Bürokratie

Aber kehren wir noch einmal zu den Standort-Sorgen des Veneto-Präsidenten zurück, der immerhin einer der erfolgreichsten Regionen Italiens vorsteht. Er hat einige ebenfalls wichtige Faktoren genannt. daher kann der Österreicher mit erstaunter Freude registrieren, dass man in Italien die Alpenrepublik auch in Sachen Bürokratie und Steuern als Vorbild sieht.

Das hätte er eigentlich nicht geglaubt. Aber im Vergleich zur italienischen ist die österreichische Bürokratie tatsächlich besser und nur in Teilbereichen wie etwa bei den Baugenehmigungen in großen Städten korrupt. Bei den Steuern hat der gute Mann hingegen die Einkommensteuer ignoriert. Bei den meisten anderen Steuern hat er zwar Recht, lässt aber außer Acht, dass die Steuereintreibung in Italien viel weniger konsequent erfolgt.

Bankgeheimnis zum Schutz des Privatlebens

Als dritten Wettbewerbsfaktor hat der Veneto-Präsident auch das Bankgeheimnis genannt. Mit dem ist es freilich nicht so einfach, weshalb es eine eingehende Betrachtung wert ist. Wahrscheinlich liegt die Hauptbedeutung dieses Geheimnisses in einer bloßen Illusion. Viele Sparer und Anleger glauben nämlich, dass dadurch ihr Geld ein wenig besser vor dem Staat, vor den Staaten geschützt wird; dass deren Gier dadurch Bremsen angelegt werden.

Ein guter Beweis für diese Gier als Antriebskraft bietet die Schuldenkrise. Es ist kein Zufall, dass die Staaten genau in dieser ihren Würgegriff auf Sparer und Banken verstärken. Genau wegen der derzeit explodierenden Schulden der Staaten kommt jetzt aus dem Ausland, aber auch von etlichen Politikern des Inlands das österreichische und Luxemburger Bankgeheimnis verstärkt unter Druck, ebenso jenes der Schweiz und anderer Verteidiger des Steuergeheimnisses. Die Gier und die Neugier vieler Regierungen kennt keine Grenze.

Steuerhinterzieher verdienen keinen Schutz, aber . . .

Nun werden viele mit Fug und Recht sagen, Steuerhinterzieher verdienen keinen Schutz. Jedoch ist es infam, so zu tun, als ob jeder für das Bankgeheimnis eintretende Europäer ein Steuerhinterzieher wäre. Viele wollen einfach ihr Geld vor der (letztlich gierigen) Neugier des Staates und der lieben Verwandtschaft verbergen. Es ist ja auch nicht jeder ein Terrorist oder Kinderpornokonsument, der es nicht mag, wenn der Staat in seinem Computer herumspioniert. Beim Sparbuch wie beim Computer – wie noch in vielen anderen Bereichen – geht es in Wahrheit um die letzten Residuen persönlicher Freiheit, geht es um Privatheit. Beides ist den Staaten selbst naturgemäß nichts wert. Deshalb wollen sie den automatischen Datenaustausch in Hinblick auf sämtliche Sparkonten der Europäer.

Das Bankgeheimnis kann in Ländern wie Österreich ohnedies jetzt schon sogar ohne Gerichte durch bloße Anfragen ausländischer Steuerbehörden durchbrochen werden. Außerdem ist die von Österreich und der Schweiz praktizierte Quellensteuer ein gutes Mittel, jedenfalls den Herkunftsstaat an im Ausland verdienten Zinsen seiner Subjekte teilhaben zu lassen. Zugleich kann seit langem niemand mehr in Österreich anonym Geld anlegen. Die Geldwäschebestimmungen sind heute schon sehr streng.

All das spräche eigentlich eher dafür, das Bankgeheimnis zumindest in seinen bescheidenen Resten aufrecht zu erhalten. Dennoch hat Österreich kaum mehr Chancen, es zu verteidigen. Hat doch sogar der eigene Bundeskanzler das Bankgeheimnis zu einem Instrument der Steuerhinterzieher erklärt und will es abschaffen.

Und vor allem: Wenn wirklich ein effizienterer Kampf gegen Steuerhinterziehung im Zeichen der Gerechtigkeit das Motiv wäre, dann gäbe es ein Aufgabenfeld, das viel wichtiger ist als das Bankgeheimnis. Dennoch kommt das österreichische Finanzministerium mit diesem Hinweis in der Öffentlichkeit kaum durch. Es kann jedoch beweisen, dass keineswegs das Bankgeheimnis das Instrument ist, mit dem man wirklich relevante Steuerhinterziehungen durchführt: Das Vehikel für diese sind vielmehr die in einigen Ländern zulässigen anonymen Kapitalgesellschaften.

Anonyme Gesellschaften richten hundert Mal mehr Schaden an

Diese sind zwar unterschiedlich konstruiert. Aber immer ist es unmöglich, den eigentlichen wirtschaftlichen Nutznießer zu identifizieren. Nach Einschätzung des seit einem Vierteljahrhundert im Finanzministerium als Sektionschef amtierenden Wolfgang Nolz und seines Kollegen Harald Waiglein wird damit hundert Mal so viel Schindluder getrieben wie mit dem Bankgeheimnis.

Den österreichischen Finanzexperten ist es mit beharrlichen Hinweisen auf dieses Problem nun zumindest gelungen, es zum Teil des EU-Verhandlungspakets mit den „Steueroasen“ zu machen. Den Banken soll vorgeschrieben werden, bei allen Zahlungen an Drittstaaten den wirtschaftlichen Eigentümer des Kapitals zu eruieren.

Weltweit jede Möglichkeit für Missbrauch

Das Ministerium kann dabei als Beleg auch große Studien des britischen Ökonomieprofessors Jason Sharman vorlegen. Diese zeigen ein dramatisches Bild dessen, was international möglich ist: Sharman hat im Vorjahr 7400 Anfragen in 182 Ländern gestellt, bei denen vorgegeben wurde, anonyme Firmen gründen zu wollen. Ergebnis: in 48 Prozent der Fälle war keine ordentliche Identifikation notwendig, in 22 überhaupt keine. Selbst dann, wenn in der Anfrage von schwerer Kriminalität als Hintergrund die Rede war, waren in etlichen Ländern anonyme Firmengründungen möglich: sogar bei Korruption (9 Prozent) oder bei Terrorismus (5 Prozent).

Auch Weltbank, OECD und die Anti-Geldwäsche-Institution FATF sind auf viele Spuren gesellschaftsrechtlicher Tarnvehikel gestoßen. Während das Bankgeheimnis bei kriminellen Verschiebungen fast keine Rolle spielt.

Bei diesen problematischen Firmen-Konstruktionen geht es vor allem um die in etlichen angelsächsischen Ländern üblichen Trusts; es geht um Stiftungen in Ländern ohne umfassendes Stiftungsregister; es geht um treuhänderische Gesellschafter; es geht um den betrügerischen Erwerb ganzer Firmenmäntel samt Vorgeschichten. Wenn solche Firmen einmal über zwei, drei Grenzen hinweg Gelder verschieben, sind deren Spuren nie mehr auffindbar.

Das Schwarzgeld findet immer neue Schlupflöcher

Auf diese Weise geht den Staaten in der Tat viel Geld verloren, das dann die anderen Steuerzahler ersetzen müssen. Freilich: Auch im Wiener Finanzministerium fürchtet man, dass die wirklichen Oasen des Schwarzgeldes sehr bald neue Konstruktionen finden werden, um solche Regelungen zu umgehen.

Die Möglichkeit solcher Konstruktionen vor allem in den angelsächsischen Ländern bedeutet nämlich einen großen Wettbewerbsvorteil für deren Finanzindustrie. Diese Länder werden daher vehement für diesen Vorteil kämpfen. Der von Österreich initiierte Kampf dagegen ist überdies auch juristisch viel komplizierter als jener gegen das Bankgeheimnis.

Dieses Bankgeheimnis wollen jedenfalls die meisten EU-Länder durch einen automatischen Informationsaustausch beenden. Jedoch weisen erfahrene Finanzleute in Wien auch auf die unglaublich große und unstrukturierte Datenmenge hin, um die es dabei gehen würde. Als Beispiel berichten sie von den Pensionszahlungen: Zwischen Deutschland und Österreich werden da zwar schon seit einigen Jahren große Datenmengen ausgetauscht; es hat aber sechs Jahre nach Beginn dieses Austauschs gedauert, bis Deutschland die ersten Bescheide zur Eintreibung seiner Einkommensteuer geschafft hat. Dabei sind diese Datenmengen noch deutlich geringer als die von Banktransaktionen.

Dennoch wird der an sich kluge Gedanke wohl scheitern, dem automatischen Bankdatenaustausch erst dann zuzustimmen, wenn es effektive Maßnahmen gegen Trusts & Co gibt. Hat doch die auf dieser Strategie fahrende Finanzministerin nicht einmal ihren Parteiobmann oder ihren Regierungschef von dieser Strategie überzeugen können. Vielleicht ist das Thema auch ein wenig zu kompliziert. Und jedenfalls spielen Standortfragen bei populistischer Politik keine Rolle.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Wo gibt es die meisten freien Tage?

26. Juni 2013 19:06 | Autor: Andreas Unterberger

Bezahlte Urlaubs- und Feiertage in den Staaten mit den meisten freien Tagen

 

Staat Gesamt Urlaub Feiertage
Österreich

35

22

13

Portugal

35

22

13

Deutschland

34

24

10

Spanien

34

22

12

Frankreich

31

30

1

Italien

31

20

11

Belgien

30

20

10

Neuseeland

30

20

10

Irland

29

20

9

Australien

28

20

8

Quelle: Bloomberg

Drucken

Investieren in Österreich? Danke, nein!

26. Juni 2013 17:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist wohl die am stärksten alarmierende Zahl der letzten Jahre, die da soeben (sehr zum Leidwesen der sich noch immer bejubelnden Regierung) von einer internationalen Organisation über Österreich und die EU veröffentlicht worden ist.

Denn die große Wirtschaftsorganisation der UNO (Unctad) hat errechnet: In der EU sind im Vorjahr die ausländischen Direktinvestitionen um nicht weniger als 41 Prozent zurückgegangen. In Österreich beträgt der Rückgang sogar 44 Prozent. Das ist wohlgemerkt binnen eines Jahres passiert! Mit anderen Worten: Nur ein paar Ahnungslose tragen noch Geld in das hemmungslos überregulierte und unter unerträglichen Wohlfahrtslasten ächzende Europa. Oder gar nach Österreich.

Gewiss muss objektiverweise hinzugefügt werden, dass weltweit die Direktinvestitionen insgesamt um 18 Prozent zurückgegangen sind. Das ist ein Beweis des global gewachsenen Misstrauens. Aber wenn China oder Brasilien laut dieser Unctad-Studie nur einen zweiprozentigen Rückgang verzeichnen, dann ist klar, zu welchen Regionen die so dringend benötigten Menschen mit Geld trotz allem Vertrauen haben. Und zu welchen nicht.

Die Gründe hierfür sind im Tagebuch immer wieder aufgelistet worden. Europa und Österreich machen in den letzten Jahren jeden nur erdenklichen Fehler. Und das absurde Konjunkturprogramm der österreichischen Regierung (das trotz anderslautender Beteuerungen natürlich sehr wohl den Schuldenstand weiter erhöht) ist ein weiteres Element der Bemühungen, das Land für dauerhafte Investoren unattraktiv zu machen. Sie alle können ja rechnen, was das bedeuten muss. Manche Unternehmen werden zwar versuchen, einen Teil des Geldsegens einzufangen, aber keiner will mehr dauerhaft hier investieren, weil er die Steuerhöhe kennt und vor allem die rotgrünen Pläne, die Last noch weiter erhöhen.

Den allerwichtigsten Grund für die Flucht des Gelds aus Österreich hat dankenswerterweise (wenn auch unbeabsichtigt) die SPÖ-Politikerin Csörgits in einer Aussendung über die Krisenfolgen formuliert: „Österreich ist EU-weit das einzige Land, das das Sozialsystem ausgebaut hat“.

Wirklich Bravo. Da kann man nur noch sagen: Griechenland hat auch saudumme und populistische Politiker. Aber es hat wenigstens Sonne und Meer.

PS.: Es ist ein bezeichnender Zufall, dass dieser Investorenstreik fast zur gleichen Stunde bekannt wird, da das endgültige Scheitern des von Österreich angeführten Gaspipeline-Projekts „Nabucco“ eingestanden werden muss (auch dieser Kollaps war ja hier mehrfach prophezeit worden). Der Grund ist der gleiche: Ein ausländischer Investor nach dem anderen hat sich zurückgezogen.

Drucken

Die Prioritäten dieser Regierung: Beton statt Kinder

25. Juni 2013 12:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist nur noch widerlich: Diese Regierung greift wegen des Alpine-Konkurses ins Geld der Familien und Kinder und berühmt sich noch dafür. Das stellt ihre sonstigen Finanztricks auf dem Niveau eines Jahrmarktjongleurs noch weit in den Schatten.

1,6 Milliarden macht ein sogenanntes Konjunkturpaket aus, das die Regierung jetzt beschlossen hat – und das laut ihrer Propaganda doch nicht zu einer weiteren Schuldenerhöhung führen würde. Da fragt man sich: Aus welchen, offensichtlich mit einem Federstrich umstoßbaren Lügenkonstruktionen bestehen eigentlich hierzulande Budgets und öffentliche Bilanzen? Plötzlich ist eh immer Geld da, wenn nur ein paar Lobbyisten laut genug jammern.

Die Minister jammern regelmäßig bei den Budgetverhandlungen lautstark. Für populistische Auftritte haben sie dann aber plötzlich immer auf Knopfdruck verfügbare Rücklagen.

Man denke beispielsweise einige Wochen zurück: Das Außenministerium musste im Rahmen des Sparbudgets die Entwicklungshilfeausgaben reduzieren; da waren nach ein paar Klagen der von der Entwicklungshilfe lebenden Vereine plötzlich in den SPÖ-Ministerien die nötigen Gelder sofort da (zumindest wenn Werner Faymann einmal die Wahrheit gesprochen haben sollte).

Seltsam ist auch, dass offenbar die nun "konjunkturell" verjubelten Erträge aus den Mobilfunklizenzen nicht als Einnahmen budgetiert waren. Was wäre, wenn nicht ein Konjunkturbudget (angeblich) nötig geworden wäre? Hätte das die Verkehrsministerin im Casino verspielen dürfen? Hat von diesen bevorstehenden Einnahmen niemand gewusst? Oder hat man eh alles gewusst und nur mit einem neuen Mascherl versehen? Warum hat niemand daran gedacht, dass man damit ja auch Defizit, Schulden und/oder Steuern reduzieren könnte?

Blickt man noch genauer hin, wird die Sache aber noch viel widerlicher. Diese Regierung widmet einfach Gelder des Familienlastenausgleichsfonds um zur Hilfe für die Bauindustrie! Und jubelt noch darüber. Es ist nicht zu fassen.

Kinder, Familien? Brauchen wir nicht. Statt dessen bauen wir halt wieder sinnlose Kurzfristprojekte, damit nur ja die Bauwirtschaft profitiert. Wie etwa die zahllosen mehrfach neu- und umgebauten Bahnhöfe quer durchs Land. Wie etwa die komplett neugebaute und schon nach wenigen Jahrzehnten unbrauchbare Wirtschaftsuniversität. Wie hundert andere Beispiele, wo unser Geld sinnlos die Bauindustrie gefüttert hat.

Mit Verlaub: Sollte wirklich im Familienlastenausgleichsfonds einmal zu viel Geld da sein (in Wahrheit ist er vorerst noch immer verschuldet), dann könnte man ja die Zwangsbeiträge für diesen Fonds reduzieren. Eine solche Reduktion der Lohnnebenkosten würde der gesamten Wirtschaft helfen und viel mehr Arbeitsplätze sichern und schaffen. Denn noch immer wissen Unternehmer besser, wo man Geld sinnvoll investiert als populistisch-hektische Politiker.

Bitte, lieber Gott, lass uns heute noch wählen! Sonst hauen sie auf Kosten unserer Zukunft im Wahlkampf noch ein paar Milliarden beim Fenster hinaus, wie schon 2008.

PS.: Natürlich könnte ein richtiges Konjunkturpaket sinnvoll sein. Das aber müsste aus einer Abschaffung zahlloser sinnarmer Gesetze und Verordnungen, einer dramatischen Verkürzung von Umweltverträglichkeitsprüfungen (die meist nur von irgendwelchen grünen NGOs zur Erpressung benutzt werden, die aber Projekte um Jahrzehnte verzögern) und einer umfassende Privatisierung bestehen (von der Telekom bis zu den Energieversorgern).

 

PPS.: Wenn die jetzt gestrandete Alpine bei einzelnen Projekten um 34 Prozent billiger geboten hat, dann wird nicht nur der Konkurs klarer. Dann wissen wir jetzt auch, wohin ein Großteil des Geldes fließen wird.

Drucken

Schlechtes Börsenland, schlechtes Wirtschaftsland

24. Juni 2013 00:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die von der Wiener Börse veröffentlichten Statistiken sind erschütternd. Noch mehr erschüttert, dass sie keinerlei Diskussion ausgelöst haben. Der Politik, aber auch den meisten Medien ist der Standort Österreich offenbar wurscht. Und es gibt auch keine Ökonomen, die wie etwa in Deutschland ständig fundiert debattieren würden, die den ahnungslosen Politikern und Journalisten klarmachen, dass ohne gut funktionierende Börse der Standort schwer leiden wird.

Wenn im Vorjahr der Umsatz inländischer Aktien um 40 Prozent niedriger als davor war, dann müsste das eigentlich überall Blaulicht auslösen. Noch bedenklicher ist, dass der ganze Wiener Börsenverbund, zu dem auch Budapest, Laibach und Prag gehören, inzwischen von Warschau weit überflügelt wird. Die Börse im wirtschaftsfreundlich regierten Polen erzielt schon einen doppelt so hohen Umsatz wie die vier Wien unterstehenden Börsen zusammen. Zwar sind auch in Polen 2012 die Umsätze zurückgegangen, aber eben weit weniger.

Es gibt eine klare Ursache für die hiesige Krise: die Politik. Dennoch bemüht sich fast niemand ihr klarzulegen, wie wichtig eine funktionierende Börse und ein Kapitalmarkt für die Zukunft des Landes, seiner Investitionen, seines Wachstums und seiner Arbeitsplätze wären. Weder die KMU-Gewerkschaft (=Wirtschaftskammer) noch die in den Dienst der Bundesbahnen geratene Industriellenvereinigung kämpft darum, den Politikern die langfristigen Folgen ihres Verhaltens zu vermitteln. Diese selbst sind entweder ahnungslos oder glauben, dass sie mit dem Thema Börse keine Wahlen gewinnen.

Die konkreten Fehler der letzten Jahre: Der eine bestand darin, dass keine weiteren Privatisierungen von Staatsbeteiligungen erfolgt sind, obwohl dies sogar das eher linke Wirtschaftsforschungsinstitut vorgeschlagen hatte. Viele Investoren meiden aber Firmen, an denen der Staat beteiligt ist. Von der Telekom bis zu Stromunternehmen sehen sie ja auch dessen verderbliche Einflüsse. Viele Politiker versuchen noch immer, dort ihre eigenen Interessen zu verfolgen: von versteckten Finanzflüssen über parteipolitisch motivierte Marketingausgaben bis zu Personalbesetzungen.

Noch schlimmer war das allgemeine Klima. Statt zu sparen hat die Regierung trotz fundierter Warnungen von Experten eine Finanztransaktionssteuer angekündigt. Sie hat damit die eigene Blamage in Kauf genommen, als klar geworden war, dass diese Steuer hinten und vorne nicht funktionieren kann.

Und am schlimmsten wirken die schon neu eingeführten Steuern. Das sind die Bankensteuer und vor allem die Kursgewinnsteuer. Diese kassieren einen guten Teil des Gewinnes von Börsenkursen. Weshalb viele nicht mehr dort investieren.

Wird man all die Fehler erkennen, bevor es endgültig zu spät ist? Bevor das Land auf viele Jahre in griechisch/zypriotisch/italienisch/spanisch/portugiesische Depressionen verfällt?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Die Wirtschaftskraft der USA und der EU im Vergleich

23. Juni 2013 11:47 | Autor: Andreas Unterberger

Neueste vefügbare zentrale wirtschaftliche Kennzahlen der EU und der USA im Vergleich

 

  USA EU
Bevölkerung (Mio)

312

504

Fläche (Mio km2)

9,2

4,3

BIP (Bio US-$)

14,99

17,58

BIP/Kopf (US-$)

48.820

32.590

Wirtschaftswachstum 2012-13 (in %)

+ 1,9

- 0,1

Außenhandelsbilanz (% des BIP)

- 2,8

+ 1,6

Arbeitslosenquote

7,7

11,1

 Quelle: Europäische Kommission, Weltbank

Drucken

Mehr Wettbewerb durch mehr Staat?

21. Juni 2013 08:34 | Autor: Georg Vetter
Rubrik: Gastkommentar

Die Volkspartei fällt bekanntlich dadurch auf, dass sie regelmäßig just vor Wahlen ihre soziale Wärme entdeckt und dafür in der Folge vom Wähler abgestraft wird. Dass hier ein Zusammenhang besteht, leugnen die ÖVP-Wahlstrategen konsequent – und schon haben sie angesichts der baldigen Nationalratswahlen mit einer Gebühren-Bremse-Kampagne begonnen. Laut Michael Spindelegger handelt es sich um ein Maßnahmenpaket, das „nichts kostet und viel bringt“.

Eine scheinbar unverdächtige Maßnahme dieses Pakets greife ich heraus: Mehr Wettbewerb durch Aufwertung der Wettbewerbsbehörde samt höheren Strafen bei Preisabsprachen und Kartellbildung.

Nun beschreibt schon Adam Smith im „Wohlstand der Nationen“ die den Kaufleuten innewohnende Tendenz, Preise abzusprechen, wenn sie sich irgendwo treffen. Selbst BZÖ-Chef Josef Bucher meinte unlängst bei einer Veranstaltung des Clubs unabhängiger Liberaler, dass der staatliche Eingriff in die Benzinpreisbildung seine Rechtfertigung in der oligopolistischen Struktur dieses Marktsegments finde. Manche gehen schließlich von einer natürlichen Tendenz jedes Marktes zur Monopolbildung aus.

Zunächst stimmt letzteres Argument schon empirisch nicht. Es gibt zahlreiche oligopolistische Märkte, kaum aber monopolistische. Letztere können praktisch immer nur durch staatliche Zwangsmaßnahmen aufrechterhalten werden. Der ORF und die Austria Tabak lieferten dafür in der jüngeren österreichischen Wirtschaftsgeschichte eindrucksvolle Beispiele. Sobald der gesetzliche Schutz wegfiel, war auch mit der Monopolstellung Schluss.

Selbst dort, wo es faktisch ein Monopol gibt, bedeutet dies nicht, dass der Wettbewerb ausgeschaltet ist. Solange der Markteintritt für neue Marktteilnehmer möglich ist, sich dieser aber wegen des kostengünstigen Anbietens des Monopolisten nicht auszahlt, ist der Sinn des Wettbewerbs erfüllt: Die Konsumenten beziehen Ware zu konkurrenzfähigen Preisen. Klassische Beispiele liefern die Betriebssysteme von Microsoft, die solange konkurrenzlos blieben und bleiben, wie sie vom faktischen Monopolisten zu Wettbewerbspreisen auf den Markt gebracht werden. Dass die diversen Windows-Programme regelmäßig weiterentwickelt und zu leistbaren Preisen auf den Markt gebracht werden, weiß jeder, der sich seinen PC samt Software selbst bezahlt.

Wenn wir Fragen des Wettbewerbs diskutieren, haben wir es mit zwei populären Irrtümern zu tun: Erstens sei Wettbewerb per se ruinös, weil niemand mehr kostendeckend produzieren könne und zweitens bedürfe jeder Wettbewerb nicht nur eines staatlichen Rahmenwerks – beispielsweise zur Definition der Eigentumsrechte und zur Durchsetzbarkeit von Verträgen – sondern auch einer sozialistischen Korrektur („Arzt am Krankenbett des Kapitalismus“).

Das Argument definitionsgemäß ruinösen Wettbewerbs ist heute nicht mehr sehr bedeutend, weil es schlicht mit der Wirklichkeit nicht korrespondiert. Nur dann, wenn ein paar Liberale dem Steuerwettbewerb unter den EU-Staaten etwas Positives abgewinnen, wird diese Argumentationsschiene aus dem Hut gezaubert, ohne auf viel Resonanz zu treffen.

Planwirtschaftliche Wettbewerbsaufsicht

Dass der Wettbewerb in erster Linie nur mit Hilfe der staatlichen Korrekturpolitik funktionieren könne, erscheint mir als viel bedeutenderer Irrglaube von Menschen, die in ihrer Jugend zu viel Karl Marx gelesen haben und vom planwirtschaftlichen Gedankengut nicht ganz ablassen können. So mag es schon prinzipiell schwierig sein, im Kartellrecht die Marktanteile einzelner Akteure festzustellen. Zu oktroyieren, dass der drittgrößte Marktteilnehmer mit dem viertgrößten, nicht aber mit dem zweitgrößten fusionieren darf, um nicht zum größten zu avancieren, erscheint willkürlich. Eine solche Willkür wird daher immer eine Quelle der Manipulation, wenn nicht gar der Korruption darstellen.

Dass in Österreich Preisabsprachen und Kartellbildungen tatsächlich ein brennendes Problem darstellen, darf bezweifelt werden. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die Wirtschaft in Österreich hauptsächlich klein- und mittelständisch strukturiert ist. Aber auch in konzentrierten Märkten regulieren sich Preisabsprachen durch neue Marktteilnehmer selbst – sofern der Staat die Markteintrittshürden nicht besonders hoch angesetzt hat. Wettbewerb, Märkte und Preise sind selbst Regulative bei marktfremdem Verhalten, wenn man sie nur frei werken lässt. Wer dies nicht glaubt und nicht zulässt, wendet sich praktisch zwangsläufig dem „sozialistischen Wettbewerb“ zu und treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus.

Wenn man nun der Wettbewerbsbehörde mehr Möglichkeiten einräumt – was auf Deutsch mehr Einsicht in die Unternehmen, also mehr Aufsicht und mehr Staatsgewalt bedeutet – bitten wir den großen Bruder um mehr Beobachtung. Warum dies eine Maßnahme sein soll, die nichts kostet, aber viel bringt, erscheint ein Geheimnis der ÖVP-Ökonomen zu sein.

Ähnlich wie bei der Übernahmekommission und anderen staatlichen Regulierungsbehörden stellt sich auch hier die Frage, ob ein Mehr an Behörden wirklich dem Wettbewerb förderlich ist. Wenn im gleichen Atemzug auch der populistisch-moderne Ruf nach höheren Strafen ertönt, fürchte ich um die Lauterkeit des Beabsichtigten. Soll hier wirklich mehr Wettbewerb geschaffen werden oder kann es sein, dass sich der Staat ein stärkeres Überwachungsinstrument mit angeschlossener Einnahmequelle schaffen will?

Auch im Bereich der Wettbewerbspolitik ist, wie so oft, der Stärkung der Rechte des Einzelnen gegenüber der Behördenausbaupolitik der Vorzug zu geben. Wissend, dass mir nicht alle Leser folgen werden, zitiere ich ein paar passende Worte unseres Nobelpreisträgers Friedrich Hayek: „… will ich nur hinzufügen, dass es mir wünschenswert scheint, dass die Liberalen über diese Themen verschiedener Meinung sind; je verschiedener, desto besser. Denn am allermeisten tut es Not, dass diese Fragen einer Politik für eine Wettbewerbsordnung wieder lebende Probleme werden und öffentlich diskutiert werden; und wir werden einen wichtigen Beitrag geleistet haben, wenn es uns gelingt, die Aufmerksamkeit auf sie zu lenken.“ (Hayek, „Freie Wirtschaft" und Wettbewerbsordnung)

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt mit Schwergewicht auf Gesellschaftsrecht und Wahrnehmung von Aktionärsinteressen in Publikumsgesellschaften.

Drucken

Fußnote 451: Wie sehr muss Österreich gescheiter geworden sein!

12. Juni 2013 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Zahl der Studienabschlüsse spricht eine deutliche Sprache.

Es ist eigentlich absolut sensationell und unfassbar: Zwischen 2001 und 2012 hat sich die Zahl der Studienabschlüsse mehr als verdoppelt. Auch bei den Erstabschlüssen ist die prozentuelle Entwicklung fast genauso drastisch. Und der Zuwachs passierte fast ausschließlich bei Frauen. Deren Erstabschlüsse liegen nun schon um fast der Hälfte über jener der Männer. Für all das gibt es zwei einander widersprechende Interpretationen. Die eine: Österreich (samt seinen vielen deutschen „Gästen“) ist vor allem dank der Frauen viel gescheiter, fleißiger, wissenschaftsorientierter geworden. Die andere: Studienabschlüsse werden zu Ausverkaufskonditionen hergegeben – insbesondere in den frauendominierten, aber großteils brotlosen Geistes- und Sozialwissenschaften, während junge Männer den Unis den Rücken zuwenden und sich aufs Geldverdienen konzentrieren. Die Politik und die Medien finden die Entwicklung jedenfalls super. Und kein Mensch schaut sich an, was ein Uni-Abschluss heute noch wert ist. Sei es in Hinblick auf das Können und Wissen. Sei es in Hinblick auf die Arbeitsmarktchancen.

Drucken

Wahlkampf in Österreich eröffnet: Alarmsignale für die Konjunktur

10. Juni 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das in Zürich ansässige Europäische Wirtschaftsforschungsinstitut veröffentlicht unter dem Titel „Unternehmer Monitor“ Einschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung, die auf der Befragung von Unternehmern und Geschäftsführern basieren. Die jüngst in der letzten verbliebenen „Wirtschaftslokomotive“ Europas, Deutschland, erhobenen Daten verheißen gar nichts Gutes.

So meinen zwar 44 Prozent der Befragten, dass die herrschende Krise nur „minimale Auswirkungen“ auf das eigene Unternehmen habe, aber stattliche 27 Prozent befürchten „erhebliche Umsatz- und Wachstumseinbußen“. Besorgniserregende acht Prozent sehen sogar die Existenz ihres Unternehmens gefährdet. Die Krise hat damit auch Kerneuropa voll erfasst. Derart negative Erwartungen werden nicht folgenlos bleiben – besonders im Hinblick auf die Beschäftigungssituation.

Das für Österreich erhobene Konjunkturklima weist ebenfalls einen massiven Abschwung aus und liegt damit offenbar weit näher an der Realität, als die Gewerkschafts- und Arbeiterkammer-affinen Jubelmeldungen des österreichischen Wifo, das leider mehr und mehr zu einer Propagandaagentur überzeugter Planwirtschaftler verkommt. Sowohl der Situations- als auch der Erwartungsmonitor des EUWIFO stehen per Anfang Juni auf absoluten Tiefstständen. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht – und zwar aus guten Gründen!

Denn die für im Herbst stattfindenden Wahlen zum Nationalrat in Stellung gehenden Sozialisten schicken sich eben an, ein wahres Feuerwerk von unternehmensfeindlichen und für die Wirtschaft empörenden Ankündigungen und Versprechungen abzubrennen. Begründet wird das mit dem abgeschmackten Schmäh eines Kampfes für mehr „soziale Gerechtigkeit“. Fast im Wochentakt wird mit Forderungen nach neuen Steuern, der Anhebung bestehender Steuern und mit der Planung zusätzlicher Gängelungsmaßnahmen für Unternehmer aufgewartet.

Besonders schlimm auf das Wirtschaftsklima wird sich wohl die Aussicht auf die Einführung einer Substanzbesteuerung von Vermögen auswirken, die großteils zu Lasten mittelständischer Unternehmen geht. Pikantes Detail am Rande: Aus eben diesem Grund wurde diese Steuer vor rund zwanzig Jahren von einem der wenigen mit wirtschaftlichem Verstand ausgestatteten Sozialisten, dem seinerzeitigen Finanzminister Lacina, abgeschafft. Welcher Teufel den Mann reitet, dass er nun plötzlich für die Wiedereinführung der von ihm einst abgeschafften Enteignungsmaßnahme eintritt, liegt im Dunkeln.

Leider ist es eine der besitzlosen Plebs schwer zu vermittelnde Botschaft, dass Vermögen nicht zuallererst aus Lustschlössern, Luxusyachten, Pelzmänteln und Privatjets, sondern aus Unternehmenskapital besteht, das zu vermindern bedeutet, den künftig verfügbaren Wohlstand der Gesellschaft zu reduzieren.

Indes ist im Land der Hämmer zu erwarten, dass die ebenso kurzsichtig wie niederträchtig auf Neidaffekte schielenden Wahlparolen auf fruchtbaren Boden fallen werden. Missgunst schadet am Ende jedoch allen. Bei diesen Aussichten kann nämlich nicht erwartet werden, dass Unternehmen, die – noch – über die dafür nötige Finanzkraft und Bonität verfügen, Investitionen tätigen werden; zumindest nicht, ohne das Wahlergebnis im Herbst abzuwarten. Die keineswegs undenkbare Bildung einer radikal linken Regierung wäre – wie das Beispiel Frankreichs eindrucksvoll belegt – ein schwerer Schlag für den Wirtschaftsstandort Österreich.

Eine über den Tellerrand hinausblickende Fiskalpolitik sucht man hier schon jetzt vergeblich. Selbst jede einzelne Initiative der einst bürgerlichen „Wirtschaftpartei“ ÖVP steht ausschließlich im Dienste kurzfristiger Stimmenmaximierung und wird maßgeblich von der unentwegten Rücksicht auf die Berichterstattung in den durch die Bank roten Hauptstrommedien bestimmt. Das gilt übrigens auch für die Politik aller anderen Parteien. Sich bei der Wahl im Herbst zwischen Pest, Cholera, Ebola, Syphilis, einem Hirnaneurysma und einem Pankreaskarzinom entscheiden zu müssen, bietet indes wenig Anlass für einen optimistischen Blick in die Zukunft…

Wie auch immer: Die nach dem unermesslichen Ratschluss des internationalen politisch-finanzwirtschaftlichen Komplexes erfolgende Flutung der Volkswirtschaften mit billiger Liquidität zeigt jedenfalls keine Wirkung – zumindest nicht die intendierte. Die Wirtschaft will – und zwar rund um den Globus – einfach nicht „anspringen“. Jene liberalen Ökonomen, die schon seit Jahren vor den Folgen der lockeren Zins- und Geldpolitik warnen, werden diesen Umstand möglicherweise mit dem Kommentar „Gott sei Dank“ versehen.

Denn aus dem Nichts geschaffener Kredit – Liquidität, die nicht erspart, also dem Konsum entzogen –- sondern einfach per Mausklick neu geschaffen wurde, zieht mittel- bis langfristig ausschließlich schädliche Konsequenzen nach sich: Schiere Wohlstandsvernichtung durch zum Teil haarsträubende Fehlinvestitionen (etwa in eine für eine Industrienation verheerende „Energiewende“) und durch den Aufbau massiver Überkapazitäten in den verschiedensten Branchen. Ihnen haben wir – nach dem politisch verordneten, mittels Schulden induzierten Boom – den nun dräuenden Abschwung zu verdanken, der, unter Aufbietung des gesamten verfügbaren Arsenals an Lenkungsmaßnamen, verhindert werden soll. Dieser Versuch jedoch ist, nach allen Lehren der Geschichte, zum Scheitern verurteilt.

Der 1973 verstorbene österreichische Ökonom Ludwig Mises fasste das Problem in einem einzigen Satz zusammen: „Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden.“ Ein Gegenbeweis zu dieser These konnte bislang jedenfalls nicht erbracht werden. Ob es zum Kollaps kommen wird, ist also nicht die Frage. Diese stellt sich nur noch nach dem Eintrittszeitpunkt. Wohl dem, der in dieser Lage eine gut funktionierende Kristallkugel sein Eigen nennt!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Europa braucht wieder Zukunft braucht wieder Energie braucht wieder Wettbewerbsfähigkeit

10. Juni 2013 01:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Zunehmend, wenn auch noch immer erschreckend langsam, beginnt sich Europa nun doch den wirklich ernsthaften Existenzfragen zuzuwenden. Und ein ganz zentrales ist dabei das Thema Energie. Sie ist (neben einem flexiblen Arbeitsmarkt gut ausgebildeter Menschen und einem auf Leistung und Vielfalt setzenden Bildungssystem) das zentrale Element einer modernen Industriegesellschaft. Nur wenn es funktionierende Antworten etwa auf die Tatsache gibt, dass Europas Gaspreis derzeit viermal so hoch wie der amerikanische ist, wird es gelingen, Europa aus seiner schier unendlichen Talsohle herauszuholen und Investoren hereinzuholen. Wie dringend das wird, zeigt etwa die Schreckensmeldung, dass mittlerweile schon jeder vierte junge Europäer arbeitslos ist. Und ohne jede Perspektive.

In der EU-Kommission beobachten mittlerweile alle Politiker und Spitzenbeamten, die sich für Wettbewerb, Arbeitsmarkt oder die Wirtschaftsentwicklung verantwortlich fühlen, panisch die Energiefrage. Es ist ihnen nun zumindest gelungen, das Thema auch beim Europäischen Rat der Regierungschefs zu verankern. Gewiss: beim jüngsten EU-Gipfel galt das primäre Interesse noch dem populistischen Kampf gegen Steuerflucht und -vermeidung.

Aber die Wichtigkeit der Energiefrage wird nun doch auch den europäischen Regierungen langsam bewusst. Sie steht jedenfalls endlich auf der Agenda. Eigentlich hätte das schon seit zwei Jahren der Fall sein müssen. Also seit erstmals die Abwanderungspläne wirtschaftlicher Champions wie etwa der Voest wegen der hohen europäischen Energiepreise bekannt geworden sind. Zumindest Optimisten hoffen, dass die mächtigsten Frauen und Männer Europas beim nächsten Gipfel auch die konkreten Konsequenzen aus dieser Lage beschließen werden.

Die USA als spannendes Beispiel

Ohne totales Umdenken, dass eine leistbare und sichere Energieversorgung weit wichtiger ist als eine ständige Diskussion der Panikthemen, die von sogenannten ökologischen Organisationen ausgestreut werden, kann es mit Sicherheit nicht gelingen, die Krise zu beenden. Im Gegenteil. Diese wird sich ohne Lösung der Energiefrage sogar noch vertiefen.

Die USA sind da ein gutes Beispiel. Obwohl sie finanz- und schuldenpolitisch noch ärgere Fehler als Europa begangen haben, sind sie erstaunlicherweise wieder auf der Wachstumsspur. Und das verdanken sie zur Gänze ihrer Energiepolitik. Die Europäer hingegen glauben, dass man ganz von selber wieder auf die Wachstumsspur kommt. Oder gar mit noch mehr Schulden und Steuern.

Die USA haben in den zentralen Energiefragen genau das Gegenteil von Europa gemacht. Sie sind bei allen Klimakonferenzen der letzten Jahre nicht wie die EU Vorreiter, sondern Bremser gewesen. Dafür wurden sie zwar von den Europäern und den Lobbies der Umweltschützer oft getadelt, jetzt aber profitieren sie davon. Vor allem haben die USA und Kanada beim relativ neuen Thema Schiefergas ordentlich Gas gegeben, während Europa den Kontinent trotz der Krise mit Verbotsschildern zugepflastert hat. Europa will offenbar freiwillig in teurer Abhängigkeit von Russland und den arabischen Ländern bleiben, statt sich der neu entdeckten eigenen Bodenschätze zu bedienen.

Die falschen Argumente der Umweltschützer

Aber die Umwelt! So werden nun manche einwenden. Und sich selbst täuschen. Denn auch das von den Umweltschützern vor allem wegen der angeblich drohenden globalen Erwärmung erzwungene und sehr ambitionierte Programm der EU, den europäischen Energieverbrauch bis 2020 um volle 20 Prozent zu reduzieren, ist wirkungslos. Selbst wenn die Weltuntergangsszenarien der Klima-Apokalyptiker stimmen sollten, wird die Summe der europäischen Klimamaßnahmen die prophezeite Erwärmung der Weltatmosphäre nur um ein paar Wochen nach hinten verzögern. Im Falle ihrer kompletten Umsetzung. Wenn es wirklich Handlungsnotwendigkeiten in Sachen des globalen Klimas geben sollte, dann sind die jedenfalls nur global umzusetzen. Denn auch die Klimapaniker geben zu, dass es hier immer nur um globale Phänomene gehen kann.

Europa ist viel zu klein, um bei der erwünschten Beeinflussung der Atmosphäre sonderlich relevant zu sein. Es ist aber groß genug, dass die europäische Klimapolitik großen Schaden für die Wirtschaft der EU-Länder verursachen kann.

Dazu kommt noch die Tatsache, dass es seit eineinhalb Jahrzehnten gar keine Zunahme, sondern eine Stagnation der Erwärmung gibt (die letzten Wochen zeigen das ja wieder einmal ganz anschaulich). Und zugleich verstärkt sich die Erkenntnis, dass eine Erwärmung – ob nun durch Sonne oder durch eine Erdachsenverschiebung oder durch die CO2-Zunahme verursacht – mehr positive als negative Folgen für die Erde hätte. Beides lässt jedenfalls die Global-Warming-Theoretiker mitsamt ihren Computermodellen derzeit ziemlich peinlich dastehen. Dennoch waren sie in Europa bei der Beeinflussung der Politik sehr erfolgreich.

Falsche Argumente gegen die Ölschiefer

Ebensowenig sind die gegen den Ölschieferabbau vorgebrachten Argumente stichhaltig. Das Kernargument: Dabei würden gefährliche Chemikalien eingesetzt, die eventuell das Grundwasser gefährden.

Diese Argumente hinken mehrfach:

Der Abzug vieler Investitionen muss alarmieren

Das heißt natürlich nicht, dass Wasserknappheit angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung kein Problem wäre. Nur hilft es etwa den Südasiaten und Afrikanern überhaupt nichts, wenn in Mitteleuropa trotz eines gewaltigen Wasserüberflusses so gehandelt würde, als bestünde auch hier Wassernot.

Wenn nun reihenweise Industrien lieber in den USA (und in Asien sowieso) investieren als in Europa, dann müssen alle Alarmglocken klingeln. Ein Umdenken ist nötig. Aber die nationale wie die europäische Politik zögert noch damit, weil bei den Wählern nicht zuletzt unter Einfluss der Boulevardzeitungen und populistischer Politiker auf der Linken wie Rechten die Klima-, die Antiölschiefer- und die Antiatompolitik noch sehr populär sind.

Diese Politik schadet aber Europa enorm. So wie übrigens auch die Antigen- und Antihormonpolitik Europa und den dortigen Arbeitsplätzen ebenfalls sehr geschadet hat.

Die Wahrscheinlichkeit dürfte jedenfalls wachsen, dass sich diese Fehler der Politik ändern. Ich wäre daher nicht sonderlich überrascht, wenn das Umdenken schon nach den deutschen und österreichischen Wahlen deutlich konkreter würde. Denn Europa hat wirtschaftspolitisch nur noch eine Chance: Die heißt Wachstumspolitik. Diese aber funktioniert schon längst nicht mehr mit dem alten keynesianischen Rezept neuer Schulden. Denn es sind schon viel zu lange und in zu großem Umfang Schulden gemacht worden, die auf Rückzahlung warten, als dass dieses Rezept noch einmal zur Ankurbelung verwendbar wäre.

Es sind ja gerade Österreich und Deutschland, in denen diese Umweltängste heute dominieren. Einerseits weil es ihnen noch relativ gut geht; und wenn man keine echten Sorgen hat, beginnt man sich ja um zum Teil imaginäre Ängste zu sorgen. Andererseits haben in diesen beiden Ländern auch die echten Umweltprobleme seit Jahrzehnten einen höheren Stellenwert als anderswo.

Es ist fast eine Ironie der Geschichte, dass beim Thema „Global Warming“ und Ölschieferabbau ausgerechnet Frankreich zu den relativ Vernünftigen zählt, während dieses ja bei allen Finanz- und Sozialpolitikthemen an der Spitze der Unvernunft steht. Aber auch Deutschland und Österreich sollten sich – jenseits aller Wahlkampfrhetorik – bewusst sein: Sie haben langfristig kaum bessere Zukunftsaussichten. Daher hat in Österreich immerhin jetzt der sonst eher populistische Wirtschaftsminister erstmals das bisherige Tabuwort Fracking in den Mund zu nehmen gewagt. Sein deutscher Kollege redet schon viel länger davon.

Preisanalysen als Zeitverschwendung

Und last not least wäre mehr Unabhängigkeit bei der Energie auch strategisch für Europa günstig. Sind doch manche europäische Länder zu 80 Prozent von russischem Gas abhängig. Muss doch ausgerechnet das arme Bulgarien den weitaus höchsten Gaspreis Europas zahlen, nämlich über 43 Euro, während dieser Preis in Österreich unter 27 Euro pro Megawattstunde liegt. Und noch eine Zahl: in Europa ist Strom in den letzten Jahren um 37 Prozent teurer geworden. In den USA um 4 Prozent billiger. Aber Deutschland berühmt sich seiner Energiewende. Noch.

Europa ist nur zu retten, wenn es wieder wettbewerbsfähiger wird. Die EU hat erkannt, dass sich da viel ändern muss. Nur wagt noch kein EU- oder Regierungspolitiker laut zu sagen, was eigentlich zu tun ist. Eine Analyse über die Preistreiber im Energiebereich bis Jahresende zu erstellen, wie es der jüngste Gipfel als einziges Energie-Ergebnis beschlossen hat, ist nämlich nur die übliche Zeitgewinnstrategie von Politikern. Längst ist ja klar, wo die Fehler liegen und was zu tun wäre.

Noch immer glaubt die Mehrheit der Politiker Europas, Europa durch Gelddrucken und ständig steigende Schulden und Steuern retten zu können. Statt durch ein prinzipielles Umdenken mit Strukturverbesserungen vom Energiesektor bis zu einer Erhöhung der Flexibilität des Arbeitsmarktes.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Die Armen werden immer ärmer: unwahr und gelogen

09. Juni 2013 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Immer mehr Menschen werden immer ärmer. Tausende Leitartikel, Sonntagspredigten und Politikererklärungen werden in ganz Europa auf diesen Satz und seine Konsequenzen aufgebaut. Meistens will man damit schlechtes Gewissen erwecken, damit man noch mehr Schulden machen, noch mehr Steuern erhöhen kann. Zum Nutzen der Sozialindustrie und der eigenen Klientel. Nur stimmt der eingangs stehende Satz nicht. Ganz und gar nicht. Das Gegenteil stimmt: Die Menschheit befindet sich trotz ihrer Vergrößerung in Milliardendimensionen nachweislich im steilsten Aufwärtskurs ihrer Geschichte. Lediglich Europa hat es vorgezogen zu stagnieren.

Das Erstaunliche: Diese wichtigste und erfreulichste Botschaft seit Menschengedenken wird von den Medien und der Politik weitgehend ignoriert. Sie leben nämlich (fast) alle von den negativen Nachrichten. Und sie wollen schon gar nicht zugeben, dass der Zuwachs an Lebensqualität genau jenen Faktoren zu danken ist, die sie und andere Gutmenschen ständig verurteilen.

Armut und Hunger nehmen ab, die Lebenserwartung steigt

Faktum ist, dass in den letzten Jahrzehnten die Lebenserwartung (mit wenigen Ausnahmen wie das kommunistische Nordkorea, wie das in Korruption versinkenden Russland oder das von einem senilen Diktator gequälten Zimbabwe) jedes Jahr um einige Monate länger wird. Faktum ist, dass es kaum noch Hungersnöte in der Welt gibt, die jahrtausendelang fixer Teil der Conditio humana waren. Und ebenso Faktum ist, dass die ersten Jahre des neuen Jahrtausends seit 2000 „den schnellsten Rückgang der Armut in der Geschichte der Menschheit gebracht haben“.

Dieses Zitat stammt wohlgemerkt nicht von einer Schönfärbeagentur, sondern aus einer mehr als unverdächtigen Quelle: aus der neuen Millenniumsstudie der UNO.

Der Einfluss der Sozialindustrie-Profiteure

Über diese Studie und diese Fakten wird nur erstaunlich wenig geredet. Denn ganz offensichtlich ist das Interesse vieler an der Armuts-Behauptung größer als an der Wahrheit. Die Sozialindustrie lebt ja vom schlechten Gewissen all jener, die keine Probleme haben, sich täglich sattzuessen, ein wohnliches Heim zu besitzen, hie und da auf Urlaub zu fahren und ihre Kinder in die Schule schicken können. Und sie lebt hervorragend davon, weil eben die Zahl und der Anteil dieser für schlechtes Gewissen empfänglichen Menschen ständig größer werden.

Gewiss, die Sozialindustriellen können auf Knopfdruck Einzelbeispiele von schrecklichen Einzelschicksalen präsentieren. Seriöse Studien gehen hingegen von der gesamten Menschheit aus. Nur so lassen sich gesamthafte Aussagen machen. Tatsache ist, dass die absolute Zahl der Armen trotz Bevölkerungsexplosionen in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als halbiert worden ist. Die relative noch viel mehr.

So mancher weitblickende Europäer denkt schon daran, in welchem Zustand sich das heute noch so viel von Armut redende Europa selbst befinden wird, wenn einmal viele Länder Asiens Europa überholen. Das wird noch in diesem Jahrhundert passieren. Auch viele Länder Lateinamerikas und Afrikas erzielen seit Jahrzehnten ein höheres Wachstum als die EU. In Europa schauen hingegen die Zukunftserwartungen dank Geburtenverweigerung, Schulden, Sozialstaat, Abgabenhöhe und Überregulierungen gar nicht gut aus.

Entwicklungshilfe ist ein Irrweg

Umso wichtiger wäre es, die Faktoren zu kennen, die der Dritten Welt zu einem solchen Erfolg verholfen haben. Der politisch am häufigsten genannte Faktor hatte dabei aber keine entscheidende Bedeutung: die Entwicklungshilfe. Die hat zwar sicher auch etliches Positives bewirkt. In der Summe aber hat sie nicht nur Korruption und Fehlentwicklungen vermehrt, sondern in den am meisten unterstützten Ländern deren Wachstum beschädigt. Entwicklungshilfe löst nämlich einen sozialökonomischen Hospitalismus aus: Man muss nur laut genug jammern, und schon wird einem von außen geholfen.

Eigene Anstrengungen und Lernprozesse sind hingegen bei der Entwicklungshilfe-Rhetorik kein Thema, ja sogar schädlich. Nützlich ist es hingegen, möglichst oft von Kolonialismus (der schon zwei Generationen her ist), Neokolonialismus (was auch immer das genau sein soll) und Global Warming (wobei jede Infragestellung der diesbezüglichen Thesen streng verfolgt wird) zu reden sowie die absurde Behauptung zu verbreiten, der Reichtum anderer Teilnehmer des Welthandels wäre die Ursache der eigenen Armut.

All diese so gerne verbreitete Rhetorik ist jedoch Nonsens. Würde sie stimmen, müssten ja Länder wie Nordkorea, die sich fast zur Gänze vom Welthandel abkoppeln, besonders gut dastehen. Das müsste auch in jenen Ländern der Dritten Welt der Fall sein, die nie Kolonien waren. Umgekehrt kann diese Rhetorik auch nicht erklären, warum in vielen Statistiken ausgerechnet die Schweiz und Singapur an der Spitze stehen, die nie Kolonien hatten.

Die Rezepte eines Welt-Erfolgs

Was aber hat wirklich die Menschheit vorangebracht? Die wichtigsten Elemente des globalen Erfolgsrezepts:

  1. Die moderne Hygiene (etwa Trinkwasser- und Abwasser-Versorgung) hat viermal so viel zur Verlängerung der Lebenserwartung beigetragen wie die moderne Medizin. Trotzdem hat auch diese eine positive Auswirkung insbesondere auf die Erhöhung der Lebensqualität.
  2. Die moderne Landwirtschaft kann ein Vielfaches jener Massen ernähren – und sogar mit Fleisch versorgen! –, als vor wenigen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten irgendjemand zu hoffen gewagt hätte. Dabei waren moderne Züchtungen, Genveränderungen, Pflanzenschutzchemie, Kunstdünger und viele andere wissenschaftliche Methoden im Spiel. Mit den von den vielen NGOs rund um die Grünen verfochtenen Zurück-zur-Natur-Methoden wären hingegen Hunderte Millionen verhungert.
  3. Alleine das bei uns heute so verpönte DDT hat viele, viele Millionen Menschen gerettet.
  4. Der Menschheit steht heute mehr Energie denn je zur Verfügung. Wachsender Energieverbrauch von der Dampfmaschine bis zu den Atomkraftwerken war und ist untrennbar mit jeder Verbesserung der Lebensdauer und -qualität verbunden.
  5. Viele Fehlentwicklungen konnten verhindert oder gestoppt werden, weil als Ergebnis der neuen Grundrechte vor allem die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft die Fortsetzung von Irrwegen meist rasch beendet haben. Umso schlimmer sind die zunehmenden europäischen Versuche, diese zentralen Grundrechte im Zeichen der Political correctness zu reduzieren und durch die Gleichstellung mit „sozialen“ Grundrechten (Recht auf Gesundheit usw.) total zu relativieren.
  6. Bis auf den Islam verzichten heute erstmals alle Religionen auf Gewalt und offensive Missionierung.
  7. Die Zahlen der Eroberungskriege, die blutigen Folgen von nationalistischem und ideologischem Expansionismus sind im historischen Vergleich stark zurückgegangen.
  8. Gesellschaftliche Ungleichheit ist zwar kein erstrebenswertes Ziel. Aber dort, wo sie zugelassen wird, hat sie sich als starker Antrieb erwiesen. Denn nur in ungleichen Gesellschaften hat es Sinn, sich anzustrengen, damit man zu den erfolgreichen zählt. Das ist in Feudalgesellschaften nicht möglich, wo die aristokratische Abstammung entscheidet und nicht die Leistung. Aber in einer offenen Gesellschaft ist es extrem hilfreich, Reichtum zuzulassen. Nichts treibt den Erfolg eines Landes mehr voran. Und daher ist auch nichts dümmer, als die Reichen durch Hochsteuern zu vertreiben, wie etwa jetzt in Frankreich. Umgekehrt war es viel schlauer, einem Gates, einem Stronach, einem Mateschitz zu erlauben, reich zu werden, als sie von Anfang an daran zu hindern. Und abertausenden anderen. Viele von ihnen finanzieren dann Stiftungen und Spenden mit viel besserer Wirkung, als es die von Beamten und Politikern verteilten Steuergelder jemals haben.
  9. Und last not least ist der Liberalismus zu nennen, egal ob man ihn Neo-, Alt-, Paläo- oder Wirtschaftsliberalismus nennt. Die Entfesselung der Kräfte des „Kapitalismus“, wie er von seinen Feinden genannt wird, also die Dynamik der eigenen (genauer: der familiären) Interessen von Milliarden Menschen: All das hat mehr für die Menschheit getan als alle anderen Faktoren zusammen.

Jede Vielfalt ist zentral verwalteten Staaten und Unionen überlegen

Nur mit all diesen Faktoren war es möglich, das Wissen und Können von so vielen Menschen zu aktivieren. Diese Summe ist selbst dem klügsten zentralistischen Fünfjahresplaner um ein Vielfaches überlegen. Natürlich passieren auch ohne Planwirtschaft Fehler, Dummheiten, Gaunereien. Aber in liberaler Vielfalt und Freiheit setzt sich das Bessere – eben meist auch das Gewinnträchtigere – viel rascher durch als in einem zentralverwalteten Staat oder in einer solchen Union. In einem zentralistischen Gebilde dauert es viel zu lange, bis eine Planungsbehörde einmal eingesteht, dass sie auf dem Holzweg unterwegs gewesen ist. Wenn sie es überhaupt tut.

Und Europa? Jahrhundertelang war der Kontinent nicht zuletzt auf Grund der Vielfalt seiner Staaten und Nationen, vielleicht auch wegen seines Klimas, sicher auch durch Christentum, Judentum, Aufklärung und das Erbe der griechisch-römischen Antike allen anderen weit überlegen. Heute jedoch ist Europa alt und müde geworden. Es kann sich offensichtlich nicht mehr aus den lähmenden Banden eines trügerischen Wohlfahrtssystems retten. Es muss daher zumindest am Beginn des neuen Jahrtausends im Gegensatz zu den letzten 2000 Jahren allen anderen Regionen den Vortritt lassen. Ob das noch einmal revidiert werden kann, werden erst unsere Nachfahren wissen. Sofern es solche überhaupt gibt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Zweifelhafte AK-Studie: Manager verdienen das 49-fache der Österreicher

05. Juni 2013 23:19 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Jedes Jahr bemüht der Manager-Vergleich der Arbeiterkammer wissenschaftlich fragwürdige Methoden, um die Ungerechtigkeit des „Systems“ zu beweisen. Dabei vergleicht man die Jahresbezüge der 78 wichtigsten Manager der 20 größten ATX-Konzerne (im Schnitt 1,4 Mio. Euro) mit den Durchschnittsgehältern von 3.627.300 Österreichern (27.800 Euro) und kommt auf ein Verhältnis von 1:49.

?In der wissenschaftlichen Forschung werden Ausreißer nach oben wie nach unten aus Stichproben entfernt, um das Ergebnis nicht zu verzerren. Es sei denn, man wünscht genau dieses. ?Anif ist eine kleine Gemeinde südlich der Stadt Salzburg. Dort lebt auch Eliette von Karajan, sie wird auf 400 Millionen Euro geschätzt. Wollte man das Durchschnittsvermögen der 4.021 Anifer berechnen, würde alleine das Karajan-Erbe jeden Einwohner statistisch um 100.000 Euro reicher machen – selbst wenn dieser drei Jahre alt wäre und in einer Sozialwohnung lebte. Darum scheidet man solche Fälle in seriösen Untersuchungen aus. Die 78 wären von den 3.627.300 „Normalos“ also auszuscheiden.

Arbeiterkammer-Heuchelei: Huub Stevens bekam das 63-fache
Die AK möchte die steuerliche Abzugsfähigkeit von Managergehältern bei 500.000 Euro deckeln. Sie hat dies allerdings nicht mit Fußballer-Gehältern vor: Bei Red Bull Salzburg etwa verdient niemand weniger als 600.000 Euro.

Wenn Österreichs 78 Top-Manager 1,4 Millionen verdienen, dann ist das „ausufernd“, gierig und kapitalistisch. Dem ist allerdings nicht so, wenn es Fußball-Trainer wie Huub Stevens (bis 2011 bei RB Salzburg) mit 2,0 Millionen tun – immerhin das 72-fache des österreichischen Durchschnittslohnes. Der Salzburg-Spieler Gonzalo Zarate soll 1,2 Millionen Euro brutto im Jahr abgecasht haben, Rapidler Steffen Hofmann eine Million Euro.

Ungerechtigkeit künstlich herbeigerechnet
Will man die Ungerechtigkeit eines Systems künstlich herbeirechnen, braucht man aus einer Millionenzahl bloß ein paar Dutzend Ausreißer herauszupicken und sie in Relation zu den Millionen zu setzen. Genauso gut könnte man aus 3,6 Millionen Angestellten auch ein paar Dutzend Top-Pfuscher hervorheben und damit die Ungerechtigkeit des Sozialstaates beweisen. ?Oder die Ungleichverteilung der 3000er-Gipfel in Österreich beklagen: Immerhin haben Tiroler hier 640-mal so viele wie die Oberösterreicher.

AK vergleicht Äpfeln mit Birnen
Auch der Vergleich von 78 (größtenteils) Industrie-Managern mit einem „österreichischen Durchschnittsgehalt“, das insbesondere aus niedrigen Dienstleistungs- und Handwerkerlöhnen besteht, ist wissenschaftlich zweifelhaft.? Beispiel: Ein Vorstand des AMAG-Konzernes verdiente 2012 etwa 706.000 Euro brutto im Jahr. Ein AMAG-Mitarbeiter bekam 52.000 Euro – und nicht 27.800, wie von der AK angedeutet. Damit bekam der AMAG-Manager das 14-fache eines Angestellten. Und nicht das 49-fache, wie den Menschen suggeriert wird. ?Die Österreicher arbeiten vor allem in kleinen Dienstleistungsbetrieben. Dort ist man aber weniger produktiv als in der Industrie – es können weder Maschinen, Groß-Anlagen noch Fachleute eingesetzt werden. So fällt für Mitarbeiter auch weniger ab.

Ein Beschäftigter in der Gastronomie produziert 49.000 Euro Umsatz (nicht Lohn!), ein Beschäftigter in der Metallverarbeitung aber 469.000 – beinahe das Zehnfache. Bei 49.000 Euro Umsatz muss der Kellner froh sein, wenn ihm überhaupt 27.800 Euro Brutto gezahlt werden können. Von wegen „27.800 Euro“: Nicht nur beim Aluminium-Konzern bleibt Angestellten mit 52.000 Euro fast doppelt so viel übrig.

Seriöse Betrachtung – 1:7
Lässt man die 78 Ausreißer weg, verdienen Österreichs Manager der ersten Ebene das 7-fache eines Durchschnittsgehaltes, die der zweiten Ebene das 4-fache. Von der AK bejubelte Gesellschaftskritiker wie Reinhard Fendrich bringen es hingegen mindestens auf das 11-fache, der von der AK völlig unbeachtete Huub Stevens sogar auf das 72-fache.

Verantwortung für Demokratie
Mit dem politisch inszenierten „Gerechtigkeits-Defizit“ unterstützt die AK seit vielen Jahrzehnten die SPÖ, die sich als „gerechte“ Partei vermarktet und so die verunsicherten Wählerstimmen auffangen kann.? Seit zehn Jahren haben die Angriffe aber eine andere Dynamik bekommen: „Das System muss weg“, meinte der scheidende Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel aggressiv. Und auch Nachfolger Rudolf Kaske wurde mit Bürgerkriegs-Getöse („… dann wird Österreich brennen!“) berühmt. ?Wer den Bürgern über die Jahrzehnte hinweg weismacht, dass „alles immer schlechter und ungerechter“ werde, die Armut wachse (obwohl sie sinkt) und dass sich eine kleine Minderheit (auf Kosten der Mehrheit) immer unverschämter bereichere, der sollte sich mit der jüngeren Geschichte Österreichs befassen.

Denn die Destabilisierung eines Systems kann es tatsächlich kollabieren lassen – aber nicht in die Richtung, die den Herren Tumpel, Kaske und Co gefallen dürfte.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Der Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge befasst sich in seinen Büchern mit Kapitalismus und Globalisierung aus liberaler Sicht und wendet sich gegen „die staatlich geschürte Abstiegsangst“. Zuletzt erschien sein Buch „Die Gemeinwohl-Falle“. 

Drucken

Arbeitslosigkeit und Akademisierung

05. Juni 2013 04:38 | Autor: Christian Freilinger
Rubrik: Gastkommentar

Die OECD kritisiert Länder wie Deutschland, Österreich und die Schweiz wegen zu niedriger Abiturienten- und Hochschulabsolventenquoten. Die Humankapitaltheorie stellte in den 1960-er Jahren einen kausalen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Lebens- und Volkseinkommen her.

Daher forderte die OECD eine massive Erhöhung der Abiturientenquote nach dem Vorbild der USA, wo schon 1959 zwei Drittel eines Jahrgangs die Hochschulreifen erwarben, in Deutschland nur fünf Prozent.

Beispiel Frankreich

1985 wurde als Ziel eine massive Erhöhung der Abiturientenquote auf 80 Prozent eines Jahrgangs definiert unter dem Schlagwort „Demokratisierung der Bildungschancen“.

Ergebnis: im März 2013 lag die Arbeitslosenquote der 15-24 Jahre alten Jugendlichen mit 27 Prozent mehr als dreimal so hoch wie in Deutschland (8,6 Prozent). Das Volkseinkommen pro Kopf lag 2010 um fast 10 Prozent niedriger als in Deutschland.

Beispiel Italien

1969 wurde allen Absolventen aller Schultypen der Sekundarstufe II die allgemeine Hochschulreife zuerkannt – bis 1999 mit der Bezeichnung Maturita. Durch die Senkung der Anforderungen ergab sich ein rasanter Anstieg der Abiturientenquote, die 2007 mit 77,5 Prozent ihren Höhepunkt erreichte (2010 72,6 Prozent).

Ergebnis: Im März 2013 waren 38 Prozent der 15-24 Jahre alten Jugendlichen arbeitslos. Das Volkseinkommen pro Kopf war um 18 Prozent niedriger als in Deutschland.

Beispiele Österreich und Schweiz

Die Abiturientenquote lag 2011 in Österreich bei 40 Prozent, in der Schweiz bei 33 Prozent.

Die Quote der erwerbslosen Jugendlichen lag im März 2013 in beiden Ländern  knapp unter dem deutschen Wert (8,6 Prozent). Das Pro-Kopf-Einkommen lag in Österreich um 3,5 Prozent, in der Schweiz um 22 Prozent über dem Deutschlands.

Fazit

Die Integration Jugendlicher in den Arbeitsmarkt gelingt in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch das praktizierte duale System der Berufsausbildung bedeutend besser als in Ländern wie Italien, Frankreich und Spanien. Schweden und Großbritannien wollen das deutsche System der dualen Berufsausbildung übernehmen, in jüngster Zeit auch Spanien, weil es sich auch in der Praxis bewährt hat. In Spanien lag die Arbeitslosenquote bei den unter 25-jährigen im März 2013 bei skandalösen 58 Prozent, im März 2010 waren es noch 41 Prozent, was auch bereits viel zu hoch war.

Die Akademisierung in den vorhin genannten Ländern Frankreich, Spanien und Italien hat darüber hinaus auch dazu geführt, dass arbeitslose Akademiker keine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausüben und z.B. einen Job als Taxifahrer annehmen müssen, um nicht arbeitslos zu sein.

Zu diesen Schlüssen kamen auch schon mehrere deutsche Medien, siehe: Bericht in der FAZ vom 24.5.2013 S. 7 Nr. 118 „Wohin der Akademisierungswahn langfristig führt“ und Artikel im Spiegel Nr. 21/2013 S. 86 f. „Verlorene Generation“

Der von der OECD behauptete Zusammenhang von Bildungsabschluss und Beschäftigungssituation sowie Volkseinkommen pro Kopf besteht demnach nicht.

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart.
Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

Drucken

Sensationelle Erkenntnis der Hauptstromökonomie: Die Krise ist noch nicht vorbei!

04. Juni 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Im Zuge der nicht enden wollenden Schuldenkrise pflegen uns die Protagonisten der gegenwärtig herrschenden Schulen der Makroökonomie seit Jahr und Tag einzureden, dass keinerlei Grund zur Sorge besteht. Spitzenpolitiker und Notenbanker hätten – dank ihrer genialen Begabung zur „Feinsteuerung“ der Wirtschaft – alles fest im Griff. Schließlich habe man aus den Erfahrungen der „Great Depression“ der 1930-er Jahre gelernt und wisse daher, was zu tun sei. Mit ebenso großem Selbstbewusstsein erklären uns dieselben Experten übrigens im Monatsrhythmus, weshalb ihre jeweils letzte Prognose so grandios danebenging.

Dessen eingedenk überrascht es umso mehr, wenn beißende Kritik an der aktuellen Geld- und Fiskalpolitik ausnahmsweise einmal nicht aus dem Mund eines Vertreters einer heterodoxen Schule kommt.

In einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin „Spiegel" (hier die deutsche Übersetzung im „Format") nimmt sich die durch zahlreiche Publikationen prominent gewordene Harvard-Ökonomin Carmen Reinhard kein Blatt vor den Mund. Mit einer ungewöhnlich deftigen Aussage bringt sie die augenblickliche Lage auf den Punkt: „Ohne Zweifel, unsere Pensionen sind im Arsch!“

Zusammen mit Kenneth Rogoff erregte Reinhard im Jahre 2010 große Aufmerksamkeit, als sie einen negativen Zusammenhang zwischen einer am BIP gemessenen Staatsschuld von 90 Prozent und mehr und dem Wirtschaftswachstum konstatierte. In einer Zeit des rund um den Globus zelebrierten, mit einer nie zuvor gesehenen Staatsverschuldung einhergehenden Keynesianismus, kommt eine derartige Diagnose für die herrschenden Eliten natürlich alles andere als gelegen. Lange hat es folglich nicht gedauert, bis unbeirrbare Apologeten des hemmungslosen Deficit Spending büschelweise Haare in der von Reinhard und Rogoff aufgetischten Suppe fanden: Rechenfehler! Stimmt alles nicht! Alles steht zum Besten! Jedermann ist doch klar, dass durch Schuldenmacherei verursachte Probleme am wirksamsten durch noch mehr Schulden zu bekämpfen sind. Die Feuerwehr benutzt zum Löschen ja schließlich auch Benzin!

Ein wenig lästig dabei ist nur, dass die Manipulation des Zinses durch die auf Kommando der Regierungen tätigen Notenbanken und eine ungebremste Geldmengenvermehrung durch Druckerpresse und Kreditausweitung langfristig verheerende Konsequenzen zeigen werden. Diese kommen im obigen Zitat Reinhards zu den Pensionen zum Ausdruck: Die (zunächst schleichende) Zerstörung der Währungen und die damit verbundene Entwertung sämtlicher Geldvermögen – namentlich solcher, die in festverzinslichen Anleihen stecken – wie etwa Pensionsvorsorgen. Fiat Money hat seine Wertaufbewahrungsfunktion verloren. Auf Nominalwerte lautende Investments garantieren die langfristige (Teil-)Enteignung der Anleger – zugunsten von Staat und Finanzwirtschaft.

Dass die zentral geplante und gesteuerte Inflationierung eine „asoziale Umverteilung“ von der Peripherie ins Zentrum, oder besser: von unten nach oben, bedeutet (Cantillon-Effekt), ist ein Umstand, den die Nomenklatura billigend in Kauf nimmt. Lassen sich dadurch doch am Ende sogar trefflich als „Krisengewinnler“ und „Spekulanten“ zu denunzierende Sündenböcke aufbauen, deren Kontrolle und Bekämpfung jede weitere Aufblähung der Staatsmacht rechtfertigt…

Schon Karl Marx wusste, dass die größte Gefahr für eine bürgerliche Ordnung nicht vom mittellosen Lumpenproletariat ausgeht. Denn wer täglich im schieren Überlebenskampf steht, revoltiert nicht. Weit verderblicher dagegen sind ein verarmender Mittelstand und eine wachsende Zahl sämtlicher Zukunftsperspektiven beraubter, junger Intellektueller. Die durch Negativzinsen und/oder Inflation bedingte Erosion des Kapitalstocks wird mittel- bis langfristig beides mit sich bringen: Eine um ihre Ersparnisse – und damit die vermeintlich materiell abgesicherte Zukunft – gebrachte Mittelschicht und Massen von zwar gut ausgebildeten, aber arbeitslosen Jungen. Beides bedeutet gesellschaftlichen Sprengstoff. Die triviale Einsicht, dass derjenige morgen nichts mehr zu fressen hat, der heute alle Vorräte konsumiert, ist leider verloren gegangen…

Der große Kollaps wird nur aufgeschoben

Ein Modell des jetzt auf uns Zukommenden, ist im Europa der Zwanziger- und Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts zu finden. Rezente Beispiele finden sich in Irland, Griechenland, Portugal und Spanien. In naher Zukunft werden wir dasselbe vermutlich auch (bzw. wieder!) in Kerneuropa erleben. Angesichts des dräuenden Unheils setzt die politische Klasse alles daran, den Zeitpunkt des unausweichlichen Kollapses so weit wie erzwingbar hinauszuschieben – um dann möglichst nicht mehr im Amt (und möglichst weit weg) zu sein. Lord Keynes, der um die mit der von ihm propagierten Schuldenwirtschaft verbundenen Probleme wusste, meinte dazu in seinem bis heute berühmtesten Zitat trostreich: „Auf lange Sicht sind wir alle tot.“

Der „Österreichischen Schule“ nahe stehende Ökonomen warnen seit Jahren vor den grausigen langfristigen Folgen einer inflationistischen Geldpolitik. So weist zum Beispiel der Deutsche Volkswirt Guido Hülsmann in einem aktuellen Interview anlässlich der Präsentation seines neuen Buches „Krise der Inflationskultur“ darauf hin, dass es unmöglich ist, aus der gegenwärtigen Lage „schmerzfrei“ herauszukommen.

Was auch immer getan werden muss, wird wehtun – und zwar nicht einer politisch unbedeutenden Minderheit, sondern der breiten Masse. Das unentschuldbare Vergehen von Politik, Finanzwirtschaft und Hauptstrommedien besteht darin, die Illusion zu nähren, es wäre möglich, die herrschende, strukturelle Krise durch monetäre und fiskalische Maßnahmen – zum Beispiel mittels der unentwegten Erfindung neuer Steuern – in den Griff zu bekommen.

Das indes ist pures Wunschdenken. Wenn die Regierungen nun also durch die Flutung der Märkte mit aus dem Nichts geschaffenem Geld den Konsum anzukurbeln versuchen, so bedeutet das, mit den Worten von Guido Hülsmann, dass sie „…wieder einmal dabei sind, an einem kalten Wintertag die Möbel zu verheizen.“ – eine nicht besonders nachhaltig wirksame Strategie.

Das Dilemma besteht darin, dass es keine Regierung eines demokratischen Wohlfahrtsstaates – mit Millionen von an den gegenleistungsfreien Empfang von Sozialtransfers gewöhnten Schmarotzern – riskieren will (und kann!), mit den notwendigen Maßnahmen ihre korrupten Wähler zu vertreiben, oder schlimmer noch, möglicherweise nicht mehr zu beherrschende Unruhen auszulösen. Je später aber die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, desto schärfer werden sie ausfallen – und damit den sozialen Frieden mit umso größerer Sicherheit zerstören.

Die herrschende Ochlokratie hat es geschafft, sich in eine klassische Doppelmühle zu manövrieren: Wird die Zinsmanipulation aufgegeben, führt das – infolge der dann nicht mehr finanzierbaren Schuldendienste – zum Bankrott vieler, im Vertrauen auf eine dauerhafte Nullzinspolitik zu stark verschuldeter, Unternehmen, sowie zu Banken- und Staatspleiten. Ein gewaltiges Maß zusätzlicher Arbeitslosigkeit und Massenelend wären die Folge. Wird dagegen forsch auf dem derzeit anliegenden Kurs weitergesegelt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein kollektiver Vertrauensverlust in die Währung, eine Flucht aus dem Papiergeld – und damit eine Hyperinflation – eintritt. Vermögensvernichtung, Firmenpleiten, Massenarbeitslosigkeit und -elend wären auch in diesem Fall die Folgen.

Wie formulierte es Roland Baader in seinem letzen, „Geldsozialismus“ betitelten, Buch? „Was wir im Kreditrausch vorausgefressen haben, werden wir nachhungern müssen!“

Was auch immer die hohe Politik also unternimmt – es liegen „interessante Zeiten“ vor uns. Eine einigermaßen einbruchsichere Haus- oder Wohnungstür einbauen zu lassen, für einen ausreichenden Vorrat an Lebensmitteln zu sorgen, eventuell den Rückzug aufs Land vorzubereiten und andere Vorkehrungen zur Hebung der eigenen Sicherheit zu treffen, kann daher kein Fehler sein.

Denn zu einer Kursänderung der seit Jahrzehnten – (leider nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht) in die falsche Richtung steuernden Politik, wird es erst nach dem Kollaps kommen. Und den gilt es ohne schwere Blessuren zu überstehen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Fußnote 444: Einer geht, die Schulden bleiben

04. Juni 2013 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Johannes Ditz verlässt die Hypo Alpe-Adria. Das ist sein gutes Recht.

Ein Rücktritt ist im Grund sogar die Pflicht eines Aufsichtsratspräsidenten, wenn er anderer Meinung als die Eigentümer ist, wenn er deren Vertrauen verliert. Diese haben ihn ja nicht einmal dann beigezogen, als sie untereinander und mit der EU über die Bank beraten haben. So weit so logisch. Das Problem ist, dass in Wahrheit auch die Eigentümer nicht gefragt werden. Denn Eigentümer sind eigentlich nicht die Politiker – die tun nur so –, sondern die Bürger und Steuerzahler. Wenn es nach diesen gegangen wäre, wäre die Hypo schon längst in Konkurs geschickt und zugesperrt worden; und eine Bad bank hätte alle Forderungen eintreiben müssen, welche die Hypo ringsum zu haben glaubt. Genau das schlägt auch Ditz vor – wenigstens für den jetzigen Zeitpunkt. Aber es wird heute genauso wenig wie damals dazu kommen. Denn dann müssten Kärnten, Bayern und/oder der Bund die Haftung für die Hypo-Schulden übernehmen. Das hätte sich ganz schlecht auf die öffentlichen Defizitzahlen ausgewirkt, besonders in Zeiten des Wahlkampfs. Freilich ist der Schaden eh schon da: Spätestens seit Werner Faymann wenig diskret und politisch dumm, aber wahrscheinlich realistisch die horrenden Summen genannt hat, die uns die Hypo noch kosten wird.

Drucken

Wie man Banken nicht verkauft (und auch sonst nichts)

30. Mai 2013 21:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Republik Österreich sitzt auf etlichen Banken, die sie gerne zu einem Minimalpreis loswerden möchte, die sie laut EU sogar umgehend verkaufen muss. Ein dramatisches Dilemma. Dessen Ursache liegt primär im historischen Fehler, diese Banken einst auf Steuerzahlers Kosten „gerettet“ zu haben. Denn jetzt sitzt die Republik überall auf unverwertbaren Forderungen, gegen die Hypo Alpe-Adria, die Volksbank-Zentrale und die Trümmer der Kommunalkredit. Dabei hatte man einst höchstens die Volksbank für „systemrelevant“ gehalten.

Niemand will für die rundum angebotenen Banken – oder Teile davon – einen nennenswerten Preis zahlen. Warum auch? Sobald Käufer wissen, dass jemand dringend verkaufen muss, wissen sie sich in der stärkeren Position. Und sie reduzieren ihre Angebote deutlich. Diese Erkenntnis hätte die EU auch auf jedem Gemüsemarkt knapp vor der Wochenendsperre machen können. Da fallen die Preise plötzlich wie Steine, wenn die Verkäufer etwas anzubieten haben. Aber freilich: Jeder Markt ist ja etwas Urböses, da will man nicht einmal einen kurzen Blick wagen.

Dabei hätte man auf dem Gemüsemarkt die Lektion fürs EU-Leben lernen können, nämlich wie man mit Sicherheit eine Bank nicht verkauft. Und auch sonst nichts.

Für die Regierung wäre nun der von der EU geforderte Verkauf auch aus einem anderen Grund sehr peinlich. Denn dann müssten plötzlich all die Milliarden sofort abgeschrieben werden, die man für Rettung und Fortbetrieb der Institute ausgegeben hat und als „Forderung“ oder „Haftung“ hält. Das würde Budgetdefizit und Staatsverschuldung enorm in die Höhe schnellen lassen. Das soll daher – wenn man schon verkaufen muss – nicht vor den Wahlen passieren. Vor denen will man ja alle negativ klingenden Nachrichten verhindern.

Von Woche zu Woche wird jedenfalls deutlicher, dass eine ganz andere Bankpolitik am Höhepunkt der Krise klüger gewesen wäre. Entweder die Republik wäre dort, wo es sinnvoll ist, als Aktionär ins normale Eigentum gegangen. Und sie hätte diese Aktien behalten dürfen, bis sich jemand ernsthaft (und zu guten Preisen) dafür interessiert. Oder aber: Sie hätte gleich die betreffenden Banken zugesperrt und abgewickelt. Die Forderungen wären dann in einer Bad Bank gelandet, die inzwischen schon wieder viel Geld aus den rücklaufenden Krediten an Gläubiger und Steuerzahler ausgezahlt hätte. Dann müsste man keine Banken mehr verwerten, sondern nur Grundstücke und ähnliches. Gewiss hätte man die Einlagen zu einem Teil sichern müssen, und das Land Kärnten wäre ob der gewaltigen Haftungen aus der Ära Haider vorübergehend in Konkurs gegangen.

Aber in der Politik waren damals alle vom Rettersyndrom erfasst. Sie zogen den Schrecken ohne Ende dem Ende mit Schrecken vor. Längst geben jedoch immer mehr Finanzexperten zu: In der Summe ist das am Ende der viel teurere Weg. Der noch dazu erst viel später einen gesamtwirtschaftlichen Wiederaufschwung zulassen wird.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Fußnote 443: Herr Cernko, die Logik und die Bankkunden

29. Mai 2013 02:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es sind nur kleine Sätze, aber sie zeigen, dass es auch in den Köpfen der Spitzenbanker sehr wirr zugeht; und dass sie oft genausoviel Unsinn reden wie die Politik.

Der Bank-Austria-Chef Willibald Cernko hat soeben in der „Presse“ erklärt: Es werde keine Überwälzung der Bankenabgabe auf die Kunden geben, denn „der Wettbewerb erlaubt es gar nicht.“ Interessant. Hätte der Bankchef recht, hätte auch Werner Faymann recht. Und er könnte den Banken noch und noch und noch Steuern aufladen. Die Gesetze der Ökonomie sagen nämlich ganz eindeutig: Gerade wenn der Wettbewerb funktioniert, dann werden Steuererhöhungen weitergegeben, weil ja dann zu Grenzkosten angeboten werden muss, alles andere wäre selbstzerstörerisch. Aber offenbar wird man in Österreich Bankchef, ohne auch nur eine Ahnung von Ökonomie zu haben. Und auch ohne eine Ahnung vom Leben der Kunden einer Bank zu haben: Denen ist bisher noch jede Steuer- und Kostenerhöhung sowie jede Zinssenkung mit spitzen Fingern weitgereicht worden. Wären die ökonomischen Grundrechenarten wirklich außer Kraft gesetzt, könnte Herr Cernko ja seinen Kunden wenigstens die Inflationsverluste ersetzen.

Drucken

Die verbilligte GmbH: Verbesserung oder Demontage einer Erfolgsstory?

26. Mai 2013 00:42 | Autor: Heinz Krejci
Rubrik: Gastkommentar

Der Gesetzgeber schickt sich gerade an, die beliebteste Gesellschaftsform unseres Wirtschaftslebens, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, mit wenigen Federstrichen einschneidend zu ändern. Die Gründung einer GmbH soll erheblich billiger werden. Zu diesem Zweck wird das Mindeststammkapital wird von 35.000 Euro auf 10.000 Euro gesenkt. Das verführt zur Unterkapitalisierung, baut den bisherigen Gläubigerschutz ab und erhöht die Insolvenzgefahr.

All das verschwindet hinter dem Plakat der Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich und der Förderung unternehmerischer Kreativität durch eine billigere Gründung, was zwar an sich Beifall verdient, doch nur dann, wenn es Begleitmaßnahmen gibt, die verhindern, dass das Kind mit dem Bade ausgegossen wird. Eben das geschieht aber gerade.

Ein diskutabler Entwurf wird „abgeräumt“

Am 21. Mai hat der Ministerrat den diesbezüglichen Entwurf eines „Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetzes 2013“ (GesRÄG 2013) an das Parlament weitergeleitet. Nun sind die Abgeordneten am Zug. Ob sie das Gesetzesvorhaben noch ausbalancieren wollen, ist die Frage. Dabei war noch vor einiger Zeit alles im Lot. Der Wirtschaftskammer und maßgeblichen Wirtschaftskreisen ist es allerdings in der letzten Phase der Entwicklung auf höchster politischer Ebene gelungen, die ausgewogenen Vorarbeiten des BMJ zu einer GmbH-Reform so zusammenzustreichen, dass sich alle Gegengewichte zur geplanten gravierenden Herabsetzung des Mindestkapitals (auf das Niveau vor 1980!!) in Luft aufgelöst haben.

So wurden aus dem ursprünglichen Entwurf des BMJ alle dem Gläubigerschutz dienenden Begleitmaßnahmen zur Herabsetzung des Mindeststammkapitals eliminiert und damit ein Schritt zur Anglo-Amerikanisierung unseres GmbH-Rechts gesetzt, ohne die (außerhalb des Gesellschaftsrechts angesiedelten) Gläubigerschutzmaßnahmen des anglo-amerikanischen Rechts zu übernehmen.

Gegen allen Widerstand

Die zahlreichen ablehnenden Stellungnahmen zum Entwurf des GesRÄG 2013 wurden ignoriert. So lehnen alle Professoren, die sich offiziell geäußert haben, den Gesetzesvorschlag in seiner derzeitigen Form ab (Hügel, Krejci, Rüffler, Schauer, Schummer, Torggler). Noch weitere vierzehn Rechtswissenschafter, mit denen ich in der Angelegenheit kommunizierte, teilen diese Kritik. Das will bei Professoren, die bekanntlich selten einer Meinung sind, was heißen. Ferner sind insbesondere die Stellungnahmen der Bundesarbeitskammer, der Österreichischen Notariatskammer, des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, des Kreditschutzverbandes 1870, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und des ÖAMTC klar negativ. Kritisch sind auch einige Bundesländer, die zu Recht monieren, dass sie auf rechtswidrige Weise übergangen wurden, weil sie zur Verkürzung ihrer Steuereinnahmen nicht befragt wurden.

Selbst der positiv votierende Österreichische Rechtsanwaltskammertag kann sich ergänzende Begleitmaßnahmen zur Herabsetzung des Mindeststammkapitals vorstellen. Alles verlorene Liebesmüh‘. Die Regierung ließ sich nicht beeindrucken, sondern beharrte auf dem, was die Regierungsklausur des vorigen Herbstes vorgab. Dort fanden bemerkenswerte Junktimierungen politischer Projekte statt, die der SPÖ offenbar so viel wert sind, dass sie den Gegendruck aus den eigenen Reihen allem Anschein nach aushält.

Die angebliche Invasionsgefahr

Als Begründung für den Entwurf wird angegeben, dass sich Österreich vor dem unionsrechtlich zulässigen Einmarsch ausländischer Billig-GmbHs und damit vor einem Unterwandern unseres eigenen Gesellschaftsrechts schützen müsse. Von einer solchen Gefahr kann aber keine Rede sein. Selbst die englischen Limiteds, die vormals als Alternative zur teuren österreichischen GmbH beworben wurden, haben die Gründungen österreichischer GmbHs nicht zurückgedrängt. Andere europäische Billig-GmbHs sind in Österreich überhaupt nicht bemerkbar. Und die deutsche „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ hat bislang österreichische Gründer auch nicht in hellen Scharen angelockt.

Das Projekt einer Societas Privata Europaea, einer „europäischen GmbH“, ist inzwischen (nicht zuletzt dank energischer Gegenwehr Österreichs!) in ihrer ursprünglichen anglo-amerikanischen Konzeption so gut wie tot. Trotzdem wird unter dem Feldzeichen der Abwehr ausländischen Übels marschiert, um ein gleichartiges inländisches Übel zu implementieren. Motto: „Bevor mich ein anderer in den Abgrund stößt, spring ich lieber selber.“

Der Paradigmenwechsel zum „Unternehmer zu Lasten Dritter“

Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass von maßgeblichen Kreisen der Wirtschaft die weitgehend kapitallose GmbH an sich (und nicht bloß im Hinblick auf die Abwehr ausländischer Billig-GmbHs) als Wohltat empfunden wird, die man unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung unbedingt zuteil werden lassen solle. Womit wir auf die ideologische Wurzel des angestrebten Paradigmenwechsel im GmbH-Recht stoßen:

Bislang galt der Grundsatz, dass auch Gesellschafter einer GmbH in angemessener Weise mit eigenem Kapital das unternehmerische Risiko der GmbH mit zu tragen haben. Wenn die Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten schon nicht persönlich voll haften (wie das die OG-Gesellschafter, die Komplementäre der KG oder die Einzelunternehmer tun), so sollen die GmbH-Gesellschafter doch wenigstens mit einem gewissen Teil ihres eigenen Vermögens ihr unternehmerisches Risiko auch selber tragen. Warum? Um die Allgemeinheit vor allzu großer unternehmerischer Risikofreude ausschließlich auf Kosten anderer zu bewahren. Dieses eigentlich jedem einigermaßen vernünftigen Menschen einleuchtende Anliegen ist nicht mehr das des GesRÄG 2013. Dort herrschen andere Überlegungen vor.

  1. Das neue Hauptdogma lautet: Es sei nicht einzusehen, warum ein Unternehmer, der es ohnehin in Österreich so schwer hat (Steuern und Abgaben bei jeder Gelegenheit, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Verbraucherrecht, Gewerbeordnung, drückende sonstige verwaltungsrechtliche Vorschriften, steigende Verbürokratisierung, in jedem Bundesland andere Rechtsvorschriften etc etc), für seine unternehmerische Tätigkeit auch noch eigenes Geld riskieren soll. Er solle vielmehr auch auf die Gefahr hin (mitunter sogar mehrfach) zu scheitern, die Chance haben, sich ohne spürbaren Einsatz von Eigenkapital selbständig zu machen bzw das auch immer wieder neu versuchen zu können. Geht’s schief, dann soll er ruhig mit der GmbH in Konkurs gehen, ohne dabei selbst was zu verlieren. (Wenn man ihm was Kriminelles vorwerfen kann, treffen ihn ohnehin Nachteile; er soll aber das sonstige allgemeine Unternehmerrisiko nicht mit eigenem Vermögen (auch nicht mit einem in die Gesellschaft zu steckenden Vermögen) tragen. Insofern seien eigentlich schon 10.000 Euro zu viel!
    Mit anderen Worten: Der Unternehmer soll ohne eigenen Einsatz Roulette spielen dürfen. Gewinnt er – so ist es gut. Verliert er – braucht er nichts zu zahlen. Die Verlierer sind Dritte. Das betrifft aber nicht nur den mittellosen Unternehmer, sondern auch den reichen, der nicht bereit ist, für sein Unternehmen eigenes Geld zu riskieren. 1906 hat man noch gesagt: Wenn die Unternehmer schon privat für ihre unternehmerischen Aktivitäten, die sie in Form der GmbH entfalten, nicht haften, dann sollen sie wenigstens in etwa den Wert eines Einfamilienhauses auf den Spieltisch legen. Jetzt hingegen soll ein Hosenknopf genügen.
  2. Jedwede sonstige Ausweitung der persönlichen Haftung von Gesellschaftern als Gegengewicht zu ihrem Marktauftritt als GmbH mit leerer Kasse sei abzulehnen. Da könnten die „Kleinen“ ja gleich als Einzelunternehmer oder als Personengesellschaft tätig sein, was sie gerade wegen ihrer damit verbundenen persönlichen Haftung nicht tun wollen. Was der Gesetzgeber im Moment freilich nicht steuern kann, ist eine etwaige Reaktion der Judikatur im Hinblick auf die Durchgriffshaftung für qualifizierte Unterkapitalisierung. (Da sind aber derzeit noch viele Fragen offen! Hoffentlich kommt man nicht noch schnell auf den Gedanken, diese Durchgriffshaftung gesetzlich zu verbieten!!).
  3. Was das „Kapitalaufholungs- und Thesaurierungsmodell“, wie es die deutsche GmbH-Reform kennt, betrifft, so sei man gegen jegliches „Zwangssparen“. Das wäre ja noch schöner, Gesellschafter zu zwingen, Geld in ihrer Gesellschaft zu lassen. Daher werde begrüßt, dass auch alte Gesellschaften bis auf 10.000 Euro via Kapitalherabsetzung „ausgeräumt“ werden können. Das geht freilich nur, wenn dadurch keine Gläubigeransprüche geschmälert werden. Gibt es solche im Moment aber nicht, kann man schnell das Gesellschaftsvermögen steuersparend bis auf 10.000 Euro absenken. Dazu ermuntert der Ministerialentwurf geradezu! Dass dann der nächste Windhauch die Gesellschaft umbläst, ist offenbar uninteressant.
  4. Dass eine kapitalschwache GmbH die Gefahr des Missbrauchs dieser Gesellschaftsform vermehre, mag ja sein, falle aber gemessen am ohnehin schon heute geübten Missbrauch der GmbH und den sonstigen Malversationen, die es bei großen Gesellschaften gibt, nicht ins Gewicht. „Kleine“ könnten ohnehin keinen wirtschaftlich ernsthaft zu Buche schlagenden Schaden anrichten. Solche Kollateralschäden durch Missbrauch der künftigen GmbH werde unsere Wirtschaft schon aushalten.
  5. Die Sorge, dass eine mit 5.000 Euro gründbare GmbH ein erhöhtes Insolvenzrisiko berge, mag gleichfalls zutreffen, doch sei diese Sorge übertrieben. Das müsse angesichts der Chance für Leute, die unternehmerische Ideen, aber kein Geld haben oder, auch wenn sie es haben, einfach keine persönliche Haftung für ihre unternehmerische Tätigkeit tragen wollen, in Kauf genommen werden. Immerhin würden kreative unternehmerische Kräfte gefördert, die sich sonst nicht entfalten würden. Auch den Kollateralschaden vermehrter Insolvenzen werde unsere Wirtschaft schon aushalten.

Den, der da meint, genau das sei großartig, kann man schwerlich bekehren. In einer Zeit, in der alles unternommen wird, um dem Einzelnen sein eigenes Lebensrisiko durch unterschiedlichste „Sozialisierungen“ abzunehmen, liegt es im Trend, ihm auch noch das eigene Unternehmerrisiko weitgehend abzunehmen. Dann aber wird die Prämisse von der Eigenverantwortung des Unternehmers zur hohlen Phrase. Wer unternehmerische Eigenverantwortung nach wie vor ernst nimmt, wird ein Unternehmertum zu Lasten Dritter ablehnen, das den (freilich durch hohe Steuerlasten erheblich reduzierten) Gewinn den Gesellschaftern lässt, das Verlustrisiko jedoch vor allem den Gläubigern zuweist.

Die Methode, Gewinne den Unternehmen zu lassen, Verluste hingegen der Allgemeinheit umzuhängen, ist in jüngerer Zeit auf beklemmende Weise vor allem im Bankenbereich Mode geworden. Die verbilligte GmbH zielt auf die Kassen der Gläubiger. Banken, Versicherungen und die Industrie werden die verbilligte GmbH nicht wirklich stören; dort wird sie sich vielmehr gar nicht erst entfalten können. Die Opfer frühzeitig wegen Unterkapitalisierung in die Pleite gerutschter GmbHs werden Arbeitnehmer, Verbraucher und gleichfalls kleine Handelspartner sein.

Mittelbar freilich auch das staatliche Sozialnetz. Doch hat diesbezüglich die angestrebte Lösung des GesRÄG 2013 auch eine entlastende Seite: Wenn man Arbeitslose dazu gewinnen kann, sich mit Hilfe einer billigen GmbH selbständig zu machen, scheiden sie aus dem AMS aus – und kommen auch nicht wieder rein, weil das AMS Selbständigen nicht zur Verfügung steht. Insofern entlastet also jede – auch missglückte – Einpersonen-Billig-GmbH, die ein Arbeitsloser gründet, das AMS.

Steuer- und Tarifsenkung auf Kosten des Gesellschaftsrechts

Immerhin gelingt es dem Entwurf eines GesRÄG 2013, die (insgesamt merkwürdige) Mindest-Körperschaftssteuer und auch gewisse Tarife auf einem gesellschaftsrechtlichen Umweg – nämlich durch die Herabsetzung des Mindeststammkapitals – zu reduzieren. Das hätte man auch machen können, ohne dem GmbH-Recht (nicht zuletzt auch wegen des Effekts der Senkung der Mindest- Körperschaftssteuer) ein Bein zu amputieren.

Letzter Rettungsversuch: Sukzessiver Aufbau eines spürbaren Eigenkapitals

Wenn das aber der Gesetzgeber partout so haben will, sollte er zumindest das für die deutsche „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ vorgeschriebene „Kapitalaufholungs- und Thesaurierungsprinzip“ einführen: Gewinne einer Billig-GmbH sind zu einem gewissen Teil so lange in der Gesellschaft zu halten, bis das bisher vorgeschriebene Mindeststammkapital von 35.000 Euro (oder wie in Deutschland: 25.000 Euro) in der Gesellschaft angespart ist. Dies ließe sich leicht noch im Parlament erreichen. Man bräuchte nur die diesbezügliche deutsche Regelung in das österreichische Recht zu übernehmen – und schon hätte man eine einigermaßen erträgliche Mittellösung.

Der Start wäre allemal billig, aber zumindest dort, wo der Start geglückt ist, soll das Eigenkapital der GmbH wenigstens auf jenes Niveau anwachsen, das den Gesellschaftern die Verantwortung für den Umgang mit dem unternehmerischen Wagnis persönlich spürbar macht. Zugleich würde verhindert, dass die Gesellschafter aufgrund der neuen Rechtslage ihre bislang besser dotierten GmbHs bis auf 10.000 Euro Stammkapital „ausräumen“. Zugleich sollte die neue österreichische Billig-GmbH nach außen hin als solche gekennzeichnet sein, damit der Geschäftsverkehr, ohne vorher das Firmenbuch konsultieren zu müssen, schon vorweg die Kapitalschwäche des Geschäftspartners signalisiert bekommt.

Dass all dies maßgeblichen Protagonisten der Wirtschaft, aber auch Politikern, die ja allesamt immer wieder das zu geringe Eigenkapital österreichischer Unternehmen bedauern, so schwer als das Mindestgebotene begreiflich gemacht werden kann, verwundert.

Sonstige Vergünstigungen des Entwurfes für werdende Unternehmer halten sich in Grenzen: Dass man ein Billigformular für Einpersonen-Gründungen geschaffen hat, das erst recht Rechtsberatung erforderlich macht, damit die Leute nicht blind ins offene Messer rennen, ist eher eine Maus, die da der kreißende Berg in die Welt setzt. Das gilt auch für das Streichen der Bekanntmachung der GmbH in der Wiener Zeitung und die damit verbundene Ersparnis von nicht einmal 200 Euro. Vieles, was insbesondere Jungunternehmer (aber auch alle anderen) nervt, wurde ohnehin nicht angegangen. So unsere in vielen Belangen immer noch zünftlerische Gewerbeordnung, unsere überbordende Verwaltung und dergleichen mehr.

Alles in allem ist es halt wieder einmal so weit. Wie heißt’s so schön bei Grillparzer (Bruderzwist im Hause Habsburg, 2. Aufzug): „Das eben ist der Fluch von unserm edlen Hause: Auf halbem Wege und mit halber Kraft zu halben Zielen zögernd fortzuschreiten!“ Nur zur Klarstellung: Die Hälfte wäre erst erreicht, wenn das GesRÄG 2013 wenigstens das deutsche Kapitalaufholungs- und Thesaurierungsprinzip übernähme. Schön wär’s. Halbschön.

Zur Person:
Em. o. Univ-Prof. Dr. Heinz Krejci
Geb. 1941 in Wien; Dr. iur 1963; 1963 – 1973 Assistent am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien; 1972 Habilitation für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Sozialrecht; 1973 – 1976 ao. Univ.-Professor der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 1973/74 Gastprofessor an der Freien Universität Berlin, 1976 – 1985 Ordinarius für Privatrecht und Wirtschaftsrecht an der Karl-Franzens-Universität Graz, dort Vorstand des Instituts für bürgerliches Recht; ab 1985 Ordinarius für Handels- und Wertpapierrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, 16 Jahre bis zur Emeritierung Vorstand des Instituts für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht. Nach wie vor Vortragender, Rechtsgutachter, Schiedsrichter, rechtspolitischer Berater insbesondere des BMJ. Über 400 wiss. Publikationen auf den Gebieten des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts, Zivilrechts, Versicherungsrechts, Verbraucherrechts, Bauvertragsrechts, Arbeits- und Sozialrechts.

Drucken

Das System Raiffeisen im Blindflug

24. Mai 2013 11:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Herbert Stepic geht. Und eigentlich wissen wir nicht genau warum. Aber es gibt viele Zusammenhänge.

Der mächtige Chef der obersten Raiffeisenbank RBI tritt ab, nachdem ausländische Konten in seinem Besitz bekannt geworden sind. Es gibt nicht einmal einen Nachfolger. Doch Stepic beteuert, alles was sich auf diesen Konten bewegt habe, seien korrekt versteuerte Gelder gewesen.

Wenn das richtig ist – dann setzt er sich gerade erst durch seinen Rücktritt optisch ins Unrecht. Denn so weit sind wir ja hoffentlich (noch?) nicht, dass der Besitz eines Kontos im Ausland ein Delikt ist, auch wenn eine Boulevard-Illustrierte das so darstellt. Also: Entweder sagt Stepic nicht die Wahrheit. Oder es gibt ganz andere Zusammenhänge.

Liegt der Grund etwa in der Verletzung vertraglicher oder Raiffeisen-interner Regeln? Dann ist der Rücktritt zwar verständlich, aber gerade dann sollten auch im Interesse der Bank die Zusammenhänge unbedingt klargelegt werden.

Fällt Stepic, weil er Mister Osteuropa war und ist? Ist doch die Expansion von Raiffeisen bis tief nach Russland hinein mit keinem anderen Namen wie dem seinen so eng verbunden. Das hat seinen triumphalen Aufstieg ausgelöst, dürfte aber zusammen mit der Krise ebenso auch seinen Abstieg eingeleitet haben. Alles, was aus diesen Zusammenhängen heraus mitgespielt hat (und das hat es jedenfalls!), wird freilich nie offengelegt werden. Denn Raiffeisen ist ja bis hin zu Allianzen mit Typen wie dem Konrad- und Putin-Freund Deripaska weiterhin untrennbar in Osteuropa vernetzt. Da kann man ja nicht zugeben, dass das ein Fehler ist.

Oder ist Stepic Opfer der bei allem christlich-bäuerlich-gutmenschlichen Gehabe oft sehr brutal ausgetragenen Machtkämpfe im extrem komplizierten Netzwerk Raiffeisen? Auch das dürfte wohl Teil einer Gesamterklärung sein. Kunden und Eigentümer des Raiffeisensystems werden diese aber wohl nie ganz erhalten. Tatsache ist jedenfalls, dass das mehr als gewichtige Alphatier Konrad nach der Methode „Divide et impera“ Diadochen hinterlassen hat, die seinem Schatten wohl noch lange nicht entkommen sollen. Und er wirft ja auch jetzt noch aus allen möglichen Kulissen heraus weiter seinen Schatten.

 

Drucken

Die GmbH, die Krise und die Fiktionen des Gesetzgebers

22. Mai 2013 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird einfacher und billiger. Super. Die wahren Probleme für Gründer liegen aber wohl wo anders (selbst wenn man die Schuldenpolitik von Regierung und Europa einmal außer Acht lässt).

Man kann eine GmbH künftig schon mit einem Stammkapital von 10.000 statt 35.000 Euro gründen. Man erspart sich auch etliche Kosten, wie etwa jene zur Finanzierung der Wiener Zeitung, die ja inzwischen in einem Ausmaß zur reinen Parteizeitung degeneriert ist, wie sie es noch nie in ihrer langen Geschichte gewesen ist (sich dafür aber einen Wirtschaftsteil erspart). Ebenso werden die Anwaltskosten bei einer Gründung geringer und auch die Mindestkörperschaftssteuer (eine an sich skandalöse Erfindung). Alles lobenswerte Dinge.

Freilich ist das Stammkapital einer GmbH schon lange nicht mehr das entscheidende Kriterium. Denn im Insolvenzfall ist von diesem Stammkapital in aller Regel ohnedies kein Cent mehr zu finden. Der durch die Mindestkapital-Regelung vorgegaukelte Gläubigerschutz ist in Wahrheit eine bloße Phantasie der Gesetzbücher. Umgekehrt wird keine GmbH von irgendeiner Bank einen Kredit bekommen, wenn nicht auch noch eine echte Person, etwa ein Gesellschafter, volle persönliche Haftung übernimmt. Also gilt auch hier wieder: Die „beschränkte Haftung“ ist nur gesetzliche Fiktion. In der Praxis ist sie jedoch keineswegs beschränkt.

Diese Reform wird uns zwar im Wahlkampf noch oft als große Errungenschaft erzählt werden. Es gibt auch nichts gegen sie einzuwenden. Aber den großen Boom wird sie wohl nicht auslösen.

Dazu bräuchte es ganz andere Reformen. So etwa eine Abschaffung der Gewerbeordnung – oder zumindest ihre Reduktion auf wirklich gesundheitsgefährdende Tätigkeiten (nicht nur angebliche!). In der Praxis ist die Gewerbeordnung vor allem ein Instrument der etablierten Unternehmer, um Konkurrenz vom Markt fernzuhalten. Und um Startversuche von Anfängern auch mit Anzeigen zu bekämpfen.

Statt dass sich die Kammer über neue Beitragszahler freut (wenn es schon eine Zwangsmitgliedschaft geben muss), hält sie neue Mitglieder durch unsinnige Prüfungen und Schikanen fern. Wovon dann manche gleich ganz illegal zu arbeiten beginnen . . .

Gerade in Zeiten wie diesen wäre eine Wachstumspumpe im Bereich der Gewerbeordnung bei Gründern und Einzelunternehmern extrem wertvoll. Noch viel wirksamer für die Stärkung des bröckelnden Arbeitsmarktes wäre es, wenn die gewaltigen finanziellen Lasten eines Arbeitgebers beispielsweise für die ersten zwei oder drei Angestellten wegfielen. Zumindest einige Jahre lang. Aber statt die dadurch zu erwartenden höheren Lohnsteuereinnahmen und den Wegfall von AMS-Ausgaben zu sehen, blickt die Politik angsterfüllt darauf, dass dann U-Bahn-Steuer, Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung oder Kommunalsteuer ausbleiben könnten. Und sie ignoriert die Tatsache, dass die ohnedies ausbleiben werden.

Natürlich würde auch vieles sonst helfen. Etwa im Steuerbereich. Warum haben nur Sportler einen akzeptabel niedrigen Steuersatz, nicht aber Normalsterbliche – eine krasse Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes? Wann wird Österreich das tun, was die Schweden in dem Zeitpunkt getan haben, da ihr sozialistischer Wohlfahrtsstaat krachend gegen die Wand gedonnert ist? Die Schweden haben nämlich den Spitzensteuersatz gleich halbiert.

Die wirklich notwendigen Reformen werden dann erst wohl in der großen Krise plötzlich möglich sein. Also ohne sie noch in diesem Jahrzehnt. Sie werden nur dann halt viel tiefergreifend sein müssen.

Drucken

Der unbotmäßige Ungar

17. Mai 2013 00:42 | Autor: Herrolt vom Odenwald
Rubrik: Gastkommentar

Unlängst ging es wieder einmal hoch her im EU-Parlament. Redner der linken und liberalen Fraktionen sorgten sich um europäische Grundwerte, Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechte. Nein, es ging nicht um die Euro-Rettungsmaßnahmen oder um Zustände in Bulgarien, Griechenland und Rumänien. Es ging um Ungarn, einen der beliebtesten Auslandsstandorte deutscher Industrieunternehmen, um ein Land, das trotz Wirtschaftskrise – anders als die meisten EU-Staaten – nicht über seine Verhältnisse lebt, sondern mehr exportiert als importiert. Das aber zugleich auch versucht, seine eigenen (nationalen) Interessen gegen die internationaler Finanz-, Handels- oder Medienkonzerne durchzusetzen.

Seit dort vor drei Jahren eine nationalkonservative Regierung ins Amt gewählt wurde, weht ein kalter Wind aus Brüssel gen Budapest – und er bläst immer schärfer. Mit der Rückkehr Viktor Orbáns – zwischen 1998 und 2002 schon einmal Ministerpräsident – an die Regierungsspitze endete eine sozialistisch-linksliberale Herrschaft, die erstmals zwei Legislaturperioden währte. In den Jahren von 2002 bis 2010 war das Land ökonomisch abgestürzt: die Staatsverschuldung stieg von 53 (2002) auf 82 Prozent (2012) des Bruttoinlandsprodukts (BIP). So sah das Erbe aus, das Orbán übernahm.

Vom Wähler mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit seines aus dem Bund Junger Demokraten (Fidesz) und Christdemokraten (KDNP) bestehenden Parteienbündnisses im Parlament ausgestattet, bedient sich der 49 Jahre alte, fünffache Familienvater Orbán, der in Stuhlweißenburg (Székesfehérvár) aufwuchs, nach EU-Maßstäben weithin non-konformer Mittel, um postkommunistisch-oligarchische Erbhöfe aufzubrechen. Wegen seiner unkonventionellen Vorgehensweise werden ihm diktatorische Züge angedichtet – doch Orbán und seine Partei sind Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU sowie die ÖVP gehören.

Vor allem aber ist Orbán ein ungarischer Patriot, kein „netter Junge“, wie er kürzlich in Interviews mit deutschen Tageszeitungen betonte: „Ich würde mich sehr schämen, wenn das so wäre.“ Mit „Mainstream-Nice-Guys“ sei Ungarn nicht gedient. Die Wähler hätten ihn „nicht beauftragt, Mainstream-Politik zu betreiben“, er müsse sein Land „mit den schwierigsten Fragen konfrontieren und für diese Lösungen anbieten“. Doch mit Patriotismus und Vaterlandsliebe eckt man an in der schönen neuen EU-Welt. Schon 1989, als Student, hatte Orbán öffentlich den Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen aus Ungarn und die Rehabilitierung der Revolutionäre von 1956 verlangt. Deswegen schätzen es viele Ungarn auch heute noch, wenn sich Orbán „Einmischung jedweder Art von außen“ verbittet.

Dass sich Orbán mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) Wortgefechte liefert, spricht eher für den Ungarn. Doch dass jetzt auch die christdemokratische luxemburgische EU-Justizkommissarin Viviane Reding aus der EVP-Familie Artikel 7 des EU-Vertrags ins Spiel bringt, ist in der Tat ernst zu nehmen. Demgemäß kann ein Mitgliedsland mit Sanktionen bis zum Stimmrechtsentzug in den Unionsgremien belegt werden, wenn es „gegen demokratische Grundsätze verstößt“. Das erinnert fatal an das Vorgehen gegen die „falsche“ Wahl in Österreich anno 2000. Mit dem Unterschied, dass seinerzeit nicht die EU(-Kommission) selbst, sondern 14 Regierungen gegen die 15. (die Wiener ÖVP-FPÖ-Koalition) „besondere Maßnahmen“ (Sanktionen) einleiteten.

Die Wortwahl ist ähnlich martialisch: Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn nennt Ungarn einen „Schandfleck“. Unter Beifall des belgischen EU-Liberalen Guy Verhofstadt sieht der (selbst umstrittene) Grüne Daniel Cohn-Bendit Premier Orbán sogar „auf dem Weg, ein europäischer Chávez zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht“. Sogar Vergleiche mit der „gelenkten Demokratie“ Wladimir Putins oder des weißrussischen Autokraten Alexander Lukaschenko wurden gezogen.

Und das nur, weil eine nationalkonservative Regierung in Budapest ihre Zweidrittelmehrheit – unbeeindruckt von Kritik – dazu nutzt, Ungarn von Grund auf umzubauen und somit die Revolution von 1989/90 zu vollenden. Die Intensität des Umbaus ist vielleicht vergleichbar mit der unter Margaret Thatcher in Großbritannien; inhaltlich geht es allerdings in eine etwas andere Richtung. Und die angeblichen Massendemonstrationen gegen Orbáns Politik haben in der Regel erheblich weniger Zulauf als die national orientierten Kundgebungen des Fidesz. Und Umfragen, so jüngst jene des liberalen Meinungsforschungsinstituts „Median“, bescheinigen dem Orbán-Lager derzeit weiter eine Mehrheit im Wahlvolk.

Orbáns Sündenregister

Wogegen verstößt dieser unbotmäßige Orbán eigentlich? Er gängle die Medien, behaupten seine Kritiker. Doch dass ein Umbau der von ausländischen Verlagshäusern sowie Privatsendern beherrschten und verschuldeten „Staatssendern“ dominierten Medienlandschaft vonnöten ist, können nicht einmal die opponierenden Sozialisten ernstlich bestreiten. In der Printpublizistik hat die den Sozialisten nahe stehende einstige Parteizeitung „Népszabadság“ eine ähnliche Auflage wie das fidesz-nahe Blatt „Magyar Nemzet“.

Was macht Orbán noch verdächtig? Mit Zweidrittelmehrheit wurde ein neues Grundgesetz beschlossen, das 2012 in Kraft trat. Schon seit der Zeitenwende 1989/90  sollte die allenfalls an demokratische Verhältnisse angepasste stalinistische Verfassung von 1949 durch eine gänzlich neue ersetzt werden. Daraus war nie etwas geworden. Orbán ergriff die Gunst der Stunde und ließ ein Grundgesetz ausarbeiten, das laut dem bedeutenden deutschen Staatsrechtler (und Ex-Minister) Rupert Scholz nach „objektiven Kriterien eine moderne, in vielen Punkten sogar vorbildliche Verfassung“ ist.

Darin wird allerdings nicht nur die „Heilige Krone“ Stephans I. als Symbol der Wahrung der historischen Kontinuität der Nation verehrt, sondern auch der „Segen Gottes“ für deren Gedeih erfleht. Ungarn gehört damit zu jenen wenigen Ländern in Europa, die einen Gottesbezug in der Verfassung haben – der übrigens wörtlich aus der ungarischen Nationalhymne entlehnt ist. Auch das „Nationale Glaubensbekenntnis“ ist keineswegs „antieuropäisch“, sondern es betont – fern jedweden territorialen Verlangens – die Verantwortung für die etwa 3,5 Millionen Magyaren außerhalb der Landesgrenzen: „Die Nation muss über Grenzen hinweg vereint werden. Nicht durch die Bewegung von Grenzen, sondern über die Grenzen hinweg, im kulturellen und geistigen Sinne“, pflegt Orbán seinen Kritikern zu entgegnen.

Das festgeschriebene Bekenntnis zur Familie sorgt für Unmut, weil die neue Verfassung die Gleichstellung der Ehe mit gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften ausschließt. Auch mit der Festlegung des 22. Juli zum vierten Nationalfeiertag – im Gedenken an den Sieg eines christlichen Heeres bei Belgrad unter Johann Hunyadi über die Osmanen 1456 – fordert Orbáns Ungarn den Zeitgeist heraus und setzt ihm ein Stück seines christlich geprägten Wertekanons entgegen.

Dass die ungarische Verfassung ohne Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde, hat sie mit dem deutschen Grundgesetz oder der US-Verfassung gemein. Dass das ungarische wie andere Verfassungsgerichte nicht über ähnliche Kompetenzen wie jenes in Karlsruhe verfügt, ist in Europa nicht ungewöhnlich; Großbritannien und Schweden haben gar kein Verfassungsgericht. Und in Österreich wurde der Verfassungsgerichtshof schon oft genug durch großkoalitionäre SPÖ-ÖVP-Gesetze im Verfassungsrang ausgehebelt – ohne dass Brüssel daran Anstoß genommen hätte.

Das „Orbán-Bashing“ wird auf politischer wie medialer Ebene weitergehen, selbst wenn Venedig-Kommission und Monitoring des Europarats Ungarn keine „schwerwiegende Verletzung“ von EU-Grundrechten nachweisen können.

Derweil lässt sich die Autoindustrie weiter von Fakten leiten statt von Vorurteilen: Audi betreibt in Gy?r (Raab) das weltgrößte Pkw-Motorenwerk mit einer Jahreskapazität von zwei Millionen. Zudem werden dort der Sportwagen TT und A3-Varianten montiert. Mercedes begann 2012 mit der Produktion seiner B-Klasse in Kecskemét (Ketschkemet); in diesem Jahr kommt das neue Coupé CLA dazu. Und aus Szentgotthárd (St. Gotthard) sollen von 2014 an 600.000 statt (derzeit) 300.000 Opel-Motoren jährlich kommen. Das stimmt nicht nur Orbán und die „unorthodoxe“ Wirtschaftspolitik seines früheren Ressortchefs (und jetzigen Nationalbankpräsidenten) György Matolcsy optimistisch.

Der Autor ist deutsch-österreichischer Historiker und Publizist

Drucken

Die Bauern und die Öffentlichkeit, die Bienen und die Gene

12. Mai 2013 03:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bisher haben die Bauern immer geschickt ihre Interessen zu wahren gewusst. Dies geschah meist in Hinterzimmern und auf dem Weg komplizierter Förderungs-Mechanismen, die außer Bauernfunktionären kein Mensch verstanden hat. Der Bienenkrieg hat nun freilich gezeigt, dass das so nicht mehr weitergeht. Auch die Bauern müssen sich der Öffentlichkeit stellen. Denn – zumindest in manchen Bereichen – sind ihre Argumente keineswegs so absurd, wie es öffentlich kolportiert wird.

Gewiss: Bewusste Falschberechnungen beispielsweise in Hinblick auf die Größe von Almen kann und darf es nicht mehr geben. Offensichtlich haben die heimischen Bauern da versucht, mit den südeuropäischen mitzuziehen. Diese lügen und betrügen ja bei den EU-Förderungen so heftig, dass sich Hunderttausende Ölbäume vor Scham verbiegen müssten, würden diese nicht nur auf dem Papier der Förderanträge aus den Mittelmeerländern existieren.

Der Bienenkrieg um die öffentliche Meinung ist längst entschieden: vor allem durch die dümmlichen Strategien des Landwirtschaftsministers. Nach seinem erklärungsbedürftigen Abstimmungsverhalten in der EU hat er sich einfach hinter dem Amtsgeheimnis verschanzt. Forscht man aber weiter, stößt man auf durchaus ernsthafte Argumente zugunsten des Einsatzes der Pflanzenschutzmittel. Diese wurden aber von der Landwirtschaftskammer viel zu spät vorgebracht. Jetzt ist die Kuh schon aus dem Stall, beziehungsweise die Biene aus dem Stock.

Zumindest eine präzise Darstellung der burgenländischen Landwirtschaftskammer lässt  nachträglich durchaus Verständnis für die Bauern aufkommen. Nach deren Zahlen sind von den 360.000 österreichischen Bienenvölkern im Jahr 2011 deutlich weniger als ein halbes Prozent durch den Einfluss von Neonicotinoiden geschädigt gewesen, genau: 1400. Hingegen kämen alljährlich rund 100.000 Bienenvölker durch ganz andere Ursachen um: vor allem durch den Winter und durch eine gefährliche Milbe.

Das muss nun nicht unbedingt stimmen. Die Bauern-Argumente sollten jedoch die lauten politischen und medialen Bienenretter unter Zugzwang setzen, sich einmal sachlich mit den Bauern zusammenzusetzen. Damit endlich objektiv den Ursachen nachgegangen wird.

Die Berechnungen der Landwirtschaftskammer relativieren das Bild von 2011 jedenfalls noch deutlich weiter: die Kammer berichtet, die Bauern haben die Maissaatgeräte inzwischen so umgestellt, dass 2012 nur noch 400 Bienenvölker durch die Pflanzenschutzmittel geschädigt worden seien, und heuer noch gar keines.

Noch viel spannender ist die zweite Argumentation der Bauern. Wenn keine Pflanzenschutzmittel mehr eingesetzt werden dürfen, gäbe es nur noch eine zweite praktikable Möglichkeit der Schädlingsbekämpfung: den Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut.

Die Bauernkammer meint zwar, dass im Vergleich zu diesem Gottseibeiuns doch die chemischen Mittel zweifellos besser seien. Ich aber meine: Seit Jahrzehnten ist trotz der riesigen, vor allem durch den deutschsprachigen Raum schwappenden Hysterie keine einzige Schädigung durch Genveränderungen gefunden worden, oder sonst eine negative Folge. Daher wäre es längst an der Zeit, den diesbezüglichen Bannstrahl aufzuheben. Denn durch genveränderte Pflanzen wird nicht ein einziges Bienenvolk oder sonst jemand geschädigt. Dadurch wird nur das diesbezügliche Diktat von Kronenzeitung, Greenpeace und ähnlichen Manipulatoren geschmälert. Das müsste eigentlich ein selbstbewusster Staat aushalten.

PS.: Natürlich gibt’s noch eine dritte Möglichkeit: Österreich verzichtet der Bienen willen gänzlich auf die Landwirtschaft. Angesichts des durch die Republik tobenden Schwachsinns ist das ja offenbar auch nicht mehr auszuschließen.

Drucken

Ist Korruption im Wirtschaftsleben üblich?

07. Mai 2013 13:33 | Autor: Andreas Unterberger

Zustimmung in Prozent unter 3.500 befragten Managern, 2013

 

Staat Zustimmung
Slowenien

96

Kroatien

90

Ukraine

85

Griechenland

84

Slowakei

84

Ungarn

70

Italien

60

Österreich

46

Ver. Kgr.

37

Deutschland

30

Schweden

12

Schweiz

10

Quelle: Ernst & Young

Drucken

Die Fehler einer Krise

30. April 2013 01:44 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Gewiss: Einige Jahre nach Beginn einer großen Krise ist es leichter, gescheiter zu sein als bei deren plötzlichem und scheinbar überraschendem Ausbruch. Dennoch ist es recht erstaunlich, dass Europas Staaten selbst heute viele Fehler noch immer nicht klar sehen oder eingestehen wollen, die sie in den letzten Jahren begangen haben. Und die hellsichtige Ökonomen schon von Anfang an kritisiert haben. Heute zeigen sich die europäischen Fehler insbesondere im Vergleich zu den USA aber noch viel deutlicher (auch wenn deren Währungspolitik bis heute keineswegs vorbildlich ist und noch viel mehr falsch macht als Europa).

Einer der offenkundigen, aber von keiner Regierung zugegebenen Fehler war es, dass in Europa zum Unterschied von den USA Hunderte konkursreife Banken gerettet wurden, statt sie den Bach hinuntergehen zu lassen. Die USA haben hingegen zahlreiche Banken „abgewickelt“, wie man das Zusperren elegant nennt, und dabei lediglich die Mindestsicherung ausbezahlt. Das ist erstaunlich problemlos gegangen.

Ein guter Teil des verlorenen Bank-Geldes fließt nun zurück

Das heißt nun gar nicht, dass das restliche Geld der Einleger weg ist. Der Geldrückfluss ist nur abhängig davon, wie viel und wie schnell es aus den Forderungen der Bank zurückfließt. Wenn ein Geldinstitut primär langfristige Darlehen vergeben hat, dann dauert der Rückfluss an die Einleger natürlich Jahre. Aber am Ende bekommen sie dann meist doch ihr Geld.

So steht auch die spektakulärste Pleite, nämlich die von Lehman & Brothers, heute in ganz anderem Licht da. Denn inzwischen ist schon sehr viel Geld an die Gläubiger der Bank zurückgeflossen. Womit sich bestätigt, dass Lehman eigentlich nur eine Liquiditätskrise, aber keineswegs eine Solvenzkrise hatte. Aber das will nun keiner zugeben, der damals moralistisch, nicht ökonomisch geurteilt hat. Dieser Vorwurf trifft übrigens auf Regierungen wie Oppositionsparteien zu.

Noch spektakulärer waren die Bankencrashs in Island. Dort überstiegen die Bilanzsummen der Geldinstitute das BIP des kleinen Landes um ein Vielfaches. Dort wurde zum Unterschied von der EU jedoch keine Bank gerettet. Und heute ist das Land schon wieder in der Aufwärtsspur, während auch ein Teil der scheinbar verlorenen Sparguthaben langsam zurückfließt.

Zusperren wäre richtig gewesen

Auf dem europäischen Kontinent wäre das sofortige Zusperren der Problembanken noch aus weiteren Gründen der einzig richtige Weg gewesen. Erstens weil die Rettung durch die anderen Staaten gegen die No-Bailout-Klausel der Verträge verstoßen hat. Und zweitens weil Europa ohnedies viel zu viele Banken hat. Damit gibt es auch zu viele Arbeitsplätze, zu viele Zweigstellen und zu hohe Kosten für die gesamte Infrastruktur.

In jeder Branche passiert es bisweilen, dass ein langanhaltendes Wachstum plötzlich ins Gegenteil umschlägt. Das ist in Wahrheit unvermeidlich, auch wenn das im Einzelfall für die Betroffenen immer überaus schmerzhaft ist. Deshalb kämpft populistische Politik immer gegen solche Strukturveränderungen. Weil die Wähler es so wollen.

Aber eine künstliche Lebensverlängerung ist im Wirtschaftsleben immer unsinnig. Historisch gesehen tritt die Notwendigkeit von Strukturveränderungen einmal in der Landwirtschaft ein (im 19. Jahrhundert hat die Mehrheit der Europäer noch als Bauern gearbeitet!), ein andermal in Form des Greislersterbens oder des Verschwindens von Dienstmännern und ein weiteres Mal beim Tod der europäischen Textilindustrie. Dafür sind viele neue Berufe – etwa rund ums Internet – entstanden, von denen man vor wenigen Jahren noch gar nicht träumen konnte.

Als Folge der zahllosen falschen Bankenrettungen werden hingegen nun weiterhin unnötige Kosten für Personal und Infrastruktur gezahlt. Oder genauer gesagt, die vergewaltigten Steuerzahler müssen diese über eine gewaltige Schuldenakkumulation finanzieren.

Die Hypo als Fass ohne Boden

Auch bei den österreichischen Problembanken Hypo Alpe-Adria und Kommunalkredit wäre das Abwickeln richtig gewesen. Beide sind nämlich seit ihrer „Rettung“ zu einem schlimmen Fass ohne Boden für den Steuerzahler geworden. Besonders teuer kommt das damals beschlossene Weiterführen der HAA.

Die HAA ist trotz Konkursreife nicht zuletzt auf Verlangen der EU gerettet worden. Dass diese EU jetzt massiven Druck auf Österreich ausübt, die HAA zu verkaufen oder zuzusperren, ist daher besonders absurd. Hätte man sie gleich zugesperrt, dann wäre der Schaden nämlich viel geringer gewesen, weil man sich die seither angefallenen Infrastrukturkosten erspart hätte. Aber die EU fürchtete damals, dass ein Kollaps der HAA vor allem auf dem Balkan gefährliche Folgen haben werde, wo die Bank sehr stark engagiert ist. In Österreich hingegen hat die Bank ja nie als systemrelevant gegolten. Jedenfalls gelang es der EU damals, den damaligen österreichischen Finanzminister Pröll so heftig unter Druck zu setzen, dass er – auch auf Verlangen der übrigen Parteien – den Steuerzahler in die Pflicht nahm.

All diese falschen Reaktionen in der Finanzkrise sind aber nicht nur aus ökonomischer Ahnungslosigkeit, sondern primär aus politischen Gründen gesetzt worden. Denn so teuer die Bankenrettungen auch waren: Sie verblassen gegen die gigantischen Schulden der Staaten, die mehr als das Zehnfache der für die Banken aufgewendeten Mittel ausmachen.

Die Staaten brauchen die Banken zur Finanzierung ihrer Schulden

Daher fürchteten die Staaten, dass sie niemand mehr finanzieren würde, wenn sie die Banken pleite gehen lassen. Das und nicht Liebe zu den Banken war das entscheidende Hauptmotiv der Rettungsaktionen.

Bei den Staaten steht aber zum Unterschied von den Banken den Schulden keine Aktivseite gegenüber. Bei ihnen gibt es höchstens die Hoffnung der Politik, noch mehr Steuern aus den Bürgern herauspressen zu können. Daher tut sie ja auch alles, um diese Absicht zu verwirklichen.

Für dieses Ziel ist übrigens die gegenwärtige Schlacht gegen das Bankgeheimnis ein wichtiges Vorspiel. Sobald diese Schlacht gewonnen ist, werden die EU-Staaten nämlich glauben, dass die Steuerzahler ohnedies keine Alternative haben und sie werden daher reihum die Steuern noch mehr erhöhen. Sie werden aber nicht begreifen, dass das ihre Wettbewerbsfähigkeit noch mehr schmälert.

Die Euro-Rettung war nie das Motiv

Auch die weiteren politischen Motive der Bankenrettung sind verlogen. Es wurde nämlich am Beginn der Rettungsaktionen immer von vielen Politikern und Zeitungskommentatoren behauptet, es ginge dabei darum, den Euro zu retten. Daher sei die Rettung alternativlos. Das war immer ein völliger Unsinn. Sowohl der äußere wie der innere Wert einer Währung sind nicht von Rettungsaktionen abhängig, sondern von der Wettbewerbsfähigkeit eines Währungsraumes.

Noch dümmer war all das Gerede, das vor allem ab 2010 lautstark „Solidarität!“ geschrien hat, ebenso wie die Rufe, dass man doch nicht gerade bei Griechenland, dem Mutterland Europas, als erstes konsequent werden könne. Als ob nicht Griechenland heute viel eher auf dem Weg der Besserung wäre, hätte man bei ihm – und natürlich dann auch anderswo – von Anfang an klar das Prinzip „Eigenverantwortung“ angewendet (wobei die Frage „Verbleib im Euro oder Ausstieg?“ dann rein eine griechische Entscheidung gewesen wäre, die am Ende wohl zum Ausstieg geführt hätte).

Am allerdümmsten waren und sind die infamen Behauptungen, dass es bei der Eurorettung ja auch um den Frieden in Europa gehe. Was sie so alternativlos mache. Heute müssten die Regierungen, wären sie ehrlich, zugeben: Das Gegenteil ist wahr. Denn die mit schweren Auflagen durch das EU-Ausland verbundenen Rettungsaktionen haben den Hass zwischen den Europäern erst so richtig geschürt! Die einen sehen seither nur noch die bösen Deutschen und kehren uralte Weltkriegsemotionen hervor, die anderen ärgern sich, weil die Auflagen meist nicht eingehalten werden.

Die USA profitieren: Aktien statt Kredite

Österreich und die anderen europäischen Länder haben sich noch in einer anderen Hinsicht dümmer verhalten als die USA. Diese haben zwar (neben der Lizenz zum Pleitegehen) sehr wohl auch einige große Unternehmen in der Versicherungs-, Immobilienfinanzierungs- und Automobilindustrie vor dem Kollaps gerettet. Aber die US-Regierung ist in diesen Fällen immer direkt ins Eigentum eingestiegen. Sie hat damit am Tiefpunkt der Kurse, als allen Investoren das Vertrauen in die Hose gefallen war, sehr billig große Eigentumswerte erworben. Diese sind bei einem Teil der Unternehmen inzwischen sehr viel wert. Sind doch die Börsenkurse wieder schön gestiegen. Wobei weniger der nunmehrige Anstieg irrational ist als der damalige Absturz. So konnte die US-Regierung viele Aktien wieder mit großem Gewinn verkaufen. Amerika hat also dadurch gut an der Krise verdient. Und sein Defizit stammt aus den nie finanzierten Kriegen und aus den Kosten des von Barack Obama nach Amerika importierten Wohlfahrtsstaates.

Europas Regierungen haben hingegen ihre Rettungsaktionen großteils nicht über den Kauf von Aktien, sondern primär über Kredite und Haftungen fließen lassen. In Österreich wurden dafür vor allem Partizipationsscheine gewählt. Diese sind zwar an sich mit acht Prozent gut verzinst. Sie haben nur einen großen Nachteil: Die schlechten Banken können überhaupt keine Zinsen zahlen, da hilft also der gute Zinssatz nicht. Bei den heute wieder florierenden Instituten verdient die Republik hingegen mit den Partizipationsscheinen viel weniger, als sie mit Aktien verdient hätte. Die haben sich nämlich im Wert vervielfacht, bei der Erste Bank etwa vervierfacht!

In der Summe waren die letzten Jahre im Grund ein exzellenter Lehrgang in Sachen Marktwirtschaft. Sie waren freilich für die EU-Länder ein letztlich unfinanzierbar teurer Lehrgang.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Pensionsproblem: Ungelöst, daher verschwiegen

11. April 2013 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn man den Kopf unter einen Polster steckt, wenn man nicht darüber redet, dann glauben Kinder, dass ein Problem gelöst wäre. Ganz ähnlich handelt Österreich. Es redet zwar viel über Wohnen, Salzburger Schuldenmacher und nordkoreanische Kriegshetzer; es lässt aber die Schulden- und Euro-Krise – obwohl völlig ungelöst – langsam in Vergessenheit geraten; und es schweigt vor allem die Pensionskatastrophe tot. Dabei ist deren Eintreten viel sicherer als das aller anderen Prophezeiungen (sie ist auch durch Milchmädchenrechnungen, dass Pensionen eh meist wieder konsumieren würden, nicht aus der Welt zu schaffen).

Demographische Vorhersagen sind total präzise, während man etwa beim Klima in Wahrheit nicht einmal genau weiß, ob es Richtung Erwärmung oder Abkühlung gleitet. Jedoch sind all die Pensionisten der nächsten Jahrzehnte schon geboren; die Eltern der dringend benötigten Kinder hingegen seit vier Jahrzehnten nicht mehr in der notwendigen Zahl.

Aber weder Regierung noch Opposition noch Medien lieben das Thema. Daher gibt es dieses einfach nicht . Daher bleibt der Sozialminister sogar nach der ärgsten Skandalmeldung der jüngsten Zeit ungetadelt: In den letzten vier Jahren ist das Pensionsantrittsalter um ganze zehn Wochen gestiegen, wie nun heimlich zugegeben worden ist. Dabei hat er (wie Regierung und Sozialpartner) ständig den Eindruck erweckt: Alle notwendigen Maßnahmen für ein nachhaltiges Pensionssystem wären ergriffen. Wahr ist jedoch das Gegenteil. Denn in diesen vier Jahren ist die Lebenserwartung der Österreicher um ein volles Jahr gestiegen. Die Schere klafft also immer weiter auseinander.

Alle Studien, die darauf warnend hinweisen, werden jedoch ignoriert. Ob sie nun von EU-Kommission, OECD, unabhängigen Experten oder vom Ökonom Erich Streissler kommen. Dieser hatte es sogar als notwendig erkannt, erst mit 75 in Vollpension gehen zu dürfen. Und die Bertelsmann-Stiftung empfiehlt Österreich und Deutschland nun ein reales Pensionsantrittsalter von 69 Jahren. In Deutschland ist immerhin schon für Männer und Frauen(!) ein Rentenalter von 67 Jahren beschlossen. Nicht so in Österreich. Hier liegt der reale Pensionsantritt ein volles Jahrzehnt darunter.

Einer der klügsten, aber naturgemäß auch brisantesten Ratschläge will die Höhe der Pension nun von der Anzahl aufgezogener Kinder abhängig machen. Die Logik ist eigentlich zwingend: Singles müssen weder Zeit noch Geld für Kinder aufwenden und können daher viel mehr sparen und vorsorgen. Gleichzeitig wäre die Umstellung auf ein solches Pensionssystem ein Anreiz, doch wieder mehr Kinder zur Welt zu bringen. Statt an die hohlen Versprechungen des Sozialstaats zu glauben.

Österreichs Politiker hingegen faseln davon, dass mehr (und teure) Rehabilitation von Invaliden das Pensionssystem retten würde. Die wirklichen Wahrheiten und Notwendigkeiten übergehen sie jedoch. Wohl deshalb, weil kein Wähler sie gerne hört.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Abverkäufe nach Salzburger Art: Darf‘s noch a bisserl billiger sein?

03. April 2013 16:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Salzburg haben sie wirklich bis zum bitteren Ende gepfuscht. Noch viel katastrophaler als all das, was eine Beamtin in den letzten Jahren (möglicherweise) angestellt hat, ist das, was sich dort in den vergangenen Monaten (ganz realerweise) abgespielt hat. Das ist nun durch den Bericht eines beigezogenen Experten aufgedeckt worden.

Man (das ist wohl vor allem der inzwischen zurückgetretene Finanzlandesrat) hat die diversen Veranlagungen des Bundeslands so unbedacht und schnell aufgelöst, dass daraus ein Schaden von über 200 Millionen Euro entstanden ist. Dabei geht es wohlgemerkt um die Zeit nach Öffentlichwerden der – angeblich – geheim gewesenen Veranlagungen.

Der nun gutachtende Universitätsprofessor Lukas attestiert dem Land, im Herbst  die einfachsten Grundlagen der Sorgfalt vernachlässigt zu haben: Es gab keine Statusbewertung der Derivate, keine rechtliche Prüfung, keine externe Unterstützung und keine Abbaustrategie.

Es ging offenbar zu wie in den nächsten Tagen beim Räumungsverkauf bei Niedermeyer: Alles muss raus, egal um welchen Preis. Der mit dem Abverkauf beauftragte Beamte hatte, wie Lukas entsetzt festhält, nicht einmal einen Bloomberg-Computer (das Instrument jedes Börsenakteurs mit allen relevanten Informationen in Echtzeit). Dadurch konnte die Gegenseite praktisch die Preise diktieren. Das ist niemand anderer als die Käufer der vom Land plötzlich unerwünschten Papiere.

Noch tollpatschiger geht’s wohl nicht mehr. Aber dieselbe Politik will ständig noch mehr regulieren und ständig noch mehr Steuern kassieren . . .

Drucken

Energiewende – ein Totentanz

28. März 2013 23:19 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Die europäische Energiewende ist zum Albtraum geworden. Nichts von dem, was man sich erhofft hatte, ist eingetreten, teilweise sogar das Gegenteil. Die Kosten laufen zum Teil völlig aus dem Ruder und werden dann noch sozial ungerecht verteilt. „Ein Auto rast auf eine Klippe zu mit durchschnittenen Bremsschläuchen“, meinte jüngst ein Teilnehmer an einer einschlägigen Diskussion. Besonders extreme Auswirkungen zeigt der Energiewende-Flop in Deutschland, wo vor kurzem der Versuch misslang, die überbordenden Kosten wenigstens ein bisschen in den Griff zu bekommen. Vor den im Herbst stattfindenden Wahlen bleibt jede Logik im politischen Hickhack auf der Strecke. Und so werden weiter Milliarden fließen, die nur wenigen zu Gute kommen.

Was heißt das konkret? Windkraft und Photovoltaik überschwemmen den Strommarkt, die Kosten dafür haben die privaten Haushalte zu tragen, denn die Kosten für die übertriebenen Förderungen  müssen nicht aus dem allgemeinen Steuertopf berappt werden – was für Politiker unangenehm wäre – sondern werden einfach auf den Strompreis aufgeschlagen (in Deutschland derzeit fast sechs Cent). Mit dem Resultat, dass allein die Subventionen für Erneuerbare Energien bereits höher sind als jener Preis, zu dem an der Börse Strom gehandelt wird (im Moment etwa fünf Cent).

Und an den Strombörsen wird Strom immer billiger, weil Wind- und Sonnenstrom im Übermaß vorhanden sind und die Preise drücken. Dieser billige Strom kommt allerdings nur den Großverbrauchern, etwa in der Industrie, zu Gute. Auch in Österreich ist das so. Nicht nur, dass es Rabatte für Großabnehmer gibt, so können zusätzlich Firmen, die große Strommengen verbrauchen, die Stromlieferanten zwingen, zu den tiefen Börsepreisen zu liefern. Da die Stromkonzerne aber höhere Selbstkosten haben, machen sie bei diesen Geschäften Verlust, die privaten Haushalte müssen diese Kosten übernehmen. So hat die „Energiewende“ dazu geführt, dass die Strom fressende Industrie heute Strom billiger bezieht als noch vor einigen Jahren, die privaten Haushalte aber weit höhere Preise bezahlen müssen.

Das bedeutet aber nicht, dass sich damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Firmen verbessert hätte. Genau das Gegenteil ist der Fall. Energiekosten sind ein wesentlicher Faktor für die Konkurrenzfähigkeit, und die sind in der EU weit höher als in Amerika. Durch den Schiefergasboom in den USA kostet Gas am US-Markt nur mehr ein Viertel des Preises, der in der EU zu zahlen ist. Durch das Fehlen einer einheitlichen Industriepolitik in Europa verabschieden sich immer mehr europäische Firmen und wandern in die USA aus – wie jüngst die Voest, die um 500 Millionen Euro ein Werk in Texas baut. In Europa hat man die Wahnsinnsidee verfolgt, Gasverträge mit einer Laufzeit von 20 Jahren abzuschließen – und diese Gasverträge sind an den Ölpreis gekoppelt. Norwegen und Russland, die Hauptlieferanten, verteidigen diese Verträge mit Zähnen und Klauen und sind nur scheibchenweise zu Zugeständnissen bereit. Für Europa ein Teufelskreis.

Das Angebot an grünem Strom ist bei weitem zu schnell und unkontrolliert gewachsen. Für diese Mengen fehlen die Stromleitungen. Diese Planlosigkeit schafft zusätzliche Kosten. Wenn die Netze überfordert sind, werden die Windräder einfach abgeschaltet, es muss jedoch auch für den nicht erzeugten Strom der volle Preis bezahlt werden, was wieder zusätzliche Kosten verursacht. Es ist einfach unwirtschaftlich, große Strommengen aus dem Norden, wo der Wind weht, in die weit entfernten Verbraucherzentren im Süden zu liefern. Es wäre weit sinnvoller, mit regionalen Energiegenossenschaften kleine Anlagen für grünen Strom vor Ort zu schaffen (an denen sich auch Bürger beteiligen könnten). Damit könnte man sich große Leitungen mit landraubenden Trassen ersparen.

Billige CO2-Zertifikate: Ein großes Problem

Ein weiterer Albtraum der Energiewende: Mittels CO2-Verschmutzungszertifikaten sollten die Stromerzeuger gezwungen werden, auf eine sauberere Energieerzeugung umzustellen. In der Theorie ein schöner Plan, der in der Praxis völlig versagt hat. Weil man die nationale Industrie schonen wollte, wurden bei weitem zu viele Gratiszertifikate ausgestellt, die den Markt überschwemmen. Fazit: Statt erwarteter 30 Euro kosten CO2-Verschmutzugsrechte nun nur noch vier Euro bei Verkaufsauktionen. Kohlekraftwerke, die eigentlich, als CO2 Dreckschleudern, aus dem Markt gedrängt werden sollten, sind total in Mode, weil sie günstigen Strom erzeugen können. Warum? Verschmutzungszertifikate kosten fast nichts und Kohle ist billig zu haben, weil die USA ihre Kohlekraftwerke auf billiges Gas umrüsten und mit der nun nicht mehr benötigten Kohle die EU überschwemmen. Damit kommt es zur paradoxen Situation, dass die USA, die sich an keinerlei Klimaaktionen beteiligt haben, ihre CO2-Bilanz verbessern konnten, Deutschland aber nun, trotz der riesigen Kosten für die „Erneuerbaren“, seinen CO2-Ausstoß um zwei Prozent gesteigert hat.

Geplant war, dass mit den staatlichen Erlösen aus dem Verkauf von Verschmutzungsrechten Programme für die Energieeffizienz gespeist werden. Das stellt sich nun als Fehlkalkulation heraus – diese Fördertöpfe sind leer.

Ein weiteres Phänomen: Wind- und Solarstrom fallen nur an, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Ist dies nicht der Fall, sollten relativ saubere Gaskraftwerke dafür sorgen, dass uns der Strom nicht ausgeht. Weil der Strompreis an den Börsen durch die Anlieferung von Wind- und Sonnenstrom (in Deutschland können damit zu Spitzenzeiten bereits 40 Kernkraftwerke ersetzt werden) so billig wurde, die Gaspreise aber nach wie vor unverhältnismäßig hoch sind, können selbst neue, hochmoderne Gaskraftwerke nur mehr mit Verlust Strom erzeugen. Das hält kein Stromkonzern auf die Dauer aus, also werden fast alle Gaskraftwerke abgeschaltet. Diese Investitionen rentieren sich einfach nicht.

Wer verdient nun an der Energiewende? Durch die großzügige Förderung von Wind- und Solarstrom, die garantierte Einspeisetarife auf 20 Jahre in Deutschland, 13 Jahre in Österreich, vorsieht, herrscht eine Goldgräberstimmung. Angefangen von Landwirten über Hedgefonds drängen viele Gruppen an die Fördertöpfe. Die großen Stromkonzerne haben sich anfangs zurückgehalten, sind nun aber voll auf den Zug aufgesprungen. Als letztes haben auch die riesigen Versicherungskonzerne dieses goldige Geschäft entdeckt. Versicherungen leiden darunter, dass die Zinsen total im Keller sind. Mit den „Erneuerbaren“ ist eine sichere Verzinsung von bis zu sieben Prozent und mehr zu machen, garantiert auf viele Jahre, für Versicherungen ein Fluchtloch.

Auch wenn mancherorts noch davon gefaselt wird, dass die Energiewende doch ein erfolgreiches Konzept sei (wie etwa die Energieexpertin Claudia Kemfert vom deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut DIW meint): Realisten – wie Walter Boltz von der heimischen Kontrollbehörde E-Control – bringen es auf den Punkt. Das ist ein Wunschdenken, einzig die EU glaube noch an eine Energiewende.

Derzeit findet ein abenteuerlicher Totentanz statt.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.atabonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Wie produktiv sind die EU-Arbeitnehmer?

26. März 2013 11:00 | Autor: Andreas Unterberger

Arbeitsproduktivität in der EU 2011 in Relation zum Durchschnitt

 

Luxemburg

169,1

Irland

142,7

Belgien

127,7

Frankreich

116,7

Österreich

116,7

Schweden

115,8

Niederlande

111,7

Dänemark

110,5

Finnland

109,5

Italien

109,0

Spanien

108,6

Deutschland

106,6

Ver. Königreich

103,6

EU gesamt

100,0

Malta

95,0

Zypern

91,0

Griechenland

90,1

Slowenien

80,6

Slowakei

80,2

Portugal

75,6

Tschechien

74,1

Ungarn

71,2

Polen

68,9

Estland

68,0

Litauen

64,9

Lettland

62,4

Rumänien

49,4

Bulgarien

44,0

Quelle: Eurostat

Drucken

Nachhaltigkeit & Konsolidierungsbedarf der Euro-12

20. März 2013 17:03 | Autor: Andreas Unterberger

Staatsschulden, Nachhaltigkeitslücke & Konsolidierungsbedarf der Euro-12 in Prozent des BIP 2010

 

  Explizite
Staatsschuld
Implizite
Staatsschuld
Nachhaltigkeits-
lücke
Konsolidierungs-
bedarf
Italien

118,4

27,6

146,0

2,4

Deutschland

83,2

109,4

192,6

4,0

Finnland

48,3

146,9

195,2

2,7

Österreich

71,8

225,9

297,7

4,8

Frankreich

82,3

255,2

297,7

4,3

Portugal

93,3

265,5

358,8

6,5

Belgien

96,2

329,8

426,0

5,3

Niederlande

62,9

431,8

494,6

8,1

Spanien

61,0

487,5

548,5

7,0

Griechenland

144,9

872,0

1.016,9

17,6

Luxemburg

19,1

1.096,5

1.115,6

12,0

Irland

92,5

1.404,7

1.497,2

10,4

Implizite Schuld: Im Unterschied zur expliziten Staatsschuld, welche das Ausmaß vergangener Haushaltsdefizite widerspiegelt, entspricht die implizite Schuld der Summe aller zukünftigen Defizite. Wird in einem zukünftigen Jahr ein Überschuss erzielt, so reduziert dies die implizite Schuld, während ein Defizit diese erhöht. Die implizite Schuld spiegelt damit den Umfang wider, in dem sich zukünftige Defizite und Überschüsse die Waage halten.

Nachhaltigkeitslücke: Im Sinne einer Schuldenquote entspricht die Nachhaltigkeitslücke der tatsächlichen Staatsverschuldung im Verhältnis zum heutigen Bruttoinlandsprodukt. Die tatsächliche Staatsverschuldung setzt sich dabei aus der bereits heute sichtbaren (expliziten) sowie der impliziten Staatsschuld zusammen. Im Falle einer positiven Nachhaltigkeitslücke ist eine Fiskalpolitik auf Dauer nicht nachhaltig, so dass Steuer- und Abgabenerhöhungen oder Einsparungen in Zukunft unumgänglich sind.

Konsolidierungsbedarf: Entspricht dem Umfang, um den die Staatsausgaben (in Prozent des BIP) verringert werden müssten, im die Nachhaltigkeitslücke zu schließen. Er könnte alternativ auch über eine Erhöhung der Steuern und Abgaben aufgebracht werden.

Quelle: Stiftung Marktwirtschaft Nr. 115, EU-Kommission, Eurostat

Drucken

Welcher Anteil der Österreicher ist erwerbstätig?

19. März 2013 14:00 | Autor: Andreas Unterberger

Anteil der Erwerbstätigen an der erwerbsfähigen Bevölkerung 2011 in Prozent nach Geschlecht & Staatsbürgerschaft

 

 

  Gesamt Österreich nicht-Ö EU-27 Türkei Ex-Jugoslawien andere
Gesamt

72,1

73,2

64,6

71,0

53,1

63,7

57,0

Männer

77,8

78,3

73,7

77,8

72,2

71,9

68,8

Frauen

66,5

68,1

56,3

64,4

32,5

56,9

50,5

Quelle: Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung

Drucken

Ungarn: ein nationaler Sozialismus, aber kein Faschismus

19. März 2013 01:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die europäischen Sorgen um Ungarn sind weitgehend unberechtigt – dennoch sollte sich Europa um Ungarn und die falsche Politik seines Machthabers Viktor Orban große Sorgen machen. Das klingt paradox. Das ist aber zwingendes Ergebnis einer eingehenden Analyse der ungarischen Fakten. Europa macht sich die völlig falschen Sorgen. In Ungarn wird keine Diktatur ausgerufen, wie uns die einen weismachen wollen. Ungarn donnert aber aus eigener Schuld ökonomisch gegen die Wand. Was die anderen ignorieren.

Zuerst zu den Sorgen um die Zukunft der Demokratie in dem mitteleuropäischen Land. Denen ist vieles entgegenzuhalten. Vor allem: Ungarn hat bisher noch immer am Ende jeder Debatte jedem ausjudizierten Einwand des Europäischen Gerichtshofs Rechnung getragen. Man darf nicht vergessen: Auch alle anderen EU-Länder haben in bestimmten Fragen gegen EU-Recht verstoßen, manche sogar noch viel öfter als Ungarn – ohne dass dort gleich vom Untergang des Abendlandes oder der Demokratie geredet wird.

Wenn man objektiv und sachlich bleiben will (was die Ungarn-Kritiker freilich nicht wollen), ist bei jedem Vorwurf immer primär zu prüfen: Wie sieht es bei den konkreten Punkten eigentlich in anderen Staaten, etwa in Österreich oder Deutschland aus? Denn weder Europa noch ein anderer Staat darf sich einfach ungeprüft und unausgewogen zum Instrument der ungarischen Opposition und der Exilungarn machen. Das wäre so, wie wenn man die Behauptungen von Grünen und FPÖ ungeprüft als Bild der österreichischen Realität übernähme. Eine Opposition versucht naturgemäß immer, alles in den übelsten Farben erscheinen zu lassen. Sie kann daher nie ein objektiver Maßstab sein.

Die konkreten Vorwürfe gegen Ungarn

Seit einigen Tagen wird im Ausland vehement eine Bestimmung kritisiert, derzufolge der ungarische Verfassungsgerichtshof bei Auslegung der Verfassung nicht auf seine Judikatur zur alten Konstitution zurückgreifen darf. Mit Verlaub: Das ist auch in allen anderen Ländern so. Das ist seit ein paar Jahrtausenden ehernes Rechtsprinzip. Auch das deutsche Grundgesetz 1949 kann nicht mit irgendeiner Judikatur aus der Zeit davor interpretiert werden. Ebensowenig die österreichische Verfassung aus 1920 und 1929 (und mit Teilen aus 1867).

Ebenso lächerlich sind die Vorwürfe der UN-Menschenrechtskommission. Die sind schon deshalb absurd, weil sie von einem Gremium mit besonders üblen (aber dennoch gewählten!) Mitgliedern stammt: wie beispielsweise Zimbabwe, China, Pakistan, Saudi-Arabien oder der Ukraine. Eigentlich sollte schon diese Mitgliederliste dazu führen, dass man jede Mitteilung dieser Kommission sofort rundentsorgt.

Sie kritisiert, dass die Verfassung ohne angemessene öffentliche Diskussion erfolgt sei. Interessant. Heißt das, dass auch die deutsche und österreichische Verfassung für diese seltsamen Demokratie-Experten bedenklich sind? Denn auch in diesen beiden Ländern hat es einst keine lange öffentliche Diskussion gegeben. Das deutsche Grundgesetz geht sogar auf Anordnungen der Besatzungsmächte zurück. „Ausreichende“ Diskussion ist also in Wahrheit ein völlig willkürliches Kriterium.

Ein anderer Vorwurf ist ebenso skurril: Der ungarische Staatspräsident dürfe Gesetze nur noch wegen Formfehlern zurückweisen. Weiß irgendeiner der kritischen Menschen, dass auch in Deutschland und Österreich – sowie den meisten anderen EU-Ländern – die Kompetenz des Staatsoberhaupts genauso limitiert ist? Niemand hat deren Verfassungen bisher deswegen für bedenklich erklärt. Die europäischen Monarchen dürfen nicht einmal wegen Formfehlern aktiv werden. Nur in Liechtenstein hat der Fürst mehr Macht - die dortige Verfassung ist freilich von einigen Ländern vor einigen Jahren vor allem deshalb heftig kritisiert worden . . .

Genauso absurd: Das Verfassungsgericht dürfe die Verfassung selber nur noch formal (also in Hinblick auf die Prozedur ihres Zustandekommens), aber nicht materiell (also in Hinblick auf einzelne Bestimmungen) prüfen. Genau das ist aber praktisch einhelliges Prinzip aller europäischen Verfassungen. Das ist ja gerade der Kern des Positivismus, der etwa in Österreich seit 1920 herrschende Lehre ist. Seit es in Europa keinen darüber stehenden Rang für Naturrecht oder Religion gibt, ist eben die Verfassung die höchste und inhaltlich nicht mehr hinterfragbare Rechtsgrundlage! Man kann ihr nur mit den gleichen Formalerfordernissen wie bei ihrer Erlassung selbst etwas anhaben; diese bestehen meist in einer Zweidrittelmehrheit.

Ein weiterer Vorwurf: Die Verfassung werde in dieser Periode schon zum vierten Mal geändert. Wui! Hat einer der Kritiker schon nachgezählt, wie oft das anderswo passiert? Als in Österreich zuletzt die verfassungsrechtlichen Sondergesetze gezählt wurden, kam ein Experte auf mehr als 600. Soll sich Österreich deswegen vor europäischen Gerichtshöfen verantworten?

Ein anderer Kritikpunkt ist: Wer in Ungarn gratis studiert, muss nachher einige Zeit im Land arbeiten oder sein Studium rückzahlen. Diese Bestimmung ist für die Betroffenen unerquicklich, sie ist auch eher illiberal. Sie kann aber nur dann als Verstoß getadelt werden, wenn europaweit vorgeschrieben wäre, dass Studieren nichts kosten darf. Das ist aber absolut nicht so. In vielen Ländern muss man halt für ein Studium zahlen. Die ungarische Regelung ist freilich ziemlich dumm, kann sie doch gar nicht ernsthaft durchgesetzt werden. Man kann die Jungen nicht im Land einsperren, ist doch der Eiserne Vorhang der Kommunisten zum Glück seit 1989 weg. Natürlich wäre es viel sauberer, aber weniger sozial, wie anderswo das Studium für alle kostenpflichtig zu machen. Hauptproblem für viele junge Ungarn ist auch gar nicht, dass sie alle auswandern wollen – sie müssen es vielmehr, weil sie daheim keinen Job finden.

Schwer nachvollziehbar ist auch der nächste Vorwurf: Ungarn dehnt den Familienbegriff auf jede Eltern-Kind-Beziehung aus (was in Wahrheit eine wichtige Geste der Liberalisierung des bisher rein ehegebundenen Familienbegriffs ist), aber nicht auf gleichgeschichtliche Partnerschaften. Niemand kann erklären, aus welchem Grund auch Partnerschaften ohne Kinder Anspruch auf eine Förderung haben sollten (außer wegen ihrer Lautstärke).

Ebenso europaüblich sind die ungarischen Regelungen über die Beschränkung der Wahlwerbung im Fernsehen. Solche gibt es in unterschiedlichen Formen fast überall. Die ungarische Version hat jedenfalls den Vorteil, dass es im Wahlkampf wenig hilft, wenn sich ein Politiker a la Berlusconi ganze Sender kauft.

Auch die – zweifellos – regierungsfreundliche Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens findet sich leider in vielen Ländern. Auch wenn die Regierung keine Zweidrittelmehrheit hat.

Anderer Kritikpunkt: In Ungarn machen sich Obdachlose strafbar, die auf der Straße übernachten, statt in ein angebotenes Obdachlosenheim zu ziehen. Na und? Behauptet jemand im Ernst, es wäre neuerdings schon EU-Recht, dass jedermann auf jedem beliebigen öffentlichen Platz übernachten könne, so oft er will? Auch in Frankreich beispielsweise haben sowohl die rechte wie auch die linke Regierung Roma außer Landes gebracht, die öffentliche Flächen okkupiert haben.

Nächster Vorwurf: Die jüngste Verfassungsänderung sei vor allem deshalb erfolgt, weil dem Parlament die Judikatur des Gerichtshofs nicht gepasst hat. Warum wird dann nicht auch der österreichische Gesetzgeber als Diktatur entlarvt, der schon Hunderte Male mit Verfassungsmehrheit die Gerichte ausgehebelt hat? In Österreich sind ja sogar Lächerlichkeiten wie die – konsumentenfeindliche – Taxi-Regelung nur deshalb in der Verfassung geregelt worden, damit sie der Gerichtshof nicht aufheben kann.

Was die Kritiker verschweigen

Warum wird von den vielen Kritikern Ungarns nicht dazugesagt, dass bei der Novelle die einzige materielle Kritik des ungarischen Verfassungsgerichts am bisherigen Verfassungstext Orbans nicht mit der – möglichen – Zweidrittel-Dampfwalze niedergerollt worden ist? Das Veto des Gerichtshofs gegen die durch ein einfaches Gesetz geplant gewesene Wählerregistrierung ist nämlich voll respektiert worden.

Warum wird nicht dazugesagt, dass die nunmehrige Novelle die Sozialisten im Gegensatz zu dem seit zwei Jahren gültigen Text nicht mehr als Nachfolgepartei der Kommunisten bezeichnet? Das müssten doch die vor allem von der Linken kommenden europäischen Kritiker eigentlich loben und nicht tadeln.

Das tun sie aber nicht. Denn in Wahrheit stört sie ja nur eines: dass die ungarischen Sozialdemokraten von den Wählern in die Bedeutungslosigkeit verdammt worden sind. Daher können sie zum Unterschied von den meisten anderen Ländern Verfassungsänderungen nicht mehr blockieren. Jene vernichtende Wahlniederlage ist auch die eigentliche, wenn auch nie zugegebene Ursache des organisierten Zorns der europäischen Sozialdemokratie.

Dieser Zorn ignoriert – fast muss man sagen: natürlich – auch eine beispiellose humanitäre Geste: Ungarn hat einen eigenen Gedenktag für die vertriebenen Ungarndeutschen eingeführt. Diese kostenlose Geste stünde zweifellos auch Tschechien, der Slowakei,  Polen, Slowenien, Kroatien oder Serbien gut an. Sie ist dort aber bisher keineswegs angedacht.

Die Kritiker Ungarns haben weder juristisch noch historisch recht. Sie schießen sich freilich damit politisch ins eigene Bein. Denn sie geben Viktor Orban eine wunderbare Gelegenheit, das Volk mit nationalistischen Tönen hinter sich zu scharen. Motto: Wir gegen den Rest Europas. Das hilft fast immer.

Ungarns ökonomischer Selbstmord

Damit kann der Ministerpräsident aber auch die verheerenden Folgen seiner Wirtschaftspolitik übertünchen. Damit kann er der sonst – zu Recht! – drohenden Wahlniederlage beim nächsten Mal entgehen. Denn das, was Orban wirtschaftlich macht, ist der sicherste Weg in den Untergang: Ungarn marschiert in einen nationalen Sozialismus.

Es droht Ausländern die Enteignung an; obwohl das EU-rechtlich gar nicht möglich ist. Es hat eine Reihe von Steuern und Abgaben so strukturiert, dass diese vor allem Ausländer treffen; was vor dem EuGH wahrscheinlich ebenfalls nicht halten wird. Und er versucht nun gar, ausländische (insbesondere österreichische) Grundeigentümer in der Landwirtschaft hinauszuwerfen; auch damit wird Ungarn rechtlich wohl am Ende des Tages scheitern.

Juristisch ist das alles nicht durchdacht und ohne Erfolgsaussichten. Aber zwei „Erfolge“ hat Orban durch diese Politik dennoch erzielt: Erstens ist die Währung auf Talfahrt. Und zweitens bleiben ausländische Investoren dem Land in breiter Front ferne. Investoren fürchten nämlich nichts mehr als rechtliche Unsicherheiten.

Die ungarische Arbeitslosenquote beträgt jedoch schon mehr als zehn Prozent und wird mangels Arbeitsplätze schaffender Investoren weiter steigen. Dabei ist in Ungarn jetzt schon der Anteil der Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung besonders niedrig. Obwohl sich die Regierung eigentlich um die Integration der Roma durchaus bemüht, hat die Vertreibung der Investoren gerade für diese große, aber nicht für sonderliche Produktivität bekannte Gruppe die Chance auf Arbeitsplätze total zertrümmert.

Die ungarischen Machthaber sind auf ihre Wirtschaftspolitik trotz der verheerenden Auswirkungen sogar noch stolz. Sie rühmen sie als „unorthodox“. Dabei ist sie einfach nur abgrundtief dumm.

Sie ist sogar dümmer als die Wirtschaftspolitik der davor regierenden Sozialisten. Diese haben zwar am Beginn ihrer Amtszeit jeden nur denkbaren populistischen Unsinn begangen (Beamtengehälter schlagartig um 50 Prozent steigern usw.). Sie haben aber in den letzten Jahren ihrer Amtszeit dazugelernt, und begonnen, Ungarn mit einer liberalen Politik zu sanieren sowie mit der Anlockung von Investoren Arbeitsplätze zu schaffen. Sie haben also dazugelernt. Orban, der in seiner ersten Amtszeit (1998-2002) ebenfalls noch einen Kurs der Vernunft versucht hat, hat hingegen diesbezüglich alles verlernt.

Schade.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Buchbesprechung: Inside Occupy

18. März 2013 03:39 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Beim Erwerb dieses Buches schloss der Rezensent aus dessen Titel auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem besprochenen Thema – etwa in der Art der amüsant zu lesenden Polemik „Unter Linken“, aus der Feder von Jan Fleischhauer. Ein Irrtum. Denn der Autor, der amerikanische Kulturanthropologe David Graeber, ist keineswegs von der zeitgeistigen Religion des Antikapitalismus abgefallen, sondern ein von seiner Sache mehr denn je überzeugter Aktivist der Occupy-Wallstreet-Bewegung.

Nach eigener Einschätzung ist er Anarchist. Wenn das jemand von sich behauptet, dann handelt es sich gewöhnlich um radikale linke Kollektivisten, die privates Eigentum strikt ablehnen, sofern es das Ausmaß von Leibwäsche, Monatsbinden und Rasierzeug übersteigt. Historische Exemplare dieser Gattung waren etwa Pierre-Joseph Proudhon oder Michail Bakunin. „Rechte“ Anarchisten dagegen – die sich auch selbst als solche verstehen, Individualanarchisten oder „Anarchokapitalisten“ – traten, wie Murray Rothbard, wesentlich später, nämlich erst im zwanzigsten Jahrhundert, auf den Plan. Dagegen hätten die Herren Lysander Spooner, Henry Thoreau oder Max Stirner wohl vehement bestritten, Anarchisten zu sein.

Von einem Mann, der seine Hand an der Wiege der Occupy-Bewegung hatte und der von der Verwerflichkeit der Marktwirtschaft einerseits und der Korruption des politischen Systems der USA andererseits tief überzeugt ist, kann keine kritische Auseinadersetzung mit dem Thema „Occupy“ erwartet werden. Dafür liefert er hochinteressante Einblicke in die Welt dieser vermeintlich Unterprivilegierten, die sich zu einem, nach anfänglicher Zurückhaltung von den Hauptstrommedien (besonders in der Alten Welt) sehr wohlwollend kommentierten, kapitalismusfeindlichen Haufen zusammengefunden haben.

Graeber sieht in ihnen eine Mischung aus „klassischen Liberalen“ und ein „bunt zusammengewürfeltes Häufchen von Anarchisten und Marxisten“ versammelt. In der Tat scheint Occupy – im Unterschied zur Tea Party – ein recht heterogenes Gemenge von Frustrierten und Zukurzgekommenen zu vereinen, die sich im Wesentlichen durch zwei Affekte verbunden wissen: Neid und den Hass auf „die da oben“. Die da oben – auch das unterscheidet Occupy von der Tea Party – sind in ihrer Wahrnehmung nicht etwa Politbonzen und beamtete Staatsdiener, sondern das „eine Prozent“, dem angeblich fast der gesamte Reichtum der Nation gehört; Menschen also, die ihren Besitz, wenigstens zum größeren Teil, nicht Nepotismus und politischen Seilschaften, sondern ihrem Fleiß, ihrer Tüchtigkeit und ihrem wirtschaftlichem Geschick zu verdanken haben.

Wenn also die Occupy-Bewegten etwas am Staat stört, dann nur, dass es nicht genug davon gibt – den „Reichen“ also nicht genug von ihrem Wohlstand abgenommen und an sie – die „99 Prozent“ – umverteilt wird. Dem akademischen Lumpenproletariat (der Autor enthält sich der Verwendung dieses von Karl Marx erfundenen Begriffs) kommt bei Occupy eine wesentliche Bedeutung zu. Das ist kaum verwunderlich, da es in den USA „Gratisstudien“ wie in Europa nicht gibt. Folglich haben Studienabsolventen, die sich für Orchideenfächer entschieden haben, nicht über reiche Eltern verfügen und – Überraschung! – keine ihren hochgesteckten Erwartungen entsprechende Anstellung finden, mit der Rückzahlung ihrer Studienkredite naturgemäß große Probleme (dazu wird der Fall einer Literaturwissenschafterin zitiert).

Dass jene Geldhäuser, die Studienkredite vergeben haben und nun rigoros auf Rückzahlungen durch die Jungakademiker dringen, im Zuge von „Bankenrettungsaktionen“ mit Steuermitteln gestützt wurden und werden, befördert den Unmut dieser jungen Leute, was zu verstehen ist. Dass es allerdings die hohe Politik war, die die „Finanzkapitalisten“ erst zu jenen Monstern hochgepäppelt hat, die nun angeblich „too big to fail“ sind und deren Rettung nun die Schulden der Nation in Schwindel erregende Höhen befördert, scheint ihrer und der Aufmerksamkeit des Autors entgangen zu sein.

Im interessantesten Abschnitt des Buches, „Was, zum Teufel, ist Demokratie?“ kommt Graeber zu einigen – für einen Linken – bemerkenswerten Einsichten, was systembedingte Konstruktionsfehler der Demokratie angeht. Eher ermüdend dagegen fällt jener Abschnitt aus, der sich mit prozessoralen Fragen, wie solchen der Organisation und Abwicklung von Zusammenkünften, beschäftigt. Endlose, wohl organisierte, Palaver um des Kaisers Bart scheinen auch heute noch schlechthin das sinnstiftende Merkmal „basisdemokratischer“ Organisationen zu sein – da bildet Occupy Wallstreet keine Ausnahme.

Dass der Autor – wie die meisten selbsternannten Kapitalismuskritiker – keine Ahnung von der Funktionsweise einer arbeitsteiligen Wirtschaft zu haben scheint, bedarf kaum der Erwähnung. Besonders deutlich wird dieses Wissensdefizit, wenn er wohlwollend über einen gewissen Michael Albert schwadroniert, der einen detaillierten Plan ausgearbeitet hat, „wie eine moderne Wirtschaft ohne Geld nach basisdemokratischen Prinzipien funktionieren könnte.“ In Plastikfelle gehüllte Basisdemokraten, die in unbeheizten Höhlen Eier gegen Nägel und Ziegel gegen Semmeln tauschen – das wäre bestimmt spaßig! Die bemerkenswerte Erkenntnis, dass der „…Kommunismus (…) ohnehin Fundament jeder einvernehmlichen sozialen Beziehung ist.“ beseitigt die letzten Zweifel darüber, wes Geistes Kind hier am Werk ist. Sich weiter von der Realität zu entfernen, scheint kaum noch möglich zu sein.

David Graeber nennt sich Anarchist. Entscheidend ist allerdings nicht, wie jemand sich bezeichnet oder was er glaubt zu sein, sondern vielmehr, was er tatsächlich ist. Seine Begeisterung für das „Gemeineigentum“ teilt er mit den utopischen Sozialisten des 18. und 19. Jahrhunderts. Und wenn er – im persönlichen Wunschkatalog am Schluss seines Buches – „die Entfesselung politischen Verlangens“ und „eine Art Garantie für existenzielle Sicherheit“ fordert, dann riecht das schon stark nach Marx´ Credo „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“. Der Autor lebt also mit einem manifesten inneren Widerspruch, der einer Auflösung harrt: Orthodoxe Marxisten nämlich wollten mit (syndikalistischen) Anarchisten nicht nur nie etwas zu tun haben, sondern haben sie sogar – und zwar noch eher als ihren kapitalistischen Klassenfeind – vehement bekämpft. Was also ist er nun tatsächlich – Anarchist oder Kommunist? Fragt sich aus Sicht des Autors, mit den Worten Johann Nestroys: Wer ist stärker – i oder i?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Inside Occupy
David Graeber
Campus Verlag 2012
200 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-593-39719-1
€ 14,99,-

Drucken

Der Fall Staudinger und die Lehren daraus

18. März 2013 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Seit Wochen beschäftigt uns der Fall Staudinger. Ein Waldviertler Schuh- und Möbelerzeuger hatte sich bei vielen Menschen Geld geborgt. Er hat also wie eine Bank agiert, sich aber nicht an die für Banken geltenden Vorschriften gehalten. Er versteht es jedoch, von den Grünen über die Medien bis zur WKO Lobbyisten zu aktivieren.

Formal hat er zweifellos Recht verletzt und wird den Strafen nicht entgehen können. Dennoch stehen wir vor einer interessanten Grundsatzdebatte. Vor allem deshalb, weil Staudinger von so vielen Gruppen unterstützt wird, die noch vor kurzem nach noch strengeren Regeln für die Banken gerufen haben. Und die bis heute nicht die Widersprüchlichkeit ihres Verhaltens begreifen.

Die Forderung nach immer strengeren Regeln (selbst wenn sie längst schon so streng sind wie noch nie zuvor) geht auf das Wohlfahrts-Denken zurück, das alle Verantwortung beim Staat abzuladen versucht. Eine Konsequenz ist im Banksektor die Einlagensicherung, wo eine bestimmte Bankgruppe für die Spareinlagen fremder Banken haften muss – und bei deren Ausfall alle Steuerzahler. Diese müssen auch dann haften, wenn Sparer gezielt dort angelegt haben, wo es besonders hohe Zinsen gibt. Hohe Zinsen sind aber immer Indikator von erhöhtem Risiko. Das heißt: Der Gewinn ist privatisiert (also die höheren Zinsen); den eventuellen Verlust (die Zahlungsunfähigkeit einer Bank) muss hingegen die Allgemeinheit tragen. Zweite Konsequenz dieser Einmischung des Staates ist das "Too big to fail": Große Banken werden vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit aufgefangen, auch wenn Einleger und Mitarbeiter vorher überdurchschnittlich profitiert haben. Die Einlagensicherung wie das Auffangen wird mit der Angst vor einem Bank-Run begründet, also einem Sturm aller Einleger auf alle Banken, wenn eine einzige wackelt.

In einer echten Marktwirtschaft sollten trotzdem insolvente Banken in Konkurs gehen müssen. Höchstens eine Teil-Absicherung gegen gefährliche Dominoeffekte könnte legitim sein. Politischer und medialer Populismus glaubt hingegen, dass immer noch strengere Reglementierungen das Risiko limitieren würden. Genau diese Regulierungen haben aber den Effekt, dass Staudinger und andere Unternehmer ohne ausreichende Sicherheiten (die sie nicht haben) keine normalen Bankkredite mehr bekommen. Daher suchen sie nun außerhalb der Bankenwelt Kreditgeber, Gesellschafter oder Genossenschafter.

Die Staudinger-Debatte könnte den Weg zu sinnvollen Überlegungen öffnen. Es spricht absolut nichts dagegen, sich auch auf bankfremden Wegen Geldgeber zu suchen. Der Gesetzgeber müsste nur dafür sorgen, dass diesen in aller Deutlichkeit und deppensicher klargemacht werden muss, dass sie bei solchen attraktiver als Spareinlagen scheinenden Geschäften ihr ganzes Geld verlieren können. Der Steuerzahler sollte hingegen verschont werden. Er ist weder dazu da, bankrotte Banken noch bankrotte Schuster zu retten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Danke liebe Grüne, danke liebe Gewerkschaft

13. März 2013 13:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Voest, Österreichs Vorzeigebetrieb, investiert um eine halbe Milliarde Euro und schafft dadurch neue Arbeitsplätze. Super. Wunderbar.

Kleine Einschränkung: Die Voest macht diese riesige Investition in den USA, nicht in Europa oder Österreich. Und zwar vor allem aus einem Grund: Weil dort die Energie viel billiger ist. Nach Angaben des Voest-Chefs Eder kostet das eingesetzte Erdgas dort nur ein Viertel des europäischen Preises.

Vor ein paar Wochen meldete die Energieagentur noch, dass Gas in den USA ein Drittel vom hiesigen Preis koste. Das zeigt, dass die amerikanischen Gaspreise für gute Kunden in fast freiem Fall sind. Aus einem einzigen Grund: Die USA bauen seit zwei Jahren in großem Umfang Schiefergas und Schieferöl ab. Das hat sie plötzlich von einem Energieimport- zu einem Exportland gemacht.

Zwar ist der Schieferabbau vor allem eine Forderung der Republikaner gewesen, aber auch Barack Obama hat letztlich eingesehen, dass er sich letztlich diesem Abbau trotz ein paar der üblichen Bürgerinitiativen nicht entgegenstellen sollte. Von der dank Ölschiefer billigen Energie wird nämlich skurrilerweise vor allem er und nicht die Republikaner politisch profitieren. Denn dieser Energieboom löst einen gewaltigen Konjunkturschub für die USA aus, sodass auch deren verantwortungslose Budget- und Notenbankpolitik der USA solcherart kompensiert werden kann.

Ein Boom nützt vor allem der amtierenden Partei. Man kann zwar Krisen nicht durch das ständige Drucken von Banknoten wegzaubern, wie es Obama, EZB, Fed und viele andere glauben. Mit billiger Energie kann man das sehr wohl! Die ist freilich etwas ganz anderes als volkswirtschaftlich total unrentable Solaranlagen, die jetzt gerade vor allem Deutschland in eine neue Katastrophe treiben, nachdem sie das im „Solarvorzeigeland“ Spanien schon getan haben.

Energie wirkt, da kann Obama noch so viel Blödsinn sagen. Wie etwa den Satz: „Es ist nicht mein Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt nur um seiner selbst willen zu erreichen.“ Solche Sätze sind Ökonomie auf dem Niveau Faymann.

Jedoch sind im Gegensatz zu Österreich in den USA die zwei wichtigsten Hebel zu einem neuen Aufschwung gestellt worden: Die dortigen Republikaner haben durch das Durchsetzen der neuen Energiepolitik und durch das seit einigen Wochen geltende absolute Verbot von weiterem Schuldenmachen zwei sensationelle und dem ganzen Land nutzende Erfolge erzielt (Ja, das Schuldenverbot ist toll, auch wenn fast alle Journalisten in ihrer Schuldensucht dagegen gehetzt haben und wenn nun viele Gutmenschen ihr Geld durch Arbeit und nicht mehr Jammern verdienen müssen).

In Österreich geht’s in die Gegenrichtung. Da verlangen etwa alle Parteien nach neuen Steuern (aktuell gerade nach der alle Sparer noch weiter belastenden Finanztransaktionssteuer, obwohl die Sparer neben den Steuerzahlern schon bisher die wahren Opfer der Krise waren). Und da haben alle Parteien zugestimmt, dass in Österreich Schiefergas nicht abgebaut werden darf. Sie haben so hohe gesetzliche Hürden für dessen Abbau errichtet, dass dieser praktisch unmöglich ist.

Dabei liegt alleine unter dem Weinviertel soviel Gas, dass damit die Republik plötzlich autark werden könnte. Und die Voestalpine im Land gehalten. Aber die Parteien und die von Krone, ORF und Co verblödeten Menschen wollen das offenbar nicht! Denn schon wieder hat jemand mit Erfolg diffuse und unbegründete Angst ums Trinkwasser erzeugt. Je größer der Unsinn, umso wirksamer ist er – zumindest bis die Arbeitslosigkeit für eine Rückkehr der Vernunft sorgt. Aber dann sind wir schon lange zu Griechenland geworden.

Hauptschuld an der österreichischen Selbstbeschädigung (von der bis zu den Wahlen wohl nur in freien Blogs die Rede sein wird) sind vor allem die Grünen und die Arbeiterkammer. Die Grünen und ihre diversen NGO-Vorfeldorganisationen treiben mit ihrer ständigen Angstmacherei und Verbotssucht die anderen Parteien seit Jahren vor sich her. Und sie ruinieren dabei die Wirtschaft. Auch wenn sich dann die grüne Szene in ihrem Zickzack-Kurs von Unsinnsprojekten wie dem Brennertunnel oder den Biomasseprojekten teilweise wieder entfernt. Diese Projekte werden dann jedoch vom Trott der Regierungsparteien trotz ihrer Unsinnigkeit weiter betrieben.

Die Arbeiterkammer wiederum hätte eigentlich die Aufgabe, für all das zu kämpfen, was Arbeitsplätze schafft und erhält. Statt dessen verbrennt sie ihre Milliarden an Zwangsbeiträgen seit Jahren vor allem für Parteipropaganda im Dienst der SPÖ (wie etwa zuletzt durch eine „Studie“, welche im Zuge der Wiener Schwachsinnsbefragung die Dachbodenausbauten in privatisierten Bundeswohnungen verteufelt).

Vielen Dank auch für das alles!

PS.: Geht es den Lesern ebenso? Noch nie in meinem Leben bin jedenfalls ich auf so viel junge – oft auch hervorragend ausgebildete! – junge Leute getroffen, die seit Monaten keinen passenden Job mehr finden. Aber Regierung und inseratengefütterte Medien wollen das Problem bis zum Wahltag verschweigen. Obwohl soeben die Nationalbank die ohnedies trüben Konjunkturprognosen auch für Österreich weiter verschlechtert hat.

PPS.: Ähnlich unintelligent wie die Gasverteuerer ist der Betriebsrat des Telekom-Betreibers A1 aufgefallen. Er sagte wörtlich: "Zum einen ist der Markt in Österreich der am härtesten umkämpfte in Europa. Trotzdem ist das österreichische Preisniveau durchaus moderat." Solange unsere Gewerkschafter nicht begreifen, dass in diesem Satz "Deswegen" statt "Trotzdem" stehen müsste, ist eigentlich Hopfen und Malz verloren. Die Telekom-Branche ist ja wenigstens einer von ganz wenigen Märkten, wo Österreich noch billiger ist  - dank der Privatisierung und des Wettbewerbs!

PPPS.: Es sind aber nicht nur AK und Grüne, die Österreich ruinieren. Es ist etwa auch die Landwirtschaftskammer. Sie blockiert ein großes Glashausprojekt, das in der Steiermark 200 Arbeitsplätze schaffen würde. Das Argument: Familienbetriebe würden unter starken Kostendruck gebracht. Mit diesem Argument ist bekanntlich schon gegen die Einführung von Traktoren, Supermärkten und Tankstellen gekämpft worden. Ist doch früher Benzin in Drogerien verkauft worden . . .

 

Drucken

Freihandel geht nicht ohne Wandel

11. März 2013 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hunderttausende, ja Millionen neue Arbeitsplätze, tolle Exportchancen: Das bejubeln Ökonomen und Politiker auf drei Kontinenten. Für diese schöne neue Welt müsse man nur Freihandelszonen zwischen Europa und Japan, zwischen Europa und Amerika schaffen. Wer könnte da etwas dagegen haben?

Dass die Prognosen nie auf die Ziffer genau stimmen, ist egal. Aber dennoch besteht kein Zweifel: Für den Wohlstand, für die Arbeitsplätze, für die Konsumenten, für die Investoren sind Freihandelszonen exzellent. Je größer, desto besser.

Nüchterner Realismus lehrt freilich: Diese Projekte, wie sie etwa der US-Präsident unter großem Jubel angekündigt hat,  werden wohl nie Wirklichkeit werden. Sie werden genausowenig zustandekommen, wie die überhaupt größte, nämlich eine globale Freihandelszone zustandegekommen ist. Diese wunderbaren Ideen scheitern immer an der Summe der vielen Einzelinteressen, die in den Globalisierungsgegnern (Attac & Co) ideologisierte Hilfstruppen haben. Und die sich hinter einer chinesischen Mauer an Zöllen, Regulierungen, nichttarifären Hindernissen, Sicherheitsvorschriften und Genehmigungspflichten verschanzen.

So sehr die Allgemeinheit von globalem Freihandel profitieren würde, so sehr würden Einzelinteressen leiden. Der Vorteil von Freihandel liegt eben immer darin, dass die Produktion von Waren oder Dienstleistungen dort erfolgt, wo es billiger, besser, effizienter ist. Das heißt aber auch logisch zwingend, dass es Anbieter gibt, die teurer, schlechter, weniger effizient sind. Die sind daher durch Freihandelszonen bedroht. Sie setzen aber erfahrungsgemäß ihre Interessen bei der Politik am besten durch.

Die Liste der Bremser ist lang. Das sind die regionalen Platzhirschen, die im Wettbewerb chancenlos werden. Das sind auch die Arbeitnehmervertreter, die sich zwar sonntags gerne als Vertreter der Konsumenten geben, die aber montags bis freitags die durch Konkurrenz bedrohten Jobs rabiat verteidigen, auch wenn dies Konsumenten und Steuerzahler teuer kommt. Nichts ist ja leichter, als einem Konkurrenten etwa unfaires „Sozialdumping“ vorzuwerfen, gegen das man (auf Kosten der Allgemeinheit) geschützt werden müsse.

Selbstverständlich werden auch die Landwirte aller Länder jeden Freihandel bis aufs letzte bekämpfen. Denn dort wäre ja ihr undurchdringlicher Filz an Subventionen und Marktabschottungen bedroht, in dem sie jetzt sehr gut leben. Dabei wird auch jede Menge grüner Paniken instrumentalisiert, etwa die vor Hormonen und Genen.

Aber auch viele Industriebranchen werden im Kampf gegen echten Freihandel die einseitigen Belastungen in Europa beklagen. Durch weltweit einmalige ökologische Auflagen; durch die Kosten der weltweit komfortabelsten Wohlfahrts-Hängematten; durch Energiepreise, die dreimal so hoch sind wie in Amerika.

Wären diese Bremser nicht so stark, dann hätten wir ja längst schon einen globalen Freihandel. Und bräuchten nicht bloß von einem nordatlantischen zu träumen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Fußnote 416: Die Grünen greifen uns schon wieder in die Tasche

08. März 2013 18:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt wollen die Grünen eine Internetabgabe von vier Euro einführen. Pro Monat.

Die Grünen sind absolut eindrucksvoll, wie sie immer wieder sogar die – diesbezüglich durchaus kreative – Gewerkschaft mit neuen Steuerideen zu überflügeln verstehen. Ihre neueste Idee heißt „Breitbandabgabe“. Diese soll praktisch jeden treffen, der einen funktionierenden Internet-Anschluss hat, unabhängig davon, ob er jemals auch nur einen einzigen Film oder ein Musikstück legal oder illegal heruntergeladen hat. Präsentiert wurde die Idee vom sogenannten Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl. Und zugute kommen soll das Geld der in hohem Ausmaß grün-affinen oder sonstwie linken Kreativszene. Dabei wird diese ohnedies schon massiv mit Steuermitteln gefördert – und damit natürlich ganz zufällig in der richtigen Ideologie bestärkt. Man erinnere sich nur an den Bericht im Tagebuch über die Hunderttausenden Steuer-Euro für den linken Propagandisten Robert Menasse (der seit Erscheinen des Berichts schon wieder weiteres öffentliches Geld ganz jenseits des bösen Marktes kassiert hat – und auch jenseits der Wochenendbeilagen, wo er von ähnlich denkenden Redakteuren auch noch Geld für seine Pamphlete kassiert).

 

Drucken

Fußnote 415: Referendum lehnt Olympia ab

08. März 2013 02:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Mit fast 53 Prozent haben die Bürger die beabsichtigte Bewerbung um die Austragung der Olympischen Spiele abgelehnt, obwohl sich die gesamte politische Elite des Landes für die Spiele eingesetzt hatte.

Leidet der Tagebuch-Autor schon an Halluzinationen? Die Ergebnisse der Wiener Volksbefragung können doch noch gar nicht vorliegen; die gibt es erst am kommenden Dienstag. Richtig. Aber diese Meldung stammt auch gar nicht aus Wien, sondern aus dem Schweizer Graubünden. Dort haben am vergangenen Wochenende 52,7 Prozent der Stimmbürger gegen die Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 gestimmt. Es ist absolut unglaublich, dass mit einer sehr verspäteten Ausnahme, dem „Standard“, keine österreichische Zeitung darüber berichtet hat. Offenbar nehmen sie alle Rücksicht auf die Wiener Volksbefragung von Rotgrün. Offenbar haben die Stadtherrscher Angst, eine Information über die Ablehnung der Spiele durch die klugen Schweizer würde die vom Boulevard geschürte Stimmung ruinieren. Daher soll nicht einmal berichtet werden. Und die Medien wollen offenbar an der Hand nicht einmal knabbern, die einen füttert.

Drucken

Die Verlogenheit der Wiener Rathaus-Partie

07. März 2013 02:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie hetzen unter Verschwendung vieler Steuermillionen gegen die Privatisierung und privatisieren dennoch zugleich selbst wie wild drauf los. Wo es ihnen passt und nützt. Verlogener geht’s nimmer.

Rot und Grün genieren sich nicht einmal, sogar am Höhepunkt der Propaganda gegen Privatisierungen ein Riesenstück der Stadt zu privatisieren. Offenbar können sie sich sicher sein, dass die von ORF, Krone und „Österreich“ verblödeten Menschen dennoch im Sinne von Rotgrün gegen die Privatisierung stimmen werden.

Im jüngsten Beispiel der linken Doppelzüngigkeit geht es um die Donau-Insel. Ein soeben neu gegründeter Verein (natürlich ganz bestimmt lauter ehrenwerte Leute ohne Nähe zur Partei) wird jetzt alle Konzerte auf der „Festwiese“ der Donauinsel exklusiv koordinieren und die „Rahmenbedingungen“ schaffen. Und er wird auch gleich mit 200.000 Euro Steuergeld gesegnet. Wie es in Wien ja zweifellos jeder Verein bekommt.

Diese Rathaus-Logik muss ein normaler Mensch erst lernen: Wenn Linke einen Verein gründen, ist das gut. Und da darf weiter privatisiert werden. So wie die Gemeinde – um nur ein weiteres Beispiel zu nennen – mit den parteieigenen beziehungsweise -nahen Verlagen Echo und Bohmann weiterhin die windigsten Geschäfte machen darf. Wenn es hingegen andere Vereine oder Unternehmen sind, bricht plötzlich die Katastrophe eines ominösen Liberalismus aus.

Unverschämter und verlogener geht’s nimmer. Oder doch?

Es geht sehr wohl. Das Rathaus war sogar imstande, zwischen zwei unmittelbar hintereinander stehenden Sätzen einen absoluten Widerspruch zu formulieren.

Man schaue sich nur die Fragen 3 und 4 der sogenannten Volksbefragung an. In der Frage 3 heißt es: „Die kommunalen Betriebe bieten der Wiener Bevölkerung wichtige Dienstleistungen. Zum Beispiel Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Energie, Spitäler, Gemeindewohnbauten und öffentliche Verkehrsmittel. Sind Sie dafür, dass diese Betriebe vor einer Privatisierung geschützt werden?“ In der folgenden Frage 4 heißt es hingegen: „Soll die Stadt nach dem Beispiel der Bürger/innen-Solarkraftwerke weitere erneuerbare Energieprojekte entwickeln, die mit finanzieller Beteiligung der Bürger/innen realisiert werden?“

Alle Juristen und Ökonomen sind sich freilich einig: Wenn sich Bürger an einem Kraftwerk beteiligen, dann ist dieses zur Gänze oder zum Teil privatisiert. Aber genau das (also die Privatisierung) soll laut Frage 3 verboten werden! Dabei will Frage 3 sogar ausdrücklich die Privatisierung eines Energie-Unternehmens verbieten!

Bisher habe ich ja geglaubt, nur der Bürgermeister ist die meiste Zeit berauscht. Aber ganz offensichtlich kennt der rot-grüne Machtrausch in Wien weit über die Person des Herrn Häupl hinaus überhaupt keine Grenzen der Unanständigkeit und Unlogik mehr.

Drucken

Neuanstrich für eine kollabierende EU

07. März 2013 00:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Den Zustand der EU nicht als Satire zu beschreiben, wird immer schwieriger. Denn Europas Entscheidungsträger streiten wie Bauherren eines Gebäudes über Farbnuancen des Anstrichs, während schon die Konstruktion kollabiert.

So stritt man monatelang um die Höhe von Manager-Boni, als ob es überhaupt Aufgabe der EU wäre, private Entlohnungen zu regeln. Damit vertreibt man nur die besten Experten aus Europa. Das beklagt der Bürgermeister Londons – also aus Europas wichtigstem Finanzplatz – durchaus zu Recht. Damit haben die regulierungswütigen EU-Parlamentarier einen weiteren Schritt gesetzt, der die Briten aus der Union jagt.

Zugleich will die EU von Banken und Versicherungen ständig etwas anderes: Höhere Eigenkapital-Quoten, damit diese konkurssicher werden? Oder Kredite für Wirtschaft und Staatsfinanzierung? Oder mehr Geld für die Staaten durch Banken- und Finanztransaktionssteuern? Was sie halt nicht versteht: Jedes einzelne dieser Ziele kommt den anderen beiden total in die Quere.

Bei der Finanztransaktionssteuer ist das Chaos besonders schlimm. Täglich zeigt sich mehr, dass populistische Forderungen in der Praxis nicht funktionieren. Die EU will ja allen Ernstes, dass – beispielsweise – die Voest jedes Mal Abgaben zahlen muss, wenn etwa eine Singapur-Bank in New York Voest-Aktien kauft. Kein Mensch weiß, woher die Voest das überhaupt erfahren sollte. Kein Mensch weiß, welcher Ausländer so dumm sein soll, dann noch in eine Aktie aus diesen elf Transaktionssteuer-Ländern zu investieren. Kein Mensch weiß, wie man Aktiengesellschaften dann davon abhalten will, ihren Hauptsitz in ein anderes, steuerfreies Land zu verlegen. Das geht nämlich durchaus, ist nur mit etlichen Anwaltskosten verbunden (die darauf spezialisierten Kanzleien freuen sich schon).

Während sich die Eurokraten in solche Projekte versteigen, bricht in den Mitgliedsstaaten die noch immer entscheidende Basis weg: nämlich die Regierungsfähigkeit. Das schockierende italienische Wahlergebnis ist da nur die Spitze des Eisbergs. Aber auch Frankreich muss schon bald nach Beginn des Jahres zugeben, dass es seine der EU gegebenen Sparverpflichtungen auch 2013 nicht halten kann; amerikanische Firmenchefs machen sich nur noch lustig über die Arbeitsmoral in Frankreich, wo Arbeiter höchstens drei Stunden pro Tag arbeiten würden; und Gutverdiener verlassen der Reihe nach das Land. Anderen Schuldenstaaten wie Portugal und Irland wird schon ein Aufschub ihrer Rückzahlungspflichten versprochen. In Slowenien tritt der Premier unter Korruptionsvorwürfen und nach heftigen Demonstrationen zurück. In Rumänien blockieren einander Premier und Präsident. In Bulgarien gibt es überhaupt keine Regierung mehr, sondern nur noch abstruse Forderungen der Straße, die auch die Ideen eines Beppe Grillo weit übertreffen. Usw.

Kann diese Konstruktion noch aufrechterhalten werden? Kann sie ein neuer Außenanstrich zusammenhalten? Die Zweifel wachsen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Informationspflicht: Die nächste Augenauswischerei

06. März 2013 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es wird wieder einmal ein österreichisches Begräbnis. Die nun plötzlich auch von der SPÖ versprochenen Informationspflichten der Verwaltung und Politik sind schon von ihrer Grundkonzeption her eine Farce. Und sie werden genauso wenig das versprochene Ziel erreichen wie viele Pseudoreformen dieser Regierung: Das Medientransparenzgesetz hat die Inseratenkorruption (insbesondere im Bereich der Gemeinde Wien) nicht beendet; die Schuldenabbau-Versprechungen werden niemals auch nur in die Nähe des angekündigten Nulldefizits führen; die Eurorettungsaktionen können nicht den Euro retten; die verwaschenen Schulschwänz-Gesetze werden das Schulschwänzen nicht reduzieren; die ORF-Reformgruppe des Medienstaatssekretärs bedeutet eine nahtlose Fortsetzung des täglichen ORF-Skandals; das sogenannte Demokratiepaket bringt nicht die dringend notwendige direkte Demokratie.

Das sind nur einige von vielen Beispielen, die zeigen, dass vor allem mit der SPÖ keinerlei sinnvolle Reformen möglich sind, sondern nur noch der gemeinsame Machterhalt von Rot und Schwarz. Die Summe der Regierungspolitik bedeutet eine Fülle von schlechten Kompromissen, wo es meist besser gewesen wäre, gar nichts zu ändern. Aber da haben sich halt alle gefürchtet, dass dann irgendwelche minderbemittelte Journalisten von Stillstand und Blockade reden.

Nur wenn man – im aktuellsten Beispiel – „Informationspflicht“ über ein Gesetz schreibt, bedeutet das noch nicht, dass damit die Bürger die wirklich relevanten Informationen von Verwaltung und Politik bekommen werden.

Dabei zeigen alle Studien und internationalen Vergleiche, dass nur wirklich volle Transparenz imstande wäre, die Korruption wirksam zu bekämpfen. Wir haben es hingegen mit skurrilen Anfütterungsregeln über die Bezahlung von Essensrechnungen versucht. Und sonst fallen uns halt immer nur strengere Strafen als erste und meist einzige Therapie ein, die aber nie etwas bessern.

Es ist jedenfalls absolut kein Zufall, dass jene Länder die weitaus geringste Korruption haben, in denen die weitaus strengsten Informationspflichten gelten. Das sind also jene Länder, in denen jeder – jeder! – staatliche Akt einem anfragenden Bürger gezeigt werden muss (wobei da meist eine Gebühr verlangt wird, um Missbräuche zu vermeiden). Skandinavien und Neuseeland liegen sowohl bei der Transparenz wie bei der Korruptionsvermeidung weltweit an der Spitze.

Aber ist es nicht positiv, dass Werner Faymanns Mann für Denken und Taktik, also der Staatssekretär Josef Ostermayer, nun ein Informationspflichtgesetz vorschlägt? Das wäre es schon, wenn das geplante Gesetz den Namen wert wäre. Denn Herr Ostermayer hat im gleichen Atemzug so viel Ausnahmen von der Informationspflicht verlangt, dass von dieser wirklich nur die Überschrift bleibt.

Anders formuliert: Die Bürger werden von den Regierungen in Bund und Land auch weiterhin nur das erfahren, was deren Propaganda-Apparate immer schon unter die Menschheit bringen wollten. Aber nicht das, was für Politiker oder Beamte unangenehm ist. Die Ausnahmen sind nämlich so weit formuliert, dass selbst juristische Analphabeten in der hintersten Amtsstube jederzeit begründen können, warum sie leider, leider doch nicht informieren können.

An der Spitze der von Ostermayer gewünschten Ausnahmen steht wieder einmal der Datenschutz. Jeder, der einmal bei Behörden zu recherchieren versucht hat, weiß, dass man dabei auch schon bisher fast immer auf den Datenschutz als Begründung für die Verweigerung von Auskünften gestoßen ist. Dabei war die Einführung des Datenschutzes einst nur eine Reaktion auf eine der Tausenden grünen Paniken. Anlass war damals, dass auch im öffentlichen Dienst (mit etlichen Jahren Verspätung) Personenregister nicht mehr händisch, sondern mit dem Computer geführt werden sollten. Die Grünen mit ihren engen Verbindungen zum damaligen Linksterrorismus haben damals natürlich gefürchtet, dass man dann Tätern leichter auf die Spur käme.

Aber auch die Sozialisten und Bürgerlichen waren schnell erregt, wenn sie irgendeinen Werbebrief mit einer computerverarbeiteten Adresse bekamen. Inzwischen erhalten wir alle weiterhin DVR-Briefe, ohne dass es aber noch jemanden stört (notfalls sind da halt slowakische Büros zum Adresshandel zwischengeschaltet).

Seither ist jedenfalls Faktum: Jede Verwaltungsbehörde verweigert mit der Begründung „Datenschutz!“ die Herausgabe irgendwelcher ihr unangenehmer „Daten“. Schließlich ist ja alles irgendwie in einem Computer gespeichert.

Solange der Datenschutz bei uns eine Heilige Kuh bleibt, wird sich daher weder an der Informations-Unfreiheit noch an der Korruption etwas ändern.

Ostermayer begnügt sich aber gar nicht mit der Universal-Keule „Datenschutz“, um jede echte Information zu verhindern. Er lässt gleich noch ein paar weitere wunderbare Ausreden ins Gesetz schreiben: Eine davon sind die „wirtschaftlichen Interessen einer Gebietskörperschaft“. Da jede Gebietskörperschaft nur durch Beamte oder Politiker handeln kann, ist auch da klar, wessen Taten und Schiebereien und Faulheiten geheim gehalten werden sollen. Und als dreifache Absicherung gegen jede Form von Transparenz will Ostermayer auch noch den Schutz von Geschäftsgeheimnissen verankern.

Warum pflanzt uns die Politik eigentlich ständig?

PS.: Ach ja, es soll laut Ostermayer auch noch ein „Informationsregister“ mit zahllosen Daten geben. Klingt gut? Es ist nur völlig unklar, was da anderes drinnen stehen soll, als längst schon auf gv.at zu finden ist. Außerdem hat gerade die jüngste Zeit gezeigt, wie es ein ideologischer Apparatschik an der Spitze der Statistik Austria schafft, dass politisch unkorrekte (oder sonstwie unerwünschte) Daten halt auch von der scheinbar wertneutralen Statistik unterdrückt werden. Andere werden hingegen extrem manipulativ aufbereitet, wie etwa die auch bei der Hundertsten Wiederholung falsche Behauptung, die Statistik Austria könne irgendwie (qualitativ und quantitativ) „gleiche“ Arbeit messen.

Drucken

Der Strom kommt aus der Steckdose

03. März 2013 00:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Als der Münchner Ökonom Hans-Werner Sinn im Vorjahr ausrechnete, dass Deutschland durch die Folgen der Schuldenkrise (Kredite, Haftungen usw.) mit der unvorstellbaren Summe von einer Billion Euro, also tausend Milliarden belastet wäre, heulten in Deutschland wie Österreich etliche Staatsexponenten auf. Das würde so nicht stimmen, sei weit übertrieben. Jetzt aber ist es sogar ein deutscher Minister, der von einer Billion Euro Schaden spricht – aber er redet gar nicht mehr von den Folgen der derzeit politisch und medial ja verdrängten Schuldenkrise, sondern von einem weiteren, einem zusätzlichen Schaden.

Es ist der Schaden, den die deutsche Energiewende anrichtet. Und wieder sind die Ursachen fast genau dieselben: Die Politik hat unter dem kurzsichtigen Druck der Öffentlichkeit und Medien populistisch Dinge beschlossen, die wirtschaftlich einfach nicht funktionieren können, die sich nicht rechnen werden, bei denen kurzfristige tagespolitische Erleichterung mit einer langfristigen Katastrophe bezahlt wird.

Denn die Konsequenzen sind in beiden Fällen klar: Sowohl die Billion (plus oder minus) aus der Schuldenkrise wie auch die Billion (plus oder minus) aus der Energiekrise wäre jeweils schon einzeln imstande, die scheinbar noch stabil als letzter Stützpfeiler Europas dastehende Bundesrepublik wie einen Zahnstocher umzuknicken. Womit sowohl die EU wie auch insbesondere die ganze Euro-Zone mit in den Abgrund gezogen werden. Wo die meisten Euro-Länder ohne die Kredithilfe aus Deutschland eigentlich ohnedies schon längst wären.

Die Energiewende wurde unfinanzierbar

Gewiss: Bis Herbst, also zu den deutschen Wahlen, wird weder die eine noch die andere Katastrophe losgehen. Dafür hat die regierende schwarz-gelbe Koalition schon gesorgt. Aber das ist nur ein kurzfristiger Trost. Denn nachher wird es umso schlimmer sein. Sämtliche Alternativen zur jetzigen deutschen Koalition wären noch verantwortungsloser – sowohl in der Schulden- wie auch in der Energiefrage. Rot wie Grün wie Rotrot wollen in beiden Bereichen ja noch mehr Geld verbrennen.

Wie alarmierend jetzt schon die Situation ist, zeigt die Tatsache, dass es sogar schon der Berliner Energieminister Peter Altmaier ist, der offen von dieser Billion spricht und der nun massiv gegensteuern will. Bisher war es ja „nur“ der von manchen belächelte Wirtschaftsminister Philipp Rösler gewesen, der vor den Folgen der Energiewende gewarnt hatte, während Altmaier zu den Beschwichtigern gezählt hatte.

Altmaier will jetzt vor allem bei den Strompreisen die Bremse ziehen. Über genau diese Preise wird aber jene Wende fast ausschließlich finanziert. Die deutsche Regierung wollte nach dem japanischen Tsunami zeigen, dass sie kraftvoll auf die dadurch ausgelöste Atomkraftpanik reagiert. Sie hatte aber kein Geld dafür in den Budgets. So beschloss man, die Konsumenten auszunehmen. Was deren Stromkosten inzwischen aber untragbar steil in die Höhe treibt. Getroffen sind vor allem die privaten Konsumenten, da sich die Industrie etliche Schonung erkämpft hat, die ihr unter Rücksicht auf die Arbeitsplätze und die jetzt schon weit geringeren Stromkosten in Konkurrenzländern gewährt worden sind.

Die herannahenden Bundestagswahlen haben Altmaier (oder Angela Merkel oder den CDU-Wahlstrategen?) klar gemacht: Die Belastung der Konsumenten durch ständig steigende Strompreise droht untragbare Ausmaße zu erreichen. Diese könnten auch das Wahlergebnis beeinflussen.

Der Auslöser der Energiewende ist bekannt. Es war die japanische Tsunami-Katastrophe und die dabei erfolgte Zerstörung eines Atomkraftwerkes. Genauer gesagt: Es war die Berichterstattung darüber, die sich wochenlang mit dem AKW und angeblichen weltweiten radioaktiven Wolken befasste. Die Panik war vor allem im deutschsprachigen Raum gewaltig und brachte auch den Grünen kurzfristig einen dramatischen Zuwachs bei Meinungsumfragen.

Die Tatsache, dass sich neuerlich ein großer Atomunfall im Rückblick als weit harmloser herausgestellt hat, als die Medien ursprünglich angenommen hatten, ist da kaum berichtet worden. Die großen menschlichen und materiellen Schäden in Japan waren eindeutig durch die Wassermassen und nicht durch das demolierte AKW angerichtet worden.

Die Wende nutzt ausgerechnet der umweltschädlichen Kohle

Dennoch hat Deutschland in seiner durch Medien und Meinungsumfragen ausgelösten Panik die Abkehr von der Nuklearenergie beschlossen. Das Land hat die durch diese Energiewende ausgelösten Folgen aber nicht einmal annähernd vorausgesehen oder gar im Griff.

Zum einen fehlen die riesigen Strom-Fernverbindungen, welche die Energie von der windreichen Nordsee zu den Industrie- und Bevölkerungszentren viel weiter südlich transportieren könnten. Das heißt: Selbst in der Übergangszeit, während der  noch etliche Atomkraftwerke Strom produzieren dürfen, ist nun jeder deutsche Winter zu einer einzigen Zitterpartie geworden, ob nicht die Lichter bei Stromspitzen ausgehen. Der Bau der benötigten Strom-Verbindungen wird von den betroffenen Gemeinden und vielen Bürgerinitiativen aber vehement bekämpft. Was die Fertigstellung noch Jahrzehnte verzögern wird.

Zum zweiten können die deutschen Netze den in manchen Stunden zu viel produzierten Alternativ-Strom gar nicht aufnehmen. Daher fließt dieser in die Netze der Nachbarstaaten, vor allem nach Polen und Tschechien. Das führt zu schweren Überlastungen in deren Stromsystem. Denn Strom, der einmal im Netz ist, muss irgendwohin fließen. Man könnte zwar theoretisch die Windkraftwerke vom Netz nehmen. Aber deren Besitzer haben eine Abnahmegarantie. Das heißt: Ihr Strom fließt immer in die Netze, auch wenn niemand ihn braucht.

Zum dritten ist in jenen Tagen oder Stunden, da die Alternativen viel zu wenig Strom liefern, die Stromproduktion ausgerechnet von Kohlekraftwerken enorm in die Höhe gegangen. Das sind aber jene Kraftwerke, die nicht nur enorm viel – angeblich schädliches – CO2 produzieren, sondern die auch direkt und nachweislich die Umwelt am meisten belasten. Kohlekraftwerke sind jedoch jene Kraftwerke, die derzeit weitaus am billigsten Strom produzieren, wenn die alternativen Erzeuger auf ihren Vorrangstraßen ausfallen. Die viel saubereren Gaskraftwerke und die total sauberen Pumpspeicherkraftwerke (wie Kaprun) haben dagegen preislich keine Chance. Daher werden auch keine gebaut.

Abnahmegarantien für Produkte, die niemand will

Das Allerschlimmste aber ist: Deutschland hat – ähnlich wie etliche andere Länder von Spanien bis Österreich – den Erzeugern von Alternativstrom auch langfristig unglaubliche Bevorzugungen eingeräumt. Diese haben auf volle 20 Jahre hinaus weit über dem Marktpreis liegende Abnahmegarantien. Dadurch sind die eigentlich unwirtschaftlichen Solarpaneele und Windmühlen für die Betreiber zu einem gewaltigen Geschäft geworden. Wer durch Deutschland fährt, wird daher erstaunt sehen, wie sehr sich flächendeckend auch in kleinen Dörfern binnen kurzem die Solarpaneele ausgedehnt haben.

Deren Besitzer profitieren jetzt risikolos von der zwanzigjährigen Abnahme-Garantien zu hohen Preisen. Das tun sie natürlich auch dann, wenn auf Grund der Wetterbedingungen ihr teuer bezahlter Strom absolut unnötig ist.

Daher ist trotz Altmaiers Bremsversuch jetzt guter Rat extrem teuer. Denn etwa in Bayern gibt es vehementen Widerstand der – vor zwei Wahlgängen stehenden! – CSU gegen jede Einschränkung des plötzlichen Geldsegens. Sind doch alleine in Bayern bereits 375.000 Solaranlagen installiert, sowie weitere Tausende Biogasanlagen. Und die finden sich vor allem bei bäuerlichen Wählern.

Die Industrie wiederum will keinesfalls ihre privilegierten Strompreise hergeben. Sie droht mit einem Abzug oder Investitionsstopp. Nicht ganz ohne Grund: Sind doch in Amerika durch neue Gas- und Ölfunde die Energiepreise sogar stark im Fallen. Das lässt dort die Industrie zum erstenmal seit Jahrzehnten wieder aufblühen.

Strom-Autos als zusätzliche Problem-Quelle

Dazu kommt die besondere Skurrilität, dass derzeit unglaublich viel Geld ausgegeben wird, um vielleicht doch die Autos an Steckdosen zu bringen. Es kann nur niemand sagen, wo denn eigentlich der dafür benötigte Strom herkommen soll, wenn kein Wind bläst und keine Sonne scheint. Überdies sagen alle Techniker, dass die Batterien niemals eine brauchbare Reichweite von E-Autos ergeben werden – selbst wenn sie noch viel schwerer werden als derzeit schon üblich.

Besonders skurril (wenn auch betragsmäßig einige Schuhnummern kleiner als die deutschen Fehlinvestitionen) war dieser Tage, dass das österreichische Infrastrukturministerium drei Millionen für ein E-Mobilitäts-Projekt locker gemacht hat. Als ob irgendeine Chance bestünde, in diesem – technisch ohnedies sinnlosen – Bereich eine spezifisch österreichische Lösung durchzusetzen. Aber Österreich kann sich wenigstens zugute halten, dass es Solar- und Windstrom nur halb so hoch fördert, wie es Deutschland – zumindest – für die nächsten zwanzig Jahre tut.Da fallen E-Mobil-Spielereien weniger ins Gewicht.

Natürlich verdienen manche an dieser Geldverschwendung exzellent. Je sinnloser etwas ist, desto größer ist der Profit auf Kosten der Allgemeinheit. Der Profit geht an die Bauern mit Windmühlen auf den Feldern, an Hausbesitzer mit Paneelen auf den Dächern und an die Industrie, die beides baut. Was pikantererweise zunehmend die chinesische ist.

Es zeigt sich: Wenn man einmal populistisch eine falsche Politik eingeschlagen hat, was in diesem Fall die Wiedereinführung der Planwirtschaft war, dann ist es extrem schwer, wieder herauszukommen. Der Fehler war ein doppelter: Zum einen wird von fast allen Energie-Experten (sofern sie nicht zur NGO-Lobby gehören) die Abkehr von der Atomenergie für einen Unsinn gehalten. Zum anderen hätte selbst diese Abkehr noch ohne die nun ausgelösten gewaltigen Schäden funktionieren können, wenn nicht der regulierungswütige Staat – vor allem durch die jahrzehntelangen Abnahmegarantien – gegen die Vernunft der Preise und des Marktes eingegriffen hätte.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Währungskrise prolongiert! Doch Gold glänzt trotzdem nicht…

02. März 2013 03:39 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die Währungshüter in den Notenbanken haben sich darauf festgelegt, alles zu tun, um die dank jahrzehntelang aufgebauter wirtschaftlicher Verzerrungen notwendig gewordene Korrektur – eine Ent-Täuschung – und damit eine auf den künstlich entfachten Boom notwendigerweise folgende Rezession, zu verhindern. Zu diesem Zweck ist ihnen jedes Mittel recht. Die von der Zufuhr immer neuer, immer größerer Geldmengen abhängigen Finanzmärkte reagieren sensibel auf jedes Signal, das als Abkehr von der expansiven Geldpolitik gewertet werden könnte. Wie der Drogensüchtige von seinem Stoff, sind sie von dem durch nichts als Illusionen gedeckten Geld der Notenbanken abhängig. Wie auch beim Drogenmissbrauch muss die Dosis laufend erhöht werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Um das Wesen des herrschenden Fiat-Money-Systems richtig einschätzen zu können, muss man sich ein Zitat des ehemaligen Chefs des US-FED, Alan Greenspan, zu Gemüte zu führen:
„Die Vereinigten Staaten können immer die Schulden bezahlen, die sie haben, denn wir können immer Geld drucken, um das zu tun. Daher besteht keine Wahrscheinlichkeit für einen Zahlungsausfall.“

Deutlicher kann man den Unterschied nicht herausstreichen, der zwischen einem Wirtschaftssystem, das auf echtem, werthaltigem Geld basiert und dem planwirtschaftlich organisierten Schwundgeldwesen, mit dem wir es heute zu tun haben, besteht. Greenspan nannte die Dinge unmissverständlich beim Namen: Der (im von ihm genannten Fall amerikanische) Staat – und das mit ihm in Symbiose lebende Bankensystem – nimmt Güter und Dienstleistungen entgegen und bezahlt dafür mit unbegrenzt produzierbaren, inhärent wertlosen Papierfetzen.

Ein derartiges Verhalten, von einem privaten Akteur gezeigt, würde unverzüglich eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen: Handelt es sich doch um einen klaren Fall schweren, gewerbsmäßigen Betruges. Seit George Orwell wissen wir allerdings, dass manche (große) Tiere eben etwas anders – etwas „gleicher“ – sind als andere. Dem Leviathan ist nichts verboten.

Kein Betrug also. Immerhin handelt es sich um einen gigantischen Umverteilungsprozess, der Wohlstand von den Produktiven zu den Unproduktiven, von den Wertschöpfern zu den Geldschöpfern, transferiert. Nur der Naivität der breiten Masse ist es geschuldet, dass das bestehende, offensichtlich auf Magie gegründete Geldwesen, nicht längst untergegangen ist.

Nun war und ist die logische Alternative zu einem System mit ungedecktem Fiat-Money, ein auf soliden Werten – traditionell auf Gold – beruhendes Geldwesen. In Krisenzeiten, bei wachsender Unsicherheit, bei niedrigen oder gar negativen Zinsen – also in jenen Phasen der „finanziellen Repression“ wie wir sie gerade jetzt erleben, bietet Gold die logische und wahrscheinlich einzige Alternative zum staatlichen Fiatgeldschwindel.

Der Wert des Goldes

Ein im Verhältnis zu den hoheitlich manipulierten Papierwährungen anziehender Goldpreis ist die logische Folge der seit Jahren auch für schlichtere Gemüter erkennbaren Fehlentwicklungen – sollte man meinen! Seit eineinhalb Jahren befindet sich aber trotz aller Voraussetzungen für eine Hausse der Kurs des gelben Edelmetalls auf Talfahrt (was allerdings nur für den Dollar- und Euroraum gilt. Gegenüber Pfund und Yen steht er nahe am Allzeithoch). Lag der Goldpreis zu seinen besten Zeiten bei rund 1.900 Dollar pro Feinunze, notiert er derzeit bei schlappen 1.600. In Euro ist der Unzenpreis auf knapp über 1.200 gefallen, nachdem er die 1.400 schon einmal gesehen hatte. Auch das für die Zukunft des Euro bestimmt nichts Gutes verheißende Wahlresultat in Italien (wo man sich eben anschickt, das Regime eines technokratischen Apparatschiks durch das von Hanswursten zu ersetzen), hatte keine entscheidende Auswirkung auf den Goldpreis.

Was ist passiert? War der Goldpreis durch Spekulation bereits zu weit in die Höhe getrieben? Ist eine „Goldblase“ geplatzt? Eine einfache Erklärung für das paradox anmutende Phänomen des lahmenden Goldpreises gibt es nicht. Mehrere Gründe treffen wohl aufeinander:

  1. Dass Gold ein – wenn auch besonderer – Rohstoff ist, ist einer davon. Wie jeder andere Rohstoffpreis unterliegt er Nachfrageschwankungen und spekulativen Erwartungen.
  2. Als Indikator für den Wert von Papiergeld ist der Goldpreis oft das Ziel konzertierter Aktionen, um seinen Geldwert – besonders in politisch heiklen Lagen – nicht allzu deutlich ansteigen zu lassen. Nichts käme dem politischen Establishment weniger gelegen, als der durch einen steigenden Goldpreis dokumentierte Verfall der Kaufkraft des gesetzlichen Zahlungsmittels.
  3. Die im Verhältnis zur Neuförderung gewaltige Menge an Beständen („stock-to-flow-ratio“) ist ein weiterer Grund. Nur etwa 2.500 Tonnen jährlicher Neuproduktion stehen 170.000 Tonnen Bestand gegenüber. Bereits anteilsmäßig kleine Verkäufe, etwa zur Abdeckung von anderweitig gemachten Verlusten oder zur Einlösung verbindlicher Finanzierungszusagen, können den aktuellen Preis in Papierwährung nach unten drücken.

Aus Sicht der „Goldbugs“ gibt es indes einige beruhigende Indikatoren: Der Großteil des Goldhandels wird in „Papiergold“ (in Form von Optionen, Fondsanteilen oder Minenaktien) abgewickelt. In diesem Bereich ist die beschriebene Korrektur erfolgt. Die Nachfrage nach „physischem Gold“ dagegen ist ungebrochen. Von einem Abverkauf von Barren und Münzen war bislang nichts zu hören. Dass die Goldminen im Durchschnitt einen Goldpreis von mindestens 1.600 Dollar pro Unze brauchen, um rentabel arbeiten zu können, wird vermutlich abnehmende Fördermengen zur Folge haben. In Gold investierte Anleger müssen sich also in Geduld üben und den „Durchhänger“ aussitzen, wenn sie keine Verluste realisieren wollen.

Die von Tag zu Tag prekärer werdende Lage auf den internationalen Finanzmärkten erhöht die weltweite Instabilität des Papiergeldsystems. Ein einziger, unvorhersehbar und unvermittelt auftauchender „Schwarzer Schwan“ könnte schon ausreichen, um das Kartenhaus deckungsloser Fiat-Währungen zum Einsturz zu bringen. Ein folgenschwerer Terroranschlag, eine Flutkatastrophe, ein Vulkanausbruch, ein kriegerisches Ereignis in einer sensiblen Weltregion – eine x-beliebige Begebenheit der Kategorie „unknown unknown“ (Ex-US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld) – könnte den Auslöser dafür bilden. Tritt ein solches Ereignis ein, kann alles sehr rasch gehen. Sich erst dann mit physischem Metall eindecken zu wollen, wenn die Herde verschreckter Investoren erst einmal zu rennen begonnen hat, könnte erhebliche Schwierigkeiten bereiten.

Doch auch ohne einen besonderen Anlass ist ein Kollaps der hemmungslos vermehrten Papierwährungen letzten Endes unvermeidlich. Es fehlt lediglich an der Kristallkugel, um dessen genauen Zeitpunkt zu prognostizieren. Wer also nicht über den Fatalismus – oder sollte man besser sagen Zynismus – von Maynard Keynes verfügt („Auf lange Sicht sind wir alle tot.“), ist gut beraten, auch dann ein wenig „echtes Geld“ zu halten, wenn es gerade nicht besonders hell glänzt.

Schon Voltaire hatte erkannt: „Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück – null.“ Es gibt kein Beispiel eines hoheitlich manipulierten, papierenen Zahlungsmittels, das dieses Schicksal nicht früher oder später geteilt hätte…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Zwei Bundesländer haben Qualtag

02. März 2013 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manches Mal bin ich froh, nicht überall die Qual der Wahl zu haben. An diesem Wochenende bin ich sogar sehr froh, weder Niederösterreicher noch Kärntner zu sein. Denn in beiden Bundesländern muss man sich über unglaublich Vieles ärgern, mehr als in allen anderen Bundesländern (bis auf Wien). Deswegen würde ich aber doch auch in diesen Ländern bei der Devise bleiben, jede der wenigen demokratischen Mitentscheidungs-Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen, die einfache Bürger haben. Selbst wenn es sehr schwer fällt.

Besonders verärgert wäre ich zweifellos als Kärntner. Dort haben die bisherigen Machthaber in aller Heimlichtuerei zehnmal so viel Haftungen für die Hypo Alpen-Adria unterschrieben, wie das gesamte Landesbudget ausmacht. An der Empörung darüber können die Streitereien überhaupt nichts ändern, ob dann später die Kärntner die Bayern oder die Bayern die Republik Österreich über den Tisch gezogen haben. Tatsache ist nur, dass bei dieser vorerst der Schaden gelandet ist. Was sie damit begründet hat, dass sie doch Kärnten nicht in Konkurs gehen lassen wollte.

Die einstige grob fahrlässige Haftungsübernahme ist jedenfalls unabhängig von der späteren Schadenstragung ein Faktum und ein politisches Verbrechen. Ebenso ist das der Zynismus, mit dem sich der einstige Landeshauptmann Haider ständig bei der Landesbank für parteipolitische Zwecke bedient hat (dass mir da gerade wieder die Wiener Volksbefragung einfällt, bei der provozierenderweise ein Privatisierungsschutz für Landesbetriebe verlangt wird, ist alles andere als ein Zufall).

Diese hemmungslose Verantwortungslosigkeit in Sachen Hypo stellt alles in den Schatten, was aus anderen Bundesländern an riskanten Geschäften bekannt ist. Sie übertrifft auch bei weitem alles, was an sonstigen Kärntner Geschichten in letzter Zeit durch Medien oder Staatsanwaltschaft hochgespielt worden ist: ob es die Verwendung des Wortes „Kröte“ für einen Richter oder die Art der Verleihung einer Staatsbürgerschaft ist.

Das sind Peanuts im Vergleich zum hemmungslosen Umgang mit den Landesfinanzen. Vor allem wegen jener Haftungen für die Hypo hat sich die blaue FPK-Partie eine kräftige Strafe verdient. Das gilt ebenso für die Kärntner Orangen, die noch heute als ihren offensichtlichen Hauptberuf täglich demutsvoll die Kranzschleifen des Jörg Haider streicheln.

Aber auch die Schwarzen haben schwer gefehlt. Sie haben das kriminelle System ermöglicht und zumindest zu guten Teilen mitgetragen. Sie haben zwar seither zum Unterschied von Blau und Orange wenigstens die alte Mannschaft hinausgeworfen. Nur ist völlig rätselhaft, wofür das neue Team eigentlich steht. Außer für Harmlosigkeit und als Steigbügelhalter für einen roten Landeshauptmann.

Also werden die Roten wieder an die Macht kommen. Nur: Soll man das mit seiner Stimme (ob rot, ob schwarz, ob grün) auch selbst mitunterstützen? Immerhin war Kärnten vor den Haider-Zernatto-Dörfler-Jahren bis zum letzten Landeslehrer hinunter fast totalitär rot beherrscht. Immerhin bedeutet ein roter Landeshauptmann eine noch tiefere Einzementierung der roten Macht im ORF. Immerhin hat in jenen Jahren die SPÖ genauso hemmungslos auf Deutschnationalismus gemacht, wie sie es später den Freiheitlichen vorgeworfen hat. Und vor allem hat die SPÖ – wenn auch mehr die in Wien als in Klagenfurt – jahrelang die Lösung der Ortstafelfrage blockiert, obwohl diese zwischen Heimatdienst, den meisten Slowenenverbänden, Schüssel und Haider ausverhandelt war. Die damals ausverhandelte Lösung war praktisch identisch mit jener, die dann später unter einem neuen Bundeskanzler beschlossen werden durfte. Das war damals reinster Macht-Zynismus, der etwas Sinnvolles nur deshalb blockiert hat, um Schwarz-Blau den Erfolg zu nehmen.

Aber auch Grün ist keine gute Entscheidung, trotz einiger Verdienste um Korruptionsbekämpfung. Einerseits weil man damit automatisch rot wählt. Und andererseits haben sich die Grünen in den letzten Jahren im Wiener Rathaus als so willenlose Erfüllungsgehilfen erwiesen, dass man sie nicht mehr als eigenständige Kraft wahrnehmen kann. Wo sie in Wien überhaupt eigenständig aufgefallen sind, haben sie durch Postenbeschaffung für Parteifreunde und durch Parkpickerl- sowie Straßenlahmlegungs-Chaos ihre Regierungsunfähigkeit bewiesen.

Also Stronach? Der Mann ist von der Vergangenheit nicht belastet. Er sagt mitten in seinem sinnfreien Kauderwelsch auch drei oder vier durchaus richtige Sätze. Aber sonst herrscht in dieser Partei ein absolutes geistiges Vakuum. Stronach erinnert stark an den italienischen Anarchisten Beppe Grillo, der vor allem deshalb Zulauf gefunden hat, weil er gegen alles und alle ist; und dessen jeweilige Meinung von allen anderen Figuren in seiner Partei als Evangelium akzeptiert werden muss, auch wenn sie oft eher plakativ als irgendwie durchdacht ist. Stronach ist ebenso wie Grillo nie und nimmer selbst zu regieren imstande. Das aber ist ja noch immer die eigentliche Aufgabe der Demokratie.

Ich würde aber trotz all dem hingehen und eine der Parteien korrekt ankreuzen. So schwer es mir auch fällt.

Niederösterreich: Wollt ihr den Grölaz haben?

Das gilt auch für Niederösterreich, wo ich mit der Entscheidung ein ähnliches Dilemma hätte. Wenn auch aus ganz anderen Gründen.

Dort geht alles um eine einzige Person. Dort heißt es nur: Wollt ihr wieder den Grölaz haben oder nicht? Den größten Landeshauptmann aller Zeiten. Viele Menschen sehnen sich in der Tat geradezu nach einem starken Mann. Es spricht in der Tat an sich auch nichts gegen eine starke Persönlichkeit oder gegen Politiker, die schon Jahrzehnte regieren, oder gegen solche, die ganz auf einen simplen Landespatriotismus setzen. Für Pröll spricht auch, dass Niederösterreich etwa im Schulwesen ein wesentliches und positives Gegengewicht gegen die verheerende rote Dominanz in Wien und Bund ist.

Schon viel problematischer ist die Tatsache, dass Prölls Knappen seit Jahren binnen knappster Frist automatisch jedem mit dem Bihänder eine überziehen, der auch nur die leiseste Kritik am Herrscher wagt. Daher haben in Niederösterreich jene Medien heftige Probleme, die nicht bei der Hofberichterstattung für Pröll servil mitmachen. Der diesbezügliche Machtmissbrauch grenzt fast schon an Wiener Dimensionen.

Zentrales Thema des Wahlkampfs war die Veranlagung von niederösterreichischen Geldern. Dabei gingen jedoch die Attacken der Opposition völlig daneben. Denn im Nachhinein zu stänkern, dass diese oder jene andere Veranlagung mehr Zinsen gebracht hätte, ist läppisch. Auch wenn man noch so oft „Pfui, Spekulation!“ ruft.

Viel schlimmer ist hingegen die zugrundeliegende Tatsache, dass Niederösterreich die Einnahmen aus den vergebenen Wohnbaukrediten überhaupt vorzeitig verpfändet und versilbert hat. Damit ist das sichere Landeseinkommen kommender Jahrzehnte vorzeitig zur kurzfristigen Erhöhung des Pröllschen Glanzes verschwendet worden. So als ob nicht auch Niederösterreich ein demographisches Problem hätte, weshalb man in kommenden Jahrzehnten viel mehr Geld brauchen wird als heute.

Dabei ist die Tatsache, dass mit diesen Geldern „spekuliert“ worden ist, nicht das Problem. Da hat man wenigstens versucht, Geld im Interesse des Landes gut anzulegen. Es geht einem aber wirklich das Geimpfte auf, wenn ein ÖVP-Nationalratsabgeordneter aus dem Waldviertel, der noch dazu ein Wirtschaftsspezialist sein will, sogar öffentlich rühmt, dass man einen Teil des Geldes für soziale Zwecke ausgegeben habe. Das aber ist in Wahrheit ein Verbrechen: Künftige Einnahmen schon jetzt zu konsumieren. Und Sozialausgaben sind eben nichts anderes als Konsum.

Schamhaft verschwiegen wird das Thema Semmeringtunnel. Mit seinem zum Teil paralegalen Kampf gegen diesen Tunnel hatte Pröll hingegen noch frühere Wahlkämpfe bestritten. Jetzt aber darf der Tunnel auf einmal doch gebaut werden – allerdings in einer viel teureren und längeren Variante. Der blutende Steuerzahler kann sich bei Pröll bedanken. Doch die Opposition wagt diese milliardenschwere Geldverschwendung nicht einmal zu thematisieren. Offenbar fürchtet auch sie einen der berüchtigten Zornesausbrüche Prölls.

Besonders widerlich an dessen Politik ist, wie viel niederösterreichisches Geld er dubiosen oder echten Künstlern und Seitenblickestars hineinsteckt. Einziger Zweck: Diese mussten vor der Wahl für Pröll Propaganda machen. Was sie nicht hindert, anderswo für die SPÖ zu marschieren. Anderswo sitzt freilich die rote Unterrichtsministerin am Geldhahn. Künstler sind ganz offensichtlich fast alle in hohem Ausmaß käuflich. Sie haben politisch und ökonomisch meist weniger Ahnung als die Durchschnittsbürger. Sie wollen nur Aufträge, also Geld.

Angesichts der hohen Schulden des Landes sind solche Aktionen in Niederösterreich jedenfalls genauso verwerflich wie bei der roten Unterrichtsministerin.

Daher würde sich die Wahl einer anderen niederösterreichischen Partei als logisch aufzwingen. Jedoch: Diese sind durch die Bank inhaltlich wie personell so brustschwach, dass ich bei ihnen weit und breit niemandem sehe, dem ich mein eigenes Bundesland gerne anvertrauen würde.

Vor allem lässt ein ganz anderer Aspekt zögern, irgendeine dieser Parteien zu wählen: Falls Pröll die absolute Mehrheit verlieren sollte, wird er doch nur knapp unter dieser bleiben. Ein nicht-schwarzer Landeshauptmann in Niederösterreich bleibt daher absolut unmöglich. Die Hinzunahme einer Kleinpartei (Rot, Blau, Grün, Stronach) in eine Koalition mit der mächtigen ÖVP würde aber nur dasselbe bewirken, was wir aus Wien oder Oberösterreich oder auch Kärnten kennen: Die Sache würde noch teurer, weil auch der kleine Koalitionspartner seine Leute versorgen und ein paar Duftmarken hinterlassen will. Ansonsten wird aber die alte Mehrheitspartei fast ungehindert, nur mit etwas mehr noch teurerem Sand in ihrem professionellen Getriebe weiterregieren.

Also auch hier: eine extrem schwere Entscheidung. Vor der ich mich aber auch als Niederösterreicher nicht drücken würde. Ein Wahllokal ist ja kein Schlaraffenland.

 

Drucken

Unbeliebte Energieeffizienz

01. März 2013 20:22 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Ein heftiges Tauziehen findet derzeit darüber statt, wie künftig in Österreich Energie gespart werden soll. Es geht um das heimische Energieeffizienzgesetz, das langsam und bedächtig auf Schiene gebracht wird. Die Begutachtungsfrist ist zu Ende, mehr als 70 Stellungsnahmen wurden eingebracht, aber es gibt nach wie vor große Unstimmigkeiten, wer denn nun die Sparziele exekutieren soll. Bereits im Juni 2012 einigte sich die EU auf eine neue Eneregieeffizienz-Richtlinie, in der ein jährliches Einsparziel von 1,5 Prozent festgelegt wurde. Danach hat ein wildes Politgezerre stattgefunden, bei dem sich Österreich besonders hervorgetan hat. Österreichs Vertreter versuchten den Richtlinientext so weit zu verbiegen, dass Österreich möglichst wenig hätte machen müssen. Österreich versuchte herauszuschinden, dass alle Maßnahmen seit dem Jahr 2000  zur Zielerfüllung angerechnet werden dürfen, man einigte sich auf 2008.

Das heißt, dass zwar grundsätzlich 1,5 Prozent beim Energieverbrauch eingespart werden sollen – was allerdings eine theoretische Größe ist, da bereits getroffene Einsparungen (25 Prozent als „early actions") abgezogen werden können.Dadurch liegt der Zielwert nur mehr bei 1,1 Prozent. Insgesamt geht es bis 2020 um 200 Petajoule, die durch Effizienzmaßnahmen eingespart werden sollen, durch die erneuerbaren Energiequellen soll der Saldo nur um 70 PJ verbessert werden. Allein daraus ist schon zu erkennen, dass Effizienzmaßnahmen überaus wichtig wären, aber durch zu viele Lobbys nicht durchführbar sind; das Geld fließt meist in Richtung Erneuerbare.

Große Meinungsverschiedenheiten gibt es darüber, wie im Strombereich eingespart werden soll. Der Ministeriumsentwurf sieht vor, dass dafür die Energieversorger zuständig sein sollen, was nicht nur bei den Stromkonzernen auf gehörigen Widerstand stößt: Auch die Kontrollbehörde E-Control kann diesem Plan nichts abgewinnen. Es wäre weit sinnvoller, wenn die Netzbetreiber für die Maßnahmen der Energieeffizienz zuständig wären, wird betont. Im Ministerium ist man der Ansicht, dass die Stromlieferanten die Sparmaßnahmen breitflächiger anlegen könnten.

Ein großer Beschwerdepunkt ist auch immer der Verkehrsbereich, der mehr oder weniger ausgeklammert bleibt, meinen Kritiker. Der zuständige Sektionschef im Wirtschaftsministerium Christian Schönbauer sieht dies gar nicht so. Auch der Verkehrsbereich habe das 1,5 Prozent-Einsparungsziel zu erreichen. Wer dafür zuständig sein soll ist allerdings nebulös. Laut Schönbauer wäre das der Handel. Kleine Tankstellen sollen allerdings nicht betroffen sein.

Wie das in der Praxis funktionieren soll ist aber weitgehend unklar. Als Basis für die Zielerreichung wird der jeweilige Sektor herangezogen. Betrachtet wird dabei die Periode 2011 bis 2013, aus der ein Durchschnitt errechnet wird. Wird das Ziel nicht erreicht, müssen im darauf folgenden Jahr die einzelnen Firmen selbst nachweisen, dass die Vorgabe doch erreicht wurde. Kontrollieren soll das alles eine Monitoringstelle bei der E-Control, wo dann auch eventuelle Strafzahlungen festgelegt werden. Die Gefahr, dass dabei ein administrativer Moloch entsteht ist allerdings groß. Sogar die E-Control selbst ist nicht sehr glücklich, dass sie dafür zuständig sein soll.

Das umstrittene Bundes-Energieeffizienzgesetz könnte in der zweiten März-Hälfte in den Ministerrat kommen und anschließend als Regierungsvorlage ins Parlament. Rasche Beratungen auf parlamentarischer Ebene vorausgesetzt müsste das Paket Anfang Juli in den Nationalrat, um noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden zu können. „Das halten wir für realistisch, aber noch nicht für gegessen", sagt man im Ministerium. Das Gesetz benötigt eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also die Zustimmung zumindest einer Oppositionspartei.

Verbund-Chef Anzengruber plädiert dafür, dass Österreich sein neues Energieeffizienzgesetz politisch und inhaltlich „mit Deutschland synchronisiert", also erst nach der Nationalrats- bzw. der Bundestagswahl verwirklicht. Dass dieses Gesetz, so wie der Entwurf aussehe, noch in dieser Regierungsperiode das Parlament passiert, glaubt er nicht.

Das Ziel, die Energieeffizienz bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu steigern, dürfte die EU sowieso verfehlen. Derzeit liegen die Prognosen für 2020 bei 10 bis 15 Prozent, und selbst bei Umsetzung der Effizienz-Richtlinie sind es nur cirka 17 bis 18 Prozent.

Bereits bis 30. April muss Österreich der EU-Kommission den indikativen heimischen Zielwert für die Entwicklung bis 2020 übermitteln. Bis 5. Dezember ist dann die Festlegung der 1,5-prozentigen Einsparverpflichtung fällig. Zeit für die Umsetzung der (seit Dezember 2012 in Kraft befindlichen) EU-Richtlinie in nationales Recht ist bis 5. Juni 2014.

Aber vielleicht könnte man sich allzu große Anstrengungen überhaupt ersparen, wenn alle bereits existierenden und geplanten Maßnahmen voll ausgeschöpft und angerechnet werden. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat vor wenigen Tagen eine Studie zur Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie veröffentlicht. Die Studie zeigt: Werden alle bestehenden und geplanten politischen Maßnahmen, die in Deutschland zu Energieeinsparungen führen, genutzt und konsequent fortgesetzt, so kann Deutschland das in der Richtlinie festgesetzte Ziel zur Einsparung beim Endenergieabsatz für die Jahre 2014 bis 2020 einhalten und sogar übererfüllen. Also wozu die ganze Aufregung?

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Weil die Wirtschaft Dienerin ist…

01. März 2013 01:41 | Autor: Gregor Hochreiter
Rubrik: Gastkommentar

Wir leben in einer Zeit ideologischer Engführungen. Insbesondere politische, mittlerweile aber auch wissenschaftliche Diskurse leiden unter der ideologischen Vereinnahmung der Vernunft, die nicht mehr demütig Wahrheit und Wirklichkeit ergründen, sondern diese hervorbringen will. Daher muss den folgenden Ausführungen zum Dienstcharakter der Wirtschaft ein kurzer Exkurs zu den grundlegenden geistigen Verwerfungen der Gegenwart vorangestellt werden. Diese Anmerkungen sollen jedoch mit Blick auf das wesentlich engere Anliegen dieses Kommentars, der eine Entideologisierung der Wirtschaft auf gesellschaftlicher Ebene bzw. der materiellen Güter auf der individuellen Ebene begehrt, gelesen werden. Mit anderen Worten: Es ist höchst an der Zeit, dass das Streben nach materiellen Gütern wieder Maß nehmen lernt.

Ein Kennzeichen des neuzeitlichen Denkens ist seine Zersplitterung, die sich in weiterer Folge in der Ausformulierung von notwendig einseitigen Ideologien manifestiert. Dort, wo die abendländische Ordnungsvorstellung das ergänzende Aufeinanderbezogensein alles Geschaffenen erkennt – das, wie dem Schöpfungsbericht zu entnehmen ist, für sich genommen von Gott als „gut“, in der geordneten Ganzheit sogar als „sehr gut“ bezeichnet wird, weswegen trotz relativer Eigenständigkeit die das jeweilige Begriffspaar konstituierenden Einzelteile Glaube und Vernunft, Mann und Frau, Gerechtigkeit und Liebe nicht voneinander getrennt werden dürfen – sieht die Gegenwart nur mehr ein unüberbrückbares oder – Individuum oder Gesellschaft, Privateigentum oder öffentliches Eigentum, Sinneswahrnehmung oder Verstand, Talent oder Fleiß, Erkenntnis oder Tat.

Charakteristisches Merkmal einer Ideologie ist eben, dass sie einen wesentlichen Aspekt der menschlichen Existenz seinswidrig überhöht, d.h. Bedingtes absolut setzt. Das Problematische z.B. am Liberalismus ist nicht seine Feststellung, dass der Mensch ein freies Wesen ist, sondern die Auffassung, dass es keine verbindliche Wahrheit und damit auch keine Wahrheit vom Menschen, sein Woher und sein Wohin gäbe. Das Problematische am Individualismus ist nicht, dass er die Personenwürde gegen eine unbotmäßige Vereinnahmung der Gesellschaft schützt, sondern die Ansicht, dass der Mensch seinem Wesen nach kein soziales Wesen sei, das erst am Du des Nächsten ganz Mensch wird. (Darunter krankt auch der Feminismus als eine Variante des Individualismus.) Mutatis mutandis gilt für die extremistischen Zerrformen des Sozialismus und des Kollektivismus, dass sie dem Einzelnen nicht den nötigen Freiraum zur eigenständigen und damit eigenverantwortlichen Entfaltung zugestehen.

Es gilt diesen wenig fruchtbaren und die Gesellschaft spaltenden Kampf zwischen den genannten ideologischen Zerrformen zu überwinden. Es ist weder die Freiheit, die uns frei macht, noch ist es die Gesellschaft (oder die Institutionen) sondern, wie gerade auch Papst Benedikt XVI. immer wieder betont hat, die Wahrheit (vgl. Joh 8, 32).

Mit anderen Worten: Ein Freiheitsverständnis, das sich in einem ideologischen Emanzipationsakt von der Wahrheit loslöst und nur mehr in der Kategorie der „Freiheit von“ denkt, übersieht, dass der Mensch geschaffen ist, sich in Freiheit für das höchste Gut schlechthin, d.h. Gott zu entscheiden. Ein ganzheitliches Freiheitsverständnis weiß um die aufeinander bezogenen und einander bedingenden beiden Aspekte der Freiheit. Es verbindet die zu achtende freie, subjektive Entscheidung des Einzelnen – die formale Dimension – mit der dem Menschen vor- und aufgegebenen vollen Erfüllung der Freiheit in der Ausrichtung auf das summum bonum – die materielle Dimension. Ein ganzheitliches Menschenbild anerkennt dementsprechend die Individual- und Sozialnatur des Menschen, sowie die wechselseitige Ergänzungsbedürftigkeit von Mann und Frau.

Wider die Materialisten

Nimmt man sich aus diesen, heutzutage allgegenwärtigen ideologischen Scheindebatten heraus, so ergeben sich bemerkenswerte Gemeinsamkeiten der beispielhaft erwähnten Ideologien. Aus einem nicht-ideologischen Blickwinkel erscheinen sie in den wesentlichen Punkten nicht mehr als Gegner, sondern bloß als Konkurrenten. Woraus setzt sich jenes Substrat zusammen, das den genannten Ideologien gemein ist und deren Überwindung die dringend nötige intellektuelle und gesellschaftliche Großtat darstellt?

Liberale und Sozialisten sind etwa im Regelfall Materialisten. Eines der höchsten gesellschaftlichen Ziele ist für beide Gruppierungen die Maximierung des materiellen Wohlstands, der zum Selbstzweck überhöht wird. Der Streit dieser beiden Fraktionen entzündet sich vornehmlich an der technischen Frage, wie dieses Ziel zu erreichen sei. Von der einen Fraktion, namentlich der liberalen, wird tendenziell auf die weitest mögliche Ausdehnung der auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln basierenden Marktwirtschaft gedrängt, während die Sozialisten das Gesellschaftseigentum an den Produktionsmitteln, neuerdings die weitest mögliche Politisierung des Einkommens anstreben.

Daher ist es wenig überraschend, dass Liberale und Sozialisten in der Geschichte gleichermaßen die überlieferten Tugendvorstellungen instrumentalisiert bzw. bekämpft haben und die sie stützenden Institutionen, darunter insbesondere die Katholische Kirche, das Naturrecht, die monogame, auf die Weitergabe des Lebens offene Ehe und die subsidiäre Gesellschaftsordnung attackierten. Wirtschaftspolitisch unterstützten beide Strömungen die Großindustrie und das auf exzessiver Kreditproduktion beruhende, die wirtschaftliche Zentralisierung fördernde moderne Bankensystem. Liberalen wie Sozialisten galt die Großindustrie als wesentlich effizienter als das Handwerk und das Kleingewerbe und beide Gruppierungen waren und sind entschiedene Gegner der Landwirtschaft. Aufgrund des von beiden Ideologien geteilten Materialismus ist es nur nahe liegend, dass seit jeher die Großindustrie und ihre Interessensvertreter eine unheilsvolle Allianz mit den familienfeindlichen, marxistischen Ideologen bildet. Die zum Produktionsmittel entwürdigte menschliche Arbeitskraft ist auf das Ziel der Gewinn- und BIP-Maximierung auszurichten und jegliche Bindung, wie die Bindung der Mütter an ihre Babys, steht diesem Unterfangen im Weg.

Das ob seiner eklatanten methodischen Schwächen unhaltbare Konzept des Brutto-Inlandsprodukts spiegelt diese einseitige Auffassung von materiellem Wohlstand wider, denn das BIP bildet lediglich die monetären Markttransaktionen ab. Eine sich mit allen wirtschaftlichen Gütern selbst versorgende Familie, um ein Extrembeispiel zur Verdeutlichung heranzuziehen, würde ein BIP von Null Euro ausweisen. Ob diese Familie auch materiell arm ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die entgeltliche, steuerfinanzierte Fremdbetreuung von Kindern erhöht wiederum das BIP und ist einer der Motoren des „Wirtschaftswachstums“ in den als fortschrittlich geltenden skandinavischen Ländern. Die entscheidenden vor- und außerökonomischen Fragen, welche Form der Kinderbetreuung denn dem Kindeswohl am besten entspricht oder welche Form der Güterproduktion den Bedürfnissen von Familie und Gemeinwesen die seinsgemäße Entfaltung sichert, dürfen in Zeiten des Wachstumsfetischs nicht mehr gestellt werden.

Gerade die so genannten konservativen Parteien sind gegenwärtig dem Götzen Wirtschaftswachstum hoffnungslos verfallen, mehr noch als viele linke Parteien, die tendenziell die Verteilungsproblematik (über-)strapazieren. Diese Haltung ist jedoch alles andere als im eigentlichen und besten Sinne konservativ, sondern im Kern ein plumper Materialismus, der ideengeschichtlich immer links verortet war.

Wozu statt Wie

Und wie jedes Idol, so fordert auch die ideologische Überhöhung der Wirtschaft zum Selbstzweck – die das letzte einigende Band einer zunehmend geistlosen Gesellschaft zu sein scheint – ihre Opfer. Der Mensch, der ein Leib-Seele-Wesen ist, verkommt zu einer materialistischen Kümmerexistenz als bloßer Produzent und Konsument. Die Familie wird zu einer Zuchtanstalt für Humankapital degradiert, die sich an die Bedürfnisse der Wirtschaft ebenso widerstandslos anzupassen hat wie die Heimat, die in ihrer Entwertung zum Wirtschaftsstandort all ihre gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Eigenheiten im Wettbewerb um Investitionen und Arbeitskräfte aufzugeben hat und deren Naturschönheiten vor der Zerstörung nur gerettet werden, sofern sie touristisch ausgeschlachtet werden können. In einer Gesellschaft, die nur mehr (subjektive) Tauschwerte anerkennt, haben die Eigenwerte des Schönen, Guten und Wahren keinen Platz mehr.

Die Antwort auf diese fundamentale Gesellschaftskrise der Gegenwart – die Wirtschaftskrise ist nur Ausdruck dieser Krise, deren Wurzeln viel tiefer liegen – ist die Abwertung der technizistischen Frage „Wie?“ und die Aufwertung der Frage: „Wozu? Wozu leben wir? Wozu benötigen wir die wirtschaftlichen Güter?“

Mit diesen Fragestellungen werden jene Themenfelder geöffnet, die durch Individualismus, Subjektivismus und Relativismus für Jahrzehnte der öffentlichen Erörterung entzogen worden waren. Um zu erkennen, worin das Maß des Wirtschaftens liegt, muss zunächst die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Bestimmung des Menschen gestellt werden.

Das abendländische Menschenbild hat in der Erlangung der Tugendhaftigkeit das Äußerste dessen erkannt, was der Mensch seiner Natur nach erreichen kann. Der kluge, gerechte, tapfere und Maß haltende Mensch agiert wahrhaft frei, da er durch die Anerkenntnis seiner Natur die Ursache seiner eigenen Handlungen ist, während das Laster und die Sünde den Menschen fremd bestimmen und damit verknechten (vgl. Joh 8, 34). Deswegen ist es auch nur die Wahrheit, und insbesondere die Wahrheit über den Menschen, die den Menschen frei macht.

Das Streben nach materiellen Gütern erhält somit sein Maß aus den übergeordneten Gütern der menschlichen Existenz. Dies ist keine Sozialromantik, sondern schlichtweg eine Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass der Mensch ein Leib-Seele-Wesen ist, das zur Erlangung der ewigen Glückseligkeit bestimmt ist. Dass vergängliche, materielle Güter niemals ewiges Glück bewirken können, sollte unmittelbar einsichtig sein. Das bedeutet aber eben auch nicht, dass das Streben nach materiellen Gütern an sich unmoralisch ist, sondern nur insofern, als sie uns von diesem natürlichen Ziel abringen. Das Zuviel ist ebenso zu meiden wie das Zuwenig. Christlich gewendet darf das Streben nach den vergänglichen Gütern nicht dazu führen, dass der Mensch das ewige Gut – die glückseligende Schau Gottes – verliert.

Streben nach Tugendhaftigkeit und Heiligkeit

Die Öffnung des Menschen hin auf die Transzendenz führt geradewegs dazu, dass auch die Wirtschaft wieder in den Dienst des Wahren, Schönen und Guten gestellt wird und dadurch zur geistig-sittlichen Hebung des Menschen, gerade auch im Arbeitsalltag beiträgt.

In praktischer Hinsicht würde sich die Hinordnung der Wirtschaft auf die Bedürfnisse der Familie, die als Keimzelle der Gesellschaft für deren Fortbestand unaufgebbar ist, u.a. in die Förderung einer kleinräumigen Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur übersetzen, was der in seiner Heimat viel zu wenig beachtete Leopold Kohr in das schöne Bild der „Fußgängerstadt“ verarbeitet hat. Wie viel gemeinsame Zeit verlieren heutzutage die Familien, ja überhaupt die sozialen Kontakte durch das Pendeln?

Der Irrwitz der „Wirtschaftsförderungsmaßnahme Fremdbetreuung“ käme klar zum Vorschein, weil eine ihren Dienstcharakter annehmende Wirtschaft nicht mehr die Ergebnisse der Bindungsforschung ignorieren würde, wonach insbesondere Unter-Dreijährige unter der Fremdbetreuung leiden. In einem anderen wirtschaftspolitischen Kontext würde die Rückbesinnung auf den Dienstcharakter der Wirtschaft die Frage stellen, ob etwa die von einer ideologischen Überhöhung des Handels bewirkte Auslagerung von Schlüsselindustrien und der Lebensmittelversorgung tatsächlich im Interesse des Gemeinwesens wäre, selbst wenn die Ausweitung des internationalen Handels kurzfristige Effizienzgewinne verspräche.

Sämtliche menschliche Institutionen sind dazu da, dem Menschen in seinem Streben nach Tugendhaftigkeit und Heiligkeit zu unterstützen. Überall dort, wo Institutionen beginnen, den Menschen zu verzwecken, sei es das Postulat der Gewinnmaximierung, sei es die Politisierung aller Lebensbereiche, verletzen sie die dem Menschen unabsprechbare Personenwürde.

Noch jede Ideologie hat Freiheit und Glück versprochen und Dritte für die Nichtverwirklichung des Paradieses auf Erden verantwortlich gemacht. Noch jede Ideologie brachte aber stattdessen Knechtschaft und existentielle Leere, weil der jeder Ideologie innewohnende Reduktionismus die ganzheitliche und auf Selbstüberschreitung angelegte Natur des Menschen verkennt.

Weil die Wirtschaft Dienerin ist, muss sie von Aufgaben befreit werden, die sie ihrem Wesen nach nicht erfüllen kann. Die Überhöhung der Wirtschaft zum Selbstzweck wird allerdings erst enden, wenn die gesellschaftliche Debatte auf allen Ebenen erneut die grundlegenden existentiellen Fragen zu debattieren beginnt und erkennt, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt.

Mag. Gregor Hochreiter, Ökonom
Vorstand „Oekonomika – Institut für angewandte Ökonomie und christlich-abendländische Philosophie“
http://www.oekonomika.org

Drucken

Der Antisemitismus der SPÖ

23. Februar 2013 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Darf man Israel kritisieren? Ganz sicher. Genau so wie jeden anderen Staat. Aber diese Kritik kippt eindeutig in raffiniert versteckten Antisemitismus, wenn ungleiche Maßstäbe angewendet werden. Wenn also Israel Dinge vorgeworfen werden, über die man anderswo skrupellos hinwegsieht.

Und genau das tut die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Christine Muttonen. Die aus welchem Grund immer mit dieser wichtigen Funktion beauftragte Frau verlangt, dass Waren aus der Westbank, also aus den von Israel besetzten und teilweise von israelischen Siedlern kultivierten Gebieten, künftig extra gekennzeichnet werden müssen.

Es ist aber extrem geschmacklos und historisch zumindest ahnungslos, wenn hierzulande jemand nach Sonderkennzeichnung für die Produkte von Juden ruft. Das klingt schon sehr heftig nach einem „Kauft nicht bei Juden!“ Und immerhin ist die SPÖ noch immer die größte Partei des Landes.

Aber die Besetzung der Westbank ist doch völkerrechtswidrig, werden da die Genossen einwenden. Doch selbst wenn man das so sieht (wofür es gute plausible Gründe gibt, jedoch ebenso etliche Gegenargumente), müsste man als seriöser Staat völkerrechtlich konsequent sein und wissen: Auch die Besetzung Nordzyperns durch die Türkei ist völkerrechtswidrig. Auch die Besetzung großer Teile Georgiens und Moldawiens durch die russische Armee ist völkerrechtswidrig. Auch die Unterdrückung der Tibetaner und Uiguren durch China ist zumindest grob menschenrechtswidrig. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Aber nirgends ruft die SPÖ nach einer Sonderkennzeichnung von Waren, die dort her kommen. Was das „Kauft nicht bei Juden“ doppelt zum Skandal macht. Freilich: Die von der SPÖ, pardon dem Rathaus mit Steuergeldern finanzierten Propaganda-Institute wie das sogenannte Dokumentationsarchiv werden sich wohl hüten, das Verhalten der SPÖ als das zu bezeichnen, was es ist: purer Antisemitismus. Man ist ja nicht der Feind seiner eigenen Subventionen. Obwohl diese Institute sonst hinter jedem Baum einen Nazi wittern, sofern er kein eigener Parteigenosse ist.

Drucken

Die Krise lebt besser denn je. Auch wenn wir sie ignorieren

22. Februar 2013 12:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Offenbar sind wir schon so von den Beruhigungsmitteln verblödet, die in Deutschland und Österreich bis zu den Herbstwahlen dargeboten werden, dass wir die wahre Lage verdrängen.

Dagegen sollte man sich einfach die Fakten aus wenigen Stunden bewusst machen: Die einst so stolze Bank Austria muss ein Drittel ihrer Filialen sperren, also mehr als 100, und verkauft nun auch das letzte von drei Hauptquartieren dreier einst verschiedener Großbanken in der Innenstadt. Die Uniqa gibt die Vermögensverwaltung auf. Der Baukonzern Alpine steht knapp vor einem Mega-Konkurs. Die Eurozone wird heuer nach den jetzigen Schätzungen (die sich nachher meist als zu optimistisch erweisen) 0,3 Prozent BIP-Minus ausweisen statt des so dringend vor allem von den jungen Arbeitslosen erhofften Wachstums. Die Jugendarbeitslosigkeit erreicht jetzt in einigen Südländern schon 60 Prozent. Und die weltweit ausgegebenen Beruhigungsmittel bestehen vor allem in Banknoten, die in Japan, den USA und Großbritannien in noch wilderem Tempo gedruckt werden als von der EZB, was nichts anderes ist als ein gigantischer Wettlauf beim Raubzug auf die Sparer bedeutet. Aber unsere Medien sorgen sich seit Wochen primär darüber, ob wir eventuell ein paar Bissen (völlig unschädlichen) Pferdefleischs verschluckt haben. Und die Politik denkt über neue Sozialausgaben nach.

Auf ein bitteres Erwachen im Herbst.

Drucken

Währungskrieg! – Wer gewinnt den Wettlauf nach unten?

21. Februar 2013 23:19 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Nach einer Meldung des deutschen Nachrichtenmagazins „Spiegel“ und einer vom Marktforschungsinstitut GfK vorgelegten Studie ist die EZB im Begriff, das Vertrauen der Anleger zu verlieren. Nur weniger als ein Drittel der Investoren in Europa glaubt demnach noch daran, dass die EZB in der Lage wäre, die Inflation wirksam zu kontrollieren. Das ist gerade dieser Tage höchst bemerkenswert, weil die von der EZB bisher gezeigte Geldpolitik als geradezu „moderat“ gelten kann, wenn man sie mit der ihrer internationalen Konkurrenten vergleicht.

Die kürzlich erfolgte Ankündigung der Bank of Japan, ihr Inflationsziel von einem auf zwei Prozent zu erhöhen, und dem Markt – wörtlich – „unbegrenzte Mittel“ an neuer Liquidität zuführen zu wollen – um endlich aus der seit zwanzig Jahren auf dem Land lastenden Krise herauszukommen – ist von heimischen Kommentatoren überraschend zurückhaltend thematisiert worden. Dass es sich dabei faktisch um eine Kriegeserklärung an die ebenfalls hart auf Inflationskurs segelnden USA und Großbritannien, aber auch an das hinsichtlich seiner monetären Politik etwas „konservativere“ Euroland handelt, wurde von Wirtschaftsfachleuten kaum zum Thema gemacht. Diese etwas andere Art des Merkantilismus, der Versuch, der Exportwirtschaft durch die Verschlechterung der eigenen Währung auf die Sprünge zu helfen, kann und wird allerdings nur dann erfolgreich sein (und selbst das nur kurzfristig), wenn die Wettbewerber zeitgleich nicht auf dieselbe Idee kommen. Genau das aber ist – siehe die expansive Geldpolitik des US-FED und der BOE (Bank of England) – der Fall. Wo also wird die Reise enden, wenn sich alle Zentralbanken zur selben Zeit die Inflationierung ihrer Währungen aufs Panier schreiben?

Es ist zu erwarten, dass es nach der Ankündigung der BOJ (Bank of Japan), die Geldproduktion zwecks Unterstützung der auf den Export angewiesenen Industrie hochzufahren, entsprechende (gleichartige) Gegenmaßnahmen aus Europa und den USA geben wird – also eine weitere Intensivierung des schon bisher betriebenen „quantitative easing“. Dass keine dieser Maßnahmen in der Vergangenheit je etwas anderes als explodierende Staatsschulden bedeutet, die angepeilten Ziele aber regelmäßig völlig verfehlt hat, kümmert die hohe Politik offenbar keinen Deut. Dass Japan trotz jahrzehntelanger Verschuldungspolitik nach wie vor in der Krisenstarre verharrt, führt nicht etwa dazu, seine offensichtlich fehlgeschlagene Geldpolitik zu überdenken, sondern sogar zu deren weiterer Intensivierung.

Was zehn Milligramm Valium i. v. helfen nicht gegen den Lungenkrebs? OK – versuchen wir es eben mit zwanzig!

Der Umstand, dass die Notenbanken in den USA und in England (zumindest derzeit noch) unter erheblich stärkerem politischen Einfluss stehen als die EZB, könnte zur Folge haben, dass – was angesichts der anhaltenden Eurokrise geradezu paradox erscheint – ausgerechnet der Euro kurz- bis mittelfristig zur härtesten Währung des „kapitalistischen“ Teils der Welt avanciert. Denn die EZB ist insofern – so seltsam es klingen mag – ein Hort der Stabilität, als die widerstrebenden Interessen innerhalb der Eurozone ihren Einsatz zur Erreichung politischer Ziele einigermaßen schwierig machen: Während die maroden Südstaaten – inklusive des traditionell erzsozialistischen Frankreichs – meinen, mittels hemmungsloser Geldvermehrung (auf Kosten Dritter) ihrer Probleme Herr werden zu können, sind die wirtschaftlich verhältnismäßig gesunden Staaten, wie Deutschland, Holland, Finnland und Österreich, eher am Kaufkrafterhalt und einem entsprechend zurückhaltenden Einsatz der Notenpresse interessiert. Der im Verhältnis zum Dollar, dem Pfund und dem Yen gemessene Wert des Euro könnte daher beim Wettlauf um eine möglichst rasche Abwertung zunehmen (was natürlich gar nichts über seinen „wahren Wert“ – seine Kaufkraft nämlich, aussagt).

Über die längerfristige Wirkung der Weichwährungspolitik braucht man sich keiner Illusion hinzugeben. Die historische Evidenz ist klar: Mittels Währungsverschlechterung schafft man keinen Wohlstand, man zerstört ihn. Ohne breites Vertrauen in die Währung geht es nämlich nur in eine Richtung: nach unten. Deutschland etwa hat mit der Hyperinflation der frühen Zwanzigerjahre nicht nur einer wirtschaftlichen Katastrophe den Weg bereitet, während es sein „Wirtschaftswunder“ nach dem Kriege mit einer beinharten Währung geschafft hat. Seinen Erfolgen als Exportnation hat die harte DM keinen Abbruch getan. Das pausenlos die Abwertungskarte spielende Italien dagegen steht – trotz einst wesentlich besserer Ausgangsbedingungen als „Sieger“ – deutlich schlechter da. Außerdem sei nicht übersehen, dass das BIP pro Kopf Deutschlands – trotz (oder gerade wegen!) seiner Hartwährungspolitik längst mit dem der seit vielen Jahren einer stark inflationistischen Geldpolitik anhängenden USA gleichgezogen hat. Soviel zu den Segnungen einer mit der Weichwährungspolitik einhergehenden Kaufkraftverschlechterung.

Eine stabile Währung, die das Vertrauen der Bürger, Unternehmer und Investoren genießt, ist die unabdingbare Voraussetzung für die Schaffung von Wohlstand. Eine expansive Geldpolitik dagegen ist lediglich dazu geeignet, kurzfristig Entspannung zu schaffen und die ökonomisch ahnungslosen Sozialisten in allen Parteien ruhig zu stellen, während sie langfristig neue Probleme kreiert: Fehlallokationen, Blasenbildungen und zyklische Krisen. Setzen zeitgleich alle Währungskonkurrenten auf die Abwertungspolitik, wird das Ergebnis ein globales Währungsdesaster sein.

Einziger Trost: Spätestens wenn die Kaufkraft bei null angelangt ist, findet das böse Spiel sein Ende…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Wiener Volksbefragung: Was ich tun werde

21. Februar 2013 03:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Wien werden bereits die Stimmzettel zur unverschämtesten Volksbefragung der  Nachkriegsgeschichte versendet. Daher muss man jetzt entscheiden, was man damit tut. Die Fragen sind allesamt eine einzige Chuzpe. Dennoch wäre es absolut falsch, die Stimmzettel wegzuschmeißen oder ignorieren. Auch wenn es gegen die Dampfwalze der bestochenen Zeitungen im Ergebnis aussichtslos sein wird, sollte man doch unbedingt die Fragen beantworten und jeweils genau das ankreuzen, was man für richtig hält. Das hätte noch einen zweiten Nutzen: Das Richtige ist jeweils genau das, was die Rathausmanipulatoren nicht wollen. Daher wäre jeder in diesem Sinne eingeschickte Stimmzettel zumindest ein kleiner Beitrag für mehr Anstand, Sauberkeit und Demokratie.

Dass nur ein solches Verhalten richtig sein kann, war eigentlich ab dem Zeitpunkt klar, als die SPÖ mit ihren Plakaten frech das noch gar nicht vorhandene Ergebnis als Faktum und eigenes Werk behandelt hat. Dass die Menschen anders stimmen könnten, kommt da als Möglichkeit gar nicht mehr vor. Demokratie auf Genossenart.

Für Nichtwiener: Die Stadt ist übersät von roten Plakaten, auf denen steht „Die SPÖ schützt . . .“ und dann folgt zum Beispiel „. . . das Wiener Wasser vor den Folgen einer Privatisierung“. Sie, die SPÖ, – also nicht erst die noch gar nicht abgestimmt habenden Wähler! – schützt auf weiteren dieser Plakate Gemeindebauten, schützt „Öffis“, schützt „kommunale Betriebe vor Privatisierung“.

In Wahrheit schützt ein Ergebnis der Volksbefragung im Sinne der SPÖ natürlich weder Wasser noch Straßenbahn, sondern ausschließlich die SPÖ selbst und ihre schmutzigen Interessen! Wasser würde auch bei einer Privatisierung genauso viel und sauber fließen. Nur billiger. Die Straßenbahn würde genauso verkehren wie die kundenfreundlichen und pünktlichen Züge etwa der privaten Westbahn-Gesellschaft.

Die SPÖ – beziehungsweise die in ihrem Sinne abstimmenden Menschen – schützt in Wahrheit etwas ganz anderes: Das sind die von ihr in diesen Betrieben zu exorbitanten Bezügen als „Manager“ eingesetzten roten Protektionskinder. Sie schützt die hohen Gebühren dieser Betriebe gegen jede Konkurrenz, obwohl die Gebühren rund 20 bis 30 Prozent über den eigentlich notwendigen Kosten liegen. Und sie schützt damit die Geldquellen, mit denen sie sich die eigene Propaganda-Walze finanziert.

Zwar werden die Gehirnwäsche des Rathauses, die bestochenen Medien und die erstaunliche Feigheit der Oppositionsparteien, aber auch die Ahnungslosigkeit vieler Menschen dazu führen, dass die Wiener wirklich für all das stimmen, was die SPÖ will. Oder dass viele aus dumpfem Protestgehabe unreflektiert nicht mitstimmen. Weil sie nicht begreifen, dass das zu ihrem eigenen Schaden führt.

Besonders unverständlich ist, dass sich auch beide Oppositionsparteien um klare Antworten drücken. Die ÖVP stottert herum. Und die FPÖ empfiehlt: Zusammenknüllen und Wegwerfen. Das wäre aber absolut falsch. Denn dann hätten die rot-grünen Genossen noch freiere Bahn. Und sonstige Parteien sind ohnedies nicht wahrnehmbar.

Dabei hatte die FPÖ noch vor kurzem den durchaus klugen Gedanken, mit dem Verkauf von Wiener Wasser die schwere Verschuldung der Stadt zumindest zu reduzieren. Und auch die ÖVP konnte bis vor kurzem sehr viele sehr gute Gründe und Beispiele aufzählen, weshalb eine echte Privatisierung vorteilhaft sowohl für Steuerzahler wie für Konsumenten wäre.

Einzige Voraussetzung eines Privatisierungserfolgs: Die Gemeinde müsste die Privatisierung ordentlich begleiten und regulieren. Eine solche Regulierung ist etwa dem Bund durch diverse Regulatoren für privatisierte Sektoren gelungen. Man schaue nur auf die e-control oder die Telekom-Aufsicht. Bei Strom wie Telefon sind – trotz exorbitant erhöhter Steuern und Abgaben – die Kosten für die Konsumenten gesunken.

Es würde hingegen das Tagebuch sprengen, all die Pleiten, Peinlichkeiten und Milliardenschäden aufzuzählen, die Wiens Gemeindebetriebe angerichtet haben. Eben weil sie nicht privatisiert waren. Vom Stadthallenbad bis zum Flughafenumbau, vom Bauring-Skandal bis zu den diversen AKH-Betrugsfällen. Und selbst dort, wo bisher kein Korruptionsskandal aufgedeckt worden ist, trifft ein skandalöser Umstand auf absolut sämtliche Wiener Gemeindebetriebe zu: Millionen und Abermillionen werden als „Marketing“ oder „Werbung“ für in Wahrheit rein parteipolitische Zwecke ausgegeben. Von den Bestechungsinseraten der diversen Kommunalbetriebe bis zu der Finanzierung von Fußballvereinen, bei denen Genossen im Präsidium sitzen.

Dazu kommt der Treppenwitz, dass die SPÖ, die jetzt vor Privatisierung „schützt“, in Wahrheit längst vieles privatisiert hat. Man schaue nur, wie viele öffentliche Buslinien Wiens schon von privaten Betreibern (und damit für den Steuerzahler viel billiger, aber genauso verlässlich) betrieben werden. Man denke nur an die „Sale and lease back“-Geschäfte des Rathauses mit Straßenbahnen. Aber vielleicht wissen die Genossen nicht, dass „sale“ verkaufen heißt; auch Werner Faymann hat ja erst im Bundeskanzleramt Englisch gelernt. Und ohne die großartigen Wiener Privatspitäler wäre die Gesundheitsversorgung längst zusammengebrochen.

Vor allem muss man an die einstige „Zentralsparkasse der Gemeinde Wien“ denken. Dieser einst von Karl Lueger (ja, genau dem) gegründete und Jahrzehnte florierende Bankbetrieb wurde von den Genossen donnernd gegen die Wand gefahren, ebenso wie etwa die verstaatlichte Länderbank. Gewaltige Werte wurden dabei vernichtet. Nicht nur die Aktionäre wurden geschädigt, sondern auch die gewaltigen stillen Reserven der Creditanstalt, die diesem roten Finanzimperium zur kurzfristigen Rettung zugeschoben worden sind. Schließlich mussten die Überreste der Bank an krachende ausländische Institute verkauft werden. Und der Name „Austria“ wird seither schrittweise aus dem einst großen ausländischen Netz hinausgedrängt.

Man fasst es wirklich nicht. Jetzt wollen ausgerechnet die daran schuldigen Täter die Restbestände „schützen“, wie es sogar im offiziellen Wortlaut heißt! Und niemand wagt, lautstark dagegen zu protestieren!

Aber selbst über die Folgen eines Abstimmungsergebnisses besteht Unklarheit: Der grüne Klubobmann Ellensohn hat wenigstens eingeräumt, sollten die Wähler wirklich anders als gewünscht abstimmen, dann müsse halt privatisiert werden. Der rote Klubobmann Schicker entgegnete hingegen eiskalt: Auch dann würde nicht privatisiert werden. Schon diese Frechheit eines angekündigten Ignorierens des Befragungsergebnisses zwingt jeden, der noch Reste einer Demokratie haben und sich in den Spiegel schauen will, dazu, für die Privatisierung zu stimmen.

Wer braucht Olympia in Wien?

Fast genauso widerlich ist die Frage nach Olympia. Es gibt absolut keinen Grund, dafür Milliarden hinauszuschmeißen. Bei diesem Thema sollten übrigens auch die Nicht-Wiener höllisch aufpassen: Denn zahlen sollen den Spaß dann ja vornehmlich alle Österreicher. Daher wären auch Nicht-Wiener gut beraten, wenn sie ihre Wiener Freunde gut beraten würden, wirklich gegen diesen Schwachsinn zu stimmen.

Auch Wien selbst hätte absolut keine nachhaltigen Vorteile, Austragungsort Olympischer Spiele zu werden. Nur zwei Bereiche würden von solchen Spielen profitieren: Der eine ist die Eitelkeit der Promis, die sich bei Olympia auf Ehrentribünen tummeln wollen. Und der andere sind die schamlosen Profitinteressen roter Geschäftemacher, wie sie etwa der SPÖ-eigene Echo-Verlag bei der Fußball-Euro gezeigt hat (mit der großen Schiebung bei der Burgtheater-Vermietung).

Die Menschen dieser Stadt leben aber nicht vom Sport, sondern noch viel eher vom Kultur- und Städtetourismus. Dieser aber sucht die Attraktionen des vorsozialistischen Wiens und nicht die von Sportstätten. Dieser Tourismus wird während der Spiele selbst durch Sportfans mehr verschreckt als angezogen. Selbst wenn die nicht so bösartig und gefährlich sind wie die vom Steuerzahler subventionierten Fußballrowdies.

Pflanzfrage nach Kurzparkzonen

In anderer Hinsicht extrem ärgerlich ist eine weitere Frage. Nämlich die nach den Kurzparkzonen, die ganz Wien derzeit heftig erzürnen. Da wird frech etwas gefragt, was bei den erregten Debatten überhaupt nicht Thema gewesen ist. Ganz offensichtlich will man damit von diesen Kontroversen ablenken.

Dabei wird nochj dazu so so verschwurbelt gefragt, dass man nicht einmal versteht, welche Konsequenzen das eine oder andere Ergebnis überhaupt hätte. Aber offensichtlich ist das auch in der rot-grünen Koalition nie geklärt worden, denn auch Rathausbonzen geben keine eindeutige Antwort. Und vor allem wird nicht das gefragt, was die Wiener wirklich in Sachen Parken beschäftigt.  

Es wird nicht nach der Ausdehnung der Kurzparkzonen auf weitere Bezirke gefragt. Es wird nicht danach gefragt, ob für die sogenannten Pickerln weit über die eigentlichen Verwaltungskosten hinausgehende Tarife verlangt werden sollen. Die Wiener werden nicht gefragt, ob sie Bezirkspickerln oder solche für die ganze Stadt wollen.

Diese Frage ist also ein reiner Pflanz. Ich werde aber dennoch auch auf sie antworten. Und zwar mit der Antwort B. Aus dem einzigen Grund, dass sich die Gemeinde dann nicht mehr feige um die Entscheidungen und damit Verantwortung für die Kurzparkzonen drücken kann, die ihr ja eigentlich die Bundes- wie Landesverfassung immer schon zugeschrieben haben. Aber natürlich könnte man hier aber auch auf eine Antwort verzichten.

Ähnliches trifft schließlich auf die Frage nach den Solarkraftwerken zu. Die könnten zwar im Prinzip durchaus eine sinnvolle Geldanlage sein. Bei diesem Thema müsste es aber in Wahrheit um den Unsinn der geltenden (Bundes-)Gesetzeslage überhaupt gehen, die aber wiederum nicht abgefragt wird.

Denn diese Gesetzeslage trifft vor allem die Stromkonsumenten hart. Diese sind es, die mit überhöhten Gebühren zwangsweise die eigentlich völlig unwirtschaftlichen Solarkraftwerke sponsern müssen. Besonders unwirtschaftlich sind die Kraftwerke vor allem dann, wenn sie in Wien gebaut werden. Die letzten Monate haben ja auch Laien sehr anschaulich gezeigt, was Experten ohnedies seit langem sagen, nämlich dass es in dieser Stadt oft sehr lange fast keinen Sonnenschein gibt – während aber gerade im Winter der Strombedarf am höchsten ist.

Wie sehr auch diese Frage ohnedies nur als Schein-Demokratie gemeint ist, hat die „Wien Energie“ (ja genau, einer der vor Privatisierung zu „schützenden“ Gemeindebetriebe) vor einigen Tagen schockierend deutlich gemacht: Sie hat angekündigt, auf jeden Fall Solarkraftwerke zu bauen. Ganz egal wie die Abstimmung ausgeht. Alleine das zwingt – jenseits aller individuellen Interessen – zu einem klaren Nein. Und zwar unabhängig davon, dass die Wien Energie diese Ankündigung dann später auf Weisung des Rathauses wieder schubladisieren musste.

Würden die Wiener wirklich den Mumm zum Neinsagen haben, dann wären die rotgrünen Rathausbonzen nach dem Referendum auch in dieser Frage ganz schön in der Bredouille.

Das Tüpferl auf dem i: Der ganze Spaß kostet sieben Millionen Euro. Geld, mit dem man ganz schön viel Sinnvolles machen könnte, etwa Wiens explodierendes Defizit zu reduzieren.

Noch aus einem weiteren Grund empfiehlt es sich nicht, den zugeschickten Stimmzettel einfach zum Altpapier zu werfen: Es wird zumindest von der FPÖ behauptet, dass bei der letzten Abstimmung rote Funktionäre tagelang die Altpapier-Container nach weggeworfenen Stimmzetteln durchsucht hätten, die sie dann im Parteisinn ausgefüllt und eingeschickt hätten. Das ist zwar möglicherweise nur eine Behauptung, aber schon die zweifellos gegebene Möglichkeit eines solchen Missbrauchs ist ärgerlich. Und sie macht die zwei verantwortlichen Parteien lächerlich, weil Rot und Grün seit Jahren vehement gegen die Gefahr eines Missbrauchs von Internet-Abstimmungen wettern. Obwohl diese tausend Mal sicherer gegen Missbrauch sind.

Mein Vorschlag

Ich weiß nicht, ob ich auch nur irgendjemand überzeugen konnte. Ich weiß aber, wie ich meine eigene Stimmkarte ausfüllen werde:

Drucken

Einfach nur Vorträge – und einfach keine Frauen

17. Februar 2013 02:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ich konnte in den letzten Wochen wieder an einer ganzen Reihe exzellenter, hintergründiger Vorträge und Diskussionen zu wirtschaftlich und außenpolitisch interessanten Themen teilnehmen. Viele Interessierte kamen, hörten zu und lernten dabei viel.

Nur eine Gruppe kam nicht: die Frauen. Obwohl fast alle Veranstaltungen, bei denen ich zuhörte (oder auch mitdiskutierte) frei und gratis zugänglich waren, war ihr Anteil durchwegs kleiner als 20 Prozent, meist sogar unter 10 Prozent. Gleichgültig, ob es um die Energiezukunft, um die Lage der europäischen Industrie, um die neuen Korruptionsgesetze, um die Zukunft der EU, um Ideen für die Schaffung von mehr Unternehmergeist, um die sogenannten Targetsalden der EZB (die von manchen Experten ja als brandgefährlich eingestuft werden), um den Nahen Osten oder den Balkan gegangen ist.

Warum die Frauen nicht gekommen sind, kann man zwar nicht objektiv belegen. Aber umso eindeutiger kann man festhalten, dass man ohne ununterbrochen aktualisiertes Wissen um diese ständig neuen Entwicklungen auch nicht imstande sein kann, eine Führungsposition in Politik oder Wirtschaft auszuüben. Ob das nun ein Aufsichtsratsjob, eine Vorstandsmitgliedschaft, ein Botschafterposten oder eine Abgeordneten- und Ministerfunktion ist. Daher ist das modische Gerede, dass Frauen in diesen Bereichen unterrepräsentiert wären, völlig absurd. Ihr Anteil ist überall größer als offensichtlich ihr Interesse.

Natürlich werden jetzt einige sagen: Aber viele Frauen müssen sich ja um die Kinder kümmern. Das ist für diese Frauen in der Tat ein ernstes und voll zu respektierendes Hindernis. Wobei freilich offen bleibt, wie man ohne ausreichend Zeit zum Sammeln von Hintergrundinformationen dann plötzlich ein guter Aufsichtsrat sein will.

Außerdem gibt es doch eine wachsende Anzahl von Müttern, welche die Kinder bei Bedarf immer ihren Partnern oder einer bezahlten Hilfe überantworten können. Außerdem hat fast die Hälfte der akademisch gebildeten Frauen heute gar keine Kinder mehr. Außerdem dauert die Bindung und Belastung durch Kinder höchstens zehn bis zwanzig Jahre. Dennoch ist auch bei all diesen nicht durch Kinder belasteten Frauen das Interesse an den genannten Materien erstaunlich gering.

Das sei auch niemandem vorgeworfen. Sind doch die Materien zwar wichtig, aber zäh. Frauen interessieren sich mehrheitlich für schönere, für zwischenmenschlich wichtigere Dinge. Aber es nervt total, wenn ein paar Berufsfeministen in Politik und Medien sich dennoch ständig über die geringen Anteile von Frauen in Wirtschaft und Politik beklagen. Und wenn sie diesen geringen Anteil nicht auf Desinteresse, sondern irgendwelche bösen Verschwörungen der Männer zurückführen.

 

Drucken

Fußnote 406: Der rote Kampf für die Korruptionsbunker

15. Februar 2013 14:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein bisher unbekanntes Institut unter Leitung des Rathausgenossen Schicker veröffentlicht eine „Studie“, die uns einreden will, wie schlecht es wäre, wenn Strom- oder Wasser-Versorger privatisiert sind.

Neben einer Reihe nachweislich falscher Argumente – etwa die Behauptung, die britischen Bahnen seien wieder verstaatlicht worden (das sind nämlich nur die Schienen), – wird da von der Autorin auch etwas Wahres gesagt: Anbieter im öffentlichen, also politischen Eigentum würden mehr Arbeitsplätze schaffen und „faire Löhne“ zahlen. In der Tat, das tun sie. Das aber ist auch genau der Grund, warum das Institut für Finanzwissenschaft der Uni Wien (so wie viele andere) zu dem Schluss kommt, eine Privatisierung würde 30 Prozent der Kosten einsparen. Die SPÖ muss uns jetzt freilich nur noch eines erklären: Warum sollen wir um so viel mehr an Gebühren für Wasser, Müll oder Strom zahlen, nur damit dort Politiker (meist für ihre Parteigänger) eigentlich nicht notwendige Jobs „schaffen“ können? Und warum sollen diese Menschen von meinen Gebühren auch noch höhere Löhne als der Rest der Menschheit bekommen? „Faire Löhne“ heißt ja nichts anderes höhere Löhne für einige Auserwählte.
Vielen Dank, SPÖ, das so offen zugegeben zu haben.

 

Drucken

Fußnote 405: Die bösen Rumänen und die guten Franzosen

14. Februar 2013 18:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine Woche lang stand Rumänien in Sachen Pferdefleisch am Pranger. Offenbar zu Unrecht.

Die Affäre um Pferdefleisch in Fertigprodukten zählt ja objektiv betrachtet zu den harmlosesten unter den Lebensmittel-Skandalen, die in regelmäßigen Abständen Medien und Menschen erregen. Denn es gibt keinerlei Hinweise, dass daran irgendetwas gesundheitsgefährdend gewesen sein könnte. Aber dennoch ist es voll nachvollziehbar, dass viele es gar nicht so gerne haben, wenn ihnen heimlich Pferdefleisch unterschoben wird. Der Schuldige war auch schnell gefunden: Eine rumänische Firma exportiert tatsächlich in größeren Mengen Pferdefleisch. Was aber erst nach einer Woche klar geworden ist: Die Rumänen taten das ganz offen und deklariert. Jedoch ein französischer Weiterverarbeiter hat dieses Fleisch dann zwar verwendet, aber jeden Hinweis auf dessen equestrische Herkunft unterlassen. Das hat seinen Gewinn naturgemäß deutlich erhöht. Aber auch Briten sollen dabei kriminell profitiert haben. Woraus wir lernen: Unsere Vorurteile gegen Osteuropäer gehen bisweilen voll daneben, oft genug schieben ihnen westliche Gauner ihre eigene Schuld in die Schuhe.

 

Drucken

Die Wechselkurs-Zündeleien

14. Februar 2013 00:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Eurokurs steigt seit Wochen deutlich. Das ist ein – trügerisches –  Zeichen der Erholung, löst aber schon wieder Panikrufe aus. Diesmal von der Industrie.

Die Ursachen des Kursanstiegs sind klar: Die beiden anderen großen Währungen haben Vertrauen verloren, während der Euro seit Herbst trotz des langen EU-Budgetstreits weniger Schlagzeilen gemacht hat. In Japan hingegen wollen Notenbank und die neue Parlamentsmehrheit den Yen-Kurs nach unten treiben, um Exporte anzukurbeln und die Schuldenlast zu erleichtern. Ähnlich wird auch in den USA fast unbegrenzt Geld gedruckt. Die Wiederwahl von Barack Obama, die lockere Hand der Fed und das Nachgeben der Republikaner im Kongress-Streit um die Verschuldung haben das Vertrauen in den Dollar schwer unterminiert. Da hilft nicht einmal der Industrie-Boom infolge des billigen Schiefergas-Abbaus.

Daher gehen wieder viele Anleger in den Euro zurück, weil ja die Währungen der boomenden Schwellenländer großteils nicht frei konvertibel sind. Es werden sogar wieder Anleihen aus Griechenland oder Portugal gekauft, was deren Preis drückt. Die Furcht ist gesunken, diese Länder würden bald crashen. Das treibt aber gleichzeitig die deutschen Zinsen empor. Denn niemand anderer als Deutschland ist ja das Sicherheitsnetz, das diese Schuldenländer am Leben hält. Daher bremsen viele Anleger ihren Run auf deutsche Papiere und wollen die noch immer im Vergleich hohen Zinsen der von Deutschland gesicherten Länder kassieren.

So weit so klar. Jetzt aber jammert zunehmend die europäische Industrie: Das Exportieren wird bei steigenden Kursen schwieriger. Das stehen zwar die deutschen Markenartikler noch ganz gut durch. Frankreichs Industrie hingegen leidet schwer, auch die italienische. Ein überzogenes Lohnniveau, ein schwaches Image und der steigende Euro-Kurs sind eine dreifache Gefahr.

Frankreichs Präsident ruft aber so wie Italien nach einer völlig falschen Therapie. Er verlangt eine „aktive Wechselkurspolitik“. Das heißt aber nichts anderes, als künstlich den Eurokurs zu senken und deswegen angebotene Dollar- und Yen-Beträge aufzukaufen. François Hollande zeigt mit dieser Forderung, dass er aus der Geschichte überhaupt nichts gelernt hat. Denn erstens profitieren von einem künstlichen Wechselkurs immer jene, die dagegen spekulieren, weil Zentralbanken am Ende doch immer unter Auslösung von Schockwellen nachgeben müssen. Und zweitens erinnert das endgültig an die Zwischenkriegszeit: Da herrschte weltweit ein künstlicher Kurs-Wettlauf nach unten, um der eigenen Industrie zu helfen. Die dadurch ausgelöste Katastrophe sollte auch in Frankreich noch in Erinnerung sein.

Was aber tun? Es gibt keine Alternative zu dem, was jeder Regierung, ganz besonders einer sozialistischen schwer fällt: Sie müssen die in den letzten 15 Jahren im Verhältnis viel zu hoch gestiegenen Löhne wettbewerbsfähig machen. Nur das hilft – damit verliert man freilich die nächste Wahl mit Sicherheit.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Wie viel sind uns unsere Bauern wert?

12. Februar 2013 00:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn alle paar Jahre in der EU der Megakrieg ums Budget tobt, dann geht es in Wahrheit vor allem um sie, um die Bauern. Die Zahlungen für die Landwirtschaft sind zweifellos im EU-Budget einer der fragwürdigsten Brocken. Nirgendwo sonst wird so energisch gekämpft, verteidigt und angegriffen. Nirgendwo sonst wird es so emotional. Nirgendwo sonst geht es aber auch um so viel Geld: Macht doch das Agrarbudget auch nach dem am jüngsten Gipfel erzielten Konsens noch immer deutlich mehr als ein Drittel des gesamten EU-Haushalts aus.

Und auch wenn es in diesem Bereich künftig den heftigsten Einschnitt geben wird, wird sich die Landwirtschaft mehr denn je nicht nur wegen des „Wie viel?“, sondern auch wegen des „Warum überhaupt?“ rechtfertigen müssen. Da geht es um grundsätzliche Fragen, welche die EU im Grund seit ihrer Gründung als EWG oder EG ungelöst vor sich herschiebt. Diese Grundsatzfragen sind wegen der Lautstärke der einschlägigen Lobbys und der regelmäßigen Bauerndemonstrationen nie in Ruhe ausdiskutiert worden. Sie werden aber in Zeiten der Krise immer drängender.

Auch bei Beamten und der Forschung könnte gespart werden – aber das bringt viel weniger

Für das EU-Budget sind im Vergleich dazu die in letzter Zeit ebenfalls viel diskutierten fetten Beamtenbezüge nur Peanuts. Auch wenn außer Zweifel steht: Tausende EU-Beamte mit fünfstelligen Netto-Bezügen pro Monat und vielen sonstigen Privilegien sind extrem ärgerlich. Dies gilt umso mehr, seit sie ihre Existenz mit völlig überflüssigen Regelungen unseres Lebens zu rechtfertigen versuchen. Über die PR-Reportagen von Brüssel-Korrespondenten zugunsten dieser Beamten kann man hingegen nur lachen, versuchen sie damit doch nur recht vordergründig ihren Informanten und Party-Kollegen zu helfen.

Im Vergleich zum Agrarbudget sind auch die EU-Ausgaben für Forschung nur Peanuts. Dennoch sollte man festhalten: Jene Projekte, für die EU-Forschungsgelder fließen, werden oft immer fragwürdiger. So gibt es etwa eine Milliarde(!) Euro für ein Projekt, das vorgibt, das menschliche Gehirn via Computer simulieren zu können. Sowohl die elektronische wie auch die biologische wie auch die medizinische Forschergemeinschaft halten das jedoch für Scharlatanerie. Natürlich kann ich das selbst nicht wirklich beurteilen, aber es wäre zweifellos viel gesünder, wenn bei solchen hochriskanten Projekten privates und nicht Steuergeld verbrannt werden würde.

Wo es aber in Zeiten des europaweiten Sparens wirklich ums Eingemachte geht, ist eben die Landwirtschaft. Lange hatte sie diese Diskussion vermeiden können, weil vor der Krise genug Geld da war und weil die Steuerzahler sich nicht wirklich auskennen, wie die Agrarbürokratie das Geld verwendet.

Zweifellos profitierte die Landwirtschaft auch von einem emotionalen Faktum: Bauern mag man eben. Schließlich weiß noch der Großteil der Europäer, dass ihre Eltern, Groß- oder Urgroßeltern fast alle Bauern gewesen sind. Das schafft viel Empathie. Und ebenso unbestreitbar ist der hohe emotionale Stellenwert, den das Bild vom sauberen Bauernhof mit glücklichen Hühnern, Schweinen und Kühen in den Gemütern von Städtern genießt. Das muss uns doch etwas wert sein, denken viele – auch wenn die Landwirtschaft in Wahrheit heute meist ganz anders aussieht und die Grenze zur Industrie sehr fließend geworden ist.

Der Landwirtschaft geht es heute viel besser

Angesichts von all der Nostalgie und Sympathie für die Bauern wird oft versucht, die Fakten vergessen zu machen. Eine dieser Fakten ist, dass sich die Weltmarktpreise für fast alle Agrarprodukte in den letzten Jahren signifikant erhöht haben. Bauern können also heute mit ihren Produkten viel mehr verdienen. Der Appetit einer wachsenden Weltbevölkerung und insbesondere der immer besser verdienenden Chinesen, Inder und Vietnamesen hat die Preise und Produktionsmengen in die Höhe getrieben. Zugleich sorgt der wachsende globale Wohlstand dafür, dass der Anteil der Menschen immer größer wird, die sich diese höheren Preise auch leisten können.

Ein weiteres Faktum ist, dass der Großteil der Ökonomen der Dritten Welt in der europäischen (und amerikanischen) Agrarpolitik die wahre Katastrophe für die Entwicklungsländer sieht. Die relativ geringen Entwicklungshilfezahlungen wären überhaupt kein Problem, wenn Europa und Nordamerika ihre gesamte Landwirtschaftshilfe einstellen würden. Dann hätte nämlich die Dritte Welt erstmals eine faire Chance im Wettbewerb, die sie mit den hochsubventionierten Lebensmitteln aus dem Norden bisher nie hatte.

Ebenso Faktum ist, dass die europäischen Bauern in den letzten Jahren noch aus ganz anderen Budgettöpfen profitiert haben: nämlich aus jenen der Energiepolitik. Jeder Bauer, der auf seinen Feldern eine der derzeit wie Schwammerl sprießenden Windmühlen aufstellen lässt, hat für die nächsten Jahre ein absolut sicheres und arbeitsfreies Einkommen. Ähnliches gilt für den neuen Erwerbszweig der Bioenergie-Saaten.

Aber, so werden manche jetzt einwerfen, die Bauern sind doch so enorm wichtig für die Umwelt. Ach ja wirklich? Sind riesige Monokulturen, Versteppungen, Vergiftung des Grundwassers und vieles andere mehr wirklich in irgendeiner Hinsicht gut für die Umwelt? Man darf zweifeln, auch wenn diese kritischen Hinweise keineswegs auf alle Bauern zutreffen.

Wo die Förderungen wirklich berechtigt wären

Dennoch könne man doch nicht wirklich wollen, dass Bergbauern aufgeben und immer mehr Bauernhöfe dem Verfall preisgegeben werden, lautet der nächste Einwand. Das ist nun in der Tat eine wenig erfreuliche Perspektive. Tatsache ist aber, dass dieser Prozess auch trotz der gewaltigen Agrarbudgets der letzten Jahre weitergegangen ist.

Aus all dem gibt es eine klare Konklusion: Unsere Gesellschaft soll die Bauern durchaus entlohnen – aber eben nur für das, woraus die Gesellschaft oder die Umwelt irgendeinen Nutzen zieht. Selbst wenn das nur ein optischer Nutzen einer gepflegten Landschaft ist, von dem etwa der Tourismus sowie die vielen neuen Magazine und Fernsehserien profitieren, welche mit großem Erfolg eine heile bäuerliche Welt in Schönbildern vermarkten.

Förderungen sind also durchaus berechtigt für die Bebauung von Feldern anstelle von Aufforstung oder Versteppung, für Landwirtschaft ohne Monokultur, für die Erhaltung von Bergbauernhöfen (die nicht zu bloßen Ferienwohnungen umgewandelt werden), für Düngungsmethoden ohne Schädigung des Grundwassers, für Verzicht auf unerwünschte Methoden der Tierhaltung, für Verzicht auf sonstige Belastungen von Gesundheit und Umwelt (womit aber nicht die von ein paar Grünen und der Kronenzeitung geschürte Panik gegenüber genveränderten, aber völlig harmlosen Pflanzen gemeint ist).

Abwanderung ist ein ganz natürlicher Prozess

Alle anderen Förderungen – derzeit der Großteil! – sollten hingegen abgeschafft werden. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für Direktzahlungen und für Abnahme-Garantien der landwirtschaftlichen Produkte. Das wäre nichts anderes als eine Angleichung an das normale Leben: Auch die Erzeuger von Schwedenbomben, edlen Vorhängen oder billigen Autos gehen in Konkurs, wenn ihre Produkte nicht genug nachgefragt werden. Auch für sie gibt es bekanntlich keinerlei Abnahmegarantien oder dauerhafte Direktzahlungen.

Von den gegenwärtigen Methoden zur Ausschüttung des EU-Agrarbudgets profitieren die industriellen Großbetriebe am meisten. Auch diese sollten zwar vollen Anspruch auf gesellschaftlichen Schutz gegen die Attacken der wirren Tierschützer oder militanten grünen Gen-Kämpfer haben. Es gibt aber absolut keinen legitimierbaren Anspruch auf Direktzahlungen oder Abnahmegarantien.

Nur eine Einstellung dieser spezifischen Förderschienen wird die Bauern zu Umstellungen zwingen. Diese würden entweder darin bestehen, ihre Betriebe ganz nach den echten Anforderungen von Sauberkeit, Gesundheit und Umwelt zu orientieren, oder aber Dinge zu produzieren, die von den Konsumenten wirklich zu guten Preisen nachgefragt werden.

Gleich folgt der nächste Einwand: Davon werden aber nicht alle leben können; dann gibt es ein Bauernsterben. Ja das kann man nicht ausschließen. Aber das Bauernsterben, also die Abwanderung in andere Berufe, findet trotz vielfältiger Förderungen schon seit rund 200 Jahren statt. Sonst würde heute noch der Großteil der Europäer mit der Beschaffung des täglichen Brotes befasst sein. Aber zum Glück können dank der ständigen naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritte immer weniger Bauern immer mehr (und meist bessere!) Lebensmittel erzeugen.

Auch die Gewerkschaften mussten einsehen, dass es nicht geht, die Beschäftigung von Heizern in E-Loks durchzusetzen. Oder von Bleisetzern in Zeiten des Computerdrucks.

Alle Regierungen fürchten die Bauern

Es gibt also absolut keinen Grund, dass sich die europäischen Staaten zur „Rettung“ von nicht gesunden bäuerlichen Betrieben immer weiter verschulden. Vor allem kann die immer wieder vorgeschobene bäuerliche Armut kein Grund dafür sein. Diese gibt es zwar sicher in einzelnen Bereichen. Aber Armutsbekämpfung ist in allen Branchen und Bereichen eine Aufgabe der Sozialbudgets oder der Familienpolitik. Es gibt ja auch für Schuster oder Greißler oder konkursgefährdete Rechtsanwälte keine Direktzahlungen oder Garantien, dass man ihnen ihre Schuhe oder Lebensmittel abkauft oder ihnen Klientenmandate gibt.

Warum aber gibt es dann immer einen solchen Wirbel gerade um das Agrarbudget? Nun, das hängt zweifellos neben der angesprochenen emotionalen Dimension mit der sehr erfolgreichen Politik der Bauernvertreter zusammen. Auch sozialistische Regierungen wie etwa die jetzige in Frankreich wagen es nicht, die Bauern wie jede andere Berufsgruppe zu behandeln. Und das tun erst recht nicht jene Regierungen, die von bäuerlichen Mandataren mitgetragen werden. Diese gibt es in fast jedem Parlament deutlich überproportional. Auch in Österreichs Nationalrat und den Landtagen sind die Bauern – so wie Beamte und Kammerangestellte – weit stärker vertreten, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung oder der Gesamtproduktion entsprechen würde.

PS.: Genauso fragwürdig und fast ähnlich groß wie die Ausgaben für die Agrarpolitik sind übrigens jene für die sogenannte Kohäsionspolitik. Das sind die Unterstützungen für die ärmeren Regionen, die im Wettbewerb mit den erfolgreichen Teilen Europas unterzugehen befürchten. Die Eurokrise zeigt aber, dass diese Kohäsionspolitik absolut nichts bewirkt hat. Denn trotz der Kohäsions-Billionen im Laufe der Jahrzehnte sind gerade die davon profitierenden Länder heute jene, die am schwersten verschuldet sind und die sich am wenigsten wettbewerbsfähig gemacht haben. Sie haben es sich mit den Kohäsionsgeldern gut gehen lassen und müssen nun in ihrer Schuldennot mit neuerlichen Billionen aufgefangen werden. Aber dennoch wird eine kritische Diskussion über die Kohäsionspolitik nicht einmal versucht. Was natürlich den Bauern gegenüber ein wenig ungerecht ist, die immer kritischer beäugt werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Gas- und Stromverbrauch in Österreich

07. Februar 2013 13:13 | Autor: Andreas Unterberger

Strom- und Gasverbrauch (Abgabe an Endkunden) in 1.000 Gigawattstunden ausgewählter Jahre seit 1990

 

 

Jahr Gas Strom
1990

64,8

48,5

2000

80,5

58,5

2004

95,0

64,9

2010

102,0

68,6

2011

95,6

68,5

2012

91,2

69,3

Quelle: Energie-Control GmbH

Drucken

Bitterer Zucker

07. Februar 2013 01:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn zu viel produziert wird oder wenn zu wenig nachgefragt wird, sinken die Preise. Wird umgekehrt zu wenig produziert – als Folge von Fehldispositionen, Missernten oder einer zunehmenden Nachfrage – dann steigen hingegen die Preise. Nicht so in der EU. Da steigen die Preise auch oft aus anderen Gründen. Wie etwa das Beispiel des Zuckers eklatant zeigt.

Dessen Preis ist auf dem Weltmarkt binnen vier Jahren auf fast das Doppelte gestiegen. Otto Normalverbraucher kann sich zwar seinen süßen Löffel in den Kaffee noch immer leisten. Die einschlägige Lebensmittelindustrie ist jedoch enorm ins Schleudern geraten. Sie steckt in der Zwickmühle: zwischen rapide teurer werdenden Rohstoffen einerseits und dem mächtigen Handel andererseits, der Preiserhöhungen seiner Lieferanten oft nicht akzeptiert. Die Schwedenbomben sind nicht die letzten, die deshalb explodieren.

Der Zuckerpreis steigt, weil sich europäische Bürokraten und Politiker in den Markt eingemischt haben. Das führt langfristig immer zu katastrophalen Ergebnissen. Wenn staatliche Planer etwas regulieren, geht es schief. Das hat sich an den Fünfjahresplänen der Kommunisten genauso gezeigt wie eben in der EU-Agrarpolitik. Selbst kluge und voller guter Absichten steckende Planer wissen nur einen Promilleteil dessen, was Millionen Konsumenten und Produzenten in Summe wissen. Diese können noch dazu ihre Erfahrungen täglich erweitern, vermehren und dabei auch ändern. Das sind eben die unschlagbaren Vorteile des Marktes. Aber das verstehen Planungsfetischisten einfach nicht. Sei es, weil sie sich für klüger halten; sei es, weil sie einfach nicht das Scheitern aller sozialistischer Ideen zugeben wollen.

Der Zuckerpreis in Europa steigt, obwohl die Produktion in Europa um zehn bis zwanzig Prozent über dem Bedarf liegt. Da müsste normalerweise zu einem Sinken der Preise führen. Jedoch: In der EU darf nur zu 85 Prozent europäischer Zucker verwendet werden. Der Rest muss aus den Entwicklungsländern kommen. Dort aber wird nicht genug produziert. Ursachen ist die Nachfrage aus China ebenso wie die Lukrativität der Herstellung von Biosprit. Das katapultiert auf dem Weltmarkt die Zuckerpreise in die Höhe. Dennoch wird am Schluss die Arbeiterkammer die Gier der Lebensmittelindustrie attackieren.

Das alles ist ein typischer Fall von gut gemeint und ganz schlecht geglückt. Entwicklungshilfe durch Agrarquoten ist einfach dumm. In Wahrheit wäre für die Dritte Welt das Gegenteil hilfreich: der gänzliche Verzicht auf EU-Quoten, Handelsbeschränkungen und Landwirtschafts-Subventionen. Dann könnte die Landwirtschaft der Dritten Welt das produzieren und exportieren, was Europas Verbraucher jeweils wirklich wollen. Und diese müssten weniger für Lebensmittel und für Entwicklungshilfe zahlen.

Der Zuckerflop hält die EU dennoch nicht ab, sich weiterhin mit Regulierungen und Quoten in die normale – aber eben nie ganz vorhersehbare – Entwicklung von Angebot und Nachfrage einzumischen. Die Agrar-Quoten bleiben. Und am Arbeitsmarkt ist man sogar gerade dabei, sie einzuführen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Im Target-Sumpf: Die Dilemmata von Politik und EZB

06. Februar 2013 01:41 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Hans-Werner Sinn, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in München (ifo), ist heute der prominenteste Nationalökonom deutscher Zunge. Seinen Ruhm verdankt er der Fähigkeit, komplizierte Vorgänge im Finanzbereich samt ihren Wirkungen auf die Realwirtschaft einfach, anschaulich und so überzeugend darzustellen, dass er zu den meist gesuchten Gesprächspartnern und Kommentatoren in den Massenmedien gehört.

Hunderte Fachkollegen schließen sich seinen Aufrufen immer wieder an, mit denen er die unbedarfte Politik vor den Nachteilen ihrer Maßnahmen und Entscheidungen warnt, welche Deutschland nach und nach in den Abgrund ziehen und Europa spalten. So traten zuletzt seiner Kritik an den Vorschlägen zur Schaffung einer EU-weiten Bankenunion über 270 Nationalökonomen bei. Die Bankschulden der PIIGSZ (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien, Zypern) von rund 9.300 Milliarden Euro in irgendeiner Weise in eine Bankenunion einzubringen, dieser Vorschlag erscheint so absurd, dass wir ihn hier im Zusammenhang mit den Target-Salden nicht behandeln, sondern  bei anderer Gelegenheit beurteilen wollen.

Größte Beachtung haben Sinns gründliche, seit 2011 öffentlich gemachte Untersuchungen zu den verheerenden Folgen der ausufernden Target-Salden gefunden, in denen sich die Auswirkungen der Europäischen Währungsunion abbilden. Er musste sich einige Zeit um die Anerkennung des Problems durch seine Fachkollegen abmühen, war aber schlussendlich erfolgreich. Nicht erfolgreich war er bei der Mehrheit der Parlamentsabgeordneten, die noch bei ihren Beschlüssen im Juni/Juli 2012 die Target-Falle nicht zur Kenntnis nahmen.

Die Schönredner unter den Verantwortlichen in den Zentralbanken (rühmliche Ausnahme: Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank), in den Finanzministerien, in der Politik und unter den Journalisten  versuchen bis heute die Auswirkungen der unbeherrschbaren Target-Salden klein zu reden. Dabei übertreffen Target-Salden die bislang aufgespannten „Rettungsschirme" um ein Vielfaches, ohne dass die Parlamente und Regierungspolitiker auf sie auch nur den geringsten Einfluss nehmen könnten. Sie alle agieren, wie die Engländer sagen, „penny-wise and pound-foolish“.  Sie liefern sich lieber Scheingefechte um ihre vermeintlichern „Hoheits- und Haushaltsrechte", die ihnen durch die „Finanzmärkte"  längst entwunden wurden; oder sie segnen Spar-, Koordinations- und Wachstumsprogramme auf ihren „Gipfeln" ab, die nicht mehr als heiße Luft für medienwirksame Ballons enthalten.

Sinns im September 2012 erschienenes Buch „Die Target-Falle – Gefahren für unser Geld und unsere Kinder" wurde innerhalb weniger Wochen zum Bestseller, doch ob die Käufer sich die Mühe machen, es durchzuarbeiten, bleibt zweifelhaft. Bitteren Wahrheiten ins Gesicht zu sehen ist nicht jedermanns Sache. Die Erkenntnis, von den eigenen Politkern, Zentralbankern und hohen Beamten von vorne bis hinten belogen, betrogen und um seine Erspartes gebracht zu werden, erschüttert das dem Menschen angeborene Urvertrauen in einer Weise, die es vielen geraten sein lässt, ihre Augen zu verschließen um den Glauben an die Würde und an das Gute im Menschen nicht ganz zu verlieren.

Was sind Target-Salden, wie entstehen sie?

Mit Target (Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) wird ein Clearingsystem zwischen den nationalen Notenbanken der Eurozone und der Europäischen Zentralbank bezeichnet, durch das der Zahlungsverkehr täglich verbucht und abgerechnet wird. Target 2 ist die Weiterentwicklung und der Nachfolger des bis Mai 2008 benutzten ersten Target-Systems.

Target-Salden, um die es in Hans-Werner Sinns Buch geht, entstehen, wenn die Summe der Überweisungen in ein Empfängerland die Rückflüsse in das Entsendeland übersteigt. In den ersten Jahren dieses Verrechnungssystems entstanden längerfristig keine größeren Salden. Guthaben wurden durch normale Kreditvereinbarungen oder durch Kapitalveranlagungen ausgeglichen. Mit der Finanzkrise traten aber spätestens 2009 die Verzerrungen ans Licht, die der Euro in der Finanz- und Realwirtschaft hervorgerufen hat. Die Salden konnten nicht mehr durch die ausgetrockneten Finanzmärkte ausgeglichen werden.

An die Stelle der Finanzmärkte traten die horrenden Verrechnungsforderungen der noch einigermaßen gesunden Länder gegenüber den PIIGSZ. Die Gefahr liegt darin, dass diese Verrechnungsforderungen oder „Target 2-Salden“ nicht mehr ausgeglichen werden können und von der EZB in größerem Ausmaß als uneinbringlich abgebucht werden müssen.

Die Entstehung dieser Salden hat vornehmlich zwei Ursachen: Leistungsbilanzdefizite und Kapitalflucht. Leistungsbilanzdefizite entstehen, wenn ein Land mehr importiert als exportiert und auch auf dem Dienstleistungssektor (bei vielen PIIGSZ zählt der Tourismus) keinen adäquaten Ausgleich schafft. Bleiben dann auch noch Kapitalinvestitionen aus und setzt mangels Vertrauen zusätzlich Kapitalflucht oder Kapitalrepatriierung ein, dann stehen die Defizitländer sehr schnell vor dem Bankrott.

Die von EFSF, ESM und IWF aufgespannten „Rettungsschirme“ sowie die Stützung von Banken und Staatsanleihen jetzt in „unbegrenztem Ausmaß" durch die Europäische Zentralbank sind „Kauf von Zeit“ und dienen nur noch der Konkursverschleppung. Zugleich führen sie dazu, dass die Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit verzögert wird und erforderliche Restrukturierungen, Beamtenabbau und Lohnkürzungen unterbleiben.

Gutachten der „Troika“ (EZB, IWF, EU), die vor Freigabe von weiteren „Hilfstranchen" den PIIGSZ regelmäßig bescheinigen, dass die hilfsbedürftigen Länder „auf gutem Wege" sind und „liefern", sind inzwischen nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden  und dienen  nur noch der Ruhigstellung aufgebrachter Bürger und kritischer Parlamentarier in den Zahler- und Garantieländern.

Doch noch wichtiger als diese „Rettungsmaßnahmen“ sind für die Verzögerung der Konkursanmeldung die Target-Salden. Um ein Gefühl für die Bedeutung der Target-Salden für die Finanzierung der PIIGSZ zu bekommen genügt der Hinweis, dass durch die „Rettungsschirme" nur etwa 18 Prozent, durch die Target-Salden (inkl. der ihrem Charakter entsprechenden Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB) dagegen 82 Prozent der bislang ausgereichten Hilfsgelder aufgebracht wurden. Von 1.471 Milliarden Euro entfielen Ende August nur 255 Milliarden auf die „Rettungsschirme".

Nicht in diesen Summen ausgewiesen sind die beträchtlichen Injektionen der EZB, durch die Not leidende Banken mit Liquidität zum fast-Nulltarif versorgt werden. Durch die laufende Herabsetzung der Bonitätskriterien bis auf Schrottniveau für zu hinterlegende Sicherheiten ("Collaterals") steigt das Risiko für die gesunden Länder nochmals beträchtlich an. Eben deshalb will die EZB das Ausscheiden eines Landes aus dem Euro unbedingt verhindern, wäre sie doch dann selbst pleitegefährdet. Keine gute Voraussetzung für unparteiische Gutachten über die Schuldentragfähigkeit eines hilfsbedürftigen Staates.

Anschreiben als bloße Konkursverschleppung

Die Griechen, so führt H.-W. Sinn seinen Landsleuten die realen Auswirkungen der Target-Salden plastisch vor Augen, lassen „anschreiben": Sie fahren in dem von uns gelieferten Mercedes herum und bezahlen ihn mit einem auf Ewigkeit angelegten „Verrechnungsposten".

Solche Importe durch die Übertragung von fungiblen Vermögenswerten (z.B. durch Pfandbriefe oder durch Gold wie noch unter dem Bretton-woods-Abkommen verlangt) zu „bezahlen“ und damit auszugleichen, dazu bestehen bei den Griechen weder Veranlassung noch Absicht und Möglichkeit. Ganz im Gegenteil: Die EZB ermöglicht sogar den Ausverkauf Deutschlands (Immobilien) durch die Bürger aus PIIGSZ, die  via EZB bei der Deutschen Bundesbank ebenfalls  „anschreiben" lassen: Der Süden „kauft sich im Norden, was einem beliebt, und die Notenbanken des Nordens saugen das Geld im Austausch gegen weitere Target-Forderungen wieder auf".

Lange kann das nicht gut gehen. Die Behauptung, Deutschland habe vom Euro profitiert, erweist sich auch an diesem Beispiel einmal mehr als Schwachsinn. Das BIP-Wachstum Deutschlands von 1995 bis zur Krise 2007 betrug nicht einmal die Hälfte des Wachstums von Griechenlands! Und nur ein Sechstel von jenem Irlands!

Die Target-Forderungen der Überschussländer (Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, Finnland, Estland) beliefen sich Ende September 2012 auf rund 1.100 Milliarden Euro, wobei Deutschland mit 75 Prozent die Hauptlast trug, in der EZB jedoch das gleiche Stimmgewicht wie Malta besitzt. Die PIIGSZ, die rund 1.000 Milliarden schulden, können leicht die Hände heben, die in die deutschen Vermögenstaschen greifen. Die deutsche Regierung und das Parlament werden nicht einmal mehr zum Abnicken gebraucht.

Der langen Rede kurzer Sinn: Deutschland steckt bis über den Hals im Target-Sumpf. Dank Merkel und ihren Helfershelfern sogar aus der Opposition (SPD und Grüne stimmen bei allen Rettungsaktionen mit) ist Deutschland „erpressbar“ geworden. Frau Merkels unbesonnene Bemerkung, „scheitert der Euro, so scheitert Europa", hat ihr jede Handlungsmöglichkeit zur Befreiung aus dem Schuldensumpf verbaut. Deutschland ist jetzt auf Gedeih und Verderb zu den Hilfen gezwungen. Die Spar- und Kontrollprogramme, an die Merkel die Hilfen binden will, werden von keinem Land mehr ernst genommen. Warum denn auch, wenn Merkel das Ausscheiden aus der Eurozone durch Konkurs ausschließt? Die Folge: Merkel und ihr Finanzminister Schäuble knicken bei jedem Gipfel ein.

Die Bilanz der „Rettungsmaßnahmen“ ist trist: Statt Senkung der Staatsschulden steigen sie in den PIIGSZ unentwegt, die Defizitreduktionen bleiben ohne Ausnahme hinter den Auflagen zurück. Spanien, der Empfänger eines „Bankenhilfsprogramms", versprach beim Beschluss im Februar 2012 seine Staatsdefizite von 2012 bis 2014 von 5,3 auf 1,1 Prozent des BIP zu vermindern, doch ein halbes Jahr später musste mit 8 und 6,4 Prozent gerechnet werden. Statt einer Verschuldung von 81,5 Prozent des BIP werden für 2014 nun 97,1 Prozent erwartet, das Bankenpaket im Ausmaß von bis zu 100 Milliarden Euro ist dabei noch gar nicht eingerechnet! Zur Belohnung für die Nichterfüllung der Auflagen und übernommenen Verpflichtungen werden Hilfssummen erhöht, die Zinsen vermindert, Rückzahlungen vertagt oder teilweise gar gestrichen.

Nicht viel anders entwickeln sich die Dinge in den anderen PIIGSZ. Die ganze Eurozone wird neuerdings auch noch durch den Absturz Frankreichs gefährdet. Die Niederländer haben schwere Probleme mit ihrem Bankensektor, sie mussten inzwischen eine der systemrelevanten Banken verstaatlichen. Ähnlich geht es Belgien und Slowenien.

Mit seinen jüngsten Reden in Großbritannien und in Davos hat der britische Premierminister David Cameron nicht nur mit dem Austritt aus der EU gedroht, sondern den Finger in die Wunde der Eurozone gelegt, die neben Stagnation mit hoher Arbeitslosigkeit und dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Jahren zu rechnen hat. Ganz abgesehen davon, dass Großbritannien „niemals“ den Euro einführen wird, sinkt dort wie auch unter den anderen Ländern die Zustimmung zur EU.

Das hat den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, am 1. Februar 2013 veranlasst, von einer „tödlichen Bedrohung der Europäischen Union“ zu sprechen. Die EU, so Schulz, habe auf breiter Front Vertrauen verloren. „Wenn sich Menschen von einem Projekt, von einer Idee abwenden, dann geht das irgendwann seinem Ende entgegen." Die „Malaise der Europäischen Union" sieht Schulz in einem „doppelten Vertrauensverlust, den die EU erleidet". In der Eurokrise verliere die Union zum einen „das Vertrauen bei den Investoren als erfolgreiche Wirtschafts- und Währungszone. Und sie verliert das Vertrauen der Bürger als die sie schützende und ihre soziale Stabilität bewahrende Macht."

Zurück zur Drachme ist die einzige Lösung

Damit die Dinge halbwegs ins Lot kommen, müssten nach der Einschätzung von H.-W. Sinn Spanien, Griechenland und Portugal längerfristig im Vergleich zum Durchschnitt der Eurozone um etwa 30 Prozent billiger werden, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, und selbst Frankreichs Preise müssen um 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der Euro- Länder fallen. Bislang ist von den notwendigen Preissenkungen so gut wie nichts passiert.

Deutschlands Preise müssten umgekehrt um etwa 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt steigen. Wollte man kein Land in die Deflation zwingen, dann müsste Deutschland  ein Jahrzehnt sogar um 5,5 Prozent jährlich inflationieren. Doch weder das Eine noch das Andere wird geschehen. Die Länder würden da wie dort vor eine Zerreißprobe gestellt, die sie nicht aushalten können.

Realistischere Vorschläge, die H.-W. Sinn in seinem Buch behandelt, laufen alle darauf hinaus, dass Griechenland ohne Rückkehr zur Drachme keine Aussicht hat, je wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Je früher das erfolgt, desto weniger schmerzhaft ist das für die Griechen und ihre Gläubiger (vgl. S. 228).

Anders stellen sich die Probleme für Spanien, Portugal, Italien, Irland und neuerdings auch für Frankreich und Belgien dar: Für diese Länder ist die Eindämmung der Kapitalflucht vordringlich. Die aber ist gebunden an die Wiedergewinnung von Vertrauen, doch das scheitert bereits an der zumeist wackligen politischen Führung in den Problemländern, die oft genug auch noch von Korruptionsvorwürfen geplagt wird.

Aus dem Dilemma der Griechen, entweder Rückkehr zur Drachme oder auf ewige Zeiten von Almosen zu leben, zieht H.-W. Sinn den Schluss, dass zumindest ein „temporärer Ausritt aus dem Euroverbund bei Ländern ins Auge zu fassen (ist), die in diesem Verbund nach heutiger Lage keine realistische Chance mehr haben, ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen“ (S. 373). Mit „Strukturänderungen“ (Beamtenentlassungen, Lohn- und Pensionskürzungen, Inkaufnahme hoher Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen) und „Sparprogrammen“ die Länder in die Rezession und Deflation zu stürzen, bringe nichts: „Wer glaubt, das Problem ließe sich mit Sparprogrammen von der Art lösen, wie sie die Euroländer derzeit von Griechenland und Portugal verlangen, hat die Schwere des Problems offenkundig nicht verstanden“ (S. 377).

In Wahrheit gibt es nur eine Alternative: Dauerfinanzierung der Leistungsbilanzdefizite oder Austritt. Zur Dauerfinanzierung wird sich niemand bereit finden. Zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit bleibt daher nur der Austritt, die Rückkehr zur eigenen Währung mit anschließender Abwertung.

Wie das technisch erfolgen könnte, dazu gibt H.-W. Sinn zahlreiche Hinweise, doch das ist hier nicht weiter von Interesse. Historische Beispiele für die Auflösung von Währungsunionen gibt es genug. Die meisten hatten insofern Erfolg, als nach wenigen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit wieder erlangt und der Zugang zu den Finanzmärkten wieder offen war. „Wenn man aufhört, den Austritt als Weltuntergang zu deklarieren, und ihn auf die Ebene der praktischen Politik zurückholt, lässt er sich beherrschen und zum Wohle fast aller Beteiligten gestalten, vielleicht mit Ausnahme des Wohls einiger Finanzinvestoren. Er würde den Zusammenhalt Europas und die Basis für das friedliche Zusammenleben seiner Völker verstärken“ (S. 384).

Die Zahlungsbilanzkrise ist jedenfalls nicht durch „nahezu beliebigen Kredit aus der Notenpresse“ der EZB, durch Zinsen, die gegen Null tendieren und „Sicherheiten“, die diesen Namen nicht verdienen lösbar. Unantastbarkeit der Mitgliedschaft im Euro, unbeschränkte Hilfszusagen zur Verhinderung des „Scheiterns von Europa“,  unbegrenzter Zugang zu den Target-Krediten und zu den Griffen an der Notenpresse der EZB haben „nicht nur die Schuldenexzesse im privaten und im öffentlichen Bereich ausgelöst“, sondern auch zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit eines erheblichen Teils der Euroländer geführt“, die sich nun als „Fass ohne Boden“ für die noch soliden Länder darstellen „Wer die Eurozone zu einer Transfer- und Schuldenunion entwickeln will … spielt ein gefährliches Spiel.“ Sein „Weg führt nicht zu dem erstrebten Ziel der Vereinigten Staaten von Europa, sondern in Chaos und diskreditiert die europäische Idee nachhaltig“ (S. 386f).

Ein vernichtenderes Urteil über Euro und Währungsunion lässt sich kaum fällen.

Hans-Werner Sinn: Die Target-Falle – Gefahren für unsere Kinder und unser Geld. Geb. 417 Seiten. Hanser-Verlag, München, 2. Aufl., Okt. 2012, ISBN 978-3-446-43353-3, Euro 19,90

Der Autor ist Univ.-Dozent für Theoretische Volkswirtschaftlehre und Volkswirtschaftspolitik. Seine letzten Publikationen: Die Rechte der Nation (2002), Der Sinn der Geschichte (2011), ESM  – Verfassungsputsch in Europa (2012).

Drucken

Eisenbahn: der mutige Kampf der EU

05. Februar 2013 00:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der EU wird zu Recht der Vorwurf gemacht, sich viel zu viel in Dinge einzumischen, die lokal – also durchaus unterschiedlich – geregelt werden könnten. Oder die überhaupt von keiner Obrigkeit geregelt werden sollten. Dafür hat sie wichtige Bereiche, die für das Funktionieren eines wirklich gemeinsamen Binnenmarktes notwendig sind, noch immer nicht harmonisiert. Umso erfreulicher ist, wenn sie da nun einen wichtigen wie schwierigen Bereich angreift. Daher sollte das Protestgeheul der bisherigen Profiteure und ihrer Lobbyisten bedenkenlos überhört werden. Selbst wenn zu diesen einst angesehene Ökonomen zählen.

Die Liste der für einen Binnenmarkt noch immer fehlenden Notwendigkeiten ist groß: Sie betrifft vor allem jene Bereiche, wo es grenzüberschreitende Verbindungen und Netzwerke gibt. Das sind etwa:

Die Bahn als nationales Königreich

Die Eisenbahn ist in Sachen Binnenmarkt noch immer ein absoluter Horror. Ich habe das etwa vor einigen Jahren erlebt, als ich für meine Familie Bahntickets auf einer Reise durch vier europäische Länder zu lösen beschloss. Dieses Vorhaben beschäftigte mich tagelang intensivst, so kompliziert war es, wenn man die Preise halbwegs optimieren wollte. Denn in jedem Land gelten andere Gruppen-, Familien- und Rückfahrkartenregelungen. Das kreuzt sich dann auch noch mit einem undurchschaubaren Aktionismus an befristeten Sonderaktionen.

Am Schluss musste ich mit einer dicken Aktentasche die Reise antreten. Darinnen waren für jedes Land eigene Ticket-Pakete. Ich schwor mir, jenseits von Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt niemals mehr mit der Eisenbahn zu fahren. Wobei ja schon die Südbahn heftigen inneren Widerwillen auslöst. Denn nur auf der Weststrecke ist das Bahnreisen halbwegs komfortabel geworden. Vor allem dank der dort fahrenden privaten Konkurrenz.

Absurd ist aber auch, dass jemand billiger nach Innsbruck fährt, wenn er ein Ticket nach Zürich löst und vorzeitig aussteigt, als wenn er „nur“ bis Innsbruck zahlen würde. Er muss das nur wissen. Denn die ÖBB selber sagen einem das ja nicht.

Und wer nur bisweilen in einem Verkehrsverbund unterwegs ist, also ein Nichtexperte, wird durch die diesbezüglichen Informationen und Regelungen so verwirrt, dass er ohne Hilfe kein Ticket kaufen kann. Worauf er bald wieder a priori zurück zum Auto wechselt.

Nun versucht die EU-Kommission mit einem neuen Regelungspaket, bei den Eisenbahnen ein wenig mehr Vereinheitlichung herzustellen und ein wenig transparentere Regeln durchzusetzen. Dabei muss man ihr viel Glück wünschen, auch wenn sie das ohnedies nur schaumgebremst versucht.

Der Kampf der Schienen-Lobbyisten gegen die Konsumenten und Steuerzahler

Denn schon erheben sich lautstark die Manager und Lobbyisten vor allem der deutschen und österreichischen Bundesbahn mit ihren engen Vernetzungen in ein großes politisches Lager. Klarerweise zittern dort viele um ihre geschützten Werkstätten, in denen die Kundschaft oft nur als leider nicht ganz verbietbare lästige Begleiterscheinung behandelt wird. Das macht aber ein Gelingen des EU-Vorhabens ebenso schwierig wie wichtig.

Der rote Faden der EU-Kommission: Sie will mehr Wettbewerb auf der Bahn. Wie in allen Bereichen nützt der Wettbewerb Kunden und (bei der Bahn ganz besonders!) Steuerzahlern. Wettbewerb steckt ja auch hinter den günstigen Zürich-Fahrkarten: Denn auf dieser Strecke gibt es diesen Wettbewerb – wenn auch mit dem Flugzeug. Nach Innsbruck nicht.

Der einzige Vorwurf, den man der EU machen kann: Sie geht zu langsam und nicht hundertprozentig konsequent vor. Worüber aber klagt der (politisch eingesetzte) Chef der ÖBB? Über das Gegenteil; die Vorschläge seien „aggressiv und viel zu schnell“.

Wie schnell sind sieben Jahre?

Um zu verstehen, was man bei der ÖBB als „zu schnell“ versteht: Das sind fast volle sieben Jahre! Bis Dezember 2019 will die EU nämlich den Ländern ohnedies Zeit lassen, den Personenverkehr für neue Marktteilnehmer und Dienste zu öffnen . . .

Laut jammern die ÖBB und die mit ihr verbundene Partei auch über die von der EU verlangte Trennung zwischen Infrastruktur und Absatz. Das würde die ÖBB „hart treffen“, meint ÖBB-Chef Christian Kern. Gewiss: Herr Kern wäre dann halt nur noch Chef eines der beiden Bereiche. Das ist gewiss ein hartes Schicksal.

Nach außen weiß er aber nur ein einziges Argument zu nennen: Der „Ausgleich“ zwischen Mitarbeitern beim Bau und der Erhaltung der Schienen auf der einen Seite und den Eisenbahnern, die sich um die Züge selber kümmern, wäre nicht mehr möglich.

Es ist offenbar ein bisher unbekanntes Naturgesetz, demzufolge man es bei der Bahn auch in sieben Jahren nicht schafft, die Mitarbeiter-Dimensionen einem angekündigten neuen Umfeld anzupassen. Dass in der selben Zeit Tausende Unternehmen in Konkurs gehen werden, und Hunderttausende sich einen neuen Arbeitgeber suchen und umlernen müssen, sind für Eisenbahner offenbar Vorgänge auf einem anderen Planeten. Statt nachzudenken, ob man dazu eventuell die Änderung innerösterreichischer Gesetze verlangen sollte, jammert Kern: Geht nicht.

Sogar der natürliche Abgang würde reichen

Ja noch mehr: Im gleichen Atemzug, da er jammert, kündigt Kern an, dass sehr wohl die Größenordnung von 40.000 (aktiven) Eisenbahnern gleich bleiben werde. Um bis Ende 2019 die Mitarbeiterzahlen drastisch zu senken, würde es aber in Wahrheit genügen, den natürlichen Abgang wirken zu lassen. Damit müssen sich locker 20 Prozent reduzieren lassen, wahrscheinlich sogar 25. Wenn man nur will und nicht in Wahrheit parteipolitische und gewerkschaftliche Interessen verfolgt.

Wenn Kerns Argumente richtig wären, dann hätte man ja einst auch die Post nicht in Telekom und Briefpost aufspalten und weitgehend privatisieren dürfen. Diese Aufspaltung und Öffnung für einen harten Wettbewerb hat den Österreichern jedoch erstens eine sensationelle Verbilligung ihrer Telefonierkosten gebracht. Und zweitens hat sie sogar die damals von schlechten Zukunftsaussichten begleitete gelbe Post in ein heute auch für Anleger attraktives Unternehmen verwandelt, das neue Märkte erobert, statt sich zu fürchten.

Dabei war die Brief- und Paketpost bei der früheren Einheitspost immer ein großer Defizitbringer. Dabei hat die neue Post noch immer einen lähmenden Rucksack von Beamten auf der Besoldungsliste mitzuschleppen, von denen sich leider ein Großteil als unbrauchbar erwiesen hat. Das merkt man noch immer in so manchen Postämtern. Diese sind noch wirkliche Ämter geblieben, wo es offensichtlich dauert, bis sich auch dort der neue Geist auswirken wird.

Umstellungsprobleme in den Anfangsjahren

Zurück zur Bahn: Europaweit gibt es vorerst nur zwei Länder, welche die Eisenbahn komplett für den Wettbewerb geöffnet und gleichzeitig Infrastruktur von Betrieb getrennt haben: Schweden und Großbritannien. Und beide haben ganz exzellente Erfahrungen damit gemacht.

Auch in Großbritannien haben selbst die Linksregierungen niemals versucht, Privatisierung und Wettbewerb wieder rückgängig zu machen. Die Passagierzahlen sowie die mit Umfragen getestete Fahrgastzufriedenheit haben dramatisch zugenommen; und die Unfallzahlen haben sich reduziert.

Woher kommen dann die bei uns immer wieder verbreiteten kritischen Berichte über die englische Bahn?

Problemzone Infrastruktur

Denn entgegen den damaligen Erwartungen lässt sich die Infrastruktur naturgemäß schlechter privatisieren als Personen- und Frachtzüge. Bei der Infrastruktur kann es naturgemäß kaum Wettbewerb geben. Und Investitionen haben dort eine viele Jahrzehnte dauernde Amortisationsfrist. Es wird ja auch nirgendwo das Straßennetz privatisiert, wenngleich einzelne mautpflichtige Autobahnen und Brücken ein interessantes Beispiel sind, wie man auch dort sonst nicht mehr finanzierbare Infrastrukturbauten privat bauen kann.

Die österreichische Asfinag ist jedenfalls kein gutes Beispiel für eine staatliche Infrastrukturgesellschaft: Denn sie hat sich auf Jahrzehnte hinaus schwer verschuldet. Die Asfinag müsste eigentlich wegen ihrer Finanzsituation in ein paar Jahren alle Investitionen einstellen. Sie hat in den letzten Jahren viel zu viel gebaut. Sie stand auch unter Druck der parteipolitisch hervorragend vernetzten Baulöwen (man denke nur an die Herrn Pöchhacker oder Haselsteiner), die ohne Rücksicht auf die Zukunft bauen, bauen, bauen und damit Geld verdienen wollten; sie stand unter Druck von Bürgermeistern und Landeshauptleuten, die Österreich mit so viel Lärmschutzwänden auf Kosten der Asfinag zumauern ließen, wie es sie in ganz Europa nicht gibt. Und von den Korruptionsinseraten der Asfinag wollen wir ja gar nicht reden.

Das wäre alles bei einem privatwirtschaftlich verpflichteten Infrastrukturbetreiber jedenfalls nicht passiert.

Die britischen Bahnen sind eine Erfolgsgeschichte

Alles spricht also dafür: Die EU hat recht, wenn sie entgegen den Berichten in linken Medien auch Großbritannien als absolute Erfolgsstory einer Trennung der Bahngesellschaften, einer Privatisierung und eines starken Wettbewerbs nennt. Denn selbst eine staatlich verbleibende oder notfalls wiederverstaatlichte Infrastrukturgesellschaft steht unter Druck der privaten Betreiber, für funktionierende und sichere Schienen zu sorgen. Und diese Betreiber stehen wieder unter Druck der Kunden, die ja auch Auto, Lkw oder Flugzeug benutzen können.

Wir sind daher schon froh, wenn die EU mit ihrem Hauptziel Erfolg hat: Dass in ein paar Jahren quer durch Europa Züge in offenem und transparentem Wettbewerb nach einheitlichen Regeln fahren können. Wer auch immer für die benutzten Schienen sorgt. Dieses Ziel ist nur dann erreicht, wenn nicht wie anfangs zwischen der neuen „Westbahn“ und den ÖBB unzählige Prozesse wegen der diskriminierenden Behandlung der „Westbahn“ anhängig gemacht werden müssen, weil die ÖBB die Konkurrenz so schlecht behandelt hat.

Genügen Feuermauern statt echter Trennung?

Auf Grund dieser Erfahrungen muss man freilich über einen halben Rückzieher der EU traurig sein: Sie akzeptiert, dass auch nach der Neuordnung Betriebs- und Infrastrukturgesellschaft derselben Holding gehören. Sie verlangt nur gute Feuermauern dazwischen. Aber solche  haben noch nie perfekt funktioniert, wenn der Eigentümer gleich ist. Womit wohl der zweite Webfehler in ein sonst sehr gutes Konzept eingebaut ist.

In diesem finden sich jedoch auch noch viele andere sehr gute Details und Vorhaben. Davon sei hier nur eines genannt: Das ist die Schaffung einer einzigen europäischen Anlaufstelle für die Genehmigung aller Fahrzeuge und in dem Bereich aktiven Unternehmen. Alleine mit der einheitlichen Genehmigung sind mindestens 20 Prozent Kostenersparnisse möglich (nicht nur weil dann halt im Verkehrsministerium ein paar Beamte überflüssig werden). Man denke nur daran, wie sehr nationale Bahnen, etwa die italienische, ausländische Züge immer wieder wegen skurriler Sicherheitsregeln behindert haben.

Ein starker Regulator fehlt weiterhin

Zwei weitere Bereiche sind hingegen auch mit dieser Reform noch nicht ganz geglückt: Einerseits fehlt ein wirklich starker Regulator, der die  Gleichberechtigung aller Betreiber durch die Infrastrukturverwalter sowie Tariftransparenz und Konsumentensicherheit europaweit sicherstellen könnte; diese Aufgabe erfordert nämlich einen täglichen Kampf gegen ständig neue Tricks der Firmen und kann nicht von vornherein mit einer einzigen Richtlinie geregelt werden.

Andererseits werden die technischen Anlagen noch immer nicht vereinheitlicht. Daher wird es auch in Zukunft noch immer nicht jeder Lokomotive möglich sein, quer durch Europa zu fahren. Wie es ein Lkw seit langem kann. Die Lkw aber sind bekanntlich die weitaus größte Konkurrenz der Bahn.

Also Ja zur Gleichberechtigung der Bahn mit der Straße. Auch wenn die Bahnen lustigerweise heftig dagegen sind.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Hirnraub statt Wasserraub

04. Februar 2013 01:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In jedem Land gibt es eine Region, deren Einwohner unter den restlichen Mitbürgern als leicht bis schwer zurückgeblieben gelten, und denen dann reihenweise bösartige Witze gewidmet werden. Das sind etwa in Deutschland die Ostfriesen und in Österreich meist die Burgenländer. Nun hat auch Europa eine solche Region. Es sind die Österreicher. Ihre Panik, dass ihnen das Wasser geraubt werde, wird europaweit nur mit einem Satz kommentiert: Dümmer geht's nimmer. Die Sache ist aber nicht nur dumm, sondern auch ziemlich mies. Weil den Bürgern etwas eingeredet wird, was ihnen selbst massiv schadet und der Politik, etwa in Wien den Rathausbonzen, massiv nützt.

Es war eine der vielen Kampagnen des greisen Hans Dichand, mit denen er seine meist nicht sehr hellen Leser zu emotionalisieren versucht hatte. Er redete ihnen ein, irgendjemand würde ihnen das Wasser rauben; oder zumindest nur noch eine braune Brühe durch die Leitungen schicken. Diese finsteren Bösewichte existierten zwar immer nur in der Phantasie. Aber die Kampagne fruchtete. Viele Österreicher fürchteten sich wieder einmal. Diesmal davor zu verdursten. Und fast alle Parteien begannen sofort, die Österreicher in dieser Furcht zu bestärken. Sie haben ja noch nie ihre Aufgabe darin gesehen, Fakten und Wahrheiten unters Volk zu bringen.

Auch bei anderen Fragen machen ja meist alle Parteien im Gleischritt bei der Panikmache mit. Dies zeigen neben der Wasserpanik auch die regelmäßigen Ängste vor Atomkraftwerken, Genen, Hormonen und allen anderen Dinge, die weder ein Mitglied der Familien Dichand und Fellner noch ein Politiker so recht versteht. Damit haben sie natürlich auch bei vielen Österreichern Erfolg. Denn wenn sich schon fast alle Medien und Politiker fürchten, glauben sie natürlich, sich erst recht fürchten zu müssen. Wer soll denn gegen diesen Tsunami gleichgeschalteter Panik noch auf Wissenschafter oder andere Vernunftaposteln hören, die sich noch dazu immer so kompliziert ausdrücken? Für "Wasserraub!" genügen hingegen zehn Buchstaben.

Viele Landsleute merken gar nicht, dass hinter der Panikmache einzig das verzweifelte Ziel von Auflagen- und Wählererfolgen stand. Und sie bekamen solcherart auch nicht mit, dass Österreich mit seinen skurrilen, von grünen NGOs geschürten Ängsten zunehmend alleine war. Bei der Angst ums Wasser steht das Land nun überhaupt total isoliert da. Nicht einmal die sonst ebenfalls panikaffinen Deutschen machen da mit. Kein Wunder, dass ganz Europa über Österreich lacht.

Das letzte Hochkochen des Wassers ist durch eine EU-Richtlinie ausgelöst worden. Zwar steht dort keine Zeile von der Pflicht einer Privatisierung des Wassers, aber wer wird denn irgendeinen Text ordentlich durchlesen, wenn man sich doch ohne Lesen so schön furchten kann. Tatsache ist: Der Verkauf von Wasserquellen, Wasserleitungen und Wasseranschlüssen wird durch diese Richtlinie weder verlangt noch erleichtert.

Daher hat auch das Bundeskanzleramt dieser Richtlinie ursprünglich – richtigerweise – voll zugestimmt. Das hindert einen Menschen mit dem Charakter eines Werner Faymann natürlich nicht, nun sogar mit Verfassungsbestimmungen gegen diese EU-Richtlinie anzureiten. Wenn die Krone pfeift, springt der Faymann noch allemal. Notfalls auch aus dem Fenster.

Die Richtlinie jedenfalls ist keineswegs ein Vorkämpfer einer Privatisierung. Leider. Im Gegenteil: Sie schreibt nur etwas anderes ebenfalls Richtiges vor: Bei einer Beauftragung eines Unternehmens mit der Wasserversorgung muss eine ordentliche Ausschreibung stattfinden. Damit nicht wie bisher der diesbezügliche Auftrag unter der Hand an irgendwelche politischen oder sonstigen Freunde vergeben werden kann. Damit wird also eine eventuelle Privatisierung nicht erleichtert, sondern ganz eindeutig erschwert. Alle Aspekte einer Ausschreibung von öffentlichen Dienstleistungen sollen transparent gemacht und gegen Korruption abgesichert werden. Das sollte eigentlich nach den Ereignissen des letzten Jahres insbesondere in Österreich hoch geschätzt werden. Wird es aber offenbar nicht.

Eben schon deshalb nicht, weil die meisten Journalisten die Richtlinie gar nicht gelesen haben. Was sie nun aber nicht etwa mit Schuldgefühlen erfüllt. Im Gegenteil: Eine Kommentatorin einer Halbboulevardzeitung wirft nun der EU vor, dass die Journalistin nicht ordentlich informiert worden sei, die zuvor gegen die Richtlinie gewettert hat. Medien auf österreichisch: Schuld sind immer die anderen. Der Schiedsrichter, der Schnee.

Selbstverständlich war auch bisher schon Wasser-Privatisierung in Österreich nicht nur möglich, sondern hat auch immer wieder stattgefunden. An die Hundert Gemeinden haben allein in Österreich solcherart die Wasserversorgung privatisiert, meist in halb privaten, halb öffentlichen Mischgesellschaften. Die Wasserversorgung wurde dadurch jedenfalls nicht schlechter, sondern besser. Zumindest zum Teil privatisiert worden sind ja auch Stromversorgung, Gasanschlüsse, Müllabfuhr oder öffentlicher Transport. Keine Gemeinde war gezwungen dazu. Aber sie taten es.

Warum aber tun sie das – in anderen Ländern noch viel mehr als in Österreich? Die Antwort ist klar: Weil Gemeinden oder Länder es sich selber nicht mehr leisten können, weil solche Versorgungsnetzwerke oft gewaltige Investitionssummen brauchen, weil vielerorts ohne Privatisierung die Wasserversorgung nie funktioniert hätte, weil dabei oft unfähige und korrupte Beamte sich nur um die eigenen Taschen, aber nie um eine gute Wasserversorgung der Bürger gekümmert haben, weil private Unternehmen nach allen Erfahrungen deutlich billiger sind - und wenn sie unter Konkurrenzbedingungen arbeiten, noch viel mehr. Die viel öfter herstellbar sind, als man glaubt.

Vom täglichen Brot über die Milch bis zur Stromversorgung zeigt sich ganz klar: Überall funktioniert auch bei rein privaten Strukturen die Versorgung der Bevölkerung mit allen grundlegenden Produkten des täglichen Lebens exzellent und lückenlos. Und die Qualität von Brot oder Milch ist hervorragend. Ohne dass die Dichands und Fellners Brot- oder Milchalarm ausgerufen hätten. Und selbst wenn einmal - etwa wegen einer großflächigen Rinderinfektion - die Milchversorgung bedroht wäre, würde eine Verstaatlichung dagegen absolut nicht helfen.

Wenn das wirklich so vorteilhaft ist, drängt sich umgekehrt die Frage auf: Warum privatisieren denn nicht alle ihre Verssorgungseinrichtungen? Die Antwort liegt auf der Hand: Für die regierenden Parteien sind diese Versorgungsunternehmen wunderbare Instrumente: Sie können dort ihre verdienten und unverdienten Funktionäre mit höchstbezahlten Protektionsposten bedienen. Sie holen sich aus den Marketing-Budgets (siehe die Wiener Stadtwerke, siehe den Flughafen, siehe die Telekom) viele Millionen für parteipolitische Aktionen und Subventionen. Sie holen sich auch auf direktem Weg viel Geld. Man denke nur an die exorbitanten Erhöhungen von Wasser- und anderen Preisen in Wien während des vergangenen Jahres.

Alleine die Wiener Wasserwerke haben trotz der Verwaltung durch Partei, Funktionäre und Beamte dem rotgrünen Rathaus im Vorjahr einen Profit von nicht weniger als 85 Millionen Euro gebracht.Da war es den Genossen völlig wurscht, dass auch die von ihnen verbal so hofierten Armen eine überflüssige Wasserpreiserhöhung zahlen mussten.

Aber ist das nicht doch ein Beweis, dass die ordentlich wirtschaften, wenn das so erfolgreich ist? Nun, die wirklich großen Investitionen in die Wiener Wasserleitung, also die beiden Hochquellenwasserleitungen, deren Ausmaß einst sogar Europarekord bedeutet hatte, haben die Genossen gratis von bösen Vorgängern geerbt: Die eine vom bösen Bürgermeister Lueger (dessen Andenken Rot-Grün gerade auszuradieren versucht), die andere von den bösen bürgerlich-liberalen Stadtverwaltungen in Wien (deren Weisheit bei den Linken immer nur als neoliberal bezeichnet und verachtet wird).

Auf diesen historischen Errungenschaften sitzend, kann man leicht angeben, abcashen und gegen Privatisierung stänkern. Wie es Wien vehement – und nun sogar mittels einer (von niemandem verlangten!) Volksbefragung tut. Infamerweise besticht man sogar Medien durch Steuer-Millionen an Inseraten, damit diese auch diese Aktion im eigenen Macht- und Geldinteresse der Wiener SPÖ unterstützen.

Während bei uns Panik ums Wasser gemacht wird, haben in Frankreich und Italien, also in Ländern mit deutlich schlechterem und weniger Wasser, private Unternehmer Milliardenumsätze (auch für die nationale Steuerkasse) gemacht, indem sie Wasser in Flaschen abgefüllt und weltweit als gesuchte Markenartikel verkauft haben. Bei uns würden hingegen die leider am Weltmarkt viel weniger erfolreichen Firmen wie Vöslauer&Co zusperren müssen, wenn die private Wassernutzung wirklich verboten würde.

In vielen anderen Gemeinden Europas wäre ein Verbot von privaten Wasserversorgungen eine absolute Katastrophe. Bei uns aber unterstützen auch die meisten anderen Parteien das SPÖ-Rathausimperium in seinem Kampf gegen das Verlangen der EU-Richtlinie, dass künftig die Vergabe öffentlicher Dienstleistungen korrekt ausgeschrieben werden muss. Während auf Bundesebene wenigstens bei der ÖVP einige noch gegen die Wasserpanik argumentieren, geht Im Wiener Rathaus auch die ÖVP gemeinsam mit Rot, Grün und Blau auf die Barrikaden. Die wenigen Stadtschwarzen trauen sich offenbar nicht mehr, alleine für etwas einzustehen.

Besonders grotesk ist, dass im Kampf gegen die imaginären Wasserräuber der Parteiobmann des BZÖ am lautesten den Mund aufreißt – also ausgerechnet jener Mann, der gern behauptet, ein Liberaler zu sein. Grotesker gehts nimmer.

Wie ist es wirklich um den privaten Investor bestellt, der laut Boulevard und SPÖ den Österreichern das Wasser abdrehen wird? Der würde sich erstens finanziell tief ins eigene Fleisch schneiden. Und zweitens kann und soll die öffentliche Hand natürlich auch nach einer eventuellen Privatisierung ihre Kontrollpflichten ausüben. So wie bei jedem anderen Lebensmittel kann und soll das Marktamt ständig eine genaue Qualitätskontrolle vornehmen. Und die Politik kann jeden eventuellen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung mit vielen vorhandenen Instrumenten wie auch einer Menge zusätzlich denkbarer bekämpfen.

In jedem Markt jedoch, wo sich die Politik zu viel einmischt, wird die Sache vor allem eines; Teuer für die Bürger. Man denke nur an den Strompreis: Dieser ist heute nur deshalb um 70 bis 150 Euro zu hoch – alljährlich und für jeden Haushalt –, weil die Politik unter Druck von Grünen und Krone beziehungsweise Bild-Zeitung die völlig unwirtschaftlichen Sonnenpaneele und Windmühlen mit dem Geld der Konsumenten fördert. Ohne diese jemals gefragt zu haben.

All diese Zusammenhänge sind eigentlich absolut klar dokumentiert und sollten daher Selbstverständlichkeiten für alle Österreicher sein. Aber offenbar sind sie das nicht. Weil diese Österreicher von Zeitungen und Parteien ständig verblödet werden. Weil den Menschen nicht einmal in der Schule die allereinfachsten wirtschaftlichen Zusammenhänge vermittelt worden sind.

Was am meisten irritiert: Gerade haben die Österreicher beim Bundesheer Phantasien der Dichand- und Fellner-Medien eine schallende Absage erteilt. Und dennoch setzen sich die Parteien auch nachher und sogar geschlossener dennn je hinter die nächste  absurde Hysterie der Kleinformate. Die Lernfähigkeit der Politik ist offenbar Null.

Drucken

Ohne Energie keine Zukunft für Europa

02. Februar 2013 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Neben der falschen Reaktion auf die Schuldenkrise ist die ebenfalls falsche Energiepolitik die größte Bedrohung der wirtschaftlichen Zukunft Europas. Sie ist zweifellos eine ganz entscheidende Standort-Dimension – auch wenn sie in der politischen und medialen Debatte weitgehend ignoriert wird.

Wenn es einmal zu teuer ist, in Europa zu produzieren, wenn wie jetzt nachweislich hier immer mehr Unternehmen auf Investitionen verzichten, dann droht eine ganze Domino-Kette an katastrophalen Entwicklungen, deren Dynamik kaum mehr umgedreht werden kann. Längst ist klar: Die von der Politik und einschlägigen Profiteuren verkündete Forderung, lediglich in die Forschung Geld zu stecken, geht ins Leere, wenn es rundherum keine „schmutzige“ Industrie mehr gibt. Ganz abgesehen davon, dass China jetzt auch schon bei der Anmeldung von Patenten auf der Überholspur ist.

Europa aber fördert um das Geld der Wirtschaft und Konsumenten nicht nur die in unserem Klima sinnlose Stromerzeugung aus Sonnenschein (beispielsweise in den letzten zwei Monaten eine absolute Rarität!) und Wind (bei Nebellagen wochenlang absent!). Es fördert auch sinnlose Investitionen, die höchstens dem dabei aktiven Gewerbe Freude machen: Dabei geht es etwa um die teuren Gebäudesanierungen, für die es viel Subventionen aus Steuergeld gibt. Viele Isolierungen, sowie Fenster- und Türentausch amortisieren sich aber nur unendlich langsam. Einzig die Isolierung von Kellerdecken und Dachböden ist meistens sinnvoll, weil billig. Bisweilen wird durch geförderte Maßnahmen die Wärmebilanz sogar negativ beeinflusst: Wenn Sonnseiten isoliert werden, kann die Sonne nicht mehr das Gebäudeinnere wärmen.

Jetzt hat nun sogar der EU-Rechnungshof erkannt: Viele von der EU unter dem Druck der Grün-Lobby geförderte Energie-Effizienz-Investitionen sind ein reines Verlustgeschäft. Denn sie würden sich oft erst nach 50 bis 150 Jahren amortisieren. Das heißt aber, viele Gebäude sind bis dahin längst wieder abgerissen.

Nun meinen manche: Hauptsache, es werde die Wirtschaft angekurbelt. Das ist aber Unsinn. Investitionen durch Staat wie Unternehmen haben immer nur dann einen Sinn, wenn sie sich auch rentieren. Dies gilt dann noch viel mehr, wenn sie wie bei der öffentlichen Hand primär durch Schulden finanziert werden.

Der größte Schaden aber sind überhöhte Energiepreise für die Industrie. Wenn diese in Nordamerika und Asien nur noch einen Bruchteil der europäischen Energiepreise zahlt, dann wird eben nur noch dort investiert werden – vor allem angesichts der in Europa ohnedies besonders hohen Lohn- und Sozialkosten. Dabei säßen wir auf vielen neuentdeckten Gasvorräten, die auch Europa und Österreich wieder ins Zukunftsspiel bringen würden. Aber die erforschen wir nicht einmal ordentlich, weil ein paar Angstmacher die über den Erdgasfeldern wohnenden Menschen verschreckt haben. Und weil die Politik daraufhin sofort eingeknickt ist.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Arbeitslosenstatistik 2012

01. Februar 2013 20:05 | Autor: Andreas Unterberger

Anteil an den Arbeitslosen nach höchstem Bildungsabschluss in Prozent

 

Bildungsabschluss Anteil
Pflichtschule

46,3

Lehre

33,8

Höhere Schulen

5,6

Mittlere Schulen

5,4

Uni/FH/Akademie

5,0

AHS

3,1

 

Arbeitslosenquote & Anstieg seit dem Vorjahr nach Bundesland in Prozent

 

Bundesland Arbeitslosenquote Anstieg
Burgenland

7,8

6,3

Kärnten

9,1

3,6

Niederösterreich

7,1

6,6

Oberösterreich

4,5

7,5

Salzburg

4,7

5,8

Steiermark

6,8

8,3

Tirol

5,9

3,3

Vorarlberg

5,6

1,6

Wien

9,5

4,9

Österreich gesamt

7,0

5,7

Quelle: AMS

Drucken

Durch den Schrecken durch

31. Januar 2013 00:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist die Summe der Nachrichten, die erschrecken müsste. Die aber kaum noch erschreckt, weil wir uns in den letzten Jahren schon an die Fülle solcher Fakten gewöhnt haben, weil uns die Politik bis zu den deutschen Wahlen vorspiegeln wird, es wäre ohnedies alles bestens.

Da sind die Konjunkturprognosen für den Euroraum weit schlechter als für sämtliche andere Regionen der Welt. Da wird Österreich auf viele Jahre das für eine Reduktion der Arbeitslosigkeit notwendige Wachstum von zwei Prozent nie überschreiten und meist weit verfehlen. Da plant die Politik ständig neue Steuern (alle wollen die standortschädliche Finanztransaktionssteuer, die Linksparteien überdies noch jene auf Vermögen und Erbe) statt Einsparungen und Beschneidungen des üppig metastasierenden Wohlfahrtsstaats. Da berichtet jetzt auch China von einem explosiv wachsenden Zulauf an Euro und Dollar, also ganz offensichtlich an Fluchtgeld. Da müssen Europas Lebensversicherungen weitere fünf Milliarden zurücklegen, um wenigstens ihre Mindestgarantien erfüllen zu können. Da wechselt nun auch das heillos verschuldete Japan zum unbeschränkten Druck von Banknoten und opfert die einst heilig beschworene Unabhängigkeit der Notenbank von der Politik. Da vertrauen Österreicher, Deutsche, Spanier und Italiener ihrer Währung nur noch zu 30 bis 40 Prozent – während das in der Schweiz, Schweden und Kanada jeweils über 87 Prozent tun.

Das alles sind Nachrichten aus nur wenigen Tagen. Dennoch wird die Lage politisch und medial verdrängt. Gewiss, es ist Fasching. Da will man zu Recht ausgelassen sein und sich des Augenblicks erfreuen. Aber nur Dummköpfe vergessen, dass auf jeden Fasching auch ein Aschermittwoch folgt.

Es hilft doch nichts zu jammern, werden viele entgegnen; die meisten Dinge nehmen ihren Lauf, egal, wie man sich subjektiv verhält. Gewiss. Aber dennoch bleibt für jeden einzelnen ein Spielraum, auf den kollektiven Wahnsinn zu reagieren, für schlechte Zeiten vorzusorgen. Das machen etliche Unternehmen durch Kosten- und Personaleinsparung, durch Entwicklung – hoffentlich – zukunftssicherer Produkte, durch Diversifikation, durch Produktionsauslagerungen. Gewiss: Keine Strategie bietet absolute Garantien. Aber man kann durch kluges Verhalten jedenfalls die Wahrscheinlichkeiten beeinflussen.

Auch jeder Einzelne kann das. Immerhin besitzt jeder zweite Österreicher heute über eine Million Schilling Vermögen (Die alte Währung macht das Gewäsch von der allgemeinen Verarmung besonders lächerlich). Auch ihnen hilft Diversifikation und die Entscheidung für Anlagen in zukunftsorientierten Unternehmen, Branchen oder Regionen, für Gold und andere Rohstoffe.

Durch solche Überlegungen kann man zweifellos seine eigenen Chancen verbessern. Man sollte nur wissen: Für nichts gibt es Garantien; und schon gar nicht sollte man sich auf politische Versprechungen verlassen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Außenhandel nach Bundesländern

30. Januar 2013 14:44 | Autor: Andreas Unterberger

Importe, Exporte und Außenhandelssaldo der Bundesländer im ersten Halbjahr 2012 in Milliarden Euro

 

Bundesland Import Export Saldo
Burgenland

1,1

0,9

– 0,2

Kärnten

2,7

3,2

+ 0,5

Niederösterreich

11,9

9,8

– 2,0

Oberösterreich

12,1

15,4

+ 3,4

Salzburg

5,5

4,0

– 1,5

Steiermark

7,2

9,6

+ 2,5

Tirol

5,4

5,4

+ 0,7

Vorarlberg

3,0

4,2

+ 1,2

Wien

17,1

9,0

– 8,2

Quelle: Statistik Austria

Drucken

Cameron als Retter Europas?

29. Januar 2013 00:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast alles in Politik und Wirtschaft ist eine Sache des Vertrauens. Dieses kann nur mühsam durch Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit aufgebaut werden. Umso schwieriger ist es, verlorenes Vertrauen wiederzuerringen. Was sowohl Euro wie EU, wie auch nationalen Regierungen passiert ist. Das Schlimmste ist: Die Verantwortlichen haben offenbar diesen Vertrauensverlust großteils noch gar nicht richtig zur Kenntnis genommen. Sonst würden sie zumindest den jüngsten Verzweiflungs-Vorstoß des britischen Premier Cameron ernster und positiver nehmen.

Der Vertrauensverlust der EU lässt sich immer wieder mit neuen Fakten beweisen. Etwa mit der Ankündigung des russischen Premiers Dmitri Medwedew, dass sein Land keine europäischen Staatsanleihen kaufen wolle. Dabei hat Russland nach China und Japan die drittgrößten Devisenreserven der Welt, könnte also dem Euro durch größere Ankäufe durchaus substanziell helfen.

Medwedew wird sehr deutlich: Er bezeichnet den Euro als ein in der Weltgeschichte noch nie dagewesenes Modell, in dem starke und schwache Volkswirtschaften zusammengespannt werden. Die Südeuropäer müssten, so Medwedew unumwunden, „entweder stärker werden, oder sie müssten auf den Euro verzichten“. Bis dahin gibt es halt kein russisches Geld für den Euro mehr.

Ein Fehler historischen Ausmaßes

Indirekt bestätigt auch der linke Ökonom Joseph Stiglitz, der lange beredsam die Schuldenwirtschaft verteidigt hat, den gleichen Sachverhalt: Er gratuliert der Schweiz, sich nicht am Euro beteiligt zu haben. Der in Großbritannien arbeitende, aber aus Österreich stammende Investmentbanker Michael Treichl nennt den Euro gar einen Fehler historischen Ausmaßes.

Aber auch die EU selbst hat bei der europäischen Bevölkerung enorm viel Vertrauen verloren. Das zeigen die regelmäßigen Untersuchungen des Eurobarometers, einer europaweiten Meinungsumfrage durch die EU-Kommission. Auf einen Satz gebracht: Die Mehrheit der Europäer sieht die Union – nicht nur den Euro – in die falsche Richtung gehen. Dabei fragt Eurobarometer seit mehr als zwei Jahren ohnedies nicht mehr, ob man die EU-Mitgliedschaft des eigenen Landes für eine gute oder schlechte Sache hält.

Aber auch die milder klingende Frage nach der Entwicklungsrichtung der Union bringt verheerende Ergebnisse: Nur 22 Prozent sehen diese als richtig an; 52 Prozent der Europäer sehen die EU hingegen in eine falsche Richtung unterwegs. Dass ausgerechnet das korruptionsgeplagte Bulgarien der EU-Entwicklung noch die relativ besten Noten gibt, spricht zusätzliche Bände. Für Bulgaren und Rumänen ist gegenüber der eigenen Regierung die EU zweifellos noch ein Hoffnungslicht.

Den kleinen Einheiten wird vertraut, nicht den großen

Ein ganz ähnliches Bild ergibt sich, wenn nach dem Vertrauen in die EU-Institutionen selbst gefragt wird: Nur 33 Prozent der Europäer vertrauen ihnen, 57 Prozent vertrauen ihnen nicht. In Osteuropa genießt die EU – erwartungsgemäß – mehr Vertrauen als die eigene Regierung.

Ein polnischer Politologe, der jetzt an westeuropäischen Universitäten lehrt, hat diesen Sachverhalt insbesondere auf das direkt gewählte EU-Parlament hin herausgearbeitet. Er hat dieser Tage beim Wiener Com.Sult-Kongress aufgezeigt, dass in den letzten Jahrzehnten jede Vertragsänderung dem EU-Parlament noch mehr Rechte und Kompetenzen gebracht hat: Die Legitimität des Parlaments ist jedoch dadurch keineswegs größer geworden, obwohl das die EU-Abgeordneten immer behauptet hatten, um noch mehr Macht zu erringen.

Besonders interessant ist das österreichische Ergebnis der zitierten Eurobarometer-Umfrage: Nur 33 Prozent vertrauen den heimischen Parteien, 37 Prozent (also sogar ein wenig mehr als der EU-Schnitt) den europäischen Institutionen, und immerhin 49 Prozent der eigenen Bundesregierung. Das sensationellste Ergebnis ist aber das Vertrauen, das die Österreicher bei dieser Frage ihren lokalen und regionalen Behörden entgegenbringen: Das beträgt 69 Prozent.

Diese Werte sollten allen jenen endlich bewusst werden – Journalisten wie Politikern – die ständig noch mehr Macht nach oben verschieben wollen. Die also die Zahl der Bürgermeister drastisch reduzieren wollen, die Landesregierungen zugunsten der Bundesregierung entmachten, und Kompetenzen von den einzelnen Nationalstaaten auf die europäischer Ebene transferieren wollen. Dafür kann nur jemand eintreten, dem das Vertrauen der Menschen in die Institutionen egal ist. Was aber fatal enden kann.

Zauberformel Subsidiarität

Das heißt in Wahrheit: Österreich wie die EU sollten dringend darüber nachdenken, wieder den kleinen Einheiten gemäß dem Subsidiaritätsprinzip mehr Rechte zu geben. Alles, was die kleinere Einheit oder auch der einzelne Bürger besser (oder genauso gut) erledigen können als die größere Einheit, soll nicht von der größeren übernommen werden. Die dabei entstehende Vielfalt ist ein Vorteil und eine Stärke, kein Nachteil. Das schließt natürlich auch immer Pflichten ein. Diese Bereitschaft hat dieser Tage etwa Tirol signalisiert. Es wäre bereit, durchaus auch selbst die Verantwortung für Einnahmen und Steuern zu tragen, die man jetzt bequemerweise vom Bund festsetzen lässt.

In Europa heißt Subsidiarität genau das, was David Cameron in seiner großen Europarede vorgeschlagen hat. Er sieht den besonders in Großbritannien großen und wachsenden EU-Frust der Menschen, will aber eigentlich keineswegs aus der Union austreten. Er will durch die britische Austrittsdrohung die EU wieder auf das konzentrieren, was sie exzellent kann und gemacht hat: auf den Binnenmarkt, also auf die Herstellung eines völlig freien und offenen Marktes innerhalb der EU. Dieser Binnenmarkt funktioniert ausgezeichnet, er muss nur noch in ein paar Details perfektioniert werden, etwa beim Bereich der Dienstleistungen.

Es ist ja auch eine wunderbare Sache, wenn jeder Erzeuger einer Ware die Garantie hat, dass er diese ungehindert für 500 Millionen Menschen produzieren und anbieten kann. Selbst starke Unternehmen, wie etwa jene aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Skandinavien, brauchen das als Heimatbasis, um dann die Weltmärkte angreifen zu können. Ohne die dabei verdienten Devisen wäre Europa schon viel länger bankrott.

Um präzise zu sein: Natürlich gibt es auch in Südeuropa erfolgreiche Betriebe. Diese sind aber auffällig in Norditalien, Katalonien und im Baskenland konzentriert – wo es überall signifikante sezessionistische Bewegungen zur Loslösung von den Zentralstaaten gibt. Aber das ist ein anderes Thema.

Nur Merkel hat richtig reagiert

Leider hat unter den Großen Europas lediglich Angela Merkel die Notwendigkeit und Richtigkeit des Cameron-Vorstoßes begriffen. Hingegen haben fast alle anderen EU-Politiker Cameron kritisiert (die zentralisierungswütigen EU-Journalisten taten das natürlich ebenso).

Sie haben nicht begriffen, dass Cameron in hohem Ausmaß auch die Stimmung ihrer eigenen Bürger und Leser reflektiert. Sie haben nicht begriffen, dass nur in der Konzentration auf den Binnenmarkt die Rettung der EU liegt. Hingegen waren all die Regulierungen der letzten Jahre völlig überflüssig und schädlich für das Projekt samt seiner ständig angesprochenen friedenspolitischen Bedeutung.

An diesem Effekt ändert es nichts, ob diese Regulierungen nun ökologistisch, feministisch, politisch korrekt oder einfach von einem fanatischen Gleichmachungsfimmel getrieben waren. Oder ob sie einfach Folge der Tatsache sind, dass den EU-Beamten nach weitgehender Fertigstellung des Binnenmarktes fad war und sie sich einfach neue Betätigungsfelder gesucht haben. Die Menschen würden der EU sogar gelegentlich einen Kurzschluss wie beispielsweise jenem in Sachen Glühbirnen verzeihen – aber Hunderte solcher Kurzschlüsse sind einfach zuviel.

Merkel war die einzige, die weise auf Cameron reagiert hat. Sie will zwar nicht über einen Austritt abstimmen lassen. Sie war aber in der Substanz sofort mit dem Briten über die zentrale Aufgabe der EU einig: Diese müsse wieder ihre globale Wettbewerbsfähigkeit stärken. Nur so könne der Wohlstand gesichert werden.

Was alles Europa aus dem Wettbewerb fallen lässt

Aber gerade bei der Wettbewerbsfähigkeit fällt Europa immer weiter zurück. Die Innovationskraft hat durch Tierschutz/Genderismus/Anti-Gen/Anti-Hormon- und noch viele andere Ideologien stark an Dynamik verloren; immer mehr Forschungen werden daher außerhalb des alten Kontinents gestartet. Die Anti-CO2-Auflagen und Hunderte andere ökologische Regulierungen vertreiben immer mehr Industrien. Die Bildungssysteme sind immer weniger auf Wissenserwerb und Leistung, sondern auf die qualitätslose Produktion von möglichst vielen Absolventen ausgerichtet. Die Asyl- und Zuwanderungspolitik holt bildungsferne Massen nach Europa statt der benötigten Spezialisten. Der exorbitante Sozialstaat macht es im internationalen Vergleich extrem teuer, Mitarbeiter anzustellen. Die europäischen Lohnhöhen machen das noch viel schwieriger. Das Pensions- und Gesundheitssystem ist alles andere als nachhaltig aufgestellt. Die größte Schuldenlast der Geschichte macht jeden Zukunftsausblick dunkeltrüb. Und vor allem: Die Steuern und Abgaben sind unerträglich umfangreich geworden.

Konklusion: Die Erkenntnis ist zwar absolut richtig, dass für Europa eine Verbesserung der Wettbewerbspolitik das absolut wichtigste Ziel sein muss. Aus all diesen Gründen muss man aber überaus skeptisch sein, ob dieses Ziel auch nur annäherungsweise noch erreichbar ist. Dies gilt vor allem, wenn rundum Cameron und Merkel, also Europas klügste Politiker, nur beschimpft werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Der Euro ist ein Problem!: Václav Klaus zur Gemeinschaftswährung

26. Januar 2013 07:35 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Beim zehnten, unter Beteiligung internationaler Fachleute abgehaltenen Wirtschaftskongress „Com.Sult“, der – wie in den Jahren zuvor – im prachtvollen Haus der Industriellenvereinigung in Wien stattfand, wurden zum Teil recht konträre Standpunkte hinsichtlich der Ursachen und denkbaren Strategien zur Überwindung der herrschenden Wirtschafts- und Finanzkrise vertreten.

Der glühende Befürworter einer politischen Vereinigung Europas, der österreichische Literat Robert Menasse, durfte seine Gedanken – die er in seinem im Vorjahr veröffentlichten Buch „Der Europäische Landbote“ formuliert hatte – als erster präsentieren. Menasse träumt von einem von Brüsseler Bürokraten zentral geführten, multikulturellen Einheitsstaat auf europäischem Boden. Der abfälligen Kritik an Bürokratien könne er überhaupt nichts abgewinnen. Bürokratie stelle vielmehr eine glanzvolle Zivilisationsleistung dar. Die Bürokraten der EU zeichneten sich zudem dadurch aus, dass sie nicht länger nationalstaatlichen Interessen verpflichtet wären. Nationalstaaten hätten in der Vergangenheit nichts als Unglück über die Menschen gebracht, hätten die schlimmsten aller Menschheitsverbrechen zu verantworten und wären überholt.

Eine unglaublich schlanke Brüsseler Bürokratie („die weniger Beamte beschäftigt als die Gemeinde Wien“), die mit ihrer Arbeit keinerlei Eigeninteressen verfolge, bestehend aus hochkarätigen Fachleuten („von 30.000 Bewerbern werden gerade einmal 100 genommen“), solle ein bisher nie gekanntes, friedliches Sozialparadies lenken. Die Kommission verkörpere diesen europäischen Gedanken in vorbildlicher Weise, während der Rat immer noch nationalen Interessen verpflichtet sei und stets als Bremser einer weiteren Integration auftrete.

Die Mitglieder des Rates würden schließlich auf nationaler Ebene gewählt und verkörperten allein dadurch den Widerspruch zur supranationalen Politik der Gemeinschaft. Keine Nation könne jedoch die anstehenden Probleme im Alleingang lösen [Applaus(!)]. Daher gelte es, die Macht des Rates zu beschneiden. Wir hätten es derzeit weder mit einer Wirtschafts- noch mit einer Finanzkrise zu tun, sondern vielmehr mit einer Krise der politischen Institutionen. Hier gelte es daher, mit Reformen anzusetzen. Das Modell der USA sei indes kein Vorbild für ein modernes Europa, da es altmodisch und auf „gewaltsamer Landnahme“ aufgebaut sei. Das von Menasse angestrebte Euroland dagegen wäre gewaltfrei, musterdemokratisch und auf der Basis völliger Freiwilligkeit aller Partizipanten errichtet.

„Subsidiarität“ hat im Denken Robert Menasses offensichtlich keinen Platz. Die dieser Tage zunehmend sichtbar werdende Realität der Brüsseler Funktionärarroganz könnte gar nicht weiter von der „schönen Alten Welt“ entfernt liegen, die sich der Schriftsteller erträumt. Brüssel maßt sich ja derzeit an, jeden noch so privaten Lebensbereich, von der Vorzimmerbeleuchtung bis zum Konsum von Genussmitteln – ja sogar die Gestaltung von Speisekarten in Wirtshäusern – seinem Diktat zu unterwerfen. Menasse hängt jedoch dem Traum nach, dem noch jeder seinen Elfenbeinturm niemals verlassende, konstruktivistische Weltverbesserer erlegen ist.

Auftritt der EU-Skeptiker

Nach dieser geballten Ladung haarsträubend naiven Wunschdenkens tat es gut, zwei gestandene Praktiker zu hören. Zunächst brach Philipp Blond, konservativer Berater des britischen Premierministers David Cameron, etwas überraschend eine Lanze für den Verbleib des Vereinigten Königrechs in der EU. Der Umstand, dass Europa sowohl im Osten als auch im Süden mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert sei, erfordere die Mitarbeit Großbritanniens – nicht nur in sicherheitspolitischer Hinsicht. In Großbritannien gebe es keinesfalls eine politische Mehrheit für einen Austritt aus der EU. Die Einführung des Euro sei ein schwerer Fehler gewesen, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft schwäche. Dauerhafte Subventionen an die Südländer seien dadurch programmiert und hinderten diese daran, aus eigener Kraft aufzuholen. Man müsse überdenken, was die Idee Europas bedeute. Dessen Stärke liege in seiner Vielfalt.

Danach erläuterte Václav Klaus – seit 2003 Präsident der Tschechischen Republik, gestandener Realist, liberaler Ökonom und Querdenker, der den konsequent umgesetzten Wunsch zur Zwangbeglückung durch eine abgehobene Funktionärselite Jahrzehntelang am eigenen Leibe erlebt hatte – seine Gedanken zum Eurozentralismus. Dabei stand die Kritik an der unseligen Einheitswährung der Gemeinschaft im Zentrum. Der spanische Wirtschaftsminister habe, angesichts der in seinem Lande besonders drastisch spürbaren Konsequenzen der Euroeinführung geäußert, dass „…man uns vor deren Folgen zu wenig gewarnt habe“.

Das entlarvt Klaus als einen schlechten Witz. Nahezu alle seriösen Wirtschaftswissenschaftler hätten nämlich schon lange vor der Einführung des Euro kein gutes Haar daran gelassen. Dieses Elitenprojekt sei als politisches Vehikel erdacht und eingesetzt worden, um die politische Integration Europas voranzutreiben. Von der sei man heute – ironischerweise gerade wegen der Währungsunion – allerdings weiter entfernt als jemals zuvor. Der Euro habe zu Zerwürfnissen zwischen den Nationen geführt, die es ohne ihn niemals gegeben hätte. Der Verlust der Währungshoheit habe die schwachen (südlichen) Ökonomien der EU ihrer Möglichkeit beraubt, währungspolitische Instrumente zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den leistungsstarken „Nordstaaten“ einzusetzen. Jetzt gehe es darum, Illusionen zu zerschlagen, die sich um den Erhalt Eurolands als zentralistisch geführten Wohlfahrtsstaat ranken. Damit sei ein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum nämlich unmöglich. Die politische Integration sei ein schwerwiegender Fehler. Der wirtschaftlichen Inhomogenität Europas mit einer Währungsunion begegnen zu wollen, sei es ebenso.

In der anschließenden Podiumsdiskussion konnte Franz Fischler, als ehemaliger Landwirtschaftskommissar die inkarnierte Zentralbürokratie schlechthin, der Kritik an den Tendenzen der EU zur Machtakkumulation naturgemäß wenig abgewinnen. Er räumte zwar ein, dass der Euro für gewisse Schwierigkeiten einiger Länder der Eurozone verantwortlich sein könnte. Er meinte aber, dass das Ziel, „mehr wirtschaftliches Wachstum“ zu generieren, nur gemeinschaftlich zu erreichen wäre und dazu der Einsatz „innovativer Konzepte“ notwendig sei. Darauf konterte Václav Klaus, dass er dieselben Forderungen einst bereits aus dem Munde Leonid Breschnews gehört habe, als dieser erkannte, dass es mit dem zuvor von Chruschtschow angekündigten, wirtschaftlichen Aufholprozess gegenüber den USA nicht klappen würde. Liberale Ökonomen waren damals schon die vom System zu Feinden erklärten Personen. Sie seien es heute wieder [an dieser Stelle brandete spontan Applaus auf].

Trostloses Fazit: Für die EU gilt seit „Lissabon“ dasselbe wie weiland in der UdSSR, als in sagenhafter Verkennung der Tatsachen und in maßloser Selbstüberschätzung der Möglichkeiten der politischen Eliten, das Ziel formuliert wurde, die EU zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

Drucken

Hoch Cameron: Eine wichtige Debatte beginnt

23. Januar 2013 11:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der britische Premierminister David Cameron hat mit seiner großen EU-Rede eine lobenswerte Debatte begonnen. Und er hat dabei Wichtiges gesagt, dem viele Millionen Europäer zustimmen werden. Auch wenn der Machtapparat im restlichen EU-Europa jetzt über ihn herfallen wird. Aber wenn man nicht auf die Briten hört und eingeht, werden ihnen bald weitere Völker folgen.

Dass Cameron  ein Referendum für einen EU-Austritt angekündigt hatte, war ja erwartet worden. Er hat dafür aber ein auffallend fernes Datum gesetzt. Er tut dies natürlich zum Teil deshalb, weil er in seiner Partei auch scharfe EU-Gegner hat. Er tut dies aber auch – und das beweist insbesondere die lange Frist –, weil er in dieser Zeit auf qualitative Reformen in der EU hofft. Die zusammengefasst in unseren Terminologie vor allem eine Rückkehr zur Subsidiarität bedeuten würden.

Es ist relativ dümmlich, wenn Frankreich binnen Minuten nach der Cameron-Rede sagt, man werde den Briten beim Weg aus der EU den Roten Teppich ausrollen. Denn in Wahrheit, so könnte man mit Fug und Recht sagen, wäre der Rote Teppich für einen Ausstieg Frankreichs noch viel wichtiger: Frankreich ist das Haupthindernis für eine Reform der EU-Agrarpolitik; Frankreich gefährdet mit der absurden Erhöhung seiner Sozialausgaben wie etwa der Senkung des Pensionsantrittsalters und der Erhöhung der Beamtenzahlen die Stabilität des gesamten Euro-Raums; Frankreich hält mit seinem Protektionismus für wichtige Industriefelder (von der Energie bis zur Eisenbahn) die Binnenmarkt-Regeln viel weniger ein als die Briten.

Viel wichtiger als die bloße Referendums-Ankündigung ist aber der zentrale Satz Camerons: Hauptgrund für die britische Mitgliedschaft in der EU sei der Binnenmarkt. Und den will er nicht verlassen.

Genau darum geht es: Sehr viele Länder und Bürger haben sich deshalb für die EU entschieden, weil der gemeinsame Binnenmarkt mit seinen vollen und noch immer nicht ganz hergestellten Freiheiten für Güter, Kapital, Bürgern und Dienstleistungen in einer modernen Industriewelt überlebenswichtig ist. Er ist unverzichtbar für die Hoffnung auf Jobs, auf Wachstum, auf zumindest Wohlstandswahrung.

Vieles andere, wohin sich die EU in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten entwickelt hat, ist hingegen überflüssig. Vieles hat sich auch geradezu als schädlich und menschenfeindlich entwickelt. Dabei geht es um viele sich als Verschwendung erweisende Förderprojekte. Dabei geht es vor allem um sozialtechnologische und politisch korrekte Eingriffe in unser aller Leben.

In so manchen Bereichen hat die EU statt der erwarteten vierfachen Freiheit des Binnenmarktes immer mehr Unfreiheit und Regulierung bedeutet. Das hängt wohl auch zunehmend damit zusammen, dass rund um die Jahrtausendwende die Linke und vor allem viele Grüngesinnte begonnen haben, die einst von ihnen bekämpfte EU zu instrumentalisieren. Sie haben in der EU plötzlich das perfekte Instrument entdeckt, freiheitsbeschränkende Projekte voranzutreiben, mit denen sie national nie durchgekommen wären.

Warum etwa müssen Österreich und im Konkreten vor allem Niederösterreich auf EU-Anordnung Gebiete unter Naturschutz stellen, die sie gar nicht wollen? Warum etwa muss Österreich wie auch jedes andere EU-Land neuerdings eigene(!) Bürger an die Justiz anderer EU-Länder ausliefern? Warum muss Europa als einzige Industrieregion der Welt die These von der menschenverursachten Erderwärmung mit selbstbeschädigender Schärfe umsetzen? Um nur drei von Hunderten Fehlentwicklungen anzusprechen.

Daher ist der britische Grundgedanke absolut richtig: Es muss zumindest die Wahlfreiheit hergestellt werden, nur beim Binnenmarkt mitzumachen – dort aber voll und wirklich! – und sich vom Rest zu dispensieren. Zu dem natürlich auch die immer übler werdenden direkten und indirekten Folgen des Euro gehören (Schuldenmechanismus, Bankenunion, Finanztransaktionssteuer usw.). Zu dem die zunehmenden „intellektuellen“ Attacken gegen das Recht auf nationale Identität gehören.

Cameron: "Es gibt eine wachsende Frustration, dass die EU den Menschen angetan wird, anstatt in ihrem Interesse zu handeln."

Wie wahr. Auch wenn in den nächsten Tagen Hunderte von Leitartiklern, Politikern und Diplomaten so tun werden, als wäre Cameron das Problem – und nicht die Fehlentwicklungen Europas.

Drucken

Die Märchen der Gaskonzerne

21. Januar 2013 21:21 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Faktum ist, dass die Österreicher kaum dafür gewonnen werden können, den Gasanbieter zu wechseln. Die Wechselrate lag bisher bei einem Prozent. Nun könnte aber etwas Wind in die Branche getragen werden: Bereits zwei deutsche Billiggasanbieter versuchen den heimischen Markt aufzumischen, erste Erfolge sind zu verzeichnen.

Das passt den beiden großen – und teuren – Gasanbietern EVN und Wien Energie gar nicht in den Kram. Also versucht man die Gaskunden zu verunsichern, indem man an die Wand malt, dass Billiganbieter unter Umständen nicht liefern können und man daraufhin in einer kalten Wohnung sitzt.

Marc Hall, Obmann des Fachverbandes Gas-Wärme und Vorstand der Wiener Stadtwerke AG fragt: „Was haben die Haushalts- und Unternehmenskunden davon, wenn ihr Lieferant zwar billiges Erdgas anbietet, er es aber dann, wenn es kalt ist, nicht liefern kann?

Stimmt das? Nein, das ist ein Märchen. Für einzelne Haushalte kann es kein Problem geben. Wenn ein Anbieter Lieferschwierigkeiten hat, wird die Lücke aus dem Ausgleichsenergiemarkt gedeckt. Auf dieses Instrument haben in der Vergangenheit schon einige Lieferanten zurückgegriffen. Auch bei den großen Gaskrisen 2009 und 2012 hat jeder Haushalt sein Gas bekommen. Auch das Argument, Verbraucher sollten ihren Lieferanten fragen, ob er Erdgasspeicher gebucht habe, ist Unsinn.

Im Rahmen des neuen Gaswirtschaftsgesetzes 2011 überprüft die E-Control derzeit die Versorgungsstandards der Lieferanten. In Zukunft müssen die Gaslieferanten für den Ausfall der Hauptversorgungsquelle durch zwei Ersatzlieferanten vertraglich gesichert sein.

Das ändert aber nichts daran, dass auch derzeit niemand befürchten muss, dass Gas für seine Heizung fehlt.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Fußnote 390: Unsere lieben Postler wollen streiken

20. Januar 2013 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Postgewerkschaft droht wieder einmal mit Streik. Sie fürchtet sich vor Mehrarbeit, während sich kaum noch jemand vor der Postgewerkschaft fürchtet. Wie aber sieht nun wirklich die Post-Realität aus?

Am Tag der Streikdrohung stehe ich in der Schlange vor den drei Schaltern meines Postamtes. Bei meinem Eintreten wird auch noch überall gearbeitet. Aber während dieses Wartens fällt mir mit zunehmender Nostalgie der Supermarkt und das dortige Arbeitstempo ein, das ich eine halbe Stunde vorher erlebt habe. Denn: Eine Postlerin schließt trotz der Warteschlange plötzlich – um 10,20Uhr vormittags – ihren Schalter und taucht in der Folge nie wieder auf. Am zweiten Schalter beginnt der dahinter sitzende Amtsträger eine Plauderei mit einem Pensionisten, der offensichtlich vor Jahrzehnten selber Postler gewesen ist. Eine Viertelstunde lang können die wutschnaubenden Wartenden der lauten Unterhaltung darüber zuhören, wie gut es einst bei der Post gewesen sei. Und wie sehr deren Mitarbeiter heute ausgebeutet werden. Der Schalterbeamte sieht die erzürnten Kunden – und genießt ganz offensichtlich darob die gemütliche Plauderei doppelt. Ach ja, die Dame am dritten Schalter. Sie schickt eine Kundin wieder zurück in die Warteschlange, weil sie noch etwas zu tun habe. Nach drei Minuten beginnt sie aber dann tatsächlich in aller Ruhe die Wünsche der Kunden aus der Warteschlange zu bearbeiten. Diese wird freilich immer länger. Warum wohl?

Und das alles war wohlgemerkt noch nicht der Streik. Auch wenn der Unterschied nicht sehr auffällt.

 

Drucken

Wie wirtschaftlich stark sind die Bundesländer?

13. Januar 2013 17:16 | Autor: Andreas Unterberger

Verfügbares Einkommen privater Haushalte & Bruttoregionalprodukt in Euro pro Einwohner 2012

 

Bundesland Privateinkommen Bruttoregionalprodukt
Burgenland

19.900

23.300

Kärnten

19.700

28.700

Niederösterreich

21.200

28.200

Oberösterreich

20.500

33.800

Salzburg

20.700

39.300

Steiermark

19.700

29.600

Tirol

20.000

35.400

Vorarlberg

20.600

36.200

Wien

20.700

44.300

Österreich gesamt

20.500

34.100

Quelle: Statistik Austria

Drucken

Ein seltsames Land

13. Januar 2013 00:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Immer wieder darf der Österreicher staunen, über Seltsamkeiten und Indizien, dass Anständigkeit und/oder Menschenverstand hierzulande keineswegs „gerecht“ verteilt sind. Diesbezügliche Hinweise fanden sich dieser Tage etwa bei der WKO, bei den ÖBB, bei den Medien, bei der Universität Wien, beim Burgtheater und bei der rotgrünen Herrschaft über Wien.

Da gibt es etwa die WKO, einen Verein mit Zwangsmitgliedschaft, der gerne beteuert, wie wichtig seriöse Forschung und Wissenschaft wären, und wie sehr er mit Mitgliedsbeiträgen sparsam umginge. Diese WKO gibt nun nicht nur spezifisch Geld für Studien zugunsten schwuler und lesbischer Unternehmer aus (denen Gegenstücke zugunsten normal veranlagter, pardon heterosexueller Unternehmer fehlen), als ob die sexuelle Veranlagung gesetzlicher Auftrag der WKO wäre. Diese WKO unterstützt aber auch einen Energetik-Kongress, bei dem es um „Schamanisches Heilen“, „Quantenheilung“, „Numerolog.-pentalog. Geburtsdatenanalyse“, „Planeten-Yoga“ und vielerlei ähnlichen Unsinn geht, für welchen den Menschen von Geschäftemachern Geld aus der Tasche gezogen wird.

Da gibt es nach vielen Jahren des Streits eine Einigung über die Westbahn-Hochleistungsstrecke in Salzburg. Klingt erfreulich? Ja schon, aber nur, wenn man ignoriert, dass dabei traumsicher die teuerste unter zwölf Varianten ausgewählt worden ist; dass dafür Tunnels von 16 Kilometer Länge gebaut werden, als ob die Strecke nicht durch den Flachgau, sondern den Großglockner ginge; und dass halt bei dieser Bauweise Salzburg erst in 20 Jahren von der Hochgeschwindigkeits-Bahn erreicht werden wird.

Da gab es die große Aufregung vieler Medien um die Übernahme eines angeblich antisemitischen Cartoons (der in Wahrheit „nur“ dumm und inhaltlich falsch war) auf der Facebook-Seite des FPÖ-Chefs. Für viele war die FPÖ damit schon wieder endgültig als Nachfolgepartei des NSDAP entlarvt. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft die Angelegenheit eingestellt – aber keines der davor so erregten Medien, keiner der zuvor lautstarken Gutmenschen nahm davon sonderlich Notiz.

Da gibt es an der Universität Wien – einer in allen internationalen Rankings immer weiter nach unten absinkenden, aber ständig mehr Steuergeld abkassierenden Institution – einen neuen Professor für Urgeschichte. Sein besonderes Markenzeichen: Er tritt einmal als Timothy Taylor auf, ein andermal als Krysztina Tautendorfer, also einmal in Männer- und einmal in Frauenkleidung. Er will damit für irgendwelche krausen Gender-Theorien und gegen einen „grundsätzlichen Essenzialismus“ demonstrieren. Was auch immer diese Wortedreschei bedeuten soll.

Da haben sich drei ORF-Kabarettisten im Sankt Pöltner Dom (ohne irgendeine Genehmigung) filmen lassen, wie sie nach Pussy-Riot-Art das Christentum verspotten und eine Anti-ÖVP-Propaganda zur Niederösterreich-Wahl aufziehen. Nun bekommen sie offensichtlich als Dank einen Auftritt in dem (von einer gewissen Claudia Schmied) dick subventionierten Burgtheater, und zwar noch ehe die Staatsanwaltschaft das deswegen anlaufende Verfahren eingestellt hat (was diese ja wohl immer tut, solange es nur gegen die katholische Kirche und nicht gegen die Sexualgewohnheiten des Propheten Mohammed geht).

Da will die grüne Autohasserin Vassilakou die Mariahilfer Straße in eine Fußgängerzone verwandeln. Dazu soll nun eine Bürgerbefragung stattfinden. Was nach einer Rückkehr der Verrnunft klingt. Wird doch dadurch der Verkehr im gesamten Westen Wiens zwischen Ring und Gürtel endgültig kollabieren. Jedoch: Die Fragen werden sich – mit Zustimmung der SPÖ! – nicht etwa auf ein Ja oder Nein zur Fußgängerzone richten, sondern nur darauf, ob die Fußgängerzone zweimal von Autobussen gequert werden kann. Und befragt werden sollen nur die unmittelbaren Anrainer, und nicht etwa alle Betroffenen im Westen Wiens.

Braucht eigentlich irgendeine dieser österreichischen Beobachtungen noch einen Kommentar? Oder ist ohnedies schon jedem Leser sechsmal speiübel geworden?

Drucken

Die Flucht der klugen Köpfe aus Europa

08. Januar 2013 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Millionen Menschen sind in der Nachkriegszeit nach Europa gezogen, und noch mehr wollen das tun. Ist es da nicht Unsinn, von einer Flucht aus Europa oder aus einzelnen europäischen Ländern zu reden? Nun, es stimmt dennoch. Die einen kommen, die anderen gehen: Aber auch wenn die Abgehenden numerisch in der deutlichen Minderzahl sind, so kann das von ihnen in ihrer bisherigen Heimat hinterlassene Loch in keiner Weise durch die Zuwanderer gefüllt werden.

Natürlich ist jeder Mensch gleich viel wert, egal, welche Hautfarbe, Religion oder Muttersprache er hat. Wir wollen an dieser Stelle auch nicht darüber befinden, ob eine eingeborene Bevölkerung das Recht hat, in alle Zukunft das von ihr bewohnte Gebiet kulturell zu prägen, es also voll und ganz als ihre Heimat empfinden zu können, selbst wenn sie nichts dafür tut. Hier geht es um etwas anderes: um den wirtschaftlichen, kulturellen, zivilisatorischen, wissenschaftlichen Netto-Verlust, den viele EU-Länder derzeit durch die Abwanderung von Eliten an Können, an Ausbildung und damit an Dynamik erleiden.

Fast alle europäischen Länder müssen seit einiger Zeit einen solchen Verlust bilanzieren. Das gilt vor allem für jene, die ihren Bürgern hohe Steuersätze abnehmen. Sie gestehen den Verlust zwar nur ungern ein, aber der Brain drain ist unübersehbar. Die Abwanderung der klugen Köpfe geht aus der EU hinaus Richtung Schweiz, Richtung Nord- und Südamerika, Richtung Australien, auch in manche asiatische Länder.

Von Depardieu bis Arnault

Die Abwanderung steuer- und leistungswichtiger Bürger findet aber auch innerhalb Europas durch einen Abzug aus den Höchststeuerländern statt. Ein Beispiel war vor wenigen Wochen die Auswanderung des Schauspielers Depardieu aus Frankreich. Der in jeder Hinsicht gewichtige Mann weicht dadurch der konfiskatorischen Einkommensteuer von 75 Prozent aus, welche die neue französische Regierung über höhere Einkommen verhängt. Depardieu lebt künftig in Belgien, er hat aber auch schon ein Offert für einen russischen Pass bekommen.

Auch der reichste Mann Europas, Bernard Arnault vom Luxuskonzern LVMH, hat Frankreich, seine bisherige Heimat, Richtung Belgien verlassen. 

Die beiden sind nur die Spitze eines Eisbergs. Hunderte Franzosen haben in den letzten Wochen das Land für immer verlassen. Ist ja eh nur eine winzige Minderheit? Gewiss. Es bleibt auch dann eine solche, wenn ihre Zahl demnächst schon einige Tausende ausmachen wird. Jedoch geht es dabei durchwegs um jene Menschen, die bisher schon die höchsten Steuern gezahlt haben und die für die kulturelle Identität der stolzen Nation zentral gewesen sind. Sie zahlen nun gar keine Steuern mehr in Frankreich. Und sie werden niemanden mehr in dem Land beschäftigen. Das macht Frankreich, das sich von der Steuererhöhung einen Sanierungsbeitrag erhofft hatte, deutlich ärmer, als es nur die Zahl der Emigranten signalisieren würde. Ökonomisch und kulturell.

Die Mehrheit der französischen Medien und die Regierung reagieren heftig auf diese Abwanderung. Das heißt aber nicht, dass sie nachdenken würden, ob die Steuererhöhungen ein Fehler sind. Sie beschimpfen vielmehr die Abwanderer. Das führt freilich nur dazu, dass viele es vorziehen, ohne öffentliches Aufsehen heimlich, still und leise wegzugehen, und nicht so laut wie Depardieu zu protestieren. Am Verlust für Frankreich ändert das aber nichts. Außer, dass man noch gar nicht genau weiß, wie viele Franzosen am Ende fehlen werden.

Nun ruft Frankreich verstärkt nach einer europäischen Steuerharmonisierung; damit soll der Anreiz fallen, von einem EU-Land ins andere zu siedeln. Die Franzosen begreifen aber nicht, dass das die völlig falsche Reaktion wäre. Man stelle sich nur vor, was passiert, wenn die ganze EU zwingend eine 75prozentige Einkommensteuer auf all ihre Depardieus einheben würde: Dann würden diese in noch größerer Zahl als jetzt gleich die ganze EU verlassen. Dann würden fast wie in Kriegszeiten lange Schlangen vor Schweizer, kanadischen, chilenischen oder amerikanischen Konsulaten stehen. Und wieder wären es die Besten, die ihre Heimat verlassen. Heute schon berichten Schweizer Medien über eine ebenso intensive wie diskrete Zuwanderung aus Frankreich, aber auch aus Deutschland.

Irgendwann wird dann vielleicht sogar jemand nach einem Verbot rufen, aus der EU ausreisen zu dürfen. Und ein solches Verbot wäre, so wird man wohl eine weitere Etappe später erkennen, ja nur dann effektiv, wenn es auch von einem Eisernen Vorhang implementiert wird, der die Menschen an der Flucht hindert.

Steuerhöhe und Karrierechancen entscheiden

Die jüngste französische Aufregung betrifft nur die unmittelbar aktuelle Reaktion auf die jüngsten Steuererhöhungen. Hunderttausende Leistungsträger sind schon in den letzten Jahren aus Europa – auch aus Deutschland und Österreich – abgewandert. Weil anderswo die Steuern niedriger sind. Weil andere Länder bessere Karrieren versprechen, in denen nur das Leistungsprinzip entscheidet. Weil amerikanische Universitäten oder die ETH Zürich durch ihre enge Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft viel bessere wissenschaftliche Möglichkeiten bieten. Weil in Europa viele zukunftsträchtige und spannende Forschungsdisziplinen unter dem Druck ängstlicher und politisch korrekter Gruppen abgewürgt werden, wie etwa alle jene, die irgendwie mit Hormonen, Genen, Tierversuchen oder Nukleartechnologie zusammenhängen (wenn sich die Forschung nicht als rein medizinisch zu tarnen versteht).

Aus diesen Gründen wandern zunehmend auch ganze Firmen ab. Oder verlegen Teile der Produktion ins Ausland. Oder werden von chinesischen Investoren übernommen. Diese bedienen sich meist noch ein paar Jahre am europäischen Knowhow, bevor sie dann den alten Kontinent ganz verlassen und höchstens noch eine traditionsreiche Marke weiter auf dem Weltmarkt verwenden.

Motiv der Abwanderung von Unternehmen aus Europa sind neben den hohen Steuern auch die vielen Regulierungen und Verbote. Diese sind in den EU-Ländern höher als in jedem anderen entwickelten Erdteil. Hatte die EU anfangs für viele Unternehmen tendenziell noch eine Reduktion dieser Regulierungen bedeutet, ist sie in den letzten Jahren selbst zu einem bürokratieerzeugenden Faktor geworden. Sowohl die nationalen wie auch die europäischen Regulierungen wie auch zahllose ökologische Auflagen wie auch die Lohn- und Sozialkosten vertreiben Unternehmen aus Europa.

Von der Voest bis Tacchini

Dabei geht es um große wie kleine Firmen. Zu den Großen zählt etwa die Voest, die angekündigt hat, angesichts der hohen Energiekosten künftig nur noch im Ausland zu investieren. Schlimm trifft die Abwanderung erstaunlicherweise auch Deutschland: „Der Prozess, dass energieintensive Industrien Deutschland verlassen, hat längst begonnen.“ Es ist der (deutsche) EU-Kommissar Oettinger, der das offen ausspricht. Er empfiehlt dem Land dringend eine deutliche Senkung der hohen Abgaben, die auf dem deutschen Strompreis lasten. Diese sind aber erst in den letzten Jahren als Folge der Energiewende – also vor allem des Ausstiegs aus der Atomkraft – so stark gestiegen.

Es geht genauso um kleine Qualitätsfirmen, wie beispielsweise das italienische Tennis-Label Tacchini. Dessen Schicksal ist typisch für viele andere: Zuerst wurde Tacchini angesichts wirtschaftlicher Probleme an einen chinesischen Konzern verkauft. Und jetzt sperrt dieser die Produktion in Italien. Die zugkräftige Marke soll aber weiterleben, auch wenn sie mit Europa nichts mehr zu tun hat.

Ringsum wird abgezogen und gespart. Vor allem die alten nationalen Platzhirschen siechen dahin. Etwa im Luftverkehr: Da ist Ryan Air heute Italiens größte Fluglinie, während die Alitalia vor dem nächsten Crash steht. Da muss sich die einst aufstrebende Luftlinie Niki immer mehr auf den Status eines bloßen Urlaubsfliegers zurückziehen: Sofia, Belgrad und Bukarest werden ab Sommer 2013 nicht mehr von Wien aus angeflogen (womit auch ein weiteres Stück der einstigen Osteuropakompetenz Österreichs verloren geht). Da steckt die skandinavische SAS seit zehn Jahren in den roten Zahlen und kann jetzt nur noch mit Hilfe eines spontanen Gehaltsverzichts der Mitarbeiter weiterfliegen.

Erfreuliche Gegendynamik in Irland oder Spanien

Das heißt nun alles nicht unbedingt, dass Europa nur noch tatenlos darauf warten kann, bis der letzte Leistungsträger geht und hoffentlich das Licht abdreht. Wenn die europäischen Länder die Gefahr erkennen, könnten sie die Dynamik durchaus noch umdrehen. Es gibt ja auch heute schon einige erfreuliche Gegeninitiativen.

Eine ist etwa Irland. Es hat – obwohl eines der ersten Krisenopfer – der Versuchung (und dem Verlangen aus der Rest-EU!) widerstanden, die Sanierung auf Kosten der Unternehmen durchzuführen. Daher sind die Steuern niedrig und die Investoren im Land geblieben. Daher ist das Land der erste Schuldenstaat, der 2013 wieder aus der Schuldknechtschaft entlassen werden dürfte.

Auch das Krisenland Spanien entwickelt nun erstaunlich kreative Ideen: Es schenkt ab sofort jedem Ausländer, der sich mit mindestens 160.000 Euro in eine spanische Immobilie einkauft, eine Aufenthaltsgenehmigung (davon können natürlich nur Nicht-EU-Bürger profitieren, denn die anderen dürfen sowieso schon frei nach Spanien ziehen). Da heute schon eine Million Häuser und Wohnungen in Spanien als Endprodukt des Platzens der Immobilienblase leerstehen, scheint das jedenfalls keine ganz dumme Idee – auch wenn es natürlich vor allem reiche Russen und Ukrainer, Kasachen und Chinesen sein werden, die davon Gebrauch machen und ihr Geld aus ihrer rauen (post-)kommunistischen Heimat in Sicherheit bringen wollen. Aber immerhin bringen diese Geld in die EU.

Ähnlich macht es seit Jahrzehnten ja schon Kanada, das von allen Seiten als Vorbild gelobt wird: Dorthin kann man immer dann leicht einwandern, wenn man viel Geld oder eine gute – und gesuchte(!) – Ausbildung mit sich bringt. Das heißt, ein technischer Facharbeiter hat exzellente Chancen, ein Philologe oder Politologe hingegen nicht. Und ein ungelernter Afrikaner oder Araber schon gar nicht. Die wandern aber ohnedies lieber in die EU und an deren reiche Sozialtöpfe.

Ist das kanadische Modell nicht inhuman und egoistisch, werden gute Menschen einwenden? Mag schon sein. Aber die Staaten Europas müssen rasch begreifen, dass auch sie egoistischer werden sollten, wenn sie nicht steil abstürzen wollen.

Niemand gibt den Europäern nämlich etwas dafür, dass sie ökologische Vorzugsschüler, die besten Empfangsländer für Asylanten, die größten Förderer von Kultur und der Inbegriff eines Wohlfahrtsstaates sind. Denn von diesen Qualitäten leben kann Europa nicht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Die Euthanasie der Rentiers: Vom Ende des Sparens

06. Januar 2013 04:20 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

John, Maynard Keynes, der – zum Unglück von Generationen – einflussreichste Nationalökonom des 20. Jahrhunderts, dessen Konzepte auch heute noch rund um den Globus Anhänger finden, träumte in seinem 1936 veröffentlichten Hauptwerk, „The General Theory of Employment, Interest and Money“ von einer „Euthanasie des Rentiers“ – ja er wünschte diese sogar herbei. Gemeint hatte er den Sparer, benutzte aber lieber das Wort Rentier, um seine brutalen Überlegungen vor dem schlichten Mann auf der Straße ein wenig zu tarnen.

Nach seiner Überzeugung schade der Sparer der wirtschaftlichen Entwicklung deshalb, weil der sein Geld nicht dem Konsum zuführe. Die „unterdrückerische Macht des Kapitals“, so der in der Wolle gefärbte Sozialist Keynes, werde schließlich durch die Euthanasie des Rentiers zum Ende kommen. Welch ein Segen!

Wer sich den zitierten Schmöker tatsächlich antun möchte, sollte keinesfalls darauf verzichten, dazu simultan die vernichtende Kritik aus der Feder Henry Hazlitts zu lesen: The Failure of the New Economics.

Dem Himmel auf Erden – der durch ebenso geniale wie selbstlose Staatenlenker geschaffen würde, die sich auf nichts besser verstehen als auf die „Feinsteuerung“ der Wirtschaft – stünde dann kein kleinmütiger, selbstsüchtiger Bremser mehr im Wege. Wie alle überzeugten Etatisten war auch Lord Keynes, ein Bewunderer des nationalsozialistischen Deutschlands, vom Triumph des Willens der Regierungen überzeugt – wenn diese nur konsequent genug die richtigen Register zögen und an den passenden Schrauben drehten. Dass das Genie der Regierenden – von Lenin bis Hitler und von Kreisky bis Obama – in exakt 100 von 100 Fällen im Kriegführen, Gelddrucken und/oder in rücksichtsloser Schuldenmacherei gipfelt, ist eine von der Masse der Wahlberechtigten bedauerlicherweise bis heute nicht so recht gelernte Lektion.

Nun, 77 Jahre später, sind die Machthaber dieser Welt ihrem Ziel (den Sparer umzubringen) so nahe wie noch nie zuvor. Durch hoheitlichen Interventionismus herbeigeführte Negativzinsen, so weit das Auge reicht. Keine Chance, die Substanz seines Geldvermögens zu bewahren – falls man als Anleger nicht optimistisch und schwindelfrei genug ist, um sein sauer verdientes Geld in hochriskante Spekulationsgeschäfte zu stecken oder über Immobilienkäufe dem bevorzugten Zugriff des Fiskus anzudienen. Die für ihren Enkel sparende Oma täte jedenfalls – noch ehe sie am Schnabelhäferl saugt – wesentlich besser daran, ihr Geld zu verjubeln, anstatt es bei realen Teuerungsraten um die sieben bis acht Prozent (die offiziell kolportierten zwei Prozent sind reine Regierungspropaganda!) auf einem faktisch unverzinsten Sparbuch zu parken. Denn der Beschenkte oder der Erbe wird sich um ein paar Tausender in wenigen Jahren vermutlich gerade noch ein Wurstsemmerl kaufen können.

Merke: Zur Entfesselung einer Hyperinflation bedarf es keines Krieges! Als einzig wertbeständiger, nicht inflationierbarer Ausweg bietet sich heute – deprimierend genug – nur noch das Horten von Edelmetallen (bevorzugt Gold und Silber) an.

Ist nun die Welt, nachdem eine völlig moralfrei agierende Koalition aus Regierungen, Noten- und Geschäftsbanken das Sparen (mittels Sparbüchern, Lebensversicherungen und anderen festverzinslichen Anlageformen) erfolgreich geächtet oder sinnlos gemacht hat, tatsächlich zu einem besseren Ort geworden? Wohl kaum. Denn einiges spricht dafür, dass bereits im laufenden Jahr vielen von der Krise bis heute vermeintlich noch nicht Betroffenen klar werden wird, dass das nicht der Fall ist: Unbelastetes Eigentum macht frei. Schulden dagegen versklaven.

Der Jubel über die gerade noch umschiffte „Fiscal Cliff“ der USA kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zahlreichen Strukturprobleme der Vereinigten Staaten damit keineswegs gelöst sind. Der Zeitgewinn, den die EU durch die gerade noch abgewendete Pleite Griechenlands erzielt hat, wird wieder nicht dazu genutzt werden, um die europaweit nötigen, schmerzhaften Reformen umzusetzen. Um das vorauszusehen bedarf es keiner Kristallkugel. Und die Target-Verbindlichkeiten anderer Eurostaaten gegenüber Deutschland werden wohl auch anno 2013 weiter zunehmen. Die bundesrepublikanischen Sparer und Steuerzahler finanzieren auf diese Weise – was viele von ihnen noch nicht begriffen haben – den Export der deutschen Industrie in jene Länder, die ihre Rechnungen nie zu begleichen gedenken. Eine tolle Leistung – der Belieferten! Der Deutsche Michel hätte den PIIGS ihre Audis, BMWs, Mercedes´ und Werkzeugmaschinen also auch gleich schenken können – das hätte immerhin einigen Buchungsaufwand erspart…

Wie auch immer: Eine auf Bergen wachsender Schulden sitzende Staatengemeinschaft dürfte nicht gerade das sein, was man als Garant kollektiver Stabilität preisen könnte.

Wie formulierte es Paul Watzlawick: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“

Prosit 2013!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Die grüne Schlacht gegen Hänge-WC und Badfliesen

05. Januar 2013 00:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele Jahre war der Berliner Stadtteil Pankow ein Synonym für die dort ansässige DDR-Regierung. Heute zeigt der Bezirk eine Rückkehr des Totalitarismus in breiter Front – und die real existierende grüne Wohnungspolitik. Da kann selbst die Wiener Bürgerhasserin und Mietzins-Reguliererin Vassilakou noch vieles lernen (aber diesbezüglich ist sie ja wohl lernfähig).

In Pankow wird von der Linken so richtig Ernst im Kampf gegen die Reichen gemacht. Dort ist sogar schon die Installierung von Hänge-WC genehmigungspflichtig, weil diese als zu luxuriös gelten. Dem grünen „Stadtentwicklungs-Stadtrat“ ist das als Kampfansage gegen die ihm verhasste „Luxussanierung“ aber noch viel zu wenig.

Seit dem Jahreswechsel ist es in etlichen Gebieten Pankows nun auch verboten, zwei Kleinwohnungen zu einer größeren zusammenzulegen. Weiters ist neuerdings verpönt, eine Fußbodenheizung zu installieren. Ebenfalls vom Verbot betroffen ist der Einbau von Kaminen, der Einbau eines zweiten Bades oder eines zweiten Balkons. Wärmedämmungen von Fassaden – einige Jahre lang die wichtigste Fahnenfrage für aufrechte Grüne! – wird jetzt auf einmal nur noch genehmigt, wenn nicht mit neuen Fenstern und Heizungen ohnedies die Vorgaben der „Energiesparverordnung“ erreicht werden.

In anderen grün regierten Gegenden Berlins ist es untersagt, Bäder bis zur Decke zu fliesen. In den nächsten Jahren soll überhaupt die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen verboten werden, ebenso die gewerbliche Nutzung von Wohnungen (in einer Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit!).

Ursache des grünen Klassenkampfs – der natürlich auch von den dortigen Roten unterstützt wird – ist der Zuzug besser verdienender Familien. Andere Städte locken solche Mieter an, aber in Pankow will man sie nicht. Die Linksparteien fürchten ganz offensichtlich dadurch den Verlust von Wählern und lokalen Mehrheiten. Das geben sie natürlich nicht offen zu, sondern sprechen von der Notwendigkeit einer „Durchmischung“. Das heißt aber nichts anders, als dass letztlich die Politik vorgibt, wer wo wohnt.

Ähnliche Motive hatte ja auch jahrzehntelang in Wien die SPÖ. Sie hat deswegen in die teuersten Wohngegenden am Westrand der Stadt Gemeindebauten und parteinahe Studentenheime hineingebaut, um die politischen Mehrheiten in den dortigen Bezirken umzudrehen. So weit, dass sie den Menschen auch noch die Verbesserung ihrer eigenen Wohnungen verboten hätten, sind aber nicht einmal die Wiener Genossen gegangen. Dazu brauchte es wohl erst die Grünen.

Was wird dann wohl als nächstes kommen? Mit hoher Wahrscheinlichkeit und Logik droht dann die Zwangseinweisung von Mietern und die Festlegung von Quadratmeter-Höchstgrenzen pro Kopf. In Pankow ist es ja auch noch gar nicht so lange her, dass die dort lebenden Menschen das alles erdulden mussten (nur natürlich nicht in den Wohnungen und Häusern der herrschenden Nomenklatura).

Anders als mit einer ständigen Eskalation solcher regulatorischen Zwangsmaßnahmen können die Linken den steigenden Wohnbedarf nämlich gar nicht mehr in den Griff bekommen. Gerade in Berlin sind die Stadtkassen radikal leer, die Stadt kann also kaum bauen. Und kein privater Investor wird dort Geld anlegen, wo er mit solchen radikalen Enteignungsmethoden rechnen muss.

Zwar ist es richtig, dass durch Zusammenlegungen Wohnungen verloren gehen. Aber das in einem funktionierenden Wohnungsmarkt angelockte Investitionskapital würde selbst bei starker Nachfrage (solange es genügend Stadtentwicklungsraum gibt) immer mehr Wohnraum schaffen, als solcherart verloren geht.

Kompliziertere ökonomische Zusammenhänge waren den Linken jedoch immer schon fremd. Und die Freiheit der Menschen, die frecherweise heute etwas komfortabler wohnen wollen als vor 100 oder 200 Jahren, ist für Grüne und Rote sowieso ein Verbrechen.

Drucken

Wohin mit meinem Geld?

02. Januar 2013 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Babyboomer-Generation wechselt in die Pension. Nach fast sieben Jahrzehnten ununterbrochenen Aufstiegs Österreichs vom ärmsten Land Europas auf heutige Höhen stehen viele aus dieser Generation vor der Frage: Wohin mit meinem Geld? Sie haben gut verdient und noch einige Jahrzehnte Lebenserwartung vor sich. Sie wissen aber, dass die Bevölkerungspyramide deformiert ist, dass der Anteil der Erwerbstätigen schrumpft, die den Wohlstand absichern.

Daher geht das Vertrauen in die staatliche Altersversorgung verloren – verliert diese doch schon seit längerem für viele alljährlich an realem Wert. Daher verbreitet sich die Erkenntnis: Nichts ist wirklich absolut sicher. Alle Versprechungen der Politik, Sicherheit zu garantieren, sind in den Ohren der Menschen zu hohlem Wahlkampfgetöse geworden.

Auch „todsichere“ Anlage-Tipps vermeintlich guter Freunde sind oft geplatzt. Statt dessen gewinnen alte Weisheiten wieder an Bedeutung: Höhere Sicherheit hat auch einen höheren Preis; man kann höchstens die Wahrscheinlichkeit von Risiken verändern; man sollte seine Eiervorräte nicht alle in das gleiche Nest legen. Zugleich bekommen aber auch scheinbar altmodische Begriffe wieder einen hohen Stellenwert. Wie etwa: Familie, Heimat, Freundschaft, Treue, kulturelle Interessen, für so manche auch Religion. Die Renaissance dieser Werte ist keine Flucht, sondern kann auch ein Gewinn an Tiefe und Wärme sein.

Dennoch lebt der Mensch nicht vom Sinn allein. Fast jeder versucht, materielle Behaglichkeit, Lebensqualität, Pflege, gute medizinische Betreuung bis an sein Lebensende zu sichern. Das kostet – und zwar umso mehr, je öfter über eine Gesundheits- und eine Pensionsreform geredet wird. Beide sind zwar aus budgetären Gründen unvermeidlich, aber für den einzelnen belastend.

Niemand will jedoch am Straßenrand stehen und alte Schuhe als letzten Besitz verkaufen, wie es Zehntausende Osteuropäer nach dem Zusammenbruch der Staatswirtschaften mussten. Daher erhält die materielle Vorsorge immer mehr Aufmerksamkeit. So lässt sich der Aktienboom der jüngsten Zeit erklären. So der Gold-Run der letzten Jahre. So der kräftige Anstieg der Immobilienpreise (alleine in einem Jahr um acht Prozent, in guten Lagen noch deutlich mehr!). Alle diese Booms können und werden aber auch enden. Gerade das Platzen von Immobilien-Blasen, also der steile Absturz der Boden-Preise von Amerika bis Spanien, hat schwere Krisen ausgelöst. Existenzen wurden vernichtet, wo Eigenheime nicht mit Erspartem, sondern mit Hypotheken finanziert sind. Dazu kommt, dass eine Erhöhung der Grundsteuern die einzige Chance ist, wo die überschuldeten Staaten noch ihre Einnahmen wirksam erhöhen können. Also ist nicht einmal mehr das eigene Haus absolut sicher.

Ringsum wächst die Unsicherheit. Am besten ist es da wohl noch, wenn wir zumindest versuchen, dies positiv zu sehen: Unsicherheit macht das Leben spannend und wie seit Jahrtausenden zu einer einzigen Herausforderung.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Krumme Gurken, schrumpelige Äpfel und selektive Aufregungen

01. Januar 2013 05:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie war jahrelang einer der häufigsten Kritikpunkte, der gegen die Europäische Union vorgebracht worden ist: die Gurkenkrümmung. Jeder Provinzpolitiker erregte sich darüber, dass die EU auch solche, ja wirklich überflüssige Dinge regle. Diese Gurken-Aufregung hat sich jahrelang wohl am festesten von allen EU-Themen in den Köpfen an den Stammtischen eingegraben. Dennoch war sie unberechtigt. Hingegen haben die EU-Bürger über viele andere echte Fehler der europäischen Bürokratie desinteressiert hinweggesehen.

Die Regelung der Gurkenkrümmung war keine unziemliche Einmischung der EU in unser Essen, sondern eine Hilfe für den Lebensmittelhandel. Die dieser auch unbedingt wollte.

Die Regelung hat in Wahrheit niemanden gestört. Denn: Es hat praktisch kein EU-Durchschnittsbürger mitbekommen, dass die Regelung – wie viele andere europäische Vermarktungsnormen im Agrarsektor – schon seit 2009 außer Kraft ist. An der Praxis im Handel hat sich aber seither absolut nichts geändert.

Die Gurkenkrümmungsnormen und viele ähnliche Regeln waren nämlich in Wahrheit äußerst sinnvoll: Sie haben den europaweiten Lebensmittelhandel vereinfacht. Die Käufer wussten, was jede einzelne Handelsklasse bedeutet, die sie irgendwo in Europas kaufen.

Der Griff des Konsumenten entscheidet

Solche Normen gehen letztlich auf Wünsche der Konsumenten zurück, oder genauer auf ihr Handeln. Diese mokieren sich zwar bei Umfragen gerne über die Gurkenkrümmung, greifen aber im Gemüsegeschäft und Supermarkt immer nur nach den schön geraden Gurken. Daher haben Bauern, die krumme Gurken liefern wollen, auch nach Abschaffung der EU-Normen genauso geringe Chancen auf Abnehmer wie vorher.

Der Handel hat das Aus für die EU-Regelung jedenfalls blitzschnell durch andere Markt-Usancen ersetzt. Insbesondere war dabei die ECE, die UNO-Wirtschaftskommission für Europa, hilfreich. Deren Richtlinien sind zwar unverbindlich, aber in der Kette Bauern-Großhändler-Gemüseregale-Konsumenten eben überaus hilfreich.

Daher gibt es weiterhin Zucchini der Klasse 1; diese dürfen nur einen Stiel von maximal drei Zentimetern Länge haben. Daher wird Spargel auch künftig nur rechtwinkelig abgeschnitten. Daher haben unförmige Karotten keine Chance gegen das orange Gardemaß.

Daraus kann man zweierlei lernen: Erstens hat die EU erfahren, dass sich schlechte Nachrichten (eben die von den angeblich schikanösen Gurken-Richtlinien) immer viel stärker verbreiten als gute Nachrichten. Der Union hat daher die erhoffte Imageverbesserung durch die Abschaffung der meisten Lebensmittel-Regelungen überhaupt nicht geholfen. Sie hat das freilich auch nicht mit einer Kommunikations-Strategie zu nutzen versucht.

Wann wird „biologisch“ gekauft?

Die zweite Lehre handelt vom Stichwort „Bio“: Gemüsehändler können auf die Kiste mit den schrumpeligen Äpfeln noch so groß „Bio“ draufschreiben. Genommen werden jedoch nur die schönen, fehlerfreien Exemplare. Daran ändert auch der Umstand nicht, dass an sich die Konsumenten bei Umfragen immer große Begeisterung über angeblich oder wirklich biologisch erzeugte Lebensmittel äußern (was „biologisch“ auch immer konkret bedeuten mag).

Als Käufer greifen sie jedoch höchstens dann zu Bio-Lebensmitteln, wenn diese optisch genauso schön wirken wie normale Produkte. Das geht natürlich am leichtesten, wenn sich das Produkt dem Konsumenten schön verpackt präsentiert, wie beispielsweise Yoghurt oder Milch. Dieses Verhalten wird wiederum vom psychologisch einfallsreichen Handel ganz gezielt genützt, um dem Konsumenten solche verpackten Bio-Produkte nun viel teurer zu verkaufen. Hingegen sind bei unmittelbar sichtbaren Angeboten wie Obst und Gemüse die meisten Bio-Bemühungen wieder weitgehend eingestellt worden. Hier verkauft sich nur strahlende Schönheit.

Das führt nun zu problematischen Folgen am Beginn der Lebensmittelproduktion, aber auch im Handel: Alles, was nicht so schön aussieht, wird erbarmungslos weggeschmissen, auch wenn es problemlos genießbar wäre. Dadurch wandert weit mehr als ein Drittel der einschlägigen Gewächse direkt auf den Komposthaufen.

Das kann man nun in Sonntagspredigten kritisieren und tadeln. Aber man sollte weder den Bauern noch dem Handel die Schuld daran geben, und auch nicht der EU. Entscheidend sind wie immer in einer freien Wirtschaft die Konsumenten. Also wir.

EHEC als Bio-Killer

Mitschuld an der geringen Popularität von biologischem Obst und Gemüse trägt aber auch die einstige EHEC-Infektion. Diese war direkte Folge einer biologischen Erzeugungsweise. An EHEC sind vor allem in Deutschland immerhin Hunderte Menschen schwer erkrankt. Was nur deshalb wenig ins Bewusstsein eingedrungen ist, weil die Medien die Berichterstattung drastisch hinuntergefahren haben, als der „Bio“-Zusammenhang klar wurde.

Unbestreitbar hat EHEC jedenfalls viel mehr Menschen unmittelbar geschädigt als die Zerstörung eines japanischen Atomkraftwerks durch einen Tsunami. Über diesen AKW-Unfall ist aber Tausendmal mehr berichtet worden als über EHEC. Und die Folgen sowie Kosten der dadurch ausgelösten deutschen Energiewende sind in ihren Dimensionen für ganz Europa noch gar nicht absehbar.

Noch einmal zurück zur Gurkenkrümmung: Die etwa rund um den österreichischen EU-Beitritt, aber auch in den Jahren nachher überdimensionale Beachtung des Themas zeigt, wie wenig die Intensität der öffentlichen Debatte mit der wirklichen Bedeutung korreliert.

Die einstige Gurken-Aufregung steht etwa in totalem Missverhältnis zum heutigen europäischen Desinteresse an den EU-Finanzen. Dabei müsste beispielsweise in diesen Tagen ein lauter Aufschrei über eine kräftige Erhöhung der europäischen Beamtenbezüge durch den Kontinent gehen. Diese Bezüge springen nämlich kräftig nach oben, weil sich die Mitgliedsländer nicht über die Verlängerung einer Solidaritätsabgabe für die Beamten einigen konnten. Das ist in Zeiten einer europaweiten Schuldenkrise und angesichts der auch nach Abzug der Solidaritätsabgabe enorm privilegierten Beamtengehälter eine unglaubliche Provokation.

Diese ist zumindest bisher völlig untergegangen.

Zigaretten-Schockbilder und Flughafen-Tarife

Viel interessanter wäre derzeit auch die Frage, ob es nicht viel schlauer wäre, den – unbestreitbar – schwer ungesunden Zigarettenkonsum durch Preiserhöhungen an Stelle der geplanten medizinischen Schockbilder zu bekämpfen. Das würde vor allem Jugendliche viel mehr abschrecken, die ja die entscheidende Zielgruppe bei Gesundheits-Initiativen sein müssten. Noch dazu, wenn man weiß, dass vor allem geldknappe Unterschichts-Jugendliche überdurchschnittlich anfällig fürs Rauchen sind. Postpubertäre Jugendliche kommen sich hingegen toll vor, wenn sie ihren „Mut“ zeigen können, indem sie trotz der von Brüssel künftig verordneten grauslichen Bilder rauchen.

Ebensowenig für Debatten sorgt der Widerstand von – auch österreichischen – Abgeordneten gegen mehr Wettbewerb bei der Bodenabfertigung von Flugzeugen. Die Kommission wollte durchsetzen, dass mindestens drei Bewerber im Rennen sein müssen, und hätte dafür unsere laute Unterstützung verdient. Den Abgeordneten genügen jedoch zwei. Das ist keineswegs eine bloß akademisch-bürokratische Frage. Denn den Unterschied zahlen die Konsumenten, also die Flugpassagiere. Und dass zwischen nur zwei Marktteilnehmern der Wettbewerb nicht gerade stark ist, sollte man auch im EU-Parlament bedenken.

Wir aber können über die merkwürdigen Mechanismen nachdenken, wann in Europa ein Thema zum Thema wird, und wann nicht. Die Gurkenkrümmung war jedenfalls das falsche Thema.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Fußnote 382: Der Atomunfall hat krank gemacht

29. Dezember 2012 01:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt ist es ja doch bewiesen: Gesundheitsschäden für Fukushimas Kinder.

Bei einer großen Erhebung des japanischen Erziehungsministeriums ist es herausgekommen. Die Kinder aus der Präfektur Fukushima sind heute weniger gesund als vor dem Tsunami und damit auch vor der durch diesen bewirkten Zerstörung des Atomkraftwerks. Zumindest in einer Hinsicht: Diese Kinder sind heute viel dicker, ihr Gewicht liegt japanweit in den meisten Altersgruppen an der Spitze, was vor dem Umfall nicht der Fall war. Wie das? Nun die Erklärung passt vielleicht nicht ganz ins Bild, das sich die Welt gemacht hat: In Fukushima sind nach dem Atomunfall alle sportlichen Aktivitäten im Freien massiv eingeschränkt worden. Ob sich diese möglicherweise übervorsichtige Reaktion auf den Unfall am Ende als schädlicher erweisen wird als die von Medien und Politik dramatisch dargestellte Verstrahlungsgefahr?

Drucken

Das Abhausen von Backhausen

22. Dezember 2012 00:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Backhausen ist einer der letzten alten Qualitätsbetriebe dieses Landes. Und er ist über Nacht aus dem Familienbesitz geschwunden. Was im Falle einer Insolvenz zwar jenseits aller Nostalgie durchaus üblich ist. Aber es gibt ein paar auffällige Merkwürdigkeiten.

Eine davon ist, dass nun eine Gruppe um einen gewissen Alfred Gusenbauer zu den neuen Eigentümern zählt. Das freut einmal. Ich freue mich ja über jeden Sozialdemokraten, der in der Wirklichkeit des Lebens lernt, wie sehr sich dieses von den Sprüchen einer Arbeiterkammer oder seiner ehemaligen Partei unterscheidet.

Gleichzeitig taucht freilich die unbescheidene Frage auf, woher der vor vier Jahren aus der Politik ausgeschiedene Politiker in der Zwischenzeit eigentlich so viel Geld angesammelt hat, um sich die Unternehmensübernahme leisten zu können. Immerhin hat Gusenbauer ja immer seine arme Herkunft betont. In der hat es nicht wie bei einem Hannes Androsch den angeblich reichen Onkel gegeben.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich hat auch ein Gusenbauer das Recht, gut und schnell zu verdienen. So wie es auch der SPD-Mann Steinbrück mit üppigen Vortragshonoraren getan hat. Man wird nur sehr hellhörig, weil man in den letzten Jahren von Gusenbauer keine Vorträge, sondern seinen Namen fast nur in Zusammenhang mit folgenden zwei Netzwerken gehört hat: Das eine war eine diskrete Fortsetzung seiner alten sozialdemokratischen Beziehungen. Das andere waren auffällig viele Kontakte zu mittelasiatischen Diktatoren.

Irgendwie seltsam, dass sich niemand für Gusenbauers Tätigkeit in diesen Jahren interessiert. Und dass er selber so wenig darüber erzählt. Wenn man das mit dem intensiven und anhaltenden Interesse vor allem der diversen Wochenmagazine für die Aktivitäten des Karl-Heinz Grasser vergleicht, denkt man sich seinen Teil.

Interessant ist aber auch die Rolle der Gläubiger-Bank des Backhausenschen Unternehmens. Wenn die Vorwürfe des bisherigen Eigentümers stimmen sollten, dass die Bank einen von ihm präsentierten Sanierungsvorschlag ignoriert hat, dann ist das zumindest merkwürdig. Und dass binnen 24 Stunden nach dem Ablehnung des Vorschlags von Backhausen die Gusenbauer-Gruppe und die Bank selber bereitstanden und das Eigentum übernahmen, ist zumindest ungewöhnlich schnell.

Dazu kommt die Pikanterie, dass die niederösterreichische Hypo am engen Faden der ÖVP hängt. Und nun hat sie sich ausgerechnet die Gusenbauer-Gruppe ausgesucht.

Nicht weniger interessant ist aber auch der Crash der Backhausens selber. Warum hat sich ein Haus, das für qualitätsvolle und dementsprechend teure Wohntextilien bekannt war, zuletzt ständig und lautstark – ausgerechnet – als ökologisch engagiert verkauft? War man da nicht am völlig falschen Dampfer unterwegs?

Und zu guter letzt die über individuelle Merkwürdigkeiten hinaus gewichtigste Frage: Erleben wir ein weiteres Kapitel im offenbar unaufhaltsamen Abschied der Textilindustrie aus Mitteleuropa? Kann nicht einmal mehr im Hochqualitätsbereich eine Produktionsstätte im Waldviertel mit den Nichteuropäern mithalten? Zumindest diesen Aspekt sollten wir alle sehr ernst nehmen, auch wenn in unseren Wohnungen vielleicht nur billige Ikea-Vorhänge hängen, oder gar keine. Immerhin hat auch Backhausen einen indischen Käufer präsentiert.

 

Drucken

In welchem Bundesland verdient man am meisten?

20. Dezember 2012 18:04 | Autor: Andreas Unterberger

Median der Bruttojahreseinkommen unselbständig Erwerbstätiger 2011 nach Bundesland

 

Bundesland Medianeinkommen
Niederösterreich

27.236

Burgenland

26.427

Oberösterreich

26.261

Vorarlberg

25.342

Österreich gesamt

25.310

Steiermark

24.949

Kärnten

24.705

Wien

24.339

Salzburg

23.800

Tirol

22.955

Quelle: Rechnungshof

Drucken

In welcher Position verdient man am besten?

20. Dezember 2012 16:48 | Autor: Andreas Unterberger

Medianeinkommen ausgewählter Gruppen nach Stellung im Beruf

 

Position Gehalt
Hilfsarbeiter 11.444
Angestellte – Hilfstätigkeiten 6.703
Vertragsbedienstete – Hilfstätigkeiten 24.121
Beamte – Hilfstätigkeiten 35.321
Vorarbeiter/Meister 36.871
Angestellte – führend 60.349
Vertragsbedienstete – führend 42.570
Beamte – führend 62.148

Anmerkungen:

Der öffentliche Bereich unterscheidet sich im Vergleich zum privatwirtschaftlichen in zwei Hinsichten:

  1. wesentlich höheres Medianeinkommen,
  2. geringere Einkommensdifferenzen zwischen den verschiedenen Tätigkeiten,

dies wird mit der besseren Bezahlung in unteren Einkommenspositionen und den geringeren Unterschieden in den oberen Einkommenspositionen begründet.

Weiters ist mit ausschlaggebend

Quelle: Rechnungshof

Drucken

In welchen Branchen verdient man am besten/schlechtesten?

20. Dezember 2012 16:40 | Autor: Andreas Unterberger

Medianeinkommen ausgewählter Branchen 2011 in Euro

 

Branche Einkommen
Energieversorgung 50.636
Finanz- & Versicherungsdienstleistungen 40.835
Information  & Kommunikation 39.029
Beherbergung & Gastronomie 9.464
Kunst, Unterhaltung, Erholung 14.456
sonst. wirt. Dienstleistungen 14.885

Quelle: Rechnungshof

Drucken

Struktur der Unselbständigen

20. Dezember 2012 16:33 | Autor: Andreas Unterberger

Anzahl der unselbständig Erwerbstätigen, Veränderung zu 2010 & Median-Einkommen ausgewählter Gruppen nach Art der Beschäftigung

 

Beschäftigung Anzahl Veränderung Einkommen
Gesamt 4.004.748 + 2,68 24.843
Angestellte 1.859.057 + 2,27  
Arbeiter 1.600.684 + 4,04 18.157
öff. Vertragsbedienstete 331.280 + 2,14  
Beamte 213.727 – 2,69 49.274
Lehrlinge 136.241 – 1,84  

Quelle: Rechnungshof

Drucken

Das Ablenkungsmanöver

14. Dezember 2012 12:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Wiener dürfen also jetzt von rotgrünen Gnaden über einige politisch gesteuerte Fragen abstimmen, nachdem die Stadtverwaltung zuvor eine mit eigentlich ausreichend Unterschriften beantragte Abstimmung verhindert hat. Dem Rathaus ist es egal, dass das höchstwahrscheinlich rechtswidrig war. Neben einigen skurrilen Fragen ist dabei vor allem das interessant, worüber nicht abgestimmt wird, wo aber ein Votum viel wichtiger wäre

Es wird nicht über das Verbot von Fremdwährungsgeschäften und anderen kurzfristig das Budget schonenden, aber langfristig risikobelasteten Konstruktionen abgestimmt. Diese Frage wäre ja gerade besonders aktuell.

Es wird nicht abgestimmt über die hohen Beträge, mit denen das Rathaus alljährlich gefügige Medien besticht, pardon: mit „Medienaufträgen“ finanziert.

Es wird nicht abgestimmt über eine effektive Schuldenbremse gegen die in den letzten zwei Jahren explodierte Verschuldung der Stadt.

Es wird nicht abgestimmt über die absurden und menschenverachtenden Verkehrsprojekte der Grünen von der Sperre der Mariahilferstraße bis zur Blockade der Langegasse, die den innerstädtischen Verkehr zwischen Gürtel und Zweierlinie total zum Erliegen bringen werden.

Es wird nicht gefragt, ob für die sogenannten Parkpickerl weiterhin Gebühren eingehoben werden, die weit über die eigentlichen Ausstellungskosten hinausgehen.

Es wird nicht gefragt, ob weiterhin Radfahrer Fußgänger gefährden dürfen, insbesondere durch Radwege auf Gehsteigen.

Dafür dürfen wir abstimmen, ob Wien ein paar Milliarden als Austragungsort von Olympia 2028 hinauswerfen soll. Das müssten freilich erst die Nachnachfolger der jetzigen Rathausmänner irgendwie finanzieren, was sie aber mit Sicherheit nur mit einer neuen Olympia-Abgabe und weiteren Schulden schaffen werden. Vorerst darf jedoch der von Steuergeldern lebende Boulevard mit diesem Thema von allen wirklichen Problemen der Stadt ablenken.

Dafür wird mit polemischen Formulierungen gefragt, ob der letzte europäische Realsozialismus, nämlich die teuren und spekulationsfreudigen Wiener Parteibetriebe, offiziell: „kommunalen Betriebe“ so aufrechterhalten werden wie bisher. Diese Frage bedeutet im Klartext, ob all die dortigen Protektionsbonzen weiterhin vor Leistung und Wettbewerb „geschützt“ bleiben, wie es im Wortlaut der Frage heißt. Das ist im übrigen auch eine Frage, die mit großer Wahrscheinlichkeit gegen das EU-Recht verstößt.

Dafür wird nach einem völlig unklaren Modell einer Wiener Parkraumregulierung gefragt werden und gar nach einem subventionsverschlingenden Solarkraftwerk.

Das ist rot-grüne Realität. Das ist Wien. Hier wird nicht wie in der Schweiz über all das abgestimmt, was die Bürger für wichtig halten, sondern nur über solche Themen und Themchen, mit denen das Rathaus die Bürger ablenken will.

 

Drucken

Spritpreisdatenbank international umstritten

13. Dezember 2012 03:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Die Meinungen über eine öffentlich zugängliche Spritpreis-Datenbank sind geteilt. In Österreich hat sich ein entsprechendes Modell nun einmal eingebürgert, es gibt im Schnitt etwa 20.000 Aufrufe der einschlägigen Datenbank bei der E-Control. Selten gibt es Beschwerden; wer sich nicht an die vorgegebenen Regeln hält, könnte bestraft werden (dafür zuständig sind die Bezirkhauptmannschaften). Von Verurteilungen ist aber nichts bekannt. Ein Wiener Tankstellenbetreiber lässt den Spritpreisrechner allerdings vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) überprüfen. Er erachtet sich in den Grundrechten auf Eigentum und Erwerbsfreiheit verletzt und beklagt, dass die Regelungen unklar und gleichheitswidrig seien. Die Verfassungsrichter nehmen die Beratungen dazu in der Dezember-Session (bis 14. Dezember) auf.

Im benachbarten Ausland hat es ähnliche Überlegungen gegeben, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. In Deutschland ist ein ähnliches Modell in Vorbereitung. Südtirol hat sich ebenfalls dafür interessiert und wollte für die Installierung die heimische E-Control gewinnen. Diese wollte aber nicht.

In der Schweiz hat es auch Überlegungen gegeben, die allerdings auf breite Ablehnung gestoßen sind – es wird von einer völligen Überregulierung gesprochen. Sowohl der Automobilclub der Schweiz (ACS) als auch der Touringclub der Schweiz (TCS) finden eine Meldestelle für Treibstoffpreise unnötig. Das sei unnötige Bürokratie. Einer staatlichen Meldestelle würde man nur zustimmen, wenn diese mit keinem zusätzlichen Aufwand für die Tankstellenbetreiber verbunden wäre oder der Aufwand für das Übermitteln der Daten abgegolten würde. Auch die Schweizer politischen Parteien können sich für diesen Gedanken nicht erwärmen. Das entspreche einfach nicht der freien Marktwirtschaft. Wenn der Staat eine Meldepflicht einführe, müsse er auch die Einhaltung kontrollieren, was unnötig teuer werde.

Auf taube Ohren stößt man auch bei der Schweizer  Erdölvereinigung. Sie wehrt sich mit Händen und Füßen gegen eine solche überflüssige Regulierung. Die mehr negative als positive Auswirkungen hätte. Der befürchtete Benzintourismus würde unökologische und unwirtschaftliche Fahrten fördern. Die Erfahrungen aus Österreich würden zeigen, dass die Treibstoffpreise seit der Einführung der Kontrollstelle nicht dauerhaft signifikant gesunken sind.

Das können sie auch nicht, denn das heimische Preisniveau ist, im Vergleich zur Schweiz, ungleich niedriger. Durch den anhaltenden Wettbewerb pendeln sich die Nettopreise (also ohne Steuern) in Österreich auf einem rekordverdächtig tiefen Niveau ein. In der EU gibt es kein Land, wo so wenig verdient wird wie in Österreich. Lagen die Nettopreise Anfang Oktober in Deutschland bei Benzin noch um zwei Cent und bei Diesel um drei Cent höher als in Österreich, so beträgt der Abstand derzeit bereits acht bzw. fünf Cent. Das heißt, in Österreich ist weit weniger zu verdienen als beim deutschen Nachbarn.

Meldungen von Boulevardzeitungen, wonach vor Weihnachten wieder ein „Abzocke“ bei den Treibstoffpreisen erfolgen werde, sind bar jeder Realität.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Die Lehren von Onkel Dagobert

07. Dezember 2012 05:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

In Anlehnung an Ebenezer Scrooge, die Hauptperson in Charles Dickens´ Roman „A Christmas Carol“, heißt der habgierige und geizige Onkel von Donald Duck im amerikanischen Original Scrooge McDuck. Anno 1947 trat die Figur erstmals in Erscheinung. Nachdem die bereits einige Jahre zuvor geborenen Helden Donald, Daisy, Tick, Trick und Track propagandistisch gegen die bösen Nazis im Einsatz waren, wurde nun – in der Zeit einer nach dem kostspieligen Krieg notwendig gewordenen Staatsfinanzkonsolidierung – Dagobert als das prototypische Feindbild eines amoralischen Finanzkapitalisten in Stellung gebracht.

Jedem Konsumenten der Disney´schen Cartoons sind Onkel Dagoberts „Geldspeicher“, in denen er Gold und Bargeld hortet, ebenso ein Begriff, wie sein krankhafter Geiz. Doch Geiz und das Horten von Geld (das eine der beiden möglichen Formen des Sparens darstellt) – sind es ja eben nicht, die den Finanzkapitalisten kennzeichnen. Denn der bunkert sein Geld nicht im Tresor, sondern er lässt es „arbeiten“. Zudem investiert der Finanzkapitalist außerdem meist geliehenes – von den Banken aus dem Nichts geschaffenes – Geld, was ihn von Onkel Scrooge deutlich unterscheidet. Der kann Schuldenmacherei bekanntlich nicht ausstehen.

So ergibt sich ein widersprüchliches Bild, das durch einen zweiteiligen, in den Sechzigerjahren produzierten Cartoon verstärkt wird, der auf Youtube zu findend ist:

Erster Teil
Zweiter Teil

Onkel Dagobert erklärt in dem kurzen Streifen seinen drei Enkeln Funktion und Wesen des Geldes, des Wirtschaftens, und des Budgetierens. Dass Geld zirkulieren müsse, ist eine der erteilten Lektionen. Das ist trivial, wenn es um die Erklärung geht, weshalb es Geld als intermediäres Tauschmittel überhaupt gibt. Anders könnte es seine Funktion ja nicht erfüllen. Dass eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu einer Steigerung des Wohlstands führt, ist indessen ein Fehlschluss. Dass Tischler, Schuster und Bäcker deshalb reicher werden sollen, weil ihre Produkte rascher miteinander tauschen, erscheint nicht besonders logisch.

Richtig dagegen ist Dagoberts Lob des Sparens, da damit die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, nachhaltig profitable Investitionen zu finanzieren. Dass es dazu „stabilen Geldes“ anstatt schuldbasiertem Fiat Moneys bedarf, stimmt ebenfalls. Umso schmerzlicher, dass gleich darauf dennoch staatliches Schuldgeld gepriesen wird, das durch nichts weiter als durch „Vertrauen in die Regierung“ unterlegt ist…

Dass für den passionierten Geldsammler Scrooge McDuck Inflation eine „Schweinerei“ ist, liegt wiederum auf der Hand. Und recht hat er: Nichts eignet sich besser dafür, Sparer zu enteignen und langfristige Anlagen zu entwerten, als diese Art einer unsichtbaren Steuer, von der Milton Friedman einst gesagt hat sie sei „…die einzige Form der Besteuerung, die ohne Gesetzgebung ausgeführt werden kann.“ Auch mit seinem Plädoyer für eine solide Haushaltsführung und Budgetplanung aller Haushalte liegt der alte Geizkragen mit dem Nasenzwicker goldrichtig. Es geht eben einfach nicht lange gut, mit Ausgaben zu leben, welche die Einnahmen laufend übersteigen.

Dass „Gutes niemals gratis ist“, ist ebenfalls eine Weisheit, die sich die Umverteilungsenthusiasten in Regierungen und Staatsbürokratien hinter die Ohren schreiben sollten. Es gibt einfach kein freies Mittagessen. Irgendjemand (sicher nicht die Regierenden!) hat immer die Rechung zu bezahlen. Und dass schließlich „weises Investieren eine Kunst“ ist, wird jeder bestätigen, der bereits Geld verloren hat, weil er auf das falsche Pferd gesetzt hat.

Eloquente Hauptstromökonomen beten uns seit 1936, jenem unseligen Jahr, in dem John Maynard Keynes seine „General Theory of Employment, Interest and Money“ publizierte, unentwegt vor, dass man mittels Konsumexzessen breiten Wohlstand schaffen könne. Ein logischer Fehler, der auf einer unterstellten Kausalität basiert: Reiche Menschen konsumieren viel, also ist es der Konsum, der reich macht. Onkel Dagobert weiß es allerdings besser: Zur Wohlstandsbildung bedarf es eines Kapitalstocks. Und der kann nur durch das Mittel des Konsumverzichts aufgebaut werden…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Die flachen und die steilen Steuern

06. Dezember 2012 00:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was ist gerechter? Eine progressive Steuer, bei der mit steigendem Einkommen ein immer höherer Prozentsatz fällig wird, oder eine Flat tax, bei der immer der gleiche Prozentsatz kassiert wird? Eine ethische Debatte über Gerechtigkeit lässt sich nächtelang führen. Beide Steuermodelle haben manches für sich. Aber zweifellos hat bei uns die progressive Steuer derzeit die höheren moralischen Ebenen für sich. Daher haben wir eben bei der Einkommensteuer eine Progression, daher wird bei vielen anderen scheinbar „flachen“ Steuern durch Freibeträge, durch niedrigere Sätze beispielsweise für Lebensmittel versucht, auch hier die Ärmeren zu bevorzugen und die Reicheren abzukassieren.

Ein kluger Staat würde freilich diese ethische Diskussion nicht führen. Der würde eher rational nachdenken: Was ist einfacher in der Einhebung? Wo gibt es weniger Steuerflucht und Steuerwiderstände? Was ist gut für das nationale BIP? Wo habe ich am Ende genug Einnahmen, um auch sozialen Schutz für alle Familien, Kranken und Alten zu finanzieren? Und da spricht alles für eine einfache und klare Flat tax ohne viele Ausnahmen und Schlupflöcher.

Dieses Prinzip hat sich in osteuropäischen Ländern mit etlichem Erfolg durchgesetzt. Trotz Senkung und Angleichung der Spitzensteuersätze war am Ende mehr in der Staatskasse. Weil die Leistungsträger besser motiviert waren. Weil die Steuerzahler ehrlicher wurden. Und weil es Steuerpflichtige gegeben hat, die ihre Einkommen plötzlich in Flat-tax-Ländern deklariert haben und nicht in „progressiven“ Ländern.

Eine Ausnahme dieser Erfolgsstory ist Ungarn – aber aus ganz anderen Gründen. Dort hat man durch andere neue Steuern und Schikanen begonnen, ganz gezielt Investoren – also vor allem Ausländer – zu schröpfen, um die einheimischen Wähler zu schonen. Diese eigenwillige Erfindung eines nationalen Sozialismus durch eine sonst konservative Regierung musste natürlich Schiffbruch erleiden.

Neben flachen und progressiven Steuern gibt es aber auch noch ein drittes Modell: die Pauschalbesteuerung in etlichen Schweizer Kantonen. Dort zahlt man ab einer gewissen Einkommenhöhe keinen Rappen zusätzlicher Abgaben mehr. Dieses Modell ist eine Hauptursache des Schweizer Reichtums, hat es doch zu einem Zuzug aus der ganzen Welt in diese Teile der Schweiz geführt. Für jeden, der viel zu versteuern hat, ist die Übersiedlung in die Schweiz hochinteressant – und im Gegensatz zum Verstecken von Geldern auf Schweizer Konten völlig legal. Man braucht nur die Zustimmung der betreffenden Gemeinde.

Für viele ist das trotz aller Erfolge ein absolut unmoralisches Modell. Daher ist in Österreich auch ein Finanzexperte gescheitert, der es vorgeschlagen hat – obwohl er eigentlich aus rotem Uradel und der Bank Austria gekommen ist. Gegen den nicht definierbaren Begriff Gerechtigkeit muss bei uns offenbar der Begriff Erfolg immer scheitern.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Fußnote 380: Die Taxis, der Bürgermeister und der freie Markt

02. Dezember 2012 01:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Wien werden die Taxis gerade wieder saftig teurer. Was etliches Kopfschütteln auslöst.

Erstens deshalb, weil Wiens Taxis ja derzeit ohnedies enorm von den grünen Bemühungen profitieren, das Verkehrschaos zu vermehren; das müsste ihnen eigentlich automatisch ständig mehr Geschäft verschaffen – freilich durchs Fahren, nicht durch Preiserhöhen. Zweitens ist es ziemlich absurd, dass hierzulande Preise noch immer wie einst im Ostblock vom Bürgermeister fixiert werden. Und drittens ist es unverständlich, dass in der Taxi-Branche noch immer keine Konkurrenz erlaubt ist. Ein Stefan Wehinger hat das hingegen sogar auf der Westbahnstrecke der ÖBB geschafft. In Wien zahlst Du jedoch immer gleich viel für ein Taxi. Ob es sauber ist oder schmutzig. Ob groß oder klein. Ob der Chauffeur vertrauen- oder (vor allem für einzelreisende Frauen) angsteinflössend ist. Ob er zumindest auf 20-Euro-Scheine herausgeben kann oder nicht. Ob er einen Rechnungsblock an Bord hat oder nicht. Ob er bei telefonischen Bestellungen auch wirklich kommt oder nicht. Ob er sich in Wien auskennt oder nach dem Motto pilotiert: „Du sagen, ich fahren.“ Die größte Absurdität ist da noch gar nicht erwähnt: Dass man nach wie vor bei Fahrten zwischen Stadt und Flughafen sogar weit mehr als den üppigen Betrag zahlen muss, den ein Taxameter errechnet; denn die Fahrzeuge dürfen im feindlichen Bundesland noch immer keine Passagiere aufnehmen. Dennoch rennen noch immer irgendwelche Idioten herum und schwätzen etwas von einer neoliberalen Deregulierung in Österreich . . .

 

Drucken

Ohne Industrie geht gar nichts

25. November 2012 01:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eine der klarsten Lehren aus der schon ins fünfte Jahr gehenden großen Krise: Ohne Industrie geht gar nichts. Das Gerede von der postindustriellen Gesellschaft, die nur über Dienstleistungen Werte schaffen könne, hat sich als Unsinn erwiesen. Denn je stärker ein Land industriell aufgestellt ist, umso besser hat es die Krise überstanden.

Bei den immer mehr Menschen beschäftigenden Dienstleistungen gibt es ein doppeltes Problem: Es geht zum einen um soziale Dienste (Pflege, Gesundheit usw.), wo nicht nur schlecht bezahlt wird, sondern wo die Finanzierung in hohem Ausmaß von öffentlichen Abgaben abhängig ist. Das ist bei allem Verständnis für die Nöte einer alternden Gesellschaft keine eigenständige Wertschöpfung.

Zum anderen sind viele der gut bezahlten Dienstleistungen rund um Industrie-Unternehmen angesiedelt. Dazu gehören technische Konsulenten ebenso wie Rechtsanwälte, PR, Werbung, EDV, Versicherungen, Banken, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Viele Dienstleister sind im Grunde nur outgesourcte Teile der Industrie. Ihre ökonomische Basis wird jedenfalls massiv unterminiert, wenn es weniger Industrieunternehmen gibt.

Deutschland und Österreich stehen in Sachen Industrie sehr gut da. Diese hat hier einen höheren Anteil an der Wertschöpfung als in den meisten anderen Staaten. Daher wurde hier auch die Krise relativ besser überstanden. Zumindest bisher.

Freilich trifft dieses Lob nicht für alle Regionen zu. Insbesondere die beiden Hauptstädte haben ein veritables Problem. Sie stehen beide viel schlechter da als der Rest des Landes. Das Problem in Berlin geht nicht zuletzt auf die Geschichte (Jahrzehnte der Teilung, die Insellage im Westen sowie das traurige Erbe der DDR im Osten) zurück; daneben spielt der hohe Migrantenanteil und die Größe radikaler Bevölkerungsgruppen eine negative Rolle.

Aber auch Wien hat eine katastrophale Bilanz: Hier gibt es nicht nur die weitaus höchste Arbeitslosigkeit Österreichs, sondern in den letzten Jahren auch den steilsten Anstieg der Verschuldung.

Zentrale Ursache der Malaise ist die industriefeindliche Politik der Bundeshauptstadt. Diese zu beklagen hat nun sogar die sonst dem Wiener Rathaus gegenüber sehr harmoniebedürftige Wiener Wirtschaftskammer-Präsidentin in einem ebenso mutigen wie empörten Vorstoß gewagt.

Wenn schon 13 Prozent der Unternehmen Betriebsstätten aus der Stadt abgezogen haben; wenn die Industriezonen um 16 Prozent geschrumpft sind; wenn Wien anderswo unbekannte Abgaben wie die U-Bahn-Steuer einhebt; wenn AUA und Flughafen international an Stellenwert verlieren; wenn 55 Prozent der Betriebe über die Bürokratie klagen (im Gegensatz etwa zum Industrie-Musterland Oberösterreich); wenn trotz der hohen Arbeitslosigkeit Lohnkosten und Grundstückspreise deutlich höher sind als anderswo: Dann wäre eine Schocktherapie dringend notwendig. Aber es sind nicht einmal Spuren eines homöopathischen Therapie zu finden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Ein gar nicht so blödes Steuerkonzept

24. November 2012 01:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Zwar hat sich die Industriellenvereinigung in den letzten Jahren in die PUV-Ecke manövriert, aber der Grundgedanke ihres neuen Steuerkonzepts ist absolut vernünftig. Daher ist es schade, dass solche Konzepte nur von einem inzwischen Politisch Unbedeutenden Verein kommen, während sonst Schweigen im österreichischen Walde herrscht.

Denn der Grundgedanke „Einkommensteuer hinunter, dafür Mehrwertsteuer hinauf“ ist richtig und notwendig. Die Einkommensteuer behindert Arbeit und Jobs, die Mehrwertsteuer behindert hingegen Konsum. Keine Frage, was in stürmischen Zeiten wie diesen mehr und was weniger behindert werden sollte. Dazu kommt das Faktum, dass bei den konsumierten Waren längst die Mehrheit der Wertschöpfung aus dem Ausland kommt, während die Einkommensteuer fast zur Gänze Arbeit im Inland belastet.

Daher ist es absolut schade, dass sich alle Parteien sofort gegen das IV-Konzept ausgesprochen haben. Die linken ganz besonders laut. Diese wollen ja in ihrer besonders begnadeten Dummheit Vermögen mehr besteuern – also bis auf Grund und Boden sowie Betriebsvermögen lauter Dinge, die binnen weniger Stunden ins Ausland transferiert werden können. Logischerweise hätten sowohl die drohende Vermögensflucht (die nach Angaben aus Bankenkreisen da und dort schon auf Grund der bloßen Vermögenssteuerdiskussion begonnen hat) wie auch die weitere Belastung von Betrieben einen negativen Effekt für die Republik.

Dass die von der Industrie vorgeschlagene Hinauf-Hinunter-Maßnahme durchaus sinnvoll wäre, zeigt sich auch beim Blick nach Europa. Solche Erhöhungen der Mehrwertsteuer und gleichzeitige Senkungen von Einkommen-, Lohn- und Körperschaftssteuer sind Eckstein praktisch aller Sanierungs-Strategien in den europäischen Krisenstaaten. Da die wirtschaftlichen Eckdaten Österreichs gar nicht so weit weg von vielen dieser Krisenstaaten sind, wäre es absolut weise, auch hierzulande einige Antikrisen-Maßnahmen zu beschließen. Statt Wahlzuckerln wie höhere Pendlerpauschale anzukündigen.

Überdies ist eine kleine Erhöhung der Mehrwertsteuer lange nicht so brutal und unsozial, wie es die direkte Kürzung von Pensionen und Beamtengehältern ist, welche die meisten Krisenstaaten gleichzeitig beschließen müssen. Die Vorarlberger Hausfrau würde sagen: Spare in der Zeit, so ersparst du dir die Not.

Auch die Abschaffung der ungleichen Besteuerungshöhe für den 13. und 14. Gehalt wäre an sich logisch, stellt dies doch eine kaum begründbare Bevorzugung von Dienstnehmern gegenüber Selbständigen dar. Allerdings ist dieser Vorteil inzwischen schon durch einige andere Maßnahmen gemildert.

Man darf aber fast annehmen, dass diese Forderung von den industriellen Konzepteschreibern als Sollbruchstelle gedacht ist. Denn keine politische Partei wird es jemals wagen, dieses Arbeitnehmer-Privileg anzutasten. Sie würde von Kronenzeitung und Wählern mit dem nassen Fetzen gejagt werden, selbst wenn die Republik schon bankrott sein sollte.

Kritisierenswert ist das an den Vorschlägen der Industriellenvereinigung aber nicht. Dafür jedoch drei andere Aspekte:

 

Drucken

Wirtschaftswachstum Österreichs seit 1995

22. November 2012 18:24 | Autor: Andreas Unterberger

Reales BIP-Wachstum Österreichs zwischen 1995 & 2011 in Prozent

 

Quelle: Rechnungshof – Bundesrechnungsabschluss 2011

Drucken

Marktwirtschaft versus konservative Wirtschaftsauffassung

21. November 2012 05:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Der Tagebuchbetreiber teilt Friedrich Romigs wirtschaftstheoretische Vorstellungen über weite Strecken nicht. Denn sie beruhen auf einem völligen Missverständnis von Marktwirtschaft, einem Ignorieren der durch sie erzielten Wohlstandsvermehrung und dem Fehlen jeder Wertschätzung für die Freiheit als zentralem Wert (auch des Christentums). Die liberalen Ökonomen waren auch die einzigen, die von Anfang konsequent die Schulden-Ansammlung in der EU sowie die diversen Rettungspakete kritisiert haben. Romigs Vorstellungen einer durch Stände und Kammern regulierten Ökonomie sind nicht nur im einstigen Ständestaat total gescheitert.
Die begeisterte Zitierung von Linksaußen-Ökonomen wie Kurt Rothschild zeigt trotz Romigs eigentlich konservativ-katholischen Hintergrunds die große Nähe seines Theorieansatzes zu sozialistischem Denken. Dieses war in der Geschichte immer die sichere Garantie für allgemeine Verarmung. Dennoch präsentiert das Tagebuch in der Folge Romigs Text ohne jede weitere Anmerkung, weil er eine konsistente Zusammenfassung einer sonst kaum noch so artikulierten Weltsicht darstellt, weil er jedenfalls als interessante Herausforderung gelten kann, und weil Mainstream-Medien solchen Sichtweisen keinerlei Artikulations-Chancen bieten. (a.u.)

„Marktwirtschaft" ist ein Kind des Liberalismus, Liberalismus ein Kind der Aufklärung.[i] Das Projekt der Aufklärung ist die Lostrennung („Emanzipation") des Menschen von Gott und schließlich von jeglicher Autorität unter Rekurs auf die als „mündig" angenommene einzelmenschliche Vernunft[ii].

Was eigentlich ist „Marktwirtschaft"?

Die auf sich selbst gestellte („autonome") menschliche Vernunft, die sich nicht mehr als Manifestation des göttlichen Logos versteht, muss ihr Prinzip in sich selbst finden, um auf die Frage, was vernünftig sei, antworten zu können. Wir bezeichnen das als „Rationalismus"[iii].

Vernünftig, „rational" ist für den Rationalismus zuletzt nur das, was Lust verschafft (die Nationalökonomen nennen es „Nutzen", „Bedürfnisbefriedigung", „Ertrag", „Wohlfahrt") und Unlust (Missnutzen oder „Disutility", „Mühe", „Arbeit", „Aufwand", „Kosten") meidet[iv]. Das handlungsbestimmende Prinzip der Vernunft ist nach rationalistischer Auffassung das ökonomische Kalkül von „pleasure and pain“, „utility and disutility", „Nutzen und Aufwand", „Ertrag und Kosten"[v].

Insoweit der Mensch rational handelt – und nur dann handelt er als „aufgeklärter" Mensch, als animal rationale – ist er homo oeconomicus. Sein ganzes Dichten und Trachten, alles was er tut, zielt auf Lustgewinn („Profit") sowie auf den Erwerb von äußerem Reichtum und Macht ab, die beiden Mittel, um sich jeden Wunsch zu erfüllen („Macht ist Münze"). Genau das sind denn auch die Antriebsmotive der „Marktwirtschaft": „Die Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht"[vi].

Das Streben des Einzelnen nach Profit (Lustgewinn, Reichtum) und Macht, stößt auf das gleichartige Streben der Mitmenschen, d. h. auf Konkurrenz. Sie ist das regulative Prinzip, welches das Verhältnis der Menschen zueinander bestimmt, und der Markt der „Ort", auf dem der Wettbewerb ausgetragen wird. „Marktwirtschaft" wird daher häufig mit „Wettbewerbswirtschaft" gleichgesetzt.

Wettbewerb (z.B. im Sport) bezweckt Auslese der Besten nach Regeln oder Normen. Solche (Spiel-)Regeln oder Normen „organisieren" den Wettbewerb („die Wettbewerbsveranstaltung") und bestimmen, wer beim Wettbewerb auf Grund seiner alle anderen Konkurrenten überragenden Leistung („Performance") als Sieger gelten und als der Tüchtigste („Beste", „Stärkste", „Schnellste") den Siegespreis erhalten soll. Auf dieser Idee des Wettbewerbs beruht die der „Marktwirtschaft" zugeschriebene Leistung oder „Funktion", das Hauptproblem der Nationalökonomie, die „Allokation knapper Ressourcen", optimal zu lösen.

Die Ressourcen wandern zum „besten Wirt", zu den tüchtigsten Unternehmen, zu den kaufkräftigsten Käufern, zu den „Orten" des höchsten Ertrages (z.  B.  Kapital in die Länder mit dem höchsten Realzinsniveau) – allerdings nur unter einer Voraussetzung: Die Auslese der Besten und die Wanderung der Ressourcen dürfen nicht gestört, der Wettbewerb nicht „verzerrt", in den Markt nicht „eingegriffen" werden. Jedenfalls nicht anders als mit „marktkonformen" oder „wettbewerbsneutralen" Mitteln. Der  Markt soll „frei" sein. Nur wenn Markt und Wettbewerb sich selbst überlassen bleiben, können sie ihre „Selbstregulierungsfunktion" erfüllen. „Marktwirtschaft" ist daher politisch immer mit der Forderung nach „Laissez faire", und durch sie mit dem Liberalismus verbunden. „Der Markt braucht keinen Meister", hier wirkt der Automatismus der „Selbstorganisation", die „spontane Ordnung" (F. A. v. Hayek), die „invisible hand" (A.  Smith). Einzig die Spielregeln und Normen, unter denen der Wettbewerb stattfinden und seine Auslesefunktion erfüllen soll, sind festzulegen.

Wettbewerb ist Krieg

Wie im sportlichen Wettbewerb, so gibt es auch in der wirtschaftlichen Konkurrenz Sieger und Besiegte, in der Wirtschaft jedoch u. U. mit fatalen Konsequenzen für den Unterlegenen. In der Marktwirtschaft – und das ist der Sinn des Wettbewerbs als Ausleseveranstaltung – soll der Unterlegene auf dem Markt nicht zum Zuge kommen, er soll vom Markt verdrängt und ferngehalten werden. Marktwirtschaftlicher Wettbewerb ist daher immer Verdrängungswettbewerb, Kampf um Marktanteile und Marktkontrolle (insbesondere auch der Marktzugangskontrolle).

Als Verdrängungswettbewerb tendiert Wettbewerb dazu, sich selbst aufzuheben, d.h.: Er tendiert zum Monopol. Wettbewerb ist Kampf ums Monopol, um Vorzugsstellungen, um Kontroll- und Machtpositionen, ähnlich wie in der Parteiendemokratie. Sie ist das politische Korrelat zur „Marktwirtschaft".[vii]  Die moderne Industriegesellschaft stellt sich dem Betrachter denn auch in der Tat als eine „Welt von Monopolen"[viii] dar, die, wenn nicht gerade Waffenstillstand (z. B. auf Grund von Kartellvereinbarungen) zwischen einigen von ihnen herrscht, sich alle gegenseitig bekriegen und unter ihre Kontrolle bringen wollen.

Kriege, so wissen wir aus Erfahrung, werden durch (Unternehmens-) Strategien, Ausrüstungen (Waffen, Munition, logistische Einrichtungen), (Mitarbeiter-) Truppen und Kampfgeist („Motivation", Begeisterung, „Identity") entschieden. Militärische Termini haben seit langem Einzug in die Hörsäle, Lehrbücher und Führungskader der Wirtschaft gehalten.  Kein Wunder, dass da einer der klügsten Nationalökonomen seinen Studenten empfohlen hat, Clausewitz' „Vom Kriege" zu studieren[ix]. Was sie dort lernen würden: Strategie, Aufmarschplanung, Angriff, Überraschung, Umgehung, Tarnung, Täuschung, Umzingelung, Einkesselung, Grabenkampf, Belagerung, Zermürbung, Ausfall, Rückzug etc., das alles sei viel realitätsnäher als alle ökonomischen Modelle und Theoreme.

Die theoretische Form, in der sich die „soziale Marktwirtschaft" heute darstellt, ist die „Neoklassik". Das Überraschende nun ist – und deshalb ist K. W. Rothschild rückhaltlos zuzustimmen – dass es kein einziges mikro- oder makroökonomisches neoklassisches Grundtheorem gibt, das modernen wissenschaftstheoretischen Ansprüchen sowohl in logischer wie empirischer Hinsicht genügen würde und die erforderlichen Tests bestanden hätte. Kein einziges! Mit anderen Worten: Es gibt kein einziges „ökonomisches Gesetz", dessen kausal-mechanische Eindeutigkeit empirisch bewiesen wäre. Was wir heute in der neoklassisch ausgerichteten Nationalökonomie betreiben, ist im Wesentlichen „angewandte Mathematik" oder, wie H. Albert den Nationalökonomen spöttisch vorhielt, „Modellplatonismus"[x], Modellschreinerei ohne Realitätsbezug[xi].

Markt, Angebot und Nachfrage gibt es nicht

Das viel berufene „Gesetz von Angebot und Nachfrage" zur Bestimmung der Preise erwies sich als Tautologie.[xii] In der Praxis gibt es keine Angebots- und Nachfragekurven (in deren Schnittpunkt der Preis zu finden ist).  Die Unternehmer (Anbieter) können nicht einmal die Frage beantworten, was denn eigentlich ihr Produkt tatsächlich „kostet".[xiii] Die Kostenrechnungen und Kalkulationssysteme, die man ihnen einredete, brachten Resultate hervor, die eine „Mischung aus viel Dichtung und wenig Wahrheit"[xiv] darstellen, geeignet, „jenen Preis zu rechtfertigen, der erzielbar ist".[xv]

Die „Gesetze über die Zu- oder Abnahme der Grenzrate der Substitution", mit denen die Theorie erklärt, wie Verbraucher sich verhalten und Haushalte ihre Budgets verwalten, lösten bei den Betroffenen (Hausfrauen, Konsumenten), je nach dem Grade des Verständnisses, erstauntes Kopfschütteln oder Lachkrämpfe aus. Am Ende mussten selbst die Neoklassiker die Idee einer geschlossenen Preistheorie aufgeben und zugestehen, dass die von ihnen aufgestellten „Marktgesetze" nicht ausreichen, um das Zustandekommen von Preisen zu erklären.[xvi]

Und dann verloren sie auch gleich noch den Marktbegriff, sie konnten ihn nicht mehr definieren! Sie hatten den einen „Markt" solange in Teil- und Elementenmärkte zerlegt, bis er sich verflüchtigte und nur noch „Verhaltensweisen" und „individuelle Kundenbeziehungen" übrig blieben. Schon vor rund fünfzig Jahren kam von einem mit neoklassischen Methoden arbeitenden Nationalökonomen daher die Empfehlung, „den Marktbegriff nicht mehr zu verwenden".[xvii] Er ist nichts als ein flatus vocis.

„Marktwirtschaft" ohne „Markt"? Wo sollten da die Marktgesetze herkommen, auf die man sich immer berief, wenn Betriebe geschlossen und Arbeiter auf die Straße geworfen wurden? Denn das Problem, das sie zu lösen versprach, das Problem der Arbeitslosigkeit, diese Geißel des Kapitalismus, bekam die neoklassische Theorie und „Synthese" nie in den Griff. Der Keynes'schen Revolution ging der Atem aus.

Die Theorie zur Bestimmung des Volkseinkommens und der Beschäftigung durch Sparen und Investieren erwies sich als eine „metaphysische Konzeption".[xviii]  Die Annahmen über die „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals", den „Hang zum Verbrauch" und die „Liquiditätsvorliebe" waren nichts als „Catchwords", welche die unverantwortliche Ausweitung der Budgetdefizite begründen halfen. Sie fachten die Inflation an,  versteinerten die Strukturen und schwächten die Wettbewerbsfähigkeit. Als man damit auch die Arbeitslosigkeit nicht mehr in den Griff bekam, ließ man die Keynes'sche Theorie fallen.

Politiker kamen ans Ruder, welche die „Sanierung" der Budgets versprachen, und versatile Ökonomen aus dem klassischen Lager, die „Monetaristen", sprangen ihnen bei, die ihnen ein altes Museumsstück, die „Quantitätstheorie des Geldes", frisch abgestaubt und hochglanzpoliert, als Neuheit verkauften. Jetzt waren „schlanker Staat", Privatisierung und Deregulierung angesagt. Das Problem der Arbeitslosigkeit ließ sich damit zwar auch nicht lösen, aber die Schuld daran konnte man wenigstens auf die Vorgänger im politischen Amte abschieben, die keinen budgetären „Spiel"raum für Ankurbelungsmaßnahmen übrig gelassen hatten. Wirtschaftspolitik pendelte zwischen „Gas geben" und „Bremsen".

Der Leser, der bis hierher durchgehalten hat und Bilanz zieht, wird sich fragen, was denn das Ganze soll? Eine Theorie ohne Praxisrelevanz? „Gesetze" ohne Beweis?  Begriffe ohne Substanz? Was wird denn dann mit dieser Worthülse „Marktwirtschaft" bezweckt?

Die Antwort klingt, als würde sie aus der linken Suppenküche kommen:

„Marktwirtschaft" ist Ideologie! Ihr Zweck ist die Verschleierung und Verdeckung von Machtpositionen, Machterwerb, Machtkämpfen, Machtsicherung, Machtkontrolle. Sie soll das Nachdenken darüber ausschließen oder ablenken, wie die moderne Industriegesellschaft tatsächlich funktioniert, wie, durch wen und zu wessen Gunsten sie motiviert und kontrolliert wird. Kommt Kritik dennoch auf, so wird sie unter Hinweis auf „Selbstregulierung" und „Laissez faire", auf „Sachzwänge" und „Globalisierung", auf „Gemeinsamen Markt" und „internationale Vereinbarungen" abgetan.  Statt angesichts der schrecklichen Verwüstungen unserer Umwelt politisch zu handeln, wird das „Laissez faire" zur Maxime der Politik. Die Berufung auf die sich selbst regulierenden „Marktgesetze" ist Ausdruck der Resignation der classe politique vor einer Entwicklung in Gesellschaft und Wirtschaft, die sie selbst in Szene gesetzt hat.

Kennzeichnend für diese Entwicklung zur modernen Industriegesellschaft ist die totale Verschmelzung von Großindustrie, Geschäft, Rüstung, Forschung, Technik, Massenproduktion, -konsum, -unterhaltung, -kommunikation, -manipulation, Staatsbürokratie und Politik.[xix] Das gesamte Ausbildungs- und Erziehungssystem des „Produktionsfaktors" Mensch ist auf die Bedürfnisse der Großindustrie abgestellt. Die Großforschung, inzwischen selbst zu einer Industrie geworden, wird vom Staat unterhalten: Elektronik, Weltraumfähren, Satellitenkommunikation, Atomforschung, Genforschung, sie alle sind „social costs of private enterprise". Die Industriegesellschaft dient nicht den Bedürfnissen des Menschen, sondern ihren eigenen Bedürfnissen. Ihre Rationalität manifestiert sich in ihren höchsten Formen in der Destruktion („Atomgesellschaft"), in der Verschwendung („Gesellschaft im Überfluss") und in der Verdinglichung des Menschen („Entfremdung").[xx]

Das Verdikt Pius XI.

Die moderne Dreifaltigkeit von Naturwissenschaft, Technik und Industrie – Erwin Chargaff macht hierauf wiederholt aufmerksam – arbeitet mit immer größerer Beschleunigung („Wachstumsraten") an der Zerstörung der Welt. Die liberalkapitalistische „Marktwirtschaft" und die mit ihr verbundene neoklassische Theorie sind nichts anderes als der ideologische Überbau für die „Struktur der Sünde", wie Johannes Paul II. sie klarsichtig benennt. Die Verbrämung der „Marktwirtschaft" mit „sozialen" oder „ökologischen" Attributen ändert nichts an diesem  harten Verdikt. Es ist so gültig wie jenes, das Pius XI. vor 80 Jahren mit einer Prägnanz ausgesprochen hat, die erschauern lässt:

„Das ist ja der Grundirrtum der individualistischen (= neoklassischen, F. R.) Wirtschaftswissenschaft, aus dem alle Einzelirrtümer sich ableiten: in Vergessenheit oder Verkennung der sittlichen Natur der Wirtschaft glaubte sie, die öffentliche Gewalt habe gegenüber der Wirtschaft nichts anderes zu tun, als sie frei und ungehindert sich selbst zu überlassen (= Laissez faire.  F. R.); im Markte, das heißt im freien Wettbewerb besitze diese ja ihr regulatives Prinzip… Die Wettbewerbsfreiheit – obwohl innerhalb der gehörigen Grenzen berechtigt und von zweifellosem Nutzen – kann aber unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein.

Die Erfahrung hat dies, nachdem die verderblichen individualistischen Theorien in die Praxis umgesetzt wurden, bis zum Übermaß bestätigt … Am auffallendsten ist heute die geradezu ungeheure Zusammenballung nicht nur an Kapital, sondern an Macht und wirtschaftlicher Herrschgewalt … Zur Ungeheuerlichkeit wächst diese Vermachtung der Wirtschaft sich aus bei denjenigen, die als Beherrscher und Lenker des Finanzkapitals unbeschränkte Verfügung haben über den Kredit und seine Verteilung nach ihrem Willen bestimmen. Mit dem Kredit beherrschen sie den Blutkreislauf des ganzen Wirtschaftskörpers; das Lebenselement der Wirtschaft ist derart unter ihrer Faust, dass niemand gegen ihr Geheiß auch nur zu atmen wagen kann.

Diese Zusammenballung von Macht, das natürliche Ergebnis einer grundsätzlichen zügellosen Konkurrenzfreiheit, die nicht anders als mit dem Überleben des Stärkeren – das ist allzu oft des Gewalttätigeren und Gewissenloseren – enden kann, ist das Eigentümliche der jüngsten Entwicklungen.

Solch gehäufte Macht führt ihrerseits wieder zum Kampf um die Macht, zu einem dreifachen Kampf: Zum Kampf um die Macht innerhalb der Wirtschaft selbst; zum Kampf sodann um die Macht über den Staat, der selbst als Machtfaktor in dem Interessenkampf eingesetzt werden soll; zum Machtkampf endlich der Staaten untereinander … (= Imperialismus, F. R.) … Der freie Wettbewerb hat zu seiner Selbstaufhebung geführt; an die Stelle der freien Marktwirtschaft trat die Vermachtung der Wirtschaft; das Gewinnstreben steigerte sich zum zügellosen Machtstreben. Dadurch kam in das ganze Wirtschaftsleben eine Grausen erregende Härte".[xxi]

Kein Kommunist, so meinte Maurice Thorez in seiner historischen Ansprache vom 26.  Oktober 1937, habe den „Wirtschaftsliberalismus" je so heftig kritisiert wie Pius XI.[xxii]

Die Konservative Wirtschaftsauffassung

Für die konservative Auffassung ist Wirtschaft „Leistungsgemeinschaft" im Dienste der Gesellschaft, genauer noch „ein Gebäude rangordnungsmäßig gegliederter Leistungen von Mitteln für Ziele".[xxiii] Diesem Begriff zufolge unterscheidet konservative Wirtschaftstheorie:

  1. Die der Wirtschaft von der Gesellschaft vorgegebenen Ziele, zu deren Erreichung die von der Wirtschaft bereitzustellenden Mittel notwendig sind. Zu diesen Mitteln gehören nicht nur solche, welche die „Bedürfnisse" der einzelnen Menschen („Konsumenten") „befriedigen" (z.B. Nahrung, Kleidung, Wohnung), sondern auch Weltraumfähren, SDI (Raketenabwehr-)-Systeme, Atomraketen, Neutronenbeschleuniger zur Erzeugung von Nobelpreisen, Gefängnisse, Kirchengebäude, Wasserwerfer der Polizei, Überwachungssysteme bei Grenzübertrittsstellen; Güter also, die von der neoklassischen Theorie in der Regel ausgeklammert werden.  Welche Mittel bereitzustellen sind, darüber entscheidet nicht die „Wirtschaft", sondern die Gesellschaft in ihren der Wirtschaft vorgeordneten „Kultursachbereichen" (mit ihren „Haushalten" und „Budgets").
  2. Die Leistungsarten oder Funktionen: Organisatorische Leistungen (Wirtschaftssystem, Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsrecht, Besteuerungssystem, Geld-, Währungs- und Kreditsystem), Vorleistungen (Erfinden und Lehren), Hervorbringungsleistungen (Kreditschöpfung und Kreditgewährung, Handel, Lagerhaltung, Transport, Erzeugung, Schadensverhütung und Versicherung).
  3. Die Leistungsgebilde oder Sozialwirtschaftsstufen, die jeweils alle Leistungsarten in spezifischer Weise darstellen oder „ausgliedern" (Weltwirtschaft, Großraumwirtschaft, Volkswirtschaft, Regionalwirtschaft, Verbandswirtschaft, Betriebswirtschaft, Hauswirtschaft).
  4. Die Leistungs- oder Wirtschaftsgrundlagen: Der Mensch als Verrichtungsträger, die Natur (Boden, Bodenschätze, Wald, Wasser, Pflanzen- und Tierarten, Mikro- und Makroklima), Wissenschaft und Technik
  5. Die Leistungsgrößen, Leistungs„werte" oder Preise
  6. Die Vorrangverhältnisse, insbesondere der Vorrang der Ziele vor den Mitteln, der Mittel vor den Leistungsgrundlagen, der höheren Leistungen und Wirtschaftsstufen vor den niedrigeren, der Leistungen vor den Leistungsgrößen.
  7. Die Wirtschaftspolitik als Inbegriff von organisatorischen Maßnahmen zur Umbildung der Wirtschaft zwecks Effizienzsteigerung oder Festigung der Gesellschaft.

Nach ihren grundsätzlichen Absichten („Schlüsselbegriffen"), ist konservative Wirtschaftspolitik: Wirtschaftsausbaupolitik (z.B. Entwicklungspolitik, „Vollbeschäftigungspolitik"), Dezentralisationspolitik (z.B. Großstadtauflockerungspolitik); Struktur(krisen)politik, Stabilisierungspolitik (z.B. Konjunkturpolitik); Kreativitäts(anregungs)politik (z.B. Innovationspolitik).

Konservative Ordnungspolitik erschöpft sich nicht in Wettbewerbspolitik oder Marktordnung: Im Vordergrund steht nicht die „Konkurrenz", sondern die Förderung der Zusammenarbeit oder „Kooperation" der einzelnen Wirtschaftsgebilde nach den Prinzipien Selbsthilfe (solidarische Hilfe), Selbstverwaltung (Subsidiarität) und Gemeinwohlwahrung (Gesamtwohlfahrt, bonum commune, sittliche Bindung). Ihr regulatives Prinzip ist nicht die Konkurrenz, sondern die Gerechtigkeit (Angemessenheit, Entsprechung, iustitia commutativa et distributiva).[xxiv]

Durch die Politik der Zusammenarbeit wird die Wirtschaft „formiert" oder „durchorganisiert", d.h. verbandlich gegliedert. Je kräftiger die Verbände entfaltet und hierarchisch gegliedert sind, desto besser funktioniert die Selbstverwaltung, der Interessenausgleich zwischen den Verbänden und die Zusammenarbeit mit dem Staat.

Verband schluckt Staat

Der Staat kann sich auf seine eigentlichen Hoheitsaufgaben zurückziehen und die wirtschafts- und sozialpolitischen Angelegenheiten der (sozial-)partnerschaftlichen Regelung der Wirtschaftsverbände weitestgehend überlassen, die, im Gegensatz zur Staats- und EU-Bürokratie, den zu solchen Regelungen gemeinsamer Angelegenheiten notwendigen Sachverstand besitzen. Hoheitliche Eingriffe sind dann nur erforderlich, wenn der Interessenausgleich versagt oder das Gemeinwohl verletzt wird.

Je nach geschichtlicher Situation wurden von praktisch allen westlichen Industriestaaten ordnungspolitische Maßnahmen gesetzt und Einrichtungen geschaffen, durch welche die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung angetrieben und die Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft verbessert und geregelt wurde.

Erinnert sei hier nur an den „Reichswirtschaftsrat" der Weimarer Republik (wegen seiner Zusammensetzung ein Fehlschlag), an die heutige relativ geordnete „Repräsentation organisierter Interessen" in der BRD, an das schweizerische „Vernehmlassungsverfahren" und die „Friedensabkommen", an die österreichische „Sozialpartnerschaft", an den „Sozialökonomischen Rat" in den Niederlanden, an die „Planification a la franVaise", an die „Camera Corporativo" in Portugal (unter Salazar eingerichtet), an das wenig nachahmenswerte System des „Lobbying" in den USA, das jedoch ergänzt wird durch die „Hearings".

Immerhin zeigen diese wie auch andere, zum Teil äußerst erfolgreichen Ansätze, dass kein Staat allein auf den „Marktmechanismus" vertraut. Allzu viele Wahlmöglichkeiten hat der Staat ja heute nicht mehr: Entweder überlässt er die Kontrolle des „Marktes" den Großunternehmungen mit allen Nachteilen für das Gemeinwohl, die im ersten Abschnitt beschrieben wurden; oder er kommt seiner Gemeinwohlaufgabe nach und fördert die gemeinwohlorientierte Verbandsbildung nach den oben beschriebenen Prinzipien. Die dritte Möglichkeit: Sozialisierung und zentrale Planung, wird nach dem Scheitern der realsozialistischen Experimente heute ja kaum noch jemand in Betracht ziehen.

Die neoklassische Theorie hat zu den Verbänden und ihren Funktionen praktisch keinen Zugang.  Für sie sind Verbände Träger von privater Macht, welche die Märkte kontrollieren und die Konkurrenz fernhalten wollen (also Kartelle oder Monopole). Um ihr Ideal von der möglichst vollständigen Konkurrenz- und Marktfreiheit durchsetzen zu können, würden die Vertreter der Neoklassik daher am liebsten alle Verbände auflösen, womöglich auch die Gewerkschaften. Alles, was sie damit erreichen, ist die Kontrolle der Märkte durch jene Mammutunternehmungen, die übrig bleiben, wenn die Konkurrenz ihre Auslesefunktion erfüllt hat.

Die Ziele konservativer Wirtschaft

Jede Gesellschaft ist umso lebendiger und reicher, je mehr die kleinen Gemeinschaften und Verbände entwickelt und differenziert sind. Daher Dezentralisationspolitik, Auflockerung, Betonung der Unterschiedlichkeit, „Spezifizität" statt Gleichheit und Uniformierung.  Daraus ergibt sich als anzustrebendes Bild konservativer Wirtschaft:

  1. Humane Arbeits- und Konsumwelt: Förderung von Klein- und Mittelbetrieben („small is beautiful"), Dezentralisation von Großbetrieben (Werkaussiedelung, Gruppenarbeit, Vollfertigung statt Fließbandarbeit, Automation zwecks Entlastung von stumpfsinniger Repetitivarbeit), Förderung gediegener, gesunder und dauerhafter Produkte und des persönlich geprägten Bedarfes, Zurückdrängung der Massenproduktion und Massenunterhaltung, des Massentourismus etc.
  2. Humane Wohnwelt: Förderung der Großstadtauflockerung, Eigenheim- und Gartenstadtbewegung, Zurückdrängung der Mietskasernen und Slums, Förderung der Nachbarschafts-, Dorf-, Bezirks- und Heimatkultur.
  3. Bändigung von Wissenschaft und Technik: Auflösung der militärisch-technisch-industriellen Superstrukturen, Förderung naturnaher und humaner Wirtschaftstechniken, regenerativer Kreisläufe, intermediärer Techniken.
  4. Schutz der Natur, sorgfältiger Umgang mit den Naturgrundlagen; Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Schonung der Bodenschätze und Energiereserven, Bekämpfung des Waldsterbens und der Großrodungen, Reinhaltung der  Seen, Flüsse, Meere und Grundwasserreserven; Erhaltung der Tier- und Pflanzenarten, naturnahe Züchtungsmethoden, tiernahe Stallhaltung, Bekämpfung der Klimaverschlechterungen (Ozonbelastung, Treibhauseffekt) und der Luftverschmutzung.
  5. Umfassende Förderung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen (betrieblich, regional, national, international), zwischen allen Leistungsträgern, Klassen und Schichten, ihren Verbänden und Vertretungen. Zurückdrängung der überbordenden Konkurrenz, des Klassenkampfes, der Interessenkonflikte, der Machtkonzentrationen, des Wirtschaftsimperialismus.
  6. Zusammenwachsen und „Formierung" der Verbände zu einem ideellen „Wirtschaftskörper", der die gegenseitige Abhängigkeit und Aufeinanderangewiesenheit aller am Wirtschaftsleben partizipierenden Glieder bewusst, überschaubar und gestaltbar macht und hierbei Eigeninitiative (Selbsthilfe, Eigenvorsorge, Privateigentum) und Selbstverwaltung (Selbstbestimmung, Freiheit) mit Gemeinwohlorientierung (Sozialprinzip) verbindet.

Die Bausteine aus der Tradition

Die Tradition der konservativen Wirtschaftsauffassung[xxv] reicht bis in die Antike zurück. Sie hat ihre Vertreter und Schulen in jeder geistesgeschichtlichen Epoche und findet in der Gegenwart immer mehr Freunde. Die Beiträge von tausenden Verfassern müssten genannt werden, doch mögen hier einige Andeutungen genügen:

Grundlegend ist Platons „Staat" mit seiner Lehre von der Einheit oder Ganzheit der Seinsordnung, Staatsordnung (= Ständeordnung) und Tugendordnung.
Die Summen des Hl. Thomas v. Aquin mit ihrer Lehre vom  „gerechten Preis" und der Güterlehre. Auf Thomas fußt weitgehend die Katholische Soziallehre mit den Enzykliken der Päpste.
Fichtes „Geschlossener Handelsstaat", der in seiner Stringenz den Gegensatz der konservativen Auffassung zur „offenen" oder „freien" Markt- oder Konkurrenzwirtschaft ganz deutlich macht.
Adam Müllers „Elemente der Staatskunst" mit ihrer Lehre vom „idealischen" oder geistigen Kapital der Nation.
Friedrich Lists „Nationales System der politischen Ökonomie" mit der für alle Wirtschaftspolitik bis heute unverlierbaren „Lehre von den produktiven Kräften".
Die ältere und jüngere historische Schule (Roscher, Knies, Hildebrand, Schmoller) mit ihrer Abkehr von jedem Modelldenken und der Betonung des „geschichtlichen Wachstums der Ordnungen" in Abwehr konstruktivistischer und funktionalistischer Ordnungsversuche der Wirtschaft.
Die soziologische Richtung der Nationalökonomie mit Werner Sombart und Max Weber, an der Spitze Othmar Spanns und Walter Heinrichs „universalistische" oder „ganzheitliche" Schule, die das am gründlichsten durch gearbeitete System der konservativen Wirtschaftstheorie bisher geliefert hat.
Die „institutionelle" Richtung, die vor allem in den USA vertreten ist (Th. Veblen, J. K. Galbraith).
Die auf J. M. Keynes zurückgehende, jedoch weiterentwickelte „strukturanalytische" Schule mit ihrer Input-Output-Rechnung (W. Leontief).
Die kulturmorphologische Schule (E. Egner, B. Laum, F. Perroux), die grundlegende Einsichten in nichtmonetäre Transaktionen (Stichwort: „Schenkende Wirtschaft") gebracht hat.
Die ökologische Richtung mit der Lehre von den „sozialen Kosten" (W. K. Kapp). Die „gemeinwirtschaftliche Schule" mit der Untersuchung von Kommunalbetrieben (G. Weisser, H. Ritschl).
Die "Raumwirtschaftslehre" mit ihrer Betonung von Standortfaktoren und „zentralen Orten" (A.  Lösch).

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Autoren, die sich intensiv mit Spezialfragen und wirtschaftspolitischen Problemen befassen (z. B. Internationale Organisationen, Währungs- und Kreditpolitik, Agrarpolitik, Marketing, Unternehmungsführung, Haushaltswirtschaft usw.), allein schon vom Sachgehalt ihrer Arbeiten her, sich vielfach konservativen Auffassungen nähern. So verfügt etwa die Betriebswirtschaftslehre über ihre eigene konservative Tradition, die sie heute ganz bewusst und mit äußerster Schärfe der auf der neoklassischen Mikroökonomie fußenden Privatwirtschaftslehre (E. Gutenberg) gegenüberstellt (H.  Nicklisch, K. Oberparleiter, E. Schäfer, F. Schönpflug, J. Kolbinger, R. Fürst, R.-B. Schmidt, H. Ulrich, H. A. Simon). Ähnliches ließe sich wohl aus jedem Teilgebiet der Wirtschaftswissenschaft berichten.

Paradigmenwechsel?

Durch ihre ganz bewusste Unterordnung unter die geistig-kulturell-sittlichen Dimensionen der Gesellschaft stellt sich die konservative Wirtschaftsauffassung der wichtigsten Aufgabe unserer Zeit: Der „Versittlichung" von Wirtschaft und Gesellschaft oder, um es mit den Worten von Johannes Paul II. auszudrücken, der „Überwindung der Strukturen der Sünde", zu denen der Liberalismus und die liberalkapitalistische Marktwirtschaft samt der sie begleitenden neoklassischen Theorie zweifellos gehören[xxvi].

Im Westen ist sie weithin herrschend geworden, ihre geistigen Wurzeln hat diese Struktur in der Aufklärungsphilosophie. Auf den Denkeinstellungen der „Aufklärung" (Verneinung der Transzendenz, Nichtunterscheidung von Sein und Seiendem, Ablehnung jeder Metaphysik), ihren Denkmustern (Individualismus, Hedonismus, Utilitarismus, Rationalismus) und ihren Denkmethoden (naturwissenschaftlich-technisch-mathematisches Verfahren –Positivismus, kritischer Rationalismus) beruht die „Krise der Neuzeit"[xxvii] mit ihren geradezu lebensbedrohenden Zerstörungen und reduzierten Zukunftserwartungen.[xxviii]

In der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft sind es vier Momente, die auf eine Ablösung der liberalkapitalistischen Marktwirtschaftstheorie hoffen lassen:

  1. Die ganzheitliche Sicht: Es besteht heute in der Theorie ein Zug zur Totalanalyse, zur Erfassung der allseitigen („interdependenten") Bezogenheit aller Einzelerscheinungen und Nebenerscheinungen des wirtschaftlichen Prozesses, so heute vor allem die Beachtung ökologischer, landschaftlicher, sozio-kultureller und technischer Aspekte und Folgen von wirtschaftlichen Projekten und Entscheidungen.
  2. Die Bildung „ganzheitlicher" Institutionen: Schon durch ihre Zusammensetzung schaffen sie die Voraussetzung dafür, dass Projekte oder wirtschaftspolitische Maßnahmen nach allen Seiten und Interessengesichtspunkten hin abgewogen werden (sozialökonomische Räte, sozialpartnerschaftliche Beiräte, Kammern, Körperschaften öffentlichen Rechts usw.)
  3. Die Entwicklung ganzheitlicher Methoden der Wirtschaftsanalyse: Der Bedarf dieser Institutionen wie auch die ganzheitliche Sicht fordern Methoden, die den All-Zusammenhang der einzelnen Wirtschaftszweige und Haushalte sichtbar und die quantitativen Wirkungen von Maßnahmen der Wirtschaftspolitik abschätzbar machen (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Systemanalysen, Input-Output-Tabellen u.a m.)[xxix]
  4. Die Abwertung des Ökonomischen: Es treten heute immer mehr Bewegungen auf, welche die Ansprüche der „Industriegesellschaft" in die Schranken weisen (Naturschutz, Greenpeace, biologisch-dynamischer Land- und Gartenbau, Gartenstadtbewegung, Aktion ziviler Ungehorsam, Besetzung von Kraftwerksbaugelände, Verhinderung von Straßenprojekten, Bürgerinitiativen u.v.a.). Solche Bewegungen sind Symptome dafür, dass immaterielle, soziale und kulturelle Werte wie Gesundheit, Lebensqualität, „Selbstverwirklichung", persönliche Freiheit und Würde gegenüber Einkommen und Konsum von materiellen Gütern an Bedeutung gewinnen[xxx].

Im gleichen Ausmaß, in dem diese konservativ-ganzheitlichen Denkweisen und Methoden sich durchsetzen, verdrängen sie „Marktwirtschaft" und Neoklassik. Der Paradigmenwechsel, von der „Aufklärung" zum „Konservativismus", scheint sich langsam zu vollziehen. Wie lange der Prozess der Ablösung dauern und von welchen Rückschlägen er betroffen werden wird, kann heute niemand sagen. Eines aber wissen wir heute ganz sicher: „Aufklärung" und Liberalismus, konsequent zu Ende gedacht, führen zu Chaos und Anarchie[xxxi], zur Zerstörung der Natur,[xxxii] zur Auflösung der Ordnungen und letzten Endes zur „Abschaffung des Menschen".[xxxiii] [xxxiv]

Der Autor lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er veröffentlichte zuletzt „Die Rechte der Nation“ (Stocker, Graz 2002), „Der Sinn der Geschichte“ (Regin-Verlag, Kiel 2011) und „ESM-Verfassungsputsch in Europa“ (Schnellroda 2012).

Endnoten

[i]Die gründlichste Klärung dieses Zusammenhangs von sozialer Marktwirtschaft, (Neo-)Liberalismus und Aufklärung findet sich  bei E. E. Nawroth: Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, Heidelberg 1961. N. kommt zu dem Schluß, daß es sich beim Neoliberalismus nicht um eine Neuschöpfung, sondern um die Renaissance altliberaler Konzepte handelt, die in keiner einzigen Grundfrage über das geistige Niveau der Aufklärungsphilosophie hinausgekommen ist (S 425). N. setzt sich mit den deutschen Vätern des Neoliberalismus  auseinander (F.  A. v. Hayek, A. Müller-Armack, W. Eucken, W. Röpke, F. Böhm). Im angelsächsischen Bereich firmiert der Neoliberalismus unter "Neoklassik". Die Schlußfolgerungen N's. gelten in gleicher Weise wie für den Neoliberalismus und die "soziale Marktwirtschaft" (social market economy) auch für die "neoklassische Nationalökonomie".  Vgl. dazu: F. Romig: Die ideologischen Elemente in der neoklassischen Theorie - Eine kritische Auseinandersetzung mit Paul A. Samuelson, Berlin 1971, insbes.  S 10; unabhängig kommt zu gleichartigen Aussagen jetzt H. Arndt: Irrwege der Politischen Ökonomie, München 1979. A. behandelt das Schrifttum in seiner ganzen Breite.

[ii]Vgl. Stichwort: "Aufklärung", in: H. Schmidt: Philosophisches Wörterbuch, 20.  Aufl. (neu bearb. v. G. Schischkoff), Stuttgart 1978, S. 45f. Dort bes. zu beachten die Hinweise auf "Rationalismus" und "Liberalismus", die mit der "Aufklärung" untrennbar zusammenhängen. Einen guten und ausführlicheren Überblick bietet F.Schalk: Die europäische Aufklärung, in: Propyläen Weltgeschichte, Bd. 7, Frankfurt 1986 (Neudruck), S. 469-512.

[iii] Vgl. Stichwort: "Rationalismus", in: Phil.  W. B., a. a. O. (FN 2), S 551: "Der Rationalismus ist die Denkweise der Aufklärung … "

[iv] Lustmaximierung (Hedonismus) als letztes Ziel des Rationalismus folgt aus seiner sensualistischen (materialistischen) Geisteslehre: Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu (J. Locke) Dieser Grundsatz zieht sich von Hobbes über  Marx bis zu den Evolutionisten durch die gesamte Aufklärung. Vgl. O. Spann: Philosophenspiegel-Die Hauptlehren der Philosophie begrifflich und geschichtlich dargestellt, 3. Aufl. (mit einem Nachwort von G. Schischkoff), Bd. 13 der Othmar Spann-Gesamtausgabe, Graz 1970, S 35.

[v] Die Reduktion des "rationalen" Denkens auf das "ökonomische Kalkül" von "pleasure and pain" (Jevons) läßt sich über A. Smith bis zum neo-epikuräischen Eudämonismus des Th. Hobbes zurückzuverfolgen.  Vgl.  K. Muth: Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, Bd. 2, S. 221, S. 400, S. 421.  Die gesamt neo-klassische "Mikroökonornie" ist in ihrem Kerne nichts anderes als "Nutzenkalkül" von Tausch- oder "Substitutions-Möglichlkeiten ("Optionen", Wahlhandlungen). Politisch begründet das Offenhalten der Substitutionsmöglichkeiten die Forderung nach Erwerbsfreiheit, Eigentumsfreiheit, Gewerbefreiheit, "offene" Märkte, "freie" Marktwirtschaft sowie die Abwesenheit von "Macht" und "Zwang". Auf die Tautologie, die dadurch entsteht, ein machtfreies Marktmodell zu konstruieren und dann, um des Funktionierens willen, politisch die Elimination der Macht zu fordern, hat nachdrücklich hingewiesen K. W. Kapp: The Social Costs of Private Enterprise, Cambridge, Mass. 1950, S. 240

[vi] Johannes Paul II: Enzyklika über die soziale Sorge der Kirche "Sollictudo rei socialis", Rom 1987 (abgek.  SRS) n. 37: Zwei Verhaltensweisen kennzeichnen die heutigen "Strukturen der Sünde": "die ausschließliche Gier nach Profit und das Verlangen nach Macht" die beide "unauflöslich verbunden sind" und "die wahre Natur des Bösen" ausmachen.

[vii] Der Zusammenhang von "Marktwirtschaft" und Demokratie" wird gerade von Neoliberalen oder "Ordo"-Liberalen ("freiheitliche" Wirtschaftsordnung - "freiheitliche" Gesellschaftsordnung) immer wieder betont.  Doch auch hier wirkt so etwas wie die "Dialektik der Aufklärung": In der neoliberalen Konzeption wird aus "Wettbewerbsfreiheit" "Wettbewerbszwang", daher das Verbot von Kartellen, Zusammenschlüssen und anderen Verbänden als Formen "privater Macht". F. Ottel: Wirtschaftspolitik am Rande des Abgrundes, Frankfurt 1957, ist diesem Sachverhalt nachgegangen.

[viii] J. Robinson: The Economics of Imperfect Competition, London 1933 (repr. 1948).

[ix] Vgl.  K. W. Rothschild: Preistheorie und Oligopol, in: A. E. Ott (Hrsg.), Preistheorie, Köln 1965, S. 360.

[x] H. Albert: Modell-Platonismus. Der neoklassische Stil des ökonomischen Denkens in kritischer Beleuchtung, in: Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgestaltung. Festschr. f. G. Weisser, Berlin 1963,  S 45.

[xi] Wie ein roter Faden zieht sich die Sorge um den Realitätsbezug durch die "Presidential Addresses", die von den bekanntesten Wirtschaftswissenschaftern aus dem angloamerikanischen Bereich jeweils zu Jahresende an die American Economic Association gerichtet und anschließend in The American Economic Review veröffentlicht werden.  Gegen die zunehmende Spezialisierung und Trivialisierung werden "Economics of economics" gefordert, also die Anwendung des ökonomischen Kalküls von Nutzen und Aufwand auch auf die Theorienproduktion der Nationalökonomen. Das erinnert an die J. Schumpeter zugeschriebene Bemerkung, von der Arbeit der Nationalökonomen entfielen 10 Prozent auf die Aufstellung neuer Theorien, 90 Prozent auf ihre Widerlegung, das Ergebnis nähere sich Null.  Heute stimmt das sicher nicht mehr: mindestens 50 Prozent ist für das gedankenlose Wiederkäuen von unbewiesenen Grundtheoremen in Lehrveranstaltungen und Textbüchern anzusetzen. "Papageiengeschwätz" nennt das eine der berühmtesten Nationalökonominnen, J. Robinson. Um diesen  Tendenzen - Realitätsferne, Trivialisierung, Verschwendung von Ressourcen -   gegenzusteuern, wäre es marktwirtschatlich konsequent - wenn auch eine kleine Revolution  auslösend -  nicht nur "Economics of economics" zu fordern, sondern Wissenschaft und Forschung samt Lehrbetrieb und Universitäten zu privatisieren und die staatliche Subventionierung einzustellen. In diese Richtung gehen die Vorschläge zweier so bedeutender Kritiker am heutigen "Wissenschaftsbetrieb" wie E. Chargaff und P. Feyerabend (vgl. E. Chargaff: Kritik der Zukunft.  Stuttgart 1983, S 35ff; P. Feyerabend: Irrwege der Vernunft (engl. Farewell to Reason), Frankfurt 1989, bes.  S 381 ff. Wie immer, so ist es auch hier mit marktwirtschaftlichen Prinzipien" zu Ende, wenn "vested interests" betroffen sind.

[xii] Zu diesen, aus der Tatsache des Wirtschaftskreislaufes und der Interdependenzen abgeleiteten und auf den ersten Blick nicht gleich plausiblen Sätzen sowie zu den folgenden Beispielen: F. Romig, a.a. O. und H. Arndt, a. a. O. ( beide FN 1).

[xiii] J. Robinson: Doktrinen der Wirtschaftswissenschaft - Eine Auseinandersetzung mit ihren Grundgedanken und Ideologien (engl.  Economic Philosophy), München 1965,S 118.

[xiv] So der führende deutsche Kostentheoretiker und -praktiker P. Riebel: Das Rechnen mit Einzelkosten und Deckungsbeiträgen, in: Zeitschrift. f. handelswissenschaftliche  Forschung, Köln schon 1959, S.  237: "Es gibt in jeder Wissenschaft Fragen. die aus der Natur der Sache heraus nicht beantwortet  werden können.  Dazu gehört die naheliegende, aber laienhafte Frage: Was kostet die Leistungseinheit?"

[xv] J. Robinson a.a.O. (FN 13), S. 169.  Der Sarkasmus ist nicht zu übersehen.

[xvi] Vgl.  H. v. Stackelberg: Grundlagen der theoretischen Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., Tübingen 1951, S. 220f.

[xvii] H. Sanmann: Marktform, Verhalten, Preisbildung bei heterogener Konkurrenz, in: Jb. f. Sw., Bd. 14, Göttingen 1963, S 59. Ganz folgerichtig verwendet die konservative Wirtschaftstheorie den Begriff "Leistungswechsel" für "Markt" und nimmt die Funktionen in den Blick, die mit diesem verbunden werden.

[xviii] J. Robinson, a. a. O., (FN 13), S 118

[xix]Überaus anschaulich dargestellt durch J. K. Galbraith: Die moderne lndustriegesellschaft (engl.  The New lndustrial State), München 1968.

[xx] Hierzu noch immer grundlegend H. Marcuse: Der eindimensionale Mensch. Studien zur fortgeschrittenen Industriegesellschaft (engl. One-Dimensional Man), Berlin 1968, 3. Aufl.  Ihn zitiert  Paul Vl. in seiner "Ansprache an die Internationale Arbeiterorganisation (ILO)" in Genf, am 10.  Juni 1969, n. 20, in: Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.): Texte zur katholischen Soziallehre, 8. Aufl., Bornheim 1992, S 451

[xxi]Pius XI.: Enzyklika über die gesellschaftliche Ordnung, ihre Wiederherstellung und Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft "Quadragesimo anno".  Rom 1931, n. 88 und 105-109.

[xxii] Hirtenbrief der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten von Amerika über den marxistischen Kommunismus vom Nov. 1980 (dtsch.), Bonn 1980, Anm. 3. Verdienstvollerweise hat A. Mohler  wieder in Erinnerung gerufen, wo der eigentliche Feind des Konservativen zu finden ist: im Lager der Liberalen. Hier gilt es sich zu absoluter Klarheit durchzuringen und jeden Kompromiß zu vermeiden (vgl.  A. Mohler: Liberalenbeschimpfung.  Sex und Politik, Der faschistische Stil, Gegen die Liberalen - Drei Politische Traktate, Essen 1989, S. 132).

[xxiii]      Wir folgen hier der universalistisch-konservativen Theorie 0. Spanns und seiner Schule, von der Armin Mohler meint, sie habe der Konservativen Revolution "das durchgearbeitetste Denksystem geliefert" (A. Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932, Darmstadt 1972 (2. Aufl.), S 203. Als Standardwerk konservativer Wirtschaftspolitik darf gelten: W. Heinrich: Wirtschaftspolitik, 2 Bde., Berlin 1964-1967 (2.  Aufl.); eine kurze Gesamtübersicht bietet F. Romig: Wirtschaft der Mitte.  Eine Einführung in die "Wirtschaftspolitik" von Walter Heinrich, Stifterbibliothek, Bd. 72, Salzburg 1955.  Eine populäre Einführung in das Spannsche System wurde vorgelegt von W. Becher: Der Blick aufs Ganze - Das Weltbild Othmar Spanns, München 1985; in den "Monographien zur österreichischen Kultur und Geistesgeschichte" liegt als Bd. 4 jetzt vor: J. H. Pichler (Hrsg.): Othmar Spann oder Die Welt als Ganzes, Wien 1988.  Dort auch eine Bibliographie der wichtigsten Arbeiten aus der Spann-Schule (S 279-285).  Eine Othmar Spann-Gesamtausgabe in 21 Bänden ist erschienen In der Akademischen Druck- und Verlagsanstalt in Graz, 1963-1979.

[xxiv] Vgl. F. Romig: Theorie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Berlin 1966. Dort auch eine Tabelle als Überblick über das ganzheitliche System von Gesellschaft und Wirtschaft (S 92).

[xxv] In der Iehrgeschichtlichen Darstellung schließen wir uns weitgehend an: 0. Spann: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage. In einem Nachwort weitergeführt v. W. Heinrich. (Bd. 2 der Othmar Spann-Gesamtausgabe), 28. Aufl.,Graz 1969 .

[xxvi] Johannes Paul II. benennt als "Strukturen der Sünde" für den Westen den liberalistischen

Kapitalismus und für den Osten das "System, das sich am marxistischen Kollektivismus orientiert".  Vgl. Enzyklika SRS (FN 6), n. 20.

[xxvii] Für die Aufhellung der geistigen Hintergründe dieser Krise noch immer lesenswert: René Guénon: Die Krise der Neuzeit (franz. La Crise du Monde Moderne), Köln 1950

[xxviii] Aus dem bereits uferlosen Schrifttum seien zwei Hauptwerke hervorgehoben: Bericht an den Präsidenten: "GLOBAL 2000", Frankfurt 1981 (12.  Aufl.); World Comission on Environment and Development: Our Common Future (abgek.  Brundtland-Bericht), Genf 1989 (12.  Aufl.). In beiden Berichten umfangreiche Literaturangaben.  Der letztgenannte Bericht klingt wie ein Verzweiflungsschrei (bes.  S. X f).  Die Zerrüttung der Umwelt schreitet seit Jahren fort und beschleunigt sich ständig.  Effektive Maßnahmen, die geeignet wären, die Entwicklung einzubremsen oder gar zu stoppen, scheitern zumeist an den unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Länder.

[xxix] Die Nichteinbeziehung des Verzehrs an natürlichen Ressourcen (z.  B. Erdöl) oder der Beeinträchtigung der Lebensqualität, ferner die Nichtberücksichtigung von marktvermeidenden Leistungen (z.  B.  Haushaltsarbeit) in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen führen zu falschen Aussagen (etwa über die "Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts"), Fehlschlüssen und Fehlmaßnahmen. Zum Teil werden solche Rechnungen angestellt, um Projekte plausibel zu machen, die auf Widerstand stoßen. Die Rede ist dann von "Umwegrentabilität" (z.B. von "Weltausstellungen"), "Spin-off-Effekten (bei der Raumfahrt und Rüstung). Intangible Kosten bleiben dabei meist unberücksichtigt, im Gegensatz zu den intangiblen Erträgen.

[xxx] Vgl. K. Lehmann: Gesellschaftlicher Wandel und Weitergabe des Glaubens, Bonn 1989, S 8

[xxxi] Sobald nicht Gott, sondern der "Mensch das Maß aller Dinge" ist, führt der Weg, einem Diktum F. Grillparzers zufolge, "von der Humanität  über die Nationalität zur Bestialität". Der Emanzipation von Gott entspricht die Emanzipation des Menschen von (den "Zwängen") der Gemeinschaft, die Auflösung der Familie, das Absterben des Staates, die klassenlose und herrschaftsfreie Gesellschaft, die Anarchie.Geistesgeschichtlich konsequent folgte auf Rousseau, Feuerbach, Marx, Bakunin und Kropotkin. Radikal gedacht, endet aller Liberalismus in Anarchismus. Dazu: K. Muth: Die Geschichte des abendländischen Geistes, Berlin 1950, insbes. Bd. 2, Kap.  VII: "Die Doktrin der Anarchie", S 283 ff. Das Ziel der Anarchie: die "herrschaftslose Gesellschaft", findet sich heute in allen "emanzipatorischen" Bewegungen der Gegenwart. so bei den "Grün-Alternativen" den "Basisdemokraten", den "Feministinnen", den "Revolutionären Marxisten", Kommunisten und Sozialisten. Ebenso bei den Liberalen (A.  Rüstow), Linksliberalen und Sozialdemokraten. Die Umsetzung folgt der  "Strategie des Kulturkampfes", von der vor allem Schulen, Universitäten, Kirchen, Massenmedien, Kunst und Unterhaltungsindustrie betroffen sind.  Ausführlich behandelt in: F. Romig: Der neue Kulturkampf - zur Strategie der Linken: Die "Revolution ohne Revolution", in: Neue Ordnung, H. 4-6, Graz 1988.

[xxxii] Vgl. F. Romig: Erwin Chargaff: Ein Monument des Widerstandes gegen die Dehumanisierung der Welt, - eine Hommage, in: Neue Ordnung , H. 4, Graz 1989, S. 9 f: Naturwissenschaft erforscht nicht die Natur, sie sprengt sie; sie löst keine Probleme, sie schafft sie. Dem Wissenschaftsbetrieb geht es nicht ums Wissen, sondern ums Geld. Hauptfunktion der Wissenschaft ist die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen für Wissenschaftler, die von den Universitäten ohne Rücksicht auf den Bedarf produziert werden. Die Wissenschaft wurde zu einer Ersatzreligion hochstilisiert, Forscher zu Quasi-Priestern geweiht, die Frage nach dem Sinn ihrer Tätigkeit, "und bestünde diese auch nur darin, eine Gesteinsprobe vom Mars zu holen", gilt als Tabubruch und Sakrileg. Eine kräftige Lobby sorgt dafür, daß dem Staat immer größere Geldmittel entrissen werden, die der Selbsterhaltung der Forschungsindustrie und ihrem krebsartigen Wachstum dienen. Zusammen mit der von ihr getriebenen Industrie ist sie dabei, die Erde unbewohnbar zu machen und alles Leben auszulöschen . Sie ist zur größten Bedrohung der Menschheit geworden.  Sie entstammt dem Ungeist der "Aufklärung", der dafür gesorgt hat, daß  "seit fast zweihundert Jahren ein Frösteln durch die Weit geht" (Warnungstafeln, Stuttgart 1982, S. 184). Ganz in diesem Sinn auch P. Feyerabend: a.a.O.  (FN 11): dort reiche Literaturangaben.

[xxxiii]J. Kardinal Ratzinger : Wider die Abschaffung des Menschen - Antwort zur Krise der Werte und der Moral, in: DIE PRESSE, Beilage SPECTRUM, Wien 5./6. Dez. 1987, S 1: "Der Prozeß, der... den Menschen zerstören wird, spielt sich unter Kommunisten und Demokraten ebenso auffällig ab wie unter Faschisten… Die entgegengesetztesten modernen Weltanschauungen haben den Ausgangspunkt der Leugnung des natürlichen Sittengesetzes und der Reduktion der Welt auf "bloße" Tatsachen gemein. … Es herrscht das Kalkül und es herrscht die Macht. Die Moral ist abgetreten, und der Mensch ist abgetreten".Ähnlich F. H. Tenbruck: Die unbewältigten  Sozialwissenschaften oder die Abschaffung des Menschen, Reihe "Zukunft und Herkunft", Bd. 2, Graz 1984, Abschnitt "Über die Abschaffung des Menschen", S 230ff.

[xxxiv] Die vorgetragene konservative Wirtschaftsauffassung steht in engster Verbindung mit der konservativen Bild vom Menschen. Vgl. F. Romig: Das Wesen des Konservativismus, CRITICON, H. 119, München  1990, 135ff

Drucken

Die Regierungen, nicht die Banken haben uns hineingelegt

20. November 2012 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war eine mehr als verräterische Aussage: Die Euro-Länder würden Griechenland zumindest bis 2014 das finanzielle Überleben sichern wollen: „Darum geht es im Augenblick“. So lässt es uns nun der mächtigste Finanzminister Europas, Wolfgang Schäuble, wissen. Verräterisch daran ist erstens, dass anstelle der einstigen „Rettung“ neuerdings plötzlich nur noch von einem befristeten Überleben der Griechen die Rede ist. Verräterisch ist zweitens der genannte Zeitpunkt, bis zu dem Schäuble den Griechen das Überleben sichern will.

Denn während ringsum eigentlich schon seit Monaten eine weitere Verlängerung des griechischen Aufenthalts in der Intensivstation mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts als unvermeidlich dargestellt wird, gibt der Schäuble-Ausspruch plötzlich indirekt eine Änderung der Strategie zu: Es geht nicht mehr um eine Rettung Griechenlands (und anderer Länder), sondern nur noch darum, die gesamte Schulden-Überbrückungs-Konstruktion samt ihren ständig wachsenden Kosten noch etwas mehr als ein Jahr in Funktion zu halten.

Diese Zeitspanne schließt aber ganz, ganz zufällig auch die nächsten deutschen Wahlen ein. Diese werden nämlich (spätestens) im September 2013 stattfinden. Der von Schäuble angesprochene Zeitpunkt bedeutet also in Wahrheit das Eingeständnis eines recht zynischen Politik: Bis zu den Bundestagswahlen darf nichts passieren, danach aber kann die immer höher aufgestaute Sintflut losbrechen.

Ähnlich ist es ja auch im vergangenen Winter darum gegangen, Nicolas Sarkozy über den französischen Wahltag zu helfen. Das war freilich eine vergebliche Liebesmüh, wie wir heute wissen. Wird im Falle der deutschen Koalition die selbe Taktik am Ende auch vergeblich gewesen sein? Wird es auch für Schwarz-Gelb heißen: Außer Spesen nichts gewesen? Durchaus möglich, auch wenn Spekulationen viel zu früh sind, und auch wenn Rot-Grün natürlich noch viel mehr Spesen bedeuten würde.

Niemand glaubt mehr an eine Rettung

Unabhängig von dieser Frage ist jedenfalls klar: Auch Schäuble glaubt insgeheim nicht mehr, dass Griechenland noch zu retten ist. Gleichgültig, welche der Hunderten derzeit durch die Luft schwirrenden „Hilfs“- und „Rettungs“-Varianten auch immer realisiert werden sollte. Eine Bankrottvermeidung wird schon bei den anderen schwer verschuldeten Ländern und Banken schwierig genug.

Was wird nun passieren, wenn Resteuropa im nächsten Winter das Hunderte Male angedrohte Nein zu weiteren Zahlungen für Griechenland endlich auch realisieren sollte? Legitim wäre das ja jedenfalls, nachdem dieses Land in den letzten drei Jahren noch nach jeder Vereinbarung die Durchführung eines Gutteils der hoch und heilig versprochenen Reformen unterlassen hat.

Ein solches Nein bedeutet nicht automatisch einen Hinauswurf aus dem Euro-Raum. Ein solcher Hinauswurf ist ja rein vertragsrechtlich gar nicht möglich. Diesen kann nur das betroffene Land selbst beschließen. Ein Ausscheiden aus der gemeinsamen Währung wäre jedoch ab dem Stopp weiterer Euro-Hilfen wohl die beste Entscheidung der Griechen selber. Voraussetzung ist freilich, dass bis dahin zwischen Athen, Berlin, Frankfurt und Brüssel alle technischen Details einer notwendigerweise schlagartigen Währungsumstellung gut vorbereitet sind – was freilich noch immer nicht sicher ist.

Bei einer Rückkehr zu einer eigenen Währung könnten die Griechen durch deren Abwertung jedenfalls die eigenen Exporte wieder wettbewerbsfähig machen und die Importe fast unerschwinglich teuer machen.

Ausgegeben kann nur noch werden, was eingenommen wird

Aber selbst ohne Rückkehr zur Drachme tritt bei einem Stopp der Hilfen automatisch und in noch viel schärferem Ausmaß das ein, was die griechischen Regierungen immer als unmöglich dargestellt haben: Das Land könnte dann nur noch das ausgeben, was es einnimmt. Das Land müsste dann Beamten- und Pensionsbezüge weiter senken – notfalls sogar auf jenes Niveau, wie es in etlichen anderen EU-Ländern (etwa auf dem benachbarten Balkan) ohne lautes Murren hingenommen wird. Es müsste endlich die Beamtenzahlen reduzieren, Investoren mit Freude statt mit Bürokratie begrüßen, Pseudo-Behinderte und Bezieher der Renten Verstorbener bestrafen, Steuerhinterziehungen unterbinden, Staatsunternehmen (und eventuell auch Inseln) privatisieren und jedenfalls kräftig deregulieren.

Jedenfalls kann Griechenland nach einer Einstellung der ständigen Hilfen kein Primärdefizit mehr bauen. Was Athen in den letzten Jahren nie gelungen ist. Lediglich im letzten Monat soll jetzt dieses Ziel plötzlich erreicht worden sein – was aber wahrscheinlich wieder nur ein statistischer Trick ist, stehen doch die Verhandlungen mit der Troika gerade wieder auf des Messers Schneide. Dabei bedeutet ein ausgeglichener Primärhaushalt nur: Ein Land gibt nicht mehr aus, als es einnimmt, selbst wenn es keinen einzigen Euro mehr für Kreditrückzahlungen und Zinsendienst zahlen würde.

Die Schocktherapie

Die Nicht-mehr-Bedienung aller Kredite dürfte im Fall eines Versiegens der europäischen Hilfsgelder jedenfalls sofort passieren. Kein Cent flösse dann mehr an die Gläubiger Griechenlands. Bankrott ist ja nur ein anderes Wort dafür, dass man Schulden nicht mehr bedient. Das hätte zwar für Athen die Konsequenz, auf Jahre keinen Kredit mehr zu bekommen. Selbst Treibstoff-, Medikamenten- oder Lebensmittelimporte wären nur noch mit Vorauskasse möglich. Das wäre aber zweifellos auch die einzig wirksame Therapie für jenes Land.

Zu dieser Schocktherapie wird es aber erst kommen, wenn Griechenland endgültig den Glauben aufgeben muss, dass das ewig gleiche Gejammere „Mehr Sparen geht nun wirklich nicht mehr“ noch irgendeine Wirkung erzielt. Solange hingegen diese Behauptung auch von vielen westlichen Korrespondenten voller Empathie verbreitet wird, und solange immer wieder über weitere Hilfsprogramme verhandelt wird, werden die Griechen weiterhin glauben, dass sie mit der Mitleidsmasche um eine echte Sanierung herumkämen.

Dabei würde eine echte Sanierung mit Sicherheit nach etwa zwei – freilich sehr harten – Jahren einen steilen Aufschwung einleiten, wie wir es schon in vielen anderen Ländern nach dem Bankrott gesehen haben.

Eine Bankrotterklärung Griechenlands wäre natürlich auch für das Ausland ein schwerer Schlag. Dort müsste man ja alle Forderungen gegen Griechenland sofort abschreiben. Die Vermeidung dieses Schlages wird von den anderen Euro-Regierungen daher immer als Grund angegeben, weshalb man Griechenland ständig weiter helfen müsse.

Die europäische Angstpropaganda

Nüchterne Menschen sollten sich aber davor längst nicht mehr fürchten. Da steckt viel Angstpropaganda drinnen. Denn:

Erstens hat die angebliche Griechenland-Rettung in den letzten drei Jahren viele andere undisziplinierte Staaten von einem wirksamen Sparkurs abgehalten. Das hat die europäische Schuldenkatastrophe natürlich weiter verschlimmert. Schlechte Beispiele verderben die Sitten. Wenn man Betrug nicht mehr bestraft, wird es viel mehr Betrugs-Versuche geben. Wenn das EU-rechtliche Verbot der Rettung eines verschuldeten Landes durch die Zentralbank und andere Staaten zugunsten der Griechen aufgehoben worden ist, dann muss es ja wohl auch bei uns (Spaniern, Portugiesen usw.) aufgehoben werden.

Zweitens hat die Griechenland-Hilfe jetzt schon weit mehr gekostet, als es gekostet hätte, wenn die anderen EU-Länder 2010, vor den ersten Hilfsmaßnahmen und an deren Stelle, ihren eigenen Banken sämtliche Forderungen gegen Griechenland abgegolten hätten. Nach seriösen Schätzungen hielten Auslandsbanken damals höchstens 160 Milliarden Euro an griechischen Papieren.

So viel Geld in die Hand zu nehmen wäre im übrigen gar nicht nötig gewesen. Denn die meisten Banken – bis auf etliche französische – hätten einen Ausfall Griechenlands vermutlich schon damals tragen können. Und auch die wirklich gefährdeten Banken hätte man nur soweit absichern müssen, dass Einleger und Sparer nicht zu Schaden kommen. Das heißt: Bilanzen herunter bis aufs regulatorische Mindestkapital; zuerst werden die Aktionäre geschoren; dann sind auch Kündigungen beim Bankpersonal sinnvoll; erst dann darf der Steuerzahler drankommen.

Drittens ist inzwischen ohnedies schon der Großteil der Forderungen gegen Griechenland in Händen der Europäischen Zentralbank beziehungsweise einzelner Staaten. Die Kommerzbanken und andere privaten Gläubiger Griechenlands hingegen sind ja schon beim „Hair-Cut“ um einen Großteil ihrer Forderungen umgefallen; etliche griechische Anleihen sind inzwischen überdies schon abgereift; und viele weitere sind an die EZB weitergegeben worden.

Eine bloße Bankenrettung wäre billiger gewesen

Die unter „Zweitens“ und „Drittens“ genannten Punkte widerlegen auch ein in den letzten beiden Jahren von vielen verbreitetes Märchen: Die Hilfsaktionen würden ja nur den Interessen der Banken dienen. Wenn das wahr wäre, wäre uns die Schuldenkrise viel billiger gekommen.

Die Wahrheit sieht anders aus:

Die Hilfsgelder für Griechenland und andere Schuldenländer flossen zwar zum Teil zweifellos sofort an Gläubiger-Banken weiter. Das war aber voll beabsichtigt, denn ein Krachen von Banken löst immer einen gefährlichen Dominoeffekt aus. Dadurch würde unweigerlich ein Banken-Run ausgelöst, also der kollektive und gleichzeitige Versuch, alle Einlagen bei Geldinstituten abzuheben. Das würde das gesamte Wirtschaftsleben zum Einsturz bringen. Dadurch würden nicht nur Serienkonkurse von Finanzinstituten, sondern auch von all jenen Unternehmen der Realwirtschaft mit all ihren Arbeitsplätzen ausgelöst, die nicht schnell genug auf die Bank gelaufen sind.

Es geht nie primär darum, Banken zu retten. Und es ist wohl auch primär nie darum gegangen. Jedoch hätte etwa Österreich die Hypo Alpen-Adria unter Schonung der Einleger viel schneller abwickeln sollen, statt sie vorerst formal voll weiterzuführen, um die Bank-Arbeitsplätze zu retten. Dennoch ist auch in diesem Fall klar: Hauptzweck von Bankenrettungen ist immer nur die Vermeidung eines Dominoeffekts. Eine Überschuldung wird nicht kleiner, wenn man einen maroden Laden weiterführt.

Die Rettung der Bankkunden würde jedenfalls viel billiger kommen als Rettung ganzer Länder. Das war schon 2010 der Fall und gilt für heute erst recht, da fast alle Banken – unter Druck, aber auch aus eigenem Antrieb – ihren Sicherheitspolster deutlich vergrößert haben.

Auch Euro-Staaten können untergehen

Die Rettungsaktionen hatten jedoch einen ganz anderen Hauptzweck, auch wenn Politiker und deren Ideologen gerne davon ablenken. Der wahre Zweck lautete: Die Regierungen wollten um jeden Preis den Eindruck vermeiden, dass auch ein Staat des Euro-Raumes bankrott gehen könnte. Dabei hat dieses Schicksal davor schon Hunderte Male Staaten ereilt, ist also an sich so logisch wie gewöhnlich.

Eine solche Bankrotterklärung Griechenlands wäre jedoch erstens das Ende des großen Selbstbetrugs gewesen, dass der Euro eine Zauberwährung wäre, bei der vieles Logische wie durch ein Wunder nicht mehr passieren kann. Zweitens haben viele EU-Länder gefürchtet, dass nach einem griechischen Bankrott die Geldverleiher auch die Kreditwürdigkeit der anderen Schuldenländer genau überprüfen würden.

Solche Prüfungen von Euro-Staaten hatten die Geldverleiher ja im Jahrzehnt davor grob fahrlässig unterlassen. Auch sie haben an den Euro-Zauber geglaubt und es dadurch den Regierungen ermöglicht, sich durch eine ständige Schuldenpolitik wohlfahrtsstaatlicher Wählerbestechung die Macht zu erkaufen.

Umso genauer prüfen Geldverleiher aber seit 2010 die Kreditwürdigkeit. Trotz der Rettungsaktionen stoßen jetzt viele Euro-Staaten und Euro-Banken bei Geldgebern auf verbreitetes Misstrauen. Damit aber ist klar: Der Hauptzweck der Griechenland-Rettung ist völlig verfehlt worden.

Viele Staaten können sich heute nur noch deshalb finanzieren, weil die Europäische Zentralbank Geld praktisch unlimitiert druckt und zu Billigstkonditionen verleiht. Dieses Geld hält die Krisenstaaten weiter am Überleben.

Die Sparer als Zahler

Wer aber glaubt, dass das Gelddrucken jetzt ohnedies eine brauchbare Lösungsstrategie wäre, der irrt neuerlich kräftig. Denn die Zeche zahlen neben den Steuerzahlern alle Sparer, alle Inhaber einer Lebensversicherung. Noch nie lagen als Folge der EZB-Politik die für Einlagen jeder Art gezahlten Zinsen so weit unter der Inflationsrate (wobei wir gar nicht die Debatte beginnen wollen, ob die nicht in Wahrheit noch viel höher ist, als offiziell angegeben wird). Damit werden Sparer und Steuerzahler kräftig enteignet. Eine solche Politik kann so wie in der Zwischenkriegszeit sowohl zu sozialen wie politischen Explosionen führen.

So weit so schlecht. Das absolut Faszinierende aber ist: Die Regierungen verstehen es noch immer, diese ganze Fehlkonstruktion als alternativlos, als ein Werk im Interesse ihrer Bürger darzustellen. Und viele Medien plappern das nach. Das bestätigt wieder einmal: Mundus decipi vult, ergo decipiatur. Die Menschen wollen offenbar hineingelegt werden, daher werden sie auch hineingelegt.

Zumindest bis 2014 dürfte das nun so weitergehen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Fußnote 377: ORF zwischen Unfähigkeit und Unverschämtheit

18. November 2012 21:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wieder einmal hat an diesem Sonntagabend die linke ORF-Mafia ihre Umtriebe eskalieren können: von der Zeit im Bild bis zur Ankündigung der Teilnehmer an der langweiligsten Diskussionsrunde des deutschen Sprachraums.

Die ZiB-Schlagzeile lautet: „Luftangriffe gehen weiter“. Also: die bösen Israelis. Erst viel später wird eingestanden, dass auch die Raketenangriffe der Islamisten ununterbrochen weitergegangen sind. Und ganz unter den Tisch fällt, dass Israel seine Angriffe unterbrochen hat, als ausländische Politiker in Gaza waren, während die palästinensischen Raketen dennoch weitergeflogen sind. Ebenso manipulativ und linkslastig war die Ankündigung der Zusammensetzung der abendlichen Diskussion unter Leitung eines ehemaligen AZ-Redakteurs. Sie lautete: „Maria Vassilakou (Vizebürgermeisterin Wien, Die Grünen); Michael Pisecky (Obmann Immobilien-Treuhänder, Wirtschaftskammer Wien); Georg Niedermühlbichler (Mietervereinigung); Detlev Neudeck (Hausbesitzer); Markus Reiter (Sozialökonom).“  Kein Ton davon, dass der Herr Reiter ein grüner Funktionär ist, dass also die Grünen zu zweit dasitzen, während kein einziger echter Wirtschaftsexperte eingeladen worden ist. Der hätte ja die katastrophalen Auswirkungen des von den Grünen und manchen Roten neuerdings angestrebten Miet-Kommunismus und die katastrophale Wohnungsnot darlegen können, in der die grünen Pläne unweigerlich münden würden. Und auf ORF-Online ließ man Zehntausende Franzosen gegen die Pläne zur Einführung einer Homoehe demonstrieren. Bei Spiegel-Online waren es jedoch Hunderttausende. Gäbe es beim ORF eine Rücktrittskultur wie bei der BBC, wären da schon wieder ein paar Schreibtische frei.

Drucken

Wie man Immobilienblasen schafft

17. November 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast immer, wenn die Politik scheinbar Gutes tun will, kommt etwas Falsches und Teures heraus. Das zeigt sich etwa bei den Themen Energieeinsparung und Behindertengerechtigkeit. Beides ist ja sehr populär. Aber in beiden Fällen hat die Politik Wirkungen ausgelöst, die an ganz anderer Stelle Schäden verursachen: nämlich beim Wohnbau. Dieser wird dadurch massiv verteuert.

Das führt zu einer österreichweiten Reduktion der Wohnbauleistung. Das erhöht wiederum den Druck auf die ohnedies durch Inflationsflüchtlinge nach oben getriebenen Preise  von Eigentumswohnungen. Und die katastrophalen Spätfolgen einer Immobilienblase hat man ja in Amerika und Spanien genau beobachten können.

Wie kommt es zu diesen schädlichen Nebenwirkungen? Mehrere Bundesländer – Bauen ist ja Landessache – haben es zur unabdingbaren Pflicht gemacht, dass jede Wohnung in jedem neuen Bau behindertengerecht sein muss. Das hat von den Türen über die Aufzüge bis zu den Gangbreiten eine Reihe kostentreibender Folgen. Das ist auch in der Sache wenig sinnvoll. Wenn man Rollstuhlfahrer im siebenten Stock unterbringt und wenn dort ein Brand ausbricht, sind sie absolut hilflos. Dürfen doch dann keinesfalls die Lifte benutzt werden. Es wäre klüger und sparsamer, für den zum Glück sehr kleinen Prozentsatz an Rollstuhlfahrern Wohnungen mit sicheren Ausgängen anzubieten, statt 99 Prozent aller Wohnungswerber mit höheren Kosten zu belasten (Ein ähnliches Thema sind übrigens die gewaltigen Kosten für die Behindertengerechtheit öffentlicher Bauten, wo es oft viel billiger gewesen wäre, für die nächsten Hundert Jahre eine Hilfskraft anzustellen, die jeden Behinderten durchs ganze Gebäude bringt).

Den gleichen kostentreibenden Effekt hat der Zwang zur Gebäudedämmung. Denn mittlerweile stellt sich heraus, dass die versprochene Verbesserung der Energiebilanz niemals eintritt. Das wagen nun sowohl rote Wohnbau-Genossenschafter in Wien wie auch blaue Landesräte in Oberösterreich kritisch zu beklagen. Thermische Sanierungen bringen zwar dem Baugewerbe hohe Umsätze, dem Nutzer aber nicht die gewünschten und kalkulierten Verbesserungen. Viele – teure – Einsparungs-Versprechungen erweisen sich als falsch. Etwa weil übersehen wurde, dass die Mauerdämmung die Aufnahme der auch im Winter des öfteren scheinenden Sonne verhindert (die in der kalten Jahreszeit auch in viel flacherem Winkel und daher wirksamer einstrahlt).

Sind diese Energieeinsparungs-Ankündigungen deshalb falsch gewesen, weil sich die Techniker geirrt haben? Oder sind solche Studien von der interessierten Bau- und Dämmstoffindustrie forciert worden? Das wird sich wohl nur schwer klären lassen.

Tatsache ist, dass die Politik – von der EU bis zu den Bundesländern – durch gut gemeinte Regelungen Schaden anrichtet und zugleich die angestrebten Ziele verfehlt. Das Schlimme: Gesetzgeber sind unglaublich träge, wenn sie Fehler eingestehen und Vorschriften wieder abschaffen müssten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Handelsbilanz Frankreichs seit 2001

16. November 2012 19:21 | Autor: Andreas Unterberger

Handelsbilanzsaldo Frankreichs seit 2001 in Milliarden Dollar

 

Anmerkung: Französische Produkte haben im letzten Jahrzehnt stark an Wettbewerbsfähigkeit verloren.

Drucken

Die Frauenquote: eine europäische Selbstbeschädigung

15. November 2012 02:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hurra. Europa kann aufatmen. Die EU-Kommission hat es geschafft. Die Quotenrichtlinie kommt. Und wenn das nicht reichen sollte, um alle Europäer in Jubelstimmung zu versetzen, dann sollten diese hören, was ihnen ausgerechnet der kolumbianische Staatspräsident zu sagen hat.

Juan Manuel Santos hat nämlich feierlich versprochen, Europa bei der Überwindung seiner Wirtschaftsprobleme zu helfen. Kein Scherz. Das einstige Krisenland Kolumbien ist dazu sogar – in Maßen – imstande: Es steht nämlich heute durch einen betont marktwirtschaftlichen Kurs viel besser da als noch vor einem Jahrzehnt.

Während Kolumbien weitgehend auf die Knebelung der Wirtschaft durch sozial- und wohlfahrtsstaatliche Abenteuer verzichtet, stürzt die EU-Kommission Europa in ein weiteres Abenteuer dieser Art: Künftig soll es bei börsennotierten Aktiengesellschaft sowohl bei Aufsichtsräten wie auch bei nicht geschäftsführenden Direktoren einen gesetzlichen Zwang zu einer 40prozentigen Frauenquote geben.

Da kann man ja noch froh sein, dass der Quotenzwang nicht auch auf die geschäftsführenden Direktoren ausgedehnt wird. Freilich zeigt diese erstaunliche Einschränkung besonders deutlich, worum es der Viviane Reding geht. Die ehemalige Journalistin hat sich gezielt jene Jobs für die Frauen ausgesucht, wo nur die Bezahlung, aber nicht die Verantwortung wirklich groß ist. Offenbar hält sie – ebenso wie die Mehrheit der anderen Kommissare – die Frauen für andere Spitzenjobs noch nicht so geeignet. (Reding hat übrigens früher für jene Luxemburger Zeitung gearbeitet, für die ich Anfang der 90er Jahre aus Österreich berichtete. Aber das nur am Rande.)

Jedenfalls wird diese Richtlinie – sofern sie angenommen wird – Investitionen von den europäischen Börsen abziehen. So ist es ja auch in Norwegen passiert, wo es die Frauenquote für bestimmte Aktiengesellschaften schon länger gibt. Und wo es den betroffenen Firmen nach einer amerikanischen Studie signifikant schlechter geht als den nicht betroffenen. Das gilt sowohl in Hinblick auf die Bilanzen wie auch die Börsenkurse.

Warum ist eine Quotenregelung so übel?

Zum Glück stehen die Chancen für eine Annahme der Reding-Visionen nicht allzu gut. Vor allem Angela Merkel hat sofort kritisch reagiert. Schließlich will  sie demnächst Wahlen gewinnen. Ob das auch die ÖVP will, muss man noch abwarten. Denn dort hat es in den ersten Stunden wieder einmal sowohl positive (=negative) wie auch negative (=positive) Reaktionen gegeben. Und einen schweigenden Parteiobmann.

PS.: Auch die europäische Statistik von Frauen als Vorstandsvorsitzende spricht die gleiche Sprache (wenngleich es bei der Reding-Richtlinie nicht um diese Funktionen geht). Da gibt es in Österreich und Deutschland, also in zwei nicht ganz erfolglosen EU-Ländern, derzeit keine einzige weibliche Vorsitzende. Zu den Ländern mit dem höchsten Anteil von weiblichen Vorstandschefs gehören Rumänien, die Slowakei, Litauen und Bulgarien. Wenn das kein zwingender Beweis ist . . .

Drucken

Die eingestandenen und die heimlichen Schulden

13. November 2012 00:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Deutschland und Österreich sonnen sich. Sie haben derzeit relativ hohe Steuereinnahmen, relativ niedrige Arbeitslosenzahlen und eine Staatsverschuldung, die deutlich unter der griechischen oder italienischen liegt. Freilich: Die über 70 Prozent Staatsschulden im Falle Österreichs und die über 80 Prozent im Falle Deutschlands liegen immer noch weit über der in den 90er Jahren beschworenen Maastricht-Grenze von 60 Prozent. Doch das ist der geringste Teil ihrer Probleme.

Denn auch diesen beiden Staaten steht das nächste tiefe Konjunkturtal bevor. Denn und vor allem: Die offiziellen Schuldenquoten stimmen überhaupt nicht. Deren Wert ist in Wahrheit viel höher. Dazu tragen vor allem zwei Phänomene bei.

Das erste ist die gewaltige Bedrohung auch scheinbar stabiler Staaten durch die falschen Reaktionen in der europäische Schuldenkrise. Deren Auswirkungen sind nämlich derzeit nur zum kleinsten Teil schon in den offiziellen Staatsschuldenquote berücksichtigt. Dort wo man zur vermeintlichen Rettung von Griechenland&Co vorerst „nur“ Haftungen eingegangen ist, sind diese noch keineswegs darin enthalten.

Die EZB als unkontrollierbares Fass ohne Boden

Insbesondere fehlen die Haftungen jedes Euro-Staates für die Geschäfte der EZB. Von dieser fließen nämlich über die sogenannte Target-2-Schiene fast unkontrolliert Gelder in die Schuldenstaaten. Diese Schiene war zwar eigentlich nur zum technischen Ausgleich von täglichen Schwankungen der wechselseitigen Forderungen und Zahlungsströme zwischen den Nationalbanken in so großzügiger Weise gelegt worden.

Sie wird aber längst zur ständigen Finanzierung des krachenden griechischen Bankensystems verwendet. Zumindest ein wichtiger Teil der unabhängigen Finanzwissenschaftler sieht das als sehr bedrohlich an, auch wenn offizielle Stellen beschwichtigen. Alleine bei Target 2 geht es jedenfalls um Größenordnungen, die jene der vieldiskutierten Hilfsplattformen EFSF und ESM in den Schatten stellen.

Noch dramatischer ist der Zustand des Pensionssystems der einzelnen Staaten. Diese haben darin zum Teil sehr großzügige Zusagen für die Zukunft gemacht. Sie haben aber kein Geld dafür bereitgestellt. Sie haben jahrzehntelang zwar die Beiträge für die künftigen Leistungen kassiert, stehen aber ausgerechnet jetzt, da die Babyboomer-Generation ins Pensionssystem wechselt und da die Arbeitskräfte knapp werden – zumindest die qualifizierten –, mit leeren Kassen und den höchsten Schulden der Nachkriegszeit da. Zu den explodierenden Pensionslasten der Zukunft kommt auch noch die zusätzliche und ebenfalls durch nichts gedeckte Belastung des Gesundheits- und Pflegesystems, wenn die Bevölkerung rasch altert.

Dass diese Pensions-Zusagen nichts anderes als Staatsschulden sind, sieht man im Vergleich zu jenen Staaten, die die Pensionsverpflichtungen ausgelagert haben. Die ausgelagerten Pensionskassen müssen naturgemäß zur Absicherung ihrer Versprechungen für spätere Pensionskassen Geld ansammeln, sie tun dies meistens in Form von Anleihen oder auch Aktien. Wenn eine Pensions-Zusage durch ein normales Unternehmen erfolgt, dann muss dieses Unternehmen dafür Rückstellungen bilden, die das Eigenkapital belasten. Das schmälert den Gewinn oder erhöht unmittelbar den Verlust. Daher kann man aus den Bilanzen sofort erkennen, wenn allzu leichtfertige Zusagen gemacht werden. Weil dann eben immer mehr Geld als Rücklage zurückgelegt werden muss.

Österreich: 300 Prozent Staatsschuld

Die deutsche „Stiftung Marktwirtschaft“ hat mit Hilfe von Zahlen der EU-Kommission diese Verpflichtungen, die man auch „implizite Staatsschuld“ nennt, für zwölf Euro-Länder zu berechnen versucht. Sie ist dabei für Österreich auf den kaum noch vorstellbaren Wert von 226 Prozent des BIP, also der gesamten Wertschöpfung eines Jahres gekommen. Dieser Wert kommt wohlgemerkt noch zur offiziell berechneten und eingestandenen Staatsschuld hinzu, woraus sich dann eine Gesamtlücke von rund 300 Prozent ergibt.

Diese kann naturgemäß nur noch mit einer Fülle von drastischen Maßnahmen geschlossen werden, wenn der Staatsbankrott verhindert werden soll (denn Hilfszahlungen aus Griechenland oder Spanien scheinen eher unwahrscheinlich): Notwendig sind also massive Erhöhungen des Pensionsantrittsalters, Pensionskürzungen, Beitragserhöhungen, andere Abgabenerhöhungen und Einschränkungen der Staatsausgaben auf ganzer Linie. Nirgendwo aber werden diese Maßnahmen auch nur in voller Dimension diskutiert.

Deutschland steht ein wenig besser da. Hat das Land doch sein Pensionssystem insbesondere durch eine beschlossene Erhöhung des Antrittsalters schon signifikant verschlechtert – in Wahrheit natürlich: verbessert. Dort beträgt das implizite Defizit „nur“ rund 110 Prozent. Die Gesamtlücke ist damit kleiner als 200 Prozent. Was freilich ebenfalls noch immer einen heftigen weiteren Reformbedarf bedeutet.

Italien steht überraschend gut da

Unter den untersuchten zwölf Ländern stehen aber dennoch nur zwei besser als Deutschland da. Fast sensationell ist, welches Land zumindest nach dieser Studie an der – positiven – Spitze steht: Es ist Italien, das zwar unter der nach Griechenland höchsten offizielle Staatsschuld laboriert, aber laut dieser Studie die weitaus geringste implizite Staatsschuld hat, nämlich nur 28 Prozent des BIP. Dabei wurde in dieser Studie noch gar nicht der jüngste Anlauf der Regierung Monti zu einer weiteren Pensionsreform berücksichtigt. Das lässt vermuten, dass Italien vielleicht zu Unrecht ins schiefe Licht der Märkte gekommen ist. Seine Nachhaltigkeitslücke wird jedenfalls mit bloßen 146 Prozent angegeben.

Dieser Wert verschwindet im Vergleich zu den Zahlen am anderen Ende der Liste. Am übelsten steht derzeit Irland mit einer Nachhaltigkeitslücke (diese ist die Summe aus expliziter und impliziter Staatsschuld)  von fast 1500 Prozent des jährlichen BIP da. An zweitschlechtester Stelle steht ein Überraschungskandidat: nämlich Luxemburg. Das von einer großen Koalition aus linken Christdemokraten und Sozialisten geführte Land weist zwar eine extrem kleine explizite Staatsschuld von 19 Prozent aus. Die gesamte Lücke beträgt jedoch 1115 Prozent.

An dritter Stelle – wieder viel weniger überraschend – findet sich Griechenland mit ebenfalls über 1000 Prozentpunkten. Alle anderen untersuchten Staaten haben Lücken, die kleiner sind als 600 Prozent.

Viele Stellschrauben sind blockiert

Nun ist klar: Die implizite Staatsschuld lässt sich leichter verändern als die explizite. Kaum werden ein paar Schrauben vor allem im Pensionssystem kräftig gedreht, kann sie sich kräftig verändern. Jedoch wird das politisch immer schwieriger: Denn die Zahl der Pensionisten steigt in allen Ländern kräftig an, so dass Einschnitte in die Pensionen für die jeweils verantwortlichen Parteien katastrophale Rückschläge am Wahltag auslösen würden. Umgekehrt ist eine drastische zusätzliche Belastung der Arbeitseinkommen wirtschaftlich schwer selbstbeschädigend. Denn dadurch vertreibt man besonders die qualifizierten Arbeitskräfte aus dem Land.

Daher bleibt die politisch am leichtesten bedienbare Stellschraube zweifellos jene des Pensionsantrittsalters. Dessen Veränderung kostet keinem Pensionisten etwas. Sie entspricht auch der rasch steigenden Lebenserwartung. Und sie löst auch keinen wirtschaftlichen Schaden aus.

Dennoch verteidigen wichtige politische Gruppen etwa in Österreich das noch auf Jahrzehnte niedrigere Frauenpensionsalter und die sogenannte Hacklerregelung mit Zähnen und Klauen. Dennoch wollen in Deutschland die großen Parteien die Sozialleistungen erhöhen: durch niedrigere Beiträge, durch höhere Mindestpensionen oder durch bessere Familienleistungen. Sie wollen die gegenwärtig noch kräftig sprudelnden Steuereinnahmen gleich wieder verputzen und ignorieren alle Zahlen, die schon für 2015 eine dramatisch schlechtere Situation ankündigen.

Man kann es auch so formulieren: Was halten wir von einem Kaufmann, der der Bank zwei Drittel seiner Schulden verschweigt, sich aber Geld für ein neues Luxusauto ausborgt? Wohl jedem fällt da der Ruf nach dem Strafrichter ein.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Unisex: der neueste europäische Unsinn

10. November 2012 01:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ab 21. Dezember ist es soweit: Versicherungen dürfen europaweit nur noch geschlechtsunabhängige Preise und Tarife anbieten. Das klingt harmlos und konsumentenfreundlich. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Diese Unisex-Tarife werden Versicherungen für den Konsumenten teurer machen. Und sie sind ein weiteres drastisches Beispiel für überflüssige Regulierungen durch die EU und ihre schädlichen Einmischungen in das Wirtschaftsleben.

Denn Männer und Frauen stellen in den einzelnen Lebensphasen sehr unterschiedliche Risken dar: Junge Frauen werden – wenn auch immer seltener – schwanger, junge Männer nicht. Junge Männer neigen im Gegensatz zu jungen Frauen zu riskanterem und damit unfallträchtigem Autofahren. Frauen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als Männer.

All das war zu Recht bisher in unterschiedlichen Versicherungstarifen abgebildet. Junge Frauen zahlen mehr für Krankenversicherungen. Junge Männer zahlen mehr für Unfallversicherungen. Ältere Frauen zahlen weniger für Ablebensversicherungen, aber mehr für lebenslange Rentenversicherungen als Männer des gleichen Alters.

Nur ganz naive EU-Bürokraten und zynische Politiker können davon ausgehen, dass Unisex-Tarife nun einen Mischtarif bringen würden, der in der Mitte zwischen den bisher unterschiedlichen Tarifen der einzelnen Geschlechter liegen wird. Die Tarife werden in Wahrheit nahe bei den bisher höheren liegen. Was dem einen Geschlecht massiv schaden, dem anderen nur marginal nutzen wird.

Das sollte man nicht der Bösartigkeit der Versicherungskonzerne in die Schuhe schieben. Sondern ihrer Verpflichtung zur vorsichtigen Kalkulation und zur Logik. Denn wenn Kfz-Versicherungen für junge männliche Autofahrer signifikant billiger werden, wird nach allen Erfahrungen und Marktgesetzen die Nachfrage männlicher junger Autofahrer nach solchen Versicherungen signifikant anwachsen. Während die jungen Frauen, die (noch?) vorsichtiger fahren, durch die Tariferhöhung eher abgeschreckt werden.

Um diese Zusammenhänge zu begreifen, muss man weder Versicherungsmathematik noch Statistik oder Wahrscheinlichkeitsrechnung studiert haben. Sondern man müsste nur logisch denken können.

Was manche prinzipiell nicht tun. Daher werden dank der EU und einiger Gleichheitsfanatiker etliche Versicherungstarife bis zu 40 Prozent teurer – vor allem für Frauen; eine Studie spricht sogar von 55 Prozent. Ablebensversicherungen für Frauen könnten sogar um bis zu 80 Prozent teurer werden.  Die bisher größten bekannten Verbilligungen machen 22 Prozent aus. Offizielle Zahlen kommen freilich erst im Dezember heraus. Gut kommt nur davon, wer sich noch schnell vor dem 21. Dezember zu den alten Konditionen versichert.

Nachher wird bei den Versicherungen die große Ebbe eintreten. Was nicht nur deren Aktionäre treffen wird, sondern auch die Staaten. Den denen können dann die Versicherungen weniger Anleihen abkaufen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Damit Geld, Ideen und Leistung zusammenfinden

08. November 2012 01:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Der Staat braucht höhere Steuereinnahmen, damit er Arbeitsplätze und Wachstum sichern und schaffen kann.“ Fast würde man glauben, diese Behauptung könnte stimmen, so oft hört man sie derzeit. Dennoch bleibt sie absoluter Unsinn. Das Gegenteil ist wahr: Höhere Steuern zerstören Arbeitsplätze und Wachstum; und der Staat hat sich als unfähig erwiesen, Arbeitsplätze zu schaffen, die auch einen positiven Beitrag zum Wachstum leisten. Er produziert nur in einem einzigen Bereich dauerhafte Jobs: in der Bürokratie. Aber die kostet Wachstum. Sie behindert produktive Tätigkeiten.

Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand entstehen immer nur in privaten Unternehmen. Dort wo jemand eine kreative, eine geniale, eine witzige Idee hat, die auf dem Markt nachgefragt werden könnte. Dort wo jemand eine tolle Erfindung macht, mit der Produkte billiger erzeugt werden können. Dort, wo sich Fleiß, und Verlässlichkeit einen Kundenstock schaffen. Dort wo jemand im Glauben an eine Innovation ein Risiko eingeht.

Nichts davon kann der Staat. Er handelt ja nur durch Beamte oder Politiker. Beamte sind niemals kreativ, witzig, genial, sondern immer nur vorsichtig auf Einhaltung jeder Vorschrift und Vermeidung jedes Risikos bedacht, um ihre eigene Karriere nicht zu gefährden. Und Politiker gehen erst recht kein Risiko ein, das ihre Wiederwahl bedrohen könnte. Sie geben das den Steuerzahlern abgenommene Geld immer nur in Perspektive auf die nächste Wahl aus. Und die ist fast immer gleich ums Eck. Politisch ausgegebenes Geld fördert Parteizwecke oder gar Parteifreunde, oder es fließt an medial gepushte Modezwecke.

Weder Politiker noch Medien noch Beamte hingegen hätten vorher auf jene Produkte gesetzt, mit denen österreichische Firmen heute besonders erfolgreich sind. Ob das nun ein Koffein-Getränk mit Himbeergeschmack, geschliffene Glasscherben, Feuerwehrautos, Gleisstopfmaschinen, Feuerfest-Artikel, Kraftwerksturbinen oder Beschläge sind.

Kurzer Wechsel in einen anderen Bereich, zur modernen Kunst. Ich schätze sie und gehe gerne in Museen und Galerien. Vor einiger Zeit geriet ich daher in eine Ausstellung der Nachkriegs-Ankäufe der Republik: Es war die langweiligste Ansammlung von unverkäuflichem, ideenarmem Epigonentum, die ich je gesehen habe. Jedes einzelne erworbene „Kunst“-Werk roch nach einem Gefälligkeits- oder Wohltätigkeits-Werk.

Oder blicken wir auf die Verstaatlichte Industrie: Jahrzehntelang brauchte man politische Protektion oder Schmiergeld für einen Post-Beamten, um wenigsten nach ein paar Monaten einen Telephonanschluss zu bekommen. Sonst dauerte es Jahre. Heute geht das sofort.

Auch bei den oft als angebliches Gegenbeispiel zitierten britischen Eisenbahnen hat sich die Privatisierung als Erfolg erwiesen. Mit ihnen fahren heute viel mehr Briten mit viel weniger Unfällen als vor der Privatisierung. Und auch während der langen Labour-Jahre wurde diese wohlweislich nicht zurückgenommen. Lediglich in einem einzigen Teilbereich gab es Probleme: bei den Geleisen. Hier funktionierte das Konkurrenzprinzip als Kern der Marktwirtschaft nicht. Hier hatte der Staat vorher jahrzehntelang alle Investitionen unterlassen, sodass die Käufer scheiterten und die Schienen wieder an den Staat zurückgeben mussten.

Beispiele für die Überlegenheit von privatem Unternehmertum ließen sich lange fortsetzen. Dabei müsste etwa unbedingt auch auf die Voest im Vergleich Einst-Jetzt eingegangen werden. Oder auf das Schicksal der einstigen Staatsbanken und jenes der privat geführten. Der Vergleich macht objektive Beobachter sicher.

Die in jeder Hinsicht überlegene Privatwirtschaft hat nur zwei Probleme: Wie bringt man der Politik endlich bei, dass sie nicht durch Förderungen und Regeln, sondern nur durch einen Abbau von Steuern und Gesetzen das Wachstum fördert? Und zweitens: Wie finden die tollen Ideen mit dem notwendigen Kapital zusammen? Wer finanziert den Aufstieg eines familiären Klein- oder Mittelbetriebs zu einem großen Industrie-, Handels- oder Finanzunternehmen? Wo kommt das Geld für Kauf und Erneuerung eines privatisierten Staatsunternehmens her? Wie fließt das auf Sparbüchern schlummernde Geld in die produktive Realwirtschaft?

Der Begegnungsort ist der Kapitalmarkt. Und in seiner idealen Form die Börse. Dort kann auch der kleine Mann sein Geld genauso sinnvoll investieren wie die großen Fonds. Dort sind Heerscharen von Analysten und Anlagespezialisten unterwegs, um die spannendsten, zukunftsträchtigsten Investitionsobjekte mit jenen Menschen zusammenzubringen, die einen sinnvollen und möglichst gewinnbringenden Arbeitsplatz für Familienvermögen, für ihre Altersvorsorge, für ererbtes Geld suchen.

Börse-Veranlagungen sind gerade in Zeiten sinnvoll, da man bei Anleihen real viel Geld verliert – wenn man nicht zum nervenzerfetzenden Hochseil-Akt eines Kaufs griechischer Papiere bereit ist. Umgekehrt braucht auch der große Markt der Ideen und kapitalbedürftigen Unternehmen gerade heute die Börse nötiger denn je, da die staatlichen Regulatoren Bankkredite massiv verknappen.

Es ist absolut unverständlich, dass ausgerechnet jetzt das Verständnis von Politik und Medien für den Wert der Börse drastisch abnimmt. Nachdem man ihr in Österreich am Beginn des letzten Jahrzehnts noch einen gewaltigen Boom versetzt hat, sehen populistische Politiker in Börsen und Anlegern heute nur noch eine Melkkuh und beschimpfen sie als Spekulanten. Ständig erfinden sie neue Steuern, welche die Transmission-Funktion der Börsen behindern.

Das Ergebnis: Zwar sind die Börsenkurse dennoch gestiegen, aber in Österreich hat das Volumen des über die Börse in die Wirtschaft fließenden Geldes dramatisch abgenommen. Wem auch immer das nützen soll: den Arbeitsplätzen, dem Wachstum, dem künftigen Wohlstand gewiss nicht.

Aber manche Politiker glauben ja ohnedies, dass das Geld aus der Druckmaschine oder dem Kopierer kommt.

Dieser Beitrag deckt sich weitgehend mit einem Text für die große Jubiläumsnummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier", die 90 Jahre alt wird.

Drucken

Was für Amerika wichtiger ist als Barack vs. Mitt

04. November 2012 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ganz Europa hat bis zuletzt atemlos das Rennen Obama-Romney verfolgt. Warum eigentlich? Primär weil das weltweite Mediensystem in jeder Frage stark amerikalastig ist. Das sieht man etwa an den riesigen Berichten über die Hurrikan-Schäden in den USA, während das schwerer getroffene Haiti nur einspaltig behandelt worden ist. Dazu kommt, dass amerikanische Präsidentenwahlen dramaturgisch sehr spannend aufgebaut sind; sie eskalieren von den ersten Wahlkämpfen für Primaries bis zur Analyse jedes einzelnen „Swing“-Staates über ein Jahr. Dennoch ist die in Europa erfolgende Überbetonung dieses Wahlgangs eine Verzerrung der wirklich Wichtigkeiten.

Denn erstens ist ein amerikanischer Präsident gegenüber dem US-Kongress erstaunlich schwach, also gar nicht so mächtig, wie wir glauben. Zweitens sind die sachlichen Entscheidungen, vor denen die USA stehen, viel wichtiger und spannender als jede Personalfrage. Und drittens sind wir im 21. Jahrhundert angekommen: Amerika war zwar „die“ Supermacht des 20. Jahrhunderts; Jetzt steht ihm jedoch – so wie Europa – mit hoher Gewissheit eine Epoche des ständigen Abstiegs bevor, während Asien zum Zentrum des Globus wird.

Gewiss: Dieser amerikanische Abstieg findet auf einem vorerst noch immer sehr hohen Niveau statt. Aber sowohl wirtschaftlich wie demographisch wie außenpolitisch stehen die USA und damit auch ihr nächster Präsident vor in Wahrheit nicht bewältigbaren Problemen – egal wie der Präsident nun heißt. Daher ist es auch viel wichtiger, sich mit diesen Problemen zu befassen als mit irgendwelchen Versprechern oder auch Versprechungen der Kandidaten während des Wahlkampfs. Oder mit deren Religion, oder ihrem privaten Reichtum.

Welcher der beiden auch immer es wird: Er ist mit einem Parlament konfrontiert, in dem zumindest derzeit in jeder Kammer eine andere Partei die Mehrheit hat. Und selbst wenn die Partei des Präsidenten überall die Mehrheit hätte, kann die Opposition ihr und dem Präsidenten vor allem durch Filibustern – also durch ein die Abstimmung verhinderndes Dauerreden – das Leben weit schwerer machen, als es je eine österreichische Oppositionspartei gegen die Regierungsmehrheit könnte. Lediglich beim Kriegführen ist ein Präsident erstaunlich frei.

Eine Außenpolitik voller Herausforderungen

Amerika und sein Präsident stehen in den nächsten Jahren vor einer Fülle außenpolitischer Herausforderungen, die kaum zu bewältigen sind. Die da im Wesentlichen sind:

  1. Wie organisiert man den – aus finanziellen und innenpolitischen Gründen unvermeidlichen – Rückzug aus Afghanistan so, ohne dass dort binnen kurzem die radikalen Taliban mit ihrer Nähe zum Terrorismus die Macht übernehmen? Von deren Frauenhass und sonstigen steinzeitlichen und menschenrechtswidrigen Vorstellungen gar nicht zu reden. Diese Perspektive erinnert stark an die Machtübernahme der Kommunisten nach dem amerikanischen Abzug aus Südvietnam, der nicht nur alle Anstrengungen des Vietnamkrieges zunichte gemacht, sondern auch die USA selber in die jahrelange Depression der Carter-Ära gestürzt hat.
  2. Wie geht man mit dem bedrohlichen und aggressiv antiamerikanischen Iran um? Israel meldete zwar zuletzt von dort ein überraschendes Einschwenken. Langfristig bleibt die Lage aber weiterhin explosiv.
  3. Wie reagieren die Amerikaner auf den immer mehr eskalierenden Bürgerkrieg in Syrien, der auch etliche Nachbarländer zu involvieren droht? Sie haben bisher zwar klare Sympathien für die Aufständischen gezeigt, sich aber sonst herausgehalten. Was aber immer schwerer wird. Interessanterweise rufen vor allem jene nach einem Eingreifen der USA, die sonst immer heftig gegen amerikanischen Interventionismus protestieren.
  4. Wie geht man mit dem vorstoßenden Islamismus um? Schaffen es die Amerikaner, insbesondere das strategisch wichtige Ägypten weiterhin durch viel US-Steuergeld zu einem verantwortungsbewussten Verhalten zu bewegen?
  5. Gelingt es, den sich steigernden Antagonismus zwischen Arabern und Israel noch unter Kontrolle zu halten? Ein neuer Konflikt würde die USA geradezu unweigerlich massiv involvieren.
  6. Wie entwickeln sich die völlig unberechenbaren Atombombenbastler in Nordkorea mit ihrem Terror- und Hunger-Regime weiter? Dort stehen amerikanische Soldaten so unmittelbar wie nirgendwo sonst an einer Grenze, die durch einen kleinen Funken zu einer heißen Front werden könnte.
  7. Kann man den zunehmend auf Antiamerikanismus setzenden russischen Machthaber Putin wieder zu Kooperation und einer Rückkehr zu Demokratie und Rechtsstaat motivieren?
  8. Und noch heikler: Wie wird das Verhältnis zur rapide nach oben strebenden Weltmacht China? Etliche Anzeichen deuten darauf hin, dass China zunehmend zu Konfrontationen mit seiner Umgebung bereit ist, etwa im Streit um angeblich ölreiche Inseln. Chinas Nachbarn Taiwan, Südkorea und Japan haben aber amerikanische Sicherheitsgarantien. Zugleich ist fast die gesamte amerikanische Industrie durch den Eroberungsfeldzug chinesischer Imitatoren und die Billigarbeitsplätze in ganz Ostasien bedroht.

Europa ist nicht mehr so wichtig

Das sind die zentralsten Probleme und Herausforderungen des bisherigen Weltpolizisten im Bereich der Außenpolitik. Es ist kein Zufall , dass die beiden für die USA lange dominierenden Regionen in dieser Liste gar nicht vorkommen: Europa und Lateinamerika. Diese sind für Washington einfach nicht mehr so wichtig, wie sie früher stets waren.

Das muss man langsam auch in Europa begreifen. Wenn an den Rändern Europas Konflikte auflodern, verlangen die USA zunehmend, dass sich Europa selbst darum kümmert, siehe Balkan, siehe Tunesien. Seit sich die Amerikaner kaum noch vor den Russen fürchten, wollen sie sich in regionalen Fragen selber nicht mehr wirklich engagieren. Diese Aufmerksamkeits-Verschiebung zeigt den Europäern aber auch ihre eigene wirtschaftliche und militärische Schwäche sowie das Fehlen eines politischen Gewichts.

Eine kluge europäische Sichtweise sollte jedenfalls etwa dem bevorstehenden Machtwechsel in Peking ähnlich viel Aufmerksamkeit widmen wie den US-Wahlen – auch wenn dort die Vorgänge viel intransparenter sind. Aber dort werden jedenfalls entscheidende Weichen gestellt.

Innenpolitik zwischen Schulden und Immigration

Wenn wir zu den die innenpolitischen Sorgen und Herausforderungen wechseln, zeigt sich, dass es da für den nächsten US-Präsidenten noch weniger Aussichten auf leichte Lösungen gibt als in der Außenpolitik.

  1. Die größte und eigentlich nicht bewältigbare Herausforderung ist zweifellos die enorm gestiegene Staatsverschuldung. Diese ist schon unter George W. Bush steil nach oben gegangen und dann unter Obama endgültig explodiert. Die amerikanische Schuldenquote liegt ja mit über 110 Prozent des BIP weit über jener der Eurozone – und sogar über jener der Krisenstaaten Portugal und Irland. Und wenn man die Staatsschulden pro Einwohner berechnet, sind sie sogar doppelt so hoch wie in der Eurozone. Als europäischer Staat hätten die USA daher schon längst ihre Kreditfähigkeit verloren. Sie stehen nur aus folgenden drei Gründen noch nicht so im Scheinwerferlicht.
    - Ihre Notenbank druckt hemmungslos inflationsförderndes Geld, während die EZB durch vertragliche Stabilitätsregeln dabei noch etwas gebremst wird.
    - Der Dollar dient weiterhin als Weltreservewährung Nummer eins (da China&Co ihre Währungen nicht konvertibel machen). Das bedeutet, dass all die weltweiten Notenbanken, die Dollar-Pakete in ihren Tresoren haben, den USA damit automatisch einen zinsenlosen Gratiskredit geben;
    - Die USA haben lange nicht so viel versteckte („implizite“) Schulden wie die Europäer, weil der Staat sich strikt aus der Wirtschaft fernhält; und weil das amerikanische Pensionssystem weitgehend privat ist. Für die Altersversorgung der Amerikaner wurden in zahllosen Fonds von den künftigen Pensionisten Milliarden angespart. In den meisten europäischen Ländern wurde hingegen gar nichts angespart – und dennoch wurden zu Lasten künftiger Budgets üppige staatliche Pensionsversprechen abgegeben.
  2. Die finanzielle Ungewissheit wird dadurch vergrößert, dass am 31. Dezember ein ganzes Paket von befristeten Steuer- und Abgaben-Senkungen aus der Bush-Zeit abläuft. Die beiden einander unversöhnlich gegenüberstehenden Parteien haben sich in keiner Weise über die Frage angenähert, wie es damit weitergehen soll. Seit drei Jahren liegt zwar der sogenannte Simpson-Bowles-Kompromiss auf dem Tisch des Kongresses. Dieser sieht eine breitangelegte Mischung aus Steuerreformen und Ausgabenbeschränkungen vor. Nur gibt es bis heute keine politische Einigung dazu.
  3. Zahllose Regierungsprogramme sind eigentlich außer Kontrolle geraten und dringend erneuerungsbedürftig. Nur gibt es auch dazu keinen Kompromiss. Ein Beispiel sind etwa die vielen lebenslangen Sozialleistungen für Armee-Veteranen, die immer mehr kosten.
  4. Zugleich beginnen mit 2013 die Zwangsabgaben für Obamas allgemeine Gesundheitsversicherung. Das löst eine weitere Abgabenbelastung und Verunsicherung für Investoren aus.
  5. Auch das Pensionssystem bräuchte eine Reform – in den USA verlangen die Experten dringend, das Antrittsalter von 67 auf 68 Jahre zu erhöhen. Das wäre notwendig, auch wenn in Europa das Antrittsalter fahrlässigerweise nicht einmal noch überall bei wenigstens 60 Jahren liegt. Und gerade macht sich das griechische Verfassungsgericht daran, die dortige – erzwungene – Erhöhung auf 67 Jahre wieder zu annullieren.
  6. Ein besonders heißes Thema ist die Einwanderungspolitik. Als Reaktion auf den Terroranschlag vom 11. September 2001 wurden die Visa für Fachkräfte von 200.000 auf 65.000 pro Jahr heruntergefahren. Das wirkt sich negativ auf etliche Branchen aus. Es gibt auch fast keine Verbleibe-Möglichkeit für die rund 300.000 ausländischen Studenten in den USA nach Absolvierung ihres Studiums, obwohl die sehr teuer ausgebildet worden sind. Zugleich drängen aber weitere illegale Immigranten aus Lateinamerika in die USA, die fast alle wenig Ausbildung hinter sich haben. Das alles steht vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Nachfahren europäischer Einwanderer dabei sind, zur Minderheit in den USA zu werden. Daher sind einerseits in großen Teilen der Bevölkerung Anti-Immigrations-Maßnahmen sehr populär. Auf der anderen Seite dürften die Stimmen vieler nichteuropäischer Zuwanderer mit Staatsbürgerschaft (etwa durch Geburt auf US-Boden) schon den Wahlsieg Barack Obamas entscheiden. Wird dieser doch unter den weißen Amerikanern nur von 30 Prozent unterstützt.
  7. Ebenso heiß wird die Energiepolitik. Gewaltige Funde von Ölschiefer-Gasen könnten Amerika zum Export-Land machen. Nur kämpfen immer mehr Umweltgruppen gegen die dabei notwendigen aggressiven Abbaumethoden. Gewinnen die Demokraten die Wahlen, werden sie auch neuerlich versuchen, wieder das Kyoto-Protokoll zu pushen, das den Klimawandel beeinflussen soll. Und last not least wird auch die Atomenergie ein umstrittenes Thema bleiben.

Ob es der Sieger schaffen wird oder überhaupt kann, in all diesen Herausforderungen zu bestehen? Es ist jedenfalls schade, dass sie im amerikanischen Wahlkampf weitgehend untergegangen sind. Diese Themen wurden in der europäischen Berichterstattung noch viel mehr vernachlässigt, die sich wie bei einem Sportereignis auf den Wettkampf an sich konzentriert. Die sich lieber für einzelne verbale Hoppalas der Kandidaten oder für die Frage interessiert, welcher First-Lady-Typ einem sympathischer wäre: die emanzipierte und politisch ambitionierte Frau Obamas oder die sich ganz auf ihre Aufgabe in der Familie konzentrierende Frau Romneys . . . 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Die vergessenen guten Nachrichten: Gas und Dritte Welt

01. November 2012 00:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ja, es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Nur gehen sie in der medialen Jagd nach immer neuen Katastrophenmeldungen meist unter. Sie haben es insbesondere dann schwer, wenn sich auch kein Politiker ihrer rühmen kann.

Dennoch sind zwei Entwicklungen für die Zukunft der Welt wohl wichtiger als alles, was da tagtäglich gemeldet wird. Die eine ist der steile Fall der globalen Gaspreise. Die andere ist der ebenso dramatische Zuwachs des Mittelstandes in der dritten Welt. Beide Entwicklungen widersprechen nicht nur den ewigen Untergangs-Propheten. Sie sind auch absolut erfreulich für Investoren, die längerfristig denken.

Die Mittelstands-Vergrößerung bedeutet nach einer HSBC-Studie, dass 2050 fast drei Milliarden Menschen ein mittleres Einkommen haben werden. Das zeigt ebenso wie schon viele aktuelle Daten, dass die Entwicklung der einstigen Dritten Welt signifikant vorankommt und keineswegs nur ein paar Superreichen nutzt. Diese Mittelstands-Milliarden werden die entscheidenden Konsumenten der Zukunft sein: Sie werden in großem Umfang auch europäische Hochqualitäts-Produkte und Tourismus-Angebote kaufen. Diese Milliarden werden viel jünger und dynamischer sein als die Europäer, womit sie auch konsumfreudiger sein werden – aber natürlich ebenso beinharte Konkurrenten für die europäischen Arbeitsplätze.

Auch der Fall des Gaspreises ist erfreulich. Er hängt nur ganz am Rande mit der Konjunkturflaute zusammen. Diese zeigt sich eher am – deutlich langsameren – Sinken der Ölpreise. Der Gaspreis fällt hingegen vor allem wegen vieler neuer Funde und Abbautechniken. Die USA sind Selbstversorger geworden, dennoch kostet Gas dort nur noch ein Viertel dessen, was Gazprom von seinen Kunden in Europa verlangt.

Dies ist freilich der schlechte Teil der Nachricht. Der niedrige Gaspreis kommt noch nicht bei uns an. Einerseits weil in Europa (bis auf das sehr dynamische Polen) der Widerstand gegen die neuen Techniken zum Abbau der auch hier entdeckten großen Gasvorräte zu groß ist, während diese Methoden in den USA und anderswo breitflächig eingesetzt werden. Andererseits ist Europa durch langfristige Verträge an Russland und der Gaspreis an den Ölpreis gekettet. Die Russen zeigen wenig Lust, diese Bindungen aufzugeben. Leben sie doch in hohem Ausmaß von den Energieexporten; ist doch Gazprom zuletzt das gewinnträchtigste Unternehmen der Welt gewesen.

Aber auch hier wird sich in absehbarer Zeit der Markt durchsetzen. Gazprom täte im eigenen Interesse gut daran, die Gaspreise zu senken, bevor seine Verträge auslaufen – denn sonst fliegt es ganz aus dem Geschäft. Und auch wenn die Europäer ihr eigenes Gas ungenutzt lassen sollten, wird doch viel von dem ursprünglich für die USA bestimmten Flüssiggas nach Europa drängen und die Preise drücken.

Hoffentlich rechtzeitig und tief genug, bevor allzuviele Industriebetriebe wegen der hohen Energiekosten abwandern.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Wie groß ist die Wirtschaftskraft der Staaten?

31. Oktober 2012 12:05 | Autor: Andreas Unterberger

Entfernung aller Staaten zum langfristigen Optimum der Wettbewerbsfähigkeit gesamt

 

Die "Grenze" ist der höchste jemals für den jeweiligen ökonomischen Indikator (hier: Gesamtwert) gemessene Wert. Dieser wird als = 100 angenommen, der in der Tabelle angegebene Wert gibt die Entfernung zu diesem Wert an; je näher bei 100, umso besser die Wirtschaft.

Quelle: http://doingbusiness.org/data/distance-to-frontier

Drucken

Das Internet und die böse Klassengesellschaft

27. Oktober 2012 00:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Arbeiterkammer ist in ihrem ideologischen Fanatismus nichts zu blöd: Jetzt erregt sich der üppig von Zwangsgebühren lebende Verein sogar schon über eine Zweiklassengesellschaft im Internet. Da hätte ich viele gute Tipps, wo sich diese Kammer sonst überall noch über eine Klassengesellschaft erregen könnte.

Der Anlass der Erregung: Internet-Provider wollen im Internet teurere Tarife anbieten, wofür im Gegenzug die Daten dieser Kunden schneller übertragen werden als bei den heute marktbeherrschenden Billigst-Angeboten. In diese Frage hat sich schon völlig überflüssigerweise die regulierungswütige EU-Kommission eingeschaltet; jetzt beklagt nun auch die Arbeiterkammer einen „Trend zu einem Zweiklasseninternet“. So als ob es irgendjemandem verboten werden sollte, den besseren und schnelleren Zugang zum Netz zu mieten. Er muss halt nur, wenn er das will, sein Geld dafür ausgeben und nicht für etwas anderes.

Was daran eigentlich böse sein soll, erkenne ich nicht. Mehr Leistung, mehr Kosten: Das ist das logischste und gerechteste Prinzip der Welt. Denn warum soll umgekehrt eine Telekom-Firma schnellere Zugangsmöglichkeiten entwickeln und anbieten, wenn sie eh nicht mehr Geld dafür verlangen darf?

Aber wenn Arbeiterkammer und EU-Kommission solche Unterschiede ernsthaft für böse erklären und verbieten wollen, dann mögen sie doch bitte auch die Klassengesellschaft auf allen anderen Gebieten beenden:

Der Phantasie für dümmliche Arbeiterkammer-Stellungnahmen sind keine Grenzen gesetzt. Dann weiß man endlich, wozu jener Verein gut ist, der jedem Arbeitnehmer monatlich in aller Heimlichkeit ein halbes Prozent seines Gehalts stiehlt, ohne dass das auch nur auf dem Lohnzettel vermerkt wird.

Und dass die EU-Kommission, die sich ebenfalls um die Regulierung solcher Fragen annimmt, immer mehr zur Fünfjahresplan-Behörde nach Muster der einstigen Ostblockstaaten verkommt, ist leider auch nichts ganz Neues mehr.

Vielleicht sollten sich beide wirklich über den einstigen Ostblock informieren und darüber, was dort die klassenlose Gesellschaft anrichtete: Es gab im Kommunismus in der Tat oft keine Preisunterschiede – aber die erhältlichen Waren und Dienstleistungen waren dafür halt alle nur aus  der untersten Qualitätsklasse. Wenn überhaupt noch welche erhältlich waren. Warum hätte sich auch irgendjemand noch anstrengen sollen, etwas Besseres zu produzieren, wenn man fürs Geld eh nichts mehr bekommt? Und die wenigen noch vorhandenen Spitals-Einbettzimmer und Großwohnungen gab es im Osten halt nicht für Geld, sondern für die Funktionäre.

Aber vielleicht ist es ohnedies das, was die Funktionäre in Arbeiterkammer und EU-Kommission wollen. Oder sind sie einfach gar schon wieder dem alten linken Denkfehler verfallen, dass es besser wäre, alle hätten gleich wenig, als wenn ein Teil mehr hätte? Hunderte Millionen Menschen mussten schon wegen dieses Denkfehlers darben. Dennoch taucht er jetzt wieder unter der verlogenen neuen Tarnbezeichnung „Gerechtigkeit!“ auf.

 

Drucken

Ihre Gier kennt keine Grenzen mehr

25. Oktober 2012 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Spar- und Reformbereitschaft der Politik ist am Nullpunkt angekommen. Dafür erreicht ihre Gier nach ständig noch mehr Abgabeneinnahmen einen neuen Höhepunkt. Die Österreicher werden derzeit mit einer solchen Fülle von Steuererhöhungsideen zugeschüttet, dass sie am Ende wohl froh sein sollen, wenn nur ein Teil verwirklicht wird. Motto: Gut, wenn der Schmerz kleiner wird. Auch wenn er vom Phantom- zum echten Schmerz wird.

Siehe etwa die Grundbuchs-Eintragungsgebühr bei Schenkungen und Erbschaften: Hier plant die Koalition eine Erhöhung der Gebühr auf etliche Tausende Euro pro Eintragung. Zwar hat die Justizministerin ihren ersten Plan ein wenig abgemildert. Die Menschen sollen offenbar froh sein, wenn die Eintragung für Familienangehörige erschwinglich bleibt, und nur die anderen abgecasht werden.

Das ist aber dennoch weder sozial noch gerecht noch familienfreundlich. Denn warum soll die eine junge Familie, die eine Wohnung erbt, wenig zahlen? Und warum soll die andere, die leider keine Erbschaft macht und daher die Wohnung auf dem Markt kauft, für die Eintragung ein Vielfaches zahlen?

Es ist verlogen zu behaupten, dass da keine versteckte Steuer abkassiert wird, sondern nur eine Eintragungsgebühr: Warum soll die in bestimmten Fällen zehnmal höher sein, selbst wenn der Wert des Grundstücks gleich bleibt?

Genauso erweist sich bei näherem Hinschauen auch jede andere Steueridee als ungerecht und schädlich. Ob das nun der rot-grüne Plan einer Vermögens- und Erbschaftssteuer ist. Oder die schon realisierte Kursgewinnsteuer und Bankensteuer. Oder das großkoalitionäre Projekt einer Finanztransaktionssteuer. Oder die Idee einer Zwangsanleihe; diese empfehlen unsere Politiker zwar vorerst nur den Griechen – sie wollen damit aber zweifellos den Boden bereiten, wenn sich auch unsere Schuldenlage leider, leider wieder einmal schlechter entwickelt als behauptet.

Besonders übel ist auch die Idee einer ORF-Haushaltsabgabe. Da immer mehr Menschen – vor allem junge  – keinerlei Bedarf mehr an Fernsehen haben und daher auch keine Gebühren zahlen, soll künftig automatisch jeder Haushalt oder Computer zu einer ORF-Gebühr gezwungen werden. Samt den dabei jetzt schon mitkassierten zwei Bundesabgaben und – bis auf die lobenswerten Ausnahmen Oberösterreich und Vorarlberg – fetten Landesabgaben.

Aber auch im restlichen Europa kursiert jede Menge weiterer Steuerideen. So will das linke Frankreich jede Suche auf Internet-Suchmaschinen besteuern. So bricht das rechte Ungarn eiskalt sein Versprechen, die Bankenabgabe nur bis heuer zu befristen.

Das Ergebnis sieht man in Griechenland: Reihenweise fliehen jetzt große internationale Firmen angesichts der explodierenden Steuersätze (was naturgemäß die Steuereinnahmen weiter reduziert, statt sie zu erhöhen). Aber das Land beschäftigt weiter überflüssige Beamte, unterhält eine hochgerüstete Armee und zahlt Renten an Zehntausende längst verstorbene Pensionisten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Fußnote 368: Griechenlands zweijähriger Wahlkampf

24. Oktober 2012 15:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Griechen bekommen nun definitiv einen weiteren zweijährigen Aufschub für die Erreichung der ersten(!) Sanierungsziele. War alles für die Katz?

Griechenland darf sich nun noch zwei Jahre mit der Erreichung jenes Ziels Zeit lassen, auf das es eigentlich schon seit dem Maastricht-Vertrag 1992, also seit zwanzig Jahren verpflichtet ist: nämlich das staatliche Defizit unter drei Prozent zu drücken (was ohnedies eine sehr großzügige Vorgabe ist). Seit zweieinhalb Jahren nimmt Griechenland zur Erreichung dieses Ziels überdies satte europäische Hilfen in der Höhe seines gesamten Budgets in Anspruch. Als einzige Begründung wird den europäischen Steuerzahlern erklärt, dass die Griechen halt durch Wahlkämpfe Zeit verloren hätten. Zwei Jahre Wahlkampf? Nicht zeigt klarer als diese Zeitvergleiche, dass die Griechenland-Hilfe absolut für die Katz gewesen ist. Und dass sich viele Länder zugunsten Griechenlands schwerst verschuldet haben – ohne dass dieses Land auch nur mit der Sanierung begonnen hätte: Griechenland gibt nämlich noch immer mehr Geld aus, als es einnimmt, selbst wenn man die Zahlungen für Zinsen und Kapitalrückzahlungen beiseite lässt. Es konnte nun sogar das Verlangen der Troika abschmettern, durch Reformen der wohlfahrtsstaatlichen Arbeitsmarkt-Gesetze, die nichts gekostet hätten, die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder ein wenig zu erhöhen. Statt dessen müssen halt neuerlich sogar solche Länder für Griechenland zahlen, die einen weit weniger freizügigen Sozialstaat haben . . .

Nachträgliches PS.: Die Meldung über den zweijährigen Aufschub kommt aus mehreren deutschen wie griechischen Quellen. Offiziell wird freilich beteuert, dass die Entscheidung noch nicht definitiv sei. Man wird es ja anfang November sehen.

 

Drucken

Spindelegger: Wunderbar – aber sechsmal Aber

24. Oktober 2012 12:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele starke, richtige Worte hat Michael Spindelegger da gefunden. Wenn man ihm so zuhörte, dann hat in Sachen Wirtschaftskompetenz niemand auch nur die geringste Chance gegen die Volkspartei. Wenn da nicht auch sechs große Aber wären.

Der Grundakzent des ÖVP-Obmannes, den er in seiner großen Herbstrede vor dem Nationalfeiertag in vielen Punkten dargelegt hat, ist absolut richtig und erfreulich: Weniger Staatsquote, niedrigere Steuern, also auch weniger Staat; ein familienfreundliches Steuersystem; Ermöglichung eines Gründerbooms; Privatisierungen bis hin zu Teilen der ÖBB (was sich auf Grund der internationalen Erfahrungen vor allem auf die Züge aller Art, weniger die Schienen-Infrastruktur bezieht); demonstrative Rückenstärkung für Maria Fekter und deren Temperament; und so weiter.

Super, begeisternd. Gegen kaum einen Satz gab es etwas zu sagen.

Wäre da nicht die Realität, die halt eine Partei mit Regierungsverantwortung und vor allem mit vielen anderen Spitzenpolitikern nicht beiseite schieben kann. Denn dadurch entsteht ein etwas anderes Bild. Denn diese Realität zwingt dazu, einige große Aber zu formulieren, die Spindeleggers Glaubwürdigkeit reduzieren:

 

Drucken

Europäische Fata Morgana: das deutsche Rettungskonzept

23. Oktober 2012 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Im europäischen Schulden- und Finanzdschungel nimmt sich die deutsche Regierung als einsame Lichtung der Vernunft aus. Dieser Eindruck entpuppt sich aber zunehmend als Fata Morgana. Auch die Politik der Angela Merkel bietet nämlich in Wahrheit längst keinen Ausweg mehr als dem Krisendickicht. Und das macht bange. War doch Deutschland die letzte Hoffnung im Euroraum.

Die deutsche Strategie scheint auf den ersten Blick klar und logisch. Komprimiert lautet sie: Da ein Auseinanderbrechen des Euro-Raumes schlimme Folgen hätte, und ein Bankrott von Euro-Staaten noch viel mehr, wird Ländern wie Griechenland oder Portugal weiterhin mit viel Geld geholfen, wofür diese im Gegenzug zu einem straffen Sanierungs- und Reformprogramm gezwungen werden.

An dieser Strategie klingt vieles richtig. Sie kann aber dennoch nicht funktionieren, weil sie absolut weltfremd ist. Natürlich stimmt es, dass ein Zerbrechen des Euro-Raums oder Staatsbankrotte sehr unangenehm und schmerzhaft wären. Nur kann es nicht funktionieren, Länder auf diesem Weg zu einer Reform- und Sanierungspolitik zu zwingen. Und nach einem Scheitern der diversen Rettungsversuche wird der Schaden noch viel größer sein und dann ganz Europa erschüttern.

Europas neue Kolonialpolitik

Der deutsche Versuch ähnelt den einstigen Bemühungen der französischen Kolonialpolitik, aus den Untertanen in Übersee Franzosen wie alle anderen zu machen, die sich höchstens durch die Hautfarbe unterscheiden. Das ist zwar in vereinzelten Fällen geglückt, an der großen Masse der kolonialen Bevölkerung jedoch ohne Hinterlassung von Spuren vorbeigerauscht. Dabei hat sich Frankreich durchaus bemüht (mehr als andere Kolonialmächte). Es wurden Schulen, Universitäten und Verwaltungsbehörden eingerichtet. Viele Franzosen übernahmen Verantwortung in den Kolonien. Aber eine kulturelle Verhaltensänderung in der breiten Masse konnte dennoch nie erzielt werden.

Ähnliches spielt sich derzeit – von der Außenwelt kaum noch beachtet – in Bosnien ab. In einer komplizierten Verfassungskonstruktion versuchen nun schon seit fast zwei Jahrzehnten internationale Truppen, viele Hilfsorganisationen und ein vom Ausland eingesetzter Diktator (der österreichische Diplomat Valentin Inzko), aus drei Landesteilen, die am Beginn der 90er Jahre  gegeneinander Krieg geführt haben, eine Einheit zu schmieden. Und dennoch weiß heute jeder, der es wissen will: Der Versuch ist missglückt. Kaum sind eines Tages die ausländischen Truppen abgezogen, wird es den fiktiven bosnischen Staat wieder zerreißen.

Vor allem die bosnischen Serben werden sich wieder aus der verordneten Einheit lösen und sich direkt oder indirekt an Serbien anschließen. Auch bei den bosnischen Kroaten wird vermutlich ein ähnlicher Anschluss Richtung Zagreb stattfinden. Und die moslemischen Bosnier werden das hinnehmen – oder wieder Krieg führen müssen. Der würde aber ebenso blutig wie vergeblich sein, wie einst der Krieg der jugoslawischen Volksarmee zur „Rettung“ der jugoslawischen Einheit.

Ebensowenig wird und kann der Versuch gelingen, aus Griechen nette Mittelmeer-Germanen zu machen, die so effizient, fleißig, korrekt und technisch begabt sind wie Bayern oder Oberösterreicher, wie Schweizer oder Schwaben. Solche Zivilisations-Mutationen gelingen bestenfalls nach Jahrhunderten, nicht aber binnen der knappen Zeit, die noch zur Verfügung steht, damit der deutsche Rettungsweg zum Ziel führt.

Dies sieht man schon daran, dass von Griechenland bis Portugal die Sanierungsetappen regelmäßig verfehlt werden, dass immer wieder eine Lockerung der Vorgaben hingenommen werden muss, weil diese nicht erreicht worden sind. Zwar erwecken die regelmäßigen Kontrollen der sogenannten Troika einen strengen Eindruck, zwar sind die Folgen der Schuldenpolitik für die betroffenen Bürger überaus hart – aber dennoch kann dieser Weg nicht zum Ziel führen.

1. Ein fremdes Diktat wird ignoriert

Denn zum ersten werden die Sanierungsbemühungen von der betroffenen Bevölkerung als ausländisches Diktat und nicht als zwangsläufige Folge der eigenen Schuldenpolitik und des Zurückgehens der eigenen Wettbewerbsfähigkeit verstanden. Das zeigt sich am deutlichsten an den regelmäßigen Generalstreiks und aggressiven Demonstrationen. Dadurch wird nämlich in Wahrheit nur das eigene Bruttoinlandsprodukt weiter reduziert, dessen Schrumpfen freilich gleichzeitig als Schuld der anderen lauthals beklagt wird. Das, was man den Deutschen oder der Troika in die Schuhe schiebt, verursacht man dadurch neuerlich höchstselbst.

2. Die Deutschen bluffen

Zweitens haben Griechen&Co längst die Überzeugung gewonnen: Die Deutschen, die EZB und der Währungsfonds drohen zwar, aber sie werden ihre Drohungen letztlich nie wahrmachen. Auch wenn sich die Schuldnernationen mit dieser Überzeugung langfristig täuschen könnten, so haben sie kurz- und mittelfristig zweifellos recht: die Deutschen bluffen. Zumindest bis zu den Bundestagswahlen werden sie die Griechen und deren Schuldengenossen nicht fallenlassen.

Denn damit würden ja Angela Merkel und Wolfgang Schäuble eingestehen, dass ihre Politik der letzten drei Jahre abgrundtief falsch war, die inzwischen den Deutschen an Krediten und Haftungen in der Summe eine runde Billion Euro gekostet hat, also tausend Milliarden. Da schieben sie diesem verlorenen Geld lieber noch weitere Summen nach, bevor sie ihren Fehler eingestehen.

Und die Linksparteien könnten in diesem Fall triumphieren – obwohl sie in diesen drei Jahren eigentlich noch viel mehr Geld noch viel schneller verbrennen wollten als die schwarz-gelbe Koalition.

3. Die nationale Souveränität gewinnt am Ende immer

Zum dritten kann das Merkel-Schäuble-Rezept auch deshalb nicht funktionieren, weil Griechenland ein souveräner Staat ist und bleiben wird. Solange er nicht von fremden Truppen besetzt ist, würde ein EU-Staat niemals zustimmen, dass die EU bei ihm so durchgreifen könnte wie etwa in Bosnien. Dort kann der Hohe EU-Repräsentant Inzko Gesetze suspendieren und Minister feuern – und selbst das hat nicht funktioniert. Denn nach Hinauswurf eines Ministers übernehmen halt andere den Job – und verhalten sich genauso wie ihre Vorgänger (nachdem sie ein paar Monate lang einen anderen Eindruck zu erwecken versucht haben).

4. Eigenverantwortung als europäisches Fremdwort

Denn zum vierten – und am wichtigsten: Das Merkel-Rezept verkennt die zentrale Bedeutung des Begriffs Eigenverantwortung. Damit zeigt auch die CDU, dass sie in Wahrheit an sozialistische Rezepte der kollektivierten Verantwortungslosigkeit glaubt.

Dazu sei noch ein historischer Vergleich gestattet: nämlich mit Österreich nach 1945. Das Land war damals das ärmste Europas. Es hat aber gewusst, dass es auf sich selbst gestellt ist. Die Stabilisierung hat viele Jahre gedauert, ziemlich genau ein Jahrzehnt. In dieser Zeit haben sich alle Österreicher angestrengt, ohne eine Sekunde an Streiks zu denken oder Dritten die Schuld an der eigenen Not in die Schuhe zu schieben. Als kommunistische Gruppen (zum Zwecke eines politischen Putsches) zu streiken begannen, bereiteten dem die anderen Gewerkschafter selbst handgreiflich ein rasches Ende.

Zwar hat Österreich mit dem Marshall-Plan damals auch etliches an Hilfe von außen bekommen. Aber diese war in Relation verschwindend klein gegen die Summe der Hilfsprogramme, die jetzt schon im Süden der EU wirkungslos versickert sind. Das österreichische wie deutsche Wirtschaftswunder der 50er Jahre ist ganz eindeutig primär durch eigene Disziplin, durch Fleiß und Anstrengung erzielt worden; es ist den Arbeitern und Unternehmern genauso zu danken wie der liberalen Politik der Minister Kamitz und Erhard.

Die Griechen sind von diesem Geist meilenweit entfernt. Es ist müßig nachzudenken, ob Klima, Gene, Kultur oder Geschichte die Schuld daran tragen. Es ist jedenfalls Tatsache, dass sich ein solcher Geist nicht erzwingen oder verordnen lässt.

Daher werden auch alle deutschen Lösungsmodelle scheitern, etwa die Idee, dass ein Brüsseler Kommissar ein Eingriffsrecht in nationale Budgets bekommen sollte. Das wird mit Sicherheit keinen Konsens finden. Keine Regierung, keine Nation stimmt der Selbstkastration freiwillig zu. Und selbst wenn es diesen Kommissar eines fernen Tages doch gäbe, könnte er die griechischen, portugiesischen, süditalienischen, spanischen oder gar französischen Realitäten niemals ändern. Ein solcher Kommissar würde zwar wie ein knapp vor der Niederlage stehender Kriegsherr Befehle ausschicken – mit dem Verhalten an den fernen Fronten werden diese Befehle aber keinen Bezug mehr haben.

Der Gedanke, die Europäer auf diese Weise ändern zu können, ist so abstrus, dass man ihn besser gleich bleiben lassen sollte, um nicht noch mehr Schaden anzurichten.

Aufsicht über 6000 Banken

Er ist ebenso realitätsfremd wie ein anderer aktueller Schwerpunkt der europäischen Politik, der ebenfalls von Berlin forciert wird: Es ist der Versuch, eine zentrale Bankenaufsicht über – mindestens – 6000 Geldinstitute zu schaffen. Das, woran nationale Notenbanken und Aufseher scheinbar gescheitert sind, soll nun eine ferne Zentrale erreichen, welche die näheren Verhältnisse nicht kennt: ein seltsamer Gedanke. Man glaubt aber ernstlich, auf diese Weise den Crash von Banken verhindern zu können. Das wird aber nur als müder Scherz in die Bücher der Wirtschaftsgeschichte eingehen.

Denn erstens wird es immer Crashs geben. Das ist in der Welt der Banken so natürlich wie in jener der Baufirmen oder Computerhändler. Solange es kein Mittel gibt (und es gibt keines), beispielsweise den Verfall von Immobilienpreisen auf ein Viertel des einstigen Wertes oder noch weniger zu verhindern, werden Banken gegen die Wand donnern.

Denn zweitens gibt es nach wie vor keinen Konsens, wer im Fall eines Bankencrashs zumindest zum Teil gerettet werden soll. Konsens herrscht nur, dass die Eigentümer der Bank nicht gerettet werden. Aber das ist nur der kleinste Teil der Antwort.

Gegen einen sofortigen Jobverlust für alle Angestellten empören sich hingegen die Gewerkschaften und Parteien; daher sind auch in Österreich alle Dienstverträge bei der Hypo Alpen-Adria oder der Volksbank weitergelaufen. Genauso fragwürdig ist aber auch die sogenannte Einlagensicherung. Warum soll jemand, der Zinsen für sein Geld kassiert, im Gegenzug nicht auch ein Risiko tragen? Und warum soll er auf Kosten der anderen Sparer und Steuerzahler voll gesichert werden?

Der Hauptgrund, warum Banken „gerettet“ werden, sind aber die Großeinleger. Das sind nämlich meistens Unternehmen, die bei einem Platzen ihrer Einlagen selber konkursreif wären. Was wiederum Tausende Arbeitsplätze kosten würde. Und das wollen wiederum die Parteien ganz und gar nicht.

Von der Regulierung zur Verwirrung

Seit 2008 liegen diese Fragen auf dem Tisch. Und bis heute gibt es keine Antwort. Statt dessen werden ständig neue und widersprüchliche Regulierungs-, also vor allem Eigenkapitalanforderungen an die Banken formuliert. Einmal von der EZB, einmal von der Basler BIZ, einmal von den nationalen Aufsehern, einmal von Zentralbanken, einmal von Gesetzgebern.

Damit erreicht man nur eines: Verwirrung und eine enorme Bürokratie zur Administration all dieser Regulierungen. Denn in Wahrheit sind erhöhte Eigenkapitalanforderungen sehr zweischneidig: Sie erhöhen zwar die Sicherheit einer Bank (ohne jemals einen Crash ganz verhindern zu können). Sie schaden aber andererseits der Wirtschaft.

Denn logischerweise müssen die Banken bei strengeren Eigenkapitalregeln auf die Finanzierung von so manchen spannenden Investitionen verzichten. Denn jede Investition hat ein Risiko, ist also spekulativ. Jede Investition aber, die ausbleibt, reduziert die Zahl der Jobs. Daher will die Politik einen weiteren Rückgang der Investitionen in Zeiten wie diesen um jeden Preis vermeiden. Regulierung kostet Arbeitsplätze. Mit anderen Worten: Wer ist stärker? Ich oder ich?

Außerdem müsste eine Risikoreduktion bei den Banken noch ein weiteres Element beinhalten: eine Reduktion der Gelder, die an Staaten verliehen werden. Das Schicksal der griechischen Anleihen hat ja bewiesen, dass auch Staatsanleihen alles andere als sicher sind. Diesen logischen Aspekt einer Regulierung will aber europaweit überhaupt niemand ernstlich angreifen.

Sicherheit ist teuer und letztlich unerreichbar

Konklusion: Wir sollten endlich begreifen, dass absolute Sicherheit gegen Krisen und Banken-Zusammenbrüche nicht möglich ist. Je mehr man diese Sicherheit erhöhen will, umso teurer wird es für uns alle. Daher führt das ganze Gerede um die Herstellung von Sicherheit durch Regulierung und Aufsicht entweder zu neuen Schäden, oder es ist ohnedies nur leeres Gerede für die Galerie.

Auf dieser Galerie sitzen wir Bürger Europas. Freilich nur solange bis sie einstürzt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Fußnote 362: Es war mutig – und sonst?

16. Oktober 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein Mann hat den höchsten Fallschirmsprung der Geschichte gewagt.

Das ist sicher eine mutige Leistung. Mich kann sie aber weder besonders erregen noch in irgendeiner Weise ärgern, wie das jedoch angesichts der Aufregungen der letzten 36 Stunden offensichtlich weltweit der Fall ist. Es gibt doch wirklich keinen Grund, sich über eine Aktion zu ärgern, für die kein Groschen Steuergeld aufgewendet worden ist. Der Sprung war eine perfekt inszenierte, gut organisierte und sauber vorbereitete technische und Marketing-Leistung, noch dazu mit einem Österreicher im Zentrum, die weltweite Aufmerksamkeit erregte. Also soweit alles sehr okay. Und dass eine zur Hälfte österreichische Firma dadurch etliches an Marketing eingefahren hat, ist ebenfalls durchaus erfreulich. Dennoch kann ich mich nicht wirklich in die offenbar landesweit angesagte Begeisterung hinein erregen. Denn der Fortschritt für die restliche Menschheit durch diesen Sprung hat sich in extrem engen Grenzen gehalten. Dass Männer durch immer extremere Mutproben regelmäßig ihre einschlägigen Hormonausschüttungen steigern wollen, ist auch nichts wirklich sensationell Neues. Und das hat bei jungen Männern im Straßenverkehr viel zu oft durchaus unerfreuliche Konsequenzen. Und wenn der ORF zur Kommentierung ausgerechnet einen Niki Lauda aus der Mottenkiste holt, wage ich sogar anzunehmen, dass der Fortschritt nicht größer ist, als wenn jemand ständig im Kreis mit dem Auto fährt. Gegenprobe: Wer hat bis vor kurzem gewusst, wer davor den einschlägigen Weltrekord gehalten hat?

PS.: Diese Fußnote nur deshalb, weil manche meine lichtvollen Ausführungen zu diesem Fallschirmsprung vermisst haben. Ich wollte sie eigentlich weglassen, wurde zu diesem Sprung doch schon wirklich von allen alles gesagt.

Drucken

Sie drehen uns den Strom ab

15. Oktober 2012 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ihre jüngsten Beschlüsse werden bald ebenso in die Liste peinlicher Fehlleistungen der EU eingehen wie etwa das Glühbirnenverbot. Denn eine nun fixierte EU-Richtlinie verpflichtet die Energieversorger, dafür zu sorgen, dass ihre Kunden künftig jedes(!) Jahr 1,5 Prozent weniger Strom verbrauchen.

Skurriler geht’s nimmer. Das ist ungefähr so, wie wenn man Bier- oder Schnaps- oder Zigaretten-Produzenten alljährlich zu einem Rückgang ihres Absatzes verpflichten würde. Sind doch deren Produkte zweifellos schädlicher als Strom.

Nun kann man ja zynisch sein und davon ausgehen, dass die Schuldenpolitik von EU, EZB und Mitgliedsländern ohnedies auf viele Jahre ein nennenswertes Wachstum verhindern wird. Da aber der Stromverbrauch wie durch ein Naturgesetz eng mit dem BIP-Wachstum verbunden ist, wird er daher auch auf ganz natürlichem Weg stagnieren.

Aber seien wir nicht zynisch, sondern halten nüchtern fest: Es ist schlicht widersinnig, irgendein Unternehmen zum kontinuierlichen Rückgang des Absatzes zu verpflichten. Das was man durch Propaganda, Glühbirnenverordnung, Emissions-Handel und vieles andere bei den privaten und industriellen Konsumenten nicht geschafft hat, soll nun durch Vergewaltigung der Stromversorger geschehen.

Diese neue Richtlinie ist in den Medien bisher kaum beachtet worden. Sie muss ja auch noch durch nationale Gesetze umgesetzt werden. Dieser Umsetzungsakt wird dann sicher wieder für lauten Aufschrei sorgen. Das wird aber zu spät sein, haben doch die nationalen Parlamente kaum noch Spielraum. In Österreich kümmert man sich dennoch nur um Schlammschlachten in Untersuchungsausschüssen und nicht um neue EU-Richtlinien, die die gesamte Marktwirtschaft auf den Kopf stellen.

Die Richtlinie bringt uns zurück in die Nachkriegsjahre. Auch damals war nicht der Konsument König, sondern jeder, der Ware zu verkaufen hatte. So herrschte beispielsweise lange Papiermangel. Daher konnte die Regierung jahrelang das Erscheinen unliebsamer Zeitungen verhindern oder behindern.

Wie wird das beim Strom enden? Wird man so wie einst bei Telefonanschlüssen wieder Beziehungen brauchen, um Kunde eines Stromanbieters werden zu dürfen? Oder wird den Konsumenten einfach der Strom abgedreht, wenn sie beispielsweise am 23. Dezember ihr Plansoll – eigentlich: Planminus – erreicht haben? Oder kommen die E-Werke künftig regelmäßig in den Haushalt und plombieren alle Geräte mit einer Sperre, die als überflüssig eingestuft werden?

Die Politik scheitert derzeit daran, erstens die nötigen Stromleitungen zu bauen, zweitens genügend Speicherkapazität für den am falschen Ort zur falschen Zeit produzierten Wind- und Sonnenstrom zu schaffen, sowie drittens den (vorhandenen, aber stillstehenden) Gaskraftwerken den Kauf des reichlich vorhandenen Erdgases zu Weltmarktpreisen zu ermöglichen. Aber dafür will sie nun Wirtschaft und Konsumenten solcherart vergewaltigen. Vom Aktienkäufer, der das alles in hohem Ausmaß finanziert hat, gar nicht zu reden.

PS.: Und falls es wirklich einmal zu wenig Strom geben sollte, gibt es ein altes Geheimmittel, die Nachfrage zu bremsen, das noch dazu automatisch wirksam wird: der Preis.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

SN-Kontroverse: Vermögenssteuer

12. Oktober 2012 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist der SPÖ-Plan einer Vermögensbesteuerung sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden. 

Gerechtigkeit wagen

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Der Plan ist nicht nur sinnvoll, sondern ausgewogen und fair. Wenn Erbschaften und Vermögen ab einer Million Euro (netto) besteuert werden, könnte es in einem der reichsten Länder gerechter zugehen. Das ist bei uns derzeit nicht der Fall, denn Vermögen und Steuerlast sind extrem ungleich verteilt. Die Schieflage bei der Vermögenskonzentration zeigt eine vor Kurzem von der Österreichischen Nationalbank (OeNB) veröffentlichte Studie. Sie ist Teil einer europaweiten Untersuchung über Vermögensverteilung im Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB). Wobei sowohl OeNB als auch EZB alles andere als "linke Organisationen" sind. Zudem geht es nicht um Reichen-Bashing, wie stets unterstellt wird, wenn der Ruf nach mehr Steuergerechtigkeit kommt. Jedem und jeder seien Millionen und Milliarden vergönnt, wenn sie ehrlich erarbeitet wurden und fair besteuert werden. Beim Ruf nach Steuergerechtigkeit geht es darum, die aus dem Lot geratene soziale Balance wieder herzustellen. Denn keine Gesellschaft kann auf Dauer funktionieren, wenn immer weniger immer mehr besitzen. Das aber ist in Österreich der Fall.

Die Vermögenskonzentration ist enorm: Nur ein Prozent hat ein Vermögen über einer Million Euro. Auf ein Prozent der Haushalte entfällt fast ein Drittel des Vermögens und 90 Prozent der Unternehmensbeteiligungen. Die obersten zehn Prozent besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens, das in Österreich insgesamt rund 1.300 Milliarden Euro ausmacht. Bei Sachvermögen besitzt die Hälfte der Haushalte nicht mehr als 50.000 Euro, darunter meist der eigene PKW. Nur zehn Prozent besitzen Sachvermögen von mehr als 500.000 Euro. Von einer Vermögenssteuer ab einer Million Euro wäre also der viel zitierte Mittelstand bei weitem nicht betroffen. Die Einnahmen von geschätzten 2,5 Milliarden Euro könnten überaus sinnvoll verwendet werden, um die Lohnsteuer in Österreich zu senken. Denn Arbeit ist im Gegensatz zum Vermögen hierzulande leider extrem hoch besteuert. 


Die rote Amüsiernummer

Andreas Unterberger

Gewiss wäre es in mancher Hinsicht amüsant, wenn das Vermögen des Gewerkschaftsbundes offengelegt und durch eine alljährliche Steuer weggeschmolzen würde. Besteht doch das Vermögen des ÖGB im Gegensatz zu jenem der restlichen Bürger nicht aus schon längst versteuertem Geld.

Dennoch: sechs Mal Nein zu den roten Steuerplänen.

Erstens eben, weil beim Normalbürger in der Regel ehrlich erworbenes Geld doppelt besteuert würde. Zweitens weil dadurch viele Investoren vertrieben würden; es nützt Österreich wenig, wenn die Mateschitzs oder Swarovskis als Folge ins Ausland übersiedeln sollten. Drittens weil die meisten Vermögen aus Betrieben bestehen. Viertens weil die Vorstellung widerlich und abstoßend ist, dass Finanzbeamte in Privatwohnungen nach Banknoten, Schmuck, Kunstwerken oder Pelzmänteln fahnden. Fünftens weil die durch die Schuldenpolitik ausgelöste Inflation bald auch jene Menschen vermögenssteuerpflichtig machen wird, die sich heute noch keineswegs als vermögend ansehen.

Man denke nur 20 Jahren zurück: Damals galten Schilling-Millionäre als ebenso reich wie heute Euro-Millionäre. Aber inzwischen gehört schon die Mehrheit der Österreicher zu den Schilling-Millionären! Und sechstens ist die Gesamtsteuerbelastung in Österreich längst schon in der absoluten Weltspitze, insbesondere durch einen 50-prozentigen Grenzsteuersatz. Daher ist der unanständigen Geldgier der Politik nur ein entschiedenes Nein entgegenzusetzen. Es ist eine unverschämte Zumutung, dass jener Partei nichts anderes als ständig neue Steuern einfallen, die hauptverantwortlich dafür ist, dass in Österreich seit Ausbruch der Krise weniger gespart worden ist als in jedem anderen Land Europas, und dass der längst unfinanzierbare Wohlfahrtsstaat nicht einmal ansatzweise reformiert wird.

Irgendwie amüsant, wenn sich diese Partei darüber aufregt, dass man sie für ihre Geldgier als Diebe bezeichnet.

Drucken

Woraus setzte sich das BIP 2010 & 2011 zusammen?

10. Oktober 2012 12:08 | Autor: Andreas Unterberger

Zusammensetzung des BIP und Beitrag zum Wachstum der unterschiedlichen Arten von Ausgaben im Vergleich 2010 & 2011

 

Drucken

Wirtschaftsentwicklung im Vergleich zur Budgetprognose

10. Oktober 2012 11:45 | Autor: Andreas Unterberger

Wirtschftliche Prognosedaten für das Budget 2011 im Vergleich zur tatsächlichen Entwicklung

 

Drucken

Zinsaufwand und -einnahmen Österreichs

09. Oktober 2012 13:23 | Autor: Andreas Unterberger

Aufwand und Einnahmen aus Zinsen und Währungstauschverträgen in Mrd. € 2010 & 2011 im Vergleich

 

Quelle: Rechnungshof: Bundesrechnungsabschluss 2011

Drucken

Alles wird liberaler!

06. Oktober 2012 05:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der austro-kanadische Selfmademan Frank Stronach präsentierte am 4. 10. einem interessierten Publikum im Club Unabhängiger Liberaler seine ungefähren Vorstellungen davon, welche Art von Politik er im Falle eines Erfolges seiner neu gegründeten Partei zu machen gedenkt.

Seine wirtschaftlichen Leistungen sind beeindruckend: Er hat es – aus eigener Kraft – vom mittellosen steirischen Arbeiterkind zum Milliardär gebracht. Gegenwärtig beschäftigt der von ihm in Kanada gegründete, auf die Zulieferung von Fahrzeugkomponenten spezialisierte, Magna-Konzern weltweit rund 108.000 Mitarbeiter, 13.000 davon in Österreich. Der Jahresumsatz der Firmengruppe beläuft sich auf über 30 Mrd. €. Auf eine vergleichbare Erfolgsbilanz können nicht allzu viele Zeitgenossen verweisen.

Was treibt einen solchen Mann, der es mit international bekannten Persönlichkeiten, mit Staatspräsidenten, gekrönten Häuptern („die Englische Königin ist eine wirklich nette Frau, sie versteht viel von Pferden“) und anderen Wirtschaftskapitänen zu tun hat, im Herbst seines Lebens in die dumpfen Niederungen der kakanischen Politik?

Diese Frage stellt er selbst seinem Vortrag voran, um sie so zu beantworten: Er sehe, dass „…in der Regierung vieles schief läuft … und diese seit Jahrzehnten „Verluste“ macht.“ Er kritisiert den Umstand, dass die Regierenden zwar viel vom Geldausgeben, aber nichts vom Geldverdienen verstehen, was er darauf zurückführt, dass kaum einer von ihnen je in der Wirtschaft gearbeitet hat. Er sehe schlimme Zeiten auf uns zukommen und, da er selbst Kinder und Enkel habe, meine er, seine Fähigkeiten und Erfahrungen in die Politik einbringen zu müssen, „um zu helfen“. Das Leben sei gut zu ihm gewesen und er wolle sich auf diese Weise revanchieren.

In Österreich hätten wir es mit einer „Scheindemokratie“ zu tun. Keiner der politischen Verantwortungsträger (Kanzler, Minister) wäre vom Volk gewählt, sondern von Parteigremien und Kammern ins Amt gehievt worden. Wenn dann noch Häupl und Pröll zustimmten, wäre die Sache gelaufen – und das dürfe so nicht sein. In der Wirtschaft garantiere Konkurrenz – die es in der Politik in vergleichbarer Weise nicht gäbe – für Fortschritt und Effizienz.

Wirtschaftsprogramm

Bis März 2013 wolle er sein Programm vorlegen. Im Zentrum dieses Programms werde ein solides Budget stehen. Er wolle damit beginnen, die in der Vergangenheit aufgenommen Schulden abzutragen. Durch eine „zivilisierte Verwaltungsreform“ und die „Stimulierung der Wirtschaft“ sollte es möglich sein, die Steuerlasten binnen fünf Jahren um „20 bis 25 Prozent“ zu senken. Das Steuersystem müsse vereinfacht und für jedermann „transparent“ werden, „Grauzonen“ seien zu beseitigen.

Nach diesen vage gehaltenen Positionen wird es beim Thema Unternehmenssteuern konkreter: Nicht entnommene Gewinne sollen steuerfrei bleiben, da diese „Innovation und Arbeitsplätze schaffen“ würden. Zu versteuern seien nur Auszahlungen – sei es in Form von Löhnen oder Gewinnausschüttungen.

Seine vehemente Kritik an der geringen Steuerleistung von Großbetrieben (die er im Zusammenhang mit dem Engagement österreichischer Banken in den vormaligen Ostblockstaaten äußert) läuft – falls diese Aussage nicht missverständlich angekommen ist – faktisch auf ein Ende der derzeit gültigen Gruppenbesteuerung hinaus. Das wäre – angesichts der mutmaßlichen Auswirkungen auf die Magna-Gruppe – doch recht erstaunlich.

Die Wirtschaft müsse funktionieren, da sonst gar nichts gehe. Eine prosperierende Wirtschaft bedürfe dreierlei: „Tüchtiger Manager, fleißiger Arbeiter und Investoren.“ Die Arbeiter hätten ein „moralisches Recht“ auf einen Anteil am Unternehmensprofit. Allerdings dürfe sich die Regierung in die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen nicht einmischen, da damit lediglich „Bürokratie und Kosten“ verbunden sind. In einer konzernweiten „Firmenverfassung“ habe er Magna dazu verpflichtet, seinen Mitarbeitern Anspruch auf zehn Prozent des erwirtschafteten Gewinns einzuräumen. Bildung wäre ein zweites Anliegen, das ihm wichtig sei.

Als „zentrale Werte“ seiner Partei sehe er „Wahrheit, Transparenz und Fairness“. Wichtig sei es ihm, den untadeligen Ruf, den er sich als Geschäftsmann erworben habe („Ich bin nie jemandem etwas schuldig geblieben und habe immer mein Wort gehalten!“), auch als Politiker zu bewahren. Er sehe viel zu viele Leute, die nur ans Verteilen denken und zu wenige, die erkennen würden, dass zunächst etwas produziert werden müsse. Das gelte es zu verändern.

Europapolitik

Die Euro-Einführung sei ein Fehler gewesen, weil dadurch die Gegensätze zwischen Nord- und Südeuropa verschärft worden seien. Der bevorstehenden Etablierung des ESM stehe er kritisch gegenüber, da damit „Billionenverpflichtungen“ verbunden seien, an denen noch die Enkelkinder zu tragen hätten. Keine Regierung dürfe das Recht haben, Verbindlichkeiten einzugehen, die einen Zeitrahmen von fünf Jahren überschreiten.

Angela Merkel habe dem Ruf der Deutschen in der Welt massiv geschadet, indem sie anderen vorgeschrieben habe, wie diese zu leben hätten. „So etwas tut man nicht“. An dieser Stelle kommt es zu einem kleinen Widerspruch, als Stronach einerseits meint, man solle „…die einzelnen Völker allein ihre Probleme bewältigen lassen“, andererseits aber von „Hilfen für die Griechen“ spricht. Die Politik Merkels jedenfalls habe „Hass auf die Deutschen“ geschürt – entweder weil sie dumm sei, oder weil sie im Auftrag der Banken agiere.

Etwas unausgegoren scheinen Stronachs Vorstellungen von der künftigen Währungspolitik der EU zu sein, als er einmal von „Nord- und Südeuro“ spricht, dann aber die Variante „nationaler Eurowährungen“ aufs Tapet bringt. Flexible Wechselkurse zwischen den Ländern seien erforderlich, da die Währungskurse einen Spiegel der Wirtschaftsleistung der Länder darstellten, was nicht von einer Zentrale unterbunden werden solle. Geldpolitik, soviel scheint sicher, zählt nicht zu den größten Stärken des Tycoons.

Mit einem Bekenntnis zur „sozioökonomischen“ Ausrichtung des „politischen Managements“ schließt er seinen Vortrag.

Die Antworten bleiben vage

In der anschließenden Diskussion fällt auf, dass Stronach nicht gerne konkret auf eine der ihm gestellten Fragen antwortet, sondern dazu neigt, sich in wolkigen Allerweltsformulierungen und etwas eingelernt wirkenden Floskeln zu ergehen. So bleibt die Frage, wie er denn die angepeilte Steuerreduktion von 20-25 Prozent zu bewerkstelligen gedenke, offen. Allein mit einer „zivilisierten Verwaltungsreform“, die wohl darauf hinausläuft, keinem Beamten weh zu tun, und mit der „Zusammenlegung der 22 (sic!) Sozialversicherungsanstalten“ würde es damit wohl nichts werden.

Auf die Frage, welche eingängige Botschaft er für den Wahlkampf wählen wird, antwortete er, dass er mit „Herz, Hirn und Hand“ zur Sache gehen wolle.

Als einer der Anwesenden feststellt, leider keinen essentiellen Unterschied Stronachs zu seinen politischen Mitbewerbern feststellen zu können, da am Ende ja alle für Fairness, mehr Bildung und weniger Armut seien und auch er diese Trommel rühre – noch dazu ohne konkret sagen zu wollen, wo und wie der den Hebel (etwa zur Verwaltungsreform) ansetzen wolle, reagiert er gekränkt. Dass jemand seine ehrlichen Absichten und die Tatsache, dass er „viel Geld da hineingebe“ nicht angemessen würdigt, quittiert er mit spürbarer Entrüstung.

Als der Fragesteller dann nachsetzt und meint, Stronach habe schließlich nur mit dem (Personal-)Aufbau im Zuge der Expansion seiner Betriebe Erfahrung, jetzt aber werde es darum gehen, massiv Personal (Staatsdiener) abzubauen – und da sei es interessant zu wissen, wie er das angehen wolle, greift – und das ist der vielleicht bemerkenswerteste Aspekt des Abends – das Publikum ein und nimmt Partei gegen den Fragesteller. Es bleibt Stronach daher erspart, die Nachfrage zu beantworten. Auch keine der übrigen Fragen wird von ihm klar beantwortet. In einem Punkt allerdings ist er erfreulich direkt: Auf die Frage, was denn im Falle seiner Regierungsbeteilung nun liberaler werde, antwortet er kurz und bündig: „Alles!“

Fazit

Frank Stronach ist ein interessanter Mann, dem eines nicht unterstellt werden kann: mangelndes Selbstbewusstsein. Die mehrfach wiederkehrende Betonung seiner – unstrittig vorliegenden – wirtschaftlichen Erfolge lässt sogar die Einschätzung zu, es mit einer recht selbstverliebten Persönlichkeit zu tun zu haben.

Bezeichnend allerdings ist die bereits geschilderte Reaktion des Publikums, die nur eine Interpretation zulässt: Die von den „Altparteien“ derzeit gelegten Offerten werden als derart miserabel empfunden, dass offenbar jedes neue Angebot, wohl nach der Überlegung: „schlechter als die anderen kann er es gar nicht machen“, dankbar angenommen wird. Der messianisch anmutende Charakter von Stronachs Präsentation, der weitgehende Mangel an Preisgabe konkreter Programmpunkte – vor allem aber das Schweigen über die voraussichtlich an seiner Seite handelnden Personen (die bloße One-man-show eines älteren Herrn sollte es ja doch nicht sein!) – scheinen kaum jemanden zu stören.

Man kann daher mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, Frank Stronachs Partei im kommenden Jahr im Parlament zu sehen. Dies u. a. auch deshalb, weil mit einer wohlwollenden Berichterstattung durch den linken Medienhauptstrom zu rechnen ist, der darauf setzen wird, dass den größten Schaden durch ihn die „rechten Parteien“, ÖVP, FPÖ und BZÖ, erleiden würden. Die „Piraten“ werden auf eine derartige Wahlhilfe aus exakt umgekehrten Gründen wohl verzichten müssen. Für das BZÖ könnte ein Erfolg Stronachs durchaus zum letzten Nagel im Sarg werden.

Sollte der Fall eintreten, dass der Austro-Kanadier für seine Equipe wirklich gute Leute findet (was gegenwärtig einigermaßen zweifelhaft erscheint), wäre das hocherfreulich. Schließlich belebt Konkurrenz das Geschäft und rechts der politischen Mitte ist der Wähler in Österreich ja wahrhaft nicht mit einem Überangebot attraktiver Angebote konfrontiert.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Unsere tapferen Krisenregulierer

04. Oktober 2012 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Europäische Union glaubt, nun endlich die Ursache der Finanzkrise erkannt zu haben: Nach dem heldenhaften Kampf gegen die sogenannten Leerverkäufe verbietet nun eine Richtlinie den schnellen Online-Handel mit Finanzprodukten. Diese müssen künftig wenigstens 500 Millisekunden lang gehalten werden.

Die Politik klopft sich gegenseitig auf die Schultern. Und ignoriert die Anmerkungen von Ökonomen. Markus Fichtinger, einer der brillantesten jungen Österreicher aus dieser Branche, hat die EU-Aktion im Internet treffend wie zynisch so kommentiert: „Das Hauptproblem der Finanzlage Griechenlands, Portugals, Spaniens oder Irlands war sicher bisher, dass deren Anleihen in 499 Millisekunden weiterverkauft wurden. Die Idiotie in der Bürokratie kennt offenbar wirklich keine Grenzen (frei nach Einstein).“

Wie Don Quijote reiten diese Politbürokraten aber gleich gegen weitere imaginäre Windmühlen an: Besonders populäres Angriffsziel ist das Universalbanken-Modell. Die Regulierwütigen träumen davon, dass man das Bankgeschäft in gute, risikolose Aktionen und in böses, spekulatives Investmentgeschäft trennen kann. Schön wäre es, wenn man solcherart Krisen verhindern könnte. Aber der Vorschlag zeigt nur totale Ahnungslosigkeit.

Denn erstens ist die Krise zu 90 Prozent politisch verursacht (zu hohe Staatsdefizite, zu viel Geldproduktion, zu starke Eingriffe ins Wirtschaftsleben wie etwa durch die Anordnung der amerikanischen Regierung, auch Nichtkreditwürdigen satte Hypothekenkredite zu geben). Denn zweitens sind etwa in Deutschland und Österreich überwiegend staatlich oder politisch geleitete Banken ins Schleudern gekommen (insbesondere die von Provinzkaisern kontrollierten Landesbanken), kaum die bösen Kommerzbanken. Denn drittens ist die Krise fast jedesmal aus dem ganz simplen Retailbank- und nicht dem Investment-Geschäft entstanden.

Dabei scheint es für Laien keine solidere Sache als die Entgegennahme von Spareinlagen zu geben und im Gegenzug die Verleihung von Geld, mit dem sich jemand ein Haus kaufen oder bauen kann.

Jedoch sind genau bei diesen simplen Retail-Geschäften die Katastrophen passiert: Wenn die Immobilienpreise plötzlich nicht mehr ständig hinauf, sondern steil hinuntergehen, dann passiert es eben. Dann platzen reihenweise die Kredite, dann werden die immobilen Pfänder in den Händen der Bank plötzlich wertlos. Das war bei der amerikanischen Subprime-Krise so, wo niemand mehr eine Hütte in Unterschicht-Bezirken kaufen wollte. Und das ist derzeit in Spanien so, wo zu Zehntausenden Appartments an den spanischen Küsten ohne jede Chance auf Abnehmer dastehen. Ähnliches passiert in einer Rezession mit allen Gewerbe- und Industrie-Krediten gleichzeitig.

Nichts davon kann durch irgendeine politbürokratische Regulierung künftig verhindert werden. Es sei denn: Es bekommt nur noch der einen Bankkredit, der ihn gar nicht braucht, weil er eh genug Geld hat.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Anzahl und Vermögen der Finanzinstitute der EU

03. Oktober 2012 13:20 | Autor: Andreas Unterberger

Gesamtzahl der Finanzinstitute der EU-Länder sowie ihr Vermögen in Mrd. Euro

 

Land Anzahl der Institute Gesamtvermögen
Deutschland 1.893 8.522,7
Österreich 765 1.011,1
Italien 740 4.158,1
Polen 699 334,8
Frankreich 656 8.454,3
Irland 479 1.250,2
Ver. Königreich 373 9.933,1
Spanien 334 3.732,3
Finnland 323 641,6
Niederlande 284 2.480,3
Ungarn 189 115,3
Schweden 174 1.160,0
Dänemark 161 1.115,1
Portugal 155 580,7

Luxemburg

142 1.040,7
Zypern 141 130,4
Belgien 108 1.161,7
Litauen 91 24,2
Tschechien 57 192,9
Griechenland 54 435,2
Rumänien 41 90,6
Bulgarien 31 42,8
Lettland 30 28,3
Slowakei 30 59,7
Malta 26 51,1
Slowenien 25 53,7
Estland 17 19,1
EU-27 8.018 46.820,0

Quelle: EU-Kommission

Drucken

Vermögensverteilung der österreichischen Haushalte

03. Oktober 2012 12:59 | Autor: Andreas Unterberger

Nettovermögen österreichischer Haushalte: Sach- & Finanzvermögen/Schulden in Euro, Anteil in Prozent

 

Vermögen (Schulden) Bevölkerungsanteil

> 500.000

11,3

400.000 – 500.000

3,5

300.000 – 400.000

6,0

200.000 – 300.000

10,3

100.000 – 200.000

15,0

50.000 – 100.000

9,0

0 – + 50.000

39,5

0 – -50.000

4,6

-50.000 – -100.000

0,3

< -100.000

0,4

Quelle: OeNB

Drucken

Der Staat und das Gold

03. Oktober 2012 06:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der Besitz von Gold garantiert die persönliche Freiheit, während deren größte Bedrohung vom Staat ausgeht. Gold bedeutet deshalb Unabhängigkeit, weil sein Wert nicht vom Gutdünken Dritter – etwa einer Regierung – abhängt.

Das ist eine der zentralen Erkenntnisse des deutschen Ökonomen Guido Hülsmann. Er unterrichtet an der Universität von Angers Volkswirtschaftslehre. Hülsmann skizzierte diese Erkenntnisse dieser Tage auf einer Konferenz der von Hans-Hermann Hoppe ins Leben gerufenen „Property and Freedom Society“ in Bodrum.

Geld besitzt – vor allen anderen Gütern – die höchste Form von Liquidität. Besonders wichtig ist der Aspekt seiner „Mobilität“. Wer sein Vermögen z. B. in Grundstücken oder Fabriken angelegt hat, kann diese – im Gegensatz zu Geld – nicht einfach davontragen. Gold und Silber sind „natürliches Geld“, das ohne Zutun einer Regierung zustande kommt. Ihr Wert liegt in der inhärenten „physischen Qualität“, der Edelmetalle, nicht aber in einer Verpflichtung durch Dritte. Seltenheit, nicht beliebige Vermehrbarkeit, und hohe Kosten zur Förderung dieser Elemente stellen deren dauerhafte Werthaltigkeit sicher. Unsere heute gebräuchlichen Banknoten dagegen sind von den Notenbanken ausgegebene Schuldtitel, die – bei Wegfall des in sie gesetzten Vertrauens – augenblicklich wertlos werden. Dass die EZB den auf Euro lautenden Geldbestand in einem einzigen Jahr (2011) um ein Drittel erhöht hat, sollte zu denken geben.

Das Geschäft des Staates besteht in der Ausübung von Zwang. Etwa im Zwang, ihm, dem Staat, Geld zu für ihn günstigen Bedingungen zu leihen. Das dazu eingesetzte Mittel ist das der „Finanziellen Repression“ [was künstlich niedrig gehaltene Zinsen bei gleichzeitigen Kapitalmarktrestriktionen bedeutet, wodurch „Fluchtbewegungen“ der Sparer und Anleger verunmöglicht werden sollen, Anm.].

Schon früh erkannten die Herrschenden, dass das Eintreiben von Steuern aufwendig, personal- und kostenintensiv ist. Es lag also nahe, sich zur Staatsfinanzierung zunehmend des Mittels der Kreditfinanzierung durch das aufkommende Bankenwesen zu bedienen. Auf der ständigen Suche nach Möglichkeiten, die Staatseinnahmen zu erhöhen, finanzierten die regierenden Häuser bis zum 18. Jahrhundert Alchemisten, die Gold aus unedlen Metallen herstellen sollten. Mit der Erfindung papierener Banknoten, die einfach und zu geringen Kosten herzustellen waren, stand den Herrschern plötzlich eine bis dahin unbekannte, neue Option offen: Die Schaffung von Geld aus dem Nichts. Das „Fiat Money“ war erfunden. Während Besteuerung und Konfiskation Widerstände und erhebliche Kosten verursachten, war und ist die Geldherstellung nun so billig wie nie zuvor.

Papier statt Gold – Inflation statt Wert

„Geldverdünnung“ – also eine Inflationierung der Währung, ging ab diesem Zeitpunkt wesentlich einfacher vonstatten, als zu Zeiten der Metallwährung – als der Aufwand, den eine Münzverschlechterung (eine Reduktion des Edelmetallanteils der Münzen) bedeutete, recht erheblich war.

Mit der Einführung von Papierwährungen ging der Erlass von „Zahlkraftgesetzen“ Hand in Hand, die das staatlich erzeugte Papiergeld monopolisierten und damit vor der Konkurrenz durch echtes Geld bewahr(t)en. Mit dieser Maßnahme verbanden sich zwei bedeutsame Konsequenzen:

Zum einen ein Geldmengenwachstum, relativ zum Nationalprodukt [durch den Wegfall jeder technischen Restriktion, wie im Falle einer Metallwährung, Anm.], wodurch der Geldwert abnimmt. Die bis dahin übliche Form des „hortenden Sparens“ ist damit, wie Hülsmann es ausdrückt „suizidal“: Über längere Zeiträume hinweg verringert sich, selbst bei relativ moderaten Inflationsraten, die Kaufkraft von Ersparnissen deutlich. Die Folge ist eine verringerte Spar- und eine erhöhte Konsumneigung, wodurch das Preisniveau weiter steigt.

Zum anderen, dass es für die Regierung leichter wird, Zugriff auf privates Geld zu erlangen – etwa indem dem Publikum „sichere“ Staatsanleihen verkauft werden. 2010 beliefen sich die Anteile privater „Investitionen“ in Staatsanleihen in England auf 26 Prozent, Deutschland 35 Prozent, USA 27 Prozent und Japan 46 Prozent der privaten Geldvermögen.

Historisch lassen sich folgende vier Phasen der Währungspolitik abgrenzen: Zunächst wird Gold zum alleinigen Zahlungsmittel erklärt. Das hat zur Folge, dass Geschäfte des täglichen Bedarfs aufgrund der hohen Werthaltigkeit des gelben Metalls nur schwer abzuwickeln sind. An dieser Stelle kommen die Banken ins Spiel, die im Staatsauftrag als Goldsubstitute fungierende Banknoten herausgeben.

Darauf folgt eine „Verdünnung“ des Goldstandards. Weg von einer 100-prozentigen Deckung der Goldsubstitute – hin zum System Bretton Woods mit indirekter Goldbindung.

Danach wird eine völlige Trennung der Währung vom Gold vollzogen und damit ein vollständiges Fiatsystem geschaffen [das war am 15. 8. 1971 der Fall, als US-Präsident Nixon den bis dahin garantierten Umtausch des US-Dollar gegen Gold aufkündigte. Eine Feinunze Gold kostete zu diesem Zeitpunkt 35 US-Dollar].

In der letzten Phase schließlich (von 1971 bis heute) wird von den Staaten ein erbitterter Kampf gegen den unabhängigen „Geldkonkurrenten“ Gold geführt – und dessen Wechselkurs mit allen zu Gebote stehenden Mitteln gedrückt. Der Grund dafür ist weniger darin zu suchen, dass steigende Goldkurse ein Spiegelbild der frivolen Geldpolitik der Notenbanken darstellen, sondern vielmehr darin, dass Gold dem Bürger ein Mittel in die Hand gibt, dem staatlichen Zugriff auf sein Vermögen auszuweichen…

Kollektive Korruption

Auch Thorsten Polleit, Chefvolkswirt des deutschen Goldhandelshauses Degussa, widmete sich dem Thema Geld. Der Titel seines Vortrags: „Was wissen Banker über Geld und Bankwesen?“

Der Ökonom stellte ein Zitat des Gründers des Bankhauses Medici an den Beginn: „Halte dich stets außerhalb des Auges der Öffentlichkeit!“ Unsere Zivilisation ist dadurch bedingt, dass die zwischen den Individuen bestehenden Unterschiede im Können und Wollen zur Basis der freiwilligen Kooperation, Arbeitsteilung und des Austauschs werden. Die Entstehung von Geld bedeutet eine wesentliche Verbesserung der Tauschmöglichkeiten. Nach Carl Menger entsteht Geld „spontan“, verfügt selbst über Warencharakter und ist grundsätzlich ein Gut wie jedes andere.

Als das Bankwesen entstand, waren seine Aufgaben klar voneinander getrennt: In Depositen- und Investmentfunktion. Der für Ausleihungen verlangte Zins bildete die kumulierte Zeitpräferenz der Bankkunden ab. In einer freien Marktwirtschaft sind die beiden Bankfunktionen stets streng voneinander getrennt.

Nach Franz Oppenheimer gibt es nur zwei Arten, sich Einkommen zu verschaffen: Durch Produktion oder durch Raub. Produktion ist das „wirtschaftliche Mittel“, Raub, das „politische“. Räuber können zum einen als „Roving Bandits“, d. h. mobil agieren. In diesem Fall ist ihnen das weitere Schicksal ihrer Opfer egal, da sie diese mutmaßlich nie wieder sehen. Ihre hohe Zeitpräferenz (jetzt oder nie!) veranlasst sie daher zu deren maximaler Ausplünderung.

Ein Räuber kann zum anderen „stationär“ agieren. In diesem Fall gedenkt er wiederzukehren und ein dauerhaftes Einkommen aus seinen Opfern zu pressen. Er wird daher weniger brutal vorgehen, da er diese nicht vollständig ruinieren will. Seiner niedrigeren Zeitpräferenz entspricht eine geringere Plünderungsintensität. Es kommt ihm darauf an, den Wohlstand der Beraubten nicht zu zerstören, sondern möglichst in einem Ausmaß zu erhalten, dass auch künftige Raubzüge ertragreich bleiben. Um wen es sich bei diesem „stationären Banditen“ handelt, ist klar.

Die Schaffung „öffentlicher Güter“ bedeutet die Berufung des Staates (der Regierung) zu deren Verwalter. Banker, als die natürlichen Verbündeten der Regierung, haben ihr Ziel – die Aufhebung von Depositen- und Kreditfunktion ihrer Unternehmen – längst erreicht. Da nach Einführung des Teilreservesystems keine Bank mehr vor einem „Run“ sicher sein konnte, war die Schaffung einer Zentralbank als „lender of last ressort“ die logisch folgende – ebenfalls längst verwirklichte – Forderung. Die Zentralbank dient in diesem System als „Sicherungsinstrument“. Nun bedurfte es nur noch des staatlichen Geldmonopols, um ein 100-prozentiges Fiat-Geldsystem zu schaffen.

Die einzige Erklärung, weshalb gegen dieses Geldsystem nicht revoltiert wird, ist die „kollektive Korruption“ unserer Gesellschaft. Den Bankern fällt beim Prozess der Korrumpierung eine entscheidende Rolle zu. Durch die Erzeugung der Illusion, Geld – und damit vermeintlich Wohlstand – aus dem Nichts schaffen zu können, stellen sie allerdings die Weichen in Richtung Inflation. Einmal auf diesen Pfad eingeschwenkt, gibt es faktisch keine Umkehr. Die Dosis der ständig neu zu schaffenden Geldmenge muss ständig weiter erhöht werden. Am Ende steht die Hyperinflation.

Der Weg dahin ist leicht nachzuvollziehen: Die Massendemokratie zieht die Einführung von Fiat Money nach sich. Und ein Fiat-Money-System endet letztlich in der Hyperinflation. Wie genau die Menschen darauf reagieren werden, ist schwer zu sagen. Deshalb wiederholte Polleit am Ende seines Vortrags das an den Beginn gestellte Medici-Zitat: „Halte dich stets außerhalb des Auges der Öffentlichkeit!“

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Jagt die Reichen: Jeder zweite ein Millionär!

03. Oktober 2012 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Nationalbank ist zum voll schuldigen Mittäter an der ständigen Eskalation der Schuldenkatastrophe geworden. Was tut sie in dieser Situation, statt endlich zu bremsen zu beginnen? Sie gibt eine aufwendige Studie über die privaten Vermögen der Österreicher in Auftrag. Die damit verbundene Absicht ist leicht zu erkennen, wird diese doch ohnedies bei jeder zweiten Wortmeldung eines linken Politikers offengelegt. Und auch die überall mitgelieferte, jedoch falsche und einseitige Interpretation dieser Studie macht die Absicht noch deutlicher.

Österreich sei ja gar nicht wirklich ernsthaft verschuldet, wird da immer öfter von linken Politikern und Ökonomen beteuert. Die offengelegten wie auch die versteckten Verbindlichkeiten und Haftungen von Bund, Ländern, Sozialversicherungen, ÖBB, Asfinag seien gar nicht so beängstigend, wie es auf den ersten Blick scheint: Stehen ihnen doch die ansehnlichen Privatvermögen der Österreich gegenüber.

Alles klar? Die Täter rechnen also schon mit dem nächsten Raubzug auf das, was trotz konfiskatorischer Einkommensteuern und Abgaben den Österreichern noch an privatem „Reichtum“ verblieben ist. Dieser Raubzug wird generalstabsmäßig vorbereitet: Ganz „zufällig“ nur elf Tage vor dem SPÖ-Parteitag wird diese Nationalbank-Studie – in Wahrheit eine bloße Meinungsumfrage – hinausgespielt, die sofort von allen linken Medien mit dem erwünschten aggressiven Unterton verbreitet wird: „Die Vermögen sind ungleich verteilt“. Offenbar wünscht man sich eine gleiche Verteilung wie einst im Kommunismus - wo dann nur noch die Funktionäre ein wenig gleicher waren.

Wie schön passt diese Inszenierung in einen Parteitag, der von den Regisseuren unter das Motto „Mehr Gerechtigkeit!“ gestellt worden ist. Natürlich beteiligen sich wie fast immer auch Linkskatholiken und -protestanten an der Gehirnwäsche. Den Österreichern soll eingehämmert werden: Gerechtigkeit gibt es erst, wenn alle gleich viel haben und verdienen. Wenn der Parteitag ruft, kann man doch nicht bis März warten, also bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem die EZB diese Studie eigentlich erst haben will.

Damit tritt die Nationalbank würdig an die Seite von ÖBB, Arbeiterkammer und Asfinag, die ebenfalls gesetzwidrig die Propaganda der SPÖ erledigen. Man kann der Notenbank einzig zugute halten, dass es keinen Beweis für die direkte Bestimmung ihres Handelns durch die Partei gibt. Sie tut das möglicherweise durchaus freiwillig.

Denn würde sie wirklich die Interessen Österreichs und seiner wirtschaftlichen Stabilität vertreten, dann hätte sie – wenn sie schon eine solche Vermögensverteilungs-Studie macht – an Stelle des allgemeinen Jammerns gejubelt:

Gott sei Dank haben wir etliche Reiche in diesem Land! Was wäre es für eine Katastrophe, gäbe es nicht die Mateschitzs oder Swarovskis, die Wlascheks oder Benkos! Ihre Existenz beweist, dass man in Österreich durch Leistung und Geschick reich werden kann (ja, auch mit dem nötigen Glück, wie immer im Leben)! Wir werden alles tun, um sie hier zu halten! Denn sie tätigen die spannendsten Investitionen und schaffen die meisten Arbeitsplätze! Wir ignorieren daher auch das läppische Arbeiterkammer-Argument, dass die Reichen einen viel kleineren Teil ihres Geld für Lebensmittel- und Kleidungseinkäufe ausgeben als die Wenigverdiener!

Aber nein. Nichts davon ist zu hören. Die Nationalbank fügt sich schmiegsam in die Parteitags-Regie ein. Offenbar ist das auch jene der EZB, die ihre wahnwitzige Gelddruck-Politik nun auf Kosten der Bürger kompensieren will. Die daher sehr an deren Vermögen interessiert ist.

Warum steht eigentlich auch sonst niemand auf und verteidigt unser Menschenrecht auf Privatsphäre und den Datenschutz dort, wo er wirklich zu verteidigen ist (also nicht beim Geburtsdatum eines 90-Jährigen!)? Es geht die SPÖ wie auch die EZB wie auch die OeNB einen feuchten Dreck an, wie viel seines versteuerten Einkommens jeder gespart hat. Oder ob er es im Nachtlokal, im Wettlokal oder durch Spenden ans Rote Kreuz und die Kirche ausgegeben hat.

Dazu kommt, dass die Studie bei genauer Betrachtung ohnedies das Gegenteil von dem zeigt, was ringsum die redaktionellen Spin-Doctoren schreiben. Eigentlich müssten selbst jene Menschen, die Neid als oberste politische Maxime haben, über diese Umfrage erstaunt sein, würden sie diese offenen Auges lesen.

Denn der Studie zufolge sind nur ganz wenige Haushalte in Österreich überschuldet. Denn ihr zufolge haben 48 Prozent ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung. Denn ihr zufolge ist mehr als die Hälfte in alter Schilling-Währung gerechnet sogar ein Millionärs-Haushalt: Liegt doch der Median, also jene Grenze, wo die Hälfte aller Haushalte ein noch größeres Vermögen hat, bei einem Vermögen von 76.500 Euro. Erinnert sich noch jemand an die Aufregung, als ein Hannes Androsch erklärt hat, kein (Schilling-)Millionär zu sein? Seine damalige Antwort: „Leider nein.“

Dabei kann man sicher sein: Die Österreicher sind noch deutlich reicher, als irgendeine Umfrage zeigen kann. Bei solchen Umfragen vergisst man nicht nur auf viele Besitztümer wie Schmuck oder ähnliches; vor allem verschätzt man sich heftig beim Wert des eigenen Hauses. Denn viele haben noch gar nicht mitgekriegt, wie steil in den letzten drei Jahren der Marktwert vieler Immobilien in die Höhe gestiegen ist.

Daher ist es mehr als legitim, die von den Linksparteien geplanten Vermögens- und Erbschaftssteuern als flächendeckenden Angriff auf die Österreicher zu empfinden. Viel mehr Familien, als diese selbst glauben, sind durchaus schon in der Nähe der Million Euro an akkumulierten Besitztümern.

Und wenn man jetzt immer öfter hört, dass eigentlich schon ab einer halben Million an Vermögen zugeschlagen werden soll, dann hat zu Recht der ganze Mittelstand Angst. Denn selbst, wer auch nach dem Stöbern von Finanzbeamten in den Schmuckschatullen, Wochenendhäusern und Kindersparbüchsen noch nicht ganz vermögenssteuerpflichtig wäre, wird das mit Sicherheit nach der unvermeidbaren Inflations-Explosion sein, nach der ja alles viel mehr "wert" ist. Deren Lunte brennt ja schon. Und ausgerechnet die auf das Vermögen der Österreicher so neugierigen Nationalbanker halten noch ein heißes Zündholz in der Hand.

Statt über eine angeblich ungerechte Verteilung zu jammern, könnte und sollte man sich eigentlich über den Reichtum so vieler Österreicher freuen. Anstelle der nun vielerorts ausgerufenen Hetze „Jagt die Reichen“ (fehlt nur noch, dass man den zu jagenden Reichen auch noch ein religiöses Bekenntnis als Adjektiv anhängt) könnte man eigentlich innehalten und sagen: Ja, super. Die Menschen haben es in diesem Österreich in ihrer großen Mehrheit zu etwas gebracht. Darauf können wir stolz sein. Man vergleiche den heutigen Zustand doch mit 1945, als Österreich das ärmste Land Europas war.

Dann müsste man auch noch etwas zweites dazusagen: Da wir uns dem österreichischen Souverän, also diesen zu einem so hohen Anteil wohlhabenden Bürgern verpflichtet fühlen, werden wir jetzt alles tun, um deren Wohlstand nicht zu gefährden. Immerhin haben sie ja ohnedies schon einen Gutteil des Geldes bei dessen Erwerb gleich an den Staat abgeliefert. Wir werden den Österreichern daher kein zusätzliches Geld mehr abnehmen, um weniger fleißige Völker zu finanzieren. Wir werden bis zuletzt für die Stabilität der Währung kämpfen.

Wir werden ebenso das Erbrecht verteidigen, strengen sich doch viele erfolgreiche Österreicher  primär in Hinblick auf ihre Nachkommen, also die Erben so an. Was dem Bruttosozialprodukt sehr nützt. Was die künftigen Erblasser nicht in diesem Ausmaß täten, wenn sie wüssten, dass sie noch mehr für die Steuer arbeiten müssten und noch weniger für ihre Kinder. Wir wissen ja, dass 1945 praktisch alle mit Null angefangen haben, dass nur ganz wenige der heutigen Vermögen aus früheren Zeiten stammt. Keine der genannten vier reichen Österreicher etwa hatte 1945 irgendeinen Reichtum in der Familie. Daher stimmt auch die Behauptung nicht, die Reichen würden immer reicher. Reicher werden vor allem die Fleißigeren.

Das heißt nun nicht, dass jener Teil der Österreicher unwichtig wäre, der im Verhältnis dazu relativ arm ist. Aber mit Sicherheit  würde es diesen Menschen noch viel schlechter gehen, wenn wir die Reichen verjagen und den Mittelstand demotivieren.

Ja, das müsste man alles sagen. Es tut nur niemand.

SPÖ und Grüne sind sowieso zur Partei der diebischen Neidgenossen geworden. Die ÖVP traut sich zwar einmal im Jahr, ihren Koalitionspartner Dieb zu nennen, ist aber ansonsten durch Affären, Amok laufende Bundesländer-Kaiser, eine ständig querschießende Wirtschaftskammer, strategische, taktische und Führungs-Schwächen wie gelähmt. Auch bei Blau und Orange sind viele Lähmungserscheinungen zu konstatieren, wenn auch aus meist anderen Gründen. Und wer nach den jüngsten demaskierenden Auftritten des total substanzlosen Phrasendreschers Frank Stronach noch immer auf den steirisch-kanadischen Exindustriellen setzt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

PS.: Es ist wohl auch kein Zufall, dass diese Studie an alle möglichen Medien gespielt worden ist, von denen man sich die „richtige“ Interpretation erwartet und jedenfalls durchwegs erreicht hat. Auf der Homepage der Nationalbank ist die Studie jedoch interessanterweise bis zur Stunde nicht veröffentlicht worden. Daher bleibt jede Menge methodischer Fragen offen. Was vielleicht auch beabsichtigt sein könnte. Es wäre ja auch peinlich, wenn unabhängige Wissenschaftler (die paar, die es außerhalb von Wifo und anderen Subventionsvereinen noch gibt) die Seriosität der Erhebung nachprüfen könnten . . .

Drucken

Gas: Russen geben nach – Sind Pumpspeicher unrentabel?

01. Oktober 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Auch wenn noch weitgehend der Mantel des Schweigens darüber gebreitet wird, es tut sich etwas bei den zu hohen Gaspreisen, die in Österreich gezahlt werden müssen. Das Problem sind die Langfristverträge mit den Russen, die an den Ölpreis gekoppelt sind und weit über jenen Preisen liegen, die am Spotmarkt erzielt werden. Das bedeutet, dass in Österreich jährlich um rund 600 Millionen Euro zu viel für Gas bezahlt werden muss. Dies trifft vor allem die privaten Gaskonsumenten, die von den Gasversorgern mit hohen Gaspreisen gequält werden – Industriekunden können sich wehren, sie zahlen den üblichen Spotmarktpreis.

Aber nicht nur die private Gaskundschaft muss blechen, auch die Stromkonzerne können ihre Gaskraftwerke nicht mehr gewinnbringend führen. Dies trifft vor allem die Wiener Stadtwerke, die 90 Prozent ihres Stroms und ihrer Fernwärme auf Gas-Basis erzeugen. Andere Stromkonzerne, wie Verbund oder EVN, können dagegen ihre Gaskraftwerke einfach abstellen und kaufen den Strom billig am Weltmarkt zu.

Blöd läuft es allerdings, wenn ein neues Gaskraftwerk eröffnet wird (Verbund in Mellach), das mit teurem Russengas (bezogen von Econgas) gespeist wird. Lässt man Gaskraftwerke laufen (derzeit steht es still) verliert man Geld, verzichtet man auf den Gasbezug, muss man Pönale zahlen (Take-or-Pay-Verträge). Daher wurde das neue Werk bereits wertberichtigt. Blöd auch, wenn man dafür eine eigene Gaspipeline (Südschiene) um 400 Millionen Euro gebaut hat, die man im Moment gar nicht brauchen kann. Die Kosten dafür zahlen die Gaskunden über das Netzentgelt.

Aber es bewegt sich etwas beim teuren Russengas. In Deutschland hat Gazprom die Preise bereits ordentlich korrigiert, in Österreich heißt es nach wie vor „es wird verhandelt“. Erste Erfolge gibt es aber bereits. Die Steirische Gas-Wärme, die nicht über die OMV-Tochter Econgas, sondern direkt von der Gazprom-Tocher GWH beliefert wird, hat bereits einen Preisnachlass bekommen und kann zusätzlich Teile ihres Gasbezugs auf Spotmärkten einkaufen. Im Gegenzug haben die Steirer eine Klage gegen Gazprom beim heimischen Kartellgericht zurückgezogen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass der Großkunde Econgas nicht auch eine ähnliche Vereinbarung treffen kann. Bei den Großabnehmern Verbund und Wiengas ist allerdings noch nichts angekommen.

Probleme bei den Reserven für erneuerbare Energie

Die umstrittene deutsche Energiewende mit ihrem überproportionalen Ausbau von Wind und Solar braucht Backup-Systeme für jene Zeiten, wo diese erneuerbaren Energien nicht zur Verfügung stehen. Das wären an und für sich Gaskraftwerke. Die laufen aber nicht, wegen der  – siehe oben – Gaspreise. Marc Hall, der neue Energievorstand der Wiener Stadtwerke, merkt dazu an: „Eigentlich müsste die Photovoltaik die Gaskraftwerke subventionieren, denn die ergänzen sie zu einem marktfähigen Produkt“.

Übrigens hat der deutsche Netzbetreiber Tennet, wie im Vorjahr, wieder rund 900 Megawatt „Kaltreserve“ aus Österreich gebucht. Der zweite Backup-Baustein sind Speicherkraftwerke. Wenn der Wind bläst kann billig Wasser in die Speicher hoch gepumpt werden, bei Mangel kann dann Wasser abgelassen werden. In Österreich wird auf Teufel komm raus die Pumpspeicherkapazität ausgebaut. Für ein geplantes weiteres Kraftwerk in Kaprun müsste eine neue Stromleitung gebaut werden. Die Branche rechnet damit, dass Pumpspeicherstrom einen zumindest 15 Prozent höheren Preis erzielen muss. Ob all diese Projekte auch wirklich einmal Früchte tragen, ist gar nicht mehr so sicher, wenn man deutschen Betreibern von Pumpspeichern zuhört.

Die deutsche Vattenfall betreibt die Hälfte der Pumpspeicher-Kraftwerke in Deutschland und das Geschäft boomt keineswegs. Im Gegenteil. Die Wirtschaftlichkeit hat sich dramatisch negativ entwickelt. Es ist eine paradoxe Situation entstanden, sagt man bei Vattenfall. Wir brauchen Speicher, um die Fluktuationen der erneuerbaren Energien ausgleichen zu können. Aber das heißt noch lange nicht, dass sich der Betrieb lohnt. Früher haben Pumpspeicher nachts billigen Strom genutzt, um Wasser nach oben zu pumpen und es bei höheren Preisen zur Mittagszeit aus den Speicherseen abzulassen und damit Strom zu produzieren.

Jetzt lohnt sich das immer weniger, denn Solarstrom kommt zur Mittagszeit ins Netz und drückt die Preise. Bei kräftigem Wind ist die Situation ähnlich.

„Ich sehe derzeit nicht, wie wir vor dem Hintergrund dieser Entwicklung längerfristig die Wirtschaftlichkeit aus eigener Kraft wieder herstellen können. Modernisierungen, größere Investitionen und Reparaturen – das alles kostet viel Geld. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob und wie wir alle unsere Pumpspeicher weiter betreiben können", meint der Vattenfall-Chef Hatakka.

In Österreich ist die Lage noch nicht so dramatisch. Die Speicherkraftwerke werden auch für Regelenergie gebucht, und der Preis für Regelenergie ist viermal so hoch wie in Deutschland.

Trotzdem gibt es erste Auswirkungen, wie etwa bei der oberösterreichischen EAG. Diese hat derzeit das Problem, dass die Stromerzeugung mit Gas 80 Euro je Megawattstunde kostet, aber nur 50 Euro auf dem Markt bringt. Bauabsagen gibt es aber noch nicht. Alle Kraftwerke, die in Bau sind, werden fertig gestellt. Neue Bauentscheidungen hängen aber mit den Marktverhältnissen zusammen, etwa bei einem geplanten Projekt in Bad Goisern. Das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee wird bis zur Baureife vorbereitet, dann „wird man schauen, wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind".

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Maastrichtkriterien & Staatsquote 2010 & 2011

25. September 2012 14:55 | Autor: Andreas Unterberger

Defizit, Staatsverschuldung & Abgabenquote 2010 & 2011 in Prozent

Drucken

Wirtschaftliche Kennzahlen 2011 & 2010

25. September 2012 14:47 | Autor: Andreas Unterberger

Vergleich ausgewählter Kennzahlen 2010 & 2011 in Prozent

 

Drucken

Fußnote 353: Neuer Medizin-Mist

24. September 2012 04:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Wiener Medizin-Uni baut den nächsten Skandal – und jetzt hilft dabei auch der Wissenschaftsminister mit.

Die MUW hat durch die gezielte Diskriminierung männlicher Studenten bei den Aufnahmsprüfungen Riesen-Mist produziert. Praktisch alle unabhängigen Experten sind inzwischen sicher, dass die dadurch benachteiligten jungen Männer beim Verfassungsgericht gewinnen werden und anschließend gewaltige Schadenersatzforderungen stellen können. Daher versucht die MUW, die Fronten zu begradigen – und schafft 60 zusätzliche Studienplätze. Aber statt diese nur den Geschädigten, also Männern, zu geben, wird verkündet, dass die Plätze auch an Frauen gehen werden. Womit allem Anschein nach schon wieder die nächste Gleichheitswidrigkeit stattfindet. Aber was will man von einer Uni, deren Spitze Freimaurer-verseucht ist, und deren Universitätsrat von einem Erhard Busek geleitet wird? Was freilich wirklich wundert, ist, dass die MUW jetzt für ihren Unsinn vom Wissenschaftsminister auch noch extra Geld bekommt. Der Mann ist doch bisher durch Mut und Vernunft aufgefallen. Hält er es für nachvollziehbar, wenn die einen ideologisch motivierten Schwachsinn bauen, und die anderen, in diesem Fall die Allgemeinheit, zahlen müssen?

 

Drucken

EU-Kommissar fordert Eurobonds und damit das Ende der EU

22. September 2012 23:42 | Autor: Elisabeth Hennefeld
Rubrik: Gastkommentar

Es gibt viele Arten, sich einen Tag so richtig zu vermiesen. Man könnte aus dem Bett fallen und sich den Fuß brechen. Man könnte seine Steuererklärung machen. Oder man liest das Interview mit dem EU-Kommissar für Beschäftigung und Soziales, Laszlo Andor, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Der Text fängt schon mal damit an, dass der Berater der ehemaligen sozialistischen Regierung in Ungarn Deutschland die Schuld an der Krise in die Schuhe schiebt, weil dieses sich erdreistet, zu wettbewerbsfähig zu sein. Der sprichwörtliche Fleiß der Deutschen verstärke die Ungleichheiten in der Eurozone. Darum bräuchten wir unbedingt „Eurobonds“, also EU-weite Staatsanleihen.

Staatsanleihen (Government Bonds) wurden erstmals ausgegeben von der Bank of England Ende des 17. Jahrhunderts. Die Regierung brauchte kurzfristig viel Geld für einen Krieg mit Frankreich, das sie sich von ihren Bürgern über Anleihen ausborgte und Jahrzehnte später, wenn der Krieg vorbei ist, mit Zinsen zurückzuzahlen gedachte. In der Zwischenzeit können die Bürger diese Anleihen an der Börse nach Herzenslust kaufen und verkaufen. Die Zinsen errechnen sich versicherungsmathematisch nach dem Ausfallsrisiko – sprich je höher das Vertrauen, dass diese Schulden nach Ablauf der Anleihe tatsächlich bedient werden, desto niedriger die Zinsen.

Dieser Zusammenhang ist für den Ausgang von Kriegen und als Auslöser von Revolutionen weitaus entscheidender, als Historiker gemeinhin annehmen. Aber bleiben wir bei der Gegenwart. Seit dem zweiten Weltkrieg haben moderne Staaten die völlig neue Angewohnheit, in Friedenszeiten neue Schulden zu machen – besser bekannt als „Wohlfahrtsstaat“ –, statt nur die vom letzten Krieg zu bezahlen. Die Staatsanleihen finanzieren also nicht mehr das kurzfristige Engagement eines Krieges, das im Frieden über Steuern zurückbezahlt wird. Sie füllen die Lücke zwischen Steuereinnahmen und den allseits beliebten Beglückungen des auf Ewigkeit angelegten Sozialstaates.

Für die Zinsen ist es nun entscheidender denn je, wie ein Staat strukturell aufgestellt ist. Unsere Sorgenkinder im Süden zahlen etwa doppelt so viel wie wir, weil ihre Steuereinnahmen niedriger sind, ihre Sozialsysteme defizitärer laufen, ihre Staatsverschuldung höher ist und ihre Wirtschaft weniger wettbewerbsfähig ist. Was tun? Man könnte sich nun die „reicheren“ Länder im Norden zum Vorbild nehmen. Oder man führt erst mal Eurobonds ein, damit alle Staaten von Deutschland bis Griechenland gleich viel Zinsen zahlen und es am Kapitalmarkt wurscht ist, ob ein Staat sich ernsthaft bemüht, seinen Haushalt halbwegs in Ordnung zu halten.

Griechenland und Konsorten sind mit dem ESM fürs erste aus dem Schneider. Jedes Wirtschaftswunder braucht seinen Marshall-Plan. Profitieren wir nicht letztlich alle, wenn stabile Volkswirtschaften ihren Nachbarn kurzfristig unter die Arme greifen, damit sie wieder auf die Füße kommen? Mit den Eurobonds könnten sie auch wieder billiger Kredite aufnehmen.

Aber: Würden sie dieses Kapital nützen, um ihre strukturellen Probleme zu lösen, Reformen durchführen, um langfristig wettbewerbsfähiger zu werden?

Nicht die Spur! Die tun nicht mal als ob! Stattdessen „empfiehlt“ die EU-Kommission Deutschland de facto, seine Wirtschaftsleistung zu drosseln. Damit es die anderen nicht so schwer haben. Und sollte sich Deutschland nicht an wirtschaftspolitisch grandiose Vorschläge der Kommission halten, wünscht sich der ungarische Kommissar wörtlich „die nötigen Mittel, um gegen die Staaten vorzugehen, die nichts gegen die Ungleichheit im Euroraum unternehmen“.

Dieses Mittel will nicht im gesamteuropäischen Interesse Staatshaushalte genauer kontrollieren, damit die Gemeinschaft früher einschreiten kann, wenn Griechenland mit den Budgetzahlen mogelt. Nein, es soll den Deutschen auf die Finger klopfen, dass diese bitte ihre Wirtschaft an die Wand fahren sollen.

Die EU sollte den Frieden sichern, indem sie Wohlstand fördert und nicht vernichtet. Wenn sie diesen Pfad verlässt, verliert sie ihre Existenzberechtigung.

Elisabeth Hennefeld ist ein liberal-konservativer Geist an der Universität Wien (unter Artenschutz). 

Drucken

Das staatliche Geldmonopol

21. September 2012 02:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Das Urteil der Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe fiel erwartungsgemäß aus. Wer gemeint hatte, dass ein paar deutsche Staatsdiener es wagen würden, gegen den Zeitgeist aufzubegehren, der gnadenlos in Richtung Zentralisierung und Kollektivierung Eurolands weht, wurde herb enttäuscht. Es ist allerdings offensichtlich, dass diese Entscheidung lediglich eine Facette auf dem Weg in einen immer wahrscheinlicher werdenden, weltweiten Finanzkollaps darstellt.

Wie die Bank of England setzt auch die US-Fed seit Jahren – (beide übrigens ohne jeden erkennbaren Erfolg) die Geldpresse zur Staatsfinanzierung ein. Außer Spesen nichts gewesen (von exorbitanten Schulden abgesehen). Die EZB ist mit ihrer jüngst proklamierten Absicht, unbegrenzt Staatsanleihen der üblich verdächtigen Pleitekandidaten aufkaufen zu wollen, auf den nämlichen Pfad eingeschwenkt; und die Bank of Japan hat soeben bekannt gegeben, weitere (umgerechnet) 127 Mrd. Dollar an Anleihen anzukaufen und damit die Billionengrenze ihres „quantitative easing“ zu sprengen. In Nippon sind die Entscheidungsträger also wild entschlossen, auch noch die letzten unberührten Grundstücke im Land einzubetonieren. J. M. Keynes hätte seine helle Freude.

Die Zeichen stehen – wer wollte davor, angesichts dieser Entwicklungen, noch die Augen verschließen – auf Geldentwertung. Inhaber von auf Nominalwerte lautenden Anlagen (z. B. festverzinsliche Sparbücher und Lebensversicherungen) sind nicht zu beneiden. Ihre Zukunftsvorsorgen werden in den kommenden Jahren kräftig an Wert verlieren. Die „finanzielle Repression“ der Staaten macht das Sparen zu einer Liebhaberei für Masochisten. Die Zukunft gehört den Schuldenmachern. Das ist auch gut so, denn wie wir ja gelernt haben, ist die Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand schließlich der unbeschwerte Konsum und nicht etwa spießig-freudloser Verzicht.

In einer Zeit, in der nur wenige es wagen, sich kritisch zur weltweit betriebenen, inflationistischen Geldpolitik zu äußern, ist es besonders bemerkenswert, wenn ausgerechnet ein Systeminsider mahnende Worte im Hinblick auf die aktuelle Geldpolitik findet. Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank, zitierte anlässlich eines Kolloquiums des Instituts für Bankhistorische Forschung ausgiebig aus Goethes Faust II, um vor den fatalen Konsequenzen einer hemmungslosen Geldproduktion zu warnen.

Mephisto schlüpft an der betreffenden Stelle in die Rolle eines (Papier-)Geldproduzenten, der dem klammen Kaiser ein scheinbar wunderbares Zaubermittel zur Wohlstandsproduktion andient. Der Kaiser jammert: „Ich habe satt das ewige Wie und Wenn; Es fehlt an Geld, nun gut, so schaff’ es denn.“ Mephisto antwortet darauf: „Ich schaffe, was ihr wollt, und schaffe mehr.“ Das tut er dann auch – mit der finalen Konsequenz einer totalen Zerstörung des Geldwertes.

Alchemie mit anderen Mitteln

Weidmann zeigt sich in seinem Vortrag beeindruckt von der Hellsichtigkeit Goethes, der den unheilvollen Zusammenhang von „Papiergeldschöpfung, Staatsfinanzierung und Inflation – und somit ein Kernproblem ungedeckter Währungsordnungen…“ so klar erkannt hat. In der Tat gerät dabei sofort die verhängnisvolle Entwicklung in Deutschland zu Beginn der Zwanzigerjahre ins Bild, als sich im Zuge einer Hyperinflation sämtliche Geldvermögen (namentlich die des Mittelstandes) in Rauch auflösten – mit allen politischen Konsequenzen, die dann folgten. Weniger weit zurückliegende Beispiele afrikanischer oder südamerikanischer Bananerepubliken zeigen dieselben Ergebnisse. Prof. Binswanger habe, so Weidmann, bereits Mitte der 80er Jahre festgestellt, dass Papiergeldschöpfung eine Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln darstelle.

Bleibt zu anzumerken, dass der einzige Unterschied darin besteht, dass Zentralbanker nicht Blei in Gold verwandeln, sondern weiße in bunte Zettel, die sie dann Geld nennen. Auch sie transformieren somit etwas Unbedeutendes in etwas Wertvolles. Nicht ohne gehörige Ernüchterung muss festgestellt werden, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen, besonders aber die politische Klasse und die ihr in einem symbiotischen Verhältnis verbundenen Banker und Zentralbanker, offensichtlich davon überzeugt sind, den seit dem Mittelalter gesuchten Stein der Weisen gefunden zu haben: Die Schaffung von Geld aus dem Nichts.

Weidmann: „Durch den staatlichen Zugriff auf die Notenbank in Verbindung mit großem staatlichem Finanzbedarf wurde die Geldmenge jedoch häufig zu stark ausgeweitet, das Ergebnis war Geldentwertung durch Inflation.“ Seiner zweifellos zutreffenden Diagnose folgt allerdings lediglich die Forderung nach einer Respektierung der Unabhängigkeit der Notenbanken und deren Schutz vor politischen Zugriffen. Das greift in mehrfacher Hinsicht zu kurz. Die Unabhängigkeit von Notenbanken wird ewig eine Illusion bleiben. Außerdem würde sie nichts am zweiten zentralen Problem unserer Geldwirtschaft ändern – dem Teilreservesystem der Geschäftsbanken.

Um vom staatlich zwangsverordneten Schwundgeld wegzukommen und – wieder – eine dauerhaft werthaltige Währung zu etablieren, reicht kein halbherziger Versuch, die (scheinbare) Unabhängigkeit eines Geldmonopolisten von Leviathans Gnaden herstellen zu wollen. Dazu bedarf es der „Denationalisierung des Geldes“, wie F. A. Hayek sie bereits vor Jahrzehnten gefordert hat, eine Abschaffung von planwirtschaftlichen Inflationierungsbehörden (Zentralbanken) und einer hundertprozentigen Reservehaltungsverpflichtung durch die Geschäftsbanken.

Jens Weidmann hat, im Zusammenhang mit der Geldmengenausweitung leider nur die Rolle der Zentralbanken, nicht aber jene der Geschäftsbanken beleuchtet. Die spielen dabei nämlich eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Den wenigsten Zeitgenossen dürfte klar sein, dass im Moment einer Kreditgewährung durch eine Geschäftsbank (Giral-)Geld entsteht, das bis zu diesem Moment noch nicht existiert hat. Denn das von den Geschäftsbanken verliehene Geld stammt nur zu einem kleinen Teil aus den Einlagen von Sparern. Der Großteil der Kredite wird dagegen aus dem Nichts geschaffen – so wie die Notenbanken Geld aus dem Nichts schaffen. Im Endeffekt läuft das allerdings auf dasselbe – die Verringerung des Wertes des bereits vorhandenen Geldes – hinaus.

Dem folgenden Zitat des Bundesbankchefs ist vollinhaltlich zuzustimmen: „Der beste Schutz gegen die Versuchungen in der Geldpolitik ist eine aufgeklärte und stabilitätsorientierte Gesellschaft.“ Wo und wie diese „aufgeklärte Gesellschaft“ allerdings entstehen soll, wenn bereits Kleinkinder zu Konsumtrotteln erzogen und auf Verzichtsverweigerung konditioniert werden, bleibt Herrn Weidmanns Geheimnis…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Überraschung: Die Reichen wehren sich

20. September 2012 00:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Frankreich erlebt eine ökonomische Lehrstunde erster Güte. Der Irrglaube, durch noch höhere Steuern Löcher in der Staatskasse füllen zu können, erleidet dort soeben dramatischen Schiffbruch.

Francois Hollande erhöht zur Finanzierung seiner Wahlversprechungen die Einkommensteuer für Jahreseinkommen über einer Million Euro von bisher maximal 50 auf stolze 75 Prozent. Da sich von dieser Einkommensgrenze kaum jemand betroffen fühlte, schadete ihm das bei der Wahl nicht. Da davon in der Tat kaum jemand betroffen ist, wird diese neue Steuer aber auch nichts bringen, wie jetzt klar wird. Hollande muss zugeben, dass nur ein „symbolischer“ Beitrag herauskommen wird. Es gehe lediglich um 2000 bis 3000 Personen.

Freilich ist auch diese Zahl mehr als fraglich. Denn fast jeder Betroffene überlegt nun intensiv, ob er ins Ausland übersiedeln soll. Damit verlöre Frankreich nicht nur deren Einkommensteuer zur Gänze, sondern auch deren Investitionen und Ausgaben.

Als Ziel ist die Schweiz mit ihren besonders niedrigen Steuern attraktiv. Und auch Großbritannien erweist sich als beliebte Variante. Premier Cameron hat den Zuziehenden sogar schon einen Roten Teppich versprochen. In der französischen Elite kann heute so gut wie jeder Englisch. Lediglich das britische Klima ist ein wenig abschreckend.

Freilich werden die ersten abreisenden Investoren vom französischen Boulevard öffentlich beschimpft. Folglich übersiedeln viele eher heimlich. Besonders leicht können Künstler und Individual-Sportler das tun, unter denen etliche sehr gut verdienen, wenn auch meist nur wenige Jahre lang. Die Stars reisen ja ohnedies ständig durch die Welt, um an Turnieren teilzunehmen oder in großen Opernhäusern zu singen. Daher ist es für sie persönlich weitgehend egal, wo sie pro forma ihren Hauptwohnsitz haben. So hat ja einst etwa auch ein Thomas Muster lieber im freundlichen Monaco Steuern gezahlt, obwohl er sportlich immer als Österreicher aufgetreten ist.

Die französische Regierung hat in diesem Dilemma schon überlegt, Ausnahmebestimmungen für Künstler und Sportler zu beschließen. Dagegen haben aber wieder sofort jene Medien protestiert, die bei der Reichenjagd begeistert mitgemacht haben und die nun enttäuscht sind, dass die Beute so mager ist.

Die französischen Erfahrungen beweisen, dass es überhaupt nur noch zwei Steuern gibt, die man mit nennenswerten Ertrag erhöhen könnte, weil es keine Fluchtmöglichkeiten gibt: Erstens die Mehrwertsteuer; das aber scheint bei den Wählern unbeliebt, weil dann alles teurer wird. Und zweitens die Grundsteuern, sofern man keine Ausnahmen macht. Deren Erhöhung würde jedoch das Wohnen teurer machen, die Kosten für die ohnedies schwer ächzende Wirtschaft erhöhen und insbesondere die ohnedies nicht allzu reichen und jedenfalls militanten Bauern treffen.

Nüchterne, wenn auch nicht ganz neue Erkenntnis: Es führt letztlich kein Weg ums Sparen und unpopuläre Maßnahmen herum, wenn man griechische Verhältnisse vermeiden will.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Größe durch Kleinheit: von Kolumbus und Schiller lernen

18. September 2012 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie wünschen wir uns Europa eigentlich? Hinter allen Stürmen der Finanzkrise scheint jede vernünftige Überlegung zum weiteren Zusammenleben auf dem Kontinent verschwunden. Es gibt anscheinend nur noch die radikalen Utopisten auf beiden Seiten, die jedoch keine sinnvollen Perspektiven anzubieten haben.

Auf der einen Seite stehen die Vergangenheits-Nostalgiker, die meinen, vor der EU wäre alles gut und wunderbar gewesen. Sie sind aber genauso realitätsfremd wie die Zukunfts-Nostalgiker, die meinen, zentralistische Vereinigte Staaten von Europa wären eine funktionierende Utopie. Beide Visionen sind realitätsfremd und damit gefährlich.

Die Vergangenheits-Nostalgiker übersehen, dass die gegenwärtigen Probleme Europas nicht mit der Tatsache einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an sich zusammenhängen. Ganz im Gegenteil: Deren Auseinanderbrechen wäre eine absolute Katastrophe. Denn schon ab den 80er Jahren hat sich gezeigt, dass der Standort Österreich alleine zum Untergang verurteilt wäre.

Ohne den Zugang zum großen gemeinsamen Binnenmarkt Europa würde sich für niemanden mehr eine Betriebsansiedlung in der kleinen Alpenrepublik lohnen. Zusammen mit der für Österreich enorm hilfreichen Ost-Wende hat die EU-Mitgliedschaft dem Land im letzten Vierteljahrhundert dann wider alle Wahrscheinlichkeit doch noch eine sensationelle Fortsetzung des Wirtschaftswunders der Nachkriegsjahre erlaubt. Österreich hat fast als einziges Land Europas die zwei Generationen seit dem Kriegsende ohne eine größere Rezession überstanden. Das wird zwar als selbstverständlich empfunden, ist es aber keineswegs.

Der Binnenmarkt als großer Triumph der EU

Die großen, völlig ungelösten Probleme im gegenwärtigen Europa stammen auch keineswegs von Wirtschaftsunion und Binnenmarkt, wenngleich auch dort viele ärgerliche Überregulierungen zu beobachten sind. Die Ursachen der Krise sind viel mehr die schwere Überschuldung fast aller europäischer Staaten, die von deren Politikern zu verantworten ist, ob es nun direkte staatliche Schulden oder die durch eine verantwortungslose Geldpolitik der EZB ermöglichten privaten Schulden sind.

Die EU hingegen hat kein Land zur Schuldenexplosion gezwungen, sie hat vielmehr oft genug davor gewarnt.

Eine solche Schuldenexplosion hat auch in Deutschland und Österreich stattgefunden. Siehe etwa Österreich: Das Land hat Ende der 60er Jahre eine Staatsschuldenquote von deutlich unter 20 Prozent gehabt, heute aber eine solche von offiziell 73 Prozent. Österreich würde mit dieser Quote ohne den Rückhalt in EU und Euro von schwersten Stürmen heimgesucht; es hätte Riesenprobleme, neue Geldgeber zu finden. Dazu kommt, dass nicht nur diese „explizite“ Staatsverschuldung auf historischer Rekordhöhe steht, die implizite ist noch viel höher. Diese inkludiert auch alle versteckten Haftungen und ungedeckten Pensionsversprechungen. Österreich steht so wie Deutschland, Finnland und die Niederlande nur deshalb scheinbar so gut da, weil fast alle anderen Euro-Staaten noch viel schlechter dastehen. Das erinnert an das alte Sprichwort vom Einäugigen unter den Blinden.

Ein Ausscheiden aus dem gemeinsamen Währungsraum oder gar dem Binnenmarkt wäre also ein geradezu selbstmörderisches Abenteuer.

Genauso weltfremd sind aber auch die Zukunfts-Nostalgiker, die sich selbst an ihren Europa-Phrasen begeilen. Sie sehen nicht die schweren Fehlentwicklungen innerhalb der EU, die jenen innerhalb Österreichs gleichkommen. Sie begreifen nicht, dass ein noch engerer Zusammenschluss zu einer Katastrophe führen muss.

Analysieren wir ganz ohne Blick auf die Euro-Krise die Idee der Umwandlung der Union in einen Staat. Die sprachliche, historische, kulturelle, ökonomische Diversität Europas würde diesen auch ohne die Schuldenkrise zerreißen. Man schaue nur auf die vielen Antagonismen zwischen den EU-Staaten.

Man sollte sich aber auch bewusst machen, dass alle früheren Großimperien der Geschichte wieder zerfallen sind. Dass die heute noch existierenden Großmächte Russland, China und die USA durchwegs nur mit kriegerischer Gewalt und brutaler Unterdrückung eines Teils der Bevölkerung zusammengezwungen werden konnten. Auch die USA sind ja letztlich Produkt eines Bürgerkriegs wie auch der Oktroyierung der englischen Sprache auf die deutsch, französisch, niederländisch, italienisch oder sonstwas sprechende Mehrheit. Und China wie Russland werden bis heute überhaupt nur mit der Macht der Gewehre in den jeweiligen Grenzen zusammengehalten.

Das kann wohl niemand ernsthaft als europäische Perspektive wollen.

Zynische Reaktion auf die Schuldenkrise

Noch weniger kann es gelingen, Europa auf dem Schlachtfeld der Schuldenkrise zu einer echten staatlichen Einheit zu zwingen. Dieser zynische Gedanke ist ja in der europäischen Elite durchaus verbreitet:  Zwar geben nun immer mehr zu, dass Europa nach Ausbruch der Schuldenkrise fast alles falsch gemacht hat – aber dennoch sehen sie die Krise trickreich als Chance an, um diesem Europa noch mehr Macht zu geben.

Die Schuldenkrise hat aber die emotionalen Antagonismen zwischen den Völkern in Wahrheit massiv vertieft. Daran kann auch die realitätsfremde Rhetorik der Politik nichts ändern. Die Griechen sehen die Aufforderungen der Troika zu sparen als willkürliches deutsches Spardiktat und graben als Revanche alte Weltkriegsverbrechen aus. Die Deutschen sehen die Griechen als grenzenlos faule Parasiten. Um nur eine konkrete Folge der Schuldenkrise zu nennen.

Gewiss erscheint es fast jedem, der in Brüssel auch nur als kleiner Korrespondent eine Rolle spielt, sehr verführerisch, dieses Europa zentralistisch zu führen. Letztlich ist dort ja jeder ein wenn auch noch so kleiner Teilhaber der Macht – weit mehr als es die anderen 500 Millionen draußen in den Mitgliedsländern sind. Genau dasselbe passiert innerhalb Österreichs mit jedem, der in Wien eine wichtige Rolle spielt. Letztlich geht es immer um Macht, zumindest um das Gefühl, dem Zentrum der Macht nahe zu sein.

Der theoretische Plan, jetzt durch strikte Kontrolle der nationalen Budgets von oben Disziplin zu erzwingen, kann nicht funktionieren. Es gelingt nicht einmal der Republik Österreich, die Bundesländer zu Budgetdisziplin zu zwingen, die sich in den letzten Jahren viel übler verhalten als der Bund. Dieser machiavellistische Plan kann nur funktionieren, wenn man in allen Mitgliedsstaaten, Provinzen und Gemeinden die Demokratie und Eigenständigkeit abschafft. Und wenn man ein zentrales Heer zur Durchsetzung dieser zentralen Disziplin einsetzt.

Die Menschen gehen nicht mit

Die Menschen gehen bei solchen Projekten einfach nicht mit, zumindest nicht im gewünschten Tempo. Mit gutem Grund.

Dazu ein Zitat das früheren Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Naturwissenschaftlers Peter Schuster, aus Science-Blog.at: „Die Aussage, dass eine zentrale Kontrolle großer, komplexer Einheiten zum Scheitern verurteilt ist, stellt eine Binsenweisheit dar. Wirtschaft und Gesellschaft untermauern die Gültigkeit dieser Aussage durch zahllose Beispiele in der Vergangenheit und Gegenwart, welche beweisen: Systeme werden ineffizient, sobald sie eine kritische Größe überschreiten.“

Schuster beweist das mit den neuesten Erkenntnissen der Genforschung. Schon länger bekannt sind die Beispiele aus Politik und Gesellschaft, die zum gleichen Schluss führen.

Erfolgsmodelle von Singapur bis zur Slowakei

Zwar hat man immer in den Zentralen des jeweiligen Reiches geglaubt, dass ein Zerfall die ultimative Weltkatastrophe bedeuten würde. Aber letztlich waren Strukturen schlussendlich viel lebensfähiger, sobald die Menschen nur jenen Machtgebilden unterworfen sind, zu denen sie auch gehören wollen. Diese Legitimität liegt meist bei den kleineren Einheiten, kann aber in Einzelfällen wie bei der deutschen Einheit bisweilen auch zu größeren führen. Aber das ist dann eben eine demokratisch gewollte Einheit.

Das Ergebnis kann natürlich auf Grund der Migration und unterschiedlicher demographischer Geburtenfreudigkeit bisweilen auch eine Änderung der Identität sein. So ist etwa aus dem serbischen Kosovo durch die Zuwanderung der Albaner ein zu 90 Prozent albanischer Staat geworden, dem sich freilich wiederum verständlicherweise die rund zehn Prozent serbischer Gemeinden nicht unterordnen wollen. Das lässt sich heute nicht mehr ändern, das ist aber eine massive Warnung an jene, die blind der Massenmigration zuschauen.

Kolumbus hätte im Zentralstaat kaum Chancen gehabt

Auf dem Papier scheint es ja so, dass ideale Regelungen am besten funktionieren, wenn sie auch überall gelten. Nur weiß leider niemand so genau, was denn eigentlich jeweils die ideale Regelung ist. Und selbst wenn man die gefunden zu haben glaubt, ist es halt nicht so, dass gleiche Regelungen für alle gleich sinnvoll sind.

Man denke nur an die Stichworte Wassersparen, Tagesarbeitszeit oder Solarenergie: Eine lange Siesta, die in Spanien oder Italien sinnvoll ist, ist es in Deutschland oder Österreich in keiner Weise. Wassersparrichtlinen der EU sind im regenreichen Norden sinnlos oder gar schädlich, weil Leitungssysteme bei reduziertem Durchsatz verschlicken. Solaranlagen sind im Norden sinnlos, weil dort viel zu wenig Sonne scheint. Genausowenig wäre es sinnvoll, im Süden Lawinenhunde zu halten (das ist zum Glück aber noch niemandem eingefallen).

Noch wichtiger ist eine weitere geschichtlich bewiesene Erkenntnis: Die Vielfalt kleiner Einheiten kann nie durch eine einzige Fehlentscheidung eines einzigen Machthabers aus der Balance gekippt werden. Wenn sich in einer kleinen Einheit ein Fehler ereignet, wird man diesen durch den Vergleich zu den Nachbarn bald entdecken und korrigieren. In solchen System kann jeder von jedem lernen. Sie regulieren sich dadurch selbst.

Wenn Christoph Kolumbus nur eine zentrale europäische Entscheidungsebene vorgefunden hätte, hätte er nicht zwischen Genua, Frankreich, Portugal und Spanien hausieren gehen können, bis ein Machthaber sein Abenteuer finanziert. Wenn Friedrich Schiller bei dem einen Fürsten unterdrückt worden ist, konnte er zu einem anderen weiterziehen und sich dann ungehindert dem Schreiben hinzugeben.

Unter den Historikern herrscht verbreitetet Konsens, dass überhaupt der Erfolg Europas im letzten halben Jahrtausend entscheidend auf seine staatliche, religiöse, kulturelle Vielfalt zurückzuführen ist. Dadurch fand der wissenschaftliche und kulturelle Fortschritt immer Plätze, wo er sich ungehindert entwickeln konnte. Und die größten Katastrophen haben Europa heimgesucht, wenn ein Diktator seine Herrschaft kontinental ausweiten wollte. Ob das nun Napoleon, Hitler oder Stalin war.

Von der Familie bis zu den Schulen: Vielfalt funktioniert

Der Vorteil kleiner Einheiten zeigt sich natürlich auch im gerade wegen seiner Kleinheit allergrößten Erfolgsmodell der Geschichte: der Familie. Sie hat sich besser als Tausende andere Modelle bei den Aufgaben bewährt, Kinder heranzuziehen, Alte und Kranke zu betreuen, gesellschaftliche Stabilitätsanker zu entwickeln. Natürlich gibt es auch arg versagende Familien – aber deren Auswirkungen waren relativ wie absolut nie so schlimm wie etwa jene der Heimerziehung mit all ihren Auswüchsen. Von den Anti-Familien-Projekten totalitärer Regime ganz zu schweigen.

Dasselbe kann man an der Schule zeigen. Länder wie Deutschland oder Österreich mit ihren vielfältigen Schulmodellen, mit der dualen Ausbildung direkt in den Betrieben, können den Jugendlichen, der Gesellschaft und dem Arbeitsmarkt viel erfolgreicher helfen als zentralistische Einheitsmodelle, wie wir sie in allen Ländern mit katastrophaler Jugendarbeitslosigkeit finden.

Natürlich heißt das kein Plädoyer für ordnungsfreie Anarchie. Auch jeder funktionierende Markt hat eine Marktordnung. Diese legt fest, wo und wann die Marktfahrer ihre Stände aufstellen können und dürfen. Aber jede einzelne dieser Regeln muss extrem gut überlegt sein. Wenn sie an den Bedürfnissen der Marktteilnehmer zu sehr vorbeigeht, wird sie ignoriert oder der Marktplatz geht kaputt. Und es entsteht ein Schwarzmarkt.

Daher kann auch für die EU nur gelten: Ja zu einer gemeinsamen Markt- und Rahmenordnung für den Binnenmarkt, zur zumindest europaweiten Freiheit für Menschen, Dienstleistungen, Geld und Waren (wofür noch viel zu tun ist). Aber Nein zu jedem Modell, das glaubt, wenn man den Wettbewerb unter den Europäern durch Zentralisierung bremst oder gar verbietet, dass dann dieses Europa gegenüber Asien oder Amerika wettbewerbsfähig bleiben kann.

Eine Schuldenunion kann nicht funktionieren

Dass diese Überlegungen auch die einzige richtige Analyse der Schuldenkrise ermöglichen, braucht wohl keine lange Argumentation mehr. Die scheinbare Stärke der zentralen Währung – verkörpert durch niedrige Zinsen – hat in vielen Ländern des Südens zu Verantwortungslosigkeit geführt. Kein Land sorgte sich ab diesem Zeitpunkt ernsthaft um die Stabilität der eigenen Währung. Das geschah dann noch viel weniger, als die eigentlich gegen solche Verantwortungslosigkeit eingezogenen Schutzwälle mit einem politischen Federstrich beiseitegeschoben worden sind: die Maastricht-Kriterien und das No-Bailout-Verbot vor allem.

Daher mutet es wirklich grotesk an, wenn jemand ernsthaft glaubt, ausgerechnet eine zentralistische Aufsicht für gleich 6000(!) Banken, eine gemeinsame Einlagenhaftung, eine Schuldenunion und so weiter können wieder mehr Verantwortungsbewusstsein schaffen. Und diese Aufsicht soll ausgerechnet durch jene EZB erfolgen, welche ihre einzige vertraglich festgehaltene Aufgabe, die Sicherung der Geldstabilität, durch leichtfertiges Gelddrucken massiv verletzt.

Europa kann nur durch Vielfalt und Offenheit, durch freien inneren Wettbewerb und möglichst nahe bei den Akteuren angesiedelte Verantwortung, durch Subsidiarität und Föderalismus die großen Herausforderungen bestehen. Viele Politiker wollen aber von diesem richtigen Weg Europas auf einen falschen abbiegen. Weil er scheinbar bequemer ist.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Wie links muss Kirche sein?

15. September 2012 23:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Die Caritas fordert die höhere Besteuerung von Vermögen, weil sie Ungerechtigkeit und Armut steigen sieht. Für Religionslehrer ist die Welt oft nur ein Hort von Ausbeutung, Armut und globaler Ungerechtigkeit. Im Rahmen des informellen Lehrplans schüren sie mit Propaganda-Filmen á la „Let`s make money“ die Wut der Jugend auf „das System“. Und in kaum einem Kirchensaal warnte Christian Felber noch nicht vor der Verschwörung von Kapital und Spekulanten.

Wenn junge Menschen unser Schulsystem verlassen, dann sind sie zornig auf „unser System“ – das sie persönlich gar nicht kennen. Es soll die Armut hierzulande und global verschlimmern – obwohl sie laut EU-Armutsbericht noch nie geringer war als heute. Der Anteil Hungernder sinkt ohnedies seit vielen Jahren - von 33 Prozent (1970) auf 16 Prozent (2011). „Pax Christi“ (die katholische Organisation der Friedensbewegung) lastet dem Kapitalismus an, den Wohlstand auf immer weniger Reiche zu konzentrieren – tatsächlich ist Österreichs Einkommensverteilung seit 50 Jahren aber unverändert (der Gini-Koeffizient liegt stets bei etwa 0,26). Einzig beim Kauf „fair“ gehandelter Produkte sieht die Kirche über unser sündiges, auf Gier und Materialismus aufgebautes Wirtschaftssystem hinweg.

Warum ist die Kirche konservativ, wenn es um alte Männerbräuche geht, aber so links beim Thema Wirtschaft?

Katholizismus vs. Marxismus

Marxisten wie Theologen (aller Fraktionen) behaupten, dass unser Wohlstand auf der Ausbeutung von Menschen und Rohstofflieferanten fußt. Kein Wunder, unterliegen sie doch alle dem antiken General-Irrtum vom „Nullsummenspiel“: Jemand kann nur reicher werden, wenn dafür ein anderer ärmer wurde (Bertolt Brecht: „Wärst du nicht reich, wär´ ich nicht arm!“) – in Summe wäre der Wohlstandszuwachs also immer Null.

Über 3000 Jahre lang traf dies auch zu, weil es mangels Erfindungen und Technik kein Wirtschaftswachstum gab. Die Weizenerträge stagnierten über Tausende Jahre hinweg bei 400 Kilo je Hektar. So konnte der Bauer seinen Gewinn nur vermehren, indem er eine Furche vom Nachbar-Acker auf die eigene Seite pflügte. Und was ein Kaufmann mehr haben wollte, musste er dem Kunden durch Betrug wegnehmen.

Diese unmenschliche und brutale Zeit hat die damaligen Gesellschaften – Judentum, Christentum und Islam – zutiefst geprägt. Alle drei kennen das Gleichnis vom Kamel:  „Eher käme dieses durch ein Nadelöhr als ein Reicher in den Himmel“. Vor 2.000 Jahren einleuchtend: Da es kein Wachstum gab, musste der Reiche sein Geld ja jemandem gestohlen haben. Und so einen wollte man nicht in einer netten Gemeinschaft wie jener im Himmel.

Seit 250 Jahren gibt es aber sattes Wachstum: Heute erntet man 3.000 Kilo Weizen pro Hektar und eine Maschine produziert um 500.000 Prozent mehr als ein Handwerker im 18. Jahrhundert. Wer heute Geld hat, der hat produziert: Wenn ein findiger Unternehmer aus Altmetall zehn neue Pumpen baut und sie um 100 Euro verkauft, dann bemerkt die Notenbank das Wirtschaftswachstum. Sie druckt (vereinfacht gesagt) 100 Euro und bringt sie über Beamtengehälter in Umlauf. Eine Gesellschaft hat nun mehr Vermögen (in Form der Pumpen) und mehr Geldscheine. Die Rohstoffe der Lieferanten haben plötzlich einen Wert und Hungerleider ihre ersten Jobs. Alle wurden reicher – und niemand ärmer oder ausgebeutet.

Sag mir, wo die Armen sind!

Christentum wie Judentum (Marx entstammte einer Rabbinerfamilie) haben diese epochale Änderung unseres Daseins nie nachvollzogen. In ihrer antiken Gedankenwelt finden sie für den heutigen Massenwohlstand keine Erklärung, für jeden „Reichen“ suchen sie nach jemandem, der entsprechend ärmer wurde. Und weil man den nicht findet, dreht man an den Zahlen. Man erklärt Familien mit 2.165 Euro monatlich für „armutsgefährdet“. Und weil man „wirklich Arme“ erst in Afrika findet, reimt sich Caritas-Chef Küberl hier ein Verteilungsproblem zusammen: „Die da unten hungern, weil wir hier zu viel haben“. Doch das Problem liegt ganz wo anders.

Ehemals sozialistische Länder wie China, Indien oder Vietnam waren in den 1970igern mit 250 Dollar BIP pro Einwohner viel ärmer als etwa die Elfenbeinküste mit 1.000 Dollar. Den materialistischen und technikverliebten Gesellschaften Asiens war aber immer klar, dass nur die Produktion von Gütern Wohlstand schafft. Als man dies dann durfte, gründeten Millionen Asiaten über Nacht Produktionsbetriebe. Heute kochen unzählige Vietnamesen Schokolade und rösten Kaffee mit primitivsten Mitteln. Dabei gab es dort vor 15 Jahren noch nicht einmal Kaffeeanbau. In (West-)Afrika hingegen hat sich auch bis heute noch niemand gefunden, der mit einer 5-Dollar-Pfanne Kaffeebohnen rösten oder Schokolade schmelzen will.

Heute liegt das BIP pro Kopf in China bei rund 3.000 Dollar, in der Elfenbeinküste aber immer noch nur bei etwa 1.000 Dollar. Die asiatischen Staaten sind aber nicht auf Kosten der Elfenbeinküste gewachsen – ihre Menschen haben nur produziert. Weil es in Afrika aber nie Erfinder oder Unternehmer gab, gibt es dort auch keine Güter. Damit kann Afrika am Welthandel nicht teilnehmen und es bleibt arm.

Gebt den Armen … Eure Eigenjagden!

Arbeitsloses Einkommen sei verwerflich, meinte Salzburgs Caritas-Chef Kreuzeder, bei den Vermögen sieht er eine große Schieflage. Dabei ist die vermögendste Organisation Österreichs die Kirche selbst. Tausende Mietshäuser oder Wohnungen in besten Innenstadtlagen, Firmenanteile, Hunderttausende Hektar Grundbesitz – ja, ganze Täler mitsamt Eigenjagd für eine klerikale Jagdelite – sind Milliarden Euro wert.

„Leere Kirchen – volle Kassen!“, titelte „Der Spiegel“ einst. Von einem erdrutschartigen Verlust von Gläubigen gelähmt, klammert sich die Rumpf-Kirche verzweifelt an den Grashalm einer Wertediskussion, die eine über fünf Jahrzehnte von Wirtschaftswissen befreite Gesellschaft weit nach links schwenken ließ.

In Wahrheit braucht nicht die Gesellschaft, sondern die Kirche eine Wertediskussion. Beide, Kirche wie Marxisten, lehnen Kapitalismus aus den gleichen Gründen ab. Nur ist der Marxismus hier bei weitem konsequenter: Was er nicht versteht, will er zerstören. Die Katholiken belassen es beim Klagen – leben sie doch viel zu gut vom inkriminierten System. Wie glaubwürdig ist eine Kirche, die für „andere“ Menschen höhere Steuern fordert, obwohl diese nicht einmal über den Bruchteil des Vermögens der Kirche verfügen?

Die Kirche sollte entweder ihren salbungsvollen Worten Taten folgen lassen und ihre Milliarden mit „vermeintlich Armen“ teilen. Dann wäre sie glaubwürdiger – und für neue Mitglieder attraktiv. Oder sie sollte das theologische Studium um wirtschaftswissenschaftliche Elemente ergänzen – und ihren eigenen Wertehaushalt ordnen.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Österreich. Vor kurzem erschien sein neuestes Werk, „Die Gemeinwohl-Falle“. Es ist eine Antwort auf die globalisierungskritischen Thesen Christian Felbers oder Jean Zieglers. 

Drucken

Das IHS und die Alten

06. September 2012 00:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das IHS, das Wiener Institut für Höhere Studien, gilt als beinahe einziger Hort der wirtschaftlichen Vernunft in diesem Land. Andere Häuser sind ja bekannt dafür, dass man sich dort jede gewünschte Meinung kaufen kann. Seit kurzem hat das IHS einen neuen Chef. Dieser Christian Keuschnigg versucht nun, mit Vorschlägen die lahmende Wirtschaftsdebatte zu beleben.

Was lobenswert ist. Lobenswert und richtig ist auch, dass er vor allem nach einer Reduktion der Steuerbelastung auf Arbeit, also der Einkommensteuer ruft. Lobenswert, richtig und gerecht ist auch, dass er dabei besonders die Steuerlast für Familien mit schulpflichtigen Kindern zu reduzieren vorschlägt. Schließlich sind Kinder die weitaus dringendste Zukunftsinvestition. Schließlich werden Eltern nach wie vor massiv gegenüber kinderlosen Paaren gleichen Einkommens diskriminiert. Und auch der Akzent auf schulpflichtige Kinder hat viel für sich (zumindest wenn diese ihre Schulpflicht in Österreich erfüllen): Hat sich doch die politische Diskussion rätselhafterweise seit Jahren immer nur um Kinder in den allerersten Lebensjahren gekümmert.

Völlig unverständlich, ja geradezu skurril ist aber, dass Keuschnigg auch noch eine andere Gruppe steuerlich bevorzugen will: nämlich die über 55-Jährigen. Dafür gibt es keinerlei soziale Gründe. Haben doch Menschen in diesem Alter deutlich abnehmende Sorgepflichten. Haben doch 55-Jährige meist schon das Haus gebaut, in dem sie ihr Alter verbringen wollen.

Der neue IHS-Chef wird entgegnen, dass es ihm nicht um diese Fragen ginge, sondern um den rasch schrumpfenden Anteil älterer Menschen in Beschäftigung. Dieser ist in der Tat angesichts der rapide steigenden Lebenserwartung eine dramatische Herausforderung. Länder wie Deutschland oder Schweden haben bei den Älteren ein Vielfaches der österreichischen Beschäftigungsquoten. Diese Arbeitsabstinenz der Älteren sollte daher viel mehr im Fokus der Politik stehen als etwa die Abschaffung des Wehr- und Zivildienstes.

Aber sie hat ganz andere Ursachen als die Steuerlast! Erstens ist es in Österreich nach wie vor viel zu leicht, in eine frühe Pension zu gehen. Rapide zugenommen haben zu diesen Zweck die plötzlichen psychischen Leiden wie ein Burnout-Syndrom ob des beruflichen Ärgers. Zweitens: Ältere Arbeitskräfte sind für die Arbeitgeber ohne Grund viel zu teuer. Wegen der aberwitzigen Kollektivverträge und Gehaltsschemata verdienen nämlich 60-Jährige des Zwei- bis Dreifache eines 30-Jährigen. Auch wenn sie nicht mehr leisten als die Jungen; auch wenn sie auf keiner höheren Hierarchieebene arbeiten: auch wenn ihre Erfahrung nicht mehr imstande ist, die größere Dynamik und Innovationsbereitschaft der Jungen zu kompensieren. Diese Vorrückungen einzig auf Grund des Lebens- oder Berufsalters werden freilich von der Gewerkschaft vehement verteidigt. Nicht ganz grundlos: Dominiert doch dort genau die davon profitierende Altersgruppe.

Offenbar hat der neue IHS-Boss zu lange im Ausland gelebt, um diese heimischen Skurrilitäten zu begreifen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Der Hunger in der Welt und seine wahren Ursachen

04. September 2012 00:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hunger ist eine der schlimmsten Plagen der Menschheit. Daher hat jeder, der ruft „Ich kämpfe gegen den Hunger!“ jedes moralistische Match schon gewonnen. Auch wenn er die wahren Probleme des noch immer in der Welt existierenden Hungers nicht versteht. Auch wenn er für Maßnahmen kämpft, die den Hunger nicht verringern, sondern vergrößern. Dieses seltsame Paradoxon kann man in diesen Wochen wieder genau beobachten.

Derzeit kursiert weltweit, und von den vielen sofort ungeprüft nachgeplappert, die Behauptung: „Die Lebensmittelpreise steigen als Folge von Finanzspekulationen rapid; daher nimmt der Hunger in der Welt zu.“ Jene Ökonomen, die beweisen können, dass die Preise aus ganz anderen Faktoren steigen, und dass die sogenannten Spekulationen, mit denen Termingeschäfte gemeint sind, eher preisglättend als preistreibend wirken, werden totgeschwiegen.

Was viele einfach nicht begreifen: Steigende Preise sind nicht die Ursache, sondern die Folge einer Knappheit eines bestimmten Gutes im Verhältnis zur Nachfrage. Fieber ist nicht die Krankheit, sondern eine Folge der Krankheit. Auch staatlich verordnete Billigstpreise können den Hunger nicht einmal geringfügig mildern, sie schaffen ja nicht mehr Brot in die Regale. Im Gegenteil: Sie führen zu einer Verschärfung der Knappheit und leeren die Regale.

Bei verordneten Niedrigpreisen geht automatisch auch die Produktion und damit die Versorgung zurück. Das hat das kommunistische Massenexperiment jahrzehntelang mehr als anschaulich bewiesen. Nicht einmal mit brutaler Gewalt gelang es, Menschen zur Produktion solcher Billigstprodukte in ausreichenden Mengen zu zwingen.

Die gute Nachricht

Faktum ist: Die Preise für manche Nahrungsmittel steigen steil. Ebenso Faktum ist, dass weltweit in den letzten Jahrzehnten der Anteil der Hungerleider an einer rasch größer(!) werdenden Menschheit relativ zurückgegangen ist.  Die Landwirtschaft hat die Erträge pro Hektar dramatisch steigern können. Moderne Lagerhaltung hat überdies einen gewissen Puffer für schlechte Ernten geschaffen.

Hunger bedeutet heute in der Regel zwar grobe Fehlernährung und auch Hungern im wörtlichen Sinn, aber fast nie mehr massenweises Verhungern, wie es noch vor wenigen Jahrzehnten rund um den Globus regelmäßig passiert ist. Malthus ist längst widerlegt, der am Beginn des 19. Jahrhunderts behauptet hatte, die Welt könne die wachsende Bevölkerung nicht mehr ernähren. Dabei betrug die Weltbevölkerung zu seinen Zeiten knapp mehr als eine Milliarde, während wir heute schon die Sieben-Milliarden-Marke überschritten haben. Dennoch sind an den Stammtischen die Malthus-Thesen auch heute noch sehr populär (auch wenn kaum jemand dabei seinen Namen zitiert).

Aber sind nicht die jetzigen Preissteigerungen doch ein Indiz, dass uns jetzt das Essen auszugehen beginnt? Dass die Nachfrage stärker wächst als das Angebot? In der Tat: Ein das Angebot übersteigende Nachfrage wird durch steigende Preise natürlich bewiesen. Denn wenn jemand nicht das Gewünschte bekommt, bietet er logischerweise einen höheren Preis. Was  eine Spirale in Gang setzt. Und jene, die den dabei entstehenden Preis dann nicht mehr bezahlen können, gehen leer aus und müssen auf andere Produkte umsteigen.

Für ein plötzliches Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage gibt es fast immer sehr aktuelle Ursachen: Missernten, Überschwemmungen, Dürren, Kriege. In den letzten Monaten haben sich tatsächlich global etliche Naturkatastrophen ereignet, welche die Preise in die Höhe getrieben haben.

Die Nachfrage nimmt steil zu

Wir haben jedoch nicht nur unter solchen aktuellen Versorgungskrisen zu leiden. Diese wären ja meist ein Jahr später vergessen. Auf dem globalen Lebensmittelmarkt finden auch einige grundlegende strukturelle Entwicklungen statt, die man sich viel genauer anschauen muss.

Ein wichtiger Faktor der Preissteigerungen ist die Steigerung der Nachfrage. Ein rapider wachsender Teil der Chinesen und Inder, aber auch Milliarden außerhalb dieser beiden Bevölkerungsgiganten (von Südostasien bis Lateinamerika, und sogar in einigen Teilen Afrikas) wollen und können sich heute mehr an Essen leisten als nur einmal am Tag gerade so viel, dass man nicht verhungert. Die Menschen konsumieren nicht nur drei Mahlzeiten pro Tag, sondern in wachsender Menge auch Fleisch. Zu dessen Produktion müssen aber deutlich mehr Kalorien auf den Feldern angebaut werden, als dann im Magen der Konsumenten landet.

Das wird von all diesen Völkern als dramatischer Fortschritt empfunden, als Produkt von Kapitalismus, Neoliberalismus, Globalisierung und was es sonst noch alles an Tabu-Wörtern für unsere Pseudo-Intellektuellen gibt. Hingegen sind die Versuche grüner und religiöser Gutmenschen, den Menschen das Fleischessen zu verbieten, ungefähr so demokratisch, realistisch und ethisch wie die aus den gleichen Ecken lange propagierte klassenlose Gesellschaft.

Die wahren Probleme der Welternährung liegen aber auf der Angebotsseite.

Angebotsverknappung (1): Europas und Amerikas Agrarpolitik

Eine Hauptursache der gegenwärtigen Preiserhöhungen sind vor allem die jahrzehntelang niedrig gewesenen Weltmarkt-Preise. Das klingt frappierend und bedarf daher einer Erläuterung. Durch die Mega-Subventionen der europäischen und der US-Agrarpolitik ist der Weltmarktpreis für viele Produkte lange gedrückt worden. Europäische und amerikanische Überschussprodukte haben die Märkte der Dritten Welt zu (von Steuerzahlern subventionierten) Billigstpreisen überschwemmt.

Mit diesen Preisen konnten die Bauern der Dritten Welt nicht mithalten. Ihnen fehlt Knowhow, modernes Saatgut, effizienter Dünger, Landmaschinen, Energie und nicht zuletzt die Transport- und Handelswege in die Metropolen. Um all das in nennenswertem Umfang zu entwickeln, braucht es viele Jahre und vor allem die Erwartung stabil hoher Weltmarktpreise.

Auch in vielen afrikanischen Hauptstädten waren daher Produkte aus dem Norden oft einfacher und billiger erhältlich als die aus dem eigenen Hinterland. Trotz oft günstiger klimatischer Bedingungen konnte so in vielen Drittwelt-Ländern keine Landwirtschaft wachsen. Die Dritte Welt konnte zwar industriell mithalten – von der Textil-Branche angefangen mittlerweile bis zu Hightech-Produkten; denn dort wird die europäische Konkurrenz nicht subventioniert. Bei der Landwirtschaft hingegen konnte sie das unter dem Druck der europäischen und amerikanischen Agrarpolitik  nicht.

Diese ist zwar gut für die zu rund zwei Drittel von Subventionen aus Steuermitteln lebenden Bauern Europas und Amerikas. Sie ist aber schlecht für die eigentlich notwendige und jedenfalls mögliche langfristige Erhöhung der globalen Agrarproduktion. Die Dritte Welt wird in Jahren guter Ernten mit europäischen Überschüssen überschwemmt, während bei schlechten Ernten die Preise in den Himmel schießen. Bemerkung am Rande: Bessere Verdienstmöglichkeiten für die Bauern der Dritten Welt würden übrigens auch den Migrationsdruck Richtung Europa reduzieren.

Auch das Gegenargument geht ins Leere, dass die heruntersubventionierten Preise für Europäer und Amerikaner aus sozialen Gründen notwendig wären. Das ist reinste Propaganda. Denn nach seriösen Schätzungen wird in Europa rund ein Drittel der Lebensmittel nicht konsumiert, sondern weggeworfen. Längst sind Semmel-, Milch- oder Brotpreise kein wichtiges Gesprächsthema für die Europäer mehr – während in den Fünfziger Jahren schon die Erhöhung eines einzigen dieser Preise wochenlange politische Krisen ausgelöst hatte.

Angebotsverknappung (2): Die diversen Gentechnik-Verbote

Noch auf einer weiteren Ebene wird der Hunger in der Welt durch eine Reduktion des möglichen Angebots entscheidend vergrößert: durch die Beschränkungen des Einsatzes von genetisch modifizierten Pflanzen. Dürften diese überall angebaut werden, wären die Ernten auf jedem Landwirtschaftshektar des Globus deutlich größer. Interessanterweise wird aber dieser Faktor gerade von jenen, die sich ständig als Anti-Hunger-Kämpfer profilieren, überhaupt nicht erwähnt. Sie übertreffen einander vielmehr in düsteren, aber nie bewiesenen Spekulationen, was eventuell eines Tages durch die Gentechnik an Üblem passieren könnte. Obwohl noch nie etwas Übles dadurch passiert ist.

Es sind übrigens auch die gleichen Untergangs-Propheten, die vor den Folgen einer globalen Erwärmung warnen. Aber gerade eine wirkliche globale Erwärmung, also ein weiteres Voranschreiten der gegenwärtigen Zwischeneiszeit würde die Lebensmittelversorgung der Welt positiv beeinflussen. Riesige Territorien von Sibirien bis Kanada wären dann landwirtschaftlich nutzbar. Eine echte Katastrophe wäre nur ein (gegenwärtig eher nicht wahrscheinlicher) Beginn einer neuen Eiszeit. Aber das nur am Rande, da ja das Klima ohnedies nicht in relevantem Umfang von Menschen beeinflusst werden kann.

Angebotsverknappung (3): Die Agrotreibstoffe

Sehr wohl menschlich beeinflusst ist aber die aktuellste Ursache der Lebensmittelverteuerung: Das ist die Forcierung des sogenannten Biotreibstoffs. Dieser wird vielfach – vor allem außerhalb Europas – auf Flächen angebaut, auf denen bisher Lebensmittel wuchsen. Oder auf Flächen, auf denen bisher ökologisch wertvolle Urwälder standen.

Diese Mode der Bioenergie-Erzeugung ist natürlich Folge der unbewiesenen Global-Warming-Doppelthese: Erstens wäre der Mensch die Ursache der vielerorts vermutlich (auch das ist nicht unumstritten) leicht ansteigenden Temperaturen. Zweitens wären diese schlecht für die Welt und die Menschheit.

Ohne den Druck dieser derzeit noch dominierenden Lehre könnte die Menschheit noch auf viele Jahrhunderte ihren Energiebedarf mit den schon heute bekannten Öl-, Gas- und Kohlevorräten sowie durch die Nutzung der Nuklearenergie decken. Überdies werden jährlich weitere Energie-Vorräte entdeckt.

Angebotsverknappung (4): Große Stauseen

Umgekehrt ist auch die einzige der Alternativenergien, die auch ergiebig und verlässlich ist, also die Wasserenergie, zumindest für die Nahrungsversorgung problematisch: Werden doch derzeit gerade in der dritten Welt gewaltige Anbauflächen durch neue Staudämme überflutet.

Die Rolle der „Spekulanten“

Aber was hat es nun mit den sogenannten Agrarspekulationen auf sich? Kurze Antwort: Nichts, was den Hunger in der Welt erhöhen würde. Denn wären diese „Spekulationen“ wirklich die Ursache der Preiserhöhungen, dann hätten die höheren Preise ja sogar eine positive Bedeutung: Höhere Preise motivieren Bauern und Investoren, für die nächste Ernte mehr anzubauen.

Kern der angeblichen Spekulationen ist eine De-Facto-Versicherung für die Bauern, also eine von diesen erwünschte Dienstleistung. Durch einen sogenannten Terminkontrakt vereinbaren Bauer und Finanzinvestor, zu welchem fixen Preis die oft erst in etlichen Monaten anstehende Ernte verkauft wird. Damit machen sich die Bauern unabhängig von Weltmarktpreisen, die durch gute wie schlechte Wetterlagen ja noch in jede Richtung ausschlagen können. Die Agrarinvestoren hoffen wiederum auf steigende Preise.

Nichts ist jedenfalls besser für die Bauern, wenn die bei solchen Terminkontrakten erzielten Preise etwa für eine Tonne Getreide steigen. Und keinen Bauern stört es, dass auf der Gegenseite des für sie wichtigen Geschäfts Finanzinvestoren, also die jetzt publizistisch verdammten „Spekulanten“ sitzen.

Am Nutzen der Agrar-Terminmärkte ändert es auch nichts, wenn für die gleiche Ernte – je nach sich ändernden Preis-Erwartungen – im Laufe der Zeit oft mehrere solcher Termingeschäfte abgeschlossen werden. Daran ändert es auch nichts, wenn viele dieser Geschäfte nicht mehr die Preisentwicklung einer Getreidelieferung eines einzelnen Bauern vorwegnehmen, sondern die Entwicklung der gesamten Produktion.

Freilich klingt es für Laien furchtbar, wenn dieses Absicherungs-Geschäft denunziatorisch „Index-Wette“ genannt wird. Und wenn zugleich verbreitet wird, dass diese Wetten angeblich Hunger in der Welt auslösen. In Wahrheit aber geht es dabei neben der Versicherungsfunktion darum, den künftigen Kurs frühzeitig durch gute Analysen vorherzusagen. Genau das macht jeden Markt transparenter und vorhersehbarer, als wenn Bauern, Müller, Agrargenossenschaften, Großhändler bei ihren Kalkulationen einen absoluten Blindflug unternehmen müssten. Ohne Terminkontrakte hätten diese Marktteilnehmer nur einen einzigen Fixpunkt: nämlich die dertzeit überall grassierende Inflationserwartung.

Diese Zusammenhang wird auch durch viele empirische Daten bestätigt: Bei jenen Agrarprodukten, wo man in der Vergangenheit solche "Spekulationen", also Terminkontrakte, verboten hat, haben die Preise viel wildere Auf- und Abwärtsbewegungen gemacht als bei jenen Produkten, wo spekuliert werden durfte.

Es gibt nur einen einzigen Mechanismus, mit dem Agrar-Investoren und genauso Bauern, Lebensmittelindustrie usw. von sich aus die Preise treiben könnten: nämlich wenn sie riesige Lagerbestände anhäufen sollten. Damit würde eine zumindest zeitweise Verknappung des Angebots ausgelöst. Diese müsste freilich notwendigerweise irgendwann kollabieren. Denn irgendwann muss man ja  mit der Erhöhung der Lagerbildung aufhören, worauf die Preise abstürzen. Was noch dadurch verstärkt wird, dass die Produzenten, also die Bauern, in der Zwischenzeit ihre Produktion deutlich erhöht haben.

Aber für eine solche signifikante Erhöhung der Lagerhaltung gibt es ohnerdies Null Anzeichen oder Beweise. Es gibt auch unter den Kritikern der Finanzinvestoren niemanden, der das auch nur behauptet. Lager kann man ja nicht insgeheim errichten und in großem Umfang vermehren. Das wäre sofort weltweit bekannt. Außerdem sind solche Lager technisch teuer und riskant. Gelagerte Lebensmittel laufen immer Gefahr zu verderben. Und jedenfalls binden große Lager viel Kapital.

Die richtige Strategie

Konklusion: Kein vernünftiger und anständiger Mensch will die Nachfrage reduzieren, also die Menschheit gewaltsam dezimieren oder ihr das Essen von Fleisch und Fisch verbieten. Daher ist eine Steigerung des Angebots die einzig richtige Strategie. Daher sind alle Maßnahmen der Politik, welche das Angebot reduzieren,  – in all den genannten Punkten – umzukehren, wenn der Kampf gegen den Hunger ehrlich gemeint sein swollte..

Und ganz sicher sind alle Versuche einer planwirtschaftlichen Preisregulierung im Kampf gegen den Hunger schädlich. Denn damit würde die wichtigste Funktion eines Preises zerstört: nämlich die Information, ob ein Produkt knapper wird, ob sich seine Herstellung in größerer Menge rentiert oder nicht.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

EVN-Gewinnsteigerung auf Kosten der Eigentümer

31. August 2012 23:42 | Autor: Reinhard Bimashofer
Rubrik: Gastkommentar

Sensationell: Gewinnsteigerung der EVN – 226 Millionen Euro (in Schilling waren das 3,11 Milliarden) in nur neun Monaten. Skandalös: Dieser Gewinn wurde auf Kosten der Eigentümer (!) erzielt. Denn die Mehrheit der EVN steht im Eigentum der Niederösterreicher. Diese zahlen – so lange sie von einem Wechsel zu günstigeren Anbietern nicht Gebrauch machen – so hohe Energiepreise, dass diese astronomischen Gewinne möglich sind. 

„EVN unter Strom: 226 Millionen Euro Gewinn“, betitelte das Wirtschaftblatt am 30.8.2012 seinen Bericht über den in nur neun Monaten erzielten Gewinn. Famose Nachrichten für Anteilseigner würde man meinen. Doch das ist leider nur die halbe Wahrheit.

Denn dieser Gewinn wurde über höchste Energiepreise erzielt. Als ich mir einmal erlaubte zu fragen, was der Unternehmensauftrag durch die Eigentümer (die Mehrheit liegt beim Land Niederösterreich) sei, hätte ich gehofft zu hören: Die bestmöglichen Preise bei höchster Versorgungssicherheit.

Mitnichten. Meine Anfrage an Landeshauptmann Erwin Pröll wurde an einen Landesrat weitergeleitet, der ausweichend antwortete. Bei einem hohen Gewinn wandert nämlich die Hälfte der Ausschüttung ins Landesbudget. Das bedeutet: Über die überhöhten Energiepreise wird eine versteckte Landessteuer eingehoben.

Was der Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes schadet und die Konsumenten über viel zu hohe Energie- und Netzpreise teuer zu stehen kommt. Was völlig grotesk ist, da diese Energieabnehmer in der überwiegenden Mehrheit auch Miteigentümer der EVN sind.

Hohe Gewinne führen zu hohen Ausschüttungen und Prämien an die EVN-Vorstände, deren treue Verbundenheit zur Politik, die für ihre Bestellung zuständig war, zusätzlich zu den ohnedies rekordverdächtigen Gagen noch einmal belohnt wird.

Die Gleichschaltung der Medien, die nicht hinterfragen, wie solche Rekordgewinne erreicht werden, wird durch Werbeeinschaltungen in Millionenhöhe erzielt. So werden mögliche Kritiker ruhig gestellt und die bei der EVN Energie beziehenden Miteigentümer (also alle Niederösterreicher) sind die Dummen.

Mein Vorschlag: Der Unternehmensauftrag an die EVN ist dahingehend zu modifizieren, dass die Niederösterreicher einen Eigentümer-Rabatt beim Energiebezug bekommen. Das würde eine vorsichtig geschätzte Reduktion der Jahresrechnung der Eigentümer um fünf bis zehn Prozent bedeuten.

Alles andere ist ein Affront gegenüber den Mehrheitseigentümern. Eine Situation, die in Österreich natürlich nicht auf Niederösterreich beschränkt ist. Durch den Wildwuchs an Landesgesellschaften und Stadtwerken und darüber noch dem Verbund, der aus unserem Wasser Energie gewinnt, gibt es zwar dort die bestbezahlten Jobs Österreichs, aber die wahren Eigentümerinteressen werden durch die Zwischenschaltung der Politik verraten. Die Politik, die Eigentümer nicht nur in diesem Fall wohl kaum im Sinne von Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit vertritt, sollte längst gegensteuern.

Doch dieses Thema ist so brisant wie aktuell. Aber die durch Werbemillionen ruhig gestellten Medien werden das nicht aufzeigen. Und die mit Brot und Spielen halbwegs befriedigten Wähler realisieren anscheinend nicht wirklich, was da vor sich geht. Noch nicht!

Reinhard Bimashofer ist freier Journalist und im Vorstand des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie.

Drucken

Buchrezension: Jesus, der Kapitalist

30. August 2012 04:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Betrachtet man die hierzulande von christlichen Organisationen zu Phänomenen wie Privateigentum, Zins und Profit, oder ganz allgemein zu Fragen der Wirtschaft, abgegebenen Stellungnahmen, so kann einen leicht der Verdacht beschleichen, bei dem aus Nazareth stammenden Religionsstifter und dessen Gefolge habe es sich um die ersten Sozialisten der Menschheitsgeschichte gehandelt. Die bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Caritas, Diakonie oder Katholischer Sozialakademie formulierte Kapitalismuskritik könnte gar nicht schärfer ausfallen, würde sie von Aktivisten der Roten Falken abgesondert werden. In verteilungspolitischer Hinsicht stehen die Kirchen oft links vom sozialistischen Meinungshauptstrom.

Umso erstaunlicher – ja geradezu provokant – mutet daher der Titel des vorliegenden Buches an. Der Autor, Robert Grötzinger, ein deutschstämmiger Ökonom, der als Übersetzer in England lebt und sich zur anglikanischen Kirche bekennt, durchforstet sowohl das Alte wie auch das Neue Testament und kommt daraufhin zum Schluss, dass die Bibel zu nichts weniger taugt, als zur Apologie des Sozialismus – also zur Legitimierung hoheitlich erzwungener Einkommens- und Vermögensumverteilung. An keiner Stelle des Bibeltextes werde explizit die Verfügung über Besitz und Eigentum (z. B. Geld) angegriffen – sofern dessen Erwerb auf redliche Art erfolgt sei. Nach Paulus wäre lediglich die „Liebe zum Geld“, nicht aber das Geld selbst „die Wurzel allen Übels“ (1 Timotheusbrief 6, 10).

An keiner Stelle der Heiligen Schrift würde demnach die Verfügungsgewalt eines rechtmäßigen Herrn über sein Eigentum, das Erzielen von Profit, oder das Nehmen von Zins kritisiert. Das Gegenteil sei richtig, wie der Autor z. B. anhand des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Matthäus 20, 1-16) und des Gleichnisses von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25, 14-30) belegt. Unmissverständlicher könne die unumschränkte Verfügungsmacht des Eigentümers über seine Habe und die Rechtmäßigkeit und Vorteilhaftigkeit des Erzielens von Profit gar nicht gutgeheißen werden.

Die immer wieder gerne als Belege für die antikapitalistische Überzeugung des Gottessohnes ins Treffen geführten Textstellen (wie etwa die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel, oder das Gleichnis vom Nadelöhr, anlässlich der Bergpredigt) verlören augenblicklich die unterstellte, antimarktwirtschaftliche Bedeutung, wenn man den jeweiligen Kontext berücksichtigte, in dem sie stehen.

Der Hinauswurf der Tempelhändler lässt sich nach Meinung Grötzingers so erklären, dass Jesus mit deren unlauteren Geschäftpraktiken nicht einverstanden war – nicht jedoch mit dem bloßen Umstand ihrer Anwesenheit im Tempel. Im Gleichnis vom Nadelöhr indes, sei die Person des Adressaten von entscheidender Bedeutung: Nach dem Evangelisten Lukas handle es sich dabei um einen „Vorsteher“ (im Original „archon“, d. h. „Herrscher“). Der Mann habe sein Vermögen also offensichtlich nicht durch eigene Arbeit (durch „wirtschaftliche Mittel“) sondern durch Vorteilsnahme, Diebstahl oder Raub (also durch „politische Mittel“), auf unlautere Weise und damit unter Bruch der Gebote Gottes erworben. Deshalb sei ihm der Eintritt ins Himmelreich verwehrt – nicht, weil er „reich“ ist.

Es ist gleichermaßen erhellend wie kurzweilig, zu lesen, wie Grötzinger die von ihm zitierten Bibelstellen unter einem marktwirtschaftlichen Blickwinkel deutet und interpretiert. Als gelernter Ökonom verfügt er dazu auch über ein intellektuelles Rüstzeug, das der Mehrzahl der Kleriker leider vollständig fehlt – was erklärt, weshalb die Heilige Schrift mitunter auf haarsträubende Weise sinnentstellende Auslegungen erfährt, sobald die Sphäre des Wirtschaftens berührt wird.

Ob man dem Autor auch dann noch folgen möchte, wenn er schließlich zu der Erkenntnis kommt, dass Kapitalismus und Christentum einander gegenseitig bedingen würden (immerhin heißt der Untertitel des Buches „Das christliche Herz der Marktwirtschaft“), sei dahingestellt. Auch wird es wohl von der Beantwortung der „Gretchenfrage“ abhängen, wie der Leser das noch grundsätzlichere, seit der Aufklärung debattierte Problem, ob es in einer „gottlosen“ Welt überhaupt so etwas wie allgemein gültige, verbindliche, universale Werte geben kann, beurteilt.

Beachtung verdient jedenfalls die gegen Ende zitierte Aussage des (atheistischen) US-Ökonomen Walter Block, der meint: „Der Hauptgrund, weshalb Religion den säkularen Führern gegen den Strich geht, ist, dass diese Institution moralische Autorität definiert, die nicht von ihrer Macht abhängt. (…) Wer sich den etatistischen Plünderungen widersetzen will, kann dies ohne Unterstützung der Religion nicht tun.“

Da ist einiges dran!

Jesus, der Kapitalist
Robert Grötzinger
Finanzbuchverlag, Edition Lichtschlag 2012
ISBN 978-3-89879-711-5
192 Seiten, broschiert
€ 12,99,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Die Krise macht weise

30. August 2012 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn man von Griechenland und Frankreich absieht, dann zeigt die Beobachtung der europäischen Schuldenstaaten Erstaunliches: Sie sind durch die Krise weise geworden, ziehen eine ganze Reihe sinnvoller Reformen durch, die nur deshalb (noch?) nicht greifen, weil sie viel zu spät gekommen sind. Das sollte auch den scheinbar stabilen Nordländern eine Lehre sein: Rechtzeitige Reformen könnten viel Leid ersparen.

Die Griechen hingegen versprechen in vielen Schlüsselfragen nur die Durchführung von Reformen. Und die Franzosen machen überhaupt das Gegenteil.

Auf den Kern gebracht geht es bei den Sanierungsmaßnahmen immer um folgende Grundideen: Abbau von Beamten; Durchforstung der Sozialleistungen; Privatisierungen; Deregulierungen. Irland, Portugal und – in ersten Ansätzen – auch Spanien haben das erkannt. Italien könnte überhaupt bald zum Musterland werden. Das wäre für Österreich besonders erfreulich, sind die Italiener doch der zweitwichtigste Handelspartner der Alpenrepublik. Ihr Zusammenbruch wäre daher fatal.

Dabei werden die Nachbarn freilich auch zur Konkurrenz: Rom kämpft nun mit allen Mitteln darum, zur Drehscheibe für den Zufluss von Erdgas aus Zentralasien und Nordafrika nach Europa zu werden. Genau dasselbe soll aber auch die Pipeline-Idee Nabucco für Österreich erreichen. Nur wird dieses Projekt leider von der österreichischen Politik nicht ausreichend energisch unterstützt. Die Wiener Regierung muss endlich lernen, dass sich Außenpolitik – von der Regierungsspitze bis zu den zuständigen Ministerien – weltweit heute primär um nationale Wirtschaftsinteressen zu kümmern hat. Österreichs Diplomatie ist dazu offenbar zu nobel oder ahnungslos.

Auch in anderer Energie-Hinsicht kommt ein lauter Weckruf aus Italien: Die Gewinnung von Öl und Gas auf eigenem Territorium wird dort massiv gefördert. Das Verbot von Bohrungen vor der Küste wird stark gelockert. Das lockt einerseits Investitionen an und verbilligt andererseits die künftige Energierechnung. Was hat Österreich gleichzeitig getan? Es hat Gesetze beschlossen, welche die Nutzung der großen Gasfunde unter dem Weinviertel so gut wie unmöglich machen.

Ebenso vorbildlich ist, dass Rom jede Menge an Staatsbeteiligungen verkauft. Das bringt erstens direkt Geld in die Kassa, und zweitens machen Privatisierungen in 90 Prozent der Fälle sieche Unternehmen profitabel.

Das alles geht freilich erst, seit jeder Italien begriffen hat, wie sehr der Hut brennt: In den letzten zwei Jahren sind Eintausend Milliarden Euro aus Italien abgewandert. Bankkonten wurden trotz überhöhter Zinsen abgeräumt; italienische Staatsanleihen verramscht. Italien muss also noch wirklich hart arbeiten und den Gürtel enger schnallen, bis das Vertrauen in seine Papiere wieder hergestellt ist. Das bedeutet viele dürre Jahre. Aber die Italiener haben wenigstens mit den Aufforstungsarbeiten begonnen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Normalfall Staatsbankrott

28. August 2012 00:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nichts ist normaler als das Bankrott-Gehen eines Staates. Lediglich in Europa tun heute manche so, als ob das ein Weltuntergang samt Rückkehr der Weimarer Republik und Adolf Hitlers wäre. Die einen tun so aus Eigeninteresse, weil sie weiter schmerzfrei vom Geld anderer leben wollen. Die anderen verwechseln aus historischer Ahnungslosigkeit die rund um den Euro entfachte Propaganda-Versprechungen ewiger Stabilität mit den Fakten. In Wahrheit hat die Welt nämlich in den letzten zwei Jahrhunderten weit mehr als 300 Staatsbankrotte hinnehmen müssen.

Der letzte Bankrott, der wirklich globale Wellen auslöste, passierte vor genau zehn Jahren in Argentinien. Auch Tausende Österreicher verloren damals viel Geld, das sie in die – theoretisch – hoch verzinsten argentinischen Staatspapiere gesteckt hatten. Für die Argentinier selber war der Beginn des Jahrtausends noch viel dramatischer: Nach dem Zusammenbruch der Staatsfinanzen wurden Supermärkte und Geschäfte geplündert; mehr als die Hälfte der Bevölkerung stürzte in fundamentale Armut; jeder vierte Job ging verloren.

Vom reichsten Land der Welt ins Armenhaus

Der Bankrott des Landes war umso erstaunlicher, als Argentinien nach dem letzten Weltkrieg in etlichen Vergleichsstudien als reichstes Land der Welt eingestuft worden war. Andererseits hatte das Land in den noch nicht ganz zwei Jahrhunderten seiner Unabhängigkeit nicht weniger als sieben Mal schon Bankrott anmelden müssen. Und der nationale Hang zu leichtfertigen Versprechungen, also zum Populismus, wurde insbesondere in der Peron-Ära wieder offenkundig.

Was war geschehen? Nun, die Parallelen zu aktuellen Krisen sind keineswegs zufällig. Buenos Aires hatte in den Jahren vor dem letzten Kollaps 2001/02 die nationale Währung, den argentinischen Peso, in einem fixen Verhältnis an den Dollar geknüpft. Das schien Politik und Bürgern eine Zeitlang sehr vorteilhaft, weil das Geld endlich seinen Wert behielt.

Gleichzeitig hatten sich aber alle staatlichen Kassen wie ein Stabsoffizier verschuldet, sodass das Land am Ende mit fast 170 Milliarden Euros belastet war. In den letzten Wochen vor dem Zusammenbruch wechselten einander dann 2001/02 im Staccato gleich vier Staatspräsidenten mit verzweifelten, aber scheiternden Versuchen einer Sanierung im letzten Augenblick ab. Eine besonders üble Rolle spielten dabei Provinzen und Verfassungsgerichte. Beide weigerten sich zu sparen. Bis zuletzt wurden Spardekrete von den Höchstrichtern als Eingriff in wohlerworbene Rechte von Vorteilsnehmern abgeschmettert. Zugleich stürmten die Menschen, solange man für Pesos noch Dollar bekam, die Banken – sowie die Fähren und Busse zum Nachbarn Uruguay, wo sie ihr Geld in Sicherheit zu bringen versuchten. Der nächste Schritt war daraufhin geradezu zwingend: Alle noch verbliebenen Bankguthaben wurden eingefroren; und die Menschen konnten nur noch geringfügige Beträge wöchentlich abheben.

Mindestens ebenso interessant und lehrreich ist aber auch der Weg der überraschend schnellen Erholung: Die Bindung an den Dollar wurde aufgegeben; der Peso wurde dramatisch abgewertet; damit gab es kaum noch Konsum von Importprodukten; und das Land konzentrierte sich wieder auf den Ausbau seiner Wettbewerbsfähigkeit: Die Exporte boomten, vom traditionellen Fleisch bis hin zur neu aufgebauten Autoindustrie. Dadurch konnte Argentinien bis 2005 schon wieder seine gesamten Schulden an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen (die privaten ausländischen Gläubiger blieben hingegen unbefriedigt).

Und heute? Da beginnt sich das Land schon wieder wie in den 80er Jahren übermütig und nationalistisch mit Großbritannien wegen der Falkland-Inseln anzulegen.

Die Vergesslichkeit der Menschen

Die dramatischen Parallelen der argentinischen Entwicklung bis zum Jahr 2002 mit jener des heutigen Griechenland brauchen wohl nicht mehr in jedem einzelnen Punkt gesondert aufgezeigt  zu werden. Das was für die Argentinier die Bindung an den Dollar war, ist für die Griechen die Bindung an die D-Mark, auch Euro genannt. Beides ist für traditionell undisziplinierte Länder nicht zu stemmen gewesen. Übrigens haben auch die Griechen – die so wie die Argentinier am Beginn des 19. Jahrhunderts unabhängig geworden sind – eine sehr innige Langzeit-Liaison mit der Institution Bankrott: Der griechische Staat ist seit 1829 nicht weniger als fünf Mal bankrott gegangen.

Offenbar braucht der Homo sapiens regelmäßige schmerzhafte Lehrstunden, weil er die Lektionen der Wirtschaftsgeschichte allzu rasch vergisst. Denn anders als durch Vergesslichkeit kann man es nicht erklären, dass vernünftige Menschen Argentinien oder Griechenland jemals Geld geborgt haben. Wie es auch bei anderen Staaten schwer verständlich erscheint, dass sie ihre Anleihen meist sehr leicht an die Geldgeber verkaufen können.

Das hat freilich außer der Lernunfähigkeit der Menschen noch einen weiteren Grund: Die Staaten zwingen durch eine Vielzahl von Regulierungen Banken und Versicherungen, einen guten Teil ihrer Gelder bei staatlichen Institutionen anzulegen (Weshalb weise Ökonomen auch heftig vor den Folgen der gegenwärtigen Modewelle warnen, Versicherungen und Banken immer noch mehr zu regulieren).

Zuerst der Krieg, dann der Bankrott

Blickt man in die Geschichte der Staatsbankrotte, dann gibt es neben dem Ursachen-Komplex „Schuldenmacherei populistischer Regierungen sowie Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit“ noch einen zweiten häufig vorkommenden Typus: verlorene Kriege.

Einige Beispiele besonders markanter Staatsbankrotte:

Das waren nur die historisch spektakulärsten Staatsbankrotte. Diese Liste wird mit großer Sicherheit im zweiten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends durch interessante Exempel verlängert werden. Und auch nach diesen noch ausstehenden Beispielen wird sich wohl die Geschichte wiederholen: Dann werden Politik und Bevölkerung wieder einmal Dinge hinnehmen müssen, die ihnen vorher selbst in abgeschwächter Form völlig unzumutbar erschienen waren.

Denn natürlich bedeuten Staatsbankrotte für viele Menschen, Institutionen und „soziale Errungenschaften“ eine Katastrophe. Deswegen wurde ja immer versucht sie hinauszuschieben. Aber das hat in keinem der Exempel funktioniert – und die Folgen der Katastrophe immer nur noch mehr verschlimmert.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Wie entwickelte sich die Rohölnachfrage?

26. August 2012 15:03 | Autor: Andreas Unterberger

Globale Nachfrage in Millionen Barrels pro Tag 1980-2011

 

Quelle: IEA 2011, OMV

Drucken

Was sind die größten Gefahren für den Wohlstand?

26. August 2012 14:32 | Autor: Andreas Unterberger

Worin bestanden die größten Ärgernisse bzw. Gefahren für den Wohlstand – gesamt sowie nach Zuversicht bezüglich der Entwicklung

 

Drucken

Spielerisch die Schuldenkrise begreifen lernen

26. August 2012 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Erstaunlich, wie schon alte Monopoly-Spielanleitungen die Schuldenkrise vorhergesehen haben. Und wie Cartoonisten besser als jeder andere den Kern der Krise auf den Punkt bringen können.

Zuerst die Monopoly-Anleitung. Man muss praktisch nichts an dem Text ändern. Wahrscheinlich haben ja die Spiel-Banken (im wörtlichen wie übertragenen Sinn) immer schon von den Notenbanken gelernt. also auch von jenen, die - theoretisch - für den Euro und den Dollar verantwortlich sind.

Aber nicht nur zwischen alten Monopoly-Anleitungen und dem Verhalten der politisch gelenkten Notenbanken gleichen sich die Bilder. Auch zwischen den politisch gelenkten Sozialversicherungen und dem größten Betrüger der amerikanischen Geschichte gibt es frappierende Ähnlichkeiten, wie diese geniale Karikatur zeigt:

 

 PS.: Wieder einmal besonderen Dank an die vielen Anregungen und Zusendungen, aus denen ich heute diese zwei besonders faszinierenden Gustostücke herausgesucht habe

Drucken

Buchbesprechung: Das Ringen um die Freiheit

23. August 2012 03:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der spätere Nobelpreisträger Friedrich August v. Hayek erlangte mit seinem populären, 1944 erschienenen, Bestseller „Der Weg zur Knechtschaft“ Weltruhm. Seine 1960 publizierte „Verfassung der Freiheit“, weist ein in jeder Hinsicht anderes Format auf. Darin fasst der große Universalgelehrte seine Gedanken zu Fragen des Wesens und des Erhalts der individuellen Freiheit zusammen, deren Bewahrung er als entscheidendes Element einer freiheitlich verfassten Zivilisation betrachtet.

50 Jahre nach Erscheinen des Werkes ist es erstaunlich, wie hochaktuell es anmutet. Einige Passagen, wie etwa das Kapitel „Der Währungspolitische Rahmen“, sollten – nicht nur angesichts der Finanzkrise – eine Pflichtlektüre der politischen Klasse, von Bankern und Führungskräften der Wirtschaft darstellen.

Das besprochene Buch enthält eine Sammlung von Aufsätzen, die sich von unterschiedlichen Positionen aus mit den von Hayek behandelten Gedanken auseinandersetzen. Als Autoren fungieren Journalisten (zwei davon aus Österreich – der Betreiber dieser Plattform, Andreas Unterberger, und der Leiter des Wirtschaftsressorts der Wiener Tageszeitung „Die Presse“, Franz Schellhorn), aber auch Wirtschaftswissenschaftler und Protagonisten der liberalen Idee.

Wer Hayeks über 500 Seiten starkes Opus Magnum nicht gelesen hat, wird hier mit dessen zentralen Inhalten bekanntgemacht – so etwa mit der „negativen“ Definition von Freiheit als „Abwesenheit von Zwang“. Oder seiner vehementen Kritik an der „Anmaßung von Wissen“ durch die Machthaber, die immer wieder dem Größenwahn verfallen, der Gesellschaft jene Idealvorstellungen oktroyieren zu wollen, die sie am Reißbrett konstruiert haben – und damit regelmäßig scheitern. Wissen entsteht und entwickelt sich, nach Hayek, durch den Wettstreit der Ideen in den Köpfen aller Bürger – nicht nur in denen einer kleinen (selbsternannten) Elite.

Der vielfach übersehene Gegensatz von Demokratie und Liberalismus wird von Hayek durch die Benennung der jeweiligen Gegenteile beider Ordnungsprinzipien klargemacht: „Das Gegenteil der Demokratie ist eine autoritäre Regierung; das Gegenteil eines liberalen Systems ist ein totalitäres System.“ (…) Eine Demokratie kann totalitäre Gewalt ausüben, und es ist vorstellbar, daß eine autoritäre Regierung nach liberalen Prinzipien handelt.“ Diese Erkenntnis sollten sich alle jene hinter den Spiegel stecken, die eine Demokratie unkritisch in den Rang eines Heiligtums erheben. Demokratie bleibt stets ein Mittel, wird aber niemals selbst zum Ziel.

Auch dass Freiheit und (materielle) Ungleichheit wie siamesische Zwillinge zusammengehören, mag für manchen eine unangenehme Botschaft sein: „Freiheit erzeugt notwendig Ungleichheit und Gleichheit (materielle Gleichheit) notwendig Unfreiheit.“ Größte Vorsicht ist also gegenüber jenen Gesellschaftsklempnern geboten, die „Gerechtigkeit“ ausschließlich durch materielle Gleichheit verwirklicht sehen wollen – nicht aber durch Gleichheit vor dem Gesetz – die „Rule of Law“.

Wer materielle Gleichheit zu verwirklichen trachtet, dem steht als Mittel am Ende nichts weiter als Freiheitsberaubung zur Verfügung. Hayeks lebenslängliche Opposition zum „Sozialen“ wurzelt in dieser Erkenntnis. Dass er damit zum Feindbild von linken Gleichmachern und den Gewerkschaften wurde, macht seine Theorie für den überzeugten Liberalen nur umso attraktiver…

Hayeks Präferenz für die unter der Bezeichnung „Flat Tax“ besser bekannte Proportionalsteuer erklärt sich ebenfalls aus seinem Eintreten für die „Gleichheit vor dem Gesetz“. Jeder einkommensabhängig progressive Steuertarif ist notwendigerweise ein Produkt politischer Willkür – in der demokratischen Praxis schlichtweg die Konsequenz des Neides vermeintlich unterprivilegierter Mehrheiten.

Hayek, vielfach als „Konservativer“ eingeschätzt, begegnet diesem Missverständnis mit einer fulminanten Kritik am Konservativismus. Da es ihm an eigenen Zielvorstellungen mangle, würde er sich permanent von seinen (sozialistischen) Herausforderern vor sich hertreiben und in faule Kompromisse drängen lassen. Die ausschließliche Bewahrung des Überkommenen könne kein Programm sein. Lediglich Entwicklungen bremsen zu wollen, sei eine zu armselige Strategie, um für wache Geister attraktiv zu erscheinen. Seine langfristige Marginalisierung oder die völlige Verwässerung seiner Ideale sei die logische Konsequenz. Den Liberalismus sieht Hayek nicht auf einem linearen Schema in der Mitte zwischen Konservativismus und Sozialismus, sondern als einen der Eckpunkte eines (ungleichseitigen) Dreiecks.

Der in Philip Plickerts Beitrag thematisierte Unterschied zwischen der französischen und der englischen Version der Aufklärung ist für das Verständnis der Politik der EU im Zuge der aktuellen Krisenbewältigungsmaßnahmen sehr erhellend. Der „spekulative und rationalistische“, französische Ansatz hat offensichtlich vollständig über den englischen, „empirisch-unsystematischen“, triumphiert.

Die unterschiedliche Gartenarchitektur in Frankreich und England des 17. und 18. Jahrhunderts, spiegle die Differenzen in den beiden Denkansätzen wider: Am Reißbrett entworfene Künstlichkeit auf der einen und zurückhaltend geformte, am Ende aber sich selbst überlassene Natürlichkeit auf der anderen Seite. Der aus den Naturwissenschaften auf den Bereich der sozialen Interaktionen und des Wirtschaftens übertragene „französische“ Ansatz wurde von Hayek, der sich selbst in der Tradition der britischen „Old Whigs“ („Betonung auf old!“) sieht, stets heftig als „Anmaßung von Wissen“ kritisiert.

Ein „mechanistisches“, „szientistisches“ Weltbild führt zu konstruktivistischen, zentralistischen – ja größenwahnsinnigen – Utopien, die gegenwärtig auf das Narrenprojekt „Vereinigte Staaten von Europa“ hinauslaufen. Dass dies eine Entwicklung darstellt, die Hayek (wie auch große Ordoliberale wie Röpke oder Erhard) vehement abgelehnt haben würde, liegt auf der Hand.

Die Lektüre der „Verfassung der Freiheit“ kann durch das besprochene Buch nicht ersetzt werden. Immerhin aber bietet es eine hochinteressante, zeitgenössische Auseinandersetzung mit den Ideen eines der führenden Liberalen des 20. Jahrhunderts. Lesenswert!

Das Ringen um die Freiheit
Gerhard Schwarz, Michael Wohlgemuth, Hg.
Verlag Neue Zürcher Zeitung, 2011
222 Seiten, broschiert
ISBN 978-3-03823-712-9
€ 42,-

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Eine Nation der Heuchler

23. August 2012 00:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Geld und Besitz ist den Österreichern nicht so wichtig.“ So lautete dieser Tage die Schlagzeile der renommierten Salzburger Nachrichten unter Zitierung einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Diese Aussage steht freilich im Gegensatz zur realen Welt: zum Gedränge in den Einkaufszentren, zum Gewerkschaftsgefeilsche um Lohnerhöhungen oder zu jener Frage, die mir nach Vorträgen ständig gestellt wird (egal was das Thema war): „Was soll ich mit meinem Geld in Zeiten wie diesen nur tun?“ Alles zeigt die Bedeutung von Geld und Besitz.

Auch sonst spiegeln Umfragen oft ein realitätsfremdes Bild. So sprechen sich große Mehrheiten immer für Bio-Produkte und gegen Kinderarbeit in der Dritten Welt aus. Sobald die Befragten aber einkaufen gehen, handeln sie meist nicht mehr gutmenschlich-modisch, sondern rational-vorteilsorientiert.

Ganz ähnlich verhalten sich Grünpolitiker, die lautstark Tempo 30 für ganz Wien fordern, die aber dann mit Geschwindigkeiten jenseits von Gut und Böse unterwegs sind. In die gleiche Kategorie zählen Finanzminister, die von den Steuerzahlern Ehrlichkeit verlangen, die dann selbst wie ein billiger Balkan-Schmuggler im Plastiksackerl große Geldmengen über die Grenze schleusen. Dazu zählen Priester, die es mit der Enthaltsamkeit nicht so ernst meinen, Ehemänner, die fleißig „Überstunden“ machen, oder Verleger, die sich maßlos erregen, wenn ein Politiker mit einem Billigticket in der ersten Klasse fliegt, selber aber über ihre Auflagezahlen so lügen, dass die Druckerschwärze rot werden müsste.

Irgendwo sind wir wohl alle Heuchler. Besonders gefährlich wird das Heucheln aber, wenn Umfragen auch zu der Forderung führen: Wir wollen kein Wirtschaftswachstum. Da wird das Heucheln brandgefährlich. Denn Verzicht auf Wachstum bedeutet wachsende Arbeitslosigkeit, wachsende Not. Natürlich kann man subjektiv ein Leben des Verzichts führen – wovon Menschen abgesehen von Klöstern freilich meist nur auf einem sehr hohen Wohlstandsniveau reden. Eine Gesellschaft als Ganzes darf daran aber sicher niemals denken. Denn nur Wachstum ermöglicht gesellschaftlichen Frieden ohne brutale Verteilungskämpfe. Diese brechen unweigerlich aus, wenn neue Generationen keinen anderen Weg zum Wohlstand finden, weil die Alten schon alles besitzen. Noch weniger kann Wachstumsverzicht ein Rezept für Europas Schuldenstaaten sein. Denn nur Wachstum schafft zumindest eine kleine Chance, dass die gewaltigen, in den letzten Jahrzehnten aufgebauten Schulden nicht zu einer Katastrophe führen.

„Aber die Umwelt!“, werfen da manche ein. Und liegen total falsch. Denn gerade das Wirtschaftswachstum und die ebenfalls gerne verteufelte Technik haben ermöglicht, dass etwa in Österreich die Seen wieder sauber sind, dass es kaum noch stinkende oder vergiftete Industrieregionen gibt, dass auch in den Städten die Luft viel besser als in den 70er Jahren ist. Nichts davon wäre bei Stagnation erreichbar gewesen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Führen ohne Kompetenz: Österreichs Polit-Elite hat keinen Tau von Wirtschaft

20. August 2012 03:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Haben Sie sich nie gefragt, wie Bundeskanzler Faymann sein Land durch die stürmischen Zeiten der Finanzkrise führen will – und vor allem: kann? Mit Hilfe welches Wirtschaftsverständnisses ordnet er komplexe Entwicklungen ein und auf welche Fährte setzt er die Experten an?

Worüber will er mit internationalen Wirtschaftsprofessoren diskutieren? Über seine Zeit als Kinderbetreuer bei der Sozialistischen Jugend? Über ein paar Semester (vermutete) Anwesenheit am Juridikum? Oder über die jahrelangen Lücken in seinem Lebenslauf, die er auch nur verbummelt haben könnte (Stichwort „Mut zur Lücke“)?

Als Wirtschaftskompetenz ein paar Semester Publizistik

Salzburgs ASKÖ (sozialistischer Sportverband)-Präsident Franz Karner musste nach Korruptionsvorwürfen abtreten, ein weiterer Grund war, dass der mit Steuergeld subventionierte „Sportbauernhof“ schlecht vermarktet worden war. Sein Nachfolger ist Gerhard Schmidt. Er kommt aus der Arbeiterkammer, und war nie mit Marketing befasst – schon gar nicht in der Privatwirtschaft.

In den 1990ern brachte Beppo Mauhart das Kunststück zuwege, die Austria Tabak – die als Staatsbetrieb in einem Monopolmarkt (!) quasi die Lizenz zum Gelddrucken hatte – derart an die Wand zu fahren, dass man sie schnell verkaufen musste. Seine Wirtschaftskompetenz hatte sich der Gymnasiast durch ein paar Semester Publizistik und als Sekretär bei Hannes Androsch geholt. So nebenbei war Funktionär Mauhart noch Chef des Österreichischen Fußball-Bundes und ORF-Publikumsrat. Zuletzt stand sein Name auf einer Liechtensteinischen Steuer-CD, die Staatsanwaltschaft ermittelte.

Politiker sind keine Wirtschaftsexperten. Und wenn sie das von sich glauben, vernichten sie stets Staatsvermögen. Alfred Gusenbauer studierte nach dem Gymnasium Philosophie und Politik. Statt Bilanzen oder Management: Karl Marx und Jürgen Habermas. Um bei seiner Klientel zu punkten, verhinderte Gusenbauer (SPÖ) den Verkauf der AUA, als man noch Geld bekommen hätte. „Luftfahrtexperte“ Michael Häupl (SPÖ-Biologe) sah gar „große Chancen für eine österreichische Lösung“. Dafür bekamen beide großes Lob von Fellners „Österreich“ und Dichands Kronenzeitung. Die AUA blieb also österreichisch – und ging dermaßen Pleite, dass die Republik dem Käufer, der deutschen Lufthansa, sogar 500 Millionen Euro bezahlen musste, damit sie die AUA überhaupt noch nahm.

Funktionärsfilz beenden: Firmen und Vereine demokratisieren 

Wieso sollen Fluglinien, Flughäfen oder Staudämme in Staatshand sein? Um alte Politiker mit frischen Jobs zu überraschen? Um die höchsten Managergehälter unseres Landes auszuzahlen? Warum sollten deutsche Pensionsfonds nicht Aktien des landeseigenen Energieversorgers „Salzburg AG“ im Portfolio haben? Oder des Flughafens Wien? Weil dann nicht mehr heimische Parteiritter versorgt werden könnten? Man muss keine Angst vor Fremden haben. Der Strompreis wird nicht steigen, solange der Wettbewerb frei bleibt. Und wegtragen kann man Kraftwerke selbst heute noch nicht.

Tausende Vereine gibt es nur, um unser Land „durch-zu-politisieren“ – und seine Funktionärsschicht „durch-zu-versorgen“. Der künstlich am Leben gehaltenen Schattengesellschaft ist der öffentliche Geldhahn abzudrehen, wenn ihr Zweck die Versorgung abgehalfterter Politiker, Funktionäre und Schmarotzer ist. Wollen Vereine unser Steuergeld, dann sind sie wie private Firmen zu führen. Und deren Spitzen sind jeweils mit einem Fachmann zu besetzen. Funktionen in politischen Vereinigungen sollten bei Bewerbungen für Abzugspunkte sorgen.

Akademikersteuer falscher Weg

Geht es nach der SPÖ, so sollen Akademiker mit höherem Jahresgehalt noch zusätzliche Steuern zahlen. Doch würde diese „Strafsteuer für Bildungsehrgeiz“ vor allem die (durchschnittlich besser verdienenden) Absolventen von technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten diskriminieren. Und damit Österreichs Grundproblem noch weiter verschärfen: Die Inkompetenz seiner (Unter-, Mittel- und insbesondere) Führungsschicht.

Österreich braucht Wirtschaftsbildung. Das ist zumindest so wichtig wie die Klima- und die Korruptionsdebatte. Noch heute verlässt ein Gymnasiast die Schule ohne die geringste Ahnung, wie die Wirtschaft läuft. Die AHS braucht schleunigst Betriebswirtschaftslehre als eigenes Fach – unterrichtet von echten Wirtschaftsakademikern. BWL soll es künftig auch an geisteswissenschaftlichen Fakultäten geben – von Experten vorgetragen (und das sind sicher keine ehemaligen Politiker).

Und es sollen wieder Studiengebühren eingeführt werden (allerdings nicht 363 Euro, sondern nur 200 Euro pro Semester). Aber nur für Fächer, die der Markt (also die Menschen) nicht braucht und deren Absolventen der Allgemeinheit ein Leben lang auf der Tasche liegen werden – denn Minijobs erwirtschaften keine Lohnsteuer. Wenn es schon Bildungs-Strafsteuern geben soll, dann für Akademiker, die weniger als das Durchschnittsgehalt verdienen – denn sie zahlen ihre Bildungskosten dem Staat ansonsten nicht wieder zurück.

Wer seine Jugendzeit nicht zukunftsorientiert, sondern mit Philosophie oder Soziologie verschwenden will (und damit nicht auf die Pension warten konnte), soll dafür bezahlen. Österreich braucht Fachleute, und nicht noch mehr Träumer, Sozialromantiker und „Wirtschafts-Autodidakten“ (Christian Felber über sich selbst). Und es braucht die Einsicht, dass nicht die ideologische Gesinnung für die Führung eines Vereines oder einer Firma qualifiziert, sondern eine wirtschaftliche oder technische Ausbildung – oder die Professionalität der Erfahrung in einem Privatbetrieb.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg und hat gerade sein neues Buch herausgegeben, „Die Gemeinwohl-Falle“. Es ist die Antwort auf Globalisierungskritiker wie Jean Ziegler oder Christian Felber.

Drucken

Privatisieren wir die ÖBB!

16. August 2012 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das klingt erfreulich: ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker will die Staatsbahn binnen zwei bis vier Jahren kapitalmarktfähig machen. Das Ziel ist jedenfalls edel und gut. Schon deshalb, weil dann viele Schweinereien nicht mehr möglich sind, wie etwa die Bestechung von Medieneigentümern durch von Politikern bestellte Inserate zu Lasten der ÖBB. Oder die menschenleeren und nur wegen des Drucks von Landeshauptleuten und Bürgermeistern betriebenen Geisterbahnen. Oder die Bezahlung von weit über dem Marktniveau liegenden Gehältern (etwa bei Bus-Chauffeuren: Die Tätigkeit in privaten und ÖBB-Fahrzeugen ist völlig gleichwertig, bei den Gehältern jedoch keineswegs).

Aber: Werden die ÖBB auch für Investoren eine gute Geldanlage sein? Oder müssen diese fürchten, nur abgecasht zu werden? Bei Privatisierungen gibt es ja gute wie schlechte Erfahrungen. Die guten reichen von der Voest bis zur Post (obwohl bei dieser die Republik noch immer beteiligt ist); während sich bei Telekom und etlichen Energieversorgern die Parteipolitik auch nach einer Teilprivatisierung heftig bedient hat.

Problematisch bleibt aber eine hohe regulatorische Abhängigkeit eines Unternehmens von der öffentlichen Hand. Die Republik braucht nur ein paar Gesetze zu ändern und schon sind die ÖBB bankrott. Ob das nun Sicherheitsvorschriften, das Enteignungsrecht (beim Bau neuer Strecken) oder die milliardenschweren Subventionen betrifft. Diese wackeln bei einem Eigentümerwechsel natürlich sofort: Nimmt doch der Steuerzahler der ÖBB sämtliche Pensionskosten ab. Kommen doch die ÖBB nur dank zahlloser Zuschüsse für ihre Verkehrsleistungen überhaupt in die Nähe einer Marktfähigkeit.

Interessant ist die Ankündigung des Sozialdemokraten Pöchhacker aber noch aus einem anderen Grund: Jahrelang wurde von Linken mit Nachdruck die Mär verbreitet, die Privatisierung der britischen Bahnen wäre ein Flop gewesen. Das hat aber nie gestimmt: Die privatisierten Bahnunternehmen haben weit mehr Passagiere, weit weniger Unfälle als je zuvor. Zugleich hat sich freilich eines gezeigt: Während beim rollenden Betrieb (Personen- wie Güterverkehr) die Privatisierung exzellent funktioniert, schaut es mit der Infrastruktur, also den Schienenstrecken anders aus. Nachdem der britische Staat jahrzehntelang nichts in deren Modernisierung investiert hatte, sind angesichts der hohen Kosten die Privaten dabei gescheitert. So wie bei den Straßen ist bei den Schienen eine echte Privatisierung jedenfalls viel schwieriger als sonstwo.

Umso richtiger war – wider alle Polemik – die gesellschaftsrechtliche Aufspaltung der ÖBB auf Infrastruktur, Personenverkehr und Gütertransport. Bei den letzten beiden könnte eine echte und volle Privatisierung sinnvoll werden, sofern sich die Unternehmen rechtlich gegen plötzliche Änderungen der politischen Rahmenbedingungen gut absichern können. Und mit einer alle Privilegien verteidigenden Gewerkschaft müssen ja ohnedies auch andere Arbeitgeber fertig werden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Die Krise, ihre Konsequenzen und unser Hang zum Verdrängen

14. August 2012 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Dass die jahrzehntelange Eskalation staatlicher Verschuldung, und insbesondere die seit mehr als zwei Jahren anhaltenden „Rettungsaktionen“ zugunsten südeuropäischer Staaten unausweichlich verheerende Konsequenzen haben müssen, ist hierorts schon mehrfach ausgeführt worden. Erstaunlich ist jedoch: Warum wird dieses Faktum so stark verdrängt? Warum können Politik und Mainstream-Medien noch immer jede weitere Schuldenaufnahme und Haftungsübernahme, jedes weitere Drucken von Euro-Scheinen als Erfolg, als erleichternd und positiv darstellen? So wie es in diesen Augusttagen nach der Erlaubnis der EZB an die griechische Nationalbank geschehen ist, ungedecktes Geld auszugeben.

Diese Rettungsaktionen erhöhen ja jedesmal nur den längst schon unüberwindlichen Berg an Schulden und Haftungen. Sie müssten zwangsläufig  in einer Mischung aus konfiskatorischen Steuern und Inflation enden. Die Anzeichen dafür sind inzwischen schon zum Greifen nah. Um nur die zwei neuesten zu nennen: Die von manchen Linken und kirchlichen Kreisen hochgejubelte Attac-Bewegung fordert bereits 20- bis 80-prozentige Vermögensabgaben. Zugleich wird die Flucht in den Schweizer Franken immer schneller: Allein im Juli haben sich die Euro-Bestände in den Kellern der Schweizer Nationalbank um 41 Milliarden Franken erhöht. Das sind mehr als zehn Prozent ihrer bisherigen Euro-Schätze – und das binnen eines Monats. Das ist in Wahrheit der Beweis reinster Panik.

Zugleich steigen die Immobilienpreise in guten Lagen ins Unermessliche. In Kitzbühel haben sie sich vor allem durch den Ansturm Deutscher binnen vier Jahren verdoppelt. Auf der Insel Sylt kostet ein Quadratmeter laut dem Magazin „Focus“ schon bis zu 35.000 Euro. Das alles ist Inflation in Reinkultur, wenn auch in bestimmten Blasen konzentriert, die im klassischen Verbraucherkorb kaum vermerkt werden.

Warum aber dominiert in den Aussagen der meisten Politiker und vieler Medien nach wie vor die Begeisterung über Rettungsaktionen?

Verdrängung

Der erste Grund ist zweifellos der allgemeine menschliche Hang zur Verdrängung. Solange man Unangenehmes beiseiteschieben kann, tut man es. Sonst würde wohl niemand mehr zu einer Zigarette greifen, um ein Beispiel aus einem ganz anderen Zusammenhang anzusprechen.

Beharren auf den eigenen Fehlern

Der zweite Grund: Wer gesteht sich schon ein, in wichtigen Fragen völlig falsch gelegen zu sein? Wenn man jahrelang immer davon geredet hat, dass man den Euro rette, tut man sich schwer zuzugeben, dass man ihn durch die Rettungsaktionen eigentlich erst beschädigt hat, während es ursprünglich in Wahrheit nur um die „Rettung“ einiger Staaten gegangen ist, als diese auf Grund ihrer Verschuldung immer höhere Zinsen zahlen mussten.

Selbst bei diesen Staaten war und ist die Notwendigkeit der Rettungsaktionen durchaus zweifelhaft: Wohl sind die von Geldgebern verlangten höheren Zinsen schmerzhaft. Aber es ist absurd zu sagen, sie wären untragbar: Nach Berechnungen der OECD werden die höheren Zinsen etwa Spanien im Jahr 2013 mit 2,9 Prozent des BIP belasten. Aber im Jahr 1995 betrug die Belastung dieses Landes durch den Zinsendienst sogar 4,7 Prozent des damaligen BIP! Dennoch hat damals niemand davon geredet, dass Spanien untergehen werde, hat niemand nach Rettungsaktionen gerufen. Die Spanier haben sich nur inzwischen an das – im Grund durch einen Irrtum der Märkte im Gefolge der Euro-Einführung – bequeme niedrige Zinsniveau gewöhnt.

Bequemlichkeit

Die zuletzt steil gestiegenen Zinsen sind eigentlich das richtige, wenn auch verspätete Signal, dass die Staaten sparen müssen, weil die Geldverleiher das Vertrauen in sie verlieren. Genau das verlangte Sparen aber ist unbequem. Genau das tun weder die Bevölkerung noch die diversen Regierungen gerne. Und daher umgeht man die Sparnotwendigkeit halt so lange, so lange es irgendeinen Umgehungsweg gibt. Und die Hilfsaktionen haben eben diesen Weg geöffnet, den es in Wahrheit nie geben hätte dürfen. Daher dramatisiert man halt heftig weiter, um weiter an diese Hilfsgelder zu gelangen. Dieser Umweg ist bequemer als wirkliches Sparen.

Gewerkschaftslogik

Hinter dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Staaten steht in hohem Maß das Selbstverständnis der Gewerkschaften. Diese halten sich für umso erfolgreicher, ja steilere Lohnzuwächse sie erkämpfen. Das war in jenen Zeiten relativ egal, da die Wirkung der nicht durch Produktivitätszuwächse gedeckten Lohnerhöhungen dann ganz automatisch über höhere Preise wieder egalisiert werden konnte. In einem gemeinsamen Währungsraum, in dem Abwertungen nicht mehr möglich sind, führt das hingegen zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und damit von Arbeitsplätzen. Dennoch waren die südeuropäischen Gewerkschaften, aber auch Unternehmer lange nicht bereit, ihr Verhalten zu ändern. Freilich: Wenn es keine zumindest auf dem Papier stehenden Lohnerhöhungen mehr gibt, verlassen viele Menschen die Gewerkschaft.

Wahlpopulismus

Politiker denken, planen und agieren immer nur bis zum nächsten Wahltag. Und der ist im Schnitt maximal zwei Jahre weit entfernt. Daher setzen sie keine Maßnahmen, die sich erst danach positiv auf die Wähler  auswirken würden. Daraus folgt mit anderen Worten: Nach dem Wahltag die Sintflut. In den Politikern ist dabei tief die Erfahrung verankert, dass man Wahlen nur gewinnen kann, wenn man den Menschen nach dem Maul redet. Sie glauben vielleicht sogar zu Recht, dass die Wähler den bestrafen, der ihnen die Wahrheit mit allen Konsequenzen sagt und nichts verspricht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Wähler gleichzeitig den Politikern immer besonders vorwerfen, dass sie die Wähler anlügen.

Glaube an die Wohlfahrtsstaats-Ideologie

All diese Wählerbestechungsaktionen haben sich längst zu einer Ideologie verfestigt: zum Glauben an den Wohlfahrtsstaat. Dieser ist jahrzehntelang als eine immer bessere, immer schönere, immer sicherere Sache verkauft worden. Das geschah solange, bis viele Politiker wie Wähler nun schon selbst daran glauben, dass dieser Wohlfahrtsstaat irreversibel und absolut sicher wäre.

Der Hang zum Allmachtsgehabe

Dass sich dieser Glaube überhaupt halten kann, hängt wiederum mit dem Allmachtsgehabe der Politik zusammen. Während 1945 ein österreichischer Bundeskanzler noch offen zugegeben konnte, dass er den Bürgern nichts zu bieten habe, nicht einmal Glas für deren zerbombte Fensterscheiben, dominiert jetzt weltweit der politische Slogan „Yes, we can“.

Eine Spezialform des Allmachtsgehabes praktizieren viele Notenbanker, einschließlich jener der österreichischen Nationalbank: Sie verkünden, dass das zusätzlich gedruckte Geld problemlos wieder eingesammelt werden könnte, wenn es eine Inflation auslöst.

Was aber nicht stimmt. Denn erstens gibt es längst schon inflationäre Blasen und dennoch wird nicht einmal der Versuch eines Einsammelns gemacht, sondern das Drucken ungedeckten Geldes fortgesetzt. Zweitens ist die Einsammel-Ankündigung auch deshalb „leichtfertiges Gerede“, wie es der aus Protest abgetretene Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, nun formuliert, weil es eine solche Einsammelaktion in der Geschichte noch nie gegeben hat, geschweige denn eine erfolgreiche. Denn dabei droht genau jener katastrophale Crash einzutreten, zu dessen vermeintlicher Vermeidung die ganze Hilfsaktion gestartet worden ist. Daher sagt auch Issing: „Die Geldwertstabilität ist mittelfristig massiv gefährdet.“ Ganz ähnlich argumentiert das frühere EZB-Ratsmitglied Jürgen Stark und der deutsche Spitzenökonom Hans-Werner Sinn.

Nur die Haupttäter in EZB und Wissenschaft tun alles, um nicht ihren katastrophalen Irrtum eingestehen zu müssen und sich weiter als allmächtig aufspielen zu können.

Misstrauen gegen den Markt

Eng mit dem Allmachtsgehabe ist der Glaube verbunden, dass der Staat alles besser regeln kann als der Markt. Was sich freilich immer noch als völlig falsch herausgestellt hat. Denn der Markt ist ja die Summe der  Entscheidungen aller Menschen, in die damit deren millionenfaches Wissen einfließt. In die Entscheidungen der Staaten fließt hingegen nur das Wissen einiger weniger Politiker und Beamter, die noch dazu neben dem vorgeblichen Gemeinwohl immer auch sehr egoistische Interessen verfolgen (also etwa die Sicherung der eigenen Wiederwahl). Daher gehen auch alle Versuche der Politik ständig schief, durch noch mehr Regulierung, also Einengung der Märkte, zu besseren Ergebnissen zu kommen. Das Geheimnis einer erfolgreichen Marktwirtschaft liegt genau darin, dass alle Menschen selber entscheiden und dann aber auch selber die Folgen ihrer Entscheidungen zu tragen haben.

Der Irrglaube des Neokeynesianismus

Dieses Allmachtsgehabe wird auch durch die dominierende Wirtschaftstheorie des Neokeynesianismus befördert. Nach der Theorie des John Maynard Keynes sollten die Staaten in den Konjunktur-Jahren eigentlich Überschüsse anhäufen, damit sie in schlechten Jahren durch zusätzliche Ausgaben den Wirtschaftsmotor wieder ankurbeln können. Unabhängig davon, ob diese Theorie wirklich funktionieren würde, wenn sie einmal angewendet würde, ist sie im real angewandten Neokeynesianismus völlig pervertiert worden: Die meisten Regierungen haben nämlich immer nur durch Defizite angekurbelt, aber nie ein Geld zurückgelegt.

Etwa seit 1970 hat sich dieser Prozess mit wenigen Ausnahmen weltweit beschleunigt. Der Neokeynesianismus eskaliert in der unfassbaren Ankündigung eines amerikanischen Notenbankchefs, Dollarscheine notfalls mit dem Hubschrauber abwerfen zu wollen. Viele Studien zeigen, dass der Ankurbelungseffekt längst abgenützt ist und nicht mehr funktioniert. Die Wirtschaft wächst nur noch im Ausmaß des zusätzlich gedruckten Geldes, aber nicht mehr darüber hinaus. Gelddrucken löst keinen Kreislauf mehr aus, der die Ankurbelungs-Investition wieder zurückverdienen würde. Das zusätzlich gedruckte Geld bedeutet aber automatisch Inflation oder massenweise Enteignung. Siehe oben.

Die vielen keynesianischen Wissenschaftler – die Österreichs Universitäten fast zur Gänze beherrschen – geben aber noch immer ungern zu, dass sie auf ganzer Linie falsch gelegen sind. Sie erinnern an die Wissenschafter des 16. Jahrhunderts mit ihrem Glauben an die Erde als Mittelpunkt des Alls. Sie erinnern an die Mediziner des 18. Jahrhunderts, die Blutegel als Haupttherapie eingesetzt haben.

Begrenztes Erinnerungsvermögen

Die Menschen verlieren erstaunlich rasch die Erinnerung an die für ganze Generationen verheerenden Folgen inflationärer Politik (siehe die 20er Jahre) oder eines dominierenden Eingreifen des Staates in die Ökonomie (siehe den Zusammenbruch der kommunistischen Planwirtschaften, aber auch der überregulierten und -besteuerten nordeuropäischen Ökonomien in den 90er Jahren).

Nationaler Egoismus

Vielfach war auch nationaler Egoismus die Ursache für die Eskalation der Schuldenkrise. Es liegt natürlich in Griechenland & Co im nationalen Interesse, Deutschland & Co ständig für ihre Ausgaben zahlen zu lassen. Um die Deutschen dazu zu bringen, wurde und wird immer wieder in mieser Weise im Süden Europas die Nazi-Keule gegen Deutschland eingesetzt. Und die Deutschen haben nach wie vor Angst vor dieser Keule.

Gutmensch-Denken

Letztlich schaffen es die hemmungslosen Schuldenmacher auch immer, die geschickteren emotionalen Phrasen zu finden. Man denke nur an das ständige Getrommel „Solidarität mit Griechenland, der Wiege Europas“. Man denke an die Phrase eines Caritas-Direktors: „Geld nicht nur für die Banken, sondern auch für die Armen!“ (Dabei gibt etwa Österreich mit einer Sozialquote von mehr als 28 Prozent des BIP alljährlich weit mehr für soziale Zwecke – also die soziale Umverteilung zugunsten Ärmerer – aus als jemals für die Bankenhilfe. So problematisch die an sich auch ist). Man denke an die Universalphrase jedes Politikers: „Aber dafür (Hier bitte beliebig Worte einsetzen wie Bildung, Europa, Gesundheitssystem, Lawinenschutz, Sporthilfe, Straßenbau, Entwicklungshilfe und so weiter) muss in einem der reichsten Staaten doch noch Geld dasein.“

Alle diese an den emotionalen Unterleib appellierenden Argumente sind meist wirksamer als die Gegenargumente, die immer nur über das Hirn und über Zahlen gehen können.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

The Price of Civilization: Buchrezension

12. August 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Jeffrey Sachs, Hochschulprofessor, Buchautor und umtriebiger Multifunktionär, erhebt in diesem Werk, wie schon zuvor in „The End of Poverty“, nicht nur die Forderung nach einer besseren Welt, sondern liefert zum Glück auch gleich das Rezept mit, wie diese zu schaffen wäre.

Schon auf den ersten Seiten erklärt er dem Leser, worin die drei Hauptaufgaben einer Wirtschaft nach seiner Meinung bestehen, nämlich in „Effizienz, Fairness und Nachhaltigkeit“. Von Produktion und Innovation, der Schumpeter´schen „kreativen Zerstörung“: Kein Wort.

Seine sich durch den gesamten Text ziehende Begeisterung für demokratische Entscheidungsprozesse erinnert an Publikationen linker europäischer Autoren, wie Christian Felber, Sahra Wagenknecht oder Margrit Kennedy, deren Analysen allerdings kaum von ökonomischem Sachverstand getrübt sind. Dass Sachs in den USA eine „Mehrheit für eine stärkere Besteuerung der Reichen“ ortet, ist keine besonders originelle Enthüllung, die zudem weder über Rechtmäßigkeit, noch Zweckmäßigkeit einer solchen Maßnahme etwas aussagt. „Eat the rich“ scheint übrigens eine der fixen Ideen des engagierten Weltverbesserers zu sein…

Sachs konstatiert einen „Rechtsdrift“ – sowohl bei Demokraten wie Republikanern – der sich in der Realverfassung einer „Corporatocracy“ manifestiere. Darunter versteht der Autor, dass nicht das Volk, sondern die Konzerne die großen Linien der Politik bestimmen. Barack Obama sei – trotz seiner vollmundig angekündigten Sozialinitiativen im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfs – ebenso eine Kreatur des „Big Business“ wie sein republikanischer Gegenspieler. Während Republikaner allerdings traditionell auf die Unterstützung seitens der Rüstungs- und Ölindustrie zählen könnten, wären es bei den Demokraten eher Banken und das Wallstreet-Establishment. Da mag was dran sein.

Der Autor lässt deutlich seine Sympathie für „Occupy-Wallstreet“ erkennen und mag die Tea Party nicht. Letztere würde von Angehörigen der „älteren, weißen Mittelschicht“ getragen, denen es an jeder Einsicht in das segensreiche Wirken eines starken Staates mangle. Sachs setzt seine Hoffnungen für eine bessere Zukunft daher auf die jugendliche „Milleniumsgeneration“, die erfreulicherweise für jede Form von Staatsinterventionismus und Planwirtschaft offen sei.

Immer wieder zitiert er das „Erfolgsmodell“ der skandinavischen Staaten, die eine prosperierende Wirtschaft trotz einer hohen Steuerbelastung realisieren könnten. Ohne massive staatliche „Investitionen“ ins „Gemeinwohl“ (namentlich in Bildung, Infrastruktur, Gesundheits- sowie Pensionsvorsorge und in „nachhaltige“ Energieversorgungstechnologien) wäre dem Zerfall der US-Gesellschaft und der dräuenden globalen Klimaapokalypse nicht wirksam zu begegnen.

Erheblichen Raum widmet der Autor der Frage, in welchen Bereichen der Staat sein Engagement drastisch zu verstärken habe – überall dort nämlich, wo auch die bewunderten sozialistischen Vorbilder der Alten Welt ihr Geld versenken – und woher die Mittel dafür zu nehmen seien: Von den „Reichen“ nämlich, denen er erhebliche zusätzliche Lasten aufzuladen gedenkt.

Auch wenn der Satz ironisch gemeint sein mag, charakterisiert er doch präzise die Mentalität des Autors: „Yes, the federal government is incompetent and corrupt – but we need more, not less of it.“ So unfähig kann eine Regierung gar nicht sein, dass sie nicht dennoch – ganz im Gegensatz zu privaten Akteuren – das Glück der Bürger mehren würde. Darauf folgt die rührend naive Forderung: „We need (…) a much more competent and honest government.“ Selbst wenn man einräumt, dass die Politik in den USA besser qualifiziertes Personal zu rekrutieren imstande ist, als das in Europa gelingt (immerhin können in den USA viele Funktionäre auf eine erfolgreiche Tätigkeit in der produktiven, privaten Wirtschaft zurückblicken und nicht ausschließlich auf steuerfinanzierte Beamten- und Parteikarrieren), zieht es wohl immer eine Negativauslese in den Dunstkreis der Macht. Woher in aller Welt das „honest government“ kommen soll, verrät Sachs dem neugierigen Leser leider nicht.

Dass ein für hoheitliche Machtkonzentration eingenommener Autor „langfristige Ziele“ besser beim Staat als in privaten Händen aufgehoben sieht, verwundert nicht. Sein Eintreten für die rigorose Verfolgung einer zwangsbewehrten, „klimagerechten“, Energiepolitik verblüfft ebenso wenig, wie sein Eintreten für hohe Steuern und die Ausweitung der Staatsquote.

Wer einen Kontrapunkt zu libertären Analysen sucht: Hier werden Sie geholfen!

The Price of Civilization
Geffrey Sachs
Verlag “The Bodly Head”, 2011
Englisch, 326 Seiten, broschiert
€ 19,99,-
ISBN 9781847920928

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Fußnote 326: Ein österreichischer Triumph

11. August 2012 13:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Mitt Romney hat nun seinen Vize-Präsidentschaftskandidaten fixiert. Und der dafür ausgewählte Paul Ryan ist ein Grund zu großer Freude: Denn er ist ein echter „Österreicher“.

„Österreicher“ heißt in den USA: Er ist ein Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, wie sie insbesondere durch Friedrich Hayek und Ludwig von Mises, zwei gebürtige Österreicher, verkörpert wird. Die beiden und alle übrigen „Austrians“ finden in Zeiten wie diesen weltweit von Monat zu Monat mehr Anerkennung. In ihrer Heimat werden sie freilich weniger geschätzt, wo ja an vielen Universitäten und Wirtschaftsforschungsinstituten wie auch in SPÖ und Nationalbank die gescheiterte Schuldenphilosophie des Briten Keynes nach wie vor dominiert. Ryan kämpft im US-Kongress auf dieser geistigen Basis seit Jahren für das radikalste Reformprogramm der jüngeren Wirtschaftsgeschichte: Schuldenstopp, Zurückdrängen des Staatseinflusses, niedrigere Steuern, weniger Beamte, weniger Gesetze, Abbau des auch in Amerika immer stärker wuchernden Sozialstaates. Mit anderen Worten: Das ist ein Programm, das Amerika ungeheuer beleben würde, das dem Land wieder eine Blüte wie in den Jahren nach Ronald Reagan bescheren würde, bevor Bush junior und Obama auf die Verführungen des starken Staates hineingefallen sind. Ebenso sicher ist freilich auch, dass die Demokraten und linke Journalisten ab sofort ständig zur Verteidigung der Schuldenpolitik und zur Sicherung der Obama-Wiederwahl einen sozialen Kahlschlag bejammern würden. Als ob nicht gerade durch die staatsorientierte Obama-Politik die Arbeitslosenzahlen explodiert sind.

Drucken

Die Macht der Gläubiger

09. August 2012 01:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Krisenzeiten wird oft die Erkenntnis bemüht, dass Gläubiger Geiseln ihrer Schuldner seien. Das stimmt auch in etlichen Fällen, wie etwa jenem Griechenlands.

Dennoch sollte man sich im Klaren sein: Im Normalfall liegt die Macht bei den Gläubigern. Diese haben eine bei Staatsanleihen für Regierungen besonders unangenehme Eigenschaft: Man kennt sie nicht. So weiß die Republik Österreich nur, dass rund 80 Prozent ihrer Anleihen in ausländischen Händen sind. Aber zu welchen Körpern diese Hände gehören, ist weitgehend unklar. Ausländische Zentralbanken? Amerikanische Pensionsfonds? Ölscheichs? Chinesische Staatsfonds? Russische Oligarchen? Kommerzbanken? Private Anleger?

In der gleichen Situation befindet sich der scheinbar mächtigste Staat Europas, die Bundesrepublik. Sie wird zwar von aller Welt derzeit als der bequemste Geldautomat behandelt. Aber zugleich steht Deutschland selbst mit gewaltigen 1,1 Billionen Euro in der Kreide. Das ist mehr Geld, als für den so umstrittenen Rettungsfonds ESM vorgesehen ist. Aber wer hält diese Forderungen?

Das ist keineswegs irrelevant. Denn auch bei festverzinslichen Papieren mit fixen Rückzahlungsdaten können Gläubiger die Zinsen gewaltig in die Höhe treiben, wenn sie die Papiere vorzeitig massenweise auch zu einem schlechten Preis verkaufen. Höhere Zinsen für alte Obligationen erhöhen automatisch auch jene für neue. Zum Glück sind Gläubiger meist nicht daran interessiert, ihre Forderungen mit Verlust zu verkaufen. Sie schaden sich ja selber, wenn sie gezielt einem anderen Staat schaden. Dennoch sollte man auch diese Möglichkeit nicht ganz ausschließen: Sollte etwa China einmal ob allzu scharfer Kritik eines anderen Staates an seiner Menschenrechtspolitik zürnen, dann könnte man das sehr bald an den Anleihen-Kursen ablesen. Viel häufiger kommt mit ähnlicher Wirkung vor, dass ein großer Gläubiger oder viele kleine gleichzeitig Bargeld brauchen. Oder dass sie das Vertrauen in einen Schuldner verlieren und lieber schnell mit Verlust verkaufen, als das eigene Risiko noch weiter zu erhöhen.

Jede Angabe, wer die deutschen oder österreichischen Anleihen hält, ist aber auch deshalb unzuverlässig, weil sie im Schnitt jährlich mehr als fünf Mal den Besitzer wechseln. Einem Schweizer Politiker ist nun dieser Tage die Information entschlüpft, dass die Schweizer Nationalbank rund 100 Milliarden an deutschen Anleihen halte, womit sie vermutlich Deutschlands größter Einzelgläubiger sein dürfte. Das klingt auf erste beruhigend. Sind doch die Schweizer seriöse Partner. Aber selbst da ist die Machtfrage relevant: Kämpfen doch Bern und Berlin ganz heftig wegen des Ankaufs gestohlener Schweizer Bank-Daten durch deutsche Steuerfahnder. Wenn deren Methode Schule machen sollte, bedeutet sie zweifellos Großalarm für die Schweizer Banken. Was natürlich auch der Notenbank nicht egal wäre.

Man sieht: Nicht einmal die Schweiz ist ein perfekter Gläubiger. Perfekt ist es nur, gar keine Gläubiger zu haben . . .

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Wer zahlt, schafft an!

08. August 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

„Alternativlos“, so trommeln es nicht nur die Granden der EU, sondern auch großmannsüchtige Politiker und Kommentatoren in den Nationalstaaten der Gemeinschaft, sei die „Rettung“ Griechenlands und anderer finanziell angeschlagener Mitgliedsstaaten. Das krampfhafte Festhalten am Projekt „Vereinigte Staaten von Europa“ rechtfertigt am Ende doch jede Torheit. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, tönt selbst die deutsche Kanzlerin, einer der wenigen Bremser im Prozess der Kollektivierung von Staatsschulden zum Zwecke einer weiteren Gleichschaltung der Alten Welt.

Konsequenz: Die in Fässer ohne Boden geworfenen Geldmengen werden immer größer, ohne auch nur die geringste Veränderung zum Besseren zu bewirken. Denn in den Nehmerländern besteht natürlich keinerlei Veranlassung zur Umsetzung der mit der Kreditgewährung verbundenen Auflagen, da sich ja an der „Alternativlosigkeit“ zu weiteren Hilfen nichts ändert, auch wenn diese einfach ignoriert werden.

Entsprechend verhält sich die Regierung Griechenlands. Sparzusagen werden serienweise gebrochen, da die EU ja trotzdem gar nicht anders kann, als weiterhin gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Soeben erfolgte, „zufrieden stellende Verhandlungen“ der „Troika“ mit der Regierung Griechenlands sind bezeichnend. Was, in aller Welt, gibt es da jetzt noch zu verhandeln?

Im sicheren Vertrauen auf den unbedingten Wunsch des europäischen Establishments, den in Richtung Zentralisierung eingeschlagenen Weg fortzusetzen – und angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat – sieht man – nicht nur im Lande der Phäaken – keinerlei Grund für einen Politikwechsel. Die Target2-Schuldnerstaaten verfügen dort über 17 Stimmen, während die Gläubigerstaaten über nur 6 Stimmen gebieten. Der größte davon, Deutschland, hält allein rund 700 Mrd. € von am Ende wohl mehrheitlich uneinbringlichen Forderungen.

Griechenland & Co. können auf die Kumpanei anderer Debitoren zählen, die eher dazu neigen, die Sparkonten der ungeliebten Teutonen abzuräumen, als eigene Anstrengungen zu einer unpopulären Reformpolitik ins Werk zu setzen. An kaum einer anderen Stelle zeigt sich der systembedingte Irrsinn der Demokratie deutlicher: Was soll wohl vernünftiges dabei herauskommen, wenn man es einer Mehrheit von unverantwortlichen Spielern und Prassern überlässt, über das Eigentum einer Minderheit von Sparern abzustimmen?

Kein Recht ohne Verantwortung! Die in jeder Aktiengesellschaft geltende Regel „wer zahlt schafft an“, sollte immer und überall – auch im EZB-Rat – gelten. Gleiche Stimmrechte, ohne Berücksichtigung der jeweiligen Kapitaleinsätze, werden am Ende zu einer kollektiven Finanzkatastrophe führen.

Die finanzmaroden Südländer – Hand in Hand mit dem sich ebenfalls im steilen Sinkflug befindlichen Frankreich – werden alles tun, um die keineswegs ohne interne Probleme dastehenden Deutschen, Holländer und anderen „Nordländer“ bis auf den letzten Cent auszuplündern. Denn kommt es, angesichts der Wirkungslosigkeit des bisher entfalteten Aktionismus, so weit, dass eine ungebremste Finanzierung nationaler Politiken mittels der Notenpresse ermöglicht wird – und genau das würde die vermutlich bevorstehende Ausstattung des EZB mit einer Banklizenz bedeuten – wäre der Weg in die Hyperinflation kaum mehr umkehrbar. Der Fluch der bösen Tat: Dem ungenierten Bruch bestehender Verträge folgt weiteres Unrecht. Wir haben es mit dem klassischen Fall einer kaum noch zu stoppenden Interventionsspirale zu tun.

Die bisher vergeblichen „Rettungsaktionen“ von IWF, EZB und EU-Kommission machen einmal mehr deutlich, dass strukturellen Problemen von Volkswirtschaften mit (zentral gesteuerter) Geldpolitik nicht beizukommen ist. Das exakte Gegenteil ist richtig – wie es z. B. der seit Jahren anhaltende Niedergang der französischen Industrie zeigt. Der Anteil der Industrieproduktion an der gesamten Wertschöpfung des Landes ist auf nur noch 13 Prozent gesunken (1970 waren es immerhin noch 26 Prozent) – Tendenz weiter fallend.

Viel Urlaub, früher Pensionsantritt, hohe Löhne und niedrige Produktivität sind eben denkbar schlechte Voraussetzungen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Radikale interne Maßnahmen wären notwendig, um den Abwärtstrend zu stoppen. Indes wird sich aber jeder einzelne der genannten Parameter durch Haftungsübernahmen und die Kollektivierung der Staatsschulden weiter verschlechtern – indem die Notwendigkeit, strukturell wirksame Reformen durchzuführen (etwa unternehmerische Aktivitäten attraktiver zu machen, die Industrieproduktivität durch Lohnkürzungen zu steigern und die Zahl unproduktiver Staatsbediensteter substantiell zu reduzieren) einfach ausgeblendet wird. Stattdessen sollen die „reichen Deutschen“, die angeblich einzigen Profiteure des Europrojekts, zu immerwährenden, gegenleistungsfreien Transferzahlungen verpflichtet werden.

Ist es auch Wahnsinn, so hat er doch Methode: Wer meint, dass ein paar Volkswirtschaften mit rund 100 Millionen Einwohnern imstande wären, den bis zu den Achsen im Dreck steckenden, mit 500 Millionen Bürgen besetzen Eurokarren, nicht nur kurzfristig wieder flottzukriegen, sondern vielmehr dauerhaft zu ziehen, lässt Zweifel an seiner Urteilsfähigkeit aufkommen.

Ohne die Wiederbelebung des Subsidiaritätsgedankens; ohne eine Rückbesinnung auf finanzielle Verantwortlichkeit auf kleinster politischer Ebene, wird Europa auf Dauer im Chaos versinken.

Nur Sparen schafft Wachstum

Ein weiterer, für die Entwicklung des Wohlstands in der Alten Welt entscheidender Aspekt, wird bei den kopflosen Aktivitäten der Politeliten bisher völlig ausgeblendet: Es handelt sich um die mit der schleichenden Zerstörung der Kaufkraft des Euro verbundene Einsicht breiter Kreise der Bevölkerung in die Unsinnigkeit des Sparens. Die von Horden beamteter Desinformanten gestreuten Zahlen im Hinblick auf die allgemeine Teuerung stimmen nicht. Wir halten bei gegenwärtig zwischen sechs und sieben Prozent Teuerung, der keine annähernden Einkommenszuwächse gegenüberstehen. Hinz und Kunz fühlen, dass ihnen ihr Geld zwischen den Fingern zerrinnt.

Einzige Profiteure der Inflation: Regierungen und Banken. Warum aber sparen, wenn man für sein Geld bald nichts mehr bekommt? Da erscheint es doch gescheiter, auf Teufel komm raus zu konsumieren! Die Hersteller von Kraftfahrzeugen im oberen Preissegment melden folgerichtig Absatzrekorde und die Immobilienpreise (außerhalb Spaniens) explodieren geradezu.

Zwar handelt es sich beim Kauf langlebiger Konsumgüter angesichts der prekären Lage des Euro um rationale Handlungen der einzelnen Konsumenten. Auf Dauer sind damit aber dennoch fatale Konsequenzen verbunden. Denn Sparen – die Akkumulation von Kapital durch Konsumverzicht – bildet die unabdingbare Voraussetzung für eine künftig positive Einkommensentwicklung. Aus dem Nichts geschaffener Kredit ist eben am Ende nicht dasselbe wie erspartes Vermögen.

Derzeit erleben wir allerdings keinen Vermögensaufbau, sondern einen nie da gewesenen Kapitalverzehr. Auf breiter Front sinkende Sparquoten sind der schlagende Beweis dafür. Weder ein schickes Auto, noch eine Luxusimmobilie werden jemals Werte produzieren. Ohne Investitionen – also Anlagen im produktiven Bereich einer Volkswirtschaft – ist aber eine langfristige Verarmung programmiert.

Man kann sich nicht aus der Krise konsumieren. Man kann auch nicht durch unkontrollierte Schuldenmacherei reich werden. Binsenweisheiten. Die Politbüros Eurolands haben den dräuenden Niedergang nicht nur nicht verhindert, sondern sind im Begriff, ihn durch jede einzelne ihrer Maßnahmen weiter zu verstärken. Die Bürger Europas sollten ihnen das nie vergessen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Von der Schuldenkrise zur Rechts- und Demokratiekrise

07. August 2012 01:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Europas Bürger erkennen zunehmend, dass in den nächsten Jahren ein gewaltiger Raubzug auf ihr Erspartes stattfinden wird, sei es durch konfiskatorische Steuern, sei es durch Inflation. Tertium non datur, sagen die Lateiner. Eine dritte Möglichkeit ist denkunmöglich. Etwas noch viel Schlimmeres haben die Bürger aber noch nicht erkannt: Es läuft gleichzeitig auch eine Attacke auf Demokratie und Rechtsstaat. Mit dieser Attacke werden noch viel wertvollere Güter zerstört als „nur“ jene Ersparnisse, mit denen die Babyboomer-Generation ihr eigenes Alter finanzieren wollte.

Diese Generalattacke ist zuletzt etwa in unverblümten Forderungen des italienischen Ministerpräsidenten Monti offenkundig geworden. Er verlangt öffentlich, dass sich die Regierungen der EU-Staaten nicht mehr „vollständig durch die Entscheidungen ihrer eigenen Parlamente binden“ lassen. Die Regierungen müssten vielmehr „Handlungsfreiheit“ gewinnen.

Das ist nun ebenso ungeschminkt wie skandalös. Diese Aussagen sind umso bedenklicher, als sie von einem Mann kommen, den man bisher für integer und korrekt gehalten hat. Wenn schon ein Monti so offen autoritär spricht, wie viel intriganter und undemokratischer muss dann der Geist bei den vertraulichen Diskussionen der EU-Regierungschefs sein, wo beispielsweise auch Putschisten wie der rumänische Ministerpräsident mit am Tisch sitzen!

Was Monti verschweigt: Wenn die Regierungen nicht mehr “vollständig“ an die Parlamente gebunden sind, dann sind sie auch nicht mehr an die Wähler gebunden. Und dann sind sie auch nicht mehr an die Gesetze gebunden, welche die Parlamente beschlossen haben. Sie wollen „legibus solutus“ sein – um noch ein letztes Mal zur Sprache der alten Römer zu greifen –, also frei von der Bindung an Gesetze. So wie einst die römischen Cäsaren waren. Oder so wie die Herrn Haider, Martinz und Scheuch glaubten zu sein.

Diese Freiheit für die Regierungen heißt freilich nicht, dass sich parallel auch die Freiheit der Bürger erhöhen würde. Diese wird ganz im Gegenteil von einer immer enger werdenden Diktatur der Politischen Korrektheit eingeschnürt. Die pikanterweise ebenfalls von der EU ausgeht.

So hat eine von allen guten Geistern verlassene Staatsanwaltschaft jetzt einen Salzburger unter anderem deshalb angeklagt, weil er bei Facebook zu islamkritischen Äußerungen ein „gefällt mir“ angeklickt hat. Zum Glück wehren sich so wie in diesem Fall häufig noch unabhängige Richter gegen diese Attacken auf die Meinungsfreiheit und die universelle Anwendung des Strafbestands der „Verhetzung“.

Vor dessen Verschärfung ist ja gerade in diesem Tagebuch intensiv gewarnt worden. Sie ist aber dennoch unter Verweis auf EU-Entscheidungen weitgehend in die Gesetzesbücher aufgenommen worden. Schuld daran war primär die linke Sozialistin Maria Berger, die in der EU der Beschneidung der Meinungsfreiheit zugestimmt (und in Österreich die Sache geheimgehalten) hat. Mitschuld sind aber auch die beiden folgenden schwarzen Ministerinnen, die der Übernahme dieses Knebelungsparagraphen keinen merkbaren Widerstand entgegengesetzt haben.

Zurück zu Montis Forderung: Auch in der Wirtschaftskrise der 30er Jahre sind von faschistischen, kommunistischen, nationalsozialistischen Bewegungen die Parlamente als „Quatschbuden“ hinweggefegt worden. Das hat in der Folge Demokratie und Rechtsstaat vernichtet. Und nichts anderes steht jetzt in diesen Wochen auf dem Spiel – auch wenn uns allen die Ablenkung durch olympische Spiele viel sympathischer erscheint.

Schuldengemeinschaft schaltet nationale Parlamente aus

Eine Sprengung von Demokratie und Rechtsstaat bedeuten aber auch die in auffälligem Gleichklang dieser Tage von den Chefs der deutschen und österreichischen Sozialdemokraten erhobenen Forderungen nach einer radikalen Vergemeinschaftung der nationalen Schulden. Sigmar Gabriel verlangt diese Schuldenunion auf direktem Weg (und lässt sich dabei vom „Finanzexperten“ Jürgen Habermas unterstützen); Werner Faymann tut dies auf einem substanziell nicht sehr unterschiedlichen Weg, indem er unbegrenzte Kreditmöglichkeiten des „Rettungsfonds“ ESM bei der Europäischen Zentralbank verlangt. Was genauso eine Vergemeinschaftung der Schulden bedeutet.

Gabriel träumt davon, dass man die einzelnen Staaten im Gegenzug zu einer strengen Haushaltsdisziplin zwingen  könnte. Nur: Diese Disziplin stand schon in den Maastricht-Kriterien festgeschrieben und wurde fast ständig und fast von allen Mitgliedsstaaten ignoriert. Das wird mit absoluter Sicherheit auch in Zukunft geschehen. Denn keine Regierung Europas lässt sich die politische Gestaltung entwinden. Aber ohne direkten und brutalen Eingriff einer solchen Schuldengemeinschaft bei Schlüsselfragen wie Pensionsalter, Studiengebühren, Sozialleistungen, Förderungen usw. (also praktisch allen Themen, welche die nationale Politik bewegen) kann sich keine Haushaltsdisziplin ergeben.

Die von Gabriel&Co vorgeschlagene paneuropäische Haftung für all diese Geldverschwendung bedeutet eine völlige Ausschaltung der Budget- und Steuer-Hoheit der nationalen Parlamente. Sie bedeutet eine ebenso gravierende wie stillschweigende Gesamtänderung der österreichischen Verfassung. Eine solche wäre eigentlich nur auf dem Weg einer Volksabstimmung möglich. Interessanterweise verschweigen sich dazu die sonst so mediengeilen Mainstream-Juristen komplett, die sogar bei der harmlosen Einführung von verpflichtenden Volksabstimmungen nach Volksbegehren vor einer Gesamtänderung gewarnt haben.

EU-Krise macht mehr Sorgen als Korruption

Die Politiker erkennen, dass sie den Schuldenkurs nur noch bei einer weitgehenden Ausschaltung der Demokratie realisieren können. Die Bürger in Europas Nordländern spielen nämlich nach drei Jahren Verwirrungspolitik nicht mehr mit. Das zeigte etwa die jüngste Repräsentativumfrage von Imas: Denn bei dieser nannten die Österreicher unter jenen Punkten, die sie besonders beunruhigen, eine Sorge deutlich am häufigsten: „die Folgen der EU-Krise (Griechenland etc.) für Österreich“. Diese verängstigt sie weit mehr als die Stichworte „Korruption“ oder Dutzende andere Besorgnisse. Dabei widmen die Mainstream-Zeitungen seit Monaten der Korruption viel mehr Platz als der Schuldenkrise.

Die Bürger haben erkannt, warum es geht. Die Politik will aber dennoch auf ihrem Kurs weiterfahren und umgeht dabei zahllose Rechtsvorschriften.

So hat sie die präzisen Maastricht-Regeln mit ihren Defizit- und Schuldengrenzen ständig und brutal verletzt. So haben die EU-Regierungschefs schon das auf allerhöchstem Rechts-Level einbetonierte No-Bailout-Verbot einfach ausgehebelt (es hatte die Übernahme von Schulden einzelner Mitgliedsstaaten durch andere Staaten, EU oder EZB strikt verboten). So hat sich die Zentralbank wider ihrem diesbezüglich eindeutigen Statut um Hunderte Milliarden wackelige Anleihenpapiere aus südeuropäischen Staaten andrehen lassen.

Wie pleite ist die EZB?

Bei all diesen durch die faktische Macht der Politik ignorierten Rechtsregeln geht es aber genau um den Kern jener Bedingungen, die Länder wie (vor allem) Deutschland zur Vorbedingung eines Beitritts zur Währung gemacht haben. Dass diese glasklar verankerten Bedingungen einfach durch die Hintertür entsorgt wurden, ist der schlimmste politische und rechtliche Betrug der Nachkriegszeit.

Alle Finanzexperten wissen, dass die EZB bei korrekter Bilanzierung und Offenlegung aller Risken eigentlich pleite wäre. Aber korrekt bilanzieren muss ja nur der kleine Kaufmann, nicht die mächtigste Finanzinstitution des Kontinents. Dort wird vieles geheimgehalten.

Das alles ist wirtschaftlich verheerend, auch wenn es Regierungen, Mainstream-Medien und interessierte Kreise immer als Erfolg darstellen, sobald durch neue Schaffung von Papiergeld der akute Ausbruch der schon längst gegebenen Insolvenz wieder ein paar Wochen hinausgeschoben wird. Aber die Tatsache, dass all diese Rechtsbrüche noch nie von einem europäischen oder österreichischen Höchstgericht auch nur behandelt worden sind, ist noch viel übler. Wenn einmal das Vertrauen ins Rechtssystem zertrümmert worden ist, dann ist eine Gesellschaft auf viele Jahrzehnte kaputt.

Die Richter werden vielfach oft vor vollendete Tatsachen gestellt. In Österreich kann der Verfassungsgerichtshof etwa über den verantwortungslosen ESM-Beitritt überhaupt erst dann zu beraten beginnen, wenn dieser schon Realität ist, wenn er aber auf Grund des internationalen Rechts gar nicht mehr gekündigt werden kann. Und der Europäische Gerichtshof kann in den heikelsten Fragen nur dann aktiv werden, wenn ihn eine Regierung einschaltet. Aber keine Regierung wird gegen das klagen, was ihr Regierungschef oder ihre Minister selbst mitbeschlossen haben.

Karlsruhe als einzige Hoffnung

Die Richter sind aber ohnedies froh, nicht entscheiden zu müssen. Wird ihnen doch von Regierungen und Mainstream-Medien ständig Angst eingejagt, dass ein Veto gegen das ständige Nachschütten von Geldern in das bodenfreie Schuldenfass schlimme Folgen hätte. Was ja an sich auch stimmt: Denn bei einem Griechenland-Bankrott müsste die EZB von den Mitgliedsstaaten viele Milliarden einfordern, weil sie dann die Wertlosigkeit der griechischen Anleihen in ihren Tresoren endlich eingestehen müsste. Verschwiegen wird freilich, dass das ständige Nachschütten beziehungsweise Verschweigen noch viel dramatischere Folgen haben wird. Wenn auch erst einige Monate, im besten Fall zwei oder drei Jahre später.

Einzig das deutsche Oberstgericht in Karlsruhe hat nun die Möglichkeit, sich mit einiger Wirksamkeit der fundamentalen Zerstörung von Demokratie und Recht entgegenzustellen. Der parteiunabhängige deutsche Bundespräsident hat – im Gegensatz zum österreichischen – mutigerweise mit der Unterzeichnung des irreversiblen ESM-Vertrags zugewartet, bis die Richter dazu grünes Licht geben. Das hat die Berliner Regierung natürlich erzürnt. Das gibt aber Hoffnungen.

Ohne Recht keinen Frieden

Allerdings hat sich auch Karlsruhe schon mehrfach den von der Politik hergestellten faktischen Zwängen gebeugt. Mehrfach haben die dortigen Richter schon bei Änderungen des EU-Rechts gesagt: Bis hierher und nicht weiter! Weiter dürfe die Einschränkung der nationalen und parlamentarischen Rechte nicht gehen. Und dann ging es beim nächsten Mal halt doch wieder ein großes Stück weiter. Die Richter haben in ihrer Ängstlichkeit nie das große Nein gewagt.

Also überwiegt auch diesmal die Skepsis. Dabei müssten intelligente Richter zweifellos wissen, dass es längst um Demokratie und Rechtsstaat und nicht mehr „nur“ um den Euro geht.

Da kann man dem deutschen Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof nur zustimmen, wenn er jetzt schreibt: „Die EU steckt in der Krise, weil Recht missachtet wurde. Und wir spielen weiter mit dem Feuer: Eine Instabilität des Rechts wiegt schwerer als eine Instabilität der Finanzen.“ Deutlich weist er auch alle jene Sonntagsredner zurück, die die Schuldenpolitik als Friedenswerk verteidigen. Das Gegenteil ist wahr: „Ohne Recht gibt es keinen Frieden.“

PS: Bezeichnendes Detail am Rande: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben auch anderswo ein gebrochenes Verhältnis zum Recht. Sie nehmen in diesen Tagen sogar den Putsch im Mitgliedsland Rumänien weitestgehend tatenlos hin. Bis auf ein paar lendenlahme Erklärungen zeigt man sich gegenüber den rumänischen Putschisten hilflos. Dort hat die Regierung den Präsidenten einfach suspendiert. Sie setzt Höchstrichter massiv unter Druck und will nun im Nachhinein ein von ihr selbst durchgeführtes und dann verlorenes Referendum über die Präsidentenabsetzung für ungültig erklären. Sie will die von der Regierung selbst erstellten Wählerlisten nachträglich ändern. Solche Methoden und deren Ziele sind seit dem Berliner Reichstagsbrand allzu gut bekannt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Nur Gold ist Geld

01. August 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Es ist schwierig geworden, den Überblick über die unermüdlich auf den Weg gebrachten „Rettungspakete“ für Banken, überschuldete Staaten, vor allem aber die Mutter aller Probleme – den Euro – zu behalten. Täglich neue Katastrophenmeldungen von der Krisenfront haben zudem eine abstumpfende Wirkung. Immerhin ist die Zähigkeit erstaunlich, mit der sich das verquere Projekt einer zum Zwecke der Schaffung eines europäischen Superstaats eingeführten Kunstwährung am Leben erhält. Viele Skeptiker hatten mit einem wesentlich zügigeren Ableben des von den Bürgern ungeliebten Elitenprojekts „Vereinigte Staaten von Europa“ gerechnet. Eine Fehleinschätzung.

Zwar legt die Nomenklatura eine bemerkenswerte Beharrlichkeit im Ignorieren von Wählerwünschen an den Tag (zuletzt der Deutsche Bundestag in Sachen „Rettung spanischer Banken“), doch die Vorstellung, dass es der unheiligen Allianz von Politkommissaren und Bankstern gelingen könnte, das Wirtschafts- und Währungssystem auf Dauer vor dem Kollaps zu bewahren, ist eine bloße Illusion. Wie die russisch-amerikanische Philosophin und Autorin Ayn Rand („Atlas Shrugged“) einst treffend feststellte: „Du kannst die Realität ignorieren, aber du kannst die Konsequenzen dieser Ignoranz nicht ignorieren.“ Grundgesetze der Ökonomie können eben auch von noch so ambitionierten Bürokraten nicht aufgehoben werden. Zum „Triumph des Willens“ ist es – wir erinnern uns – schon einmal, trotz allen heißen Bemühens, nicht gekommen…!

Die in finsteren Niederungen der Unterwelt stattfindenden Machenschaften dilettierender Geldfälscher, die sich – anders als die der Profis in ihren lichtdurchfluteten Notenbanken (planwirtschaftlichen Inflationierungsbehörden) – bevorzugt auf die Produktion kleiner Scheine konzentrieren, sind völlig harmlos. Dagegen übersteigen die von den hoheitlich autorisierten Geldproduzenten seit Ausbruch der Finanzkrise in Form von frisch gedruckten Noten und Krediten ins System gepumpten Geldmengen jede Vorstellungskraft.

Selbst die als solide geltende Schweizer Zentralbank hat (zwecks Verhinderung einer drastischen Aufwertung des Franken) die Geldmenge seit 2008 gewaltig ausgeweitet. Es wäre naiv zu glauben, dass diese Papiergeldinflation nicht früher oder später auch auf die Güter des täglichen Bedarfs durchschlagen und einen allgemeinen Kaufkraftverlust der gesetzlichen Zahlungsmittel bewirken wird. Dann allerdings werden auch Krethi und Plethi begreifen, zu welchen Konsequenzen das staatliche Geldmonopol führt – und dass Regierungen und Zentralbanken, nicht aber private „Spekulanten“, für die Zerrüttung unseres Geldwesens die Verantwortung tragen.

Die Zahl der Möglichkeiten, die Kaufkraft seiner Ersparnisse nachhaltig abzusichern, ist recht überschaubar – speziell dann, wenn in immer kürzer werdenden Abständen unverhüllte Drohungen gegen die Sparer ausgestoßen werden (Stichwort Zwangsanleihen!). Dass diese gefährliche Drohung zuallererst nicht etwa aus dem Dunstkreis von Gewerkschaften und/oder einer ultralinken Partei kam, sondern vom Ökonomen eines „wissenschaftlich“ arbeitenden Wirtschaftsforschungsinstituts ausgestoßen wurde, ist ein schlagender Beweis für den intellektuellen Bankrott der Hauptstromökonomie. Wie weiland Keynes, träumen diese „Experten“ von einer „Euthanasie des Rentiers“ – wobei als Rentier heute bereits gilt, wer mietfrei im eigenen, schuldenfreien Reihenhäuschen lebt. Die brutale Pönalisierung des Kapitalaufbaus kann, da die Größe des Kapitalstocks letztlich alles entscheidet, langfristig keinen anderen Effekt, als den einer kollektiven Verarmung nach sich ziehen.

Wie dem auch sei – „klassische“ Anlagevarianten, wie Sparbücher oder (Staats-)Anleihen sind in Zeiten künstlich niedrig gehaltener Zinsen selbst für den bloßen Kapitalerhalt untauglich. Sie bringen Nettoverluste. Papiergeld, daheim unter der Matratze gelagert, ebenso. Langlaufende Lebensversicherungen bedeuten im Falle einer galoppierenden Inflation schlichtweg Kapitalvernichtung. Immobilien wiederum üben auf den Fiskus – besonders im Fall einer Währungsreform – magische Anziehungskraft aus (man denke an die Ereignisse von 1922 und 1948). Schneller als man „Grundrecht auf Eigentum“ sagen kann, hat man – unter dem frenetischem Applaus der Neidgenossenschaft – auf seiner bis dahin lastenfreien Liegenschaft eine „sozial gerechte“ Zwangshypothek eingetragen. Verbleiben diverse spekulative, hochriskante Anlageformen, die allerdings die Gefahr eines Totalverlustes bergen und für den langfristigen Substanzerhalt daher ungeeignet sind.

Gold ist die einzige Wertanlage

Die Alternative zu alldem liegt auf der Hand: Gold ist stabile, unvergängliche, pure Liquidität – der Inbegriff von Geld. Physisches Gold (am besten in Form von weltweit bekannten Bullionmünzen) ist ein universelles Tauschmittel, dessen Wert nicht vom Gutdünken der Politbüros oder korrupter Zentralbanker bestimmt wird. Gold kann man – anders als Papiergeld – nicht beliebig produzieren. Der Besitz von Gold bedeutet – anders als der von Papiergeld – keine Verbindlichkeiten Dritter. Es verkörpert – anders als Papiergeld – einen inneren Wert – keine bloße Hoffnung und kein möglicherweise uneinlösbares Versprechen.

Eine bewährte Investorenregel besagt, dass es in Krisenzeiten angezeigt ist, seine Bargeldbestände zu erhöhen, um für Eventualitäten (z. B. einen „Bankrun“) gewappnet zu sein. In Zeiten ungedeckten Papiergeldes, wird man daher an physischem Gold als einzig „echtem“ Barmittel als zunehmend wichtigem Teil seiner Vermögenswerte schwer vorbeikommen. Es ist allerdings wichtig, zu verstehen, dass der Besitz physischen Goldes kein „Investment“ bedeutet! Es ist „gehortetes“ Vermögen – eine unzerstörbare Absicherung der Zukunft. Wer investieren will und an die Bedeutung des Goldes glaubt, sollte allenfalls daran denken, Goldminenaktien ins Portfolio zu nehmen. Das aber ist ein anderes Paar Schuhe und hat mit Kaufkraftabsicherung nichts zu tun.

Physisches Gold zahlt keine Zinsen – aber es bietet die Möglichkeit, sich abseits des staatlich zwangverordneten Schuld- und Schwundgeldes – eine Wertbasis zu schaffen, deren Stabilität seit Jahrtausenden erprobt und erwiesen ist. Während noch jedes Papiergeld dieser Welt im Laufe der Zeit drastisch an Wert verloren hat oder völlig gescheitert ist, hat Gold, gemessen an seinem Tauschwert, langfristig keine Einbußen erlitten. So erhält man für eine Unze Gold heute, wie schon vor 2000 Jahren, etwa eine komplette, hochwertige Ausstattung an Herrenbekleidung, oder die nahezu gleiche Menge an Rohöl wie vor 100 Jahren (um zwei beliebige Beispiele zu nennen). Der Papierdollar dagegen hat seit 1913 (dem Jahr der Gründung des FED-Systems) rund 97 Prozent seiner Kaufkraft verloren.

Jemand, der hierzulande regelmäßig einkaufen geht, weiß, dass die „gefühlte Inflation“ von jährlich etwa sieben Prozent, seit Einführung des Esperantogeldes, deutlich näher an der Realität liegt, als die mit allerlei Tricks geschönten Werte der beamteten Desinformanten, die von rund zwei Prozent phantasieren. Mittel- und langfristig gehört man als Papiergeldbesitzer jedenfalls zu den Verlierern…

Zum Abschluss die Einleitung des lesenswerten „Goldreports“ des Goldanalysten der österreichischen „Erstebank“, Ronald Stoeferle, eines im Bankwesen seltenen „Austrians“:

„Das Fundament für neue Allzeithochs ist gelegt. Kurzfristig scheint die Saisonalität für eine weitere Seitwärtstendenz zu sprechen, ab August beginnt jedoch bereits die saisonal beste Phase. Als nächstes 12-Monats-Ziel sehen wir die Marke von USD 2.000. Wir erwarten, dass die parabolische Phase noch bevorsteht. Im Zuge dieser Trendbeschleunigung sollte zumindest unser Langfrist-Ziel von USD 2.300 erreicht werden. Einige historische Vergleiche lassen sogar deutlich höhere Preis-Sphären realistisch erscheinen.“

Zum 122 Seiten umfassenden Goldreport 2012 von Ronald Stoeferle/Erstebank: https://produkte.erstegroup.com/Retail/de/ResearchCenter/Overview/Research_Detail/index.phtml?ID_ENTRY=15345

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Italien 2012: Ein naher Nachbar wirkt seltsam fern

01. August 2012 00:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein paar italienische Tage im Krisensommer 2012 zeigen ein verändertes Land – mit den selben alten Eigenschaften. Einige kurze Impressionen.

Noch im Vorjahr sind die angeblich oder wirklich kriminellen beziehungsweise erotischen Eskapaden von Silvio Berlusconi scheinbar das einzige Problem des Landes gewesen, wenn man den dortigen Zeitungen glauben durfte. Heute ist alles anders – obwohl die Schuldenquote des Landes nicht höher ist, als sie es schon vor zwei Jahrzehnten war. Aber heute ist im Zug der europäischen Krise das Vertrauen weg. Und dann wird aus dem Normalzustand plötzlich Panik.

Die Medien überbieten sich derzeit täglich mit neuen Schreckensmeldungen. Wie hoch ist heute der „Spread“? Können die Schulen im Herbst noch geöffnet werden? Vorzeitige Neuwahlen? Geht Sizilien als erstes bankrott, für das nicht einmal mehr Ratings erstellt werden? Dann findet sich aber doch wieder eine altvertraute Meldung, die freilich auch viel über die Ursachen der Krise sagt: Die Eisenbahnergewerkschaften streiken.

Wenn man die Stimmung der Menschen zusammenfasst: Depressiv, aber gefasst. Man bekommt in einst überfüllten Lokalen leicht einen Platz. Die extrem hohen Benzinpreise machen klar, warum alle grenznahen Autofahrer in Österreich noch volltanken. Und noch anschaulicher sind die Angebote der Banken: Diese werben groß mit vier Prozent Zinsen, die sie für einjährig gebundenes Geld zu zahlen bereit sind. In Österreich bekommt man nur die Hälfte.

Der Tourismus scheint im Gegensatz zu Griechenland noch halbwegs zu halten, hat es doch in Italien keinerlei ausländerfeindliche Signale gegeben. Bisweilen wird einem sogar mit vielen Dankesworten die Hand gedrückt, weil es als Zeichen der Solidarität aufgefasst wird, dass man auch in Zeiten wie diesen ins Land kommt.

Durch eine in ganz anderem Zusammenhang stehende Maßnahme ist Italien freilich gerade dabei, Touristen zu vertreiben: In vielen Städten wurde nämlich in jüngster Zeit ein Einfahrverbot für „nichtautorisierte“ Fahrzeuge verhängt. Das ist so großflächig angesetzt worden, dass man es keineswegs mit innerstädtischen Fußgängerzonen vergleichen darf. Dadurch werden Besuche vieler schöner Städte des Landes unmöglich oder kräftig erschwert.

Alles ist noch dazu mit totaler Verwirrung und Unklarheit umgeben, ohne dass es irgendeine Hilfe für ortsunkundige Autofahrer gäbe. Sämtliche Stadtpläne, GPS-Hilfen und Wegweiser führen zu Parkplätzen innerhalb dieser verbotenen Zone, wo dann aber ausdrücklich steht, dass man hier nicht parken darf. Erkundigungen, wie man sich da eigentlich als Ausländer richtig verhalten soll, führen zwar zu etlichen langen Gesprächen mit netten Informationsbeamten. Klarheit erhält man aber keine, außer dass man am besten einige Tage vorher anrufen hätte sollen, um registriert zu werden. Zugleich hat sich jede Stadt ein anderes System der Fahrrestriktionen zurechtgelegt. Es gibt nur eine einzige Gemeinsamkeit: totale Unklarheit. Das alles ist mit Sicherheit geeignet, Städtetouristen zu vertreiben – obwohl die eigentlich die bestzahlende Klientel eines Touristenlandes sind.

Die Italiener haben damit wieder einmal ihren Hang zu überbürokratischem und überschießendem Aktionismus demonstriert, der nur zweierlei bewirkt: Chaos und zusätzliche Beschäftigung für viele Beamte, die zu dessen Administration nötig sind.

Freilich ist durchaus möglich, dass auch dieses Fahrverbotssystem nur selektiv ernstgenommen wird, so wie viele andere italienische Regelungen. Denn man bekommt sogar schon komplizierte Tipps, wie man sich an den elektronischen Kontrollen des Fahrverbots vorbeischwindeln kann.

Nicht ernst genommen werden von den italienischen Behörden jedenfalls auch Schengen und alle sonstigen Zuwanderungsrestriktionen Richtung Europa. Noch nie jedenfalls waren – alle besuchten – italienischen Städte so voller Schwarzafrikaner. In großer Zahl trifft man sie in jeder Innenstadt. Sie sind gut gekleidet, aber bis auf einige Schwarzmarkt- und Bettel-Aktivitäten nie in irgendeinen Arbeitsprozess involviert.

Italienische Grandezza mit ihrem Hang, jedes Problem erst dann zur Kenntnis zu nehmen, wenn es zur großen Katastrophe ausgewachsen ist, zusammen mit katholischem Gutmenschentum und linkem Hass auf die Gesellschaft: Mit diesen drei Faktoren hat man wohl am besten die Ursachen der italienischen Probleme angesprochen – gleichgültig, ob es um die Staatsfinanzen oder die illegale Immigration geht.

Und so liebenswert die Italiener auch sind, so ist doch klar: Irgendwann werden ihre Probleme dann immer auch die unseren.

Drucken

Die Manipulationen der Arbeiterkammer

31. Juli 2012 23:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Verdienen Österreichs ATX-Vorstände wirklich das 48fache ihrer Angestellten, wie die Arbeiterkammer suggeriert und alle Medien brav abschreiben? Oder doch nur das 11fache?

Regelmäßig lässt Österreichs oberster Arbeiterkämmerer Werner Muhm einen Bericht herausgeben, der die Einkommen der obersten drei Dutzend ATX-Vorstände herauspickt und ins Verhältnis zu Millionen Normaleinkommen stellt. Er soll die Verkommenheit des Kapitalismus herausstellen. Warum stellt die Wirtschafskammer nicht ein paar Dutzend Schwarzarbeiter ins Verhältnis zu Millionen Steuerzahlern, um die Verkommenheit des Wohlfahrtsstaates anzuprangern? Warum vergleicht niemand die Gagen unserer Fußball-Trainer mit denen von Millionen kickenden Österreichern? – Weil es manipulativ und unfair ist.

AK-Studie 2008: Trotz Börsenkrise erneut Rekordgagen für ATX-Manager? – ATX-Manager verdienen im vergangenen Jahr 1,300.426 Euro pro Kopf (+14 Prozent), während die Personalkosten auf 27.349 Euro brutto pro Beschäftigten (- 5 Prozent) gesenkt wurden. ?(Arbeiterkammer.at, 23.5.2008)

Bei der Errechnung ihrer Zahlen kann die Arbeiterkammer seit Jahren darauf vertrauen, dass sie niemand nachrechnet oder gar unangenehme Fragen stellt. Der Autor tat es dennoch und kam zu erstaunlichen Ergebnissen: Die Zahlen sind (wohlwollend formuliert:) „grob manipulativ (und) konstruiert“. Personalkosten von 27.349 Euro bedeuten einen Monatslohn von nur 1.953 Euro brutto im Monat − in einem Konzern? Wer schon einmal eine Konzernbilanz gelesen hat, der weiß, dass dieser Wert um mindestens 50 Prozent höher liegen müsste.

Zu ähnlichen Zahlen kommt auch die Statistik der „Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung“, kurz ÖGPP[1]. So hätten die Vorstände etwa des „Raiffeisen International“-Konzernes 2007 im Schnitt eine Million Euro brutto verdient. Den eigenen Mitarbeitern habe man gemäß Bilanz jedoch nur 14.795 Euro brutto zugestanden[2]. Damit habe „der“ „Raiffeisen International“-Manager das 68fache eines Angestellten verdient. Unglaublich – Zu Recht.

Raiffeisen-Top-Manager mit 924 Euro Brutto im Monat?

Denn von den 58.365 International-Giebelkreuzlern arbeiteten 2007 gerade einmal 256 (!) Personen in unserem Land! Und das waren ein paar Spitzenleute in der Wiener Konzernzentrale, die den Megakonzern steuern. Die restlichen 58.100 beziehen ihre Löhne in Osteuropa.[3] Weil sie dort auch leben. Das durchschnittliche Einkommen des „Raiffeisen International“-Mitarbeiters hat man bei der ÖGPP 2008 mit 15.730 Euro brutto jährlich berechnet. Bei 16 Gehältern im Jahr wären das für einen Top-Mitarbeiter in der Konzernzentrale gerade einmal 924,69 Euro brutto im Monat!

Glauben Österreichs Journalisten denn wirklich, der oberste „Risk-Manager“ eines internationalen Bankkonzerns würde sich mit 924,69 Euro brutto im Monat abspeisen lassen? Mit einem Stundenlohn von 5,40 Euro?

Eine andere Studie der AK kommt schon bei einem durchschnittlichen Filialangestellten auf ein Monatsgehalt von etwa 2.200 netto[4]. Macht bei 16 Gehältern also gut und gerne 60.000 Euro jährlich. Und weil wir die Zahlen mit denen einer Konzernzentrale vergleichen wollen, rechnen Sie getrost noch einmal 50 Prozent dazu, macht also 90.000 Euro. DAS ist das realistische Jahresgehalt eines österreichischen (!) Bankers in der Konzernzentrale von „Raiffeisen International“. Als Untergrenze. Der Vorstand kriegt 990.000. Macht also ein Verhältnis von 1:11 – und nicht eines von 1:48 – oder gar 1:68!

AK-Behauptung: „ATX-Manager kürzten die Löhne eigener Mitarbeiter“

Raffgierige Manager steckten sich die Taschen immer voller, während man den eigenen Leuten die Gagen kürze, suggeriert die AK-„Propaganda“. Alleine 2007 „zahlte man den eigenen Mitarbeitern um fünf Prozent weniger“. Wer glaubt denn so einen Unsinn?“ Noch nie seit 1955 wurden in Österreichs Wirtschaft „großflächig“ Löhne gekürzt.

Die Wahrheit: Mit ihrer erfolgreichen Expansion nach Osteuropa konnten Österreichs Firmen den Standort in der Heimat sichern. 2007 beschäftigte man bereits 523.000 Mitarbeiter im Ausland, davon ca. 200.000 in Osteuropa. Weil im Zuge der Finanzkrise 2007 und 2008 die Ostwährungen gegenüber dem harten Euro aber um bis zu 50 Prozent gefallen waren (die ukrainische Hryvna 2008 um -46%!), waren die Löhne osteuropäischer Arbeiter bei der Umrechnung auf dem Papier in Euro nun weniger wert. Je höher der Anteil osteuropäischer Angestellter einer Firma war, desto geringer war folgerichtig die gesamte Lohnsumme in Euro wert. Gleichzeitig stieg damit die Kluft zu den Vorstandsbezügen, die ihr Gehalt in Euro bezogen.

Österreichs Firmen hatten die Löhne nicht gekürzt, auch nicht in Osteuropa. Ganz im Gegenteil: Alleine Raiffeisen International hatte 2007 um elf Prozent mehr Leute in Zentraleuropa aufgenommen und hatte ihnen 27 Prozent in regionaler Währung mehr bezahlt[5]! – Nur in Euro umgerechnet war es halt weniger wert.

Wenn man das Verhältnis der Top-Manager zu ihren Angestellten vergleichen wollte, müsste man die Löhne osteuropäischer Angestellter mit den viel kleineren Bezügen ihrer osteuropäischen Manager vergleichen. Das Ergebnis läge irgendwo bei 1:11. Soll aber die Spreizung österreichischer Löhne verfolgt werden, haben osteuropäische Gehälter dort nichts verloren. Die Gehälter österreichischer Top-Manager dürfen nur ins Verhältnis zu den Gehältern ihrer österreichischen Angestellten gesetzt werden. Dabei kommt man auf Werte von etwa 1:11. Da hilft es auch nichts, wenn die AK im (eher klein gehaltenen) Fließtext auf die Osteuropäer in den untersuchten Firmen hinweist.

AK 2012: ATX-Manager verdienen das 48fache „von Österreichern“?

Via ORF ließ Werner Muhm die Österreicher (wie erwartet) wissen, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander gehe. Und dass Österreichs Vorstände im Jahr 2008 das 48fache „ihrer österreichischen Mitarbeiter“ verdient hätten. Der ORF hatte die vermeintliche Skandal-Meldung (wie erwartet) ohne Prüfung auf den Wahrheitsgehalt über alle zur Verfügung stehenden Kanäle verbreitet[6].

Wer genau liest, der hat es bemerkt: AK-Direktor Muhm verglich die Manager-Gagen plötzlich nicht mehr mit denen von Konzernangestellten, sondern mit einem nebulosen „österreichischen Durchschnittsgehalt“. Auf Anfrage ließ die Arbeiterkammer 2012 wissen, dass man die Berechnungsbasis geändert habe und die Managergehälter nun mit dem Durchschnittsgehalt von 27.437 Euro vergleiche. Diese stammten also vom (SPÖ-nahen) Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, welches sich wiederum bei der Statistik Austria bedient hatte, die von einem SPÖ-Mann geleitet wird.

Damit kommt die AK auch 2011 wieder auf ein Verhältnis von 1:48 – „Uff!“

Konzern

Angestellter

(brutto)[7]

Vorstandsbezug[8]

Verhältnis

AUA

€ 48.542

€ 465.333

1:10

BWIN

€ 53.409

€ 550.000

1:10

Raiffeisen Int.

€ 90.000

€ 990.000

1:11

Telekom Austria

€  64.998

€ 860.000

1:13

Generali

€  52.274

€ 458.000

1:9

Verbund

€  91.297

€ 831.000

1:9

AK

€  27.349

€ 1.300.000

1:48

Lesen ORF-Journalisten keine Bilanzen? Wahrscheinlich gibt es keinen einzigen österreichischen Konzern, dessen österreichische Mitarbeiter nur 27.437 Euro brutto jährlich verdienen. So bekommt man bei Schöller-Bleckmann oder der „Voest Alpine AG“ in Österreich heute etwa 45.000 Euro im Jahr, bei der Telekom Austria 66.000 – immerhin das Zweieinhalbfache des AK-Bezugswertes.

Bei der Generali AG verdienen Österreicher jährlich 55.000 – das Doppelte des AK-Wertes. Bei der AUA sind es heute etwa 48.000 Euro, bei Intercell sind es 56.000, beim Verbund sogar über 90.000 Euro − mehr als das Dreifache des Arbeiterkammer-Wertes. Beim Maschinenbauer Andritz waren es 42.000, bei Zumtobel ebenso – und selbst bei der Post verdiente man noch knapp 33.000 Euro.[9]

Die 27.437 Euro Jahresgehalt sehen eher nach dem Durchschnitt aller 3 Millionen heimischen Gehälter aus. Folglich wären da aber auch Hunderttausende (kleiner) Handwerkerlöhne wie die von Friseurinnen, Schuhmachern und Zimmermädchen eingeschlossen. Eine entsprechende Anfrage an die Arbeiterkammer blieb unbeantwortet.

Wer den Menschen suggeriert, eine abgehobene Manager-Kaste würde sich 48 Mal so viel ausbezahlen wie den eigenen Mitarbeitern, spricht nicht die Wahrheit. Aber er schürt die Wut und den Hass auf „das System“. Die Manager-Vergleiche der Arbeiterkammer machen deutlich, wie dringend Österreich den „Wirtschaftsjournalisten“ braucht – er soll ausschließlich auf wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten angeboten werden und auf dem BWL-Bachelor aufsetzen.

Und es zeigt schonungslos, wie schlecht Österreichs Mainstream durch seine Medien kontrolliert wird. Denn Österreich hat ein veritables Demokratieproblem.

Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist aus Salzburg. Soeben ist sein neues Werk erschienen: „Die Gemeinwohl-Falle". Das Buch ist die Antwort auf die globalisierungskritischen Thesen eines Christian Felber („Attac Österreich“), eines Jean Ziegles oder einer Arbeiterkammer.

Endnoten

[1] Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2006-2010 sowie 2002-2010, Hauenschild/Höferl, ÖGPP, 2011

[2] 2008 waren 20.763 Euro Personalaufwand pro Mitarbeiter angegeben. Bei 32 Prozent Lohnnebenkosten kommt man auf 15.730 Euro Jahresgehalt.

[3] Raiffeisen International, Geschäftsbericht 2008, „Human Ressources“, Entwicklung des Personalstandes

[4] „Wir sind keine Berater, wir sind Verkäufer - Probleme von Beschäftigten im Finanzdienstleistungsbereich Banken“, AK Salzburg, 2008

[5] www.ri.co.at, 6.1.2010

[6] (kaernten.orf.at, 29.2.2012)

[7]„Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2004-2008“, ÖGPP, Oktober 2009

[8] „Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2004-2008“, ÖGPP, Oktober 2009

[9] Wichtige Kennzahlen börsennotierter Unternehmen in Österreich 2006-2010 sowie 2002-2010, Hauenschild/Höferl, ÖGPP, 2011

Drucken

Bevor Deutschland zu Griechenland wird

31. Juli 2012 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In stürmischen Zeiten wie diesen zeigt sich das wahre Gewicht der Souveränität von Kleinstaaten. Es ist gleich Null. Sämtliche Entscheidungen in der europäischen Schuldenkrise laufen völlig an Österreich vorbei. Nicht einmal in den Diskussionen über ein zweifellos gewaltiges Problem ist das Land durch relevante Beiträge präsent gewesen. Dabei stimmt das verbreitete Vorurteil keineswegs, dass die EU-Institutionen ohnedies über die Mitgliedsstaaten drüberfahren würden. Denn in Wahrheit sind in den letzten zweieinhalb Jahren alle wichtigen Entscheidungen nicht in Brüssel, sondern in einem Mitgliedsland, nämlich Deutschland gefallen.

Lediglich in der Sarkozy-Periode hat noch ein zweites Land den Eindruck einer Mitsprache erwecken können. Der Rest war Deutschland. Dort hat 2010 Finanzminister Wolfgang Schäuble als erster die – problematische, aber wirksame – Parole ausgegeben, dass Griechenland nicht fallengelassen werde. Und nur dort werden im Herbst auch die nächsten Entscheidungen fallen.

Die werden in jedem Fall wieder gravierend sein. Nachdem sich die Hilfspolitik gegenüber Griechenland als reine Geldverbrennung erwiesen hat, werden nun die Stimmen immer lauter, das Land an der Ägäis doch fallenzulassen. Wobei es fast gleichgültig ist, ob das nun als Staatsbankrott im Euro oder als Ausscheiden aus dem Euro dargestellt wird.

Während etwa in Österreich selbst die kleinsten Andeutungen einer solchen Möglichkeit durch die Finanzministerin dieser sofort breiten Tadel in Politik und Medien einbringen, wird in Deutschland das Aus für Griechenland in aller Breite und Offenheit diskutiert. Schon an dieser Debatte – von der Politik bis zur Wirtschaftswissenschaft – sieht man das Selbstbewusstsein eines Landes, auf das es eben ankommt.

Warum hat Deutschland eine viel fundiertere Debatte?

Dahinter stehen zweifellos auch Qualitätsunterschiede im politisch-medial-wissenschaftlichen Personal. In Deutschland findet – und hört – man Hunderte Ökonomen, die tiefer analysieren als alle heimischen Experten. In der österreichischen Politik hat außer der Finanzministerin eigentlich niemand auch nur eine Ahnung über alle Aspekte und Zusammenhänge der Finanzkrise. Auch auf Beamtenebene finden in Wien einzig im Finanzministerium (zum Teil halböffentlich) spannende und substanzielle Diskussionen statt. Im Parlament, in Talkshows oder auf Professorenebene gibt es nur billige EU-Apologetik oder ebenso billige Anti-Aggression.

In Deutschland sind es vor allem CSU und FDP, die sich derzeit mutig in Richtung auf ein Aus für Griechenland positionieren. Dabei sind das in der Koalition jene Parteien, die sich bisher häufig duelliert haben, was wiederum Angela Merkel lange ermöglicht hat, den ruhenden und souveränen Pol zu spielen. Aber beide Parteien spüren jetzt offenbar stärker als Merkel oder Schäuble, wie unpopulär die Rettungspolitik ist. Und sie sehen daher angesichts schlechter Umfragen eine Profilierungschance.

Verdrängung ist ein Wert aus Österreich

Die deutsche Eskalation in Sachen Mut ist aber zweifellos auch durch die – erste – Verschlechterung des deutschen Ratings ausgelöst worden. Die Ratingagentur hat dabei im Grund jedoch nur logisch gehandelt: Wenn all die Haftungen schlagend werden, die Deutschland schon eingegangen ist beziehungsweise noch eingehen wird (sofern das deutsche Verfassungsgericht den „Rettungsschirm“ ESM erlaubt), und wenn der Großteil des verliehenen Geldes nie zurückgezahlt wird, dann ist auch Deutschland de facto pleite. Es gibt wenig Zweifel, dass diese Wenns von Monat zu Monat an Wahrscheinlichkeit zunehmen.

Dagegen verliert der Merkel-Spruch, dass die Hilfspolitik alternativlos wäre, rasch an Überzeugungskraft. Wenn das Ergebnis ihrer alternativlosen Politik ist, dass aus Deutschland Griechenland wird – und nicht wie versprochen umgekehrt –, dann wäre jede andere Alternative besser.

Das gilt natürlich genauso auch für Österreich. Nur wird das hier von keinem großen Medium, von keinem Minister, von keinem staatstragenden Ökonomen so artikuliert und analysiert. Die Österreicher feiern offenbar lieber so wie 1914 den wenn auch verregneten Sommer, während ringsum alles ins Zusammenbrechen kommt. Verdrängung ist ein Wert aus Österreich.

In Deutschland hingegen ist die Debatte so hart, dass auch schon manche von vorzeitigen Neuwahlen reden. Was natürlich der absolut falsche Weg wäre. Denn Neuwahlen lösen die Krise nicht, sondern machen nur jede Entscheidung noch schwieriger, wie Griechenland gezeigt hat.

Die anderen Schuldenstaaten schauen genau auf Griechenland

Eigentlich braucht es längst keine Debatte und kein Nachdenken mehr, ob man weiteres Geld nach Griechenland schicken oder ob man diesmal Nein sagen sollte. Denn: Auch wenn der Bericht der sogenannten Troika (EU, EZB, IWF) über die Hellenen noch aussteht, ist inhaltlich das Ergebnis völlig klar. Griechenland hat wieder nicht die versprochenen Reformen umgesetzt. Um das zu erkennen, muss man nur die Beschlüsse von Regierung und Parlament in Athen beobachten. Wenn die Troika keine Halluzinationen hat, kann auch sie nur zu einem negativen Urteil kommen.

Mit anderen Worten: Wenn Deutschland, wenn Europa wenigstens halbwegs glaubwürdig bleiben wollen, dann müssen sie jetzt einfach ihre Ankündigungen einhalten. Die haben Hunderte Male klar gelautet: Keine Reformen, kein Geld.

Bei dieser Glaubwürdigkeit geht es keineswegs nur um einen abstrakten Wert, um eine wählerwirksame Tugendbolderei. Es geht vor allem um die Beispielswirkung. Denn wenn Griechenland noch einmal mit seinen Schmähs durchkommen sollte, dann hat das verheerende Konsequenzen in vielen anderen Ländern. In Italien und Spanien werden die Gewerkschaften noch viel heftiger gegen die Sparversuche der jeweiligen Regierungen kämpfen. Und auch Portugal wie Irland werden ihre Sparanstrengungen einstellen, wenn aus Berlin und Brüssel das Signal kommt, der – scheinbar – reiche Onkel zahle ohnedies weiterhin alle ungedeckten Schecks. Dabei haben diese beiden Krisenländer zumindest bisher recht ordentlich ihre zugesagte Sanierungspolitik umgesetzt, sind aber noch lange nicht am rettenden Ufer.

Das Dilemma der Angela Merkel

Der Kein-Geld-mehr-für-Griechenland-Mut von CSU und FDP wird aber auch in Deutschland keineswegs von allen geteilt. Rot und Grün treten mit Ausnahme von Exminister Steinbrück ständig für weitere Hilfen ein; die beiden Parteien haben sogar große Sympathien für Eurobonds und andere Formen einer fortgesetzten Schuldenübernahme.

Und Angela Merkel ist völlig verunsichert. Sie weiß: Wenn sie diesmal konsequent bleibt, werden von Helmut Kohl bis zu den vielen linken Medien, von der Brüsseler Kommission bis zu einer Vielzahl ausländischer Regierungen alle über sie herfallen und sie als Mörderin Europas geißeln, samt den üblichen Anspielungen auf die deutsche Kriegsschuld. Diese Rolle ist halt so gar nicht nach Merkels Charakter. Sie weiß aber auch, dass die gegenwärtige Stabilität selbst in Deutschland durch heftige ökonomische Turbulenzen bedroht ist, wenn wirklich ein erster EU-Staat fallengelassen wird. Das wird einen unberechenbaren Tsunami auslösen. Einen sanften Krisenausklang kann es nämlich gar nicht mehr geben.

Merkel ist vor allem in Hinblick auf die deutsche Volksseele unsicher: Werden ihre Landsleute begreifen, dass die bei einem Nein zu weiteren Griechenland-Geldern ausbrechenden Turbulenzen harmlos sind gegen das, was droht, wenn man noch einmal nachgegeben hätte? Wähler denken oft nicht über die Alternativen zu einer unangenehmen Entscheidung nach. Sie reagieren einfach empört, wenn ihnen die in jedem Fall unvermeidliche Rechnung präsentiert wird. Auch wenn sie ein paar Wochen davor noch ganz anders gedacht und nach einem Aus für die Griechenland-Hilfe gerufen haben.

Schmerzfreie Alternativen wird aber auch Merkel keine mehr finden. Dazu ist in Europa und in fast jedem einzelnen Land schon viel zu viel schief gelaufen.

Die Wagenknecht-Illusion

Eine schmerzfreie Alternative stellen auch die jüngsten Ideen der linken Sahra Wagenknecht nicht dar, auch wenn diese derzeit in Deutschland weithin als eine liberale Wende der Salonkommunistin gefeiert werden. Wagenknecht verlangt nämlich eine Ende der ständigen Rettung von Staaten und Banken. Das ist sicher richtig und ein klares liberales Prinzip. Alle anderen linken Politiker haben in den letzten Jahren hingegen ständig nach immer noch mehr „Solidarität“, also teuren Rettungsaktionen gerufen.

Wagenknecht schlägt aber zugleich vieles sehr Problematische vor. Sie will, dass den Staaten sofort alle 60 Prozent des BIP übersteigenden Schulden gestrichen werden. Und sie will auch, dass sich die Staaten künftig gleich direkt bei der Europäischen Zentralbank finanzieren können. Das wäre eine endgültige Katastrophe. Dann wäre jede Bremse für die Geldverbrennung durch die Regierungen beendet. Dann könnte niemand mehr darüber entscheiden, welches Land noch kreditwürdig scheint und welches nicht. Dann hätten die Staaten zugleich die Kontrolle über praktisch alle Banken.

Denn die wären alle bankrott, wenn kein Staat mehr Anleihen zurückzahlen würde (Sind doch fast alle Euro-Staaten mit mehr als 60 Prozent verschuldet). Mit einem Bankencrash wären natürlich auch die dort liegenden privaten Vermögen kaputt, die über eine Mindestsicherung hinausgehen. Nach einer Verstaatlichung der Banken würden Politiker bei der privaten Kreditvergabe heftig mitentscheiden. So wie sie es jahrzehntelang in Kärnten und bei fast allen anderen Landesbanken oder bei den einstigen Staatsbanken getan haben. Mit katastrophalen Folgen.

Aber dennoch zeigt die Wagenknecht-Diskussion eines: In Deutschland wird von allen Seiten wenigstens heftig diskutiert und nachgedacht. Worauf Österreich konsequent verzichtet.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Welche PKW kauften die Österreicher 2012?

29. Juli 2012 13:04 | Autor: Andreas Unterberger

PKW-Neuzulassungen Jänner bis Juni 2012 nach Marken und Typen

 

Drucken

Wie entwickelten sich Konsumausgaben & Einkommen?

29. Juli 2012 12:56 | Autor: Andreas Unterberger

Einkommen in Österreich nach Quellen, brutto & netto, absolut sowie in Relation zum Vorjahr 2003-2011

 

 

Entwicklung der Konsumausgaben nominell bzw. Veränderung real 2003-2011

Drucken

Die Faustregel

28. Juli 2012 03:42 | Autor: Pannonicus
Rubrik: Gastkommentar

Wie einst in Delphi Pythia
sind heute Agenturen da,
die Zukunft zu erraten –
und wenn der Pleitegeier ruft,
wird eben flott herabgestuft,
ob Banken oder Staaten.

Italien betraf’s zuletzt,
und manche fragen nun entsetzt:
Wie konnte das passieren,
denn sorgt dort nicht seit letztem Jahr
als Goldmann-Sachsen-Kommissar
der Monti für Manieren?

Doch seht nur, gar nix ist passiert:
Die Kurse hat es nicht tangiert,
und Großkredit gibt’s weiter,
sind Investoren ja perfekt
durch Schirme aller Art gedeckt –
da bleibt man froh und heiter!

Alsbald schon winkt noch mehr an Glück,
denn Berlusconi kehrt zurück,
wie Meldungen besagen:
Gebräunt, verschlankt und durchtrainiert,
so quasi generalsaniert,
will er es nochmals wagen.

Auf dass sie besser sich verkauft,
hat die Partei er umgetauft,
der Adler wird zum Wappen,
und mit genügend Rauch und Schall,
wie altbewährt auf jeden Fall,
könnt’s wirklich wieder klappen.

Wer Sieger wird das nächste Mal,
ist aber ohnehin egal –
wie überall bei Wahlen,
denn nach dem kurzen Gaudium
ist stets das Volk genauso dumm,
und muss die Zeche zahlen…

Pannonicus

Drucken

Die Kuschelökonomie

28. Juli 2012 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Im Grund ist alles Psychologie. Das wissen Börseprofis. Sie versuchen bei jeder kleinen Nachricht zu ahnen, wie die anderen – der „Markt“ – reagieren werden, und handeln dementsprechend.

Auch in der Erziehung ist die eigene psychologische Glaubwürdigkeit zentral. Wenn Eltern Kindern ständig etwas androhen (à la: „Dann darfst du nicht fernsehen“), das aber aus Angst vor einem Konflikt nie realisieren, dann verlieren sie jede Glaubwürdigkeit. Sie ernten im Lauf der Zeit die Verachtung ihrer Kinder und das Risiko viel ärgerer Konflikte. Die Kuschelpädagogik der 68er Generation ist aus diesem Grund gescheitert.

Nur die europäische Politik handelt noch nach deren Regeln, vor allem rund um den Euro. Sie hat damit die eigene Glaubwürdigkeit verspielt. Statt konsequent zu sein, hat sie sich lächerlich gemacht.

Sie hat aus Weichheit Länder in den Euro aufgenommen, welche die eindeutigen Aufnahmekriterien bei weitem verfehlt haben. Es gab nie Konsequenzen gegen jene Staaten, die dann nach Einführung des Euro die Regeln verletzt haben. Es gab keinerlei Strafmaßnahmen wegen betrügerischer Manipulationen volkswirtschaftlicher Daten; Kommissionspräsident Barroso ist noch immer im Amt, der die Griechen 2004 in aller südländischen Grandezza von diesem (vielleicht sogar mit Wissen Brüssels passierten!) Betrug pardoniert hat. Europa hat die hoch und heilig auf höchster EU-Verfassungsebene einbetonierte No-Bailout-Regel gebrochen und entsorgt (also das Verbot, andere EU-Länder aus einer Pleite herauszuboxen). Griechenland hat jedes Mal die detailliertesten Reformzusagen gebrochen und dennoch jedes Mal nach einigem Zetern immer das benötigte Geld bekommen.

Wer soll heute noch diese EU, diese EZB ernst nehmen? Auch die Griechen tun das nicht. Sie haben nur solange ernsthaft gespart, als sie mit einer Pleite rechnen mussten. Sobald die ersten Hilfsgelder da waren, tun sie nur noch so als ob. Was aber noch schlimmer ist: Die mangelnde Konsequenz gegen Griechenland wirkt sich auch in allen anderen Ländern aus. Niemand nimmt Drohungen aus Brüssel weiter ernst. Man beklagt zwar wie ein professioneller Friedhofsredner tränendrüsendrückend ein „Zu Tode sparen“, aber dennoch gibt es auch heute nur ein einziges EU-Land, das weniger ausgibt, als es einnimmt. Das ist Estland . . .

Aber man würde doch das große „Friedensprojekt Europa“ gefährden, so heißt es von den Fans dieser Kuschelökonomie, wäre man wirklich konsequent! Deshalb sei der „Vorrang der Politik“ über alle Ökonomie so wichtig! Wahr ist freilich das Gegenteil. Zwar hat man sich – wie Eltern, die dann halt doch immer das Fernsehen erlauben, – kurzfristig einen Konflikt erspart. Langfristig wird es dafür umso sichererer umso größere Konflikte geben.

Hätte man die Griechen 2000 nicht in den Euro gelassen oder sie seit 2010 nicht durchgefüttert, hätten sie selbstverantwortlich handeln müssen. Jetzt aber sind an jedem Übel in Griechenland die Deutschen schuld und an allen deutschen Problemen die Griechen. Hass ist nie gut für den Frieden.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

UVP: Der Megaschaden durch grüne und provinzielle Dummheit

25. Juli 2012 01:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In aller Stille wurde im Trubel des politischen Saisonschlusses ein neuer schwerer Anschlag auf die wirtschaftliche Zukunft Österreichs Realität. Aber niemand hat sich aufgeregt. Denn wieder einmal haben grüne und provinzielle Borniertheit einen Schulterschluss geübt. Und in diesem Fall ist in Österreich jede Dummheit mehrheitsfähig. Besonders dann, wenn einer der Haupttäter hinter den Kulissen Erwin Pröll heißt.

Es geht um die Neuregelung der Umweltverträglichkeitsprüfung UVP. Diese verzögert jede relevante Investitionen um Jahre, meist sogar Jahrzehnte. Dabei gäbe es für diese Projekte oft durchaus das notwendige und sonst oft fehlende Geld, weil sie wirtschaftlich häufig sinnvoll sind. Dabei sind solche Investitionen der beste Anschub für neues Wirtschaftswachstum, das ja derzeit von allen Seiten als dringend notwendig in Zeiten der Krise erkannt wird. Denn nur mit einem nicht durch neue Schulden erkauften Wachstum könnte es vielleicht doch noch möglich sein, den größten Schuldenberg der Menschheitsgeschichte abzubauen.

Dennoch hat man die UVP dramatisch verschärft. Der Gesetzgeber – Hauptverantwortlicher wieder einmal Nikolaus Berlakovich – sorgte dafür, dass künftig in noch viel mehr Fällen eine solche UVP stattfinden wird. Womit noch viel mehr Investitionen als bisher auf unendlich lange Bänke verschoben werden. Womit diese Investitionen noch viel teurer werden. Womit viele von ihnen künftig nicht mehr in Österreich, sondern im Ausland getätigt werden.

Denn künftig werden 25 grüne Privatvereine, die sich großspurig NGO – Nichtregierungsorganisationen – nennen, ein Antragsrecht haben, um eine solche UVP durchzusetzen (Genauer gesagt: sie können jeden Bescheid beeinspruchen, der ein Projekt als nicht UVP-pflichtig eingestuft hat). Damit droht jedes über die Dimension einer Schrebergartenhütte hinausgehendes Projekt via UVP erstickt zu werden. Denn zumindest einer dieser Vereine wird mit Sicherheit einen solchen Antrag stellen. Schon um die eigene Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen.

Gleichzeitig hat der niederösterreichische Populist Erwin Pröll Hand in Hand mit den grünen Wirtschaftsgegnern noch etwas ähnlich Wahnwitziges durchgesetzt: Aus lauter Angst, dass sich die Erdgasschätze unter dem Weinviertel als so groß wie vermutet erweisen könnten, ist nun nicht nur deren eventuelle Nutzung (wie bisher) UVP-pflichtig, sondern auch schon jede Probebohrung. Was natürlich jede Probebohrung verhindert. Angesichts der Tatsache, dass die Energieknappheit neben der Schuldenkrise und dem demographischen Kollaps das größte Zukunftsproblem Europas ist, ist das vorsichtig ausgedrückt extrem kurzsichtig.

Diese prohibitiv wirkende UVP-Pflicht trifft freilich nicht nur Probebohrungen nach Gas oder Öl, sondern auch jene nach warmen Quellen oder anderen Nutzungsformen der Geothermie. Man weiß ja bei einer solchen Bohrung vorher nie, auf was man stößt. Diese Erdwärme ist eine derzeit sehr viel versprechende Quelle der alternativen Energiegewinnung und noch nicht als so unsinnig entlarvt wie Solarenergie-Investitionen nördlich der Alpen. Aber Pröll fürchtet, dass einige Niederösterreicher ihn beim nächsten Mal nicht wählen werden, wenn irgendwo am Horizont ein Bohrturm auftaucht. Also dürfen die nicht auftauchen.

Pröll hat sich übrigens im Zusammenhang mit der UVP-Novelle noch in einem weiteren Punkt durchgesetzt, der aber wenigstens keinen wirtschaftlichen Schaden anrichtet. Der gleichsam ein Gegengeschäft mit den Grünfreaks darstellt: Die dritte Piste für den Flughafen Schwechat darf gebaut werden. Diese wäre wichtig für Tourismus und den Konferenzstandort Wien, sie würde zur Entlastung der bisherigen zwei Pisten beitragen, und dürfte auch die Lärmbelastung mancher Regionen im Großraum Wien reduzieren. Das wäre also positiv.

Freilich: Ob diese Piste überhaupt jemals benötigt wird, ist nach dem von Politik und Gewerkschaft verschuldeten und von den neuen Eigentümern bisher keineswegs aufgefangenen Sinkflug der AUA noch keineswegs sicher. Einzige Hoffnung ist der Umstand, dass in Frankfurt wie München die Flughafengegner die Oberhand haben, sodass Wien doch noch ein wenig Bedeutung zurückerobern könnte.

Noch einmal zurück zur UVP. Manche werden einwenden, im Gesetz stehe doch eine knappe zeitliche Begrenzung der UVP-Verfahren. Daher sei das alles doch nicht so schlimm. Liebe Träumer, bitte aufwachen: Das ist doch eine rein theoretische und völlig konsequenzenlose Bestimmung. Eine Lex imperfecta, wie das die Juristen nennen. Oft dauert ja schon die Suche nach einem Sachverständigen länger, als die im Gesetz stehenden Fristen betragen . . .

PS.: Dass in früheren Zeiten die Industriellenvereinigung bei solchen Dummheiten laut aufgeschrien hätte, ist ferne Vergangenheit. Denn diese Vereinigung ist nun „sozialliberal“ und nur noch an der Zerstörung des Gymnasiums und der Familie interessiert, und nicht mehr am Industriestandort Österreich.

 

Drucken

Dummheit, nicht Armut macht krank

24. Juli 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Gesundheitssystem mit seinen explodierenden Kosten zählt neben Pensionen, Schulden und Demographie zu den gefährlichsten Zeitbomben, auf denen die Europäer sitzen. Und in keinem Bereich wird so emotional und gutmenschlich, aber in Wahrheit untergriffig argumentiert. Wie: „Gesundheit darf keine Frage des Geldes sein.“ Oder: „Es ist ein Skandal, dass Armut krank macht“.

Solche Sätze werden ständig wiederholt. Und dennoch sind beide Sätze falsch. Denn: Wenn Gesundheit keine Frage des Geldes sein darf, müssen dann etwa Ärzte, Krankenschwestern, Pharmaforscher, Rettungsfahrer und viele andere umsonst arbeiten? Nein, nein, das sei natürlich nicht gemeint. Also geht es doch um Geld.

Aber woher soll es kommen? Früher oder später wird natürlich der Staat als Lösung des Problems präsentiert. Aber wo nimmt dieser das Geld her? Durch noch mehr Schulden? Durch noch mehr Steuern und Sozialabgaben in einer der schon jetzt höchstbesteuerten Regionen des Globus? Obwohl dies mit großer Wahrscheinlichkeit zu noch mehr Steuerflucht und Steuervermeidung, also in der Summe zu Mindereinnahmen führen würde?

Der Staat muss Vieles reformieren, kann aber nicht alles finanzieren

Wer ehrlich ist – was nicht allzu viele Teilnehmer an der Gesundheitsdebatte sind –, der muss letztlich zugeben, dass auch der Staat keine Antwort auf die ständig steigenden Gesundheitskosten bedeutet. Die Staaten sind jedoch in ganz anderer Rolle gefragt: Sie könnten und müssten jene Einsparungen organisieren, die nicht auf die medizinische Qualität gehen. Und da gibt es viele Möglichkeiten, nein Notwendigkeiten.

Der Staat, wenn wir jetzt einmal nur von Österreich reden, müsste endlich Konkurrenz zwischen den Krankenkassen schaffen. Er müsste die absurden geographischen wie medizinischen Überkapazitäten der vielen aus Steuergeldern finanzierten Spitäler beenden. Hat doch Österreich so viele Betten und so viele Spitalsaufenthalte wie kein anderes europäisches Land. Werden doch wegen der Eitelkeiten von Landeshauptleuten und Bürgermeistern viel zu viele Spitäler betrieben, werden doch viel zu viele Patienten in teuren Spitalsbetten behandelt, nur weil das gratis ist, nur weil es keinen Altersheimplatz gibt.

Der Staat müsste die Spitäler zur Spezialisierung zwingen, sind doch in vielen Land-Krankenhäusern bestimmte, nur selten anfallende Operationen ein lebensgefährliches Gesundheitsrisiko. Er müsste durch Vorantreiben der Privatisierung von Spitälern für einen Qualitäts- und Kostenwettbewerb sorgen. Er müsste die leistungsfeindliche Macht der Schwestern-Gewerkschaft in vielen öffentlichen Spitälern einschränken. Er müsste insbesondere dafür sorgen, dass für jeden einzelnen Patienten der Hausarzt als einzige Drehscheibe alle jene Behandlungen koordiniert, für die öffentliche Gelder fließen, was viele Doppelbehandlungen und -diagnosen beenden würde.

Die ToDo-Liste ließe sich noch lange erweitern und sieht für jedes EU-Land im Detail anders aus. Mit solchen Maßnahmen ließe sich zweifellos vieles ohne medizinischen Verlust sinnvoller machen. Diese Maßnahmen sind aber bisher immer an Eitelkeiten, verheimlichten finanziellen Interessen und – zum Teil auch parteipolitisch fundierten – Machtkämpfen zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, Sozialpartnern, privatwirtschaftlichen Anbietern, Schwesterngewerkschaften und Ärzten gescheitert.

Trotz allem: Medizin wird immer teurer

Dennoch sollte man sich keinen Illusionen hingeben: Langfristig werden die Gesundheitsausgaben dennoch europaweit weiter steigen, selbst wenn – unwahrscheinlicherweise – all diese Sparpotenziale genutzt werden sollten, die in jedem einzelnen Staat anders aussehen.

Das Steigen der Gesundheitskosten ist aus mehreren Gründen gewiss: Wir leben alle viel länger als frühere Generationen; daher fragen wir im Lauf der Jahrzehnte viel mehr medizinische Leistungen nach als frühere Generationen. Die Fortschritte der Medizin machen ständig mehr Leiden therapierbar, die bisher einfach tatenlos und damit in der Regel kostenlos hingenommen werden mussten. Unsere Ansprüche an einen problemlosen körperlichen Zustand werden immer höher.

Und all diese Entwicklungen werden durch die Demografie noch potenziert: Der Anteil der alten und daher krankheitsanfälligeren Menschen an der Gesamtbevölkerung wird immer größer. Und zugleich nimmt der ungesunde Lebensstil vom Übergewicht bis zum Missbrauch problematischer Substanzen ständig zu.

Krankheit ist immer das Risiko des Patienten

Was also tun? Irgendwann werden wir ein von allen involvierten Parteien bisher wie die Pest gemiedenes Tabuthema ansprechen müssen: Das ist der Patient selber. Immerhin ist letztlich jede Krankheit einzig und allein das existenzielle Risiko des Patienten. Das wird oft verdrängt. Er ist aber in vielen Fällen nicht nur für die Folgen, sondern auch für die Ursachen der Krankheit verantwortlich. Es gibt daher überhaupt keinen Grund, dass der Patient nicht auch in irgendeiner Form finanziell an seiner Krank- oder Gesundheit beteiligt wird.

An diesem Punkt einer Debatte wird einem meist sofort das populistische Argument entgegengeschleudert: „Soll der Kranke jetzt auch noch finanziell für seine Krankheit bestraft werden? Der ist eh schon bestraft genug. Das ist doch unmenschlich.“ Nein, das ist es nicht. Denn dadurch würde im Gegenteil das Interesse der Menschen an der eigenen Gesundheit deutlich erhöht werden.

Es kann doch nicht sein, dass die Bürger teuflisch auf ihr Auto aufpassen, weil sie jede Reparatur selber teuer zahlen müssen. Dass viele (natürlich keineswegs alle) Mitbürger ihren Körper aber skandalös vernachlässigen, schlecht behandeln oder gefährlichen Risken aussetzen: aus Ignoranz und weil die Reparatur ohnedies die Allgemeinheit zahlt.

Ärzte denken an den Geldbeutel der Patienten, nicht jenen der Krankenkassen

Interessanterweise beginnen auch Ärzte unabhängig von ihren eigenen Interessen kostenbewusster zu denken, wenn sie wissen, dass der vor ihnen sitzende oder liegende Mensch einen Teil der Kosten selber tragen muss. Das ist eine unterschwellig sehr wirksame Bremse gegen überflüssige Therapievorschläge. Da gibt‘s dann kein „Zahlt eh die Krankenkassa“ mehr.

Heute wissen wir, in welch hohem Ausmaß der eigene Lebensstil und das eigene Risikobewusstsein die eigene Gesundheit beeinflussen. Von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bestimmten Krebsformen bis zu Diabetes ist unglaublich viel durch Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel signifikant (mit)ausgelöst. Dazu kommen die schweren Verletzungen und bisweilen lebenslangen Behinderungen durch Extremsport oder auch durch die riskante Ausübung harmloserer Sportarten.

Gewiss wäre es jetzt falsch und übel, wenn jeder Kranke mit dem Vorwurf „Selber schuld“ leben müsste. Gewiss kann und soll nicht in jedem Einzelfall gemessen werden, ob und zu wie viel Prozent Selbstverschulden vorliegt. Bei genetischen, infektions- oder umweltbedingten Erkrankungen ist das natürlich Null. Aber in jedem Fall wäre eine spürbare, wenn auch niemanden finanziell ruinierende Beteiligung an den Behandlungskosten ein starker Antrieb zu einem sinnvolleren Lebensstil. Das wirkt zehnmal besser, als es alle staatlichen Propagandaaktionen allein könnten.

Desinteresse und Bildungsmängel

Wichtig ist aber auch ein viel besseres Wissen um die eigene Gesundheit und ihre Bedrohungen. Da gibt es zweifellos gewaltige Mängel im Schulsystem, in dem Gesundheit nicht gerade einen Schwerpunkt bildet. Das wäre auch eine sinnvolle Realisierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des Gebührenfernsehens und -radios. Denn nirgendwo anders werden die Menschen mehr desinformiert als im Bereich Gesundheit: Denn hier sind viele Magazine und Beilagen rein inseratengesteuert. Es werden von den Medien also überwiegend jene Produkte und Therapien vorgestellt, die heftig und teuer beworben werden. Das sind aber in aller Regel weder die sinnvollsten noch die billigsten.

Denn nicht Armut macht krank, wie linke Ideologen behaupten, sondern Dummheit. Oder präziser formuliert: Wissensmängel, Desinteresse und Bildungsdefizite machen sowohl arm wie auch krank.

Das Gratis-Gesundheitssystem fördert aber Wissensmangel und Desinteresse. Denn wer glaubt, ohne Eigenleistung nur bisweilen den Körper bei Arzt oder Spital abgeben zu können und ihn gratis topfit zurückzubekommen, der hat natürlich auch kein Interesse an mehr Wissen oder gesünderem Leben.

Von der Pflichtschule zum Herzinfarkt

Das lässt sich auch durch erschreckende Statistiken beweisen. Männer, die nur eine Pflicht- oder Realschule besucht, aber keine sonstige Berufsausbildung haben, haben ein mehr als dreifach so hohes Herzinfarktrisiko wie jene mit Matura oder höheren Abschlüssen. Sie werden aber sicher nicht einer Armut wegen krank, auch wenn das noch so oft behauptet wird, auch wenn Pflichtschulabsolventen im Schnitt weniger verdienen als Akademiker. Denn Rauchen beispielsweise, um ein Hauptrisiko zu nennen, ist sicher weit teurer als Nichtrauchen. Und auch Wandern oder Laufen ist meines Wissens nach billiger als Bier, Stelze und Junk-Food vor dem Fernseher.

Es geht also um Motivation, um Einstellungsänderungen, um Bewusstseins- und Wissensaufbau. All das wird ebenso wie die Bereitschaft, bei Extremsport eigene Versicherungen abzuschließen, für den einzelnen viel wichtiger, wenn er selber finanzielle Auswirkungen einer Krankheit zu spüren bekommt. Wenn einer aber dennoch an allem desinteressiert ist, dann ist es erst recht legitim, dass er sich nicht auf Kosten der Allgemeinheit durchsetzen kann.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Die Reichen-Abgabe als neues Modegift

19. Juli 2012 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die neueste Idee zur Milderung der europäischen Schuldenkrise klingt aufs erste durchaus plausibel. Sie ist auch in vielen Medien wohlgefällig aufgenommen worden: Es ist der Vorschlag einer Zwangsabgabe für reiche Bürger der Schuldenstaaten. Das scheint harmlos. Es trifft ja eh nur die Reichen; es geht eh nur um Griechen & Co; und es ist eh nur ein Kredit, muss also zurückgezahlt werden.

In Wahrheit jedoch sollte dieser von einem deutschen Wirtschaftsforscher ausgebrütete Plan sofort wieder in den Giftschrank absolut tödlicher Ideen versperrt werden.

Kein Wunder, dass das deutsche Finanzministerium den Vorschlag sofort als „interessant“ bezeichnet hat, obwohl die Idee nur von einem einzigen Ökonomen kommt. Während die Regierung die Warnungen von 200 anderen, seriösen Ökonomen ignoriert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Grüne Abenddämmerung

18. Juli 2012 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was für eine Partei sind eigentlich die Grünen des Jahres 2012? Sie versuchen ja derzeit alles, um endlich einmal in eine Regierung zu kommen. Ein solches Bestreben ist in einer Demokratie nicht nur durchaus legitim, sondern auch normal. Aber was bedeutet eine grüne Regierungsbeteiligung eigentlich für dieses Land? Und was für eine Partei sind diese Grünen?

Auf Grund ihrer inhaltlichen Nähe zu vielen Journalisten sind die Grünen medial sehr präsent und werden dennoch kaum jemals kritisch durchleuchtet. Sie werden dort höchstens mit der immer gleichen Frage konfrontiert: Warum seid ihr Grünen denn nicht erfolgreicher, damit ihr endlich (unsere gemeinsamen) linken Inhalte durchsetzen könnt?

Auf der Seite der Pluspunkte steht gewiss, dass sie als Partei mit sehr geringer Regierungserfahrung in Sachen Korruption am relativ saubersten dastehen. Das wird aber seit zwei Jahren dadurch massiv konterkariert, dass sie in einem der Brennpunkte der Korruption, dem Wiener Rathaus, als billige Mehrheitsbeschaffer für die dortigen Netzwerke fungieren, ohne da irgendwie als Saubermacher aufzutreten. Obwohl von der Inseratenbestechung über die Postenvergaben in Rathaus, Gemeindebetrieben und Spitälern bis zu den extrem bestechungsanfälligen Baubehörden ein weites Tätigkeitsfeld vorzufinden wäre.

Soziologisch sind die Grünen im letzten Jahrzehnt rasch gealtert. Sie haben weitgehend den frischen Mythos als Jugendpartei verloren. Sie sind zur Gruppierung der altgewordenen, dogmatischen und verbitterten Oberlehrer der Intoleranz geworden, die lediglich für Zuwanderer, Schwule und Feministinnen ein offenes Herz haben. Die im Zeichen einer Diktatur der Political correctness jede Meinungsfreiheit bekämpfen.

Das aber nimmt ihnen automatisch jede Wachstumsperspektive. Für die Jungen sind die Piraten als jugendlich-anarchistische Spassgruppierung viel attraktiver. Die Grünen haben mit der Piraten-Klientel als Interessenpartei der etablierten Künstler eigentlich Interessengegensätze in Sachen Urheberrecht und Online-Diebstahl. Da sie aber andererseits nicht als Law-and-Order-Partei erscheinen wollen, fehlt ihnen überhaupt eine erkennbare Linie.

Selbst bei den von ihnen so geförderten Moslem-Zuwanderern können die Grünen nicht wirklich punkten, sind doch für diese sowohl Feminismus wie auch Schwulenfreundlichkeit absolut rote Tücher. Da hilft selbst der Zufall nichts, dass Grün auch die Farbe des Islams ist. Bei den inländischen Jugendlichen wiederum stellt die Zuwanderungsfreundlichkeit der Grünen eine weitgehende Unberührbarkeit her. Und bei den Schülern verscherzen sie sich wiederum mit ihrem Gesamtschul-Fanatismus fast jede Sympathie.

Gewiss können die Grünen als Interessenvertreter der Radfahrer bei all jenen punkten, bei denen das Radfahren die zentrale politische Kategorie ist. Diese Positionierung schafft aber wiederum bei einer wachsenden Anzahl von Fußgängern und Autofahrern große Aversionen, haben doch die Grünen den Radfahrern de facto das Privileg eines gesetzfreien Raumes erkämpft. Kein Polizist, keine Stadtverwaltung wagt etwas Wirksames gegen nächtens lichtlose oder Ampeln ignorierende Radfahrer zu unternehmen oder gegen die vielen rücksichtlos „Jetzt komm ich“-Radler am Wiener Ring oder auf anderen von Fußgängern genutzten Flächen. Sie alle fürchten die Grünen und ihre Journalisten als die Paten dieser Rad-Rowdys.

Aber der Umweltschutz! So werden nun manche einwerfen. Gewiss ist das bei den Grünen ein ganz wichtiges Thema. Aber auch das nutzt nichts mehr.

Erstens hat das Thema bei allen Umfragen sehr stark an Wertigkeit verloren; zweitens ist der Umweltschutz mehr oder weniger auch von allen anderen Parteien besetzt worden; das führt drittens zu einer hohen und in Zukunft noch stark wachsenden Stromkostenbelastung für jeden Haushalt und Arbeitsplatz, was in Zukunft zweifellos die Anti-Grün-Aversionen steigern wird.

Ebenso tut das die Verschandelung der Landschaft durch die hässlichen und ineffizienten Windräder. Die Grünen, die sich einst fast als Aufsummierung aller Bürgerinitiativen dieses Landes verstanden haben, sind nun zunehmend hilflos. Denn immer mehr Initiativen wenden sich genau gegen grüne Projekte wie diese Windräder oder die Ausdehnung der Wiener Parkpickerl-Pflicht (was unabhängig davon gilt, dass ich selbst Letztere für gut halte).

In Zeiten wie diesen ist aber ein ganz anderes Thema noch viel wichtiger als Gesellschafts- oder Umweltpolitik: Das ist die Sorge um die Stabilität von Wirtschaft und Finanzen. Und das ist der allergrößte Schwachpunkt der Grünen.

Ihr Abstimmungsverhalten in den letzten Jahren hat eine zwar klare, aber katastrophale Linie gezeigt: Sie kämpfen als unliberale Staatsfetischisten für fast alles, was das Defizit vergrößert oder die Steuern erhöht (wobei bekanntlich auch Steuererhöhungen auf Grund des Laffer-Effekts nur noch scheinbar eine Defizitreduktion bewirken, sondern oft zu einer Einnahmenreduktion führen). Nur in einem einzigen Punkt haben sie sich als Vertreter der Sparsamkeit und Vernunft etabliert: Sie sind gegen den Bau dreier gigantischer Bahntunnel. Dafür wollen sie beispielsweise Gratisunis für alle ohne jede Zugangsbeschränkung und glauben ernsthaft, dass dort Qualität produziert werden kann..

Die Grünwähler sind zwar die reichsten aller Parteien, sie malen aber dennoch zusammen mit der Arbeiterkammer und naiven Kirchenfunktionären ständig das linksradikale Grotesk-Bild von der immer größer werdenden Armut an die Wand. Was national wie global einfach nicht stimmt. Aber mit dieser Projektion begründen die Grünen ihre Forderung nach ständig noch mehr Sozialausgaben, bedingungslosem Grundeinkommen und dergleichen.

Am absurdesten aber ist das Verhalten der Grünen in der Währungskrise. Sie haben zwar für den neuen 700-Milliarden-(oder-mehr)-Fonds des ESM gestimmt, nicht aber für den Stabilitätspakt. Dabei sind beide Pakte von der europäischen wie ökonomischen Logik her engst verbunden. Mit diesem Ja-Nein sind die Grünen nur noch skurril.

Denn man kann mit guten Gründen gegen beide Pakte sein, wie es Blau und Orange tun. Man kann, wie die Regierungsparteien, auch mit einem ernsthaften Grund für die beiden Pakte sein (der etwa so lautet: „Es bleibt uns ja nichts anderes über, solange die Deutschen dafür sind.“) Man kann notfalls auch nur für den Stabilitätspakt sein, der die Defizite der einzelnen Staaten stark reduzieren soll, und den ESM ablehnen, der Österreich und Deutschland zu extrem hohen Haftungen für noch stärker verschuldete andere Länder zwingt. Denn Zwang zum Sparen (also der ohnedies viel zu sanfte Stabilitätspakt) ist jedenfalls gut; die EFSF- und EZB- und ESM-Haftungen würden hingegen  für die Nordländer den Staatsbankrott bedeuten, sollten sie schlagend werden.

Aber die grüne Linie ist verantwortungsloser Schwachsinn: Sie sind gegen eine Schuldenbremse, jedoch für die österreichische Mega-Haftung zugunsten der Schuldnerländer! Damit haben die Grünen jenseits aller vorgeschobenen juristischen Formalargumente gezeigt, dass der alte linksextremistische Kern in ihnen nach wie vor bestimmend ist: Man ist für alles, was diese Gesellschaft, dieses Land ruiniert und gegen alles, was sie noch stabilisieren könnte.

 

Drucken

Die geheimen Tricks der staatlichen Bankräuber

17. Juli 2012 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein griechischer Unternehmer – der aber lange in Deutschland gelebt hat – hat es in einem wunderschönen Gleichnis auf den Punkt gebracht, das ich in einer Schweizer Zeitung gefunden habe: Die Griechen seien von der EU zehn Jahre gleichsam in ein Aquarium gesetzt worden; sie hätten dort nur den Mund öffnen müssen und schon sei ihnen ein Fisch hineingeschwommen. Jetzt in der allgemeinen Krise entdecken die Menschen voll Panik: „Wir haben ja nie zu angeln gelernt.“

Mit anderen Worten: Europa hat mit all dem vielen Geld für Griechenland nicht dessen Wettbewerbsfähigkeit erhöht, sondern gesenkt. Was auch in vielen anderen Ländern zutrifft. Wettbewerbsfähig wird man nämlich nicht durch Überflutung mit Geld – das schon lange vor der Schuldenkrise über zahllose Kanäle nach Griechenland geschwappt ist –, sondern nur durch die Konfrontation mit der Realität. Durch das Wissen, auf sich selbst gestellt zu sein.

Hilfsgelder helfen nicht

Freilich muss man der EU selbst zugute halten: Die Forderung nach ständig mehr Geld ist primär von den Empfängerstaaten selbst ausgegangen. So wie in Italien seit Generationen jede Regierung von den Abgeordneten des faulen und entwicklungsresistenten Südens erpresst worden ist, so haben die Südländer jedesmal ihre Stimme – für ganz andere Themen wie etwa die Osterweiterung – erpresserisch gegen noch mehr EU-Geld verkauft. Und die Deutschen als Hauptzahler haben immer zugestimmt, weil sie ja nie die Bösen sein wollten und auch viel Geld hatten. Heute wissen wir, dass das den Südländern langfristig mehr geschadet als genutzt hat, kurzfristig haben aber die dortigen Regierungen immer einen Gewinn gesehen.

Die wettbewerbsfähigsten Staaten der Welt sind heute etwa die Schweiz, Singapur oder Hongkong: Sie sind im Gegensatz zum Großseins-Fimmel der EU klein. Sie haben keine Kohäsions-, Struktur-, EFSF-, ESM-, EZB-Gelder bekommen. Sie haben auch alle keine Rohstoffe. Sie haben aber in einer harten Geschichte über Generationen gelernt, dass sie nur von ihrem eigenen Fleiß, ihrer eigenen Tüchtigkeit abhängig sind.

Das hat auch die österreichische und deutsche Nachkriegsgeneration aus dem Jahr 1945 gelernt. Dementsprechend hat sie sich vom Armenhaus der Welt mit Erfolg emporgearbeitet. Doch jetzt wird die nächste Generation offenbar vom Virus der ständig nur fordernden und nie etwas leistenden Wohlfahrtsstaats-Krankheit infiziert. Der in Südeuropa nie ausgerottet worden ist.

Es kann kein Zufall sein, dass selbst in Osteuropa heute die südlichen Staaten viel schlechter dastehen als die nördlichen. Polen, Tschechien, die Slowakei und die baltischen Staaten sind trotz der historischen Altlast der kommunistischen Destruktion heute sehr erfolgreich unterwegs. Während Rumänien und Bulgarien weder funktionierende Demokratien noch Ökonomien haben.

Slowenien, der nächste Pleitenkandidat

Wir sollten uns aber auch um ein weiteres Mittelmeerland große Sorgen machen, dass bisher noch kaum ins Blickfeld unserer Aufmerksamkeit gerückt ist, das aber an Österreich angrenzt: Slowenien. Denn dieses Land hat sich seit der Wende jahrzehntelang nur auf seinen Lorbeeren ausgeruht (als einst relativ erfolgreichste Teilrepublik des jugoslawischen Selbstverwaltungs-Chaos).

Wer sich aber 20 Jahre lang nicht weiterentwickelt, der fällt dramatisch zurück. Slowenien hat völlig unzureichend privatisiert. Seine Banken und große Teile der Industrie sind in einem maroden Zustand. Das Land ist daher mit Sicherheit der nächste Anwärter auf europäische Hilfen – auch wenn das in üblicher Art und Weise derzeit noch dementiert wird.

Gewiss, Slowenien ist ein kleines Land. Und bei der Großzügigkeit der europäischen Schuldenmacherei werden daher wohl auch die Fische für dieses Land als kleine bezeichnet werden. So wie jene für Griechenland, wo sich offenbar nur Kleingeister über die Tausenden Pensionen für schon jahrelang Tote oder die Unterstützungen für sehende Blinde ereifern.

EU-Gelder für spanische Fußballmillionäre

Viel größer sind aber jedenfalls die Fische, die nach Spanien zu liefern sind. Und da liest man über die verstaatliche Bank Bankia geradezu Unglaubliches, obwohl diese derzeit in Spanien bei weitem an der Spitze der Hilfsbedürftigkeit steht: Sie erlässt dem Fußballklub Valencia CF mitten in der eigenen Pleitesituation einfach 250 Millionen Euro an Schulden. Und gibt ihm noch 100 Millionen frisches Geld als Darlehen. Und baut das halbfertige Superstadion von Valencia fertig.

Kann man eigentlich noch provozierender mit dem Geld der deutschen, niederländischen und österreichischen Steuerzahler umgehen? Wundert da noch der im Norden täglich anwachsende Zorn?

Der wohl noch größer werden wird: Sollen doch die spanische Fußballklubs der obersten Liga insgesamt mit nicht weniger als 3,5 Milliarden verschuldet sein. Die werden wir wohl auch noch zahlen müssen. Sonst würde ja Spanien vielleicht nicht ein weiteres Mal Europa- und Weltmeister. Sonst müssten am Ende die Stars bei Barcelona oder Real Madrid anderswo ihre Millionen verdienen oder sich gar mit deutlich weniger Cash zufriedengeben.

Was hilft es da, dem die positive österreichische Praxis entgegenzustellen, wo immer wieder Klubs wegen ihrer Schulden die Lizenz entzogen wird? (vom Rapid-Skandal sollten wir freilich auch nicht reden: Hat doch der Klub von der Eurofighter-Firma ganz ohne Gegenleistung vier Millionen Euro entgegengenommen, wohinter sich mit Wahrscheinlichkeit die Bestechung einer Partei verbirgt).

Der Trick hinter den niedrigen Anleihe-Zinsen

Die österreichische Beschwichtigungs-Industrie will das alles aber nicht wahrhaben. Jetzt hat sie ein neues Argument: Das mache doch alles nichts. Die Zinsen für österreichische (und deutsche und niederländische) Anleihen seien doch so niedrig wie noch nie. Das sei doch ein klares Zeichen von Vertrauen.

Unter normalen Verhältnissen wäre diese Aussage auch durchaus richtig. Nicht aber angesichts der miesen Tricks der Staaten, welche die Öffentlichkeit kaum durchschaut. Denn die Staaten zwingen die Banken mit raffinierten Methoden, ihre Anleihen massenweise zu kaufen und halten nur dadurch ihre Zinsen niedrig.

Das geht so: Zuerst stempelt der Propagandaapparat von Staaten und praktisch allen Parteien mit Hilfe dummer oder ideologischer Journalisten die Banken zu den Hauptschuldigen der Krise. Was sie – trotz aller Fehler und Gaunereien – aber nicht sind. Denn im Vergleich zur Schuld der Regierungen, der staatlich gelenkten Notenbanken und der von Politikern in den Abgrund gefahrenen Staatsbanken steht die kommerziell geführte Bankenwelt relativ harmlos und sauber da.

Denn selbst beim Libor-Skandal der letzten Tage stellt sich nun heraus, dass die kriminelle Hinunter-Manipulation der Libor-Zinssätze nicht nur mit Wissen, sondern auch auf Wunsch von Notenbanken und Staaten passiert ist. Davon haben zwar auch viele normale Kreditnehmer profitiert (ohne natürlich mitschuld zu sein), aber insbesondere war die künstliche Senkung der durch den Libor bestimmten Zinsen im politischen Interesse. Daher ist es aber auch durchaus möglich, dass die Erhebungen in Sachen Libor-Manipulation eines Tages sanft entschlafen werden.

Sobald aber einmal in der öffentlichen Meinung die Banken als die Hauptverbrecher identifiziert waren, konnten dann die diversen Aufseher und Regulatoren den Banken mit Leichtigkeit höhere Eigenkapital- und höhere Liquiditäts-Quoten aufzwingen. Sie wurden dafür sogar als stabilitätsbewusst gelobt.

Auch mir schien das lange durchaus richtig zu sein. Und auch heute noch bin ich von der Richtigkeit und Wichtigkeit des Prinzips überzeugt: „Höheres Eigenkapital und mehr Liquidität erhöhen die Stabilität und Sicherheit, auch wenn sie die Ertragskraft reduzieren.“

Hinter diesem Prinzip versteckt haben die Staaten aber eine ganz andere Agenda betrieben, eine Agenda, die die Stabilität reduziert und nicht erhöht: Denn sowohl bei den Eigenkapital- wie auch bei der Liquiditäts-Vorschriften haben die Staaten und Notenbanken die eigenen Staatsanleihen privilegiert! Diese Staatsanleihen gelten auf Befehl der Staaten als genauso sicher wie Bargeld. Das sind genau solche Papiere, die wie im Fall Griechenland über Nacht nur noch einen Bruchteil wert waren. Das muss man sich erst einmal durch den Kopf gehen lassen. Betrügerischer geht’s wohl nimmer.

Scheinbare Bankenregulierung zur geheimen Staatsfinanzierung

Den Banken bleibt also bei der angeordneten Aufstockung ihrer Reserven nur die Wahl: Entweder tonnenweise Banknoten im Tresor zu stapeln oder wie wild Staatsanleihen zu kaufen. Logischerweise stapeln sie nicht, sondern kaufen (freilich nur noch Papiere der Nordländer und nicht mehr solche der Südländer – zumindest solange sie die Wahl haben und einigermaßen bei Sinnen sind). Denn auch Anleihen-Zinssätze unter der (offiziellen, also die wahre Geldentwertung ohnedies ignorierenden) Inflationsrate sind immer noch deutlich mehr als die Null Prozent Zinsen, die gehortetes Bargeld abwirft. Von Irgendetwas müssen ja auch Banken ihre Angestellten und Steuern zahlen.

Die Banken tun das zähneknirschend, aber schweigend. Denn würden sie laut protestieren, würden die Menschen den Skandal in breiter Front durchschauen und erst recht ihr Vertrauen in - die Banken verlieren.

Eine raffinierte Doppelmühle: die Staaten haben die Banken zum europäischen Sündenbock Nummer eins gemacht und zwingen sie gleichzeitig, die eigene Schuldenpolitik zu finanzieren. Einen der leider öffentlich so schweigsamen wirklichen Finanzexperten dieses Landes erinnert das im Privatgespräch an den März 1938: Damals haben die Nazis die stolzen Goldvorräte des österreichischen Ständestaates geplündert und damit eine Zeitlang ihre Aufrüstungspolitik finanziert, ohne dass das wer durchschaut hat.

Auch wenn dieser Vergleich wohl nicht in jedem Detail stimmt und natürlich auch nicht politisch korrekt ist (was mir freilich ziemlich egal ist), zeigt er doch, wie unglaublich der Vorgang ist. Das wird die Politik aber nicht hindern, die Banken wieder zu Schuldigen zu erklären, wenn dann wieder unter staatlichem Zwang für absolut sicher erklärte europäische Staatsanleihen in die Klasse von Altpapier abrutschen. Und die Staaten werden dann noch "strengere" Bank-Regulierungen beschließen, welche die Banken dann noch mehr zwingen, die Anleihen eigentlich längst nicht mehr kreditwürdiger Staaten zu kaufen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Können‘s die Freiheitlichen besser?

16. Juli 2012 00:12 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Während sich die Regierungsparteien durch Fehler und viele schwache Persönlichkeiten in ihren Imagewerten immer tiefer hinunterhanteln, wird es dringend, auch etwas schärfere Blicke auf die Opposition zu richten. Denn auch da ist vieles erstaunlich und deprimierend. Denn auch da fehlen weit und breit geeignete Persönlichkeiten. Den ersten Blick hat sich heute die FPÖ als größte Oppositionspartei verdient.

Sie ist trotz aller Mordversuche der Konkurrenz und trotz aller Medienkampagnen in der Wählergunst nach wie vor gut unterwegs. Sie profitiert vor allem davon, dass sie als DIE Alternative zur rot-schwarzen Verbindung erscheint. Und Demokratie bedeutet halt einmal vor allem anderen, dass man eine Regierung bisweilen auch abwählt.

Die FPÖ erringt aber auch noch durch weitere Effekte Sympathiepunkte: Das sind die Gewalttaten der Linken gegen FPÖ-nahe Organisationen und Veranstaltungen. Das ist die inszenierte Skandalisierung fast jedes Auftritts im FPÖ-Dunstkreis, etwa eines ganz normalen Faschingsballs, durch die überwiegend linke Medienszene. Jedes natürliche Fairness-Gefühl nimmt die FPÖ da automatisch in Schutz.  

Auch wenn man so manche Geschichtsauffassung im FPÖ-Umkreis keineswegs teilt, so zeigen doch die Fakten klar: Übergriffe und Gewalt gehen heute eindeutig von der Linken aus und nicht von Freiheitlichen. Und mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte übrigens auch die gerichtliche Klärung der Stiftungsaffäre rund um den dritten Parlamentspräsidenten Graf diesen rechtlich unbefleckt lassen. Das wird dann in diesem Fall freilich von den Kampagne-Medien im Gegensatz zu den einstigen Spitzenmeldungen und Doppelseiten wohl nur mit kleinen Einspaltern gemeldet werden (so wie man es dieser Tage bei den vielen rechtlichen (Teil-)Erfolgen der Herrn Grasser und Meinl beobachten konnte).

Das darf aber die Frage nach der politischen Substanz nicht überdecken. Und da sieht es bei der FPÖ in allem, was Wirtschafts- und Sozialpolitik anbelangt, katastrophal aus. Die FPÖ versucht sogar allem Anschein nach ganz bewusst, allzu vieler inhaltlicher Programmarbeit aus dem Weg zu gehen. Erstens ist das mühsam, zweitens führt jede Konkretisierung des allgemeinen „Nein zu allem“ sofort zu Debatten und Polarisierung. Was der Partei nur schaden kann, weil eine Positionierung immer manche Gruppen verärgert.

Die FPÖ von 2012 ist jedenfalls eine ganz andere als jene von 1999, wo ein Jörg Haider durchaus zu substanziellem volkswirtschaftlichem Denken imstande war. Den Eindruck einer solchen Fähigkeit erweckt aber kein einziger der heutigen Freiheitlichen. Dabei sind Wirtschafts- und Währungsfragen heute noch viel dominanter als damals. Kaum ein Österreicher würde jedoch heute die Frage „Glauben Sie, dass die FPÖ Österreich gut aus der Wirtschaftskrise steuern könnte?“ mit einem „Ja“ beantworten. Selbst wenn er überlegt, diese Partei zu wählen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die FPÖ zu den schärfsten Kritikern des ESM gehört. Diese berechtigte Ablehnung ersetzt aber noch keine glaubwürdige finanzwirtschaftliche Perspektive. Denn das demagogische Zetern gegen „Banken und Spekulanten“ mag zwar auf der Tribüne gut ankommen, aber dahinter steht nackte wirtschaftspolitische Ahnungslosigkeit. Die wirklichen Zusammenhänge werden elegant übergangen, etwa dass die Hauptschuld an der Krise wie auch der drohenden Inflation eindeutig bei den Staaten und deren Schulden- und Wohlfahrtspolitik liegt. Das total toxisch gewordene und nicht nachhaltig aufrechterhaltbare Sozial- und Wohlfahrtssystem ist für die FPÖ absolut tabu, weil zu dessen Hauptnutznießern viele freiheitliche Wähler zählen.

Wer den Eindruck erweckt, mit einem Raubzug auf „Banken und Spekulanten“ die Zahlungsfähigkeit des Landes wiederherstellen zu können, der ist entweder ahnungslos oder ein Betrüger. Natürlich wird von der FPÖ auch nie konkretisiert, wer die gehassten Spekulanten eigentlich sind, würde sie doch überall sofort auf konkrete Wählergruppen stoßen: auf Häuslbauer mit einem Frankenkredit; auf Besitzer eines Pensionssparvertrags; auf Käufer von Staatsanleihen.

Oder sind auch für die Freiheitlichen die Bösewicht nach SPÖ-Art einfach die Reichen? Sollen halt die Mateschitzs und Piechs und Swarovskis und Stronachs und Wlascheks geschröpft werden (damit sie möglichst bald alle Investitionen und Gelder aus Österreich abziehen)? Sollen die Banken, die alle nur knapp das Mindest-Eigenkapital aufbringen, von einem blauen Finanzminister ausgeraubt werden? Sollen bei einem Konkurs der Banken auch all die Klein- und Mittelbetriebe in Konkurs gehen, die dort ihre Firmenkonten haben?

Während man hier nur auf lauter unbeantwortete Fragen stößt, ist in der Vergangenheit das direkte Mitverschulden des dritten Lagers an den exorbitanten Defiziten eindeutig nachweisbar: Von der Hacklerregelung bis zur Abschaffung der Studiengebühren war es stets auf der Seite der Verursacher eines noch größeren Staatsdefizits zu finden.

Die FPÖ zeigt auch heute noch fast in jeder Parlamentssitzung, dass sie selbst bei lächerlichen Kleinigkeiten die Notwendigkeit des Sparens nicht begreifen will. So stimmte sie dieser Tage sogar gegen die Zusammenlegung der Bezirksgerichte Purkersdorf und Hietzing, obwohl diese nur zehn Autominuten voneinander entfernt liegen und auch öffentlich exzellent verbunden sind (diese Fusion musste, weil bundesländerübergreifend, im Parlament extra genehmigt werden. Und sie ist – wenn auch erst in zwei Jahren wirksam – ein zweifellos sinnvoller Beschluss).

Die FPÖ ist auch sonst so durch und durch als Neinsager-Partei strukturiert, dass man sich den Wechsel auf die Regierungsbank viel schwerer vorstellen kann als 1999/2000. Obwohl diesmal die internationale Aufregung viel geringer wäre, obwohl Strache&Co in bezug auf Korruption und Nazi-Sager höllisch aufpassen.

Natürlich kann die Partei bei etlichen Bürgerinitiativen punkten, wenn sie etwa gegen den Ausbau des Wiener Flughafens ist. Aber sie zeigt halt gleichzeitig, dass ihr die damit verbundenen Chancen auf Firmenansiedlungen und vor allem zusätzliche Touristenumsätze, also Jobs, egal sind.

Irgendwie ins Stocken gekommen sind die Freiheitlichen auch bei ihrem bisherigen Hauptthema: bei der Kritik an der starken Zuwanderung der letzten Jahrzehnte und deren Folgen. Das hat wohl mehrere Ursachen: Erstens haben manche administrative Bremsversuche wirklich genützt; zweitens hat die positive wirtschaftliche Entwicklung der Türkei die massenweisen "Familienzusammenführungen" reduziert; drittens hat der ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz das Thema geschickt besetzt: Er findet eine Sprache und setzt Maßnahmen, die sowohl bei den Gutmenschen wie auch den Zuwanderungskritikern gut ankommen, nämlich durch die Betonung von Sprache und Leistung, während er die problematischen Seiten relativ unbemerkt ausklammert. Das ist vor allem die Frage: Was tun wir mit  jenen Zuwanderern, die sich weder durch Leistung noch Spracherwerb noch Anpassung an den Wertekanon integrieren wollen? Daher geht der FPÖ derzeit eher die Luft aus. Es kann aber auch nur sein, dass sie nur ihr Pulver für die Wahlkampfwochen sammelt und das Thema nicht abnutzen will.

In anderer Hinsicht hat die FPÖ im Vergleich zur Haider-Zeit sicher eine positive Entwicklung genommen. Sie besetzt konsequent einige der von der ÖVP in den zwei Pröll-Jahren leichtfertig geräumten wertkonservativen Positionen, welche Spindelegger jetzt mühsam zurückzuerobern versucht. Die FPÖ spielt damit jedenfalls gesellschaftspolitisch – von der Schule bis zur Familie – eine wertvolle Rolle, indem sie die Repositionierung der ÖVP diesbezüglich zweifellos beeinflusst.

Dieser Rolle wegen erscheint die FPÖ auch in Zukunft wichtig und unverzichtbar. Was nichts daran ändert, dass ein unter Einfluss der heutigen FPÖ erstelltes Budget eine ziemliche Schreckensvorstellung für jeden Steuerzahler und erst recht für die verbal von der FPÖ so verteidigten Familien ist, deren Kinder die Schuldenwirtschaft ausbaden werden müssen.

PS: Vieles von dem hier Gesagten trifft auch fürs BZÖ zu. Da dieses aber zumindest derzeit noch viel unklarer in seiner inneren Identität ist – es verbindet ja sehr rechte mit sehr linken Positionen –,  und da es ohne Haider ohnedies kaum Chancen auf einen Wiedereinzug ins Parlament hat, verzichte ich vorerst auf eine ausführliche Analyse des BZÖ. Statt dessen werde ich mich in den nächsten Tagen mit der zweiten Oppositionspartei befassen, die sicher im nächsten Parlament sitzen wird: mit den Grünen.

 

Drucken

Ist der ÖVP noch zu helfen?

14. Juli 2012 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Volkspartei hat zuletzt gleich doppelt Aufmerksamkeit erregt: Erster Anlass war ein scharfer,  prinzipiell dringend notwendiger, aber recht unprofessionell gemachter Text gegen die beängstigende Perspektive einer rot-grünen Koalition. Zweiter Anlass war ein Papier, das aus dem Ideenkompott einer auf Einladung von Michael Spindelegger eingesetzten Unternehmergruppe stammt. Beide Papiere zusammen erzielen strategisch eine verheerende Gesamtwirkung: Jedes geht nämlich in seiner jeweiligen Tendenz in eine so fundamental unterschiedliche Richtung, dass man schwindlig wird. Da stecken weder Strategie noch Koordination dahinter. Widersprüchlichkeit aber ist keine sonderlich erfolgversprechende politische Kategorie.

Das eine Papier signalisiert eine klar bürgerliche antilinke Position entsprechend der Mehrheit der ÖVP-Wähler. Das andere eine gesellschaftspolitisch klar linke, antibürgerliche Position entsprechend der aktuellen Mehrheit unter etlichen österreichischen Unternehmern (die interessanterweise anders denken als die Mehrheit der deutschen Unternehmer). Da weiß die eine schwarze Hand nicht, was die andere macht. Und der Parteiobmann selbst schweigt zu beiden Papieren.

Aber auch jede der beiden Initiativen für sich gesehen entbehrt dessen, was man politische Professionalität nennen könnte. Was hat man sich etwa beim Start des „Unternehmens Österreich 2025“ gedacht? Da wurde einer Gruppe von Unternehmern freie Hand gegeben, an Ideen zu produzieren, was sie wollen. Dieser Ideenproduktion wurde aber dennoch schon von Beginn an  mit dem Gütesiegel „im Auftrag von Michael Spindelegger“ versehen. Das ist eine automatische Selbstbeschädigungsanlage mit Zeitzünder. Das mach Spindelegger zur Geisel einiger politischer Amateure.

Die schwarze Selbstbeschädigung ist auch schon auf Grund der personellem Zusammensetzung der Gruppe vorhersehbar gewesen. Sie erinnert sehr an die Industriellenvereinigung, die im vergangenen Jahr dem liberalkonservativen und leistungsorientierten Bürgertum dieses Landes den Krieg erklärt hat. Noch leichter prognostizierbar war der Schaden, seit man weiß, dass sich unter den führenden Proponenten des „Unternehmen Österreich 2025“ gleich zwei deklariert SPÖ-nahe Frauen befinden.

Hat sich bitte dabei auch nur irgendjemand irgendetwas gedacht? Glaubt wirklich irgendjemand in der ÖVP, dass ein weiterer Aufguss von Ideengut des Liberalen Forums plötzlich zu einem Erfolgsrezept werden könnte? Begreift man denn nicht, dass man Wirtschaftskompetenz selber haben muss (die man zumindest in der Person von Maria Fekter ansatzweise auch hätte) und dass man diese nicht einfach bei unpolitisch denkenden oder gar linken Unternehmern bestellen kann?

Bei so unprofessionellen Konzeptionen überrascht es auch nicht weiter, wenn jetzt aus diesem Haufen gezielt Papiere an gewisse Medien gespielt werden. Diese sollen offenbar den Linkskurs in einem Überraschungsschlag so richtig fest einzementieren, bevor das noch jemand verhindern kann.

Die Medien stürzen sich natürlich mit Begeisterung darauf und ignorieren weitgehend die Beteuerungen, dass das alles noch „verfrüht und unsachlich“ sei. Schon kursieren zusammen mit reichlich patscherten Formulierungen einige Ideen als Festlegungen des „Unternehmens 2025“. Dazu zählen etwa eine indirekte Unterstützung für die bildungsfeindliche Gesamtschule und die halblustige Idee, dass sich Schüler – und Lehrer – auch während des Schuljahres Urlaub nehmen können sollen. Offen ist nur, ob hinter diesem Urlaubs-Vorschlag die Interessen der Tourismus-Industrie stecken oder eher jene unternehmerischen Müttern und Vätern, die gerne halt auch einmal außerhalb von Schulferien eine Woche nach St. Moritz düsen wollen.

Durch all diese Entwicklungen hat sich das „Unternehmen Österreich 2025“ im Do-it-yourself-Verfahren zu einem „Unternehmen Skurrilitätenreich 2012“ verwandelt.

Ähnlich unprofessionell geht es aber auch rund um ein ÖVP-Papier zu, dass aufzulisten versucht, was eine rot-grüne Regierung eigentlich so alles bedeuten würde. Unprofessionell ist dabei nicht nur der verwirrende Gegensatz zu den Intentionen der 2025-Projekts. Einmal für, einmal gegen Gesamtschule. Vielmehr lässt auch beim Rot-Grün-Papier das Wie staunen.

Da werden nämlich durchaus legitime Befürchtungen durch marktschreierische Übertreibungen unglaubwürdig gemacht. Rot-Grün heißt sicher nicht "grenzenlose Zuwanderung", aber zweifellos eine bedenklich verstärkte Zuwanderung auch von Minderqualifizierten und von fragwürdigen Asylwerbern. Das kann man jedoch nicht mehr drüberbringen, wenn man in FPÖ-Manier übertreibt und sich damit angreifbar macht. Auch die "Abschaffung" der Matura oder der Ehe ist einfach nicht richtig. Richtig wäre nur, dass bei beiden eine deutliche Ent- und Abwertung droht. Ebensowenig kann man explizit eine "Verstaatlichung" der Familie prophezeien, diese Übertreibung überdeckt jedoch die Wahrheit, dass unter Rot-Grün Familiengelder sehr wohl Richtung Kindergärten usw. umgelenkt werden. Und wenn macht sich auch nicht sonderlich glaubwürdig, wenn man ganz unprofessionell elf Jahre alte Belegstellen zitiert und vielfach ganz auf Belege verzichtet.

Noch schlimmer ist, dass man nun keineswegs zum eigenen Werk steht, sondern herumeiert, dass das ja ohnedies nur eine Funktionärsinfo und keine Presseunterlage sei. Wie bitte? Glaubt man wirklich, dass man den Funktionären etwas anderes sagen kann als der Öffentlichkeit?

Glaubt man ernsthaft, dass eine an Hunderte Mitarbeiter verteilte Unterlage nicht den Weg an die Medien findet? Warum fürchtet man sich offenbar davor, auch medienöffentlich die Konsequenzen von Rot-Grün zu thematisieren, polemisieren doch die Linksparteien und die zugehörigen Medien ständig gegen Schwarz-Blau? (Und am Rande: Warum weist man nicht darauf hin, dass Rot-Grün zwar weniger Aussichten auf eine Mehrheit hat denn je, dass aber die Warnung davor aus einem anderen Grund sehr legitim ist. Kann Rot-Grün doch mit Sicherheit auf die Piraten zählen und eventuell auch die Orangen, wenn diese doch den Wiedereinzug ins Parlament schaffen sollten. Die Orangen werden jedenfall von den Linksparteien keineswegs so zurückgewiesen wie die Blauen.)

Mit dem Verkorksen der Rot-Grün-Kampagne zerstört die ÖVP eine ihrer letzten Argumentationsebenen selber. Dabei zeigen die unfreundlichen Reaktionen der linken Medien und von Rot und Grün, dass man damit eigentlich einen wunden Punkt getroffen hätte. Aber man fürchtet sich schon wieder vor der eigenen Courage.

Drucken

Die Gemeinwohl-Falle

12. Juli 2012 23:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Wie ein Lauffeuer entflammen Globalisierungskritik und Antikapitalismus heute unsere Gesellschaft – nicht weniger radikal als in den 1920ern. Das braucht niemand zu verwundern: Über 50 Jahre hinweg hatte Europa seinen Bürgern jede Wirtschaftsbildung verweigert. Dieses gefährliche Vakuum füllen heute die Kinder dieser (Nicht-)Politik – mit ihren „neuen“ Ideen aus alten Zeiten.

Wer in Europa heute über Wirtschaft spricht, hat nur ausnahmsweise schon einmal im Wirtschaftsunterricht gesessen. Die meisten Globalisierungskritiker haben (wie schon damals Marx) alle den gleichen Bildungshorizont: Zuerst Gymnasium (keimfrei von wirtschaftlichem Hausverstand gehalten) – und dann geisteswissenschaftlicher (Flower Power-)Fächermix.

Marx war Philosoph, Ziegler Soziologe und Philologe, ATTAC-Chef Felber gar gelernter Tänzer. Wer heute aber nie professionell erklärt bekommen hat, wie Wirtschaft funktioniert, der reimt sie sich durch Verschwörungstheorien zusammen: Durch die (angedeutete) Verschwörung des Kapitals, die der Spekulanten und die der Großkonzerne (die die Weltherrschaft anstreben).

Die geschürte Abstiegsangst

Europas Mainstream bedient sich heute altbewährter Mittel: Er schürt soziale Abstiegsangst. Angeblich würde die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werden, die Armut würde steigen und nur einige Wenige würden auf Kosten aller profitieren. Liest man aber die (unbehandelten) Primärdaten selber, stellt sich gern das Gegenteil heraus.

So sank etwa die Quote der Armutsgefährdeten nach offiziellem EU-Armutsbericht von 14% (1993) bis auf 12% (2011). Bei Österreichern sind es überhaupt nur 10%. Und selbst auf die 10 % kommt man nur, wenn man vierköpfige Familien mit weniger als 2.165 Euro netto monatlich mitzählt. Und selbst dann sind die 10% noch zu viel: Denn darin sind auch die enthalten, die auch nur einmal einen einzigen Monat unter die 2.165 Euro gerutscht waren. Dauerhaft gefährdet sind nur 6%.

Wirklich arm waren in Österreich in den letzten 30 Jahren immer zwischen 3 und 4% der hier Lebenden – im EU-Deutsch nennt man sie „manifest depriviert“. Doch im Gegensatz zu früher besitzen sie heute Farbfernseher, Waschmaschine und Telefon.

Christian Felber: „Drehen an den Zahlen“

Die Grundaussage aller Globalisierungskritiker ist klar: Globalisierung und Kapitalismus machen (fast) alle ärmer – und die Welt schlechter. Um diese „hohen“ ideologischen Zielvorgaben zu erfüllen, steht man unter permanentem Druck, die Erfolge der beiden letztgenannten Bösewichte mathematisch kleinzurechnen.

So beklagte Christian Felber 2008, das durchschnittliche Weltwirtschaftswachstum der 90er Jahre wäre wegen Kapitalismus und Globalisierung nur bei 1,1% gelegen (die fetten 2000er Jahre hatte er gleich gar nicht angeführt). Je liberalisierter die Weltwirtschaft, desto niedriger sei ihr Wachstum (2007). Die offiziellen Zahlen des IWF kommen allerdings zu einem dreimal so starken Wachstum wie Herr Felber – alleine 1999 lag es bei fast 5%. Und die hohen Reallohnsteigerungen von über 10% gibt es in Indien oder China erst, seit man Märkte und Wirtschaft liberalisiert hat.

Jean Zieglers falsche Zahlen

Jean Ziegler behauptet, die Länder der Dritten Welt hätten 54 Milliarden Euro an Entwicklungshilfegeldern erhalten, während sie im gleichen Zeitraum 436 Milliarden für Kredite geleistet hätten. Die Zahl von 436 Milliarden Euro gibt es zwar – doch betraf sie die Zahlungen von Ländern wie Polen, China oder Russland. Und die hatten keinen einzigen Cent Entwicklungshilfe bekommen.

Den 18 ärmsten Ländern hingegen sind die Schulden hingegen sogar erlassen worden – 2000 um 47%, fünf Jahre später um den Rest. Die meisten afrikanischen Länder erhalten heute durchschnittlich 40% ihrer jährlichen Budgets vom „Norden“ geschenkt. So finanziert (im Sinne permanenter Geldgeschenke) die BRD in Kenia 96 Ministerien – kommt selber aber schon mit 16 aus.

AK-Irrtum: ATX- Manager bekommen nicht das 48fache ihrer Mitarbeiter

Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine „auf Untergang und Ungerechtigkeit“ getrimmte Meldung die AK verlässt– und ohne Prüfung oder gar Kritik den Weg in Österreichs Medienlandschaft findet. So behauptete die Arbeiterkammer Wien im Jahr 2008, Österreichs Vorstände würden das 48fache der Österreicher verdienen, während sie die Löhne der eigenen Mitarbeiter um 5% gesenkt hätten. Dabei vergleicht die AK die Konzern-Vorstandseinkommen aber nicht mit Konzern-Löhnen, sondern mit einem nebulos definierten „österreichischen Durchschnittsgehalt“, das vor allem niedrige Handwerkerlöhne beinhalten dürfte. Konzernangestellte verdienen auch schon mal das Doppelte.

Und die 5%ige Lohnsenkung resultiert alleine aus den Wechselkursverlusten der Ostwährungen im Zuge der Finanzkrise 2007/2008. Beim Umrechnen der Gehälter ihrer osteuropäischen Angestellten in Euro waren diese plötzlich insgesamt um 5% weniger wert, die Lohnsummen österreichischer Bilanzen schrumpften damit entsprechend. Die Andeutung, Österreichs Führungskräfte würden die Löhne ihrer Angestellten kürzen, während sie ihre eigenen Rekordgagen weiter erhöhten ist nicht nur falsch und manipulativ, sie stachelt eine ganze Gesellschaft zu Wutbürgern auf.

Das (fair gerechnete) Verhältnis österreichischer Vorstände zu österreichischen Mitarbeitern liegt bei etwa 1 zu 11.

Gemeinwohl-Ökonomie konkret durchgedacht

Die Vertreter einer politischen „Gemeinwohl-Ökonomie“ schwärmen von der Neuigkeit ihrer Ansätze. Blickt man aber in die jüngere Geschichte, dann muss man nicht erst auf Lenins „Neue ökonomische Politik“ zurückgreifen, um ein „Deja-vu“ zu haben.

So hatte Indien bis 1991 einen „Dritten Weg“ verfolgt, der dem Felbers mehr als ähnlich war. Dort hatte man Konzerne verstaatlicht, vom neoliberalen Weltmarkt war man abgeschottet, „Profite“ duldete man nur bei Genossenschaften oder kleinen Handwerkern – und auch nur, solange sie sich keine Maschinen leisten konnten. Patente wurden nicht geschützt – wie Felber dachte man, Erfinder würden „aus purer Lust am Forschen und ganz ohne Absicht auf Profit“ das Land technologisch nach vorne bringen. Außerdem würde man durch Patentschutz andere von der Produktion ausschließen.

1991 stand das Land dann vor der Pleite, 40% der Armen weltweit lebten in Indien. Stichwort „Mutter Teresa“.

In Österreich würde der Umbau zu einer „demokratischen Gemeinwohl-Ökonomie“ zur Verstaatlichung der letzten freien Medien und aller größeren Unternehmen führen – die Aktionäre würden enteignet, die Sparvermögen zwangsweise umgeleitet werden. Firmen wie SPAR und BILLA würden zwangsweise verstaatlicht und in Genossenschaften umgewandelt werden.

Felbers Angst vor dem Monopol-Kapitalismus

Karl Marx verbalisierte als erster die Angst vor unkontrolliert wachsenden Konzernen. Doch gibt es von allen Firmen, die zu Zeiten Marx´ am Kurszettel der Londoner Börse gestanden hatten, keine nennenswerte überlebende mehr – geschweige denn, dass diese die Welt kontrollieren würde.

Menschen, die die Ängste anderer Menschen (etwa vor dem unkontrollierten Wachstum der Konzerne) schüren, haben selber Angst. Und dagegen hilft nur Bildung. Wirtschaftsbildung.

Von den 15 weltgrößten Konzernen aus dem Jahre 1970 sind heute nur mehr drei unter den „Top 15“. Viele Firmen gingen Pleite (Stichwort „GM“ oder „LTV“), manche wurden übernommen („Chrysler“), viele waren aber nur langsamer gewachsen als das BIP der restlichen Welt – und so verloren sie an Bedeutung.

Was ist zu tun?

Dass das Klima wärmer und der Meeresspiegel höher wird, ist tragisch – aber es ist „beherrschbar“. Geht Europas Jugend aber wieder Populisten auf den Leim, werden „zwei Grad mehr“ noch unser kleinstes Problem sein. Europa braucht Bildung – und vor allem Wirtschaftsbildung! Im Gymnasium muss schleunigst BWL eingeführt und von echten Wirtschaftsakademikern unterrichtet werden. In mindestens vier Jahrgängen mit mindestens zwei Wochenstunden. Religion hat in acht Jahrgängen die gleiche Wochenstundenzahl – hier schult man Österreichs Jugend aber eher im Sinne Felbers oder Zieglers.

Wer wie Marx und Ziegler oder Felber nie in einer Firma war, geschweige denn in leitender Position, der stellt sich das fremde Wesen Wirtschaft so vor, wie er es einst im Gymnasium gehört hat – dort unterrichtet von ehemaligen Gymnasiasten, die vor ihrem Studium nur ausnahmsweise in der Wirtschaft gewesen waren. Deshalb müssen wir unsere Wirtschaft in die Schulen holen! In Form von Vorträgen und als Praktikum im Sommer. Wer schon einmal dort gearbeitet hat, der hat vielleicht bemerkt, dass dort nicht ausschließlich Menschenfresser werken.

Österreich muss schnellstens pluralistische Medienstrukturen aufbauen. Dazu soll die Ausbildung von Betriebswirten zu Wirtschaftsjournalisten dienen. Österreichs staatliche Fernseh- und Radiokanäle sind zu demokratisieren; das kann die Privatisierung bedeuten – aber in jedem Fall die Vorgabe, mindestens ein Viertel der politisch wertenden Berichte aus konservativer oder wirtschaftsliberaler Sicht darzustellen.

Wenn es Europa nicht schleunigst gelingt, seine Jugend bildungspolitisch im 19. Jahrhundert abzuholen, dann braucht es sich nicht zu wundern, wenn uns „neue Wirtschaftsmodelle“ wieder dorthin zurückführen wollen!

Der Betriebswirt und Wirtschaftspädagoge MMag. Michael Hörl hat 2011 Europas erstes „Globalisierungskritik-kritisches“ Buch veröffentlicht: „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“. 2012 folgt jetzt sein Fortsetzungsbuch „Die Gemeinwohl-Falle – Wie man mit Halb- und Unwahrheiten eine Gesellschaft aufwiegelt“.
Es hat 432 Seiten und 120 Bilder und Tabellen und wird in Österreich von Morawa vertrieben.

Drucken

Fußnote 318: Die Geschäfte bleiben geschlossen

12. Juli 2012 01:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Niemand hat sich von dem stark parteipolitisch dominierten Verfassungsgericht etwas anderes erwartet.

Laut VfGH ist es kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot der Verfassung, wenn Geschäfte an Bahnhöfen rund um die Uhr geöffnet sein können, Geschäfte außerhalb des ÖBB-Einflusses jedoch an Sonntagen geschlossen sein müssen. Zumindest wenn der jeweilige Landeshauptmann es so will. Jeder nicht parteipolitisch, gewerkschaftlich oder kammermäßig denkende Mensch würde zwar Gleichheit und Erwerbsfreiheit ganz anders interpretieren. Aber solchen Menschen sind halt im VfGH rar. Eines heißt dessen Erkenntnis freilich dennoch nicht: dass es verfassungsrechtlich verboten wäre, wenn sich die Gesetzgeber oder ein Landeshauptmann einmal für die am Sonntag zum Bahnhofsbesuch gezwungenen Konsumenten und zugleich auch für die durch eine Sonntagsöffnung höheren Steuereinnahmen entscheiden sollte. Aber diesen Entscheidungsmut der Politik wird es wohl erst dann geben, wenn schon (wie in Griechenland) die Konkursverwalter des Internationalen Währungsfonds vor der Tür stehen. Oder hilft uns da vielleicht schon vorher ein internationaler Gerichtshof?

 

Drucken

Das Nein zu Acta schadet Europa schwer – so wie das Ja zum ESM

10. Juli 2012 02:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Einmal wirft die Linke den Rechten Populismus vor, dann wieder geht der Vorwurf den umgekehrten Weg. In den vergangenen Tagen haben beide jedenfalls gemeinsam kurzsichtigen Populismus praktiziert. Mit überwältigender Mehrheit haben sie im EU-Parlament das sogenannte Acta-Abkommen gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsdiebstahl verworfen. Damit hat Europa einen weiteren ganz entscheidenden Beitrag zu seinem eigenen wirtschaftlichen Untergang gesetzt. Mit ähnlichen Folgen, wie es die gemeinsame Schuldenhaftung durch den ESM haben wird.

Der Unterschied ist nur ein marginaler: Beim ESM marschieren – um in der österreichischen Farbenterminologie zu reden – Rot, Schwarz und Grün Hand in Hand auf einem üblen Weg. Bei Acta sind es primär Rot, Grün und Blau/Orange.

Im Grund haben sie alle hosenfüllende Angst vor einem Haufen postpubertärer Chaoten, die unter dem an Kinderfaschings-Verkleidungen erinnernden Namen Piraten bei ein paar Landtagswahlen Erfolge erzielt haben. Diese Piraten sind freilich für die Gesellschaft ungefähr genauso nützlich wie jene, die die Weltmeere unsicher machen, die etwa vor Afrikas Ostküste seit Jahren Schiffe kapern und Geiseln jahrelang entführen. (Tödlich können Piratenschiffe aber übrigens auch sein, wenn sie als Kinderspielplatz auf einem flachen Strand der wunderschönen Nordsee-Insel Amrum stehen, wie der tragische Tod eines zehnjährigen Wieners gezeigt hat.)

Nur Kreativität und Innovation sichern Vorsprung

Warum wäre Acta so wichtig gewesen? Das Abkommen hätte genau jene Berufe und Erwerbsformen geschützt, denen Europa in hohem Ausmaß die Reste seines (wenn auch sehr wackelig gewordenen) Wohlstands verdankt. Bei den meisten industriellen Massenproduktionen kann Europa ja angesichts seiner hohen Gehälter, Sozialabgaben und Steuern längst nicht mehr mit den Billigindustrien Asiens und Lateinamerikas mithalten. Aber bisher hat es zusammen mit Amerika in Sachen Kreativität und Innovation noch immer die Nase weit vorne gehabt.

Das brachte viel Geld nach Europa. Selbst wenn diese Kreativität „nur“ darin bestanden haben sollte, einem französischen Duft, einem italienischen Kleid, einem deutschen Auto, einem österreichischen Koffeingetränk mit Himbeergeschmack oder einem spanischen Rotwein einen großen Imagevorsprung zu erarbeiten. Für diesen Imagevorsprung, diesen Markenwert zahlen Käufer weltweit viel Geld, obwohl sie den Unterschied zu einem Billigprodukt bei einer Blindverkostung (also ohne das Markenlogo sehen zu können) gar nicht feststellen würden.

Umso größer ist der Schaden, wenn diese Markenprodukte durch Piraten aller Art gefälscht, kopiert, nachgemacht werden. Die Konsumenten zahlen dann auch weiterhin für das von den Erzeugern teuer und mühsam aufgebaute Image. Aber bei den Fälschungen tragen eben nicht diese, sondern asiatische Werkstätten den Gewinn davon. Und diese Fälscherwerkstätten haben nun de facto die offizielle Unterstützung des Europaparlaments bekommen. Absurderweise unter lautstarker Führung der Europa-Sozialisten, die sonst so tun, als ob sie für die europäischen Arbeitsplätze kämpfen würden.

Zwar heißt das natürlich noch nicht, Fälschungen wären künftig straffrei. Es wird nur ohne ein globales Abkommen, wie es Acta gewesen wäre, viel schwieriger, sie weltweit zu verfolgen.

Elektronische Piraterie auf Knopfdruck

Noch wichtiger ist die Kreativität bei Kulturerzeugnissen, bei Filmen, bei Musik, bei Texten, bei Computerprogrammen. Der einzige Unterschied: Hier ist das Fälschen und Kopieren noch viel leichter als bei Parfums, Kleidern oder Getränken. Hier genügen meist nur ein paar Tastendrucke und schon kann das Werk, an dem der Schöpfer oft sehr lange gearbeitet hat, mühelos vertausendfacht werden. Und der Schöpfer bekommt für seine Mühe 999 Mal kein Entgelt. Sondern jemand anderer profitiert, entweder wieder ein Kopist oder in diesen Fällen auch der Konsument.

Wer bitte wird da noch Zeit, Mühe und Geld in die Entstehung eines aufwendigen Werkes stecken?

Nun werden manche Wirklichkeitsferne einwenden: Dann wird halt die Öffentlichkeit einspringen müssen. Offenbar sind Europas Staatskassen so gefüllt, dass das kein Problem wäre. Da hat die linke Geldproduktions-Illusion wieder einmal ihre volle Wirkung erzielt. Wenn einem das Geld fehlt, druckt man sich halt neues. Dazu hat man ja die Gelddruckereien. Eigentlich könnte man aber auch gleich DKT-Geld nehmen . . .

Andere versuchen, ein wenig schlauer zu sein und sagen: Na, dann machen wir halt das Kopieren gleich legal und belegen dafür jeden Computer, jeden Festplattenspeicher, jeden CD-Rohling mit einer saftigen Abgabe. Das sind ja die Speichermedien, auf denen die Kopien landen. Von diesen Abgaben könnten dann die Kreativen bezahlt werden.

Kollektivstrafen gefährden auch andere Jobs

Wäre das wirklich schlauer? Nein, keineswegs. Solche Abgaben sind erstens einmal Kollektivstrafen. Man belastet ja auch nicht Kühlschränke mit einer saftigen Abgabe, weil darin auch illegal gebrannter Wodka oder gewildertes Fleisch aufbewahrt werden kann. Diese Kollektivstrafen belasten zweitens auch jene Europäer, die Computer in internationalem Wettbewerb für ganz andere Dinge als illegale Kopien benutzen. Die Strafen gefährden damit weitere Arbeitsplätze.

Und diese Idee würde drittens eine totale Verstaatlichung von Kunst und Kultur bedeuten. Denn dann würde nie mehr ein Konsument, ein Filme-Herunterlader, ein Musik-Hörer mit seinem Entgelt entscheiden, ob Filmemacher, Komponisten, Buchautoren, Sänger, Orchester etwas verdienen oder nicht.

Dann würde entweder jeder dieser Künstler gleich viel (=wenig) verdienen. Oder aber Politiker oder politisch eingesetzte Kommissionen würden entscheiden. Das würde mit Sicherheit zu ideologischer Staatskunst führen, zum Kauf von politischer Unterstützung durch nett-dumme Schauspieler, Maler, Autoren im Gegenzug für staatliche Förderung – und zwar noch viel, viel mehr, als wir es gerade in Österreich schon erleben. Das Ergebnis wird dann nur noch mit dem kommunistischen Osten und seinen Staatskünstlern vergleichbar sein.

Schreiben wird zum brotlosen Hobby

Wenn es keine Unterhaltungsfilme, sondern nur noch jene Produkte gibt, die bei Festivals von sogenannten Experten auserkoren werden, dann werden viele Kinos schließen müssen. Kaum jemand wird weltweit noch einen europäischen Film anschauen wollen. Und noch schlimmer wäre es für die geistige Vielfalt, wenn nur die von einem Politiker beziehungsweise seinen Vertrauensleuten für würdig gehaltenen Autoren zum Zuge kämen.

Eine Förderung aller Künstler nach dem Gießkannensystem wiederum würde fast jede Spitzenleistung zertrümmern. Wenn die Wiener Philharmoniker nur noch so viel verdienen wie das Eisenbahnerorchester, dann werden sie bald auch nur noch genauso gut musizieren. Ebenso wird das Schreiben von Büchern oder Zeitungen zum brotlosen Hobby werden. Wenn jeder Autor gleich viel aus der staatlichen Gießkanne bekommt, wird keiner davon leben können.

Noch mehr Macht für den Staat

Jetzt mögen nun mache meinen, dass Konsumenten-, also Markt-Entscheidungen bei der Entschädigung von kreativen kulturellen Leistungen problematisch seien. Selbst wenn das wahr wäre, gibt es aber eben nur die beiden anderen Möglichkeiten: gar keine Entschädigungen für Kreativität oder solche durch den Staat. Beides ist noch viel ungerechter, problematischer und leistungsfeindlicher als die Entscheidung durch die Kulturkonsumenten.

Ob irgendeiner der Anti-Acta-Abgeordneten all diese Folgen bedacht hat? Ob diese wenigstens rot werden, wenn sie morgen wieder – je nach politischer Färbung – vom Wert der Kultur, von der Bedeutung des Rechtsstaats, von leistungsgerechter Entlohnung und dem Wert der Kreativwirtschaft im internationalen Wettbewerb reden?

Vorleistung für Koalitionen mit den Piraten

Mitschuld an der Katastrophe sind freilich auch alle jene Autoren, Filmemacher, Musiker, Journalisten, die nun Opfer dieser Entscheidung werden: Sie haben in den letzten Jahren und Monaten fast alle opportunistisch zu dem Thema geschwiegen und gehofft, dass die Politik für sie die Kastanien aus dem Feuer holt. Und irgendwie haben sie ja perverserweise auch Sympathien für die chaotischen Piraten. Man glaubt irgendwie, eigentlich aus dem gleichen Stall zu kommen.

Ähnlich denken rote und grüne Parteien: Man könnte die Piraten ja eines Tages als Koalitionspartner brauchen. Für diese Option verraten die Sozialdemokraten auch hier die Interessen der einst von ihnen vertretenen Werktätigen, so wie sie diese schon bei ihrem Er-Grünen in den 70er Jahren verraten haben. Hat doch auch die - von anderen Parteien oft geteilte - grüne Politik viele Arbeitsplätze gekostet.

PS: Die Kritik an der von den Piraten ausgelöste Diebstahlsbegeisterung ändert übrigens nichts am Respekt für den zweiten erkennbaren Schwerpunkt dieser neuen Gruppierung. Das ist ihr Engagement für mehr direkte Demokratie und für den Einsatz des Internets bei Bürgerentscheidungen.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

Drucken

In Österreich investieren? Nein, danke

09. Juli 2012 00:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manche Medien können aus jeder Katastrophenmeldung einen Jubel produzieren. Da las man doch dieser Tage in mehreren Zeitungen ein Hurra: Österreich war 2010 erstmals Nettodirektinvestor. Dieses kompliziert klingende Wort heißt nichts anderes als: Österreicher haben erstmals viel mehr im Ausland investiert als Ausländer in Österreich.

Schlimm? Ja, das ist schlimm. Denn das heißt nichts anders: Österreich verliert rapid an Attraktivität als Platz, Geld anzulegen, egal ob in der Real- oder der Finanzwelt. Dabei wäre durch das Gelddrucken der EZB durchaus genug Geld da. Die Investitionen von Österreichern im Ausland haben dementsprechend um nicht weniger als um 17 Prozent zugenommen. Doch die ausländischen in Österreich sind gleichzeitig zurückgegangen, nominell und erst recht real.

Die Nationalbank, von der diese Statistik stammt, fügt trocken hinzu: 2011 (für das die Zahlen noch nicht endgültig vorliegen) haben sich all diese Trends noch verstärkt. Es gab also noch mehr Investitionen im Ausland und noch weniger im Inland.

Die Ursachen werden von der ideologiebraven Nationalbank zwar nicht genannt, sind aber eindeutig: Investoren zweifeln an der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs; Österreicher bringen lieber ihr Geld ins Ausland; und immer mehr Menschen mit Geld zweifeln, ob Geld in Österreich sicher angelegt ist. Sie lesen fast täglich irgendeinen rotgrünen und bisweilen auch blau-orangen oder schwarzen Dummkopf, der nach höheren Steuern auf Vermögen oder Einkommen ruft, der die Stiftungen abschaffen will, der nicht begreift, dass nur Kapital Arbeitsplätze schaffen kann.

Geld ist eben wie ein scheues Reh. Es flieht, noch bevor eine Bedrohung ganz konkret geworden ist.

Der einzige Vorteil dieser Malaise: Jetzt können die Linken nicht mehr schreien: „Skandal, das Land werde ausverkauft“, wenn sich ein ausländischer Investor, eine Stiftung oder sonst jemand hier niederlässt. Was diese zwischen 1995 und 2006 in für Österreich sehr nützlichem Ausmaß getan haben.

PS: Aber Rettung Trost ist nahe: Ministerin Bures hat die Geschäftsführung der AWS mit einer Frau besetzt, die vor allem im Wiener Rathaus Erfahrungen gesammelt hat. Na, dann wird ja alles wieder gut. Wir wissen, ja, was für Investoren das Wichtigste ist, nämlich Frauenquoten mit parteipolitischem Hintergrund. Und der AWS wurde genau zu dem Zweck geschaffen, bei Investoren Vertrauen zu schaffen und sie anzulocken. Was ja politisch korrekte Quoten in hohem Ausmaß tun . . .

Drucken

Die nächste Katastrophe lässt sogar den ESM als Bagatelle erscheinen

08. Juli 2012 00:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manches Mal muss einem wirklich die Zornesader platzen. Und man braucht alle Zurückhaltung, um nicht in Kraftausdrücke zu verfallen oder zum Amokläufer zu werden. Denn der extrem riskante ESM ist nicht einmal noch in Kraft getreten, schon wird von starken Kräften die Forderung nach einem europäischen Schuldentilgungsfonds erhoben. Mit dem trostreichen Zusatz: Dieser solle ohnedies nur für die 60 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung übersteigenden Staatsschulden gelten. Was nicht verbergen kann, dass damit die endgültige Katastrophe eingeläutet wird. Und wer findet sich unter den Fordernden? Natürlich ein gewisser Werner Faymann.

Das muss man sich absolut auf der Zunge zergehen lassen: Ein amtierender österreichischer Bundeskanzler spricht sich dafür aus, dass die Republik eine kollektive Haftung für 2,6 Billionen Euro übernimmt, genau: für völlig unvorstellbare 2659 Milliarden! Ach ja, im Gegenzug würde auch Österreich Schulden in diesen Fonds einbringen: nämlich genau 37 Milliarden. Ein wirklich tolles Geschäft, das der Bundeskanzler dieser Republik vorschlägt.

Und er wird nicht entmündigt oder zumindest abgesetzt.

Im Vergleich zu diesem Wahnsinnsprojekt geht es beim vielumstrittenen ESM nämlich noch um fast – fast! – überschaubare Beträge. Außerdem ist beim ESM die Haftung zumindest prinzipiell noch auf die einzelnen Länder aufgeteilt. Beim nun geforderten Schuldentilgungsfonds haftet hingegen jeder für alles!

Nun, man muss Faymann zugute halten, dass er mit seiner Haltung nicht alleine steht. Fast alle Sozialisten und Grünen Europas sind dafür, und erstaunlicherweise auch etliche Liberale. Da die ÖVP schweigt und Blau/Orange noch gar nicht begriffen haben, dass hinter dem ESM ein noch viel ärgeres Projekt in den europäischen Pipelines steckt, sind wieder einmal Angela Merkel und Europas Mutige Zwei (also die Niederlande und Finnland) die einzigen, die noch Hoffnung geben, dass der Wahnsinn nicht Wirklichkeit wird.

Angesichts der wachsenden Erpressungsmacht von Rot-Grün im deutschen Bundesrat, der Länderkammer, und angesichts von Merkels Angst, nur ja nicht als antieuropäisch dazustehen, ist zu befürchten, dass sie in ein paar Monaten auch gegenüber diesem Projekt nachgibt. Wie immer: um des lieben Friedens willen.

Fast amüsant ist ja derzeit, wie die Haupttäter aus den romanischen Ländern, die Merkel beim letzten Gipfel nächtens so brutal weitere Konzessionen entlockt haben, der deutschen Kanzlerin nun wieder mit Papagallo-Charme schöntun. Eigentlich hätte man nie geglaubt, dass das bei der so nüchtern wirkenden Frau wirkt.

Die europäischen Sozialisten tun nun so, als ob dieser Schuldentilgungsfonds ohnedies nur ein Kompromiss gegenüber der zuletzt so laut diskutierten Eurobonds-Idee sei. Dass man ihnen also geradezu dankbar sein müsse, dass sie die Eurobonds-Ideen durch diese Fonds-Idee ersetzt hätten.

In Wahrheit aber wären Eurobonds noch geradezu harmlos gegen diese Schuldentilgungsfonds. Bei Eurobonds würde es nämlich nur um die Haftung für neuaufzulegende Anleihen gehen. Beim Fonds würden hingegen sofort alle alten, die 60 Prozent BIP übersteigenden Schulden vergemeinschaftet werden! Italien könnte dann 949 Milliarden in diesen von uns allen zu tragenden 2659-Milliarden Rucksack füllen und wäre so der größte Profiteur.

Die relativ größten Draufzahler wären gar nicht die Deutschen. Die haben ja selber schon ganz ordentlich viele Schulden auf dem Buckel und wären als größtes EU-Land sogar zweitgrößter Einbringer von Schulden in diesen Rucksack. Das wirkliche Opfer wären kleine Länder wie Finnland, Slowenien, die Slowakei oder Estland. Deren Staatsschulden liegen nämlich unter der 60 Prozent-Grenze. Diese Länder würden damit gar keine Schulden in den gemeinsamen Topf einbringen und nur draufzahlen. In den Augen der Sozialisten sind das aber offenbar superreiche Ostländer. Und von denen kann man doch verlangen, dass sie jetzt in eine solche Solidarhaftung eintreten.

Womit sich ja zugleich auch die Perversion der ganzen Schuldentilgungsfonds-Logik zeigt: Es wird von den Sparsamen und Armen zu den Ländern des Dolce far niente umverteilt. Sozialismus auf europäisch halt. Beschämend ist aber auch, dass sich dieser Tage auch die europäische Bischofskonferenz für solche „Solidarität“ ausgesprochen hat. Wenn sie wenigstens schweigen würden, wenn sie schon nichts davon verstehen . . .

Das Allerschlimmste an ihrer Idee begreifen die Faymanns und Van Rompuys Europas wohl nicht einmal: Das sind nämlich die automatischen Vorwirkung dieser Idee, seit sie so konkret geäußert worden ist. Denn damit entsteht nun für jede der Schuldner-Regierungen Europas ein klarer Nutzen, schnell noch mehr Schulden zu machen. Diese werden ja dann eh im gemeinsamen Topf der „gemeinsamen Schuldenbewirtschaftung“ verrührt werden! Von dieser Idee profitiert man umso mehr, je mehr man gesündigt hat. Die Lehre: Sparen lohnt nicht, sondern schadet. Also auf Teufel komm raus noch einmal Geld ausgeben. Denn am Schluss wird man ja als Folge der Schuldengeilheit der Linken und der Schwäche der deutschen Regierung ohnedies wieder gerettet.

Jahrtzehntelang haben die nach dem Krieg Geborenen ihre Eltern vorwurfsvoll gefragt, warum sie das Hitlersche Unheil nicht gesehen haben, obwohl es sich doch so deutlich angekündigt hatte. Heute glauben wir, dass sich solches Unheil nicht mehr wiederholen kann, haben wir doch das Hakenkreuz verboten. Dabei steuern wir in ein ähnlich großes, wenn auch hakenkreuzfreies Unheil. Und fügen uns wehrlos darein. Und sind offenbar genauso hilfslos wie unsere Väter und Großväter. Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie erspart der Menschheit offenbar nie Katastrophen.

Drucken

Griechenland ist „entgleist“ – das muss uns schon was wert sein

07. Juli 2012 00:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Worte, Worte, Worte. Das war es, was dem neuen griechischen Ministerpräsidenten eingefallen ist. Und, ach ja, noch eine Kleinigkeit: Das Sparprogramm sei leider „entgleist“.

Das Wort des Jahres. Irgendwie ist man, wenn man dem neuen Premier Samaras so zugehört hat, auch sicher, dass die Deutschen daran schuld sein müssen. Wer sonst? Griechenland selbst, blöde Geschichte, habe zuletzt ja zwei Wahlkämpfe führen müssen (Dass Herr Samaras selbst an diesen Wahlkämpfen schuld ist, weil er unbedingt an die Macht wollte, verschweigt er elegant). Ja, natürlich, jetzt werde man wirklich daran gehen, zu sparen und Ämter zusammenzulegen. Und, gewiss, auch privatisieren wolle man nun. Nur gehe das halt natürlich nicht, solange da in Europa irgendwer davon rede, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden werde. Selbstverständlich sei er, Samaras, auch für den Abbau von Beamten. Aber natürlich doch nicht jetzt, wenn die Arbeitslosigkeit so hoch ist.

Und so weiter und so fort (Nach seiner Leichenbittermienen-Rede hat Samaras hinter den Kulissen wahrscheinlich mit seinen Mitarbeiter angestoßen und mit ihnen hellauf über seine tragische Inszenierung gelacht).

PS.: Wie es jetzt weitergeht? Na, so wie immer. 14 Tage werden die internationalen Kontrollore schimpfen und sagen, jetzt gebe es wirklich kein Geld mehr. Bis sich dann die übliche Solidaritäts-Internationale durchsetzt – „man könne doch nicht . . .“ –, und es erneut Geld für Griechenland gibt. Aber natürlich nur gegen das ausdrückliche Versprechen der Griechen, jetzt aber wirklich alle Verpflichtungen einzuhalten. Und da behaupte noch wer, das Perpetuum mobile sei noch nicht erfunden.

 

Drucken

Großer Erfolg mit kleinen Trittbrettfahrern

05. Juli 2012 17:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Vortrag von Thilo Sarrazin vor den Abonnenten des Tagebuchs und Mitgliedern des Hayek-Instituts war ein großer Erfolg. 430 Zuhörer folgten dichtgedrängt in einem TU-Hörsaal mehr als zwei Stunden lang diszipliniert dem Vortrag des deutschen Ökonomen und Buchautors und stellten ihm viele Fragen. Das Tagebuch dankt den vielen Spendern und dem Hayek-Institut für die erfolgreiche Kooperation. Und es amüsiert sich über die Hochstapelei einiger Trittbrettfahrer, die sich an diesen Erfolg anzuhängen versucht haben.

Sarrazin analysierte in großer und anschaulicher Breite die Fehler rund um den Euro. Er ging dabei vor allem darauf ein, wie sehr in den letzten drei Jahren die Regeln und Voraussetzungen einer erfolgreichen Umsetzung einer gemeinsamen Währung verletzt worden sind. Und wie diese Verletzung nun durch den „Rettungsschirm“ ESM fortgesetzt wird.

Besonders intensiv wies er die Behauptung zurück, dass Länder wie Deutschland von der gemeinsamen Währung besonders profitiert hätten. In Wahrheit haben das – bis zum Ausbruch der Krise – die Südländer auf Grund der billigen Euro-Kredite getan, wie er auch in seinem Buch „Europa braucht den Euro nicht“ mit vielen Daten nachweist. Die deutschen Exporte in die Südländer hätten sich hingegen seit Euro-Einführung deutlich reduziert. In fast allen Aspekten deckten sich Sarrazins Ausführungen übrigens mit vielen Analysen, die in den letzten Monaten im Tagebuch zu lesen waren.

Sarrazins Besuch in Österreich war komplett auf Einladung und Kosten des parteiunabhängigen Hayek-Instituts und des ebenso parteiunabhängigen Tagebuchs erfolgt. Viele Besucher des Vortrages haben durch ihre Spenden zu diesen Kosten beigetragen. Umso so skurriler ist der Akt von Hochstapelei, der in einer Reihe von Medien zu lesen war: Dort fand sich die Behauptung,  dass Sarrazin auf Einladung von BZÖ-Chef Bucher nach Wien gekommen wäre. Das ist eine mehr als üble Trittbrettfahrerei.

Sarrazin hat in Wahrheit sogar ausdrücklich erklärt, dass er Bucher vor seiner Ankunft in Wien gar nicht gekannt hat, sondern ihm erst hier bei einer Fernsehdiskussion begegnet ist.

Während sich auch einige andere Parteien an Sarrazin anhängen wollten, hat dieser kategorisch zurückgewiesen, irgendeine Partei zu unterstützen. Ihm liegt vielmehr daran, so betonte er bei seinem Vortrag, dass sich die von ihm vertretenen Inhalte durchsetzen. Das sei viel wichtiger als die Gründung oder Unterstützung einer neuen oder alten Partei.

 

Drucken

Süßes Gift Subvention

05. Juli 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alle wollen sie haben. Und dabei sind sie fast reines Gift – das freilich aufs erste sehr süß schmeckt. Die Rede ist von staatlichen Subventionen.

Die Geschichte ist immer dieselbe: Am Anfang beklagen – meist von PR-Agenturen munitionierte – Medien Missstände und Defizite: die armen Bergbauern, die notleidende Forschung, die benachteiligten Südeuropäer usw. Dann verlangen einschlägige Lobbies Subventionen. Dann werden diese von Politikern beschlossen, wollen diese doch immer als Macher und nicht als Nichtstuer erscheinen (oder aber Zielgruppen bedienen). Dann fließt das Steuergeld. Und am Schluss bleibt der Katzenjammer.

Reden wir aber einmal nicht über den unfinanzierbaren Wohlfahrtsstaat, die teure Agrarpolitik oder die Geldverschwendungen bei Bildung und Forschung. Reden wir ganz aktuell über Spanien und die EU: Das Land kassiert nämlich nicht erst jetzt viel Geld von seinen Miteuropäern, wie uns die EU glauben macht. In Wahrheit haben Europas südliche Regionen in den letzten Jahrzehnten schon Hunderte Milliarden kassiert. Denn die betreffenden Staaten sind die Hauptprofiteure der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds. So heißt die europäische Form von Subventionen.

Mit diesem Geld sollte ein Aufholen der armen Regionen erreicht werden. Aber in Wahrheit sind diese immer weiter zurückgefallen. Und zwar wegen und nicht trotz der Subventionen! Diese Gelder haben bequeme Regionen noch bequemer gemacht. So wie ein Mensch, der Monate nur in Bett oder Lehnstuhl verbringt, das Gehen und Laufen verlernt, wurde jenen Regionen jede Eigenverantwortung abgewöhnt.

Der Schaden besteht aber nicht nur in falschen Anreizen. Überdies wurden mit diesen Geldern oft Dinge subventioniert, die nachträglich statt Erträge zu bringen, nur weitere Kosten verursachen.

Ein Musterbeispiel sind die mit viel EU-Geld gebauten spanischen Mautautobahnen. Diese stehen derzeit nach den spanischen Banken nämlich als zweite große Branche vor der Pleite. Viele dieser Autobahnen waren von Anfang an schlicht überflüssig. Selbst in besseren Zeiten floss lange nicht so viel Verkehr wie prognostiziert über die Betonbänder. Und in Zeiten der Krise wird noch viel weniger gefahren – schon um Mautgebühren zu sparen.

Diese nur zum Zweck der Abholung von Subventionen gebauten Autobahnen waren aber nur zum Teil EU-finanziert. Sie mussten zur anderen Hälfte durch konventionelle Kredite finanziert werden. Und nun werden diese Kredite nach der Reihe notleidend. Während die Tausenden spanischen Ferienwohnungen vielleicht irgendwann einmal – nach einem kräftigen Preisverfall – doch alle einen Abnehmer finden könnten, wird das bei einer nicht benutzten Autobahn hingegen nie der Fall sein.

Eine ziemlich paradoxe Situation: Hätte die EU Spanien nicht jahrzehntelang geholfen, wäre Spanien heute viel weniger hilfsbedürftig. Und die Moral der Geschichte: Wo nicht ein Unternehmer eigenes Geld investiert, sondern (europäische, spanische, österreichische . . .) Politiker und Beamte das Geld der Steuerzahler, ist die Fehlinvestition fast schon programmiert.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Fußnote 313: Die Genossen bedienen sich

04. Juli 2012 13:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist absolut abenteuerlich, wie sich die Genossen bedienen: Jetzt haben sie sich still und heimlich eine Arbeitszeitverkürzung für die ÖBB-ler ausgeschnapst.

Kein Mensch kann das objektiv erklären. Der Betrieb hängt uns alles in allem alljährlich mit mindestens fünf Milliarden Euro in der Tasche, zeigt hinten und vorne keine Sanierungsbereitschaft und macht der Gewerkschaft jetzt ein solches Geschenk auf unser aller Kosten. Kann man das anders als Untreue gegenüber dem Steuerzahler nennen? Noch dazu ist die ÖBB-Führung dazu gar nicht legitimiert. Denn eine solche Vereinbarung müsste eigentlich vom zuständigen Fachverband der Wirtschaftskammer abgeschlossen werden. Immerhin hat sie ja auch Folgewirkungen für viele andere Verkehrsunternehmen. Es gibt nur eine Erklärung: Der Wahlkampf rückt näher. Und da greifen die Genossen wie beim letzten Mal zum Zweck der Wählerbestechung wild in die öffentlichen Kassen. Und was sagt dazu der einstige Raiffeisenboss Scharinger, der sich in seiner Eitelkeit und seiner Angst vor dem Pensionsschock als sogenannter Bürgerlicher von der SPÖ soeben in den ÖBB-Aufsichtsrat nominieren hat lassen? Am liebsten wohl nichts. Denn mit geradem Rückgrat müsste er sofort wieder zurücktreten.

Drucken

Der nächste große Schritt zum europäischen (und österreichischen) Debakel

04. Juli 2012 03:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nun wird also der berüchtigte Europäische Stabilitätsmechanismus von Rot, Schwarz und Grün im Wiener Parlament durchgeschleust.

Was aus mehreren Gründen ein trauriger Tag ist.

Drucken

Vertrauensbildende Maßnahmen

03. Juli 2012 01:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Frage: Woran erkennt man, dass ein Politiker lügt? Antwort: Daran, dass er den Mund aufmacht!

Mit diesem alten Kalauer wird all das kurz und bündig zusammengefasst, was uns seit dem Beginn der Aktivitäten zur Schaffung einer europäischen Währungsunion von den politischen Eliten aufgetischt wurde – und zwar unabhängig von deren Parteizugehörigkeit.

Einer der vielen Belege für diese These: Zum Standardrepertoire der Regierenden zählt im Zusammenhang mit dem Management der Staatsschuldenkrise das Mantra von der Notwendigkeit einer „Wiederherstellung des Vertrauens der Finanzmärkte in die Bonität der Debitoren”. Dass dieselben Akteure mit ebensolcher Regelmäßigkeit eben diese Finanzmärkte als den Hort des Bösen schlechthin denunzieren (was eine Verkennung des Wesens dezentral erfolgender Marktentscheidungen einerseits, und einen – trotz aller gegenteiliger Erfahrungen – absurden Glauben an die Überlegenheit zentraler, zwangsbebewehrter politischer Verordnungen andererseits belegt) – passt nicht zusammen. Weshalb sollte man um das Vertrauen von als verderblich erkannten Institutionen buhlen? Unschuldig in Not geratene Staaten sollen (wie weiland der klamme Fürst in Goethes „Faust”) einen Pakt mit dem Teufel eingehen?

Inwiefern soll der fortgesetzte Bruch bestehender Verträge dazu angetan sein, verlorenes Vertrauen zurückzubringen? Wer gestern selbst eine Verschuldungsgrenze von drei Prozent nicht einhalten wollte, dem soll man abnehmen, morgen ausgeglichen bilanzieren zu können? Schlimmer noch: Wer ernsthaft behauptet, eine Kette würde dadurch an Qualität einbüßen, indem man ihr schwächstes Glied eliminiert (und genau das bedeutet das zwanghafte Festhalten am Verbleib Griechenlands in der Währungsunion), erwartet dadurch einen Zuwachs an Glaubwürdigkeit gegenüber potentiellen Kreditoren?

Selbstverständlich handelt es sich bei alledem um pure Spiegelfechterei – um eine durchsichtige haltet-den-Dieb-Taktik. Denn natürlich haben die ominösen Märkte zu keiner Zeit je einen Staat zur exzessiven Schuldenmacherei genötigt. Die politisch Verantwortlichen haben die Staaten – ohne Not und aus freien Stücken – an den Rand des finanziellen Abgrunds geführt. Nun über die angebliche Unerbittlichkeit der Gläubiger zu jammern (die sich unterstehen, Risikoaufschläge von dubiosen Kunden zu fordern!) ist lächerlich. Und dass Gläubiger dazu neigen, die von ihnen verliehenen Mittel auch wiedersehen zu wollen, sollte selbst Politikern einleuchten.

In der Tat blieb seit dem Beginn der Vorbereitungen zur Einführung einer Europäischen Währungsunion kein Register ungezogen, um der Öffentlichkeit in den Hartwährungsländern die Illusion zu vermitteln, dass es sich beim Euro um ein stabiles, hartes Geld nach Art der D-Mark handeln würde. Niemals hätten die durch Hyperinflation und Währungsreform geschädigten Deutschen jemals die D-Mark aufgegeben, hätten sie absehen können, zu welch kostspieligem – am Ende womöglich sogar friedensgefährdendem – Debakel sich das Elitenprojekt Euro entwickeln würde.

Die unbedarfte Masse – und viele naive Intellektuelle – gingen der politischen Elite auf dem Leim. Diese betrachtete das Kunstgeld niemals als etwas anderes, als ein Vehikel zur Verwirklichung einer politischen Union (die heute – vermutlich mehr als je zuvor – von den Bürgern zwischen Lissabon und Tallin entschieden abgelehnt wird).

Dass die seinerzeit von den deutschen Verhandlern fünf vor zwölf in das einschlägige Vertragswerk reklamierten „Maastrichtkriterien” niemals eingehalten oder sanktioniert werden würden, musste klar sein. Wie hätte denn eine allenfalls nötige „Strafexpedition” nach Athen, Paris oder Rom aussehen sollen? Die „Stabilitätskriterien” dienten zu keiner Zeit einem anderen Zweck, als den Deutschen Michel einzulullen.

Die dafür Verantwortlichen (namentlich Kanzler Kohl und Finanzminister Waigel), waren bereits lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass ihre famosen Stabilitätskriterien niemals würden durchgesetzt werden könnten, sollte es zu Verletzungen durch große Mitgliedsländer der Union kommen. Dass es dann – neben dem notorischen Weichwährungspatienten Frankreich – am Ende ausgerechnet die Deutschen selbst waren, die die von ihnen erfundenen Stabilitätskriterien (unter einer rotgrünen Regierung) als erste brachen, ist als Treppenwitz der Geschichte zu verbuchen.

Wie auch immer – die Zeit läuft ab. Kein einigermaßen mit den Fakten Vertrauter kann annehmen, dass die von den im Fokus der bösen „Spekulanten” stehenden Staaten ihre Verbindlichkeiten jemals – ohne Rückgriffe auf private Eigentumsrechte brutal verletzende Methoden der monetären Repression – werden abtragen können.

Ohne eine tiefe Einsicht in die der Schuldenkrise zugrundeliegenden Ursachen (im Besonderen die hemmungslose Geld- und Kreditschöpfung ex nihilo) wird eine nachhaltige Sanierung der verschuldeten Volkswirtschaften allerdings nicht gelingen. Ohne eine entschlossene Abkehr vom herrschenden Geldsystem, das auf dem Bruch von über Jahrtausende hinweg tradierten Rechtsgrundsätzen beruht; ohne eine Rückkehr zu „echtem” Geld, scheint eine Heilung unmöglich – und zwar unabhängig davon, ob das Geld am Ende Drachme, D-Mark oder Euro heißt.

Ein das im letzten Absatz angerissene Problem erschöpfend darstellendes Buch eines in der Tradition der „Österreichischen Schule" stehenden Gelehrten habe ich bereits in einem meiner letzten Beiträge genannt. Dies sei hier nochmals getan:  http://www.buchausgabe.de/public_products/geld-bankkredit-und-konjunkturzyklen-jesus-huerta-de-soto-1090

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Von Gipfel zu Gipfel zum Abgrund

03. Juli 2012 00:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt beginnt jenes Giftkraut aus dem Boden zu kommen, dessen Samen im Mai 2010 gesät worden sind: Schon eine Reihe von internationalen Großinvestoren hat in den letzten Tagen signalisiert, kein weiteres Geld in Europa zu verleihen oder anzulegen. Und zwar geht es dabei nicht nur um die nun schon im Monatstakt länger werdende Liste Griechenland, Portugal, Irland, Spanien, Italien, Zypern ff.  Vielmehr werden nun langsam auch Deutschland oder Österreich für langfristige Anlagen zunehmend als fragwürdig empfunden. Und die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels machen klar, dass die Investoren guten Grund für ihre Haltung haben.

Das heißt natürlich noch keineswegs, dass Berlin & Co demnächst auf ihren Anleihen sitzen bleiben werden. Aber ich bin überzeugt, dass auch sie für langfristiges Geld am Ende dieses Jahres schon deutlich höhere Zinsen zahlen müssen als derzeit. Und vor allem wird bei ihrer Refinanzierung ein höherer Anteil als früher aus Geldern kommen, die nur dank der Europäischen Zentralbank überhaupt existieren.

Denn längst kann Europa nur noch dadurch seine Stabilität aufrechterhalten, dass die Notenbank halt wie in einer Bananenrepublik das Geld einfach druckt, wenn es der Staat braucht. Das war nach dem letzten Krieg in den sogenannten Nordländern völlig undenkbar, was deren Stabilität und Wachstum ermöglicht hat. Die Staaten mussten sich vielmehr selbst um ihre Kreditwürdigkeit bei unabhängigen Geldverleihern bemühen.

Dass das neu geschöpfte EZB-Geld pro forma nicht direkt an den Staat geht, sondern dazwischen über Banken geschleust wird, ist nur ein kleines Feigenblatt, um die Blößen der öffentlichen Finanzen in Europa noch ein wenig zu tarnen. Denn alle scheinen vergessen zu haben, dass am Ende alle Euro-Staaten für die EZB haften. Und die wäre ohne die Lizenz zum Gelddrucken längst insolvent.

Spekulation auf einen Euro-Bruch hilft den deutschen Zinsen

Manche werden mir nun entgegnen, dass Deutschland zuletzt ja nur extrem niedrige Zinsen zahlen musste. Dafür gibt es eine logische Erklärung: Die europäischen Anleger müssen das Geld ja irgendwo anlegen – gleichzeitig befürchten sie aber mit einem Auseinanderbrechen des Euro. Im Zeitpunkt dieses Auseinanderbrechens würde jeder katastrophale Verluste machen, der sein Geld im Süden angelegt hat. Hingegen geht es dann allen zumindest relativ gut, die ihr Geld in deutschen Staatspapieren investiert haben.

Doch das Auseinanderbrechen des Euro steht nicht auf dem Programm – obwohl vieles dafür spräche. Doch alles, was dafür spricht, sind Zwangsläufigkeiten der ökonomischen Logik. Dagegen sprechen jedoch die Zwangsläufigkeiten der politischen Logik. Und die laufen halt total konträr.

Zwar kann die Politik weder die physikalischen Gesetze noch jene der ökonomischen Grundrechnungsarten außer Kraft setzen. Aber sie kann sich lange weigern, sie zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie ihr nicht passen. So wie sie es etwa einst auch in der Frage getan hat, ob die Erde um die Sonne oder die Sonne um die Erde kreist.

Damals war der Schaden nur einer für das Tempo des wissenschaftlichen Fortschritts. Im 21. Jahrhundert wird das Ignorieren wirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten schwere Schäden für Wohlstand, soziale und damit auch politische Stabilität bringen. So wie das schon im 20. Jahrhundert einmal der Fall war.

Crash oder Inflation

Eine der wichtigsten Grundregeln der Ökonomie lautet: „Es gibt nichts umsonst. Ob es nun die Kosten eines Krieges (anschauliche Beispiele waren der erste Weltkrieg in Europa und die amerikanischen Kriege in Vietnam sowie Irak) oder die Kosten einer weit über die Produktivitätszuwächse hinausgehenden Wohlstandsvermehrung sind (wie der Ausbau des europäischen Wohlfahrtssystems seit den 70er Jahren). Am Schluss zahlt jemand die Rechnung. Durch Steuern, durch Wohlstandsverlust, durch Ausbeutung. Und wenn man glaubt, die Rechnungen einfach durch Gelddrucken bezahlen zu können, dann endet das in einer Megainflation oder im Staatscrash, also dem Ausbleiben von Beamten- oder Pensionszahlungen.“

Der jüngste EU-Gipfel hat dennoch so wie schon eineinhalb Dutzend Vorläufer einen Triumph der politischen Mechanik über die wirtschaftlichen Zwänge gebracht.

Der dumme Satz vom notwendigen "Vorrang der Demokratie über die Märkte" ist eine der besten Waffen der Politik. Denn er suggeriert mehrheitsfähig, dass es um eine Auseinandersetzung zwischen den braven und fleißigen Bürgern und irgendwelchen bösen „Banken und Spekulanten“ ginge. In Wahrheit aber sind gerade die Bürger langfristig das Opfer des Erfolgs der Politik über die Märkte. Der Ruf nach dem Vorrang der Demokratie über die Märkte hat aber ungefähr die gleiche Intelligenz wie die Aussage: „Die Demokratie muss Vorrang über das Gesetz der Schwerkraft haben.“

Eine weitere Waffe der Politik, um die Ökonomie zu knebeln, ist das, was man nur noch als Hetze gegen Deutschland beschreiben kann. Für Spanien, Italien, Frankreich & Co ist es kurzfristig viel angenehmer, sich durch Drohungen weiteres Geld aus Deutschland zu erpressen, statt mit unpopulären Maßnahmen die Staaten zu sanieren. Das ist psychologisch verständlich – auch wenn theoretisch allen klar sein müsste, dass das langfristig nicht funktionieren kann.

Das eigentlich Verblüffende ist, dass Deutschland diesem Druck regelmäßig nachgibt. Vor jedem EU-Gipfel verkündet Angela Merkel noch, hart zu bleiben. Nachher aber hat die vermeintlich starke Bundeskanzlerin doch wieder nachgegeben. Warum eigentlich?

Notfalls die Nazi-Keule

Nun, ein entscheidender Faktor liegt zweifellos darin, dass es sehr schwer ist, ganz alleine in einem Gremium von 27 Regierungschefs gegen den Rest zu stehen. Irgendwann knickt die ostdeutsche Pastorentochter dann eben doch wieder ein. Nie ganz, aber jedes Mal ein Stück mehr.

Wenn einem eine ganze Nacht lang südeuropäische Regierungschefs anschreien, dass man die Totengräberin Europas sei; wenn daheim die linke Opposition in die gleiche Richtung argumentiert; wenn selbst der außerhalb der EU stehende US-Präsident Druck auf Merkel ausübt (weil natürlich auch Amerikaner Forderungen an Spanien & Co haben); wenn als letztes Totschlagsargument gegen Deutschland die Nazi-Keule bereitliegt; wenn ein Scheitern eines EU-Gipfels kurzfristig von den Märkten garantiert als Schock empfunden würde (dessen Heilsamkeit erst später offenkundig würde): Ja, dann lässt sich auch eine Angela Merkel doch wieder auf einen faulen Kompromiss ein. Obwohl man weiß, dass es den nationalen Interessen Deutschlands schadet. Obwohl Merkel bei einem Hartbleiben die deutliche Mehrheit der deutschen Bürger hinter sich hätte.

Zumindest ein Land beugte sich beim jüngsten Gipfel jedoch nicht dem allgemeinen Druck – auch wenn das erst Tage danach klar wurde. Es sind die Finnen, die immer sehr ruhig, aber umso konsequenter agieren. Sie erklärten drei Tage nach dem Gipfel, dass sie ein Veto gegen Staatsanleihenkäufe durch den Rettungsfonds ESM einlegen werden. Dabei hat das Gipfel-Kommunique noch in Hinblick auf die nur noch schwer verkäuflichen Anleihen Italiens und Spaniens angekündigt, dass man künftig bei Anleihenkäufen „flexibler und effizienter“ sein werde.

Auch etliche andere Nationen wie die Briten, Tschechen oder Schweden haben an sich eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Sie sind aber nicht im Euro. Sie haben daher jedes Interesse, nicht in dessen Strudel hineingezogen zu werden und verhalten sich daher bei Gipfeln eher ruhig. Die ebenfalls auf Stabilität bedachten Niederländer haben wiederum eine Wahl vor sich und sind daher ebenfalls zurückhaltend.

Österreich lässt Merkel im Stich

Die größte Enttäuschung bei diesem Gipfel war das Verhalten des österreichischen Bundeskanzlers. Er hat zwar seit seinem Amtsantritt nie außenpolitisches Gewicht erlangt. Es ist deshalb unbemerkt geblieben, dass er mit seinen Äußerungen in letzter Zeit zunehmend der französischen und italienischen Schuldenpolitik nahegerückt ist. Dabei sind Österreichs Interessen zweifellos in hohem Ausmaß identisch mit den deutschen. Also müsste sich eigentlich auch Österreich mit Händen und Füßen dagegen wehren, ständig noch mehr für die Schulden fremder Länder zu haften. Das tut aber Faymann nicht. Lediglich die Finanzministerin traut sich, die österreichischen Interessen zu vertreten, während sich ihre Parteifreunde im Außen- und Wirtschaftsministerium peinlich ruhig verhalten.

Nun kann man durchaus meinen, dass auch der jüngste Gipfel an sich nicht die ganz große Katastrophe darstellt. Die wurde vielmehr schon 2010 ausgelöst, als entgegen dem EU-vertraglichen(!) Verbot Griechenland von den EU-Partnern zum ersten Mal gerettet wurde. Damals hat Merkel nach wochenlangem Zögern zum ersten Mal dem französischen Präsidenten Sarkozy nachgegeben. Alle weiteren Folgefehler haben sich dann fast zwangsläufig aus diesem ersten Fehltritt ergeben.

Das Ergebnis: Würden alle Haftungen und Kredite, die via EZB-Geldschöpfung, Target-2-Kredite, EFSF, ESM, Währungsfonds oder bilateral an die Krisenstaaten vergeben wurden, schlagend, dann wäre selbst Deutschland bankrott.

Es ist in hohem Ausmaß wahrscheinlich, dass Deutschland sogar jetzt schon überfordert ist. Das werden auch immer mehr potenzielle Kreditgeber in den nächsten Monaten erkennen. Das hat man nur eine Zeitlang dadurch verbergen können, dass die Haftungen und Kredite für die Schuldenländer in so vielen komplizierten, für den Laien kaum durchschaubaren, aber in Wahrheit immer auf dasselbe hinauslaufenden Instrumenten verborgen sind.

Einige wenige positive Signale

Gewiss darf man auch die wenigen positiven Signale aus Europa nicht ignorieren: Irland hat sich durch braves Sparen weitgehend wieder erholt; Portugal hält tapfer sein Sparprogramm ein; Italien hat zumindest einen Primär-Überschuss (es gibt also als eines der wenigen Krisenländer weniger aus, als es einnimmt, wenn man die Bedienung der Kredite ignoriert).

Aber das deutet noch auf keine echte Wende. Das zeigt noch nicht, dass die Rettungs-Idee funktioniert. Deren Kern lautet ja: Die Anderen schießen Geld zu, um Zeit zu kaufen, in der sich die Schuldenländer sanieren können. Länder wiue Griechenland haben die Zeit in keiner Weise genutzt. Spätestens seit auch ein Schwergewicht wie Frankreich ganz auf Schulden setzt, ist diese Zeitkauf-Idee wohl weitgehend gescheitert.

Zu diesem Scheitern hat noch mehr beigetragen, dass in diesen beiden Jahren allen die Botschaft vermittelt wurde: Die Deutschen als Chefs der kleinen Gruppe, die noch ein bisschen kreditwürdig ist, machen am Ende doch nie wirklich ernst mit ihren Drohungen. Sonst wäre ja etwa Griechenland schon lange das Geld ausgegangen.

Schon wieder eine neue Bankenaufsicht

Signifikant für das peinliche Herumdoktern der EU-Chefs ist die Ankündigung einer neuen europäischen Bankenaufsicht durch den jüngsten Gipfel. Das klingt gut. Nur hat man schon im Vorjahr haargenau dasselbe getan: nämlich eine Europäischen Bankenaufsicht (EBA) geschaffen. Diese hat damals mit ihren Stresstests für die Banken viel Aufsehen erregt hat. Diese EBA hat freilich den spanischen Banken ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt – und zwar knapp bevor da einige davon in Konkursgefahr geraten sind und vom Staat gerettet werden mussten.

Daher weiß jetzt kein Mensch, wie künftig diese beiden Aufsichten miteinander und mit den zahllosen sonstigen nationalen und internationalen Bankenaufsehern (für Österreich etwa OeNB, FMA, BIZ, IWF, OECD) harmonieren werden. Auch die Regeln und Konsequenzen der neuen Bankenaufsicht sind völlig unklar. Denn eigentlich will ja gar niemand größere Banken in die Insolvenz schicken. Vor allem will aus Eigeninteresse kein Staat, dass die Banken damit aufhören, die Staaten weiter zu finanzieren. Dabei ist die Staatsfinanzierung – neben den Immobilienkrediten – zur größten Risikoquelle des Finanzsystems geworden und müsste eigentlich als erstes eingeschränkt werden. Also ist das ständige Gerede „Noch mehr Aufseher!“ nur ein Mittel zur Wählertäuschung.

Diese Bankenaufsicht Nr. 227 (oder so) dient nur dazu, den eigentlichen Trick des jüngsten Gipfels zu tarnen: Künftig sollen die diversen europäischen Fonds auch Banken direkt „retten“ können (die eben zur Rechtfertigung dieses Schritts künftig auch von der EZB beaufsichtigt werden). Selbst wenn dazu kein neues Geld in die Rettungsfonds gepumpt werden sollte, ist diese scheinbar harmlose Maßnahme gefährlich: Erstens zählen diese Kredite nicht zur nationalen Staatsverschuldung, gefährden also scheinbar nicht die ohnedies labile Kreditwürdigkeit der Südstaaten und deren Maastricht-Kriterien. Und zweitens bekommen die Rettungsfonds solcherart nicht die Möglichkeit eines direkten Drucks auf die Staaten, mehr zu sparen.

Ebenso ärgerlich ist, dass der ESM (in dem also ein Gutteil der deutschen und österreichischen Haftungen stecken wird) gegenüber Spanien den Status als bevorrechteter Gläubiger verliert. Womit die Hoffnungen auf einen Rückfluss der Gelder weiter reduziert worden sind.

Das mag die Wall Street und einige andere Gläubiger Spaniens freuen. Für die mitteleuropäischen Steuerzahler ist das eine schlechte Nachricht.

"Schuldenbewirtschaftung" statt Sanierung

Statt von Sparen und Sanierung redet daher die Politik neuerdings lieber von einer „Schuldenbewirtschaftung“. Wenn dieses Wort überhaupt irgendetwas heißt, dann eines: Niemand denkt daran, jemals die Schulden wirklich zurückzuzahlen.

Das Konzept „Zeitgewinn zur Sanierung“ scheitert vor allem deshalb, weil die Nationalstaaten nie und nimmer die wirkliche Gesetzgebungs-Autorität an übergeordnete Institutionen abgeben. Aber selber sind die meisten Staaten unter dem Druck der Wähler offenbar zu keiner echten Sanierung imstande. Jedoch nur durch einen nicht vom Populismus der nationalen Parlamente und Regierungen abhängigen Insolvenzverwalter könnten die meisten Staaten saniert werden: Dieser müsste selbst Beamtenkündigungen durchsetzen, das Pensionsantrittsalter erhöhen, die Urlaube verkürzen, unproduktive Subventionen streichen und vieles andere ebenso Notwendige wie Unpopuläre tun können. Das wird ihm keine Regierung erlauben.

Statt die Einsetzung solcher Sparbevollmächtigter zur Bedingung zu machen, hat Europa den Schuldenstaaten immer weitere Schecks geschickt und nur dazu gesagt: „Wenn ihr nicht spart, gibt es aber beim nächsten Mal wirklich kein Geld mehr“. Das aber wird zunehmend zur europäischen Lachnummer.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Alle wollen regulieren – aber wie?

01. Juli 2012 00:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Seit vier Jahren wird der Satz von allen Politikern und Journalisten nachgebetet: Die Finanzwelt muss strenger reguliert werden! Aber kaum jemand versteht, worum es dabei geht.

Erstens sollen höhere Eigenkapitalquoten vorgeschrieben werden. Das ist auch in Ordnung. Es ist jedoch reine Schikane, dass zu dieser Quote zwar Partizipationsscheine in staatlichen, aber nicht solche in privaten Händen zählen. Dabei sind rechtlich beide völlig gleich: Wenn es gut geht, fließen Erträge, wenn es schlecht geht, ist die ganze Einlage weg. Nicht anders ist ja auch das Los von Aktionären. Schon diese Bestimmung zeigt eine einseitige Staatslastigkeit der Regulierer.

Noch absurder ist der zweite Bereich, die Liquidität. Natürlich ist es gut, wenn Banken und Versicherungen liquide sind. Am liquidesten sind sie freilich dann, wenn sie das gesamte eingelegte Geld im Safe horten. Kleines Problem: Sie können dann keine Zinsen zahlen, sondern müssen umgekehrt Verwahrungsgebühren für Safe- und Personalkosten verlangen.

Daher will man doch auch andere Werte als Liquidität gelten lassen. Obwohl diese Werte oft keineswegs liquide sind. Absurd aber ist, was den Regulierern bisher als einziges mit Bargeld jedenfalls Gleichwertiges eingefallen ist: Das sind Staatsanleihen! Jawohl, Anleihen dieser bankrotten Gebilde.

Natürlich wissen die Regulatoren – und das nicht erst, seit griechische oder argentinische Papiere nur noch zum Tapezieren gut waren, – dass die Liquidität von Staatsanleihen eine Fiktion ist. In Wahrheit geht es ihnen aber gar nicht um Liquidität, also die Sicherheit der Anleger, sondern um die Angst der Staaten, sonst kaum noch Kredite zu bekommen. Selbst Deutschland hat ja schon – bei zunehmender Überalterung – eine sehr hohe Staatsverschuldung. Daher könnte man selbst beim starken Mann Europas zweifeln, ob seine Papiere wirklich auf Dauer werthaltig bleiben. Aber da ja Banken und Versicherungen einen Teil des eingelegten Geldes „liquide“ halten müssen, kaufen sie halt weiter deutsche Anleihen (und mit schon etwas geringerer Begeisterung auch österreichische oder niederländische). Immerhin bekommt man da im Gegensatz zum Bargeld wenigstens noch ein paar Zerquetschte als Zinsen. Und jedenfalls sind Papiere dieser Länder weit sicherer als jene vom Mittelmeer.

Erst seit den allerletzten Tagen will man nach jahrelangen Verhandlungen nun auch Gold und Aktien als Liquidität einstufen. Zwar gibt es auch hier große Fragezeichen – aber so „liquide“ wie ein griechisches oder spanisches Staatspapier sind die meisten Aktien allemal. Und Gold sowieso. Der Grund dieser Erweiterung des Liquiditätsbegriffs: Sonst hätten die Banken kaum noch Spielraum, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Was die Arbeitslosigkeit explodieren ließe.

Diese beabsichtigte Milderung der Regeln macht aber wiederum die Finanzminister nervös: Denn dadurch wird das Interesse der Anleger an Aktien steigen und an Staatsanleihen sinken. Das heißt aber: Die Schlacht um die Regulierungsregeln wird wohl weitergehen.

Und erst in vielen Jahren wird man erkennen: Trotz allem Politikergerede kann es die absolut sichere Geldanlage nicht geben.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Was war denn das für ein Gipfel?

29. Juni 2012 14:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alter Wein in neue Schläuche. Oder: Schon wieder ist Angela Merkel eingeknickt. Beide Reaktionen waren in den ersten Stunden nach dem Gipfel zu hören.

Und seltsamerweise sind beide Sichtweisen zum Teil richtig. Rechtskräftig ist vorerst noch gar nichts. Die wirklichen Folgen werden noch von der detaillierten Ausarbeitung der Gipfelbeschlüsse abhängen. Aber dennoch ist jetzt schon klar: Die deutsche Bundeskanzlerin ist in einigen Punkten eingeknickt. So soll es künftig entgegen dem vor dem Gipfel beschworenen deutschen Standpunkt auch direkte Stützungskredite an Banken geben, womit insbesondere die spanische Regierung etliches an Verantwortung Richtung Europa los wäre. So ist offenbar die Kontrolle für Schuldenregierungen gemildert, nicht verschärft worden.

Damit hat sich erneut gezeigt: Die deutsche Regierungschefin hält Druck nicht gut aus, wenn sie von fast allen anderen Kollegen eine Nacht lang belagert wird. Das ist deprimierend. Denn schließlich ist sie der einzige europäische Außenposten der Vernunft. Die Front der südeuropäischen Schuldenländer und der erstarkenden Linksregierungen hat daher einen Punktesieg verzeichnen können. Besonders ärgerlich ist dabei, dass auch Österreich in diese Front eingetreten ist – obwohl Bundeskanzler Faymann ohne Sanktus der ÖVP dort eigentlich keine Position beziehen dürfte.

Auf der anderen Seite hat Merkel in der wichtigsten Frage gehalten: Es gibt keine Eurobonds (auch wenn der schon bei früheren Gipfeln beschlossene und in den nächsten Tagen durch das Berliner und Wiener Parlament gehende Stabilitätsmechanismus ESM diesen Eurobonds verdammt ähnlich schaut).Damit fließt nur alter Wein, also schon früher zugunsten von Staats-Hilfen beschlossenes Geld an die Banken.

Bezeichnend ist die Reaktion der Märkte (die ja alle heftig auf das deutsche Geld gieren): Zuerst stiegen sie steil, aber schon Stunden später fielen sie wieder, als sie das Ergebnis genauer analysiert hatten. Womit die Halbwertszeit des Gipfels ein absolutes Rekordniveau erreicht hat. Hatten doch die „Durchbrüche“ auf den 18 bisherigen Krisengipfeln in der Regel wenigstens ein paar Tage lang die Märkte beruhigen können.

 

Drucken

Strom: Blackouts kommen auf uns zu

29. Juni 2012 02:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Bei der Energiewende in Europa droht einiges schief zu laufen. Insbesondere bei den Kosten ist mehr Realismus nötig: So darf es etwa keine ungehemmte Ökostrom-Förderung geben, denn irgendwann stößt die Belastbarkeit der Verbraucher an Grenzen. Die seit gut einem Jahr in Deutschland laufende Debatte über die Energiewende hat exemplarisch eine Reihe von Problembereichen aufgezeigt, für die eine wirkliche Lösung fehlt.

Das gilt etwa für den fehlenden Stromnetzausbau, aber auch einen suboptimalen Kraftwerkseinsatz, bei dem im Süden Deutschlands zu viel abgeschaltet worden ist, während der Norden von Windkraft-Strom überschwemmt wird. Der Netzausbau könnte den Nachbarn 57 Mrd. Euro kosten, mehr als die deutsche Griechenland-Hilfe. Das Stromnetz steht schon ziemlich unter Druck: Experten hoffen, dass es die nächsten zwei, drei Jahre zu keinen Stromausfällen kommt. Aber deren Wahrscheinlichkeit ist deutlich gestiegen.

Pro Jahr gibt es in Österreich 10.000 kleine und mittlere Stromausfälle. Im vergangenen Jahr musste der österreichische Übertragungsnetzbetreiber APG 2.500 Mal stabilisierend ins Netz eingreifen. 2009 war dies nur 1.900 Mal notwendig. Laut APG hat es heuer durch hohes Windaufkommen in Deutschland hierzulande bereits einige Beispiele kritischer Netzsituationen gegeben.

Das viertägige Blackout in Teilen der USA und Kanada im Sommer 2004 hat schätzungsweise wirtschaftliche Verluste in der Höhe von sechs Mrd. US-Dollar (4,7 Mrd. Euro) verursacht. Ein totaler Stromausfall in Deutschland würde pro Stunde 0,6 bis 1,3 Mrd. Euro kosten. Am teuersten wäre ein Stromausfall für die Finanz, Telekom- und Halbleiterindustrie. Den letzten großen Blackout in Europa gab es 2003, als das ganze Stromnetz in Italien für 18 Stunden zusammenbrach. Technische und menschliche Fehler sowie mangelhafte Instandhaltung sind die Hauptursachen von Blackouts. Sonnenstürme und Terroranschläge sowie Cyberattacken rücken aber immer mehr in den Fokus der Energieversorgungssicherheit.

Die österreichische Energiewirtschaft sieht auch eine steigende Gefahr von Blackouts. Derzeit liegt Österreich mit im Schnitt rund 30 Minuten an ungeplanten Stromausfällen pro Jahr noch an dritter Stelle in Europa. Durch den steigenden Stromverbrauch und die Energiewende würden die Stromnetze in Spitzenzeiten aber an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Es steht zu befürchten, dass es in Europa zur Bildung von teuren „Kapazitätsmärkten" für nicht laufende Gaskraftwerke in Warteposition kommt, deren Kosten die Stromverbraucher dennoch berappen müssten. Einen solchen Ausgleich von Marktmängeln benötigt Österreich gar nicht, dennoch könnte die Belastung hierzulande 50 bis 150 Mio. Euro ausmachen. Vor allem in Deutschland sind solche Kapazitätsmärkte schon länger in Diskussion, nachdem mit Erdgas befeuerte Kraftwerke derzeit relativ unrentabel sind, aber als Reserve-Kraftwerke für Ökostrom benötigt werden.

Es geht nicht an, Erneuerbare Energien ungehemmt zu fördern, denn dann wird die Stromerzeugung für andere Marktteilnehmer unattraktiver. Endlich wird auch auf EU-Ebene darüber diskutiert, dass man Elektrizität aus Renewables nicht um jeden Preis ins Netz einspeisen lassen kann, wenn kein Bedarf danach gegeben ist. In Deutschland sind die Ökostrom-Zuschläge mit 4,6 bis 5,3 Cent je kWh schon fast so hoch wie die eigentlichen Stromkosten von 5 bis 6 ct/kWh, in Österreich liegen sie bei einem Drittel. Schrittweise müssten die Erneuerbaren von der „Förder-Infusion" gelöst und in den Wettbewerb gebracht werden, also sich nach einer gewissen Phase einer Anschub-Investitionsförderung selbst finanzieren können.

Die deutsche Energiewende kostet Österreich schon jetzt 200 Mio. Euro im Jahr, da durch die AKW-Abschaltungen die auch für uns relevanten Strom-Großhandelspreise nach oben getrieben worden sind. Die bisherigen preisdämpfenden Effekte im deutschen Strom-Großhandel für Österreich fielen damit weg, die Strompreise werden auch bei uns in den nächsten Jahren kräftig steigen.

Wie soll das Energiesystem der Zukunft aussehen?

Die Politik muss sich entscheiden, ob sie den Sektor regulieren will, oder dem freien Wettbewerb überlassen möchte. Im Energiebereich gilt es zwei zentrale Fragen zu beantworten: Zum einen, ob Lösungen auf nationaler oder europäischer Ebene erfolgen sollen. Und zum anderen, ob es Regulierung oder Wettbewerb geben soll.

Die Antworten sind klar. Man müsste konsequent auf Wettbewerb setzen und Abstand von Regulierung nehmen. Die Spielregeln für den Wettbewerb müssten allerdings sehr wohl die Politik festlegen, besonders beim Ausgleich unerwünschter externer Effekte, etwa beim Thema Umwelt.

Im Kampf gegen den Klimawandel gilt es dennoch auf erneuerbare Energien zu setzen. Welche Technologie allerdings an welchem Standort zum Einsatz kommt, muss der Markt entscheiden. Nicht jeder Standort bietet dieselben Voraussetzungen. Windenergie in Schottland ist marktfähig, Photovoltaik in Deutschland dagegen nicht. Die Politik könnte eine Quote für erneuerbare Energien vorgeben, die Anbieter in ihrem Portfolio erfüllen müssen.

Die Entscheidung über die konkrete Technologie ist allerdings Sache der Unternehmen. Wie schwierig diese Entscheidung oft ist, zeigt sich bei den deutschen Offshore-Windparks. Versicherungen können sich beispielsweise bei derartigen Projekten nicht engagieren, denn die deutsche Finanzmarktaufsicht betrachtet derartige Engagements so, wie wenn man in Hedgefonds investieren würde.

Energiepolitik muss künftig auf europäischer Ebene erfolgen, über nationalstaatliche Grenzen hinweg. Bisher gibt es zwar einen gemeinsamen Binnenmarkt für den Großhandel. Die konkrete Energiepolitik ist aber von Land zu Land unterschiedlich. Es zeigen sich hier Ähnlichkeiten zur Euro-Krise: Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Fiskalpolitik funktioniert nicht.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Parlament diesmal hui – rote Personalpolitik immer mehr pfui

28. Juni 2012 17:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast täglich liefert die heimische Politik Ärgerliches und Provozierendes. Dennoch sei heute einmal primär das Positive hervorgehoben: die – einstimmige! – Einigung in einem Parlamentsausschuss, dass die Causa Kampusch neu untersucht werden soll. Das ist ein Anlass zu großer Freude. Die kann sogar den Zorn darüber dämpfen, dass die SPÖ gleichzeitig in ihrer Personalpolitik auf „Stalinismus Volle Kraft Voraus“ geschaltet hat. Offenbar geht die Partei davon aus, schnell unabhängig von jeder Qualifikation noch möglichst viele Genossen versorgen zu müssen, bevor ihr der nächste Wahltag einen Dämpfer versetzt.

Aber zurück zu Kampusch: Natürlich ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass heute, so viele Jahre nachher, noch wirklich restlose Klärung in den Fall gebracht werden kann. Aber es ist jedenfalls in einer verfahrenen Situation die beste Idee, dass sich einmal ausländische Experten alles anschauen können. Und dass da nicht ständig nur ein Staatsanwalt anderen Staatsanwälten Persilscheine ausstellt.

Ebenso erfreulich ist, dass nun offenbar ein Verfahren gegen Staatsanwälte wegen Nötigung in Gang kommen dürfte, die offenbar eine Zeugin unter Druck gesetzt haben, wunschgemäß auszusagen. Der tragische und höchstwahrscheinlich in direktem Zusammenhang mit der Affäre stehende Selbstmord eines Kriminalbeamten kann ohnedies nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Mann war etlichen Indizien zufolge unter massiven Druck geraten, nachdem er die Dinge ganz anders gesehen hat als die Staatsanwälte,

Was auch immer herauskommt: Rätselhaft bleibt, warum sich gleich drei Ministerinnen da nicht getraut haben, selbst ihrer Aufsichtspflicht über die Staatsanwälte nachzukommen, die sie ständig als so wichtig bezeichnen. Sind die Herren in Rot (was bei vielen in mehrfacher Hinsicht zutrifft) wirklich zu einem unangreifbaren Staat im Staat geworden? Ideal ist es nämlich keinesfalls, dass Abgeordnete nun anfangen, wider die Gewaltentrennung die Justiz zu kontrollieren. Dies ist vor allem angesichts des in den diversen Untersuchungsausschüssen gezeigten Rechtsverständnisses mancher Abgeordneter problematisch, das ja mit serienweisen Vorverurteilungen und Unterstellungen heftig an die Methoden der Französischen Revolution erinnert (um nicht gar spätere Geschichtsepochen bemühen zu müssen).

An dunkle Epochen erinnern auch die Personalmaßnahmen der SPÖ. Da feuerte die Infrastrukturministerin Bures in einer Handstreichaktion den Industriellen Peter Mitterbauer als Aufsichtsratsvorsitzenden der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Und gleichzeitig wurde dort die in Nationalbank ausscheidende Genossin Gertrude Tumpel-Gugerell inthronisiert, die zufällig auch Ehefrau des Arbeiterkammer-Chefs ist.

Tumpel hat gewiss in der Europäischen Zentralbank etliche Erfahrungen in internationalen Finanzfragen gesammelt. Freilich ist sehr negativ aufgefallen, dass sie dort ohne irgendeinen erkennbaren Widerstand allen Geldverbrennungen zugunsten der reformunwilligen Schuldenstaaten zugestimmt hat. Aber ganz sicher hat sie Null Erfahrung mit industriell angewandter Forschung. Und einzig um diese Forschung geht es in der FFG. Bezeichnend und trotz aller Vorbehalte für Tumpel geradezu kränkend ist der Umstand, dass Bures als einziges Argument für den handstreichartigen Wechsel das Geschlecht Tumpels zu nennen wusste. Da hätte doch selbst einem drittklassigen Pressesprecher Besseres einfallen müssen.

Natürlich geht es nicht um das Geschlecht, sondern um Parteiloyalität. Die ist in der Faymann-SPÖ zum einzigen Maßstab geworden. Das kann man auch daran ablesen, dass am gleichen Tag auch Sozialminister Hundstorfer eine massiv parteipolitische Personalentscheidung getroffen hat, deren Opfer eine Frau ohne rotes Parteibuch wurde (zugunsten einer anderen Frau mit heftigem roten Stallgeruch).

Es geht um die Leitung des Wiener Arbeitsmarktservices. Hier war die im letzten Moment abservierte Kandidatin bisher stellvertretende Geschäftsführerin gewesen und von einem Personalberater als bestqualifizierte bezeichnet worden. Was offenbar egal ist, wenn jemand Gewerkschaft und Rathaus ein Dorn im Auge ist. Statt ihr wurde eine gehorsame Frau aus dem Hundstorfer-Ministerium ins AMS platziert, also noch dazu jemand ohne unmittelbare AMS-Erfahrung.

Das reiht sich in die skandalöse Personalauswahl bei den beiden zuletzt neu besetzten „roten“ Posten im Verfassungsgericht. Auch dort sind nicht etwa die Besten (in diesem Fall: Verfassungsjuristen) gesucht und auserkoren wurden, sondern jene Genossen, die unmittelbare Vasallendienste für rote Spitzenpolitiker geleistet haben. Dabei hätte es durchaus auch gute sozialdemokratische Juristen gegeben. Das sind freilich solche, die selber denken und nicht nur die Parteimeinung duplizieren (gar nicht zu reden davon, dass die rot-schwarze Privatisierung des VfGH überhaupt ein Skandal ist und schlimmer als alles, was man den Ungarn zuletzt vorgeworfen hat).

Dazu kommt, dass auch im Burgenland der Landesrechnungshof künftig von einem langjährigen Kofferträger des amtierenden Landeshauptmannes besetzt wird. Was bei den Aufgaben eine Rechnungshofs ungefähr die schlechtestmögliche Qualifikation ist.

Man darf gespannt sein, ob das alles in jenen angeblich unabhängigen Medien auch so laut kommentiert wird wie vor einigen Wochen die Nichtverlängerung des Arbeiterkämmerers Muhm in einem Nationalbankgremium. Da haben diese Medien nämlich alle tagelang aufgeheult – obwohl die Finanzministerin im gleichen Zug auch einen bekannt bürgerlichen Ökonomen abserviert hat.

Diese Personalentscheidungen erinnern lebhaft an die letzten Monate des Jahres 1999: Auch damals hat die SPÖ in breitester Front ihre Parteigänger versorgt. Was natürlich die Frage aufwirft: Wird sich 2013 auch das wiederholen, was als Folge der Wahl 1999 in den ersten Wochen des Jahres 2000 passiert ist?

 

Drucken

Schulzeugnis des Versagens und Manipulierens

28. Juni 2012 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nirgendwo klaffen bei dieser Regierung Propaganda und Realität so weit auseinander wie bei Gesundheit und Bildung. Zum Schulschluss hat vor allem das Schulthema große Chance auf unkritischen medialen Widerhall. So wie zu Allerheiligen Friedhofsthemen. Das nutzt die verantwortliche Ministerin prompt dazu, sich derzeit selbst tagtäglich Zeugnisse auszustellen. Diese bestätigen Claudia Schmied aber in Wahrheit nur in einem einzigen Gegenstand ein gutes Abschneiden: nämlich in Sachen Manipulation und Dialektik. Ansonsten schaut es rund um die Schulpolitik derzeit nämlich extrem traurig aus.

Die neuesten Einträge ins Klassenbuch des Versagens und Manipulierens:

Wie die Gesamtschulen hochgejubelt werden

Erstens: Der Schmiedsche Propagandaapparat verbreitete diese Woche Statistiken, denen zufolge die „Neuen Mittelschulen“ zu einem weit höheren Prozentsatz den 14-Jährigen AHS-Reife verschaffen, als es die Hauptschulen tun. Das hätten (schon im März!!) die ersten Jahrgänge gezeigt, die in fünf Bundesländern nun gerade die NMS hinter sich bringen. Klingt doch toll – aber leider nur für total Ahnungslose.

a.      Die ersten Zweifel an der Schmiedschen Behauptung kommen einem beim Vergleich der Bundesländer-Ergebnisse. Denn im seit Jahrzehnten stramm sozialistisch beherrschten Burgenland soll die AHS-Reife gar bei vier von fünf NMS-Absolventen vorliegen. Hingegen scheint in den weniger von linken Kadergehorsam beherrschten Ländern Oberösterreich, Steiermark und Vorarlberg jeweils nur rund die Hälfte der NMS-Absolventen reif fürs Gymnasium zu sein. Ziemlich seltsam, um wie viel klüger die Burgenländer dieser Propaganda zufolge sein sollen. (Aus Höflichkeit erspare ich mir hier alle Burgenländer-Witze).

b.     Was die ministeriellen Spin-Doctoren in ihrem Propaganda-Feldzug verschweigen: Die AHS-Reife wird nicht etwa von AHS-Lehrern festgestellt, welche die Absolventen der NMS übernehmen sollen. Vielmehr erfolgt die Bewertung durch die NMS-Lehrer selbst. Diese bewerten damit den Erfolg der eigenen Anstrengungen. Was vielleicht kein ganz objektiver Maßstab sein dürfte (und schon gar nicht dann,wenn die Lehrer unter Druck eines militant ideologischen Landesschulrats wie im Burgenland stehen). Wäre die Selbstbewertung ein legitimer Maßstab, würde sich dieses Modell wohl auch für künftige Wahlrechtsreformen nach sozialistischer Art eignen: Da werden dann nicht mehr die Wähler, sondern die Parteien selbst sich die Zeugnisse in Form von Wahlergebnissen ausstellen. Die wohl nicht mehr sehr überraschend wären.

c.      Verschwiegen wird von den Schmied-Propagandisten auch, dass die Hauptschulen wie auch die AHS-Unterstufen gesetzwidrig mit viel größeren Schülerzahlen in den Klassen fertig werden müssen als die Gesamtschulen.

d.     Verschwiegen wird weiters, dass für jede einzelne dieser kleineren NMS-Klassen überdies noch viel mehr Lehrerstunden bezahlt werden als für die größeren Klassen anderen Schulen.

e.      Verschwiegen wird auch, dass bisher alle objektiven Vergleiche von Gesamtschulen (etwa in Wien gibt’s die ja schon viel länger als die Schmied-NMS) mit den ersten beiden Klassenzügen der Hauptschulen für die Gesamtschulen vernichtend ausgefallen sind. Und dass sich das Ministerium bis heute krampfhaft bemüht, alle echten Vergleichsstatistiken vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.

f.       Und last not least bestätigen alle befragten Lehrer von AHS, dass im Schnitt Schüler, die von Gesamtschulen kommen, schlechter sind als jene von Hauptschulen. Was auch kein Wunder ist: Denn in der Hauptschule wird nach Leistung getrennt unterrichtet, während in den Gesamtschulen vom Gescheitesten bis zum Blödesten alle den gleichen Unterricht erhalten. Wobei es wenig nützt, dass in den NMS statt einem meist zwei Lehrer gleichzeitig in der Klasse stehen. Die Schüler fühlen sich durch diese Vielfalt oft mehr verwirrt als gefördert.

Selbst die Oberstufe wird ausgehungert

Zweitens: Die AHS werden zugunsten der NMS nicht nur in der Unterstufe ausgehungert. Dasselbe Schicksal erleiden auch reine Oberstufenrealgymnasien – obwohl diese eigentlich (noch?) nicht auf der Abschussliste linker Schulklassenkampf-Pläne stehen. Ein Direktor eines solchen BORG hat mir die Daten seines Investitionsbudgets gezeigt, also jener Geldmittel, die er für Computer, Beamer und ähnliches ausgeben kann: Waren das 2009 noch 22.000 Euro, so sank der Wert dann alljährlich: 17.000, 13.000 und zuletzt 10.000 Euro. Und das nennt sich dann „Bildungsoffensive“ . . .

Nur Placebo-Therapien gegen die Schwänz-Epidemie

Drittens: Ein wirklicher Skandal ist auch die institutionalisierte Untätigkeit der Unterrichtsbehörden beim Thema Schulschwänzen. Denn das nach langen Aufregungen nun mit dem Innenministerium vereinbarte Antischwänz-Paket ist geradezu lächerlich. Damit ist weniger die vordergründige Debatte um die Höhe von Geldstrafen gemeint, sondern vielmehr die Tatsache, dass überhaupt erst nach dem zehnten(!) Schwänztag die ersten Konsequenzen vorgesehen sind. Und die sind peinlich harmlos: Man redet halt einmal mit den Eltern über das Problem.

Dazu kommt ja, dass ohnedies ein Gutteil der Schulschwänzer nicht erwischt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Eltern irgendwie aus Dummheit oder Solidarität mit dem Schwänzen ihrer Kinder mitspielen.

Aber warum bitte gibt’s diese Konsequenz nicht wenigstens gleich beim ersten Tag, an dem ein Schüler beim Schwänzen erwischt wird? Und warum werden die Schwänzer nicht beispielsweise verpflichtet,  an Nachmittagen Versäumtes nachzuholen? Statt dessen hört man von der Ministerin nur den hohlen Newspeak der Linken: Es brauche statt Konsequenzen „Prophylaxe“, „Jugendwohlfahrt“ und „Vereinbarungskultur“.

Lehrerausbildung wird nach unten nivelliert

Viertens: Während Schmied und ein Gutteil der Politiker derzeit davon schwätzen, dass die Lehrerausbildung verbessert werden müsse, geht der Zug in die andere Richtung: Zumindest nach den Plänen der Linken sollen die Pädagogischen Hochschulen künftig auch AHS-Lehrer ausbilden.

Was in vielen Fächern ein absoluter Wahnsinn wäre: Denn an diesen PH unterrichten überwiegend avancierte Pflichtschul- und AHS-Lehrer, keineswegs Universitätsprofessoren. Wie diese Menschen Lehrer wissenschaftlich ausbilden sollen, die dann Schüler zur Universitätsreife heranzuführen hätten, bleibt ein absolutes Rätsel. Außer man verwendet jenen Erklärungsschlüssel, der letztlich hinter so viele rot-grünen (Anti-)Bildungs-Aktionen steht: „Matura, Bachelor und Master für jeden! Und zwar ohne altmodischen Leistungsfimmel, weil sonst wären ja bildungsferne Schichten benachteiligt!“

Ein ganz anderes Thema ist freilich, dass sowohl nach einer PH wie bisweilen auch nach einer Uni die Absolventen oft nicht einmal die deutsche Rechtschreibung oder die (theoretisch) studierte Fremdsprache beherrschen. Dennoch wurde ihnen die Unterrichtsfähigkeit attestiert.

Tägliche Schulgewalt lässt Mittelstand in AHS flüchten

Fünftens: Soeben ist eine hochinteressante Statistik veröffentlicht worden („Gewalterfahrungen von Jugendlichen: Prävalenzen und Risikogruppen“, HG Strohmaier u.a.). Sie sagt, dass es an maturaführenden Schulen deutlich weniger Gewalt unter Schülern gibt als an Pflichtschulen. Das ist zweifellos einer der vielen Gründe, warum immer mehr Schüler wie Eltern trotz aller ministeriellen Aushungerungsaktionen in die AHS drängen.

Die Linken hingegen begründen sogar mit dieser Statistik den Vorteil von zwangsweisen Gesamtschulen. Das Warum ist nicht so klar. Vielleicht damit in diesen dann die schon vom Elternhaus durch Gewalt geprägten Kinder in den zur Gewaltlosigkeit erzogenen Mittelschichtschülern Prügelopfer in ausreichender Zahl finden.

Das Kuscheln hat das Niveau gesenkt

Sechstens: Eine andere Studie („Schulqualität und Befinden in der Schule“, Eder, Haider) zeigt, dass der Leistungsdruck in den Schulen nachgelassen hat. Auch fühlen sich die Schüler zunehmend wohl in den Schulen.  

Hochinteressant – und ehrlich – ist der Schluss des Autors Ferdinand Eder: „Wir haben oft die Erwartung, dass ein besseres Wohlfühlen in der Schule zu mehr Lernerfolg führe. Und diese Verbindung, die lässt sich nicht nachweisen.“ Und weiter: „Wenn Leistungsdruck deshalb geringer wird, weil die Herausforderungen weniger geworden sind, dann ist das zwar auf den ersten Blick positiv. In Bezug auf die Schule ist das keineswegs positiv, dass nicht nur der Leistungsdruck zurückgegangen ist, sondern auch das, was von den Schülern verlangt wird.“

Vielleicht denken an Hand solcher Studien auch die mit dem Bildungssystem so unzufriedenen Industriellen einmal wirklich über die Ursachen des Bildungsverfalls nach? Das wäre jedenfalls viel sinnvoller, statt sich weiter mit den Propagandisten linker Kuschelpädagogik ins Bett zu legen. Die ist nämlich eine Hauptursache des Verfalls.

Die Chancen, dass unsere Industriellen klüger werden, sind freilich gleich Null, seit in der Industriellenvereinigung ein blauäugiger Sozialliberaler regiert, der all diese linken Sprüche nachplappert. Übrigens sind die deutschen Unternehmerverbände vehement für ein differenziertes Schulsystem. Aber die sind halt neoliberal und nicht sozialliberal.

Mehr Nachhilfe bringt Pisa-Erfolge

Siebtens: Die Intelligenzprobleme linker Bildungspolitiker zeigten sich auch bei der Präsentation einer Arbeiterkammerstudie über Nachhilfe. Diese ergibt zwar viel höhere Nachhilfe-Ausgaben als eine ähnliche Studie der Statistik Austria. Aber auch nach der AK-Studie sind die Ausgaben für Nachhilfe binnen eines Jahres von 127 auf 107 Millionen Euro gesunken. Das heißt logischerweise: Entweder sinkt der Leistungsanspruch in den Schulen dramatisch oder die Schulen sind plötzlich viel besser geworden.

Arbeiterkammerchef Tumpel hat freilich eine dritte Erklärung: Die Menschen können sich plötzlich die Nachhilfekosten nicht mehr leisten. Die Tatsache, dass im gleichen Jahr die Konsumausgaben gestiegen sind, deutet freilich nicht wirklich auf eine Verarmung der Österreicher hin. Solche Tatsachen können aber ganz offensichtlich die Klassenkampf-Logik eines Arbeiterkammer-Bonzen nicht beeinträchtigen.

Besonders heiter ist auch, wie die ÖGB-Vizepräsidentin Oberhauser auf die gleiche Statistik reagierte. Obwohl die Höhen der Nachhilfeausgaben zwischen der von den Linken gehassten Hauptschule und der mit gigantischen Budgetmitteln subventionierten Neuen Mittelschule nicht einmal um zehn Prozent auseinanderliegen, leitet sie daraus den endgültigen Beweis für die Gesamtschule ab. Dabei sind die Mehrausgaben für die Gesamtschule immer damit begründet worden, dass dann die Nachhilfeausgaben wegfallen würden. Dabei sind Gesamtschulen viel häufiger Ganztagsschulen als die Hauptschulen.

Verschwiegen wird natürlich auch, dass in den Pisa-Siegerländern in Asien der Anteil der Schüler mit Nachhilfe ein Vielfaches des österreichischen Wertes beträgt; dass dort die besten Nachhilfeinstitute sogar Wartelisten führen; dass es dort einen gewaltigen Wettlauf um Plätze in den besten Schulen gibt, die gute Karrierechancen versprechen. Und all das ist der Fall, obwohl jene Länder theoretisch reine Gesamtschulländer sind. Oder vielleicht gerade deshalb?

Aber Gewerkschaftsbosse und andere Linke wissen ohnedies immer das Ergebnis jeder Studie voraus. Ist das Wetter schlecht, beweist das die Notwendigkeit der Gesamtschule. Ist das Wetter gut, beweist das die Notwendigkeit der Gesamtschule. Ist das Wetter wechselhaft natürlich ebenso.

Und schnell noch ein paar Zeitungen bestochen

Achtens: Die hemmungslose Charakterlosigkeit dieser Ministerin hat sich in den letzten Wochen noch an etwas ganz anderem gezeigt: Sie hat seit 1. Mai über 200.000 Euro für Inserate an Wiener Medien verschoben, die wie immer vor allem an die drei übelsten Boulevard-Medien gingen. Der Inhalt:Meist ihr Bild und schwachsinnige Werbesprüche wie "Die Neue Mittelschule - ein Meilenstein für Österreich". Das wirklich Grausliche daran: Sie macht diese schmierige Aktion noch ganz knapp, bevor das Medientransparenzgesetz in Kraft tritt. Nach diesem sind nämlich ab 1. Juli sowohl Inserate mit Ministerphotos wie auch mit solchen Werbesprüchen verboten.

Diese charakterlose Person setzt also noch schnell und bewusst um unser Geld solche Sauereien, bevor diese - endlich - verboten werden, sie nützt noch rasch Gesetzeslücken, um käufliche Blätter zu bestechen. Was ist das nur für ein Land, in dem so jemand die Erziehung unserer Kinder anvertraut ist?

PS.: Ausnahmsweise einmal an dieser Stelle ein Buchtipp für alle, die sich ernsthaft mit Bildungsfragen befassen wollen: Dieter Grillmayers „Schule zwischen Anspruch und Zeitgeist“ analysiert die letzten 50 Jahre ununterbrochener Bildungsreformen. Und der Autor wagt sogar herauszuarbeiten, dass gute Bildung absolut keine Frage von mehr Geld (des Staates oder der Eltern) ist. Zugleich ist – wäre – der Buch auch ein Steinbruch für die Suche nach wirklich sinnvollen Bildungsideen.

Drucken

Die ÖBB und ihre Senioren – ein persönlicher Erfahrungsbericht!

27. Juni 2012 23:42 | Autor: Günter Frühwirth
Rubrik: Gastkommentar

Als langjähriger Fahrgast der Wiener BIM (= Straßenbahn) und U-Bahnen merkt man erst, wie hervorragend und unkompliziert das Kundenservice in Wien ist, sobald man als Reisender mit den ÖBB zu tun hat.

Für die Wiener BIM gibt es für Senioren verbilligte Einzelfahrscheine und Jahreskarten. Ohne irgendeinen weiteren BIM-Ausweis. Soferne man das Alter nicht ohnedies in den Gesichtsfalten und den grauen Haaren weithin sichtbar zeigt, genügt ein Lichtbildausweis in dem das Geburtsdatum vermerkt ist.

Die Jahreskarte wird gegen den Altersnachweis erstmalig ausgestellt und kann jährlich ganz einfach verlängert werden: entweder mit Zahlschein oder gegen Bezahlung bei jedem Fahrkartenschalter der Wiener Linien. Das Ganze dauert keine drei Minuten!

Die endliche Geschichte beginnt

Ganz anderes erlebt der Fahrgast bei den Österreichischen Bundesbahnen!

Um für Senioren ermäßigte „Tickets“ kaufen und benützen zu können braucht der reiselustige Senior eine besondere „Seniorenvorteilscard“. Diese Karte gilt ein Jahr und kostet EUR 26,90. Bei einer Verlängerung dieser Seniorenvorteilscard will die innerhalb der EU pünktlichste Eisenbahn (Eigenwerbung!) anscheinend beweisen, dass Tempo nur für das fahrende Personal zu gelten hat…

Wie in einer Moebius-Schleife sieht sich der verlängerungswillige Senior im Hightechbetrieb ÖBB gefangen. Angefangen hat die unendliche Geschichte mit einer schriftlichen Warnung, dass es heuer bei der Verlängerung der Vorteilscard technische Probleme gibt.

Da die Senioren-Vorteilscard am 25.3.2012 abläuft, wird vorsorglich eine neue Card am 14.3.2012 am Wiener-Westbahnhof persönlich beantragt und bezahlt. Dafür erhält man eine „vorläufige Vorteilscard Senior“ in Form eines Papiertickets – gültig bis 26.6.2012.

Keine Nummer passt

Im Mai möchte der Senior ein ÖBB-Onlineticket zu kaufen. Aber, oh Schreck: Alle vorhandenen und irgendwo vermerkten Vorteilskartennummern werden nicht akzeptiert – der vorläufige Schein berechtigt nicht zum Online-Ticketkauf.

Zum Glück ist auf dem ÖBB-Bestellschein eine ServiceLine Tel.Nr. fett gedruckt.

Ein freundliches Tonband erklärt, dass diese Nummer nicht mehr existiert und eine andere Nummer gewählt werden muss.

Nach schier endlosen Tonbandansagen, zu denen sich der Senior den good old Bundesbahnblues von Helmut Qualtinger pfeift, meldet sich endlich ein realer ÖBB-Mensch mit Trost und einem Geheimnisverrat: Für „vorläufige Vorteilscard Inhaber“ gibt es eine besondere 16-stellige Nummer für Online-Ticketbestellungen!

Senior fragt sich, wieso diese „Geheimnummer“ nicht gleich auf die Vorläufige Vorteilscard gedruckt wird – aber er kann endlich sein Ticket online erwerben.

Nochmals von vorne

Die Freude wird jedoch bald getrübt durch einen Blick auf den Kalender: Drei Monate nach der Bestellung  ist die Jahreskarte NOCH IMMER NICHT im Briefkasterl…

Nur keine Panik – die ÖBB hat auch für diesen Fall vorgesorgt: Auf dem Bestellformular wird der Kunde eingeladen, die Vorteilscard-Serviceline anzurufen oder mit dieser Durchschrift persönlich zu einer ÖBB-Verkaufsstelle zu kommen, falls 10 Tage vor Ablauf der „Vorläufigen Vorteilscard“ noch immer keine echte Vorteilscard angekommen ist.

Also nochmals die – inzwischen bekannte neue – Service-Callcenter Nummer der ÖBB angerufen.

Jetzt gibt’s auch eine freundliche Erklärung für diesen Dauerlauf: „Irgendetwas muss bei der Bearbeitung schief gelaufen sein“, was durch die Systemumstellung leider kein Einzelfall sei…

Am besten, das Formular an das Servicecenter faxen. Da kein Faxgerät im Seniorenhaushalt, besser gleich persönlich zur ÖBB-Verkaufsstelle. Dann wird die Sache umgehend bearbeitet…

Gesagt – getan: Wieder zum Westbahnhof und endlich hat der Senior sie in Händen! Nein, nicht die Senior-Vorteilscard – eine NEUE „Vorläufige Vorteilscard Senior“ in Form eines Papiertickets – drei Monate ab Ausstellung gültig…

Da möchte man doch wirklich alle Direktorinnen und Direktoren der Wiener Linien mit Küssen und Blumen beschenken, nur so aus Dank für einfaches und rasches  Verlängern der Senioren-Jahreskarten in Wien.

In der BIM, im Kino, im Museum – aber nicht bei der ÖBB

Schlussendlich hat der noch im Besitz seines Verstandes denkende Senior zwei Fragen an die ÖBB:

  1. Wieso geht das bei den Wiener Linien so unkompliziert und ohne zusätzliche „Senioren-Vorteilscard“? Wieso bekommen Senioren auch in Museen und Kinos verbilligte Seniorenkarten – ohne besondere Museums- oder Kinoseniorenkarten?
    Den Entgang der EUR 26,90/Karte können die ÖBB doch leicht durch den Wegfall weiterer „Systemumstellungen“ und den damit verbundenen Personaleinsparungen mehr als wettmachen – oder?
  2. Wieso können in Ungarn alle Senioren – Ungarn und EU-Staatsbürger – alle öffentlichen Verkehrsmittel GRATIS benützen? Nur mit irgendeinem Lichtbildausweis mit Geburtsdatum…

Dr. Günter Frühwirth ist Jurist und begeisterter Bahnfahrer. Die gesellschaftspolitische Entwicklung Österreichs verfolgt er mit aktivem Interesse.
„Schönschreiben“ und „Schönreden“ sind für ihn kein Weg um Herausforderungen zu meistern.
 

Drucken

Schwarze Watschentänzer

24. Juni 2012 00:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die ÖVP streitet wieder einmal. Diesmal über die Pensionen und die ÖIAG. Steirische Schwarze empfahlen, das gesetzliche Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen – so wie es schon viele andere Länder in den letzten Jahren getan haben. Worauf der Obersenior Andreas Khol den Steirern empört die Bedeutung eines Salzamtes zugeschrieben hat. Was wiederum diese zum Auspacken des jenseits des Semmerings mehr als eindrucksvollen Arsenals an Verbalinjurien veranlasst hat.

Und der Parteiobmann? Der ist wie so oft freundlich beschwichtigend ohne klar erkennbare eigene Meinung. Dabei haben die Steirer – unabhängig von allen Stilfragen – einfach recht. Punkt.

Denn das Gerede, zur Rettung des Pensionssystems genüge es, das faktische Antrittsalter anzuheben, ist längst als hilflos entlarvt. Das Sozialministerium sabotiert vielmehr die diesbezüglichen Bemühungen bei der Detailarbeit immer wieder. Aber selbst wenn Genosse Hundstorfer zielstrebig an diesem Ziel arbeiten würde, reicht es längst nicht mehr aus, nur an den Schrauben der diversen Frühpensionsarten herumzudrehen. Denn die Lebenswartung steigt weiterhin ständig.

Was man ja auch in anderen Ländern – bis auf das neuerdings in den Steinzeitsozialismus zurückgekehrte Frankreich – ganz deutlich erkennt, weshalb reihum das Pensionsalter trotz aller populistischer Widerstände auf 67 erhöht wird.

Was an Andreas Khol besonders erstaunt: Schon in den Zeiten Wolfgang Schüssels und Martin Bartensteins hat die ÖVP trotz aller Querschüsse immer wieder für eine Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters gekämpft. Immer wieder wurde damals sogar eine Automatik zu verankern versucht: Höhere Lebenserwartung sollte ohne weitere Gesetzesbeschlüsse zu höherem gesetzlichen Antrittsalter führen. Das ist freilich bisher immer am Widerstand der anderen Parteien gescheitert.

Tatsache ist aber, dass seit den ersten Vorstößen, das gesetzliche Pensionsalter zu erhöhen, die Lebenserwartung schon wieder um mehr als jene zwei Jahre gestiegen ist, welche die Steirer jetzt vorschlagen. War vielleicht auch Schüssel für Khol nur ein Salzamtsvorstand?

Oder hat der schwarze Obersenior halt bloß durch das neue Amt eines Pensionisten-Vertreters die Perspektive und damit die Interessenlage geändert? Wenn dem so ist, dann verkennt er aber gewaltig die Interessen gerade der Pensionisten: Diese wollen sichere und wenigstens halbwegs wertbeständige Pensionen. Aber genau dieses Ziel ist gefährdet, wenn der Pensionskuchen mit Massen an Neupensionisten geteilt werden muss, die eigentlich noch durchaus ein paar Jahre arbeiten könnten. Khol handelt also genau gegen die Interessen aller Menschen, die eine Pension beziehen.

Unpopulär ist das Anliegen einer wirklichen Pensionsalterserhöhung nur bei einer einzigen Gruppe: der Generation der Fünfzigjährigen mit Gewerkschaftsmentalität (also der typischen Betriebsräte und ÖGB-Funktionäre). Die denken ja in der Tat an nichts anderes als an eine jugendliche Pension zum baldigen Golfen, für Mallorca-Reisen und die geplante Drittehe.

Die Stärke der Schüssel-ÖVP war es hingegen – fast – immer gewesen, gegen den Populismus aller anderen Parteien die Vernunft des Gemeinwohls und der Grundrechnungsarten hochzuhalten zu versuchen. Nicht immer, aber eben häufiger als alle anderen. Das aber ist offenbar nur noch eine vage Erinnerung, die erstaunlicherweise ausgerechnet in der Steiermark lebendig ist. Obwohl man dort in der Vergangenheit von den (vorletzten) Abfangjägern bis zur Zwangsgesamtschule eigentlich selbst primär für möchtegern-populistische Originalität bekannt gewesen war.

Selbst wenn die Kholsche Pensionsalter Politik eine Mehrheit der Österreicher hinter sich hätte, wäre es dennoch die richtige Nischenpositionierung für die ÖVP, als einzige Partei jenen Menschen ein Angebot zu machen, die über den Tagespopulismus hinauszudenken gewillt sind.

Noch absurder ist der zweite VP-interne Streit, jener um die Zukunft der ÖIAG. Dass die Roten deren Zerschlagung wollen, ist wenig überraschend. Träumen sie doch von einer Wiederkehr der Zeiten eines direkten Parteizugriffs auf die Verstaatlichte. Dass aber auch der schwarze Wirtschaftsminister Mitterlehner davon redet, ist unfassbar.

Da schlägt offenbar der alte Wirtschaftskammer-Funktionär in Mitterlehner durch. Fällt doch die WKO den Gewerkschaften gegenüber jedesmal um, noch bevor die nur bei der Tür hereingekommen sind. Und sowohl die Kammer-Seele wie auch sein nicht gerade bescheidener persönlicher Ehrgeiz führen zu einem weiteren Motiv Mitterlehners: Er mag die ÖIAG auch deshalb nicht, weil dort politisch und kammermäßig unabhängige Industrielle die Vorstände bestellen und nicht die Sozialpartner oder die Regierung.

Mitterlehner fürchtet aber wohl auch um seinen persönlichen Machtdurchgriff auf die Verbundgesellschaft. Denn nach den Reformvorschlägen der Finanzministerin und seines eigenen Parteiobmannes soll auch der Verbund dem direkten politischen Zugriff entzogen und der ÖIAG überantwortet, also trotz Staatseigentums unabhängig werden. Was beim Verbund genauso klug wäre wie bei Bahn oder Asfinag. Freilich würde dann der Wirtschaftsminister entmachtet werden.

Wie auch die Verkehrsministerin. Was den für den Steuerzahler erfreulichen Effekt hätte: Dann würden keine ÖBB- oder Asfinag-Inserate mehr auf ihre Kosten an die Faymann-freundlichen Medien fließen. Was aber wiederum die Chancen auf eine Zustimmung der SPÖ zu einer Zusammenfassung aller Staatsbetriebe in der ÖIAG nicht gerade erhöht. Das aber macht die Haltung Mitterlehners umso absurder.

 

Drucken

Die Lügen einer Krise

23. Juni 2012 00:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Archiv ist der größte Feind der Politiker. So sagen viele Journalisten und haben recht damit. Sie vergessen nur, dass es auch ihr größter Feind ist.

Journalisten glauben deshalb geschützt zu sein, weil sie auch lange selbst exklusiv die Kontrolle über die besten Archive hatten. Im Zeitalter der Elektronik erweist sich diese Selbst-Kontrolle aber oft als eine unfromme Täuschung. Da regen sich etwa die selben Kommentatoren über die Hilfen für Griechenland&Co auf, die noch vor zwei Jahren heftigst danach gerufen und jeden zögernden Politiker als unsolidarisch verdammt haben.

Durch absolut nichts zu übertreffen ist aber wohl, was man vor rund zwei Jahren auf standard.at lesen konnte: Dort wurden von einem der bekanntesten Redakteure der Zeitung Griechenland und Ungarn verglichen. Der ungarische Regierungschef wurde als der „Böse“ charakterisiert und der griechische als der „Gute“.

Man muss aber wirklich wörtlich lesen, was das Blatt im Juli 2010 über den damaligen Athener Machthaber schrieb: „Georgos Papandreou ist das Paradebeispiel für Verantwortlichkeit. Er legt alle Missstände offen, sagt seinen Leuten die volle Wahrheit und bemüht sich, allen Forderungen aus den Ausland – der Märkte und der Institutionen – gerecht zu werden. Er will durch musterhaftes Verhalten den Ruf seines Landes reparieren und so die griechische Wirtschaft sanieren.

Dabei fordert er seinen Bürgern gewaltige Opfer ab, legt sich mit so ziemlich allen Interessengruppen im Land an und geht dadurch ein großes innenpolitisches Risiko ein. Aber er kann es sich leisten, weil er eine starke Mehrheit im Parlament hat und erst in drei Jahren wieder vor die Kamera treten muss.“

Und so weiter und so fort. Das ist bitte alles wirklich so geschrieben worden und keine Erfindung eines bösartigen Kabarettisten. Wer zweifelt, sollte selber nachlesen. Man sollte auch selber nachdenken, wie viel das damit zu tun haben mag, dass Papandreou ein Linker ist, und dass Linke im Standard halt immer nur heroisiert werden.

Großartig ist aber auch, was das renommierte asiatische Wirtschaftsmagazin IFRAsia so an Politikeräußerungen in den letzten beiden Jahren zusammengetragen hat. Daraus könnte man ganze neue Landkarten zimmern. Ohne weitere Kommentare: Bitte lesen, amüsieren und nicht verzweifeln.

Drucken

Thilo Sarrazin kommt zu den Tagebuch-Abonnenten

21. Juni 2012 04:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wieder kann das Tagebuch seinen Partnern einen interessanten Vortragenden mit internationalem Format präsentieren: Thilo Sarrazin wird für sie am Abend des 4. Juli – ein Mittwoch – in Wien ein Referat mit anschließender Diskussion halten.

Wer daran teilnehmen will, möge sich bitte über „Kontakt“ (unter „Drumherum“) formlos anmelden. Wir nehmen auch Ihre Ehepartner gerne auf die Warteliste und werden rechtzeitig mitteilen, ob auch für diese noch Platz ist. Wir werden trotz des zu erwartenden Andrangs unser Möglichstes tun, alle unterzubringen, können aber vorweg keine Garantie geben.

Einen Tag vor der Veranstaltung werden wir allen Angemeldeten den endgültigen Veranstaltungssaal mitteilen. Die Teilnahme ist für angemeldete Partner frei, auch wenn wir uns am 4. Juli über eine Spende als Beitrag zu den Kosten freuen würden.

Noch offen ist, ob wir nach der Veranstaltung auch für einige Interessierte ein gemeinsames Abendessen veranstalten werden (das wird aber keineswegs gratis sein!).

Der Vortrag wird einen brandaktuellen Titel haben: „Der ewige Abstieg: von Rettungsgipfel zu Rettungsgipfel“. Er wird die Sorgen vieler Europäer um die Stabilität des Kontinents, um die Zukunft des Euro und die eigenen Ersparnisse analysieren. Sarrazin hat dazu ja vor wenigen Wochen sein neuestes Buch herausgebracht: „Europa braucht den Euro nicht“. Es ist eine absolut ehrliche Auseinandersetzung mit den europäischen und auch den eigenen Fehleinschätzungen der letzten 20 Jahre und ihren Konsequenzen.

Sarrazin hat keine Scheu, schwierige oder unangenehme Fragen zu beantworten. Das haben Hunderte Veranstaltungen in den letzten Jahren gezeigt.

Als langjähriger Berliner Finanzsenator, Finanzexperte in mehreren deutschen Ministerien und Bundesbankvorstand ist Sarrazin zweifellos sehr gut für das Thema qualifiziert. Seine Unabhängigkeit von allen Machtgruppen und gegenüber allen politisch korrekten Denkverboten hat er ja schon mit seinem vor zwei Jahren erschienenen Werk über die Folgen der Massenmigration „Deutschland schafft sich ab“ bewiesen. Dieses Buch wurde mit seiner Millionenauflage das weitaus am meisten verkaufte politische Sachbuch der gesamten Nachkriegszeit.

Seine nunmehrige Einladung nach Wien danken wir einer Kooperation mit dem befreundeten Hayek-Institut, über die wir uns sehr freuen.

Bitte rasch anmelden – spätestens am 2. Juli – und nicht beunruhigt sein, wenn Sie erst am 3. Juli die Information über den Veranstaltungsort und die Verfügbarkeit eines Platzes für Ihren Partner bekommen. Leider keinen Zutritt gibt es für Nichtabonnenten und alle jene, die mit ihren Zahlungen im Rückstand sind. Aber beides kann sich ja in den nächsten Tagen noch ändern . . .

 PS.: Wichtig: Wer eine Begleitung voranmelden will, ist gebeten, unbedingt auch deren Namen anzugeben.

Drucken

Geld verträgt keine Kompromisse

21. Juni 2012 00:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Die Franzosen werden keinen Souveränitätstransfer mitmachen.“ Mit diesem – richtigen – Satz eines sehr hohen EU-Beamten ist das ganze Dilemma der europäischen Krise auf den Punkt gebracht.

Die Grundintentionen der europäischen Akteure gehen diametral auseinander. Frankreich und viele andere Länder – von Griechenland bis zu den USA – wollen, dass sich Deutschland und Länder wie Österreich weiter schwer verschulden. Dieses Geld soll Franzosen& Co in doppelter Form zugute kommen: Erstens als direkte Hilfe für notleidende Staatsbudgets und Banken; und zweitens indirekt, indem die anderen Länder durch erhöhte Nachfrage mehr Waren und Dienstleistungen verkaufen können.

Deutschland hingegen hat nun endlich erkannt, dass weitere Hilfen, Kredite und Haftungen höchstens bei einem echten Souveränitätstransfer sinnvoll wären. Also wenn man bei den Hilfsempfängern direkt in die Budgetpolitik eingreifen kann. Bloße Versprechungen hingegen haben in den letzten beiden Jahren jede Glaubwürdigkeit verloren. Die Griechen etwa haben in regelmäßigen Abständen den Geldgebern ganz konkrete Maßnahmen zugesagt (wie Beamtenabbau, Privatisierungen, Verwaltungsreformen) und daraufhin weiteres Geld bekommen – aber immer nur einen kleinen Teil der Zusagen erfüllt.

Die von der Schuldenkrise anfangs deutlich überforderte deutsche Bundeskanzlerin will da nicht mehr mitmachen. Dafür sorgt auch der Druck von Basis, CSU und FDP. Umgekehrt fordern aber andere starke Kräfte, auch in Deutschland, dass Merkel „weiter europäische Verantwortung“ zeige. Im Klartext: Das Land soll sich noch mehr zu Lasten von Griechenland, Frankreich & Co verschulden.

Merkel versucht diesem doppelten Druck mit einer Vorwärtsstrategie zu entkommen: Wir werden nur dann noch mehr tun, wenn es dafür zu einer echten politischen und fiskalischen Union kommt. Diese würde einen  echten europäischen Durchgriff gegen Ausgaben der einzelnen Länder bedeuten, um weitere Schuldeneskalationen zu vermeiden.

Die Strategie ist an sich nicht unlogisch. Sie hat dennoch keine Chance, sie kommt zu spät und ist unglaubwürdig. Nicht nur in Frankreich ist ein automatischer Eingriff der EU in die nationale Souveränität undurchsetzbar. Dies schon deshalb, weil das als ein Eingriff der Deutschen verstanden würde.

Außerdem hätte es eine solche Verbindung von gemeinsamer Währung, politischer und fiskalischer Union schon vom ersten Euro-Tag an geben müssen, um sinnvoll zu funktionieren. Und endgültig hat Merkel die Chance auf Durchsetzung einer solchen großen Konstruktion verspielt, als sie sich vor zwei Jahren von Frankreich zwingen ließ, zugunsten Griechenlands in die Kassa zu greifen. Was eine üble Dominowirkung an weiteren nun schon in die Billionen gehenden Hilfen auslöste. Bis hin zum neuen Stabilitätsmechanismus ESM.

Künftige Geschichtsbücher werden daraus eine klare Lehre ziehen: In Sachen Krieg und Frieden sind Kompromisse immer gut. Bei Fragen von Finanzen und Währung sind sie immer von Übel.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Fußnote 309: Weg mit der ÖIAG

19. Juni 2012 11:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die SPÖ will die ÖIAG abschaffen. Klingt irgendwie super.

Die komplette Privatisierung der Reste der verstaatlichten Industrie wäre nämlich ebenso sinnvoll wie notwendig. Diese war ja jahrzehntelang eine Zumutung für die Steuerzahler, sie hat Österreich in den 80er Jahren an den Rand des Staatsbankrotts geführt und war bloß ein Machtimperium der Parteisekretariate, die dort Posten vergeben konnten. Doch halt! Die SPÖ will ja jene Restbestände gar nicht verkaufen, sondern diese wieder so wie in der ganz schlechten alten Zeit an die kurze politische Leine nehmen. Die SPÖ stört vor allem maßlos, dass die ÖIAG-Konstruktion jeden parteipolitischen Durchgriff verhindert. Dort wird der Vorstand eben nicht durch ein Regierungsmitglied bestimmt (wie sogenannte Qualitätszeitungen seitenweise schreiben), also de facto durch koalitionäre Kuhhändel, sondern seit Schwarz-Blau durch einen aus unabhängigen Unternehmern bestehenden Aufsichtsrat, der sich bei Ausscheiden eines Mitglieds selbst erneuert. Und der weder auf Parteizuruf reagiert noch sich fürchtet, wenn Parteiintriganten (wie die Herren Schieder und Kräuter) Geschichten in Zeitungen streuen. Das muss natürlich totalitäre Apparatschiks total ärgern. Das hat aber den österreichischen Staatsfinanzen gewaltig geholfen.

 

Drucken

Wachsen und Schrumpfen

19. Juni 2012 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Menschen können ihren eigenen Wohlstand auf zwei Weisen vermehren (wenn man einmal von kriminellen Methoden und von Glücksfaktoren wie Erbschaften oder Lottogewinnen absieht): entweder durch erfolgreiche Arbeit und ertragsreiche Investitionen, oder indem sie heftig Schulden machen. Jeder kennt Beispiele für beide Methoden. Die zweite wird etwa durch Menschen verkörpert, deren Villa, deren Luxusautos, deren Drittfreundin eigentlich zur Gänze der Bank gehören, was sie aber nicht hindert, sich an diesen schönen Dingen zu erfreuen.

Diese zweite Methode der Wohlstandsvermehrung hat nur eine unangenehme Eigenschaft: Sie endet mit ziemlicher Sicherheit in einer steilen Abwärtskurve . An deren Ende versteigert dann die Bank Haus und Autos; und die Freundinnen haben plötzlich überhaupt keine Zeit mehr, wenn Schecks und Geschenke ausbleiben. Ein solcher Abstieg ist keine angenehme Erfahrung – weshalb Menschen zu seiner Abwehr beginnen, ins Casino zu gehen oder kriminelle Methoden anwenden. Was aber in aller Regel den Abstieg nur noch arg beschleunigt.

Haargenau dasselbe passiert auch Staaten. Viele, ja fast alle west- und südeuropäischen Staaten haben in den letzten 40 bis 50 Jahren ihr Konsumniveau nicht nur durch Arbeit und Wohlstand, sondern auch durch eine rasch steigende Verschuldung erhöht. Manche Länder haben nur den Weg über Schuldenakkumulation gewählt.

Wählerbestechung auf Pump

Staaten handeln durch Politiker. Diese haben in Demokratien ein logisches Hauptziel: wiedergewählt zu werden. Und das gelingt offensichtlich dann am besten, wenn man den Menschen beispielsweise Pensionen in einer so großen Höhe und ab einem so frühen Zeitpunkt zahlt, dass das nur noch mit massiven alljährlichen Schuldenaufnahmen finanziert werden kann. Das verschweigt man aber den Menschen. Diese halten ihre Pensionen und zahllose sonstige Sozialleistungen in der Tat oft für selbstverdient oder gar für eine Leistung der Politiker. Diese greifen daher von Jahr zu Jahr heftiger zur Methode der Wählerbestechung durch hohe Sozialausgaben. Nichts anderes sind ja Pensionen, für die nicht ausreichend Beiträge einbezahlt worden sind. Und noch ein paar Hundert weiterer Ausgabenposten.

Manche Philosophen und ökonomischen Denker prophezeien aus diesem Grund sogar ein Ende der Demokratie. Das hält die Mehrheit der Politiker aber nicht ab, nach dieser in ihrer kurzfristigen Sicht erfolgreichen Methode weiterzuarbeiten.

Sie tun das selbst dann, wenn der Exekutor schon vor der Tür steht. In diesem Moment versucht man verzweifelt, den Exekutor dazu zu bewegen, doch noch ein paar Tage Zeit zu lassen. Man versucht zugleich hektisch, noch einen neuen Geldgeber zu finden. Man versucht, noch rasch ein Grundstück zu verkaufen. Und man schimpft jedenfalls heftig auf die Bank, die am eigenen Unheil schuld sei.

Staaten gleichen den privaten Pleitiers

Was bankrotte Verschwender tun, tun auf europäischer Ebene die Staaten: Sie erwecken den Eindruck, dass die Banken die Hauptschuldigen an der Krise wären. Sie unterstreichen diesen Eindruck durch ständig neue Versuche, die Banken noch mehr zu regulieren. Was natürlich in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass tatsächlich die Banken die Hauptschuldigen wären. Sonst müsste man ja nicht ständig über deren angeblich unzureichende Regulierung reden.

Natürlich haben auch die Banken durch eigene Fehler zum Entstehen dieses Eindrucks beigetragen: durch Veranlagungsfehler oder durch die Präpotenz des Auftretens ihrer Spitzenmänner (siehe etwa Helmut Elsner). Das ändert aber nichts daran, dass nicht die Banken die Staaten zur Verschuldung gezwungen haben. Im Gegenteil: Bei allem Gerede von einer strengeren Regulierung achten derzeit die europäischen Regierungen und Nationalbanken sehr darauf, dass sie den Geldinstituten nicht wirklich das verbieten, was in Wahrheit das größte Risiko darstellt: die weitere Finanzierung von Staaten. Daher ist all das Regulierungsgerede Mumpitz für die Galerie.

Auch beim Stichwort Grundstücks-Verkauf gleicht das Verhalten von Staaten jenem eines privaten Pleitiers. Nur haben die Staaten damit noch weniger Erfolge als diese Pleitiers. Kaum jemand ist etwa derzeit gewillt, Griechenland etwas abzukaufen. Und wenn halb Spanien gleichzeitig seine auf Schulden gebauten Häuser und Urlaubsimmobilien verkaufen will beziehungsweise muss, dann finden sich logischerweise viel zu wenig Käufer dafür, was wiederum die Preise ständig weiter drückt. Wer in Hinblick auf Spanien einwenden sollte, dass an der Immobilienkrise doch eher die Einzelmenschen und nicht der Staat schuld wären, der übersieht, dass der spanische Immobilienboom vom Staat zum Zwecke der Ankurbelung (in Wahrheit: Überhitzung) der Konjunktur heftig gefördert worden ist. Statt angesichts des ungesunden Wachsens der Immobilienblase viel früher zu bremsen, hat sich Madrid über deren Aufblähen gefreut. Weil es die Wähler glücklich gemacht hat.

Auch die verzweifelte Suche der Staaten nach neuen Geldgebern gleicht dem Verhalten individueller Schuldner. Im Vorjahr sind die europäischen Machthaber fast alle nach China gepilgert, wo ja das meiste Geld gebunkert ist – und haben sich dort blutige Nasen geholt. Die Chinesen sind zwar an europäischen Unternehmen interessiert, aber nicht an Staatspapieren. Die haben sie den Regierungen nicht abgekauft.

Erfolgreicher waren die Schuldner eine Zeitlang mit ihren Bettelversuchen in Deutschland und bei der Europäischen Zentralbank. Aber beide scheinen inzwischen klüger geworden zu sein. Beide erkennen zunehmend, dass sie mit weiteren Krediten nur gutes Geld dem schon verlorenen nachwerfen; dass sie dadurch nur die eigene Stabilität aufs Spiel gesetzt haben; und dass ein Teil der Schuldnerländer wie Griechenland keineswegs eine straffe Reform begonnen hat.

Die dreifach Lüge der Moralkeule

Nun greifen die Schuldenfreaks zur Moralkeule. Sie reden von einem „Zu Tode sparen“. Und sie stottern herum: „Sparen ja, aber nicht auf Kosten des Wachstums“. Womit sie gleich ein paar infame Lügen versuchen.

Die erste Lüge: Fast kein Land spart wirklich. Heißt doch sparen allemal weniger ausgeben, als man einnimmt.

Die zweite Lüge: Es wird der Eindruck erweckt, als ob Wachstum nur durch neue Schulden möglich wäre. Dabei sind Schulden mittel- und langfristig im Gegenteil der größte Wachstumskiller, den es gibt. Das gilt vor allem dann, wenn wie in Europa die Staaten das Geld primär für Sozial- und Konsumausgaben verwenden und nicht für langfristig ertragreiche Investitionen. Dabei wäre Wachstum ohne Schulden nicht nur möglich, sondern sogar das einzige richtige Antikrisenrezept: Wenn Staatsbetriebe (zu denen übrigens auch solche der Gemeinden gehören) privatisiert werden, trägt das bei geringeren Kosten fast immer zu mehr Effizienz und größerem Wachstum bei. Wenn Gesetzgeber und Bürokratie ihren Wust an Vorschriften und Regeln halbieren, würde die Wirtschaft ganz ohne Schulden wieder so wachsen wie zuletzt in den 50er Jahren.

Und die dritte infame Lüge: Sparen wird gleich mit dem „Tod“ assoziiert. Als ob in einem der süd- oder westeuropäischen Länder die Menschen reihenweise verhungert oder sonstwie umgekommen wären, als das BIP pro Kopf 30 Prozent niedriger gewesen ist. Ganz im Gegenteil: Oft (also wenn die schuldenfreien Wachstumsrezepte nicht genug greifen) ist ein Schrumpfen sogar die beste Therapie, um eine Krise zu überwinden.

Vorbildländer im Norden und Osten

Den Sanierungserfolg einer Schrumpfungsphase haben uns einige nordeuropäische Länder sensationell vorgezeigt: Anfangs der 90er Jahre mussten Finnland oder Schweden zum Teil satte zweistellige Rückgänge des BIPs hinnehmen. Das hat diesen Ländern dann aber umso mehr Dynamik für einen neuen Aufstieg verschafft. Ohne dass sie versucht hätten, dem Ausland, den Deutschen oder sonst wem die Schuld an der eigenen Lage zuzuschieben, wie es jetzt Franzosen und andere machen.

Ähnlich haben sich auch etliche – bei uns leider viel zu wenig beachtete – osteuropäische Länder ohne faule Kompromisse durch die Krise und rasch aus dieser wieder herausgebracht. Lettland etwa hat im Jahr 2009 ein Schrumpfen der Wirtschaft von 18 Prozent erlitten und ist dem Staatsbankrott nahe gewesen. Das Land hat aber nicht gejammert, sondern alle notwendigen schmerzhaften Maßnahmen gesetzt. Prompt erzielt Lettland schon wieder alljährlich vierprozentige Wachstumszahlen.

Die osteuropäischen Staaten haben sich auch sonst fast alle gut durch die Krise gebracht. Weil sie nach den harten kommunistischen Jahren nicht mit einem so verwöhnten Anspruchsniveau, wie es die West- und Südeuropäer heute haben, fertig werden müssen. Weil sie (fast alle) ohne Euro flexibler auf eine Krise reagieren können. Und weil sie begriffen haben: Wachsen wie Schrumpfen sind nicht nur in der Natur ganz normale Entwicklungen. Unerschwinglich teuer wird es nur, wenn man sie zu verhindern versucht.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Eurocrash voraus

18. Juni 2012 02:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Noch heuchelt die politische Elite der EU Optimismus hinsichtlich der Zukunft des von ihr verordneten, gemeinschaftlichen Zwangsgeldes. Indessen mehren sich die Signale, dass es – all ihrem kostspieligen Aktionismus zum Trotz – demnächst zum Untergang dieses historisch beispiellosen Währungsexperiments kommen könnte. Das ist durchaus kein Grund zur Panik, denn – anders als uns die Regierenden unter Beschwörung der behaupteten „Alternativlosigkeit“ des ungeliebten Esperantogeldes weismachen wollen – wird das weder ein Ende Europas, noch des Friedens daselbst bedeuten – eher im Gegenteil.

Es ist daher angebracht, sich langsam Gedanken über die „Zeit danach“ zu machen – auch wenn es den Regierenden und den Zentralbankern gelingen sollte, das zur Groteske entartete „Wir-retten-den-Euro-Drama“ noch eine Weile auf dem Spielplan zu halten. Wie soll es weitergehen? Kann Europa, nachdem das monopolisierte Schuldgeldsystem ein wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Trümmerfeld produziert hat, zu „echtem“ Geld zurückkehren? Und – wenn ja – wie sollte es beschaffen sein?

Antworten auf diese Fragen zu finden, ist deshalb so schwierig, weil auf dem Boden des real existierenden Wohlfahrtsstaates politisch durchsetzbare Lösungen keine nachhaltigen Ergebnisse zeitigen können, ökonomisch richtige Lösungen aber nicht mehrheitsfähig sind. Zu lange haben die führenden Köpfe in Banken und Regierungen das Volk darauf konditioniert, jederzeit auf Knopfdruck „billiges Geld“ zur Finanzierung schier jeden Unfugs abrufen zu können. Und Süchtige sind bekanntlich schwer zu entwöhnen.

Trotzdem sei hier der Versuch unternommen, ein nachhaltig funktionierendes Geldsystem – allerdings ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit seiner Umsetzung – zu skizzieren.

Die neoklassische Wirtschaftstheorie – insbesondere die bis heute tonangebende Fraktion der (Neo-)Keynesianer – hat das Fundament für die gegenwärtige Krise gelegt. Schließlich hat die von ihr propagierte Methode, Geld nach dem Gusto der Regierenden aus dem Nichts zu schöpfen, die Welt dahin geführt, wo sie heute steht: An den Rand des Abgrunds. Sparer als Volksschädlinge zu denunzieren, die durch ihr Verhalten die Wirtschaft ruinieren; kreditfinanzierten Konsum zur Kardinaltugend und den goldenen Weg zum Wohlstand hochzujubeln; das Auffressen der buchstäblich letzten Reserven zu propagieren, um die Illusion scheinbar mühelos zu schaffenden Überflusses aufrechtzuerhalten; das hat´s, wie Herr Hinz und Frau Kunz soeben auf die harte Tour lernen müssen, nicht gebracht. Zahltag!

Von den Protagonisten der beschriebenen Voodoo-Ökonomie – in welcher Bank oder geschützten (steuerfinanzierten) Werkstätte sie auch immer hocken mögen – ist daher keine plausible Antwort auf die Frage nach dem „richtigen“ Geldsystem zu erwarten. Denn sie alle gehören, dank des nach R. Cantillon benannten Umverteilungseffekts der monopolisierten Geldproduktion, zu den bis in die Haarspitzen korrupten Profiteuren dieses Systems. Fündig wird man dagegen bei der im Zuge des vollständigen Bankrotts der Mainstreamökonomie einen regelrechten Popularitätsschub erlebenden „Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre.“

Ein Blick auf die Geschichte der Geldes zeigt, wo der Hase im Pfeffer liegt: Einerseits ist es die staatliche Monopolisierung der Geldproduktion, andererseits die den Regierungen, dank der Abkehr von jeglicher Warenbindung und die Einführung der Teilreservehaltung der Geschäftsbanken, in die Hand gegebene Möglichkeit zur theoretisch unbegrenzten Ausweitung der Geld- und Kreditmenge.

(Literaturempfehlungen:
http://www.amazon.de/Ethik-Geldproduktion-Edition-Sonderwege-H%C3%BClsmann/dp/3937801197
http://www.amazon.de/Die-Trag%C3%B6die-Euro-System-zerst%C3%B6rt/dp/3898796701
http://www.amazon.com/Money-Bank-Credit-Economic-Cycles/dp/0945466390 ).

Um zu einem soliden Geldsystem zu kommen, ist zweierlei unerlässlich: Eine „Entstaatlichung des Geldes“ (wie von F. A. Hayek 1990 gefordert) und/oder eine Gelddeckung durch eine allgemein begehrte, „werthaltige“ Ware (z. B. Gold). Papiergeld würde in diesem Fall (wieder) den Charakter eines „Depotscheines“ annehmen.

Die „Austrian School“ kennt also zwei Modelle: Einmal das Hayek´sche, das private, miteinander konkurrierende Währungen vorsieht (das in seinem Buch „Denationalisation of Money“ präsentiert wird. Gratisdownload: http://mises.org/books/denationalisation.pdf). Der auf dem Markt stattfindende „Entdeckungsprozess“ sorgt dafür, dass das beste Geld davon, dasjenige nämlich, dem die Geldbenutzer am ehesten vertrauen, sich am Ende durchsetzt, bzw. die größten Marktanteile erringt. Betrugsversuche, z. B. durch eine hemmungslose Herausgabe von Noten, würden vom Publikum nicht hingenommen werden, da – anders als im Falle eines zwangsbewehrten, staatlichen Monopolgeldes – jederzeit Alternativen zur Verfügung stünden.

Zum anderen das 1963 von Murray Rothbard präsentierte, einer zu 100 Prozent durch Gold gedeckten Währung, wie er es in seinem Buch „What has Government Done to Our Money?“ gefordert hat. (Gratisdownload: http://mises.org/books/whathasgovernmentdone.pdf.)

In beiden Fällen haben die Regierenden keine Möglichkeit, sich durch ungebremste Geldproduktion (Inflation) am Eigentum ihrer Untertanen, namentlich dem der Sparer, zu vergreifen. Beim Hayek-Modell würden nicht länger die Büttel des Leviathans, in Gestalt von Notenbankern, sondern der Markt die Geldmenge limitieren; Im Rothbard´schen das (Förder-) Potential der Goldminen.

Die „Stock to Flow-Ratio“ (das Verhältnis der bereits existierenden zur laufend geförderten Menge) von Gold würde das Geldmengenwachstum auf etwa 1,5 Prozent p. a. begrenzen. Das ist die jährlich geförderte Menge, gemessen am bereits vorhandenen Bestand. Dieser (50 Prozent davon wurden in den letzten 50 Jahren aus dem Boden geholt) beläuft sich gegenwärtig auf rund 165.000 Tonnen (was einem Würfel von etwa 20m Seitenlänge entspricht). Die Jahresproduktion beträgt gegenwärtig rund 2.500 Tonnen – Tendenz fallend. Gold ist rar und nicht beliebig vermehrbar. Eine galoppierende Geldentwertung, wie wir sie heute kennen, wäre daher unmöglich. Hyperinflationen würden der Geschichte angehören.

Die dadurch verlorene Möglichkeit zur (betrügerischen) Manipulation aber garantiert den erbitterten Widerstand der politischen Klasse, die, wie J. M. Keynes, goldgedecktes Geld gerne als „barbarisches Relikt“ verunglimpft. Da das Wesen moderner Demokratien in der systematischen Verletzung von Eigentumsrechten – der Umverteilung des Wohlstands von Produktiven zu Unproduktiven – besteht, ist deren Festhalten am beliebig produzierbaren, nur durch heiße Luft gedeckten Papiergeld, tatsächlich „alternativlos“.

An die Einführung eines von privaten Produzenten herausgegebenen, nichtmonopolisierten Fiat-Money, oder (die nach Meinung des Autors solideste aller Varianten) eines Warengeldes – am besten des Goldstandards mit 100prozentiger Notendeckung – ist ohne eine tiefgreifende Änderung des politischen Systems nicht zu denken. Solange Regierungen nicht von Bürgern bestimmt werden, die für die Gesellschaft die wertvollsten Leistungen erbringen, sondern von denjenigen Parteien, welche die größte Wählerzahl repräsentieren, ist eine Abkehr vom herrschenden Schwundgeldprinzip nicht durchsetzbar.

Je größer (und verantwortungsloser) der Kreis der Wahlberechtigten, desto mieser das Geld! Die langfristige Abwesenheit wertbeständiger Zahlungsmittel indes steigert die Zeitpräferenz, reduziert die Bereitschaft zu sparen, behindert die Kapitalakkumulation und reduziert damit den künftigen Wohlstand. Ohne radikalen Systemwechsel scheint die Tendenz zur langfristigen materiellen Verarmung demokratischer Gesellschaften folglich unvermeidlich…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Werft die Märkte doch ins Gefängnis

18. Juni 2012 01:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Griechen haben am Sonntag doch noch knapp am absoluten Wahnsinn vorbei gewählt; dennoch wird die Politik jenes Landes auch weiterhin wenig Sinn haben. Die Franzosen haben der Linken mit hoher Mehrheit die totale Macht überantwortet. Für beide Länder, für die siegreichen Parteien ist aber der totale Feind der selbe geblieben. Der lässt sich nicht mit dem Stimmzettel besiegen.

Denn das sind die „Märkte“. Sie werden auch in den nächsten Wochen weder zu Griechenland noch zu Frankreich Vertrauen aufbauen. Beide Länder fühlen sich daher ständig von ihnen verfolgt. Der Zorn auf die Märkte geht aber auch schon längst quer durch Europa.

Kaum ein Politiker, kaum ein Kommentator, der nicht in diesen Stunden genauso wie in den letzten Monaten gegen die Märkte gewettert hätte. Was mich angesichts all dieser Drohungen von Politik und Medien nur wundert: Warum hat man eigentlich diese Märkte nicht schon längst zu lebenslanger Haft verurteilt?

Selbst Karl Korinek, der österreichische Verfassungsexperte, schimpft voller Aggression auf sie. Im Wortlaut las man ihn dieser Tage in der „Presse“ so: „Diese unglaubliche Macht der Finanzmärkte ist weder national noch international demokratisch legitimiert und kontrolliert. Damit haben wir uns aber in einem Teilbereich der gesellschaftlichen Ordnung nicht nur von der Verfassung, sondern auch von der Staatsform gelöst. Die Demokratie wurde in einem sehr wichtigen Bereich durch eine Oligarchie abgelöst.“

Korinek deckt also einen uns unbemerkt gebliebenen Putsch auf!

In Wahrheit sind diese Klagen absoluter Unsinn. In Wahrheit treffen wir auf ein Muster, das in der ganzen bekannten Menschheitsgeschichte immer wieder auftaucht: Jemand lebt leichtsinnig, verschuldet sich – und beschimpft dann die Geldgeber, wenn diese anfragen, ob sie auch einmal ihr Geld zurückbekommen könnten. Oder wenn sie zumindest zögern, dem Mister Leichtsinn, der nie etwas zurückzahlt, weiter neues Geld zu borgen.

Das Schimpfen auf die Märkte ist also eine üble wie übliche Verkehrung der Rollen: Der Schuldige beschimpft das Opfer. Obwohl das Opfer sich nicht, wie Korinek glaubt, gegen die Demokratie verschworen hat, sondern nur auf sein verfassungsmäßiges Recht pocht, dass es sein Geld zurückbekommt. Was auch Verfassungsrechtler in aller Klarheit sagen sollten.

Das Schimpfen auf die „Märkte“ gleicht dem historischen Schimpfen auf Geldverleiher wie die Fugger. Oder jenem auf die Juden oder (in Asien) die Chinesen. Menschen, die durch Fleiß besonders erfolgreich sind und die weniger fleißigen Menschen deshalb Geld borgen können, bringt man nach Erhalt des Geldes am liebsten gleich um.

Heute stößt man dabei nur auf ein Problem. In der globalisierten Wirtschaft wohnen die Gläubiger nicht einfach ein paar Häuser weiter, so dass man sie dort attackieren könnte. Die Gläubiger sitzen vielmehr überwiegend im Ausland. Es sind Pensionsfonds, die die Altersvorsorge amerikanischer Lehrer verwalten. Es sind arabische Staatsfonds, die die Öleinnahmen wieder in europäische Staatsanleihen investiert haben. Es sind China und ein Dutzend weiterer asiatischer Staaten, die in den letzten Jahrzehnten alle Welt mit ihren Produkten beliefert haben und die Erträgnisse wieder in Europa oder Amerika angelegt haben. Es ist die ins Alter kommende europäische Babyboomergeneration, die ihre Altersvorsorge in Banken und Versicherungen deponiert hat, von wo sie wieder weiter in scheinbar sichere Staatsanleihen wanderte.

Irgendwie taten sich die Zahlungsunwilligen leichter, als sie einst für ihre eigenen Fehler einfach die Juden verantwortlich machen konnten. Mit allen bekannten Konsequenzen.

Es ist traurig, wenn einer der langjährigen Hüter der heimischen Verfassung da jetzt den dumpfen Vorwürfen populistischer Politiker folgt, statt die Wahrheit beim Namen zu nennen. Denn der Name der Krise sollte eigentlich jedem klar sein: Nicht der Gläubiger ist der Schuldige, sondern der leichtfertige Schuldner.

Schuldner sind an erster Stelle die Staaten, die ihre Schuldenquoten ein halbes Jahrhundert lang ständig gesteigert haben, ohne jemals die Schuldenquoten reduziert zu haben. (Das tat in Österreich einzig und allein die vielleicht gerade deshalb so hasserfüllt verfolgte Regierung Schüssel/Grasser.) Und das sind an zweiter Stelle jene vielen Privatmenschen und Firmen, die leichtfertig aufs Schuldenmachen gesetzt haben, die beispielsweise geglaubt haben, dass Immobilienpreise ständig nur nach oben gehen können, sodass man auf diese Weise seine eigenen Schulden automatisch in den Griff bekommt. Und die niemals damit gerechnet haben, dass Immobilienpreise auf ein Viertel oder Fünftel sinken können.

Die Infamie, mit der all diese Schuldenmacher nun aggressiv in den Gegenangriff gehen und weitere Mengen Geld wollen, lässt einem den Mund offen. Und noch mehr staunt man, dass sie immer wieder Erfolg haben damit.

Mancherorts wird schon mit dem Nichtzurückzahlen der Schulden spekuliert. Nur: Wenn das kommt, wird für das betreffende Land alles noch viel schlimmer. Es wird viele Jahre lang nur noch gegen bare Vorauszahlung – in echten Währungen, also keinem bloßen Papiergeld – sein Benzin, seine Lebensmittel, seine Autos einkaufen können. Es wird auf viele, viele Jahre von niemandem Kredit bekommen. Von der drohenden Prozessflut gar nicht zu reden. Eine solche Strategie taugt für Nordkorea. In Europa sollte man vorsichtiger sein.

Dennoch gibt es in dieser ganzen Krisenhektik doch auch Stimmen der Vernunft. Eine solche war unlängst in einer kleinen Runde erstaunlicherweise Ewald Nowotny. Der Nationalbank-Chef hat es auf den schlichten Satz gebracht: „Ein Land, das durch seine Schulden von seinen Gläubigern abhängig ist, verliert seine Souveränität.“

Vielleicht sind solche mutigen wie richtigen Sätze der Grund, weshalb ihn seine roten Parteifreunde rund um den großen Experten Werner Faymann und Arbeiterkammer-Apparatschiks abservieren wollen. Wenn man schon die Märkte nicht einsperren kann, kann man je wenigstens jene wegsperren, die die Wahrheit über die Märkte sagen.

Drucken

Schreckensidee Bankenunion

14. Juni 2012 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man könnte ein ganzes Lexikon mit jenen Ideen und Konstruktionen füllen, die alle auf das selbe hinauslaufen, es aber verschleiern sollen: Die Deutschen (und die Österreicher, Niederländer und Finnen) sollen möglichst tief in die Tasche greifen, um die nun auf dem Tisch liegende Rechnung für den südeuropäischen Karneval zu begleichen.

Bisher hat Berlin zuerst immer Nein zu solchen Ideen gesagt, um dann am Schluss doch weit nachzugeben. Das droht nun auch bei der Idee einer Bankenunion. Gewiss wäre da auch etwas Sinnvolles dabei, nämlich eine europaweite Angleichung der Einlagensicherung. Diese ist ja kein Wettbewerbsinstrument, sondern eine eher sozialpolitische Regulierung, welche die Folgen eines Bankencrashs mildern soll. Die Unternehmen – die meist ständig hohe Summen auf ihren Konten bewegen müssen – profitieren davon aber praktisch nicht. Aber gerade bei ihnen droht nach einem Bankencrash ein gefährlicher Dominoeffekt, also ein Zusammenbruch ganzer Industrien, deren Bankkonten plötzlich wertlos sind. Daher wird auch künftig jede Regierung versuchen, in Zeiten der Not über die Einlagensicherung hinaus „rettend“ einzugreifen. Solange sie noch selber Kredit bekommt.

Die restlichen Ideen lassen nur noch auflachen: Die Steuerzahler sollen künftig vor den milliardenschweren Rettungsaktionen verschont, Krisenbanken sollen mit dem Geld des Finanzsektors saniert werden. Das klingt harmlos, heißt aber: Die deutschen, österreichischen, niederländischen Banken (denen es offenbar toll geht, sind sie doch gerade reihenweise hinunter geratet worden!) und Sparer sollen künftig die Löcher der spanischen und griechischen, bald wohl auch italienischen und französischen Banken stopfen.

Und ansonsten sollen eben die Gläubiger der Banken (=Anleger) die Folgen eines Bankencrashs tragen. Wird das europaweit Recht, wird damit mit Sicherheit eines ausgelöst: ein Bankenrun samt darauffolgendem Stillstand der gesamten Wirtschaft! Wer lässt sein Geld schon gerne dort, wo er es zu verlieren droht. Genau um dies zu verhindern, hat man ja die Bankenrettungen gestartet. Man wusste, dass diese ordnungspolitisch falsch waren, aber man wollte Zeit gewinnen. Diese wurde jedoch nicht genutzt. Bis heute scheut Europa die Maßnahmen, die es wieder wettbewerbsfähig machen und die wahren Ursachen der Krise beseitigen würden. Sie sind durchaus bekannt: drastischer Abbau von Wohlfahrtsstaatsexzessen, Privatisierungen, Deregulierungen, Flexibilisierungen der Märkte.

Für große Banken sowie für die Staaten fehlt auch noch immer ein europaweites Insolvenzrecht: Wie können sie geordnet in Konkurs gehen?  Wie verhindert man Dominoeffekte? Kann man zwischen risikofreudigen und vorsichtigen Anlegern differenzieren, zwischen Spekulanten und seriösen Investoren? Aber all das ignoriert die EU, genauer: ein französischer Kommissar.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Fußnote 307: Die gesunden Scherze der Planwirtschaftler

13. Juni 2012 15:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Da sage noch wer, die heimische Politik wäre humorlos. Lachen als beste Medizin wird insbesondere im Gesundheitssektor sehr handfest ermöglicht.

Dort wurde nämlich wieder einmal unter lauten Trompetenklängen die selbe Grundsatzeinigung verkündet, die man schon in den letzten zwanzig Jahren x-mal gehört hat: Es werde künftig eine gemeinsame Planung des Gesundheitswesens geben, es werden Doppelgleisigkeiten beseitigt und Kosten gespart. Irgendwo haben wir das alles schon ein paar Mal gehört. Ebenso die paar unbedeutenden Details, die auch jetzt offen geblieben sind: Wie die Entscheidungsmechanismen aussehen, und ob jetzt die Länder, die Sozialversicherungen oder gar der bisher entmachtete Bund das entscheidende Wort haben soll. Das hindert den obersten Chef der Sozialversicherer, einen Herrn Schelling, nicht, diese „Grundsatzeinigung“ zum „Tag des Patienten“ auszurufen! Was ja eine besondere Keckheit ist, denn der Patient kommt in dem ganzen Machtspiel nie vor. Keiner der Machtspieler denkt auch nur daran, dem Patienten ein Zipferl Mitsprache einzuräumen, etwa durch eine freie Versicherungswahl. Besonders heiter ist es aber auch, von einer Gesundheitsreform auch nur zu reden, wenn die Spitalsorganisation als ganzes aus der angeblich gemeinsamen Planung draußenbleibt (diese Kleinigkeit bleibt weiter Spielwiese der Landeshauptmänner und deren Parteisekretariate). Irgendwie sind sie schon sehr süß, unsere Gesundheitspolitiker. Und heiter.

 

Drucken

Bonne nuit Europe

12. Juni 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Frankreichs Linke wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im künftigen Parlament eine sichere Mehrheit haben. Die Franzosen geben traditionell einem neuen Präsidenten am Anfang auch eine parlamentarische Unterstützung. Ebenso groß wie die Wahrscheinlichkeit des Wahlausganges ist aber noch etwas anderes: Dass Frankreich in absehbarer Zeit neben Griechenland, Spanien & Co in der ökonomischen Intensivstation landen wird.

Denn die französische Linke ist zum Unterschied etwa von den deutschen Sozialdemokraten – die seit der Agenda 2010 relativ verantwortungsbewusst agieren – wirklich links. Und das ist in Zeiten wie diesen letal.

Das böse Exempel Mitterrand

Diese Politik erinnert lebhaft an die Zeiten des ersten (und vor François Hollande letzten) sozialistischen Präsidenten Frankreichs, nämlich François Mitterrand. Der hatte in dem bei seinem Amtsantritt blühenden Land binnen weniger Jahre eine finanzielle Katastrophe ausgelöst. Er führte Frankreich nach seinem Amtsantritt 1981 in ein Bündnis mit den Kommunisten und in eine deutliche Abwendung von der Marktwirtschaft.

Das Defizit wurde massiv erhöht; die großen Banken wurden verstaatlicht; dasselbe geschah mit 13 der 20 größten Industriekonzerne; die Arbeitszeit wurde bei vollem Lohnausgleich verkürzt; hohe Einkommen wurden stärker besteuert; und der Staatsdienst wurde um 100.000 Mitarbeiter ausgeweitet.

Die Folgen der ersten Mitterrand-Jahre waren klar und voraussagbar: Das Defizit wuchs immer weiter; das Kapital flüchtete im Expresstempo ins Ausland; die Staatsbetriebe fuhren enorme Verluste ein; die französische Währung stürzte ab; die Arbeitslosenzahlen schnellten in die Höhe; Frankreich musste einen Notkredit in Saudiarabien aufnehmen.

Zwar versuchte dann Finanzminister Jacques Delors die Notbremse zu ziehen. Aber Frankreich kehrte nie wieder zur alten Stabilität zurück.

Das Scheitern des Nicolas Sarkozy

Der bürgerliche Präsident Nicolas Sarkozy kündigte zwar anfangs an, Frankreich wieder marktwirtschaftlicher zu gestalten. Aber letztlich scheute auch der kleine Mann, der so gerne groß gewesen wäre, den Konflikt mit den aggressiven Gewerkschaften (und auch den in Frankreich besonders linken Medien). Bei seinem Abgang hat das Land ein bedrückendes Defizit von 5,2 Prozent des BIP. Während Frankreich vor zehn Jahren noch ebenso viele Autos erzeugte wie Deutschland, sind es jetzt bei den Franzosen zwei Millionen, bei den Deutschen über fünf - um nur ein Beispiel für den industriellen Niedergang eines Landes voller genialer Ingenieure zu nennen.

Zwar versuchte Sarkozy am Schluss wieder viele richtige Sanierungsansätze, aber es fehlte ihm schon jede Glaubwürdigkeit.

Nun aber droht die wirkliche Katastrophe. Denn die französische Linke hat nichts aus der Geschichte gelernt, sondern versucht wieder die Rezepte, mit denen schon Mitterrand wirtschaftspolitisch so heftig gescheitert ist (und viele andere in anderen Ländern).

Europa als Geisel Frankreichs

Eine französische Katastrophe kann nur heute keine reine französische mehr sein, sondern wird zu einer europäischen: Denn derselbe Mitterrand war außenpolitisch sehr erfolgreich. Er hatte Deutschland gezwungen, im Gegenzug für Frankreichs Plazet zur Wiedervereinigung die D-Mark in eine gemeinsame Währung einzubringen. Damit ist der frühere Ausweg einer Abwertung des Francs künftig versperrt und Deutschland zur Geisel Frankreichs geworden.

Umso ernster ist das Programm der neuen französischen Machthaber zu nehmen: Sie wollen (weitere) 60.000 Beamte aufnehmen. Sie erhöhen den Mindestlohn weit über die Inflationsrate um fünf Prozent. Sie verkürzen das Pensionsalter durch Einführung einer Hacklerregelung: Während in Österreich Männer aber dafür wenigstens 45 Beitragsjahre benötigen (Frauen allerdings 40), sind es in Frankreich künftig nur noch 41,5 Jahre. Und war das schon für Österreich ein schwerer finanzieller Ballast, ist es das in Frankreich mit seiner längeren Lebenserwartung noch viel mehr der Fall.

45.000 Franzosen gelten zur Stunde als unmittelbar kündigungsgefährdet. Und das bei einer Arbeitslosenrate, die bald zehn Prozent erreichen wird, und bei einer Jugendarbeitslosigkeit von fast 25 Prozent. In dieser Situation  wird nun auch für den Arbeitsmarkt statt echter Therapien ein ganzes planwirtschaftliches Paket geschnürt, das nur zur kurzfristigen Symptomlinderung imstande ist, aber mittelfristig das Leiden vor allem der Jungen massiv verschlimmert: Kündigungen sollen bewilligungspflichtig und gleichzeitig für Unternehmen so teuer werden, „dass sie sich nicht mehr lohnen“.

Das ist zwar zweifellos möglich, wird aber ebenso zweifellos klare Folgen haben: Fast kein Unternehmen stellt dann noch neue Mitarbeiter an, wenn man diese später nicht mehr los wird, sobald man sie nicht mehr benötigt; und Frankreich wird als Ort von Investitionen seinen letzten Reiz verlieren. Das wird wiederum die Staatseinnahmen weiter reduzieren. Zugleich werden schon jetzt Schweizer Banken von französischen Anlegern gestürmt. Das wird wieder Frankreichs Banken ins Schleudern bringen und vor allem die Zinsen für französische Anleihen in unfinanzierbare Höhen treiben.

Dann wird Frankreich verlangen, so wie Griechenland, Portugal, Irland, Spanien gerettet zu werden. Dann heißt es aber: Gute Nacht Europa. Und zwar in allen Sprachen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Fußnote 306: Wo unser Geld versickert (nicht nur in Athen und Madrid)

11. Juni 2012 12:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Deutlicher als der jüngste Rechnungshof-Bericht kann man gar nicht exemplarisch klarmachen, wo das Geld der Steuerzahler und die aufgenommenen Schulden seit Jahr und Tag versickern.

Einzelbeispiele sind dabei wohl anschaulicher als die Milliarden-Verschwendungsbilanzen: Alleine wenn man nicht sowohl in Baden wie Mödling Standorte des selben Landesklinikums bauen würde, wären 34 Millionen einzusparen. Da sind die alljährlichen Betriebskosten von zwei Häusern statt einem noch gar nicht einberechnet, ebensowenig die Tatsache, dass das Spitalsgebäude in Baden durchaus erhaltenswert gewesen wäre – etwa als Pflegeheim. Die Tatsache, dass zentralisierte Standorte eine viel höhere medizinische Qualität als Einzelspitäler hätten, kann gar nicht berechnet werden. Genauso übel ist auch die vom Rechnungshof aufgezeigte Tatsache, dass jedes Bundesland seine Schulden nach ganz unterschiedlichen Regeln verbucht, sodass kein Mensch eine Ahnung über die echte Verschuldung aller vom Steuerzahler lebenden Institutionen hat. Tirol tut sich da überhaupt am leichtesten: Es berechnet seine langfristigen Verbindlichkeiten überhaupt nicht. Da kann man sich leicht als sparsam präsentieren. Wobei es unbestreitbar bleibt, dass Niederösterreich, Kärnten und Wien die ärgsten Schuldensünder der Republik sind. Wobei wiederum Wien seit Rot-Grün und unter der Finanzstadträtin Brauner seinen Bürgern die steilsten Verschuldungszuwächse aufbürdet.

 

Drucken

Die Retter sind wieder ausgerückt

10. Juni 2012 01:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt also auch Spanien. Immer mehr vermehren solche Rettungsaktionen einige fundamentale Sorgen – auch wenn man die Motive der Retter versteht.

Die Retter fürchten einen Bank-Run, also den Sturm aller Einleger auf die Banken, um ihre Guthaben bar abzuheben, wenn eine Bank kracht. Das könnte europaweite Beben auslösen. Daher wird alles getan, dass keine Bank pleite geht.

Nur lösen solche Rettungsaktionen eine Reihe anderer Probleme aus: Es wird dabei das Geld am Bankencrash völlig schuldloser Menschen verbrannt, was diese zunehmend erbittert und erzürnt; durch die ständige Eskalation der Rettungsausgaben könnten auch bisher gesunde Retter-Länder ins Schleudern kommen; die Dimensionen dieser Hilfe schaffen jedenfalls Inflationsgefahr; die Hilfe von außen nimmt den Druck von den Regierungen, selbst endlich kraftvolle Sanierungsreformen zu setzen, die als einzige die Krise wirklich beenden könnten; und es werden nicht nur die Ein- und Anleger gerettet, sondern auch die gesamte Bank-Mannschaft, statt dass diese ihren Job so wie die Aktionäre der Bank ihr Geld verlieren. Ein solcher Jobverlust ist ja bei anderen Firmen immer die automatische Folge eines Crashs, auch ohne dass die Mitarbeiter irgendeine Mitschuld haben müssen.

Ohne die Gefahr eines solchen Jobverlusts werden aber Bankmitarbeiter auch in Zukunft nicht sonderlich vorsichtig sein. Das bezeichnen die Ökonomen als Moral hazard: Wenn man weiß, dass man bei einem Misserfolg voll gesichert ist, handelt man viel riskanter, als wäre man ungesichert.

Dennoch sind die links- und rechtsradikalen Parolen falsch, dass die Banken die Hauptschuldigen wären, dass diese riskant gehandelt, also „spekuliert“ hätten. Die spanischen Banken haben in Wahrheit genau das getan, was altmodisches und klassisches Bankgeschäft ist: Häuslbauern gegen eine Hypothek Geld gegeben. Wenn aber diese Häuslbauer reihenweise ihren Job verlieren, wenn die Werte der spanischen Immobilien auf weniger als ein Viertel(!) sinken, dann ist es unausweichlich, dass alles ins Schleudern kommt. Auch wenn, wie im Falle Spaniens, die Staatsverschuldung keineswegs exorbitant ist.

Wenn man nach Schuldigen sucht, dann sind es (trotz der niedrigen Staatsverschuldung) die spanische Regierung, EU-Kommission und EZB, die ein Jahrzehnt lang tatenlos zugesehen haben, wie sich als Folge viel zu niedriger Zinsen die spanische Immobilienblase immer mehr vergrößert hat. Bis sie nun geplatzt ist.

PS.: Spanien hat auch noch aus anderen Gründen fahrlässig gehandelt, nämlich aus ästhetischen: Die mit den billigen Zinsen finanzierte Zubetonierung der andalusischen Küsten wäre auch ohne Crash ein Verbrechen.

Drucken

Die Auswirkungen des Polit-Aktionismus

08. Juni 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Der politische Aktionismus bei den Benzinpreisen, sowohl in Österreich als auch in Deutschland, gerät langsam zur Lächerlichkeit und bewirkt genau das Gegenteil des Erhofften. Sowohl heimische, als auch deutsche Wirtschaftsforscher bescheinigen der Politik in die Irre zu gehen, man sollte nicht, wie dies die Politiker tun,  auf die Stimme des Volkes hören, die jeden Benzinpreis als zu hoch und die Tankstellenbetreiber als Abzocker ansehen.

Schauen wir einmal auf die Faktenlage: Für den jüngsten Aktionismus von Minister Mitterlehner, dass vor den Feiertagen und vor Ferienbeginn die Preise nicht geändert werden dürfen, gibt es noch keine Erfahrungswerte, aber der Minister sagt selbst, dass seine Maßnahme keinesfalls die Preise senken werde. Wozu also das Ganze?

Über die im Vorjahr eingeführte Spritpreisdatenbank weiß man inzwischen, dass sie vor allem von den Tankstellenbetreibern abgefragt wird. In Kombination mit der unseligen Regelung, dass nur einmal am Tag (um 12 h mittags) die Preise erhöht werden dürfen, gibt es nun ein totales Preistohuwabohu. Jeden Tag, zur Mittagszeit, werden die Preise um bis zu 10 Cent erhöht, um dann im Stundentakt (meist computergestützt) bis zum nächsten Vormittag wieder gesenkt zu werden. Das hat mit den Preisen in Rotterdam, beziehungsweise am Ölmarkt, rein gar nichts zu tun, sondern ist Ausfluss dieser unsinnigen Regelung.

Dass die Mineralölindustrie sich in diese unverständliche Lizitationspolitik treiben lässt ist nicht nachvollziehbar und sorgt dafür, dass der Ruf der Branche noch mehr ramponiert wird. Man glaubt Wettbewerb vorgaukeln zu müssen. Das Resultat dieses Aktionismus lautet, dass es europaweit nirgends so viele tägliche Preisänderungen gibt wie in Österreich. Ich war gerade in Frankreich unterwegs, da gibt es tagelang keine Preisveränderungen an den Tankstellen. Trotz dieses heimischen Preisfeuerwerks ist die Verdienstspanne an Österreichs Tankstellen im Europavergleich rekordverdächtig niedrig.

Aber Österreichs Autofahrer sehen die Treibstoffpreise meist als kein wirkliches Problem an. Der ÖAMTC, Freund der Autofahrer und Meister einseitiger Argumentation, gab jüngst bekannt, dass fast 60 Prozent der heimischen Lenkraddreher die Treibstoffpreise nie oder nur selten vergleichen.

Also was wollen Österreichs Anlass-Politiker verändern? Die Preise an den heimischen Tankstellen sind real, also inflationsbereinigt, fast so niedrig wie in den Siebzigerjahren. Der Anteil von Öl und Ölprodukten am Bruttoinlandsprodukt hat sich seit 1980 fast halbiert. Die Autos verbrauchen weit weniger Treibstoff als in früheren Jahren. Die hohen Ölpreise haben nichts mit einer Verknappung (wie bei den Ölkrisen der letzten Jahrzehnte) zu tun, sondern es gibt einfach mehr Nachfrage von China & Co, was auf einen guten Zustand der Weltwirtschaft schließen lässt.

Für ein staatliches Einschreiten zugunsten eines niedrigeren Öl- und Benzinpreises gibt es keinen Anlass, außerdem sind die Möglichkeiten nationaler Politik ohnedies äußerst begrenzt. Eine Erhöhung der Pendlerpausche oder Absenken der Mineralölsteuer wird deshalb von den Wirtschaftsforschen abgelehnt.

Tatsache ist, je mehr Planwirtschaft um sich greift, desto mehr sind die Firmen gezwungen ihre Preispolitik zu optimieren. Das Resultat sind dann Auswüchse wie in Österreich. Das hat nichts mit Kartellabsprachen zu tun. Wifo-Mann Kratena: „Derartige Absprachen gibt es in Österreich nicht“. Mit dieser Erkenntnis könnten sich Minister und Bundeswettbewerbsbehörde viel Arbeit ersparen.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

SN-Kontroverse: Ladenschluss an Sonntagen

08. Juni 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Sonntagsöffnung: Soll sie dem Lebensmittelhandel gestattet werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Dem Götzen Konsum geschuldet

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Sonntagsöffnung für den Lebensmittelhandel gibt es doch längst. Wer in Tourismuszentren wohnt, wie z. B. die Bürgerinnen und Bürger der UNESCO-Weltkulturerbestadt Salzburg, der Wachau, in Tirol, Wien, dem Arlberg oder wo immer sich die Touristen gern und in Massen aufhalten, weiß das. Und er oder sie weiß ein Lied davon zu singen, welche Folgen die Rund-um-die-Uhr-Servicebereitschaft für die Menschen der Region bedeutet.

Die seinerzeit in der Alpen- und Donaurepublik so umstrittene ORF-Serie "Die Piefke-Saga" dokumentiert dies präzise und noch dazu wunderbar humorvoll. Die Realität ist viel schlimmer und härter. Die Genehmigung der Sonntagsöffnung an Großbahnhöfen ist irgendwie ein Zeichen des Konsumwahns. Es ist doch anzunehmen, dass Politiker, die solches genehmigen, genau um die Nöte von Menschen Bescheid wissen, die im Schichtdienst zur Verfügung stehen müssen.

Wobei es wirklich nicht "kleine Nöte" sind, die die Handelsangestellten (hauptsächlich Frauen) im Alltag dann plagen. Wohin mit den Kinder, oder werden gar die Kindergartenöffnungszeiten in den Konsumtempeln Österreichs jetzt auch an Sonn- und Feiertagen großzügig von 8 bis 23 Uhr mit einer Superqualitätsbetreuung und mit einem Betreuer je Kind aufsperren? Etwa in Rauris oder in Zell am See? Oder im Speckgürtel von Wien?

Und wer beteiligt sich an den Kosten von Burn-out-geplagten Lebensmittelverkäufern? Der "freie Markt" ist eine Fiktion. Er bedarf der strengen Reglementierung.

Beim Sprit wird eine solche Vorgangsweise, die Familienminister Reinhold Mitterlehner nach mühsamen Verhandlungen durchgesetzt hat, heiß bejubelt.

Wenn es um Menschen geht, offenkundig nicht.


 Kampf um ein Stück Freiheit

Andreas Unterberger

Selbstverständlich hatten meine Großeltern ihr Lebensmittelgeschäft und meine Schwiegereltern ihre Fleischhauerei an Sonntagen geöffnet. Ebenfalls noch lang in die Nachkriegszeit gab es Raiffeisenkassen, die überhaupt nur sonntags geöffnet hatten. Es ist daher Unsinn, eine Sonntagsöffnung als neumodische Entartung gottloser Liberaler darzustellen, die aus Geldgier jahrhundertealte familienfreundliche Usancen abschaffen wollen.

Die Möglichkeit, an Sonntagen im Handel zu arbeiten, wäre oft sogar familienfreundlicher als der Ist-Zustand: Dann könnten in vielen Familien Väter wie Mütter zumindest Teilzeit arbeiten, ohne ihre Kinder in Fremdbetreuung geben zu müssen, was der Großteil der Eltern ja keineswegs als ideal ansieht. Diese Möglichkeit wäre auch nicht kirchenfeindlich. Findet etwa die Ladenöffnung am Nachmittag statt, würde ein Messbesuch sogar harmonischer in Sonntagsplanungen passen als heute.

An Sonntagen einkaufen zu gehen (auch über Lebensmittel hinaus) ist mindestens so legitim wie der Besuch eines Sportereignisses, eines Kinos, eines Theaters oder der Bezug einer an Sonntagen produzierten Montagszeitung. Nichts davon ist überlebenswichtig. Und alles ist für viele Mitmenschen mit gut honorierter Sonntagsarbeit verbunden. Niemand kritisiert solche Sonntagsarbeit, die anderen Vergnügen und Freizeitgestaltung ermöglicht. Nichts anderes stellt aber für viele Menschen eben auch ein Einkaufsbummel dar. Eine Sonntagsöffnung würde das unwürdige und oft mehr als eine Stunde kostende Gedränge Tausender in den wenigen geöffneten Bahnhofsläden beenden. Sie würde viele Umsatzmillionen in Österreichs Steuerkassen spielen, die derzeit im grenznahen Ausland ausgegeben werden. Und sie wäre endlich wieder ein kleines Stück Freiheit, weg von der unerträglichen Bevormundung durch den Moloch Staat.

Drucken

Das Ländle gleicht sich Ostösterreich an

07. Juni 2012 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Früher waren die Vorarlberger dafür bekannt, dass sie am besten wirtschaften konnten. Zunehmend scheint aber auch dort diese Fähigkeit verloren gegangen zu sein.

Denn Landeshauptmann Markus Wallner wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass in seinem Land auch nur ein Bezirksgericht gesperrt wird (die Verfassung gibt ihm dabei ein Vetorecht). Die Logik ist zynisch, aber klar: Für Gerichte zahlt ja der Bund, und mit dem Bund hat Vorarlberg anscheinend nichts zu tun, den kann man hemmungslos bluten lassen. Für die Kosten der Bezirkshauptmannschaften zahlt hingegen das Land. Ganz zufällig hat das zur Folge: In Vorarlberg gibt es um 50 Prozent mehr Bezirksgerichte als Bezirkshauptmannschaften.

Aber die Vorarlberger haben das Rechnen und Wirtschaften auch dann verlernt, wenn es ihr eigenes Budget betrifft. Also wenn Vorarlberg Aufträge vergibt, oder wenn es etwas einkauft. Auch da kämpft Wallner mit voller Energie gegen die Interessen des Vorarlberger Budgets: Er will nicht, dass wie geplant ab Jahresende alle Aufträge ab 40.000 Euro öffentlich ausgeschrieben werden müssen (wie schon bis 2009). Dass also ab diesem Zeitpunkt endlich wieder der Bestbieter zum Zug kommen muss. Er will das lieber weiterhin freihändig – ehrlicher formuliert: unter der Hand – vergeben.

Wallners Motiv: Dadurch kommen fast nur Vorarlberger an die Aufträge. Was aber die verschwiegene Konsequenz hat, dass dann viel teurer eingekauft wird, als wenn man jeweils den Bestbieter suchte. Dass das zu Lasten des Vorarlberger Budgets geht. Dass das Korruption erleichtert. Ebenso logisch ist, dass ohne österreichweite Ausschreibungspflicht die selbe Freihändigkeit logischerweise auch in anderen Bundesländern praktiziert werden wird. Wo dann halt kein Vorarlberger Unternehmen zum Zug kommen wird. Ähnliches spielt sich auch gegenüber dem EU-Ausland ab.

Am Ende des Tages bringt die Freihändigkeit keinen Gewinn, sie ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern ein Minus für alle. Weil keiner beim Billigsten einkauft und weil alle zu viel an Auftragnehmer zahlen. Zum Schaden der Steuerzahler und Konsumenten. Oder muss man jetzt wirklich sogar in Vorarlberg die ökonomischen Grundrechnungsarten erklären? Weiß Wallner nicht, dass Wettbewerb immer zu besseren Ergebnissen führt als freihändige Freunderlwirtschaft? Weiß er nicht, dass uns die nationale und internationale Arbeitsteilung wohlhabend gemacht hat? Oder werden jetzt – um nur ein einziges Beispiel zu nennen – in Vorarlberg nur noch landeseigene Fernseh- und Computer-Erzeuger mit Aufträgen bedient (die man zuvor natürlich erst mühsam durch Förderungen hochpäppeln muss)?

Nun bin ich sicher, dass Vorarlberg auch unter einem Landeshauptmann Wallner ein relativ erfolgreiches Bundesland bleiben wird. Aber es ist einfach traurig, wenn künftig nicht nur in Wien, Niederösterreich und Kärnten die ökonomische Unvernunft regiert, sondern auch im einstigen Vorzeige-Ländle.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Wie sicher ist das Land? Eine Frage, die weder Politik noch Medien schert

06. Juni 2012 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Rund um den Themenkreis Landesverteidigung, Wehrpflicht und Bundesheer ist ein seltsames Vakuum eingetreten. Dieses Vakuum steht ganz im Gegensatz zum starken Scheinwerferlicht der letzten beiden Jahre. Ausgelöst wurde damals die Debatte durch die plötzliche Abkehr der SPÖ vom Konzept der Wehrpflicht im Wiener Wahlkampf. Die Debatte drang aber über die Ebene von Wahltaktik und Intrigen nie zu den wirklich wichtigen Fragen vor. Dabei hat sich keine der Parteien verantwortungsbewusst verhalten. Dasselbe gilt für die Medien, welche hinter der Intrige vom Tag nie die wirklich entscheidenden Fragen gesehen haben. Was bedroht heute die Sicherheit Österreichs und seiner Menschen? Ignoriert wurden auch viele andere Fragen wie etwa: Wie soll das Verhältnis zwischen Beamten und Politik funktionieren?
(Eine grundsätzliche Analyse zur Landesverteidigung)

Eine umfassende Sicherheitsanalyse muss sich mit einer ganzen Fülle sehr konkreter Gefahren befassen, wobei die eines klassischen Krieges die kleinste geworden ist. Die wirklichen Herausforderungen reichen von der Drogenkriminalität bis zu einer weiteren Zunahme eines aggressiven Islamismus. Sie reichen von den Zerfallserscheinungen in der Europäischen Union bis zur Eskalation im Nahen Osten. Die allergrößte und zugleich wahrscheinlichste Sicherheitsgefahr für Österreich ist aber die einer Implosion der Staatsfinanzen als Folge des explodierenden Sozialsystems, vor allem der künftigen Pensionsverpflichtungen. Daraus drohen wieder Unruhen bis hin zu einem Bürgerkrieg zu entstehen. Gleichzeitig haben die Kosten dieses Systems die Budgetmittel für Investitionen und für polizeiliche sowie militärische Sicherheit drastisch dezimiert. Keines dieser Themen wird aber im politisch-medialen Dialog angesprochen, obwohl es dabei und nicht bei der Umverteilung um die obersten Zwecke der Existenz eines Staates geht.

Die Medien, die Parteien, die Beamten

Die mediale Kurz-Bilanz über den Zustand der österreichischen Sicherheitspolitik könnte man kaum besser ziehen, als es Wolfgang Sablatnig, einer der führenden Journalisten Österreichs, zum Nationalfeiertag 2011 getan hat: „Bundespräsident Heinz Fischer und Verteidigungsminister Norbert Darabos haben ihre gegensätzlichen Positionen gefestigt. Die Probleme des Heeres können sie damit nicht lösen. Was fehlt, ist vielmehr eine gesellschafts- und parteipolitische Übereinkunft, was das Militär können muss – und was es nicht mehr zu können braucht.“[1] Und er schließt nach kurzem Verweis auf einige dieser ungeklärten Grundsatzfragen der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit der Konklusion: „Ob das österreichische Militär nach Klärung all dieser Fragen aus Freiwilligen oder Zwangsrekrutierten besteht, ist zweitrangig.“

Damit kritisiert Sablatnig indirekt freilich auch die eigene Zunft. Denn nicht nur die Politik, sondern auch die Medien haben sich rund um die Sicherheitspolitik vor allem mit einem befasst: mit den personalisierbaren und parteipolitischen Konflikten rund um die Forderung nach einem Ende der Wehrpflicht.

Die SPÖ wechselte im Oktober 2010 über Nacht von einer axiomatischen Verteidigung der allgemeinen Wehrpflicht zu deren vehementer Ablehnung. Die frühere Pro-Wehrpflicht-Linie gründete vor allem auf dem SPÖ-Trauma der Zwischenkriegszeit, als ein Berufsheer an der Seite der Bundesregierung gegen den revoltierenden Republikanischen Schutzbund der Sozialdemokraten gekämpft hatte. Bis zum Oktober war daher für die SPÖ die Wehrpflicht Dogma, weil sich ein Wehrpflichtigen-Heer nicht so leicht wie eine Berufsarmee in einen Bürgerkrieg einmischen würde.

Die scharfe und völlig unerwartete Haltungsänderung hatte einen klaren Anlass: die Wiener Gemeinderatswahlen, also die Verteidigung des für die SPÖ weitaus wichtigsten Zentrums der Macht und Finanzierung zahlloser Organisationen. Umfragen vor der Wahl signalisierten den Verlust der absoluten Mehrheit. Daraufhin verkündete die Wiener SPÖ die plötzliche Abkehr von der Idee der Wehrpflicht. Dies sollte die Jungwähler wenigstens zum Teil zurückgewinnen (die sich vor allem wegen der Ausländerfrage in relativ hohem Ausmaß der FPÖ zugewandt haben) und in den letzten Wahlkampftagen vor allem eine stärkere Unterstützung der Kronenzeitung bringen.

Obwohl die Wahlen dennoch für die SPÖ wenig erfreulich ausgingen, behielt sie auch nachher ihren Kurswechsel bei.

Was bewegte dabei die einzelnen Akteure?

Die Kronenzeitung kämpft seit vielen Jahren gegen die Wehrpflicht. Hier sind drei Metamotive zu erkennen:

Die SPÖ übersah bei ihren parteitaktischen Überlegungen rund um die Kronenzeitung folgendes:

Die ÖVP wurde vom Wechsel der SPÖ völlig unvorbereitet getroffen.

Die FPÖ wiederum tat sich als Oppositionspartei am leichtesten, jeweils das abzulehnen, was der amtierende Minister will. Sie tat das ungeachtet der Tatsache, dass die FPÖ in schwarz-blauen Zeiten mit der ÖVP die Ablehnung von Neutralität und Wehrpflicht geteilt hat.

Fischer und Entacher: Die konsequenteste Linie fuhren zwei Sozialdemokraten, die sich gegen die eigene Partei stellten: Bundespräsident Heinz Fischer und der vom Verteidigungsminister abgesetzte Generalstabschef Edmund Entacher gaben zur allgemeinen Überraschung nach einem Leben der Anpassung an die Parteilinie nun ihrem Gewissen und der Verfassung Vorrang. Das hängt gewiss auch damit zusammen, dass beide den absoluten Gipfel ihrer Karriere schon erreicht hatten, dass Fischer sich auch keiner Wiederwahl mehr stellen kann, und dass die Weisungskette Kronenzeitung-Häupl-Faymann-Darabos die beiden Männer trotz ihrer wichtigen Funktionen total übergangen hat. Bei einer nachträglichen Zustimmung wären daher beide zur lächerlichen Figur worden.

Dennoch ist es für die Bürger und für die geistige Identität dieses Landes sehr wichtig, wenn es noch hie und da Funktionsträger gibt, die zumindest einmal im Leben eine wichtige Sache ohne Eigennutz über die Partei zu stellen wagen.

Das Verteidigungsministerium: Eine umso problematischere Entwicklung dieses Jahres war der Missbrauch von Beamten zur Erstellung sogenannter Gutachten, bei denen das Ergebnis schon vorgegeben war. Verschlimmert wurde dieses Vorgehen dadurch, dass die Berechnungen mehrfach geändert werden mussten, je nachdem, wie das Ergebnis aussehen sollte. Dabei ging es nie um das Funktionieren der Landesverteidigung, sondern immer nur um eines: Ein Berufsheer dürfe nicht mehr kosten, als die jeweilige Bundesbudgetplanung vorsah. Dementsprechend wurden die Geld-Entschädigungen für Heeres-Freiwillige ständig adaptiert, ohne dass es seriöse Untersuchungen gab, ob zu den jeweils geplanten Entschädigungen überhaupt noch genug Freiwillige zu finden sind. Geschweige denn eine Mannschaft, die nicht nur wie in anderen Ländern eine Ansammlung potenzieller Arbeitsloser ist.

Leider überhaupt nicht genutzt wurde die Darabos-Entacher-Krise zu einer grundsätzlichen Debatte über die Rolle von Spitzenbeamten. Dabei würden sich einige, auch durchaus widersprüchliche Fragen stellen, deren Bedeutung weit über das Bundesministerium für  Landesverteidigung und Sport hinausreicht:

Wie weit ist es einerseits richtig, dass Beamte – insbesondere jene in exponierten Führungspositionen – ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Meinungsfreiheit nutzen? Wie weit ist es glaubwürdig, wenn sich Minister auf Gutachten der eigenen Beamten berufen, solange sie deren Ergebnis vorgeben können? Was haben etwa auch Aussagen des Verfassungsdienstes noch für einen Wert, wenn dabei seit Jahren immer nur eine Bestätigung der Meinung des Bundeskanzlers herauskommt? Woher bekommt die oft schwer desorientierte Politik in einer schnelllebigen Zeit rasche faktenorientierte Orientierungshilfe? Was bedeutet es, wenn auch die Aussagen von Universitätsprofessoren in hohem Ausmaß von politischer Sympathie – oder Zahlungen eines Auftraggebers abhängig sind? Welcher Beamte ist mit seinen Aussagen noch als eigenständige Persönlichkeit ernstzunehmen, solange er damit rechnen muss, bei einer politisch „falschen“ Meinung am nächsten Morgen suspendiert zu werden, selbst wenn er noch so sehr im Recht sein sollte? Wird die gesamte Beamtenschaft nicht durch solche Vorgänge entweder zu lächerlichen Figuren degradiert oder in die innere Emigration samt passiver Resistenz getrieben? Wo aber bleibt umgekehrt der politische Spielraum eines Ministers, wenn mächtige Sektionschefs öffentlich signalisieren, dass sie die wahren Herren des Ressorts sind und dass sie schon viele Minister kommen und gehen gesehen hätten? Wie kann ein Minister eine Änderung der Gesetzeslage erreichen, wenn ihm seine Beamten Widerstand leisten? Wie geht die Republik künftig mit den abseits der Hierarchie und Verantwortung stehenden Ministersekretären um, die ohne jede verfassungsrechtliche Verantwortung sehr viel Macht haben, ohne die kein Minister überleben kann? Sind Kommissionen ein Ausweg, die sich aber oft als unfähig erwiesen haben, klare Entscheidungen zu treffen? War es wirklich ganz falsch, dass sich speziell in der schwarz-blauen Zeit manche Minister externe Berater und Rechtsanwälte geholt haben, weil sie mit ihren politischen Vorhaben oft auf eine Mauer entweder unfähiger oder anderen Ideologien anhängender Beamter gestoßen sind?

Bei diesen Fragen geht es um ganz wichtige Themen des Funktionierens der Republik , die weder durch ein Beamten- noch ein Politiker-Beschimpfen gelöst werden können, wie es bei den Medien sehr beliebt ist. Es ist für einen Staat vielmehr überlebenswichtig, ständig um ein besseres Funktionieren seines Räderwerks zu ringen. Zu einer ehrlichen Diskussion dieser Fragen ist aber in Österreich niemand bereit. Und den Medien sind sie zu langweilig.

Diese ergötzen sich zwar mit großer Freude an politischen Kämpfen, vor allem wenn sie sich personalisieren lassen. Und wenn sie sich über keinen Konflikt erregen können, geißeln sie den „Stillstand“. Sie bemühen sich aber nur selten um eine fundierte Analyse dessen, was eigentlich richtig wäre; oder wie das Mächtespiel Politik-Beamte künftig ausschauen soll; oder auf welche Bedrohungen sich Österreich besonders vorbereiten soll. Womit wir bei den nächsten Kapiteln sind.

Das sozial-ökonomische Bedrohungsbild

Ein immer größerer Teil der staatlichen Ausgaben wird für zwei Bereiche aufgewendet: Sozialsystem und Schuldendienst. Der Schuldendienst (eigentlich nur: die ständige Umschuldung und Neuverschuldung) ist in Wahrheit primär eine Bezahlung des Konsums der Vergangenheit. Und das Sozialsystem finanziert den Konsum der Gegenwart.

Durch die sich als sozial tarnenden und ständig wachsenden Konsumausgaben wird der Spielraum für Zukunftsausgaben immer geringer, also für Investitionen und für direkte Sicherheitsausgaben. Alleine die Kosten des Pensionssystems zeigen eine so explosive Dynamik, dass das wahrscheinliche Ende dieses System heute als größte Sicherheitsbedrohung Österreichs bezeichnet werden muss. Angesichts dieser Gefahr treten in Wahrheit sämtliche andere Sicherheitsbedrohungen in den Hintergrund.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich[3] rechnet, dass Österreich im Jahr 2040 vor allem der Pensionsausgaben wegen eine Staatsschuld von rund 300 Prozent des BIP haben wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die EU-Kommission. Das heißt auch: Zu diesem gar nicht so fernen Zeitpunkt steht längst kein Euro mehr für Sicherheits- oder Investitionsausgaben zur Verfügung. Die meisten Ökonomen sind überzeugt, dass schon Staatsschulden über 100 Prozent einem Staat jeden Spielraum nehmen, dass solche Schuldenquoten nur noch durch einen Staatscrash, also die Einstellung der Zahlung von Beamtengehältern und Pensionen, oder eine Megainflation beseitigt werden können. Die Beispiele Griechenland und Italien sind ein Beweis für die Richtigkeit dieser Annahmen.

Bei Staatscrash wie Megainflation werden alle finanziellen Sicherheiten zerstört, auf denen die Bürger ihren Wohlstand und insbesondere ihre Vorsorge für Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit aufgebaut haben. Solche Situationen sind durchaus mit den ökonomischen – wenn auch nicht physischen – Folgen eines Krieges vergleichbar. Ganze Lebensläufe enden durch solche Zusammenbrüche in menschlichen Katastrophen.

Diese Perspektive ist aber auch in unmittelbarer Hinsicht sicherheitsrelevant, also auch dann, wenn man Sicherheit nicht auch ökonomisch und sozial, sondern nur in Hinblick auf militärische und polizeiliche Aufgaben versteht. Die Geschichtsbücher sind voller Beispiele, in denen aus ökonomischen Krisen Unruhen und Bürgerkriege entstanden sind[4].

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in solchen Episoden die Jagd auf vermeintliche Sündenböcke beginnt, zuerst medial und in der politischen Rhetorik, die dann jedoch auch sehr konkret werden kann. Eine ganze Reihe von Gruppen kommt als solche Jagdobjekte in Frage: Zuwanderer, Politiker, Beamte, Bankmitarbeiter, die „Reichen“ – also meist die bisherigen Leistungsträger – oder religiös identifizierte Gruppen. Denkbar ist es aber auch, dass sich die Aggression pauschal gegen die Babyboomer-Generation richtet, also gegen die in den 40er, 50er und 60er Jahren Geborenen.

Diese Generation hat in der Tat kollektiv einen sehr großen Schaden angerichtet (während sie selbst lieber kritisch auf die NS-Sünden der Väter verwiesen hat): Sie hat selbst die Kinderproduktion in hohem Ausmaß eingestellt; sie hat auch in Jahren des Wachstums die Staatsschulden ständig vergrößert (die offiziellen und noch mehr die inoffiziellen); sie hat vier Jahre später zu arbeiten begonnen als ihre Vorfahren; sie geht im Schnitt zwei Jahre früher in Pension, obwohl sie weitaus länger lebt; und sie hat im staatlichen Pensionssystems keinerlei Reserven angespart, sondern sich selber ständig wachsende Pensionsansprüche verschafft, ohne dass denen ausreichende Einzahlungen gegenübergestanden wären.

Die internationalen Bedrohungen

Dieses wahrscheinliche Platzen der Blase des Sozial- und Wohlfahrtsstaates fällt zeitlich zusammen mit einer Phase der wachsenden internationalen Destabilisierung des europäischen Raumes. So dramatisch die Entwicklungen des Irak- und Afghanistan-Krieges auch gewesen sind, für Europa sind andere Entwicklungen heute deutlich riskanter:

  1. Die rasche Entwicklung atomarer Waffen in Iran und auch der Türkei[5];
  2. Die völlig ungewisse Entwicklung nach den Umstürzen in einigen arabischen Ländern: Wie aggressiv werden die dort an die Macht drängenden islamistischen Parteien sein? Können die Länder am Südrand des Mittelmeers die innere Stabilität aufrechterhalten oder werden Millionen in die Flucht getrieben? Wie wird sich der revolutionäre Geist auf andere Staaten der Region auswirken?
  3. Die Zuspitzung des Nahostkonflikts als Folge der Kompromissunwilligkeit beider Seiten;
  4. Das wachsende Desinteresse Russlands und der Ukraine am Ziel eines demokratischen Rechtsstaates;
  5. Dazu kommt, dass auch nach Jahrzehnten keine Lösung für die blutigen Konflikte auf dem Balkan gefunden worden ist, obwohl Resteuropa in Bosnien und im Kosovo teure Streitkräfte unterhält. Politik und Diplomatie haben sich opportunistisch um die heiklen Themen gedrückt oder sind auf Grund der innereuropäischen Uneinigkeit gelähmt. So notwendig das Eingreifen des Westens gegen den serbischen Balkan-Imperialismus und zugunsten des Selbstbestimmungsrechtes der betroffenen Völker gewesen ist, so unberechtigt ist es, wenn heute geschlossen serbischen Siedlungsgebieten in Bosnien und im Kosovo unter formaljuristischen Vorwänden das gleiche Selbstbestimmungsrecht verweigert wird.
  6. Last not least zeigen sich gefährliche innere Bruchlinien in der Europäischen Union als schädliche Folgen vieler fauler Kompromisse der letzten Jahrzehnte: Das Fehlen von Mechanismen, um undisziplinierte Länder aus dem Euro verabschieden oder zumindest unter Kuratell stellen zu können, macht sich besonders schlimm bemerkbar, ist aber keineswegs der einzige Konstruktionsfehler der Union, in der einander allzu viele Gremien und Machtträger gegenseitig blockieren, ohne dass die EU eine echte Demokratie wäre. Die Darstellung der EU als großes „Friedensprojekt“ ist heute mehr eine historisch-propagandistische Reminiszenz als eine Garantie für die Zukunft. Noch nie ist so offen über einen Zerfall der Union als Folge allzu vieler innerer Widersprüche diskutiert worden wie im Jahr 2011.

Österreichs Sicherheit im engeren Sinn

Neben all diesen Gefahren einer ökonomischen, sozialen und internationalen Destabilisierung erscheint die klassisch militärische Bedrohung Österreichs weiterhin recht gering. Seit Ende des Kalten Krieges sind Konflikte nur noch sehr schwer vorstellbar, die Österreichs Grenzen als solche in Frage stellen.

Es gibt aber eine Reihe globaler Entwicklungen, die Österreichs Sicherheit auch auf eigenem Boden direkt betreffen, ohne dass sie klassischen militärischen Bedrohungen gleichen. Jedes einzelne dieser Themen wäre eingehender Untersuchungen wert, mit welchen politischen und/oder juristischen Strategien, mit welchen polizeilichen und/oder militärischen Mitteln man eine Eskalation verhindern könnte.

Die Auflistung ist keineswegs umfassend:

Stichwort „Cyber war“: Fremde Geheimdienste und Armeen, aber auch durch politischen Radikalismus oder pure Abenteuerlust motivierte Jugendliche suchen zu Zehntausenden Programmierlücken, um für Wirtschaft, Sicherheitsbehörden und Staatsverwaltung lebenswichtige Computersysteme infiltrieren zu können. Dort, wo das gelingt, kann hemmungslos spioniert werden, dort können sensible Daten nach außen getragen werden, können ganze Industrieanlagen und Versorgungssysteme lahmgelegt werden, können selbst Staaten massivst manipuliert werden.

Stichwort Migrationsströme: Eine zu rasche und zu starke ethnische Verschiebung der Bevölkerungsstruktur führt nach allen historischen Erfahrungen sehr leicht zu inneren Turbulenzen. Eine auf sieben Milliarden gestiegene Weltbevölkerung umfasst auch eine wachsende Anzahl von Menschen, die ihr weiteres Leben in anderen Ländern verbringen wollen. Zwar zeigen alle seriösen Statistiken[6] einen relativen Rückgang von Armut und Hungerkatastrophen[7]. Jedoch hat gleichzeitig die Globalisierung den Migrationswillen stark erhöht. Während früher Milliarden Menschen trotz elender Lebensbedingungen nie ihr Dorf verlassen konnten, bekommen jetzt fast alle Drittwelt-Bewohner über Fernsehen und andere Medien ein Bild luxuriöser Lebensumstände in Europa und den USA ins Haus vermittelt. Und gleichzeitig bieten die modernen Verkehrsmittel Schlepperbanden viele Möglichkeiten, den Migrationswillen dieser Menschen zur Realität zu machen. Die extrem ausgebauten, wenn auch nur durch Schulden finanzierten Sozialstaaten in Europa sind Magneten für Schlepper wie Migranten.

Stichwort Drogenhandel: Das Beispiel Mexiko zeigt, wie sehr ein ganzer großer Staat durch die Drogenkriminalität destabilisiert, korrumpiert und in den Zustand totaler Anomie gestoßen werden kann. Längst ist der Kampf gegen die dortigen Banden nicht mehr bloß eine polizeiliche, sondern auch eine militärische Herausforderung.

Stichwort ABC-Gefahren: Es braucht keinen großen Krieg, sondern nur eine Handvoll aggressiver Wahnsinniger, die mit bakteriologischen, chemischen oder atomaren Waffen unermesslichen Schaden anrichten können.

Stichwort Islamismus: Im Islam gibt es starke Gruppen, die den gesamtheitlichen politisch-juristisch-gesellschaftlichen Anspruch der Religion auch totalitär umsetzen wollen. Große Teile der islamischen Theologie haben kein Konzept entwickelt, das die Trennung von Religion und Staat akzeptiert, wie das der Katholizismus und Protestantismus in der Aufklärung tun mussten[8]. Sie anerkennen wichtige Teile der in Europa geltenden Grundrechte nicht, weder die Meinungsfreiheit – siehe die erbitterte Verfolgung eines dänischen Karikaturisten – noch die Religionsfreiheit: Selbst als liberal geltende muslimische Exponenten sprechen einem Moslem nicht das Recht zu, die Religion zu wechseln. Ein solcher Wechsel wird in den meisten mehrheitlich islamischen Staaten von den Strafbehörden verfolgt. Dieser totalitäre islamistische Machtanspruch wird spätestens ab jenem Zeitpunkt zum Sicherheitsproblem, da Moslems regional oder gesamtstaatlich die Mehrheit bilden. Eine Hochrechnung der Trends der letzten Jahre lässt für Österreich noch in diesem Jahrhundert eine moslemische Mehrheit erwarten, für Wien sogar binnen weniger Jahrzehnte.
Zwar lässt die fast unvermeidliche wirtschaftliche Stagnation des nächsten Jahrzehnts ein massives Abflauen der Arbeitsmigration erwarten. Auf der anderen Seite wird Österreichs sozialstaatliche Attraktivität auch weiterhin für einen Zustrom von Nichtleistungsträgern sorgen.
Als Beweis seien Daten angeführt, die zeigen, in welch geringem Anteil die Zuwanderung aus dem wichtigsten Herkunftsland islamischer Zuwanderer, der Türkei, dem Arbeitsmarkt gegolten hat. Denn während von den 15- bis 64-jährigen Österreichern 75 Prozent erwerbstätig sind, sind es bei den Besitzern eines türkischen Passes in Österreich nur 62 Prozent[9]. Bei den Zuwanderern aus anderen europäischen Staaten ist die Erwerbsquote hingegen durchwegs viel höher – zum Teil sogar über jener der Österreicher. Das heißt, die Türken dürften sich zum Unterschied von anderen Migranten nicht durch eine wirtschaftliche Stagnation von der Migration abhalten lassen.

Schlussfolgerung

Eine verantwortungsbewusste Staatsführung müsste ebenso wie Medien, die sich ihrer Verantwortung als vierte Gewalt bewusst sind, ständig die hier skizzierten, aber sich in einem fortwährenden Fluss befindlichen Gefahren beobachten und analysieren. Davon ist aber weder bei Politik noch bei Medien etwas zu bemerken. Umso weniger findet dann der logische nächste Schritt statt: dass sich das Land möglichst effizient auf die möglichst frühzeitige Abwehr dieser Gefahren konzentriert. Dann aber erst wäre es überhaupt sinnvoll zu prüfen, ob eher eine Berufsarmee oder ein Bundesheer mit Wehrpflicht zur Gefahrenabwehr beitragen können. Dann wären auch viele andere Fragen zu prüfen, wie etwa jene nach einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen.

Dieser Beitrag gleicht weitgehend einem Text für den Sammelband "Strategie und Sicherheit 2012 -  Der Gestaltungsspielraum der österreichischen Sicherheitspolitik" (Böhlau-Verlag)


[1] „Tiroler Tageszeitung“, 27. Oktober 2011.

[2] Bei der Media-Analyse 2010/2011 hatte die einst über 44 Prozent der Österreicher erreichende Kronenzeitung eine Reichweite von 37,9 Prozent, das der Familie Dichand ebenfalls nahestehende Gratisblatt „Heute“ 22,3 Prozent, die Kleine Zeitung 11,3 und das Gratisblatt „Österreich“ 10,0.

[3] Die in Zürich sitzende BIZ kann als die Zentralbank aller Nationalbanken angesprochen werden.

[4] Von der Französischen Revolution bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten mit all ihren Folgen.

[5] Während von der iranischen Atomrüstung öffentlich sehr viel die Rede ist, wird die nukleare Aufrüstung der Türkei seltsamerweise nur von internationalen Nachrichtendiensten bestätigt.

[6] Siehe die Statistiken der UNDP.

[7] An der Verbreitung dieser Fakten haben freilich viele von Spendengeldern lebende Organisationen und die von negativen Nachrichten lebenden Medien kein Interesse.

[8] Die Orthodoxie hat das übrigens noch nicht wirklich akzeptiert.

[9] http://www.statistik.at/web_de/statistiken/arbeitsmarkt/erwerbsstatus/erwerbspersonen/index.html

Drucken

Wider den Fetisch Mehrheit

05. Juni 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Ein Sprichwort sagt: „Wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen.“ Kürzlich war es beim Autor dieser Zeilen wieder einmal so weit. Also: Aufs Auto verzichtet und mit der Wiener U-Bahn gefahren (U6, abends). Schlagartig drang dabei sofort wieder ein höchst beunruhigender Gedanke ins Bewusstsein, der mir schon vor vielen Jahren – anlässlich des Besuchs einer Fußballveranstaltung – spontan durch den Kopf schoss: lauter Wahlberechtigte! Bereits damals wurde mir spontan klar, dass es sich beim allgemeinen, gleichen Wahlrecht um die Kopfgeburt eines Irrsinnigen handeln muss… !

Einer der vielen Beweise für die Fragwürdigkeit des dubiosen Charakters der modernen Massendemokratie ist folgendes Paradoxon: Kein Tag vergeht, an dem in Rundfunk und Printmedien nicht ausführlich über die zunehmende „Politikverdrossenheit“ lamentiert wird. Repräsentative Meinungsumfragen zeigen, dass die politische Klasse hinsichtlich ihrer Wertschätzung auf dem Niveau von Hutschenschleuderern, Hütchenspielern und Zuhältern rangiert. Selbst schlichtere Gemüter spüren, dass die „demokratisch legitimierte“ herrschende Elite sich aus einer konsequenten Negativauslese der Gesellschaft rekrutiert.

Rechtschaffenenen Menschen würde es nicht in den Sinn kommen, an die Politik auch nur anzustreifen: „Wer den Menschen nicht zu dienen in der Lage ist, will sie beherrschen“ (L. Mises, „Die Bürokratie“). Trotzdem erschallt, kaum dass ein Problem – gleich welcher Art und Größe – ins öffentliche Bewusstsein tritt, sofort der kollektive Ruf nach politischer Intervention. Mit der knappen Feststellung „Die Politik ist gefordert!“ erwarten Krethi und Plethi ausgerechnet von jener Personengruppe das Heil, der sie noch nicht einmal einen Gebrauchtwagen abkaufen würden. Ein unmissverständlicher Hinweis auf den Mangel an Urteilsfähigkeit der Wählermehrheit.

Bleiben wir bei populären Spruchweisheiten: „Wenn der Bettler aufs Ross kommt, so kann ihm kein Teufel mehr voreilen.“ Was ist zu erwarten, wenn man Menschen, die ihr eigenes Leben nicht zu meistern imstande sind, mittels eines Stimmzettels in die Lage versetzt, ins Leben anderer Menschen hineinzupfuschen? Der Stimmzettel bedeutet ja nicht etwa Selbstbestimmung! Er verheißt lediglich Mitbestimmung. Und die läuft faktisch auf eine Marginalisierung des einzelnen und die totale Politisierung und Verstaatlichung der Gesellschaft hinaus.

Die kritiklose Begeisterung aller Linken für die Demokratie ist verständlich: Der Stimmzettel bildet in der modernen Massendemokratie eine Legitimation für die Unterdrückung von Minderheiten und die (gewaltsame) Aneignung fremden Eigentums. Die auf diese Weise geschaffenen Anreize sind verheerend und müssen langfristig zur Selbstzerstörung der Gesellschaft führen.

Eine Gemeinschaft, in der sich jeder um sein eigenes Fortkommen bemüht, ist nachhaltig lebensfähig. Eine, in der jeder all sein Sinnen und Trachten auf die Erzielung von Vorteilen auf Kosten Dritter richtet, dagegen nicht. Je größer die politischen Entscheidungseinheiten und je zentralistischer deren Organisation, desto dramatischer die negativen Konsequenzen und desto rapider der Zerfallsprozess. Im Zuge der Verschuldungskrise der EU erleben wir soeben, welch zerstörerische Kraft der für den modernen Wohlfahrtsstaat typischen Entkoppelung von Recht und Verantwortung innewohnt.

Als Staat, so lesen wir im Internetlexikon „Wikipedia“, bezeichnet man im weitesten Sinne „…eine politische Ordnung, in der einer bestimmten Gruppe, Organisation oder Institution eine privilegierte Stellung (…) zukommt.“ Die „privilegierte Stellung“, so bleibt zu ergänzen, kommt jener – stetig wachsenden – Gruppe von Individuen zu, die dem Staat ihr Einkommen zu verdanken haben. Wenn also von einem fundamentalen Interessenskonflikt innerhalb einer Gesellschaft zu reden ist, dann ist es nicht der, von K. Marx & Genossen konstruierte, zwischen Kapital und Arbeit, sondern der zwischen denjenigen, die der Staat ausbeutet und denen, die von Staat leben (ein von Franz Oppenheimer in seinem 1914 erschienen Buch „Der Staat“ anschaulich dargestellter Sachverhalt).

Es liegt auf der Hand, dass die Systemprofiteure daran interessiert sind, die Staatsquote ständig auszuweiten. Anders als bei auf Märkten stattfindenden, freiwilligen Interaktionen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass alle Beteiligten davon profitieren, handelt es sich beim auf einseitigen, auf Gewalt und Zwang beruhenden Verhältnis von Staatsschergen zu Untertanen nämlich um ein Nullsummenspiel. Der Nutzen der ersteren ist der Schaden der letzteren. Dabei handelt es sich um eine Tatsache, die von staatsabhängigen Intellektuellen aus naheliegenden Gründen konsequent vernebelt und von der erschreckend staatsgläubigen Masse der Wahlberechtigten nicht erkannt wird. Selbstverständlich ist dieses Prinzip auch – sogar in verstärktem Maße – auf das in Brüssel beheimatete Politbüro anwendbar, von dem aus das europäische Imperium dirigiert wird.

Die politischen Eliten betreiben – eine bislang erfolgreiche – „Haltet den Dieb“- Kampagne. In der Wiener „Presse“ vom fünften Juni darf ein notorischer Herold des Staatsinterventionismus, der ultralinke Ökonom Stefan Schulmeister, von einer „Entmündigung der Politik zugunsten des Fetisch Markt“ phantasieren. Angesichts fortwährend wachsender Staatsquoten und beinahe zu Tode regulierter Unternehmen eine geradezu bizarre Diagnose. Allerdings bewegt sich der WIFO-„Experte“ damit auf sicherem Terrain: Eine überwältigende (Wähler-)Mehrheit ist – wie er – der Meinung, dass nicht etwa unfähige und korrupte Regierungen mit ihrer verantwortungslosen, kreditfinanzierten Bereitstellung von Brot und Spielen für die Plebs das herrschende Dilemma herbeigeführt haben, sondern vielmehr „unkontrollierte Märkte“ und gewissenlose „Spekulanten“.

Überlassen wir am Ende zur Bedeutung von Mehrheiten dem hellsichtigen Friedrich Schiller das Wort: „Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn; Verstand ist stets bei Wen'gen nur gewesen. Bekümmert sich um's Ganze, wer nichts hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muss dem Mächtigen, der ihn bezahlt, Um Brot und Stiefel seine Stimm' verkaufen. Man soll die Stimmen wägen, und nicht zählen; Der Staat muss untergehen, früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet."

Dem bleibt – 209 Jahre später – nichts hinzuzufügen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Wie unmoralisch ist eine Koalition mit der SPÖ?

03. Juni 2012 00:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In dieser Republik passiert ununterbrochen Skandalöses. Aber niemand regt sich darüber auf. Doch wer sollte auch? Die Bürger erfahren von den meisten Sauereien nicht einmal irgendetwas. Vor allem dann nicht, wenn sie sich wie der Großteil der mir in den letzten Tagen untergekommenen Skandale im SPÖ-Dunstkreis abspielen. Der ORF als wichtigstes Medium ist überhaupt zu einer reinen SPÖ-Sektion geworden, in der höchstens ein paar extreme Altlinke noch Pseudo-Opposition spielen dürfen; die Boulevard-Medien sind gekauft und bestochen; und etliche der sogenannten Qualitätsmedien haben in ihrer innenpolitischen Berichterstattung anscheinend eine freiwillige Linkswende gemacht. Umso mehr hat dann das Tagebuch immer wieder an Ärgernissen abzuarbeiten, so wie heute. Das sich über diese Exklusivität eigentlich gar nicht freut.

Die jüngsten SPÖ-Sauereien im Detail:

Swoboda wirbt für die griechische Syriza-Partei!

Die wohl übelste Entwicklung in der Sozialdemokratie hat Hannes Swoboda zu verantworten: Der Österreicher (und Fraktionschef der EU-Sozialdemokraten) hat in Athen der linksradikalen Syriza-Partei knapp vor den zweiten Parlamentswahlen Wahlhilfe zuteil werden lassen! Einer Partei, die so radikal ist, dass sie vom neuen französischen Präsidenten Hollande nicht einmal empfangen wird; die für die Nichteinhaltung aller griechischen Verpflichtungen gegenüber der EU eintritt; die die Mehrwertsteuer senken und Betriebe verstaatlichen will; die das Mindesteinkommen um 50 Prozent erhöhen will.

Swoboda hat verlangt, dass diese - jede Chance auf eine Erholung Griechenlands und eine Rettung des Euro vernichtende Partei - unbedingt der nächsten griechischen Regierung angehören soll. Und er hat der Partei überdies öffentlich die Unterstützung der europäischen Sozialdemokraten zugesagt. Daran hat ihn auch die Tatsache nicht gehindert, dass die Syriza-Extremisten der eigentlichen sozialdemokratischen Partei Griechenlands (Pasok) noch mehr Stimmen abzujagen drohen.

Was tut da der ORF? Er verheimlicht den Österreichern einfach den hierzulande wohl nicht so gut ankommenden Ausritt Swobodas (und startet dafür eine neue Hetzkampagne gegen Wolfgang Schüssel, weil dieser die im Vergleich zu Syriza ungefähr zweitausendmal seriösere und europäischere ungarische Regierung unterstützt.)

Im roten Schwulen-Milieu kann man vier Jahre lang betrügen

Ein weiterer SPÖ-Skandal ist zwar von einigen Medien einen Tag lang sogar berichtet, dann aber sofort wieder schubladisiert worden: Im skandalgeschüttelten AKH hat sich eine Mitarbeiterin fast vier Jahre lang im Krankenstand befunden, aber daneben gleich zwei psychotherapeutische Praxen betrieben. Ohne dass das im Rathaus oder beim zuständigen Krankenanstaltenverbund irgendwen gestört hätte. Als einen Tag lang darüber berichtet wurde, wurde die Dame  halt kommentarlos ohne Bezüge beurlaubt.

Aber es gibt keine Strafanzeige, keine Rückforderung des betrügerisch erlangten Lohns. Nichts. Was selbst schon wieder ein neues Delikt ist, nämlich ein eklatanter Amtsmissbrauch. Damit signalisiert man solchen Menschen: Sie können vier Jahre lang die Steuerkassen schädigen, und wenn sie dann nach vier Jahren doch einmal öffentlich aufgeblattelt werden, hören sie halt auf damit.

Ein besonders pikanter Hintergrund der Affäre ist überhaupt noch nirgendwo berichtet worden: Die Dame ist SPÖ-Funktionärin im Milieu der Schwulen und Transvestiten. In diesem Eck ist man offenbar doppelt vor jeder Strafverfolgung geschützt.

Bei den Genossen gilt der Datenschutz nur für Schultypen, aber nicht für Menschen

Einer der besonders miesen Schmähs der Claudia Schmied ist die Begründung, warum sie bei allen Tests von Pisa bis zu den Bildungsstandards die wichtigsten Daten geheimhält (insbesondere die Ergebnisse der Gesamtschulen): Angeblich würde der Datenschutz eine solche Veröffentlichung verhindern. Der Datenschutz wird von den Genossen aber sofort vergessen, wenn es ihnen besser passt. Bei den Wiener Lesetests (die regelmäßig zeigen, dass fast ein Viertel der Wiener Kinder nicht sinnerfassend lesen können) gibt es nämlich interessanterweise keinen Datenschutz.

Die verantwortliche Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl kann vielmehr ungeniert sagen: „Der Vorteil der Lesetests ist die völlige Personalisierung.“ Die besteht darin, dass die nicht lesen Könnenden Schüler einem Sondertraining unterzogen werden. Was ja durchaus gut ist – zumindest wenn es zu einem Ergebnis führt. Aber soche Personalisierung samt Extra-Training wäre eben nicht nur beim Lesetest gut, sondern auch bei den Versagern bei den ohnedies „urleichten“ Bildungsstandard-Tests.

In einer anderen Hinsicht ist aber peinlicherweise auch Genossin Bransteidl geheimnistuerisch: Auch sie veröffentlicht keine getrennten Ergebnisse ihrer Lesetests für AHS, Hauptschulen und Gesamtschulen. Womit sie ebenso verlogen agiert wie ihre Parteifreundin im Unterrichtsministerium: Denn Datenschutz ist nur in Hinblick auf die Privatsphäre von Einzelpersonen relevant (wenn überhaupt); es gibt aber keinerlei rechtlichen Grund, die Daten von ganzen Schultypen oder Schulen oder Bundesländern geheimzuhalten.

Linke Bildungspolitik: einfach das Niveau senken

Die endgültige Bankrott-Erklärung für Schmieds Zentralmatura-Pläne hat nun der mit der Mathematik-Matura beauftragte „Didaktiker“ Werner Peschek abgegeben: Er empfiehlt, dass in Klassen mit besonders vielen „Nicht genügend“ der Beurteilungsmaßstab einfach so weit abgesenkt wird, dass maximal 30 Prozent negativ abschneiden. Der Vorschlag bringt eigentlich sämtliche linken Bildungs-Vorschläge auf den Punkt: Herunter mit dem Niveau, damit möglichst viele ein Zeugnis bekommen. Von der Volksschule über die Matura bis zum akademischen Abschluss. Und in ihrer Blödheit glauben zumindest die weniger zynischen Linken sogar noch, dass sie den Schülern damit etwas Gutes täten.Die Zyniker hingegen wollen das Schulsystem endgültig ruinieren.

Haltet den Mund, wir bestechen euch ja eh

Unglaublich frech waren Aussagen des roten Klubobmanns Josef Cap in einem „Presse“-Interview vor einigen Tagen. Aber auch die blieben sowohl in dieser wie auch in anderen Zeitungen völlig unkommentiert. Auf die Frage nach der geplanten deutlichen Erhöhung der Parteiförderungen hatte Cap ungeniert geantwortet: „Ich finde es immer sehr interessant, wenn sich Printmedien kritisch dazu äußern. Gerade sie profitieren mit Einschaltungen von der politischen Informationsarbeit.“

Mit anderen Worten: Haltet den Mund, wir bestechen euch ja eh mehr als genug. Deutlicher geht’s wohl nimmer.

Wie man sich Häupls Befehle schönrechnen kann

Die Wiener SPÖ wünscht, dass der ORF in ihr neues Medienzentrum St. Marx übersiedelt. Das hat sie nämlich schon im Wahlkampf angekündigt. Und daher rechnen die gehorsamen Genossen des Staatsfunks dieses teure Prestigeprojekt so lange schön, vergleichen immer mehr schrumpelige Äpfel mit immer weniger süßen Birnen, bis die gewünschte Variante endlich die billigste wird (da vergisst man halt etwa auf eigene Fernsehstudios für größere Veranstaltungen . . .). Womit sich wieder einmal die SPÖ durchsetzt und am Schluss der Steuerzahler wieder den Staatssender herauspauken muss (obwohl der ohnedies auch noch die Gebühren kassiert).

Eigentlich wäre es da absolut zwingend und logisch, dass Parteisoldat Wrabetz auch mit all seinem Privatvermögen die Haftung für seine seltsamen Rechenkünste übernehmen müsste. Wenn er es nun endgültig schafft, St. Marx durchzusetzen.

Und wieder neue Schikanen für alle Unternehmen

Fast keine Woche vergeht, ohne dass sich die Genossen neue Lasten für Österreichs Unternehmer ausdenken: SPÖ-Sozialminister Hundstorfer will nun allen Firmen die Verpflichtung zu einer „systematischen Erfassung von Stressoren und psychischen Belastungen in der Arbeit“ auferlegen. Das bedeutet jede Menge Aufträge für die (von den Unis in sinnloser Überzahl produzierten) Psychologen. Und für die Unternehmen bedeutet das jede Menge neue Auslagen.

Dahinter steht natürlich die Ideologie vom immer total furchtbaren Arbeitsleid, das eine kapitalistische Ausbeuterklasse den armen Werktätigen aufzwingt. Die Sozialisten genieren sich auch nicht, solche Schikanen gleichzeitig mit der lautstarken Forderung nach mehr Wachstum vorzuschlagen. Obwohl es der beste Beitrag zu mehr Wachstum wäre, wenn die Wirtschaft ein paar Jahre nicht durch solche neuen Ideologielasten beschwert würde.

Die Demokratie und der rote Bank-Austria-Betriebsrat

Das letzte Exempel in dieser heutigen Skandalreihe ist im Vergleich zu den bisher aufgeführten wohl nur eine Kleinigkeit. Es zeigt aber paradigmatisch, wie ungeniert Sozialdemokraten beziehungsweise rote Gewerkschafter überall mit den rein formalen Spielregeln der Macht umgehen, wenn es ihnen nutzt. Es geht um die Wahl einer „Behindertenvertrauensperson“ in der Bank Austria. Auch wenn ich bisher gar nicht gewusst habe, dass es diesen Job gibt, so erscheint die Vorgangsweise als milieutypisch grauslich.

Für diese vor wenigen Tagen durchgeführte Wahl gab’s nur eine einzige Liste, geführt von einer Silvia Pribek. Was ja durchaus vorkommen kann. Was aber keineswegs vorkommen dürfte: Auch die Briefe des Wahlvorstandes erfolgen  „z.H. Frau Pribek Silvia“. Und genau an diese Dame hat man auch seine Wahlkarten zuzustellen.

Noch provokanter ist, dass dieser von Frau Pribek vertretene Wahlvorstand als einziger über die Liste der Wahlberechtigten verfügt, die man aber gebraucht hätte, wenn man eine zweite Liste aufstellen will. Und überdies lagen zwischen der ersten Kundmachung dieser Wahl auf einer von den Mitarbeitern selten besuchten Homepage und der Möglichkeit, andere Wahlvorschläge einzubringen oder Wahlkarten zu beantragen, nur ganz wenige Stunden.

Irgendwie nähert sich der real existierende österreichische Sozialdemokratismus rasch dem einstigen real existierenden Sozialismus Osteuropas an. Wo man zwar „Wahlen“, aber keinerlei Chance auf eine Auswahl oder gar geheime Wahlen hatte.

Rot ist schlimmer als Blau oder Grün

Warum gibt es eigentlich in diesem Land zwar eine Diskussion, ob man mit Blau oder Grün überhaupt eine Koalition auch nur versuchen könne, während die Koalitionsfähigkeit dieser verkommenen Sozialdemokratie nirgendwo diskutiert wird? Wobei zu den hier aufgezählten weitgehend unbekannten Schweinereien ja noch die öffentlich bekannten kommen, wie beispielsweise:

Cap dürfte einfach recht haben: Die Medien sind ausreichend bestochen  worden, sodass kaum noch eines das wahre Bild der SPÖ zeichnet.

PS.: Eine weitere miese Affäre, auf die ich in den letzten Tagen gestoßen bin, kann man nicht direkt der SPÖ in die Schuhe schieben, sondern nur vorerst nicht näher definierten Feinden der Rechtsparteien. Diese im Dunklen arbeitenden Scherzbolde haben unter dem Namen von schwarzen und blauen Politikern, aber ohne deren Zustimmung oder Wissen Facebook-Konten angelegt. Das Absurde des Systems Facebook: Die Betroffenen können sich dagegen gar nicht wehren – oder höchstens mit aufwendigen Klagen, die über Irland oder Amerika gehen müssten. Diese Manipulationsmöglichkeiten sind jedenfalls ein weiterer Grund, um der Facebook-Aktie alles Schlechte zu wünschen.

Drucken

Fußnote 301: Die Schrebergartenprivilegien und die Schuldenkrise

31. Mai 2012 10:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alle jubeln: Die Forste auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig bleiben unter Heeresverwaltung. Nur zwei sollten nicht jubeln: der Steuerzahler und die Landesverteidigung.

Denn die vorgesehen gewesene Übertragung der dortigen Wälder an die Bundesforste hätte dem maroden Bundesheer drei Millionen eingespart. Aber Niederösterreichs Schwarze wie Rote haben selbst gegen diese wirklich harmlose Einsparung protestiert. Und der Sportminister, der im Nebenberuf auch fürs Heer zuständig ist, ist sofort eingeknickt. Das Heer hat‘s ja offenbar. Was steckt dahinter? Ein paar Posten, ein paar Geschäftemachereien, ein paar Möglichkeiten, billig auf die Jagd zu gehen. Die Bundesforste haben hingegen überall mit solchen Schrebergarten-Privilegien aufgeräumt, sind ein professioneller Forstbetrieb und hätten daher auch Allentsteig um drei Millionen billiger betreiben können. Freilich wissen wir: Schon Kreisky hatte seinen – richtigen – Spruch nie in die Tat umgesetzt: „Einen Tausender da, einen Tausender dort einsparen.“ Für einen Norbert Darabos gilt überhaupt die Devise: „Schaffen wir das Bundesheer ab, dann können wir all die Posten und Privilegien bewahren.“

 

Drucken

Wachsen, aber richtig

31. Mai 2012 00:48 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eine absurde Kontroverse, die da derzeit tobt: Wachsen oder Sparen? Jene, die die unfinanzierbar gewordene europäische Schuldenexplosion verursacht haben, agitieren nun gegen die (ohnedies nur in einer kleinen Reduktion der Neuverschuldung bestehenden) Sparversuche. Sie wollen die Schuldenkrise durch noch viel mehr Schulden bekämpfen. Wie ein Rauschgiftsüchtiger möchten sie die Schmerzen des Entzugs mit neuem Rauschgift loswerden. Neues Gift verdrängt ja kurzfristig tatsächlich die Probleme. Dass diese dann später umso schlimmer und mit häufig letalen Folgen auftreten, ist im Augenblick egal.

In der Theorie bekennen sie sich zwar auch zur Notwendigkeit eines Entzugs. Aber immer mit dem Beiwort „später“. In der Sprache der Schulden-Junkies heißt das: “Zuerst müssen wir wachsen, dann können wir die Schulden leichter abbauen.“

Der Satz hat sogar ein Restelement Wahrheit: Wenn Wirtschaft und damit Steuern wachsen, geht das Rückzahlen tatsächlich leichter. Wenn jedoch das Wachstum mit neuen Schulden erkauft wird, dann tritt der gegenteilige Effekt ein: Dann ist der abzubauende Schuldenberg noch viel größer. Dann endet das für die Staatsfinanzen letal. Dann können Beamtengehälter, Pensionen, Anleihen, Rechnungen nicht mehr bezahlt werden. Oder es kommt zur Megainflation wie in der Zwischenkriegszeit.

Fast völlig verschwiegen wird in der Debatte, dass es sehr wohl eine wirksame Wachstumspolitik gibt, die keine negativen Spätfolgen hat. Sie besteht freilich in einer totalen Umkehr dessen, was die Politik seit jeher tut. Statt ständig neue Regeln zu erfinden, die das Wachstum behindern, müssten täglich schädliche Gesetze entsorgt werden.

So haben Europas – im Alleingang ehrgeizigen – Kyoto-Regeln das Wachstum enorm behindert. Dadurch wurden viel mehr Arbeitsplätze zerstört als Green Jobs geschaffen, die ohnedies vor allem in Chinas Solarindustrie entstehen. So sind die Legalkosten, um ein Unternehmen zu gründen, in Griechenland rund siebenmal so hoch wie in der Schweiz. So sind viele Milliarden verfügbarer Investitionsmitteln lahmgelegt, weil jahrzehntelange Umweltverträglichkeitsprüfungen die Investition verhindern. So gibt es allein in Österreich Tausende durch den Zwang zum Ausfüllen von EU-Statistiken oder durch Gleichbehandlungs-Gesetze völlig unproduktive Arbeitsplätze. So werden derzeit allein in der Stadt Wien die Betriebe durch weitere 26 Millionen Kosten für die verpflichtenden Energie-Audits belastet. So dauern Betriebsgenehmigungen in Wien ein Vielfaches von Oberösterreich. Und um in der Stadt zu bleiben: Mit absoluter Sicherheit wäre es der größte Wachstumshammer, wenn die Gemeinde ihre Hunderten Betriebe zu privatisieren begänne, ist doch Wien heute die planwirtschaftlichste Stadt zwischen Atlantik und Ural überhaupt. Zugleich könnte Wien dadurch seine Schulden – die sich in zwei Jahren mehr als verdoppelt haben! – abbauen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Steuern zahlen!

30. Mai 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

IWF-Chefin Christine Lagarde ist eine Frau mit bemerkenswertem Sinn für Humor. Ihr vor nicht allzu langer Zeit an die Adresse Berlins gerichteter Vorwurf, dass die Deutschen mit ihrer Tüchtigkeit und Haushaltsdisziplin Mitschuld an der europäischen Schuldenkrise trügen, war der Beweis schlechthin. In einem Interview mit dem britischen „Guardian“ übermittelt sie nun dem Lande der Phäaken am 25. 5. einige Botschaften, die zum Teil etwas weniger witzig sind.

Wenn sie etwa meint: „Wir sind nicht mehr bereit, Geld in ein Fass ohne Boden zu kippen", ist das eine recht ernst zu nehmende, für die Nettofinanciers des schaurigen Griechenland- und Eurorettungsdramas sogar erfreuliche Botschaft. Auch, dass sie jedem Gedanken daran, dem Lande erteilte Sparauflagen zu lockern eine klare Absage erteilt, ist für die Steuerzahler in ordentlich haushaltenden Volkswirtschaften keine spaßige, sondern einfach eine gute Nachricht.

Sofort allerdings gleitet sie erneut ins scherzhafte ab, wenn sie den vermeintlichen Königsweg zur Beendigung der griechischen Tragödie präsentiert: Ihrer Meinung nach könnten die Griechen sich nämlich selber helfen, „… indem sie alle ihre Steuern bezahlen". Endlich ist die Katze aus dem Sack: Die Griechen – und vermutlich auch alle anderen Europäer, denn schließlich steht kein Staat der Eurozone ohne Schulden da – zahlen zu wenig Steuern! Steuern rauf, Steuervogt Marsch – und alles wird gut. Schade, dass darauf nicht schon früher eine(r) gekommen ist. Den schwer geprüften Bürgern des europäischen „Hartwährungsblocks“ wäre einiges erspart geblieben. Dutzende Milliarden Euro wären nicht nutzlos verbrannt worden!

Frau Lagarde ist indes nicht der einzige Spaßvogel aus den Reihen der Machtelite, denn sie steht mit ihren Kommentaren zur Lage keineswegs alleine da. Immer wieder lässt der eine oder andere Obertan mit dem originellen Bekenntnis aufhorchen „Ich zahle gerne Steuern!“. Dass exakt 100 von 100 dieser Personen von Steuergeldern leben (und daher keinen einzigen Cent an Steuern zahlen!), ist ein Beweis für die in den diversen Politbüros endemische Spaßhaftigkeit, die unter Normalsterblichen in dieser Form nicht zu finden ist.

Kürzlich etwa brach die österreichische Finanzministerin Maria Fekter für die Steuerehrlichkeit eine Lanze, weil der Staat das Geld ja ausschließlich in segensreicher und dem Nutzen des Volkes dienender Weise einsetze – etwa für „den Straßenbau und die Schulen“. Es erstaunt immer wieder, für wie verblödet die politische Klasse das Wahlvolk hält, wenn sie mit derart aufgelegten Schmähs hausieren geht. Denn dass nur der geringste Teil des Staatshaushalts auf Investitionen entfällt, der Löwenanteil aber für Umverteilung – also Konsumaufwand, Beamtenapanagen oder Schuldzinsen draufgeht – wird großzügig ausgeblendet.

Dan Mitchell vom US Cato-Institut bringt es auf den Punkt: „Steuern sind schlecht!“ Steuern bedeuten, dass dem produktiven Privatsektor Mittel entzogen werden, um sie an ebenso unproduktive wie korrupte Politiker und Bürokraten umzuverteilen. Wie kann erwartet werden, dass Geld, das Bürgern weggenommen wird, die dafür schwer arbeiten und deshalb um seinen Wert wissen, besser eingesetzt werden könnte, wenn es von an der Wertschöpfung unbeteiligten Akteuren ungestraft für alle möglichen Extravaganzen verbraten werden darf?

Gerade Griechenland ist ein in dieser Hinsicht besonders lehrreiches Beispiel: Würden die Griechen, wie die IWF-Chefin fordert „ihre Steuern zahlen“ – was wäre gewonnen? Die Regierung würde ihren Apparat noch weiter aufblähen und möglicherweise noch ein paar Hundert (amerikanische) Panzer kaufen. Denn dass eine Regierung – gleich ob auf dem Balkan oder anderswo – Geld vernünftiger eingesetzt hätte, als die Bürger, die es erwirtschaften mussten und denen es gewaltsam abgepresst wurde, war niemals und nirgendwo je der Fall.

Was also sollen die aktuellen Einlassungen der IWF-Chefin? Griechenland leidet an strukturellen Problemen, etwa an mangelnder Industrialisierung, flächendeckender Korruption, geographischer Randständigkeit, einem zu hohen Lohn- und Preisniveau und damit an beklagenswert niedriger Wettbewerbsfähigkeit. Kein einziges dieser Probleme ist durch höhere Steuern zu lösen – eher im Gegenteil: Die extreme Korruption zum Beispiel ist ja gerade dadurch bedingt, dass der Staat offensichtlich über zu viel Geld verfügt, um Riesenhorden begehrlicher Beamter zu beschäftigen. Den wenigen wettbewerbsfähigen Betrieben und fleißigen Werktätigen im Lande höhere Lasten aufzuerlegen, um den politischen Parteien des Landes zusätzliche Möglichkeiten zum Stimmenkauf zu eröffnen, wird keine Heilung bringen.

Faktum ist, dass auf europäischer Ebene Verträge existieren, die einzuhalten sind. Von – à fonds perdu – zu tätigenden Transfers an Griechenland ist darin mit keinem Wort die Rede. Frau Lagarde sollte ihr Augenmerk daher eher auf jene Vertragstreue richten, die für den Umgang zivilisierter Völker miteinander unabdingbar ist und weniger auf offensichtlich törichte Fiskalphantasien.

Die Bürger Griechenlands sind für die Sanierung der von ihnen und ihren Regierungen verschuldeten Fehler und Versäumnisse selbst verantwortlich. Wenn sie sich, wie zu erwarten ist, das Heil von einer radikal linken Regierung versprechen – nur zu! Ob diese dann mehr oder weniger Steuern erhebt – wen geht´s was an? Die deutschen und andere Nettozahler der EU nicht, denn die haben längst mehr als genug geblutet. Zeit umzudenken! Man lasse Griechenland endlich untergehen! Besser heute als morgen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

Drucken

Ein energieloses Europa

29. Mai 2012 00:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter den vier großen Herausforderungen, vor denen die Europäer heute stehen, ist sie wohl am wenigsten tief ins allgemeine Bewusstsein vorgedrungen: die Bedrohung der Energieversorgung des Kontinents. Dennoch ist sie, wenn sie nicht gelöst wird, genauso folgenreich wie die anderen drei.

Die da sind: die Schuldenkrise fast aller europäischer Staaten; die demographische Katastrophe des seit 40 Jahren anhaltenden Kindererzeugungs-Streiks; und die Zuwanderung von Millionen bildungsferner Menschen mit zum Teil aggressiven Ideologien aus Drittweltkulturen in das europäische Wohlfahrtsnetz.

Wenn die Energiefrage nicht gelöst wird, drohen den Europäern jedoch Schäden, welche die aktuelle Griechenlandkrise als harmlos erscheinen lassen. Fast kein Arbeitsplatz funktioniert ohne Strom, vom Gesundheitsbereich bis zum öffentlichen Verkehr hängt alles an Stromnetzen. Von der Heizung in kontinental kalten Wintern bis zum privaten Verkehr hängt alles an den Gas- und Ölnetzen. Nichts ist so eng mit dem Wohlstandszuwachs oder -rückgang korreliert wie der Energieverbrauch.

Schon in mehreren Wintern sind die Gaslieferungen aus Russland längere Zeit ausgeblieben oder deutlich zurückgegangen. Im letzten Winter haben nicht einmal mehr die russischen Lieferanten selbst jemand anderen für die Versorgungsunterbrechung verantwortlich zu machen versucht (meist die Ukraine). Sie haben vielmehr offen zugegeben, dass Russland in strengen Wintertagen das Gas selber braucht. Nur herrscht dann in der Regel halt auch im restlichen Europa ein strenger Winter. Also gerade dann würden auch die Menschen außerhalb Russlands das wärmende Gas besonders dringend brauchen. Österreich kann sich zwar glücklich schätzen – und man sollte in diesem Punkt auch einmal Politik und Industrie loben –, weil es für viele Wochen Gasvorräte in eigenen Speichern angelegt hat. Aber auch die werden einmal leer sein, wenn die Lieferungen längere Zeit ausbleiben.

Nabucco: Die Geschichte eines Scheiterns

Gleichzeitig sind in den allerletzten Tagen die von Österreich vorangetriebenen Bemühungen endgültig gescheitert, mit dem Projekt Nabucco eine Reserve-Gasleitung aus Aserbaidschan an Russland vorbei zu bauen. Zu viele unseriöse und labile Länder liegen auf dem Weg dieses Projekts; zu erfolgreich waren die russischen Intrigen und Querschüsse – will doch Moskau den westeuropäischen Gashahn unter exklusiver Kontrolle behalten.

Freilich scheint das Projekt auch eher amateurhaft vorangetrieben worden zu sein. Und von der heimischen Politik war es völlig unzureichend unterstützt worden. Nur ständig von einer Schwarzmeer-Politik zu reden ist zu wenig, wenn das Land keinen Spitzenpolitiker von Format und internationaler Bekanntheit hat, der die Sache mit Engagement vorantreiben könnte und wollte. Während sich die Russen für ihre Leitung quer durch die Ostsee mit Gerhard Schröder ein Großkaliber als Lobbyisten geholt hatten, hat Österreich Nabucco nie ein prominentes Gesicht gegeben. Wetten dass dort beispielsweise ein Wolfgang Schüssel mit mehr Nutzen als die gegenwärtigen No-Names lobbyieren hätte können?

Das größte Hindernis war aber offensichtlich das EU-Recht: Jetzt baut – vielleicht – die Türkei bis zur EU-Grenze eine Leitung. Aber Österreich wird dabei nicht mehr involviert.

Um beim Gas zu bleiben: Der Widerstand einiger heimischer Provinzpolitiker gegen die Nutzung der großen eigenen Gasvorräte, die in letzter Zeit gefunden worden sind, ist eine weitere Absurdität. Schon wieder werden dramatische ökologische Schauermärchen gegen deren Nutzung erzählt.

An sich gibt es ja heute weltweit durch den Fortschritt der Technik weit mehr Gas, als noch vor wenigen Jahren angenommen worden ist. Aber zugleich steigt auch die Nachfrage: Denn Gaskraftwerke sind zum großen Hit nun auch in der Stromerzeugung geworden.

Zu wenig Strom – aber wir setzen auf Stromautos

Womit wir voll beim Thema Strom gelandet sind, der größten Krisenzone der europäischen Energieversorgung. Auf der einen Seite werden neue Stromnutzungen propagiert – insbesondere durch die diversen Ideen von Elektroautos. Diese sind zwar alle noch nicht ausgereift. Aber eines ist sicher: Sie werden den Strombedarf in die Höhe schnellen lassen, wenn sie flächendeckend eingeführt werden.

Dem stehen auf der anderen Seite jetzt schon große Stromengpässe gegenüber. In den Kaltwochen des vergangenen Winters ist Deutschland mehrere Male nur noch haarscharf an einem flächendeckenden Blackout vorbeigegangen. Ein solches Blackout ist aber noch überhaupt nicht in der Vorstellungswelt der Europäer gelandet: Sie glauben nämlich, dass da in einer halben Stunde die Lichter wieder angehen werden; eine solche Kettenreaktion könnte aber in Wahrheit Teile des Kontinents über Tage lahmlegen.

Hauptursache war die von der Politik eingeschlagene Energiewende. Nach dem japanischen Tsunami und den schweren Schäden an einem dortigen Atomkraftwerk ist in Mitteleuropa die große Panik ausgebrochen. Die Regierung Merkel hat unter dem Druck der Medien und Opposition plötzlich Abschied vom Atomstrom genommen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Tsunami mitten in Europa gleich Null ist.

Zu wenig Wind und Sonne

Merkel & Co wissen nur nicht wirklich, wie diese Wende funktionieren soll. Die Alternativen für die Stromerzeugung sind nämlich absolut rar. Die Stromerzeugung aus Sonnenenergie ist zumindest nördlich der Alpen absolut unergiebig, unverlässlich und teuer. Die dafür ausgeschütteten Milliardenförderungen kommen heute vor allem den chinesischen Erbauern solcher Anlagen zugute. Und die sich wie eine Beulenpest ausbreitenden Windräder können, selbst wenn sie sich so rasch ausbreiten wie zuletzt, maximal den Zuwachs des Energiebedarfs decken (Es sei denn, es kommt zu einer neuen Konjunkturkrise, dann ginge der Energiebedarf zurück).

Die zwei größten unter den vielen mit den Windmühlen verbundenen Problemen: Gerade in den bevölkerungsreichen Industriezonen Europas geht wenig Wind. Und: So wie die Sonne nicht immer scheint, weht auch nicht immer der Wind. Man denke an die wochenlangen Nebelperioden ohne Sonne und Wind.

Jetzt baut man große Windräder in die windreiche Nordsee, was wenigstens die weitere Naturverschandelung etwas abbremst. Aber nun braucht man wiederum riesige, mehr als 4000 Kilometer lange Stromautobahnen in den Süden, wo die große Nachfrage besteht. Eigentlich bräuchte man sie sogar bis in die Schweizer und österreichischen Alpen: Denn dort ist der einzig sinnvolle Platz, wo man Wind- und Sonnen-Strom in Speicherkraftwerken bis zum Zeitpunkt des Bedarfs speichern kann (dort wird überschüssiger Strom zum Wiederhinaufpumpen des Wassers benutzt).

Das alles ist aber Theorie, denn entlang dieser geplanten Stromautobahnen gibt es jede Menge Widerstand gegen deren Bau. Dieser kann sich juristisch wie politisch in der Epoche der Bürgerinitiativen und der föderalistischen Machtteilung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Justiz sehr mächtig und wirkungsvoll niederschlagen. Auch in den Alpen selbst herrscht nicht mehr die Begeisterung über neue riesige Staumauern wie einst in den Kapruner Tagen. Dabei ist der Bevölkerung das Risiko solcher Mauern noch gar nicht voll bewusst: Denn ein Mauerbruch in Kaprun würde eine verheerende Flutwelle bis in die Stadt Salzburg auslösen.

Niemand investiert in Lückenbüßer

Eine andere Alternative ist der Bau vieler neuer Gas- und Kohlekraftwerke, die immer dann hochgefahren werden, wenn Sonne und Wind auslassen. Diese Kraftwerke sind aber wiederum das Gegenteil dessen, was die Politik (wieder einmal unter Druck der Medien) in der in Zeiten vor der Atompanik modischen Klimapanik angestrebt hat: nämlich weniger CO2-Emissionen. die Klima-Panik ist zwar deutlich schwächer geworden. Selbst im ORF können neuerdings Beiträge erscheinen, die sie zur Gänze als verfehlt erscheinen lassen.

Abgesehen von dieser Klima-Frage will noch aus zwei weiteren Gründen ohnedies niemand in Gaskraftwerke investieren: Erstens wegen der skizzierten Versorgungsunsicherheit; zweitens weil ein nur als Lückenbüßer gedachtes Kraftwerk niemals seriös kalkuliert werden kann. Jetzt dürfte also auch hier der Steuerzahler, so wie schon bei Sonne und Wind, kräftig zur Ader gelassen werden.

Angesichts all dieser Kalamitäten wird nun überall das Thema Energiesparen forciert. Auch das bringt dem Kontinent gewaltige Kosten – nämlich immer dann, wenn es über das wirtschaftlich Sinnvolle hinausgeht, das etwa in der Reduktion der Heizkosten liegt. Energiesparzwänge sind zugleich eine gewaltige Bedrohung für Europas schöne Gründerzeitstädte: Von Paris bis Wien lebt deren touristische Attraktivität nicht zuletzt von den prunkvoll gegliederten Fassaden der historischen Straßenzüge (in Wien etwa bis zum Gürtel, aber zum Teil auch darüber hinaus). Sollen die Häuser jetzt alle kahlgeschlagen werden, damit man Dämmstoffplatten anbringen kann?

Europa und Japan werden zurückfallen

Nichts deutet also auf eine gute Energiezukunft Europas hin. Während weltweit die Atomenergie aufblüht, wird sie in Europa und Japan zugedreht (auch in Frankreich ist die AKW-Zukunft angesichts einer möglichen Abhängigkeit des neuen Präsidenten Hollande von grünen Stimmen umwölkt).

Da die Europäer alles gleichzeitig tun und haben wollen – von der Atom- über die Klimapolitik bis zur oft jahrzehntelangen Dauer von Umweltverträglichkeitsprüfungen –, werden sie auch den Preis dafür zahlen müssen: Der besteht in einem weiteren Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit. Also in weniger Investitionen, weniger Arbeitsplätzen, weniger Wohlstand. Von Ost- und Südasien bis Lateinamerika können sich die aufstrebenden Schwellenländer freuen, die sich weder um Atom- noch Klima-Paniken scheren.

PS.: Natürlich ist auch die Versorgung mit dem hier kaum behandelten Öl trotz ständig neuer Funde fragil. Aber wenigstens kann sich in dieser FrageEuropa trösten, dass ein etwa im Gefolge eines Irankrieges eintretender Ausfall der Ölversorgung auch die Konkurrenten in Übersee treffen wird. Diese haben derzeit ja einen ständig steigenden Verbrauch von Treibstoff, während der Absatz in Europa stagniert. Ob das freilich ein echter Trost ist?

PPS.: Kein einziger österreichischer Politiker erweckt den Eindruck, sich ernsthaft und strategisch mit dem Thema Energie gesamthaft zu befassen. Weder in Opposition noch Regierung. Solange der Blackout nicht eintritt, solange die Öfen im Winter nicht kalt bleiben, ist Energie keine politische Kategorie. Was auch auf den zuständigen Minister Mitterlehner zutrifft. Der es maximal schafft, sich in von Boulevardzeitungen getriebene Lächerlichkeiten wie einer Benzinpreisregelung über Pfingsten zu verheddern.

Drucken

In welchen Staaten ist die Wirtschaft konkurrenzfähig?

24. Mai 2012 12:42 | Autor: Andreas Unterberger

Kennzahlen der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit unter Kennzeichnung europäischer Krisenstaaten

 

Anteil der durch das europäische Patentamt eingetragenen Patente ausgewählter Staaten 2009 in Prozent

 

Gründungsanteil neuer Gesellschaften, Unternehmen und Niederlassungen ausgewählter Staaten 2007 in Prozent

 

Rechtliche Kosten der Unternehmensgründung in Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens ausgewählter Staaten

Drucken

Wo geht’s da nach Europa?

24. Mai 2012 00:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Europa kommt es zum Finale. So wie in der Champions-League oder bei Dancing Stars ziehen sich die Dinge zuerst lange hin, bis dann schlagartig die Entscheidung fällt. Nun fallen auch für Europa die Würfel: Wohin geht der Kontinent?

Seit Jahrzehnten konkurrieren zwei Konzeptionen. Auf der einen Seite steht die Idee eines Europas der Vaterländer, in dem die Staaten Träger der Macht sind, von der sie nur im Falle konkreten Nutzens einen Teil an die EU delegieren. Auf der anderen Seite steht der Traum Vereinigter Staaten von Europa. Anders gesagt: Eine Konzeption, von der die Mehrheit der Europäer überzeugt ist, steht gegen ein Projekt der Eliten.

Fast jeder, der irgendeine noch so kleine Rolle in einer EU-Institution bekommt, wird über Nacht zum begeisterten Europäer. Siehe etwa die österreichischen Grünen:1994 noch vehement gegen die EU, sind ihre EU-Abgeordneten wenig später deren fanatische Anhänger. Das Motiv des Gesinnungswandels ist immer gleich: Man kann in der EU oft leichter Regelungen für 500 Millionen durchsetzen, als daheim solche für acht Millionen. Das verleiht ein Gefühl der Macht. Und Macht hat eine berauschende Wirkung. Man beobachte etwa die vollmundigen Politiker aus dem winzigen Luxemburg. Sie alle vergessen, dass der Erfolg Europas im letzten halben Jahrtausend ein Erfolg der Vielfalt, des Wettbewerbs und der Freiheit war.

Die Bürger aber sind der zentralistischen Ideen zunehmend überdrüssig. Sie empfinden Brüssel als regulierungswütigen Moloch. Sie sind ob des Bruchs vieler von der EU selbst gesetzter Regeln und Versprechungen frustriert.

Der Konflikt vertieft sich, obwohl beide Seiten in einem weitgehend übereinstimmen: Bei der Schaffung eines großen Binnenmarktes war die EU sehr erfolgreich. Der Binnenmarkt funktioniert und hat die Europäer reicher gemacht.

Mehr aber wollen diese meist gar nicht. Die Bürger Europas empfinden – im Gegensatz zu den polyglotten Eliten, die täglich durch den Kontinent düsen, – die kulturellen, sprachlichen und ökonomischen Unterschiede als zu groß, um sich als Einheit zu empfinden. Um diese Ablehnung wissend haben die Eliten versucht, ihr Projekt an den Bürgern vorbei so weiterzuentwickeln, dass es nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Nun zwingt aber die Schuldenkrise die Entscheidung herbei: Werden sich jene durchsetzen, die durch eine enge politische Union mit gleichen Steuern, gleichen Gesetzen, gleicher Justiz und gemeinsamen Schulden die Rettung versprechen? Oder aber jene, die überzeugt sind, gerade in stürmischen Zeiten ist der Nationalstaat die wahre Zuflucht, weil nur dort Identität und Solidarität zu finden sind?

Es gibt freilich auch noch eine dritte Möglichkeit: In chaotischen Zeiten könnte bei einem solchen Grundsatzstreit auch der Binnenmarkt selbst auseinander brechen, also der unbestritten nützliche Teil der EU. In der Fußballwelt nennt man das einen Spielabbruch.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Facebook: ein Zauberbuch?

23. Mai 2012 01:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ob ich Facebook-Aktien gekauft habe, will ein Partner des Tagebuchs wissen. Nun: Obwohl ich normalerweise keine Aktientipps geben will, nicht einmal indirekt, fällt mir hier die Antwort leicht. Sie lautet: Nein. Das heißt nicht, dass ich sicher bin, dass diese Aktien einen langfristigen Flop erleiden.

Denn bei Aktien kann man genausowenig einen Erfolg wie einen Misserfolg als sicher ansehen. Mit dem Kauf von Aktien verhält es sich nicht anders als mit sämtlichen anderen Entscheidungen im Leben. Man kann lediglich Einschätzungen der Wahrscheinlichkeit abgeben, ob sich eine Entscheidung am Ende als richtig, also sinnvoll, nützlich, ertragbringend erweisen wird. Wahrscheinlichkeit heißt damit aber immer auch, dass etwas ganz anders als erwartet ausgehen kann.

Und das trifft nun bei Aktienkäufen genauso zu wie bei der Investition in eine Würstelbude oder auch bei der Entscheidung für ein Studium. Zweifellos ist im Vergleich zu einem (in der Regel leichten) Publizistik-, Politologie- oder Psychologie-Studium die Wahrscheinlichkeit eines Lebens mit gutem Einkommen viel höher, wenn man Wirtschaft studiert (was in der Regel schwerer ist). Ich kenne aber durchaus auch exzellent verdienende Politologen und total erfolglose Studienabbrecher (insbesondere wenn sie über eine reine Parteikarriere zum Chef von Bundesbahn oder Bundesregierung werden), so wie mir Absolventen der Wirtschafts-Universität begegnet sind, die später in ihrem Leben keinen Job mehr finden und die in der notgedrungenen Selbstständigkeit frustriert an der ständigen Konkursgefahr entlangschrammen.

Nicht anders ist es bei Facebook. Ich schätze zwar die Wahrscheinlichkeit eines Flops – also eines zumindest teilweisen Verlustes der eingesetzten Gelder – bnoch immer ei Facebook gefühlsmäßig mit rund 80 Prozent an. Aber 20 Prozent Erfolgschance sind zweifellos deutlich besser als bei den diversen Lotto-Formen. Dennoch werden auch diese begeistert gespielt.

Die Argumente, die für einen Misserfolg der Aktien des – ziemlich unsozialen – „sozialen Mediums“ sprechen, sind deutlich größer:

Woher nehme ich aber dann überhaupt eine immerhin 20-prozentige Chance für Facebook-Aktionäre? Nun, es kann ja sein, dass es nochmals die nunmehr börsenotierte Aktiengesellschaft Facebook ist, bei der eine geniale Idee zum Durchbruch kommt. Da könnte der Aktienkurs doch noch einen Höhenflug erleben (bei dem dann der Ausstieg besonders empfehlenswert wird).

Überdies ist derzeit jedenfalls die Wahrscheinlichkeit größer, dass man mit Aktien welcher Art immer sein Geld sicherer angelegt hat als mit Staatsanleihen. Denn in Deutschland wie auch in etlichen anderen Ländern haben derzeit die schuldengierigen Linksparteien und Rechtspopulisten gewaltigen Auftrieb, die den Menschen eine schmerzfreie Therapie gegen die Folgen der finanzpolitischen Sünden der letzten Jahre vorgaukeln. Was nichts anderes heißt als noch mehr Schulden. Das wird die Anleihen eines Tages wie ein Pyramidenspiel zusammenbrechen lassen. Da ist dann eine Facebook-Aktie noch allemal besser als eine Staatsanleihe. Denn die wird nur noch zum Tapezieren der Wände gut sein.

Drucken

Europa hat drei Optionen und entscheidet sich für keine

22. Mai 2012 02:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alexis Tsipras hat absolut recht. Der Chef der linksradikalen Syriza-Partei Griechenlands – der beim nächsten Wahlgang noch weiter zulegen dürfte – hat nämlich selbstsicher verkündet: Niemand kann Griechenland aus dem Euroland werfen.

Ein Blick in die diversen europäischen Verträge bestätigt: Kein Land kann hinausgeschmissen werden, weder aus dem Euro-Raum noch aus der Europäischen Union. Damit haben sich EU wie Euro als Schönwetterprojekte entlarvt, die nun schon seit zwei Jahren völlig hilf- und schutzlos im Regen stehen. Damit machen sich auch alle jene Politiker in Österreich wie in Europa lächerlich, die den Griechen nun den Hinauswurf androhen. Das geht einfach rechtlich nicht.

Damit hat auch die EU-Kommission wahrscheinlich recht, die ständig beteuert, keine Vorbereitungen in diese Richtung zu treffen. Man kann nicht etwas vorbereiten, was man gar nicht kann und darf. Das andere Kommissare doch wieder von solchen Vorbereitungen reden, ist nur ein Zeichen des Chaos, das in Brüssel herrscht.

Ohne Griechen auch kein griechischer Austritt

Die Trennung der Griechen vom Euro können nur die Griechen selber beschließen. Und die wollen ganz und gar nicht. Würde doch damit tatsächlich jene gewaltige Verarmung des Landes eintreten, über die die Griechen schon derzeit sehr beredt jammern, ohne dass sie noch wirklich eingetroffen wäre. Außerdem können die Griechen nicht nur aus dem Euro allein austreten, sondern müssten auch gleich die EU verlassen. Was sie genauso wenig wollen – auch wenn man dann natürlich im gleichen Atemzug um Neuaufnahme in die EU ansuchen könnte.

Daher klingt die – sofort wieder dementierte – neueste Idee Angela Merkels zwar verzweifelt, aber doch glaubwürdig. Sie soll den Griechen empfohlen haben, jetzt doch die im vorigen Winter noch von ihr selbst und allen anderen verdammte Volksabstimmung über einen Euroverbleib PLUS Zustimmung zu allen Sparmaßnahmen abzuhalten. Aber genau dieses Plus will ja die Mehrheit der Griechen nicht.

Heißt das nun, Europa ist wirklich so hilflos, wie es jetzt dasteht? Heißt das, Europa muss wirklich alternativlos einfach immer neues Geld in die ausgebrannten Kessel Griechenlands & Co schaufeln? So wie es das ja schon seit zwei Jahren in Billionen-Dimension tut – von den ersten bilateralen Griechenland-Hilfen über die diversen Kommissions- und EZB-Aktionen, übers hemmungslose Gelddrucken, über die Finanzierungen auf kollektiven Pump via Währungsfonds und die komplizierte „Fazilität“ EFSF bis zu dem ebenso komplizierten und destabilisierenden „Stabilisierungsmechanismus“ ESM?

Ganz und gar nicht. Europa hat mindestens drei Optionen. Freilich ist es nicht so sicher, dass in irgendwelchen Staatskanzleien diese Optionen auch wirklich schon genau durchkalkuliert worden wären. Denn populär wird man auch damit nicht. Keine dieser Optionen ist schmerzfrei, jedoch ist jede sinnvoller als die gegenwärtige Schmerzbehandlung für die europäische Krankheit, die nur eine reine Symptomkur ist.

Über diese Optionen hätte man eigentlich schon in den 90er Jahren bei der Gründung des Euro entscheiden müssen. Was man aber nicht geschafft oder gewollt hat. Und man ist ihnen erst recht im Mai 2010 aus dem Weg gegangen, als Griechenland erstmals bankrott war.

1. Grünes Licht dem Bankrott

Die erste Option würde keiner neuen europäischen Verträge bedürfen. Sie bedeutet einfach: Man lässt Griechenland auch wirklich so wie im Vertrag vorgesehen bankrott gehen. Das wäre zwar ein Schock für das Land, aber die logische Konsequenz aus allen jenen Fehlern, die die Griechen selbst zu verantworten haben – in der lügenreichen Vergangenheit ebenso wie erst recht durch das jüngste Wahlergebnis. Dann könnte die griechische Regierung etwa den Beamten und Pensionisten höchstens die Hälfte des monatlichen Schecks zukommen lassen. Und so weiter.

Aber genau dieser Schock würde am ehesten das auslösen, worum sich die Griechen derzeit so klagenreich herumdrücken: Privatisierungen, Deregulierungen, Beamtenabbau, Abbau von Kündigungsschutz, echte Öffnung für ausländische Investoren usw. Ob die Griechen dann auch zur Drachme zurückkehren, ist da schon eine sekundäre Frage.

Freilich soll niemand glauben, dass dieser an sich logische Weg für das Ausland ein einfacher oder gar billiger wäre. Zahlreiche ausländische Banken und Versicherungen müssten dann durch die eigene Regierung vor den Auswirkungen eines Domino-Effekts geschützt werden. Denn sonst würden auch die jeweils eigenen Unternehmen des Landes mitgetroffen werden, wenn ihre Bankkonten plötzlich nichts mehr wert wären. Wobei es freilich nicht sein dürfte, dass bei der Bankenrettung Bankaktionäre und -mitarbeiter ungeschoren davonkämen. Sie müssten einen Teil des griechischen Ausfalls selber tragen. Nur die schuldlosen Kunden sollten geschützt werden.

Eine weitere Konsequenz einer griechischen Insolvenz würde viele europäische Regierungen treffen: Sie alle hätten dann noch viel größere Probleme bei der eigenen Refinanzierung. Denn jeder Geldgeber würde nach einem endgültigen Bankrott Griechenlands noch viel intensiver als schon jetzt nachdenken, bevor er Italien, Spanien, aber auch Frankreich und vielen anderen Staaten weiter gutes Geld zur Verfügung stellen würde. Das würde für diese Länder die Schuldenaufnahme zumindest neuerlich verteuern.

Allerdings: Dieser Effekt ist schon im Vorjahr bei der erzwungenen Umschuldung der privaten Inhaber griechischer Anleihen in hohem Ausmaß eingetroffen. Diese Umschuldung war eine besonders dumme Aktion: Das Ausland hat viele negativen Folgen getragen, ohne dass man die Griechen zu einer echten Reform zwingen hätte können.

Griechenland bankrott gehen zu lassen, kommt ganz Europa teuer. Aber es nicht bankrott gehen zu lassen, sondern weiter zu „helfen“, kommt noch viel teurer. Und es verhindert vor allem weiterhin, dass die Griechen endlich wirklich selber sanieren. Und auch kein anderes Land wird das dann tun. Sondern alle Bürger würden glauben, dass man nur links- oder rechtspopulistisch wählen, ein bisschen demonstrieren sowie „Occupy!“ rufen müsste. Und schon zahlt weiter ein anderer für sie.

2. Schaffung eines europäischen Konkursrechtes

Damit kommen wir zur zweiten Option: Die EU beschließt ein echtes Insolvenzrecht. Das erfordert eine Vertragsänderung, und dauert daher wahrscheinlich in einer akuten Notsituation zu lange. Aber jedenfalls gilt hier der Satz: Besser spät als gar nicht. Die Schaffung eines solchen Staateninsolvenz-Gesetzes wäre jedenfalls viel dringender als all die zahllosen Banken-Regulierungsversuche der letzten Jahre. Denn die Staaten sowie deren verlorene Wettbewerbsfähigkeit und nicht so sehr die Banken sind der zentrale Kern des europäischen Dilemmas.

Eines solchen Insolvenzrechts hätte es schon bei Fixierung des Euro zumindest für den Euro-Raum bedurft. So wie es ja auch innerhalb jedes Landes für zahlungsunfähige Firmen genau geregelte Abläufe gibt. Im Zentrum steht dabei immer ein sogenannter Masseverwalter. Der übernimmt in dem insolventen Land beziehungsweise in der insolventen Firma alle finanziell relevanten Geschäfte. Interessanterweise wird neuerdings in der Europäischen Zentralbank genau darüber nachgedacht.

Das bedeutet freilich eine vorübergehende Aushebelung der Verfassung und Demokratie. Das ist daher eine extrem heikle Operation. Das würde die Gefahr eines revolutionären Chaos verstärken. Das wäre aber wohl im Gegensatz zur ersten Option ein viel klarer geordneter Umgang mit der Zahlungsunfähigkeit eines Landes. Daher sollt unabhängig davon, wie es kurzfristig in Griechenland weitergeht, dieses Insolvenzrecht die erste Priorität auf der europäischen Agenda werden.

3. Europa neu gründen

Womit wir zur dritten Option kommen. Die heißt: Wenn die Griechen nicht aus dem Euro austreten wollen, können es ja die anderen tun. Das ist freilich eine gewaltige Vertragskonstruktion, die da geschrieben werden müsste. Denn so wie die Griechen nicht nur aus dem Euro austreten können, können es auch die anderen Länder nicht. Sie müssten formal auch die EU verlassen und EU wie Euro neu gründen. Dabei werden die Austretenden auch den Zurückbleibenden – also jedenfalls den Griechen – gegenüber schadenersatzpflichtig. Wobei man freilich auch alle von Athen verursachten Schäden gegenrechnen kann.

Eine solche Neugründung könnte natürlich auch genutzt werden, die vielen Fehler der EU-Konstruktion zu beseitigen. Da hat sich ja im Verlauf von mehr als einem halben Jahrhundert Vieles angesammelt oder als schädlich erwiesen: Vetorechte, Nichteinhaltung der eigenen Regeln, undemokratische Bevorzugung von Kleinstaaten gegenüber den Großen, der unheilvolle Drang zur Überregulierung, unklare Verhältnisse zwischen Nato- und neutralen Ländern, usw.

Mit anderen Worten: Es bräuchte wohl Jahre, um all das zu klären. Niemand hat einen besseren EU-Vertrag fertig in der Lade, der auf zumindest mehrheitliche Zustimmung stieße. Zugleich würde eine neue, bessere Union wahrscheinlich etliche Mitglieder verlieren, die auf dem Weg des Willensbildungsprozesses verloren gingen.

Erst recht würden solche Verluste an Mitgliedern auch bei einem neu zu zimmernden Euro-Raum der Fall eintreten. Denn während man die EU ja auch schlanker machen könnte und sollte, könnten an einem Euro-Neu zweifellos nur Länder teilnehmen, die sich einem klaren und zwingenden Regime unterwerfen würden (anstelle der skurrilen Maastricht-Kriterien, die vom ersten Tag an nie eingehalten worden sind).

Ein solcher Verlust wäre aber sicher kein großer Schaden. Hat man doch in dieses Europa immer wieder Länder aufgenommen, die (noch) gar nicht hineinpassen. Die man aber „aus politischen Gründen“ zu früh aufgenommen hat.

Der Hut brennt lichterloh

Über all diese drei Optionen muss – müsste – zum Beispiel der von Michael Spindelegger in der Vorwoche gegründete Kreis von reformwilligen Ministern intensiv nachdenken. Ob aus dem mehr wird als aus so vielen anderen Nachdenkrunden?

Das Teuflische ist: In Europa brennt der Hut so lichterloh, dass alle Entscheidungen binnen weniger Wochen getroffen werden müssten. Und dabei sollen gleichzeitig in diesen Wochen auch noch ganz schwierige Pakete durch die nationalen Parlamente beschlossen werden: neben der Verpflichtung zur Schuldenbremse auch der neue, viele weitere Hundert Milliarden teure Stabilisierungsmechanismus ESM.

Dieses Paket hängt freilich auch aus einem anderen Grund in der Luft. Denn sowohl die deutschen wie auch die französischen Sozialisten lehnen nun die Pflicht zu einer Schuldenbremse ab. Was zwar ein neuerlicher schwerer Stoß des sich breit machenden Populismus für die Stabilität Europas wäre. Was aber wieder leichte Hoffnung macht, dass damit wenigstens auch der ESM tot sein könnte (den aber wieder die Sozialisten gerne hätten!).

Heute hat Europa die Rechnung für Hunderte faule, den Grundrechnungsarten der Ökonomie widersprechende Kompromisse auf dem Tisch. Es ist dadurch selbst längst von arger Fäulnis befallen. Die proeuropäischen Sprüche mancher Politiker und EU-Journalisten gleichen daher längst nur noch dem Pfeifen im Walde.

 

Drucken

Raus aus dem Euro – geht das überhaupt?

21. Mai 2012 23:42 | Autor: Wolfgang Hoffmann
Rubrik: Gastkommentar

Alle reden davon, Griechenland solle sich gefälligst aus der Eurozone schleichen, oder „vertschüssen", wie unsere bundesdeutschen Nachbarn sagen. Sogar unsere Finanzministerin Maria Fekter hat das zuletzt den Griechen angedroht, und dafür einen Rüffel von Frau Merkel kassiert. Alle reden davon, aber erst langsam taucht die Frage auf: geht das überhaupt?

Egal ob Drachme, Lira oder Peso: Wer würde heutzutage freiwillig seine Euros in so eine Währung umtauschen, die noch dazu jeden Tag an Wert verliert? Wer würde nicht sofort zu seiner Bank rennen, und alles abheben, bis auf den letzten Cent?

Wenn Griechenland wieder die Drachme einführen will, dauert alleine schon das Drucken der neuen Scheine drei Monate. Und dann müssten rund 300 Tonnen Bargeld an die Banken verteilt werden. Sobald das nur irgendjemand mitbekommt, bricht sofort die Hölle aus. Jeder Grieche wird rasch seine letzten Euros einsammeln und nicht mehr hergeben. Genau wie am 11. Mai 1931, als die österreichische Creditanstalt zusammenbrach und damit die Weltwirtschaftskrise (mit-)auslöste.

Das ist natürlich alles nicht neu. Jeder Nationalökonom, jeder Wirtschaftswissenschafter und schließlich auch jeder Banker weiß das schon immer. Warum aber erzählen uns die Politiker noch immer das Gegenteil? Will uns da schon wieder jemand für dumm verkaufen? So wie beim „Transparenzpaket"?

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

Drucken

Stabile Säulen für sichere Pensionen – Stärkung der privaten, kapitalgedeckten Pensionsvorsorge

19. Mai 2012 23:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Das Pensionssystem ist in Österreich zu rund 90 Prozent umlagefinanziert (staatliche „1. Säule“) und unterliegt de facto dem Leistungsprimat* („defined benefit“; Höhe der Leistungen ist definiert). Mit dem vollständigen Übergang auf das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) oberhalb der Mindestpension wird das Prinzip der Versicherungsäquivalenz jedoch zunehmen. Pensionsleistungen aus den kapitalgedeckten Systemen (private „2. und 3. Säule“) von rund 10 Prozent unterliegen prinzipiell dem Beitragsprimat* („defined contribution“; Höhe der Beiträge ist definiert), wenngleich auch Zusagen im kapitalgedeckten System (alle direkten Leistungszusagen und etliche Pensionskassenzusagen) leistungsbezogen sein können (was allerdings Nachschusspflichten impliziert).

Gemäß langfristiger Projektion wird der Pensionsaufwand von 14,1 Prozent des BIP (2010) auf 16,7 Prozent (2030), die Pensionsbeiträge der Beschäftigten im selben Zeitraum hingegen nur von 8,4 Prozent auf 8,5 Prozent des BIP steigen. Dieser Anstieg des Bundesbeitrags (d.h. zusätzliche Budgetbelastung) um weitere 2,5 Prozent des BIP p.a. erhöht den Druck in Richtung weiterer und auch nachhaltiger Pensionsreformen.

Die EU weist in ihrem jüngsten „Weißbuch“ (Feb. 2012) auf die Notwendigkeit hin, dass deutlich mehr zusätzliches individuelles Ansparen notwendig sein wird, um den Erhalt des Lebensstandards in der Pension abzusichern.

Sie fordert eine regelmäßige und übersichtliche Information für jeden Anspruchsberechtigten ein, die Auskunft über die zu erwartende Höhe der Pension aus der 1. und 2. Säule gibt. Damit soll der Bedarf nach zusätzlicher Vorsorge wesentlich transparenter werden. Die Qualität der privaten Pensionsvorsorgeprodukte der 3. Säule soll verbessert werden, insbesondere durch regelmäßige übersichtliche Information für jeden Anspruchsberechtigten hinsichtlich Transparenz, Rentabilität, Kostensynergien und Sicherheit bei Kapitalmarktschwankungen.

Gefährden Finanzkrisen die private Pensionsvorsorge?

Die Finanzkrise hat das Vertrauen auch in die kapitalmarktbasierte Pensionsvorsorge erschüttert: Die Sinnhaftigkeit der Ausdehnung privater Altersvorsorge wurde in dem Ausmaß in Zweifel gezogen, in dem vergessen wurde, dass die Altersvorsorge eine Frage der langen Frist ist. In den meisten OECD-Ländern lag (in lokaler Währung) das in Pensionsfonds gemanagte Vermögen über den Beständen von 2007.

In umfangreichen Simulationen hat die OECD das Ausmaß der Risiken und Unsicherheiten von Anlagerenditen im Kontext der Altersvorsorge, d.h. über die Lebenszeit der Beitragszahler betrachtend, untersucht. Demnach liegen die zu erzielenden realen Renditen selbst bei konservativen Strategien (deutlich) höher als die in Zukunft zu erwartenden Pensionssteigerungen auf Basis der Berechnungen der Pensionskommission.

Neben dem Erhalt der Kaufkraft würde selbst die volle Einbeziehung von Lohnzuwachsraten – langfristig betrachtet – die Kapitalmarktrenditen nicht erreichen.

Verteilung der simulierten jahresdurchschnittlichen Anlagerenditen

Für ein „ausgewogenes“ Portefeuille unter Berücksichtigung von Verwaltungsgebühren, Kosten der Umwandlung des akkumulierten Kapitals in regelmäßige Rentenzahlungen usw. ermittelte die OECD folgendes Ergebnis:

Verteilung der simulierten künftigen Anlagerenditen und Ersatzquoten

Die in den Simulationen erhaltene Medianrendite von 5,0 Prozent liegt unter dem empirisch ermittelten Durchschnittswert der letzten 25 Jahre von 7,3 Prozent.

Ertrag und Risiko der staatlichen und privaten Vorsorgesäule – die Pensionsvorsorge als Portefeuilleproblem

Die Finanzkrise hat den Fokus in der Pensionsvorsorge auf das (kurzfristige) Veranlagungsrisiko gelegt, das (langfristige) politische Risiko in Form von Pensionsreformen (um die prognostizierten steigenden budgetären Belastungen zu senken) aber weitgehend ausgeblendet.

Bereits in den letzten Jahrzehnten ist aufgrund von Pensionsreformen – z.B. Ausdehnung der Durchrechnungszeiträume von den besten fünf Jahren auf die gesamte Erwerbsphase, Reduzierung der Anrechnungen von Nichterwerbsphasen … – die Leistung des staatlichen Umlageverfahrens deutlich gesunken (ausgedrückt als Verzinsung der PV-Beiträge), trotz diverser „Verlust-Deckelungen“. Die notwendigen Pensionsreformen, die das System versicherungsmathematisch betrachtet „fairer“ gestalten, führen zu einem permanenten Verlust an Pensionsleistungen. Im Gegensatz dazu werden Vermögensverluste in diversifizierten Portefeuilles nach Finanzkrisen u.U. rasch wieder wettgemacht (wie etwa in der aktuellen Finanzkrise). Während ältere Generationen von der politikinduzierten „Blase der staatlichen Pensionsversprechen“ profitieren können, tragen jüngere Generationen die mit dem Platzen dieser Blase verbundenen Kosten in Form von Reformverlusten.

Nicht nur die Renditen auf Finanzmärkten, auch die impliziten Renditen des staatlichen Umlageverfahrens schwanken (je nach Annahme über die Zurechnung des Bundesbeitrags zur Pensionsversicherung und über den Abzug von Risikoanteilen vom Versichertenbeitrag) stark. Anzustreben wäre daher eine zwischen öffentlichen und privaten Systemen besser diversifizierte Altersvorsorge, als sie gegenwärtig in Österreich mit rund 90/10 herrscht, mittelfristig könnte der „optimale“ Anteil der privaten kapitalgedeckten Pensionsvorsorge rund 30 Prozent ausmachen.

Wahlfreiheit erfordert Forcierung der rein privaten Pensionsvorsorge (3. Säule)

Innerhalb der nicht-staatlichen, kapitalgedeckten Pensionsvorsorge sollte jedoch die betriebliche Altersvorsorge reduziert und private Vorsorgeformen forciert werden:

Die Nachteile der 2. Säule (geregelt im Betriebspensions-, Pensionskassen- bzw. im Betriebliche- und Selbstständigenvorsorgegesetz) sind:

Auch die aktuelle Novellierung des Pensionskassen- und des Betriebspensionsgesetzes (in Kraft tretend Anfang 2013) mit der neu geschaffenen Möglichkeit einer „Sicherheitspension“ (Angebot einer Sicherheits-Veranlagungs- und Risikogemeinschaft) und geringfügig flexibleren Anlagestrategien (konservativ, risikoreich) ändert an der grundsätzlichen Problematik nichts, auch wenn einige Nachteile reduziert wurden.

Nur im Rahmen der 3. Säule besteht für einzelne Anwartschaftsberechtigte die Freiheit, das Risiko-Rendite Profil optimal zu wählen (z.B. individuelles „Lifecycle Investing“) bzw. hat er die Freiheit der Wahl unter konkurrierenden Produkten.

Wesentlich ist dabei die Sicherstellung gleicher Besteuerung für alle Produktformen, d.h. durch unterschiedliche steuerliche Belastung soll keine verzerrende Wirkung entstehen. Anzustreben wäre daher ein persönliches Pensionskonto/-depot, das als solches definiert durchgängig der nachgelagerten Besteuerung unterliegt (Einzahlung und Veranlagung ohne steuerliche Belastung, Auszahlung hingegen mit Einkommensteuer belegt).

Intelligentes Design kapitalgedeckter Pensionsvorsorge am Beispiel Schweden

Das schwedische Pensionsmodell wurde in den 1990er Jahren entwickelt, als Schweden sich einer alternden Gesellschaft, einem vergleichsweise geringeren Wirtschaftswachstum und einem ausufernden Budgetdefizit gegenüber sah. Das alte Pensionssystem nach dem Leistungsprimat wurde ersetzt (mit Übergangsregelungen) durch ein stark auf Kapitaldeckung ausgerichtetes System, wobei in allen drei Säulen teilweise bis ausschließlich Beiträge am Kapitalmarkt veranlagt werden.

Die zugrundeliegende Idee des Systems beruht auf der Tatsache, dass die Höhe der Pension (in Form einer Annuität) vereinfacht ausgedrückt von der Höhe des Kapitals zum Pensionsantritt „dividiert“ durch die durchschnittliche Lebenserwartung zum Pensionsantritt abhängt:

Dem Problem der alternden Bevölkerung kann in dieser Logik vor allem mit einem späteren Pensionsantritt begegnet werden. Das Kapital hängt ab von der Höhe der Beiträge und deren Wertentwicklung über die Laufzeit und zeigt die Bedeutung von langfristigem regelmäßigen Sparen und dem Zinseszinseffekt.

Die erste Säule (laufender Beitrag 18,5 Prozent des Bruttogehalts) besteht aus drei Teilen:

Im Rahmen der zweiten Säule werden je nach Kollektivvertrag 3,5 – 4,5 Prozent des Bruttogehalts vom Arbeitgeber in ein vom Arbeitnehmer (!) auszuwählendes Versicherungsprodukt (va fondsgebundene Lebensversicherung) einbezahlt – auch dieser Teil ist beitragsorientiert und vor allem: individuell gestaltbar.

Für die dritte Säule – Private Pension – sind 3 Möglichkeiten vorgesehen:

Einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit des Pensionssystems leisten „Finanzielle Stabilisatoren“: Die jährliche Anpassung der Pension aus der 1. Säule berücksichtigt auch die Einkommensentwicklung und gewisse Abschlagsfaktoren und kann sich daher sowohl positiv als auch negativ entwickeln (letzteres 2010 und 2011).  Für die Bezieher niedriger Pensionen wird dies durch die Garantiepension ausgeglichen.

Kritiker von kapitalgedeckten Pensionssystemen weisen immer auf die Abhängigkeit von der Kapitalmarktentwicklung hin. Das schwedische System berücksichtigt kurzfristige negative Schwankungen insoweit, als jeder Einzelne bestimmen kann, wann sein in der 2. oder 3. Säule angespartes „Kapital“ in eine Verrentung übergeführt wird.

Um die Verwaltungskosten dieses Systems zu minimieren, hat man sich entschlossen, ein zentrales „Clearinghaus“ zu etablieren, das „Pensionskonten“ führt und wo man jederzeit umschichten bzw. sich informieren kann. Ebenso gibt es für die Fonds und Versicherungen Obergrenzen für deren verrechnete Kosten.

Politikempfehlungen für Österreich:

Unabhängig von ihrer jeweiligen beruflichen Funktion haben mehrere österreichische Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Uta Pock, Thomas Url) die Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die dieser Text verfasst wurde.

Drucken

Die 30-Euro-Impfung auf griechische Art

17. Mai 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Griechenland ist von der Größe her für dieses EU-Europa ein winziges Problem. Aber das Land ist ein exzellentes Paradigma für all das, was in so vielen europäischen Ländern falsch gelaufen ist.

Anstelle der üblichen Milliarden-Dimensionen ist es anschaulicher, sich in den ganz kleinen Zahlenregionen zu bewegen. Viele wundern sich etwa, warum in Griechenland ein Kaffee im Schnitt teurer ist als in einer italienischen Bar, obwohl doch die griechischen Kellner wie viele ihrer Landsleute so herzzerreißend klagen, wie schlecht es ihnen geht. Aber das mag eine Folge eines nicht funktionierenden Wettbewerbes oder von (anderswo verbotenen) Preisabsprachen sein.

Daher noch ein Beispiel aus einem sehr geregelten Umfeld: Schauen wir den Preis für das Verabreichen einer bestimmten Impfung an. Für diese bekommt ein österreichischer Arzt 7 Euro von der Sozialversicherung – ein griechischer hingegen 30 Euro. Diese Differenz erklärt eigentlich schon fast die ganze griechische Krankheit. Sehr anschaulich ist übrigens auch die Zahl der Apotheken: Bei annähernd gleicher Bevölkerungsgröße hat Griechenland zehn Mal so viele Apotheken wie Österreich.

Vor Einführung des Euros in Griechenland haben diese und einige Tausend andere griechische Seltsamkeiten die Inflation ständig angeheizt. Worauf dann beispielsweise die 30 Impf-Münzen des griechischen Arztes bald wieder nur noch genauso viel wert waren wie die 7 des Österreichers.

Der Euro und die gigantischen Hilfsaktionen der europäischen Steuerzahler haben aber dazu geführt, dass die Mehrzahl der Griechen glaubt, sie können beides haben: Die Kaufkraft des Euro einerseits und andererseits jemanden, der ihnen ständig genug Euro schickt. Das gleicht dem Glauben, zugleich abnehmen zu können und doch alles ungehemmt fressen zu können, was Mitteleuropas Küche an kalorischen Köstlichkeiten bietet. Nun gibt es in der Tat Scharlatane, die mit großem Erfolg solche Wunderdiät-Illusionen eines anstrengungsfreien Abnehmens wachrufen. Mit ähnlich großem Erfolg hat auch eine Reihe griechischer Parteien die Quadratur des Euro-Schulden-Kreises versprochen. Diese Schulden-Scharlatane haben sogar einen Beweis: die letzten zwei Jahre, als die EU-Partner diese Quadratur tatsächlich finanziert haben.

Ergebnis: Der Chef des österreichischen Staatsschuldenausschusses verkündet trocken, dass wir (im Gegensatz zu den Ankündigungen der Politik) die an Griechenland verborgten Milliarden niemals wiedersehen werden.

Wann wird Europa endlich einsehen, dass man nicht jemanden zum vernünftigen Haushalten (=Sparen+wettbewerbsfördernde Reformen) bringen kann, solange der auch nur einen Rest Hoffnung auf einen Big spender haben kann? Und die Vernunft wird schon gar nicht einkehren, solange etwa die deutschen Sozialdemokraten sagen, man sollte doch den Griechen noch viel mehr Geld borgen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Nabucco-Projekt vor dem Aus

16. Mai 2012 03:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Österreichs OMV versucht noch hinhaltenden Widerstand zu leisten. Sie betont, das Milliardenprojekt der Nabucco-Gaspipeline hätte tausend Leben. Aber alle Vorzeichen deuten auf einen baldigen Tod von Nabucco hin. Nicht nur, dass sich Aserbeidschan, als derzeit einziger Gaslieferant, bereits anders zu entscheiden scheint, so bröckelt auch die Front der Nabucco-Partner.

So wie es derzeit aussieht wird das Aserigas anfangs nach Italien fließen (über die TAP-Pipeline) und zu einem späteren Zeitpunkt wird das BP-Projekt der SEEP-Pipeline langsam Richtung Bulgarien vordringen. Der österreichische Gashub Baumgarten bleibt auf der Strecke. Erst in einem Jahrzehnt, falls der große Gasfund von OMV/Petrom hält was er verspricht, könnte dann eine Pipeline Richtung Österreich wieder spruchreif werden.

Nabucco hat derzeit einfach schlechte Karten. Es ist ein Projekt, das bereits rund um das Jahr 2005 geplant wurde, wo es einfach andere Voraussetzungen gab. Ausnahmegenehmigungen, wie sie Nabucco im Jahr 2009 von der EU zugestanden wurden, sind nicht mehr zeitgemäß. Sie basieren darauf, dass sich Shipper auf langfristige Verträge von 25 Jahren einlassen. Diese Zeiten sind vorbei.

Heute sind nur mehr Verträge mit einer Laufzeit von 10 Jahren unterzubringen, durch das dritte EU-Energie-Liberalisierungspaket wird es ab 2013 eine neue Gaswelt geben (etwa virtuelle Handelspunkte, mit denen der Gashandel erleichtert wird), in die Nabucco nicht mehr hineinpasst. Auch wenn noch versucht wird, das Nabucco-Schiff auf Kurs zu halten, die EU-Ausnahmeregelung läuft 2016 aus, wenn bis zu diesem Zeitpunkt nicht gebaut wird. Dann müsste wieder ganz neu angefangen werden.

Ein Teil der Nabucco-Partner hat dies auch bereits erkannt. Schon vor einigen Monaten hat die RWE (Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG)-Chefetage (RWE ist einer von sechs Partnern) verlauten lassen, dass man nicht unbedingt am Bau der milliardenteuren Gasleitung beteiligt sein müsse. Weit klarer hat dies Nabucco-Partner MOL (Ungarn) vor wenigen Tagen ausgedrückt: "Wir haben signalisiert, dass wir bereit sind, unsere Anteile wenn nötig zu verkaufen", sagte MOL-Aufsichtsratschef Zsolt Hernadi. "Wir mussten jetzt einfach ein sehr starkes Signal setzen, dass wir nicht mehr willig sind, das noch länger zu finanzieren".

Die Ungarn wollen nicht mehr länger Geld für das Gasprojekt verbrennen. Bisher habe man bereits 20 Millionen Euro gezahlt, das reiche, noch dazu wo die Betreiberfirma nicht angemessen geführt werde (federführend ist die OMV).

Selbst Österreichs Wirtschaftminister Mitterlehner scheint den Braten bereits zu riechen: „Ich glaube, dass es auf jeden Fall eine zeitliche Verzögerung geben wird." Und dann stelle sich die Frage, ob angesichts der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung der Türkei und des damit verbundenen Energiebedarfs noch genug Gas für die Weiterleitung nach Westen übrig sein werde.

Auch seitens Aserbeidschans steht die Ampel auf Rot. Im Moment gebe es für eine solche Leitung von Aserbaidschan nach Europa nur zehn Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, hat der Chef der Investitionsabteilung von Socar (staatlicher Ölkonzern Aserbeidschans), Wagif Alijew, vor kurzem betont. Nötig sei aber die dreifache Menge. Nabucco sei für 31 Milliarden Kubikmeter Gas Jahresleistung geplant. Deshalb favorisiere sein Land gegenwärtig kleine Transportmöglichkeiten.

Statt Nabucco kommt TAP

Und diese kleinere Lösung heißt Trans-Adriatic-Pipeline (TAP), die von der Schweizer EGL, Norwegens Statoil und der deutschen E.ON geplant wird. Sie soll über Griechenland und Albanien nach Süditalien führen. Eine ähnliche Pipeline namens ITGI (Betreiber die griechische Depa und Edison aus Italien) wurde von den Aseris bereits ausgeschieden.

Das TAP-Projekt wird vor allem von der Schweiz äußerst heftig vorangetrieben, Schweizer Minister sind ständig auf Lobbyingtour. Die Schweiz muss nach ihrem Atomausstieg schauen, wo sie Gas für ihre künftigen Kraftwerke herbekommt. Und für Aserbeidschan ist der italienische Markt mit seinen hohen Preisen besonders attraktiv. Die Schweizer sind auch auf EU-Ebene heftig unterwegs, um eine entsprechende Genehmigung zu bekommen, die allerdings anders als jene von Nabucco ausschauen würde, nämlich an die neuen Verhältnisse am Gasmarkt angepasst.

Die TAP würde einmal die ersten Gasmengen aus dem neuen Fördergebiet aus Aserbeidschan absorbieren, weitere Mengen könnten dann von der South East Europe Pipeline (SEEP) übernommen werden, die Richtung Bulgarien gehen soll. Diese Pipeline steht unter der Federführung von BP und dieser Konzern ist auch einer der Betreiber des neuen Gasfeldes Shah Deniz 2, das bis 2017 erschlossen sein soll und woher das Gas für Europa kommen soll. Auch TAP-Partner Statoil ist vor Ort tätig.

Somit ist kein Platz mehr für Nabucco. Dabei haben die Nabucco-Betreiber ihre Pläne sowieso schon stark gekürzt. War ursprünglich von einer Länge von fast 4000 km die Rede, so will man sich nun nur mehr mit einer Gasleitung auf europäischem Boden bescheiden. Nicht ganz freiwillig. Aseris und Türken haben nämlich bereits bekannt gegeben, die Gasleitung auf ihrem Hoheitsgebiet selbst bauen zu wollen.

Die weit über 100 Millionen Euro bisheriger Projektkosten für Nabucco könnten vorerst einmal als Stranded investement abgebucht werden. Aber vielleicht kann die OMV doch noch einmal auf die Pläne zurückgreifen, wenn nämlich ihr neu entdecktes Gasvorkommen im Schwarzen Meer erhoffte neun Milliarden Kubikmeter Gas liefern sollte, wofür man dann eine Pipeline zum Abtransport benötigen würde.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Die armen ausgepowerten AUA-Piloten

15. Mai 2012 01:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

AUA-Piloten melden sich seit einigen Tagen reihenweise und immer knapp vor Abflug ihrer Maschinen krank. Viele Flüge sind ausgefallen. Zahlreiche sitzengebliebene Passagiere schwören sich „Nie wieder AUA“. Und das Defizit der maroden Linie steigt weiter. In unerträglicher Verbiegung der Wahrheit schwätzt der Piloten-Betriebsrat freilich davon, dass das Alles keine Arbeitsverweigerung sei; die Piloten fühlen sich vielmehr nicht fit zu fliegen, weil sie in den letzten Tagen ob ihrer hohen Bezüge so hart kritisiert worden sind.

Wie mir die Armen leidtun! Um ihr ganzes Elend ermessen zu können, vergleiche man sie einmal mit einem Abgeordneten: Dieser arbeitet stundenmäßig mindestens dreimal so viel wie ein Pilot, verdient aber kaum mehr als die Hälfte. Und kritisiert, attackiert, beschimpft wird jeder Politiker hundert Mal mehr als ein Pilot. Dennoch habe ich noch nie von einem Abgeordneten gehört, der sich nicht fit genug zum Dienstantritt gefühlt hat, weil er sich ob harter Kritik so gekränkt hat.

Irgendwann muss man eben auch Politikern ein wenig Ehre zugute kommen lassen, werden sie doch ohnedies ständig von allen Stammtisch-Experten geprügelt. Die Reverenz für die Politik fällt nicht allzu schwer, wenn man sie mit solchen Sauereien vergleicht.

Jetzt kann man nur hoffen, dass es der AUA-Führung wenigstens gelingt, einige Piloten ob der Arbeitsverweigerung fristlos zu entlassen. Das würde den widerlichen Gewerkschafts-Betriebsrats-Sumpf endlich ein wenig trockenlegen – mit Beispielswirkung in andere Betriebe hinein. Freilich ist die Hoffnung klein: Die Gewerkschaften haben mit Hilfe willfähriger Arbeitsrechts-Richter einen so weitgehenden Rechtsschutz aufgebaut, dass Arbeitgeber eigentlich nur noch ein Recht haben: zu zahlen.

Apropos zahlen: Fast hätte ich noch ein Privileg der Piloten vergessen: Sie haben auch Anspruch auf 39 Monatsgehälter Abfertigung.

Kein Zweifel: Die Herren (und auch einige Damen) in den feschen Uniformen haben zumindest ein Ziel erreicht – die Wahrscheinlichkeit eines AUA-Konkurses ist weiter gestiegen. Und dann darf wieder einmal die Allgemeinheit für die Lohnfortzahlung an die Piloten herhalten . . .

 

Drucken

Fußnote 297: Semperit – Continental: Wenn dein starker Arm es will, stehen alle Reifen still

14. Mai 2012 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vor etlichen Jahren hat es zu gewaltigen Erregungen geführt: Die Firma Continental hat die Reifenfabrik Semperit gekauft und dann sukzessive zugesperrt.

Nun, Jahre später, fällt einem eine Meldung über Continental in die Hände: Der deutsche Autozulieferer stellt noch heuer 5000 neue Mitarbeiter ein. Allerdings in China. Braucht es eigentlich noch ein anschaulicheres Beispiel, was in dieser Welt vor sich geht? In immer mehr Branchen wird die Produktion in Europa zu teuer. Die von Gewerkschaften und Betriebsräten – etwa auch im Fall Semperit besonders erfolgreich – hochgetriebenen Löhne sind nicht mehr konkurrenzfähig. Ganz Ähnliches spielte und spielt sich bei der AUA ab. Denn alle Welt kauft immer die kostengünstigsten Produkte. Nicht einmal die Österreicher selbst kaufen zu teure heimische Waren oder Dienstleistungen – ganz abgesehen davon, dass eine rationelle Produktion nur für den kleinen österreichischen Markt technisch völlig unmöglich wäre. Daher hilft auch das von Gewerkschaftern, Sozialisten und Freiheitlichen immer wieder empfohlene Konzept nichts, jede Fabrik notfalls mit Gewalt – also ständigen Defiziten – am Leben zu halten. Das hätte als einziges Ergebnis ein ständiges steiles Anwachsen der Defizite. Worauf jene Unternehmen und Arbeitsplätze, die – noch – konkurrenzfähig sind, immer mehr mit Steuern belastet werden. Bis sie auch konkursreif sind.

 

Drucken

Welche Unternehmen verloren am meisten durch Fehlspekulationen?

12. Mai 2012 17:35 | Autor: Andreas Unterberger

Verluste durch Fehlspekulationen ausgewählter Unternehmen in Milliarden Euro

 

Jahr Staat Unternehmen Verlust Branche
1988-2000 Ö BAWAG 1,2 Bank
1993 D Metallges. AG 1,5 Metall
1994 UK Kidder Peabody 0,1 Bank
1995 UK Barings Bank 1,4 Bank
1996 Jap Sumitomo 2,6 Handel
2000 Ö RBB Wolfsberg 0,02 Bank
2002 Irl Allied Irish Bank 0,74 Bank
2004 Ö Hypo Alpe Adria 0,33 Bank
2007 USA Sallie Mae 2,5 Bank
2007-08 Fra Societe Generale 4,9 Bank
2007 D LB Sachsen 0,5 Bank
2007 D WestLB 0,1 Bank
2008 Ö Kommunalkredit 2,0 Bank
2008 Fra Caisse d´Epargne 0,75 Bank
2008 Chn Citic Pacific 2,0 Mischkonzern
2008 USA Lehman Brothers 11,0 Bank
2008 D Merckle 1,0 Pharma
2008 Ch UBS 1,8 Bank
2000 USA MF Global 0,9 Bank
2012 USA JP Morgan Chase 1,5 Bank

Quelle: Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche WIIW

Drucken

Warum Rückkehr zur eigenen Währung? – Einige grundsätzliche Erwägungen

10. Mai 2012 23:42 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

„Währungspolitik bedeutet mehr als Gestalten, Beeinflussen und Regeln eines Sondergebietes marktwirtschaftlicher Technik. Im Geldwesen eines Volkes spiegelt sich alles, was dieses Volk will, tut, erleidet, ist.“ Im Zustand einer Währung „spiegelt sich das gesamte soziale und politische Leben … Aufschwung und Verfall, Revolutionen, außenpolitische Erfolge und Misserfolge, innerpolitische Konstellationen, Kraft und Schwäche von Regierungen… die geographische und politische Lage eines Volks; die objektiven und subjektiven Möglichkeiten seiner Wirtschaft, seine Einstellung zu wirtschaftlichen Dingen und zur Zukunft; seine Moral und Energie; alles das was die Worte `Volksgeist´ und `Volkscharakter´ decken. Nichts sagt so deutlich aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut”.

Diese goldenen Worte von Joseph Schumpeter, einem der größten Nationalökonomen, die unser Volk hervorgebracht hat, sollte sich jeder, der über Währung, Kredit und Bankensystem nachdenkt und schreibt oder als verantwortlicher Politiker an der Gestaltung mitwirkt, in sein Tagebuch eintragen. Die Kultur eines Volkes und seine Währung gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden!

Das hängt schon mit der Natur des Geldes und des Kredits zusammen. Seiner Natur nach ist Geld ein Produkt der Rechtsordnung des Staates. Der Staat erlässt als Gesetzgeber die Geld- und Kreditverfassung und bestimmt durch diese, was auf seinem Territorium als Geld „gilt”  und wer zur Geld- und Kreditschöpfung berechtigt ist. Die Währungshoheit gehört zu den unveräußerlichen und unaufgebbaren Rechten des Staates. Es stellt eine der Absurditäten unserer Zeit dar, wenn der  Staat diese „Majestätsrechte” nicht selbst ausübt, sondern diese Ausübung einer „privaten” oder „unabhängigen”, nichtstaatlichen Organisation überträgt, auf die er keinen Einfluss hat und die ihm nicht verantwortlich ist.

Die so genannte „Unabhängigkeit der Notenbank” ist und war stets nur eine relative. Fehlt der politisch-staatliche Wille zu sachgerechter Geld- und Kreditpolitik, ist eine auch noch so „unabhängige” Zentralbank machtlos. Die deutsche Bundesbank wehrte sich vergeblich gegen die Aufgabe der Mark. Und die Machtlosigkeit zeigt  sich  auch jetzt wieder bei der US-Notenbank FED oder der EZB,  die beide jedes von den politischen Entscheidungsträgern verordnete „Bail-out”, „Ankurbelungsprogramm” oder „Konjunkturpaket” absegnen und finanzieren müssen. Manchmal allerdings drängen sie sich der Politik als „Problemlöser“ oder „Retter“ geradezu auf, wie Jean-Claude Trichet bei der Griechenlandpleite im Frühjahr 2010.

Für die logisch unwiderlegbare und daher auch unwidersprochen gebliebene „Staatliche Theorie des Geldes” (G. F. Knapp, 1905) ist Geld im engeren Sinne das staatlich anerkannte Zahlungsmittel (Münzen, Banknoten). Die staatliche Anerkennung besteht in der Selbstverpflichtung des Staates, Zahlungen in Form der von ihm bestimmten „Währungseinheiten” mit schuldbefreiender Wirkung der Steuerverpflichtungen entgegenzunehmen. Dank der staatlichen Anerkennung wird dieses „Geld“ auch unter den Bürgern zum „Zirkulationsmittel“. Im allgemeinen sind es heute die vom Staat eingesetzten oder anerkannten Notenbanken, die entsprechend den Ermächtigungen und unter der Aufsicht des Staates Münzen und Bankennoten ausgeben und so Geld „schöpfen”.

Schöpfung und Wert des Geldes

Alles Geld – sowohl im engeren wie im weiteren Sinne – entsteht, oder wird „geschöpft” durch Kredit. Kredit bedeutet, wie der Name schon sagt, „Vertrauen”. Dank der von ihm geschaffenen und erhaltenen Rechtsordnung „ist der Staat das Geld”. Verfällt die Rechtsordnung und büßt der Staat das Vertrauen in ihren Erhalt ein, verliert Geld seinen Wert. Bricht gar die staatliche Ordnung zusammen, wird Geld als Zahlungsmittel von den Bürgern nicht mehr angenommen. Nach dem Zusammenbruch im Zweiten Weltkrieg galt in Deutschland und Österreich die „Zigarettenwährung”, der Tauschhandel feierte wenig fröhliche `Urständ´.

Es ist wichtig zu begreifen, dass an sich jede Störung der Ordnung und des sozialen Friedens durch Streiks, Ausstände. Aufstände, Aufruhr, Gewaltausbrüche, Straßenterror, Brandschatzungen, Korruption, Bankenskandale, Großbetrügereien usw. das Vertrauen in den Staat und seine Währung schädigen und zur Flucht in Sachwerte oder ausländische Währungen veranlassen, wodurch wiederum die Inflation angeheizt wird, der Außenwert der Währung („Devisenkurs”) fällt und notwendige Importe sich verteuern.

Die Stärke der deutschen Mark, des holländischen Guldens, des Schweizer Frankens oder des Schillings gegenüber den mediterranen Währungen (Italien, Portugal, Spanien, Griechenland) beruhte zu einem erheblichen Teil auf der Durchsetzung einer Ordnung des Friedens, der Politik des sozialen Ausgleichs, der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit und des Vorrangs der Sachautorität vor Parteiengezänk. In einer Währungsunion führen diskrepante Ordnungsauffassungen zu Wohlstandsverlusten und zu Spannungen zwischen den Staaten, die, wenn sie groß genug werden, die Währungsunion sprengen.

In den diskrepanten Ordnungsauffassungen sowie dem Souveränitätsverlust ist wohl auch der Grund zu finden, weshalb Großbritannien, Dänemark und Schweden, obwohl „reife” EU-Länder, von vorneherein der Währungsunion fernblieben und auf die Einführung des EURO trotz der mannigfach angepriesenen „Vorteile” verzichteten. Österreich hat das leider nicht getan, es wurde in die Währungsunion mit leeren Versprechung von Schüssel & Co. hineingetrickst, obwohl vor dem EU-Beitritt von Außenminister Mock die Beibehaltung des Schillings hoch und heilig versprochen wurde.

Geld ist nicht nur Wertaufbewahrungs-, Tausch-, Zahlungs- und Zirkulationsmittel, sondern ganz wesentlich auch „allgemeiner Wertmaßstab”, durch den alle Güter und Dienstleistungen „bepreist” und dadurch miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dieser Geldmaßstab wird selbst auf Personen und Personengruppen angewendet, deren Arbeitsleistungen oder Verrichtungen in Form von Löhnen, Gehältern, Honoraren, Vergütungen oder Prämien bewertet und bezahlt werden.

Der Staat ist für das Geld verantwortlich

Durch diese Einbeziehung von Personen und Personengruppen in die allgemeine monetäre Bewertung bekommt Geld gesellschaftlichen oder „sozialen” Charakter. Es wird zur verbindenden, oder, wie das einst Adam Müller befand, zur „geselligsten Sache”. Es ermöglicht nicht nur den ”Tausch von Ware gegen Geld”, ist also nicht nur „Tauschmittel”, sondern es erleichtert auf vielfältige Weise die  „Kommunikation” (N. Luhmann und J. Habermas) der Mitglieder der Gesellschaft untereinander im „Subsystem” Wirtschaft.

Gerade wegen dieses Beitrags zur Kommunikation ist es Aufgabe und Verantwortung des Staates, für die Stabilität, gleichbleibende Geltung oder „Währung” dieses Wertmaßstabes und damit für die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes zu sorgen. Wird der Staat dieser Verantwortung nicht gerecht oder schiebt er sie auf  nichtstaatliche Einrichtungen ab, eben die EU-Kommission, EZB, IWF, Troikas oder die EUROFIN-Gruppe, so drückt sich darin politisches Versagen aus. Er verliert den Einfluss auf seine Währung und seine Kreditpolitik.

Um den beträchtlichen Umfang dieser Verantwortung für die Erhaltung der Kaufkraft des Geldes zu begreifen, ist es notwendig, sich vor Augen zu halten, dass Geld  heute in Form von Münzen und Noten für den Zahlungsverkehr nur noch eine geringe Bedeutung spielt. In modernen Volkswirtschaften erfolgen 80-95 Prozent der Zahlungen „bargeldlos”, d. h. sie geschehen durch Einbuchung von Überweisungen von Konten zu Konten, von Bank zu Bank.

Das ist ausschlaggebend für die „Kreditschöpfung“. Das Wesen der Kreditschöpfung ist leichter durch die Vorstellung zu verstehen, innerhalb der Volkswirtschaft gäbe es nur eine einzige Bank und alle Zahlungen erfolgten bargeldlos. Alles Geld wäre dann Buch- oder „Giralgeld”. Durch den Zwischenbank- oder „Clearingverkehr” kommt die Praxis dieser Vorstellung sehr nahe.

In einem solchen Wirtschaftssystem ist es ausschließlich das Banken- oder Kreditsystem, welches Kredit „schöpft”, und zwar durch Einräumung von Ziehungsrechten oder Kreditlinien, die von den Schuldnern (d. s. die Banken untereinander, die einzelnen Bürger, Unternehmer, Kommunen, der Staat) für Zahlungen an ihre Arbeitskräfte und Lieferanten in Anspruch genommen werden. Durch jeden in Anspruch genommenen Kredit wird das zirkulierende Geld- oder Kreditvolumen ausgeweitet. Es gilt sich von der naiven Vorstellung zu befreien, die Banken wären bloß  „Vermittler”, die im Umfang der Spareinlagen Kredite zur Verfügung stellen. Die eigentliche Aufgabe der Banken ist die Geld- und Kreditschöpfung, sie sind in wesentlichem Umfange Schöpfer des zu Unrecht denunzierten  „Fiat money”. Spareinlagen sind Folge der Kreditschöpfung, nicht Ursache des Kredits.

Diese Einsicht ist ganz wesentlich für die Bestimmung der Grenzen der Kreditschöpfung. Entspricht die Ausweitung des Kreditvolumens dem nachhaltigen Wachstum der Volkswirtschaft, so ist gegen die Kreditschöpfung durch die Banken nichts einzuwenden, sie ist, ganz im Gegenteil, positiv zu beurteilen. Geschieht die Kreditschöpfung im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum, dann wird der ausgeweitete Kredit durch die Kreditnehmer zwar verzinst oder „bedient”, aber als volkswirtschaftliches Aggregat nie zurückgeführt.

Solange Unternehmungen und auch Staaten gedeihen, werden Kredite nicht zurückgezahlt, sondern ausgeweitet. Das zeigt die Kreditstatistik praktisch aller modernen Staaten. Verminderung des Kreditvolumens ist regelmäßig Folge nachlassender Dynamik und Leistungskraft (Produktivität), von Fehlleitungen des Kreditstroms oder von unverantwortlichen Spekulationen, durch welche die Aktiva der Banken und damit Kreditgeld vernichtet wird. Geschieht die (Kredit-) Geldvernichtung in hohem Ausmaß oder nimmt sie gar die Form eines „Tsunami” an, kommt es zu Krisen und Zerrüttungen des Wirtschaftssystems, wie wir es in den letzten Jahren immer wieder erlebt haben.

Um Krisen und Zerrüttungen zu vermeiden, ist es von höchster Wichtigkeit, dass sich der Staat die Kontrolle über Volumina und Zwecke der Kreditschöpfung vorbehält und diese Kontrolle auch ausübt. Die Kontrolle kann erfolgen durch strikte Regulierung oder Verstaatlichung des Bankwesens, Beteiligung des Staates an Privatbanken oder durch  Einsetzung von Aufsichtsorganen, welche die Krediterteilung überwachen. Das hat mit „Bankenenteignung“ nichts zu tun.

Der derzeitige Zustand, in welchem der Staat die Kreditinstitute nach Willkür schalten und walten lässt und für ihre „faulen” Forderungen („bad debts”) oder fehlgeschlagenen Spekulationen und Derivatgeschäfte eintritt oder haftet, ist gegenüber der Gemeinschaft der Staatsbürger  und Steuerzahler unvertretbar. Der Staat hat vorbeugend und nicht erst nachträglich alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und Regelungen zu erlassen, die Bankpleiten verhindern. Nichts ist fataler für das Gedeihen der Wirtschaft als das Versiegen der Kreditströme wegen des Vertrauensverlustes der Banken ineinander und der Einleger in die Zahlungsfähigkeit der Banken.

Ist das Vertrauen erst einmal erschüttert, kann die Wieder-Ingangsetzung der Kreditströme für den Staat äußerst kostspielig werden. „Konjunkturpakete”, Vorziehen von Infrastrukturinvestitionen u. ä. m. sind mit Sicherheit die falsche Medizin, um systemische Fehler im Kreditwesen zu kurieren. Sie untergraben nur die Stabilität einer Währung und „verbrennen”,  wie der ehemalige deutsche Finanzminister Steinbrück es ausdrückte, die Mittel des staatlichen Haushalts. Noch unverantwortlicher ist es, konsumptive Staatsausgaben durch Kredite zu finanzieren. Es ist der sicherste Weg in die Pleite, wie das Beispiel Griechenland exemplarisch zeigt.

Wir brauchen Kapital-Protektionismus

Im Dienste der Wirtschaft des Landes sind Kredite durch die Banken ausschließlich an inländische Kreditnehmer zu vergeben und nur in Ausnahmefällen an das Ausland. Besondere Ausnahmefälle sind Länder wie die Schweiz oder Luxemburg, die als „Horte des Vertrauens“ den riesigen Devisenzufluss mangels Investitionsgelegenheiten nicht im Inland anlegen können. Für alle anderen Staaten aber gilt: Exportkredite, für die der Staat zuletzt (etwa im Wege der Kontrollbank oder der Notenbank) haftet, sind an Bedingungen und Kriterien zu binden, welche die Tilgung und Verzinsung sicherstellen. Exporte nur um der Beschäftigung willen, sind sinnlos, die Zeiten der „schenkenden Wirtschaft” (Bernhard Laum) sind vorbei. Immer ist zu bedenken: Jede Kreditgewährung an das Ausland bedeutet Absaugung der Leistungskraft der eigenen Volkswirtschaft.

Gemeinwohlschädigend ist ebenso der Verzicht des Staates auf die Kreditschöpfung bei der Finanzierung seines eigenen Haushalts. Wenn der Staat durch diesen Verzicht sich selbst zur Auflegung von  hochverzinslichen Anleihen womöglich noch im Ausland zwingt, die von den  Privatbanken gekauft werden, die sich zu niedrigen Zinsen, den sogenannten „Leitzinsen”, bei der Notenbank (oder der EZB) refinanzieren können, dann verschafft der Staat den Privatbanken einen Profit, der ihnen nicht zukommt, denn die Kreditschöpfung geschieht ja auch in diesem Falle durch den Staat bzw. seine Notenbank.

Der Staat ist „der Herr des Geldes” und des Kredits: „C´est au souverain à donner le crédit, et non à le recevoir!“ Nicht der Staat hat sich von den Finanzmärkten vorführen zu lassen oder sich den Banken zu „unterstellen“, sondern die Banken haben dem Staat zu parieren. Nicht der Staat ist den Banken zinspflichtig, sondern die Banken dem Staat. Als John F. Kennedy  mit diesen Prinzipien, die das FED-System gesprengt hätten, ernst machen wollte, wurde er ermordet. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit der Prinzipien.

Der Staat allein ist verantwortlich für seine Währung. Er muss die Geld- und Kreditpolitik  wieder in die Hand bekommen, denn sie ist das wichtigste Instrument seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik. Auf die eigene Währung und Kreditpolitik zu verzichten, ist ein Politverbrechen der Sonderklasse. In Deutschland ist dieses Verbrechen an Außenminister Genscher und Bundeskanzler Kohl festzumachen, in Österreich an Wolfgang Schüssel, Ferrero-Waldner und den politisch willfährigen, früheren Notenbankpräsidenten Klaus Liebscher.

In Österreich wurde der EURO 1999 eingeführt, obwohl Außenminister Mock und die gesamte Regierung noch wenige Tage vor der im Jahr 1994 erfolgten EU-Beitrittsabstimmung den Wählern versicherten: „Der Schilling bleibt!”. Heute weiß jeder Österreicher, dass er mit hunderten von Täuschungen und gebrochenen Versprechungen von der Regierung und den Massenmedien in die EU und den EURO  „hineingelogen” und hineingelegt wurde. Das hat das Vertrauen in den Staat zutiefst erschüttert und dem politisches System der Parteiendemokratie schwersten Schaden zugefügt. Heute haben laut Standard 82 Prozent kein Vertrauen mehr zu den Politikern. In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts folgte dem politischen Vertrauensverlust und Bankencrash der politische Umsturz.

Der Euro ist zum Scheitern verurteilt

Hinter dem EURO steht kein starker Staat, auch keine politische Union, die es nach Ansicht des früheren Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, schon mit  Rücksicht auf das „Demokratieprinzip”, nie geben wird (FAZ v. 6. Dez. 2008, S. 11.). Eine Währungsunion ohne politische Union aber ist zum Scheitern verurteilt. Das hat der Nobelpreisträger Milton Friedman uns noch kurz vor seinem Tode (2006) eingeschärft. Vor einiger Zeit wurde in der PRESSE (vom 6. Dez. 2008, S. 4) durch den Harvard-Ökonomen Martin Feldstein, er war Wirtschaftsberater von Präsident Reagan und ist heute Präsident des National Bureau of Economic Research, allen Ernstes die  Frage gestellt: „Wird der Euro  die Krise überleben?”

Er führt gute Gründe für das erwartete Scheitern an, Gründe, die der frühere Präsident der Hessischen Landesbank, der Nationalökonom Prof. W. Hankel, in einem Vortrag in Wien (9. Okt.  2008) auf den Punkt gebracht hat: „Staat und Währung gehören zusammen und dürfen nicht getrennt werden”. Die Währungsunion, so Hankel („Die EURO-Lüge“, 2008), hat dazu geführt, dass der frühere Hartwährungsblock (Deutschland, Österreich, Benelux) heute die übrigen EU-Staaten mit Leistungsbilanzüberschüssen von 250 Mrd. EURO jährlich „subventioniert”, indem er ihnen die sonst notwendigen Abwertungen ihrer eigenen Währung erspart.

Diese horrende „Stütze“ scheint in keinem EU-Haushalt auf. „Versailles, ohne Krieg”, nannte  „Le Figaro“ diese Tribute. Stagnation in Wachstum und Reallohnentwicklung in Deutschland (und Österreich) sind auf diese Tribute zurückzuführen. Sie schwächen nicht nur den ehemaligen Hartwährungsblock, die „Lokomotiven”, sondern ganz Europa. Wenn die Lokomotiven nicht mehr ziehen, bleibt der Zug stehen.

Die Schwächung hat mit der Währungsunion begonnen, jetzt greift sie auf den EURO über. Sein Wert schmilzt wie Butter in der Sonne. Seit Einführung des EURO im Jahr 1999  hat sich der Goldpreis – der einzig verlässliche Maßstab bei Schwachwährungen –verdreieinhalbfacht. Das entspricht einer Inflationsrate von rund 10 Prozent p. a. Das wiederum stimmt mit den  Erfahrungen einer täglich einkaufenden Hausfrau, für welche die manipulierten Indizes ja keine Bedeutung haben, gut überein. Sie muss, wie jeder vernünftige Mensch, zu dem Schluss kommen: „Die EZB ist unfähig, die Inflation wirksam zu bekämpfen”.

Tatsache ist, dass die EZB das Kreditvolumen fünfmal schneller wachsen lässt als das Bruttosozialprodukt zunimmt. Der „Stabilitäts- und Wachstumspakt” war, wie von hunderten Nationalökonomen vorausgesagt, das Papier nicht wert, auf das er geschrieben wurde. Schon bei der Gründung der Währungsunion wurden die Stabilitätskriterien nicht eingehalten und auch später immer wieder gebrochen. Als dann auch noch Schwachwährungsländer wie Griechenland der Währungsunion beitraten, war ihr Zusammenbruch nicht mehr aufzuhalten. Heute sind wir mit ihm konfrontiert und werden das Bleigewicht nicht los, das uns umgehängt wurde.

Gerade deshalb ist es höchste Zeit, sich wieder auf die aus der Natur des Geldes und des Kredits abgeleiteten Grundsätze zu besinnen. Sie erfordern eine Reformierung der gegenwärtigen Geld- und Kreditverfassung. und damit die Wiedereinführung der eigenen Währung.. Wir sollten aus der Erfahrung des Finanzdesasters, in das wir durch die Europäische Währungsunion und Globalisierung des Finanzmarkts hineingezogen wurden, gelernt haben und schleunigst die Wiedereinführung der eigenen Währung zusammen mit der Stärkung der Banken- und Finanzmarktaufsicht vorantreiben.

Fehlende oder ungenügende Bankenaufsicht kann – und auch das wissen wir aus schmerzlicher Erfahrung – leicht die ganze Wirtschaft schwer beeinträchtigen, ja zum Ruin einzelner Staaten führen (Beispiel Island). Zur Banken- und Finanzaufsicht ist der Staat allein schon durch die notwendige Kontrolle der Kreditschöpfung gezwungen. Die Währungsumstellung wird nicht mehr Probleme verursachen, als sie bei Einführung des EURO auftraten und gelöst wurden.

Auch die Stärkung der heute schon vorhandenen Kontrolle des Kapital- und Zahlungsverkehrs mit dem Auslande dürfte kaum auf Schwierigkeiten stoßen. Sie jedenfalls ist wichtig, um den Ausverkauf Österreichs durch „Heuschrecken”  aufzuhalten und Veranlagungen im Ausland zu verhindern, die nicht dem Gemeinwohl  Österreichs dienen und womöglich noch dazu beitragen, dass Arbeitsplätze „verlagert” werden oder immense Haftungen durch den Staat für die Banken übernommen werden müssen, die, wenn sie schlagend werden, zum Bankrott führen. Großbanken jedenfalls sind zu wichtig für die Gesellschaft und den Staat als dass sie sich selbst überlassen bleiben könnten.

Zusammenfassung

Hier  eine Zusammenfassung der Thesen für eilige oder auch geduldige Leser:

Der Autor kann nur hoffen, dass unsere Politiker, Bankiers und Notenbankchefs nicht erst durch OWS (Occupy Wall Street), Attac oder gar durch die „Linken“ des Herrn Gysi auf die Sprünge geholfen wird. Rechte Finanz- und Währungs- und Kredittheorie hat schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Ergebnissen geführt, die einfach unwiderlegbar sind und  von der Politik nicht ungestraft ignoriert werden dürfen.

Vor dem Maastricht-EURO haben rund 700 Nationalökonomen gewarnt. Für sie ist die jetzige Misere keine Überraschung. Den Scherbenhaufen aber haben die Politiker zu verantworten, die den EURO aus der Taufe gehoben haben oder jetzt sein Scheitern nicht zur Kenntnis nehmen wollen, und dabei immer größere Teile des Volksvermögens versenken.

Der Autor  ist Dozent für Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik.

Drucken

Ach, wie sind wir reich

10. Mai 2012 00:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich ist ein reiches Land; auf dieser Grundlage müsse nun eine Verteilungsdiskussion geführt werden. So dröhnte am 1. Mai der Wiener Bürgermeister. Und er forderte mehr Geld für Gesundheit und Bildung, für Forschung und Beschäftigungspolitik. Solche Töne werden nicht nur von Häupl, sondern auch von vielen anderen Politikern schon wieder gerne verbreitet.

Aber wie verhält sich dieser selbsterklärte Reichtum dazu, dass die Regierung gerade das größte Sparpaket aller Zeiten verkünden musste? Wird Österreich nicht selbst nach diesem Sparplan erst 2016 keine neuen Schulden machen (und das nur unter der optimistischen Annahme, dass es keine neue Rezession gibt)? Haben nicht fast alle Experten gesagt, dass das Sparpaket eher noch zu gering dimensioniert ist? Mussten nicht die Bundesländer gerade mit der Regierung einen weiteren Stabilitätspakt abschließen? Stößt nicht sogar Deutschland immer öfter bei der Refinanzierung an Grenzen, obwohl die EZB eine Billion Euro neu gedruckt hat?

Wie müssen sich die Bürger da eigentlich fühlen, wenn sie solche Politikersprüche hören? Verwirrung ist noch die harmloseste Reaktion. Viel dramatischer ist ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust der gesamten politischen Klasse. Man schaue sich nur die dramatischen Zugewinne der radikalen Parteien des totalen Neinsagens in Europa an (wobei es fast egal ist, ob sie als links- oder rechtsradikal eingestuft werden).

Jeder Werbestratege, jeder PR-Experte weiß: Sämtliche Botschaften eines Unternehmens sollten klar wie konsistent sein – und mit den Fakten harmonieren. Verwaschene Widersprüchlichkeit ist die schlechteste Kommunikationsstrategie.

Wenn die Politik aber ständig die Fakten wegignoriert, dann ist es logisch, dass ihr die Bürger nicht mehr glauben. Wie kann man Österreich als reiches Land bezeichnen, wenn seine wahre Staatsverschuldung nach Berechnungen von IHS wie EU in Wahrheit schon bei 300 Prozent des BIP liegt? Die wahre Staatsverschuldung umfasst ja nicht nur die direkten Kredite eines Staates (mit denen die offiziellen Staatsverschuldung  von 73 Prozent berechnet wird). Sie berechnet zu Recht auch all die Schulden mit ein, die in ausgegliederten Gesellschaften versteckt sind; ebenso die Haftungen des Staates (Allein das Land Kärnten war für die Hypo Alpen Adria Haftungen in der zehnfachen Höhe seines Jahresbudgets eingegangen!); und sie bezieht vor allem auch die Rechtsansprüche auf künftige Pensions- und Gesundheitsleistungen ein, für die der Staat längst Beiträge kassiert und verbucht hat – jedoch ohne dafür wie ein ordentlicher Kaufmann Rückstellungen zu bilden.

Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von scheinbar reichen Männern in Luxusvillen und tollen Autos, die am nächsten Tag Konkurs anmelden mussten. Ob sich die am Tag davor wirklich noch guten Gewissens als „reich“ bezeichnen konnten? Unsere Politik hofft offenbar, dass der Weg zum Konkursrichter ohnedies erst übermorgen stattfindet.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Fußnote 294: Frankreich, die Schweiz und ein Exodus

09. Mai 2012 01:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die einen feiern noch, die anderen gehen schon.

Wenn es auch schon der linke Schweizer „Tagesanzeiger“ meldet, dann wird es wohl keine Erfindung böser Neoliberaler sein. Er schreibt nämlich: Der Exodus aus Frankreich hat begonnen. Auffallend viele Franzosen ziehen bereits Richtung Schweiz, seit sich der von einem Teil der Franzosen begeistert gefeierte Erfolg der Sozialisten abgezeichnet hat. Genau jene ziehen weg, die Frankreich am dringendsten bräuchte. Es sind die Jungen, Dynamischen, die sich nun im Ausland mit Leistung eine Zukunft aufbauen wollen. Und es sind die Reichen, die nicht von den sozialistischen Steuern aufgefressen werden wollen. Sie warten gar nicht mehr, bis die Pläne von Monsieur Hollande auch im Gesetzbuch stehen. Sie übersiedeln jetzt schon in die Schweiz oder nach Deutschland, Schweden, Australien oder in die USA. Besonders erfolgreich ist die Schweiz mit der Pauschalbesteuerung. Sie füllt damit ihre Kassen, während die wohlhabenden Neoschweizer nur einen – ausverhandelten – Fixbetrag zahlen, der weit unter dem liegt, was sie bisher zahlen mussten. Und noch viel weiter unter dem, was nun in Frankreich droht. Genauso hat übrigens Österreich einst mit dem Stiftungsrecht viel Geld ins Land geholt. Worüber sich dann genauso wie jetzt in der Schweiz jene Dummköpfe aufgeregt haben, die lieber kein Geld haben, als mit einem Reichen einen Deal einzugehen.

 

Drucken

Die Milchmädchenökonomen und das Wachstum

09. Mai 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Wir wollen Wachstum, statt uns zu Tode sparen.“ Dieser Slogan hallt quer durch Europa, er bestimmt zunehmend die Politik und noch mehr die Wahlergebnisse. Der Satz klingt sympathisch, angenehm und richtig. Wer will schon sterben? Und wer sollte etwas gegen Wachstum haben, mit dessen Erträgnissen man die Schulden zurückzahlen kann? Nur die Grünen und Gruppen wie Attac habe lange gegen einen „Wachstumsfetischismus“ polemisiert – aber auch sie sind heute bis auf ein paar Veteranen des Clubs of Rome voll fürs Wachstum (schon deshalb, weil die Grünen ja nur noch eine Vorfeldorganisation der Sozialisten sind). Wachstum ist in der Tat dringend notwendig und richtig. Aber dennoch beinhaltet dieser Slogan einen fundamentalen Denkfehler – wenn nicht gleich mehrere.

Der entscheidende Unterschied zwischen der ökonomischen Rationalität und dem sich hinter der Fahne „Wachstum!“ sammelnden Milchmädchen-Populismus lautet ganz anders als der eingangs erwähnte Slogan. Rund ums Wachstum geht es in Wahrheit einzig um die Frage: Wachstum durch neue Schulden oder Wachstum durch größere Wettbewerbsfähigkeit?

Wenn man es noch brutaler auf den Punkt bringen will: Wachstum wie die letzten eineinhalb Jahrzehnte in Griechenland und Spanien oder Wachstum wie schon zweieinhalb Jahrzehnte lang in China und etlichen anderen asiatischen Ländern? Überall wurde gewachsen. Aber die Griechen und Spanier sind auf Schulden gewachsen (staatliche oder private), während die Asiaten gleichzeitig mit dem Wachstum den größten Devisen-Schatz der Menschheitsgeschichte angesammelt haben.

Wachstum nach griechischer Art

Der quer durch Europa klingende Ruf „Wieder Wachstum!“ meint aber leider eindeutig eine Prolongation des griechisch-spanischen Modells und seine Ausdehnung auf andere Länder. Was war das griechische Modell? Man hat die Löhne steil erhöht – seit Euro-Einführung um 30 Prozent mehr als in Deutschland; man hat das über rasch steigende Schulden finanziert (die man zum Teil verheimlicht hat); die Bürger haben im nationalen Konsens den Staat ausgeplündert; und Beamte wie Politiker haben im jeweiligen Eigeninteresse letztlich begeistert mitgemacht. Diese Politik des Konsum-Wachstums über Verschuldung war dank des Euro sehr lange auf billigem Wege möglich. Genau diese Niedrigzinsen haben ja auch die Spanier verführt. Sie haben quer durchs Land mit Hilfe günstiger Hypotheken in Immobilien investiert. Sie haben alle schönen Plätze ihre Landes zubetoniert, bis diese nicht mehr schön und nichts mehr wert waren.

Politiker haben die Entwicklung in diesen Ländern als Triumph des neokeynesianischen Deficit spending gelobt und vielerorts nachgemacht. Das ging so lange, bis die Geldgeber schockartig und zu spät draufgekommen sind, dass sie nur noch rasch schwindende Chancen haben, ihr Geld auch zurückzubekommen.

Jetzt stehen diese Länder vor dem doppelten Problem: Sie müssen eine gewaltige Schuldenlast zurückzahlen und zugleich die verlorene Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen. Denn parallel zum Wachstum des auf Schulden erkauften Wohlstands ist die Wettbewerbsfähigkeit jener Länder versulzt. Die Löhne waren zu hoch. Deshalb investierte niemand mehr in neue Arbeitsplätze. Und selbst der Tourismus litt in beiden einst sehr attraktiven Ländern, weil andere Mittelmeer-Destinationen billig blieben.

Die Hilfs-Billionen gingen in den Konsum

Es ist nun alles andere als eine triviale Aufgabe, in dieser Situation wieder für Wachstum zu sorgen. Die Milliarden, nein Billionen, mit denen die Hauptkrisenländer Europas von den – sich vergewaltigt fühlenden – Miteuropäern in den letzten zwei Jahren unterstützt worden sind, haben nur gereicht, um den unmittelbaren Kollaps zu verhindern. Sie haben aber zu keinen Investitionen geführt. Das Geld hat nur den Konsum halbwegs in Gang gehalten.

Und nichts anderes als auf Schulden finanzierte weitere Konsumausgaben bedeuten auch die ersten Maßnahmen, welche die neuen französischen Machthaber angekündigt haben. Die Schulstarthilfe wird um 25 Prozent erhöht. Die Franzosen werden wieder mit 60 Jahren in die Regelpension gehen können. Bestimmte Sparmodelle werden besser gefördert. Die von Sarkozy angekündigte Mehrwertsteuererhöhung wird rückgängig gemacht. Der Benzinpreis wird auf drei Monate eingefroren. Und so weiter.

Genau für solche populistische Verteilungsaktionen braucht die neue Hollande-Mannschaft angesichts der ohnedies total leeren Kassen viel Geld. Da Frankreich selber kaum mehr kreditfähig ist, will man sich dieses Geld mit Hilfe der Deutschen holen, indem man vorgibt, das Wachstum ankurbeln zu wollen. Und sollten sich die Deutschen wehren, hat man schon zwei Killer-Argumente bereit: Zum ersten muss sich Angela Merkel – zu Recht – vorhalten lassen, dass sie ja auch gegenüber Nicolas Sarkozy viel zu oft nachgegeben hat. Und zum zweiten glaubt man ringsum in Europa, dass man am Ende nur die Nazikeule herausholen muss, um die Deutschen wieder in die Knie zu zwingen. Denn die hat ja auch in den letzten 67 Jahren immer geholfen.

An dieser simplen Strategie ändert es auch nichts, dass diese Keule inhaltlich lächerlich ist, sind doch die letzten Nazis bestenfalls noch in Altersheimen anzutreffen oder halbdebile Fussballrowdies. Daran ändert es auch nichts, dass mit den Deutschen auch Niederländer, Finnen, Luxemburger oder Österreicher mithaften. Und daran ändert ebenso die Tatsache nichts mehr, dass mittlerweile auch die Kreditwürdigkeit von Deutschland & Co limitiert ist. Die großen chinesischen und arabischen Staatsfonds, die amerikanischen Pensionsfonds und zum Teil auch die russischen Mafia-Oligarchen ziehen ihr Geld immer stärker aus ganz Europa ab. Sie wollen es ja nicht verlieren, was in Europa zunehmend wahrscheinlich wird: sei es durch einen Staatsbankrott, sei es durch eine Euro-Inflation.

Wie aber kann dieser Kontinent doch wieder ins Wachsen kommen? Ist Europa unwiederbringlich zum Abstieg verurteilt, weil seine Politiker – siehe Hollande – Geld immer lieber zur Wählerbestechung verwenden statt zur Erhöhung der Kreditwürdigkeit des Landes?

Die Liste der wirklichen Notwendigkeiten

Nun gibt es durchaus Strategien, auch ohne neue Schulden wieder wettbewerbsfähig zu werden und zu wachsen. Das sind im Grund die asiatischen Erfolgsstrategien. Aber diese Strategien sind noch unpopulärer als der Sparkurs. Denn sie gelten als Bedrohung für viele der sozialen, ökologischen und kulturellen Errungenschaften, an die sich die Europäer so gewöhnt haben und die ihnen von den Politikern als dauerhaft verkauft worden sind. Die Strategien heißen:

Jeder Kenner der europäischen Mentalität wird zweifeln, dass eine solche Wachstumspolitik in Europa jemals mehrheitsfähig werden kann. Sie bekommt daher wohl dann erst dann eine Chance, wenn es Europa einschließlich der Deutschen (und Österreicher) noch viel schlechter geht als heute.

Viel wahrscheinlicher ist daher ein anderes Szenario: Europa wird in nächster Zeit noch viel intensiver Geld drucken als zuletzt. Was zwangsläufig eine heftige Inflation auslösen wird. Und dann kann man wohl nur noch beten, dass diese Megainflation nicht dieselben katastrophalen Folgen haben wird wie die letzte in der Zwischenkriegszeit. Denn dann heißt die Konsequenz: „Statt auf dem mühsamen Weg zu wachsen, haben wir uns zu Tode verschuldet.“ 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

Drucken

Die Würfel sind gefallen

08. Mai 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die beiden allseits erwarteten Ereignisse sind eingetreten: Francois Hollande, der sozialistische Herausforderer von Nicolas Sarkozy, wird in den Élysée-Palast einziehen. In Griechenland haben jene Kräfte Auftrieb erhalten, die von dem durch die EU diktierten „Sparkurs“ nichts wissen wollen. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass dies nicht ohne Konsequenzen für die europäische Geld- und Fiskalpolitik bleiben kann.

Die zurückliegenden Maifeiern lieferten einen ersten Eindruck davon, in welche Richtung die Reise der EU ab jetzt gehen wird: In ganz Europa wurde bei den traditionellen Mairitualen der proletarischen Massen dieselbe Parole getrommelt: „Schluss mit der Sparpolitik.“ „Kaputtsparen“ hat die allerbesten Aussichten, zum Wort des Jahres zu avancieren.

Dazu muss man wissen, dass Rote, wenn sie vom „Kaputtsparen“ reden, damit in Wahrheit meinen, wie schädlich es sei, die Zunahme der Staatsverschuldung zu bremsen. Denn kaum ein Staat der Eurozone konnte in den zurückliegenden Jahren auch nur annähernd ausgeglichen bilanzieren. In Wahrheit kann daher keine Rede davon sein, dass tatsächlich gespart würde. Sparen bedeutet nämlich, dass die getätigten Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Das aber war und ist weit und breit nirgendwo der Fall!

Dass die Staaten sich vor dem nun notwendig gewordenen Sanierungskurs – oft genug unter sozialistischer Führung – „kaputtverschuldet“ haben, kommt den Damen und Herren Umverteilern gar nicht erst in den Sinn. Denn sparen ist böse. Kreditfinanzierter Konsum dagegen schafft den Himmel auf Erden. Die politischen Eliten (genauer: die Sozialisten in allen Parteien) haben die Keynes´sche Bibel tief verinnerlicht: Wer spart, ist ein (Volks-) Schädling. Wer (fremder Leute) Geld zum Fenster hinauswirft und konsumiert als gäbe es kein morgen, ist ein Held. Kapital wird nicht als Folge des Konsumverzichts akkumuliert, sondern durch die Notenpresse erzeugt. Durch simples Bedrucken von Papier löst man jedes Problem – am Ende werden dadurch alle reich. Was für eine wunderbare Welt!

Selbst den Genossen sollte allerdings langsam dämmern, dass Schulden nicht ungestraft in unbegrenzter Höhe aufgetürmt werden können. Griechenland ist ein wunderbares Beispiel dafür: Dort hat man zuletzt den Weg gewählt, die Gläubiger bezahlen zu lassen und diese kurzerhand enteignet. Trotzdem steht das Land noch immer mit 160 Prozent des BIP in der Kreide. Weitere Schuldenschnitte (=Gläubigerenteignungen) sind unvermeidbar. Scheint zunächst, aus der Sicht des räuberischen Fiskus betrachtet, als geniale Politik. Allerdings liegen die Aussichten darauf, dass internationale Geldgeber diesem Staat je wieder Mittel zu tragbaren Zinsen zur Verfügung stellen werden, bei Null. Investitionen, die notwendig wären, um dem abgewirtschafteten Land nachhaltig aus der Misere zu helfen, werden ausbleiben.

Die sich als Folge des Wahlergebnisses abzeichnende Unregierbarkeit der Balkanrepublik dürfte ihr somit kaum zum Vorteil gereichen. Griechenland ist für lange Zeit erledigt. Wer kann, der wird gehen – insbesondere mehrsprachige, gut ausgebildete junge Leute. Der letzte zurückbleibende Rentner darf am Ende das Licht abdrehen…

Ein ähnliches Szenario droht durchaus auch anderen Staaten des europäischen „Club Med“. Selbst in Österreich besteht keinerlei Grund, sich in Sicherheit zu wiegen, wenn die strukturellen Probleme (wie z. B. das viel zu niedrige Pensionsantrittsalter) nicht entschlossen angegangen werden – was indes keine der im Parlament vertretenen Parteien ernsthaft vorhat. Inklusive der nicht ausgewiesenen impliziten Staatsschulden steht Österreich kaum besser da als die PIIGS.

Was nun europaweit passieren wird, lässt sich ausmalen: Die Deutsche Regierung, das im Moment stärkste und letzte Bollwerk gegen eine völlig ungebremste Ausweitung der Geldmenge, wird dem wachsenden Druck von innen und außen nicht standhalten. Die europäische Geldpolitik wird in der Folge auf den Kurs der US-Notenbank FED einschwenken. Die EZB wird schon bald in die unmittelbare Staatsfinanzierung einsteigen.

Damit stehen die Zeichen auf Inflation. Denn die im Aufwind befindlichen Genossen in Deutschland, Österreich und anderswo, wollen, wie sie sagen, sowohl sparen als auch investieren – also gleichzeitig bremsen und Gas geben. „Sparen“, das gilt es zu wissen, heißt nach österreichischer Lesart nicht etwa Staatsausgaben kürzen, sondern Einnahmen erhöhen (d. h. die Staatsquote weiter steigern). „Investieren“ dagegen bedeutet, in maximal unproduktiven Sektoren Geld zu versenken – allenfalls kurzfristig wärmende Strohfeuer abzubrennen.

So bedeutet die populäre Parole „Mehr in die Bildung“ zu investieren, letztlich nichts anderes, als noch mehr Soziologen, Politologen, Publizisten, etc. auszubilden, die für den produktiven Bereich (die Privatwirtschaft) unbrauchbar sind, und die daher am Ende eine gutdotierte Anstellung in der Staatsbürokratie einfordern werden. „In die Infrastruktur zu investieren“ bedeutet, noch mehr Geld in unnötige Bahnprojekte oder in die Landschaftsverschandelung mittels Windrädern zu stecken. Wie man es auch dreht und wendet – staatliche „Investitionen“ laufen in der Mehrzahl aller Fälle auf eine lupenreine Ressourcenvergeudung hinaus.

Mittels derart dubioser Therapien sollen kränkelnde Volkswirtschaften nachhaltig kuriert werden?!

Der frisch gekürte Franzosenhäuptling Hollande hat im Wahlkampf aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. „Höhere Steuern!“ – nämlich 75 Prozent auf die Einkommen „besserverdienender“ Klassenfeinde sollen es sein. Die neue Regierung Griechenlands wiederum wird, unter dem wachsenden Druck des Staßenpöbels, die EU-Bürokratie mit noch frecheren Geldforderungen konfrontieren, die nicht ungehört verhallen werden. Und Europas Linke geben sich kollektiv der fatalen Illusion hin, ernten zu können, wo niemals zuvor gesät wurde.

Kein bekömmlicher Cocktail. Europa wird sein schrumpfendes Finanz- und Humankapital ab sofort noch rascher nach Übersee exportieren, als das jetzt schon der Fall ist. Der Alten Welt stehen also höchst „interessante Zeiten“ bevor. Wohl dem, der rechtzeitig materielle Reserven ins sichere, überseeische Ausland verbracht und einen Notfallkoffer gepackt hat…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Europa, wohin gehst Du?

07. Mai 2012 23:42 | Autor: Manfred Drennig
Rubrik: Gastkommentar

Dass politische Entscheidungen in eine Sackgasse führen, ist nichts unbedingt Neues und schon deshalb wenig Grund zur Aufregung. Diesmal muss man aber den Eindruck gewinnen, dass es sich nicht bloß um eine Sackgasse handelt, sondern, dass mit Vollgas gegen die selbst gebaute, turmhoch aus Haftungen bestehende Wand gefahren wird. George Soros hat gerade von einer kommenden „Tragödie historischen Ausmaßes“ gesprochen.

Mildere Beschreibungen sind dem Drama namens Europäischer Finanzkrise wirklich nicht mehr angemessen. Eigentlich ist alles da, was sich ein geschickter Regisseur nur wünschen könnte: Gute und Böse, Gute Vorsätze und heimliche Ängste, wenig Wahrheit und viel Schönfärberei, viel Anstrengung für falsche Ziele, ungeheure Gefahren bei gleichzeitigen heroischen Durchhalteparolen, und vor allem jede Menge Widersprüche.

Dabei ist die Handlung des Dramas eher simpel: Etliche Europäische Staaten haben so viel Schulden gemacht, dass Ihnen keiner mehr Geld borgen will. Wie so üblich, wird bei derartigen Problemen statt nach einer Lösung zunächst einmal nach Schuldigen gesucht: Favoriten dafür sind einerseits die böse Finanzindustrie (was im Falle Irlands sogar stimmt), oder andererseits der massive Ausbau des Sozialstaates (ist auch etwas zu einfach).

Die Reaktion der EU ist bekannt: Mit enormen Mitteleinsatz wurde eine vorläufige Weiterfinanzierung besonders gefährdeter Staaten erreicht. Diese mussten sich dafür verpflichten, durch konsequente Sparprogramme ihre Budgetdefizite abzubauen. Zeit hat man auf diese Weise gewonnen. Aber ist das auch eine Lösung?

Die offizielle Meinung ist, dass die betroffenen Staaten auf diese Wiese stabilisiert werden und es ihnen möglich gemacht werden sollte, irgendwann ihren Schuldenberg abzutragen. Inoffiziell hoffen so manche, dass ihnen das harte Brot der Schuldenrückzahlung durch eine kräftige Inflation erleichtert würde.

Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen. Die EU hat verkündet, der jüngste Schuldenschnitt solle es Griechenland möglich machen, seine Schulden bis 2020 auf 120 Prozent des BIP zu reduzieren. Das ist schon rein rechnerisch absurd. Denn dazu müsste es den Griechen gelingen, ihr jährliches Defizit auf 5 Prozent zu reduzieren und zugleich ein Wirtschaftswachstum von zumindest 4 Prozent jährlich zu erzielen. Tatsächlich läuft die Entwicklung genau in die Gegenrichtung. Griechenland steckt in einer tiefen Rezession mit kräftigem Schrumpfen des BIP. Das Defizit steigt absolut und im Verhältnis zum BIP relativ umso stärker. Glaubt irgendwer, in Portugal und Spanien werde alles besser laufen?

Inflation ist keine Lösung

Und die Weginflationierung des Problems ist so harmlos wie das Austreiben des Teufels durch Beelzebub. Deutschland und Österreich haben dieses Rezept kurz nach dem ersten Weltkrieg versucht. Das Ergebnis war nicht nur eine Vernichtung der Schulden (übrigens nur der inländischen, die in fremder Währung stiegen ins Astronomische), sondern auch eine Vernichtung aller Ersparnisse – und aller alten Pensionsansprüche – und ebenso die ziemlich komplette Vernichtung des Mittelstandes.

Außerdem hat eine Inflation ganz bestimmte Voraussetzungen: Eine wäre, dass sich die Konsumenten nicht wehren können – wie derzeit beim Benzinpreis, oder bei staatlichen oder kommunalen Tarifen. Wie kräftig solche ausfallen können, hat ja kürzlich die Stadt Wien recht eindrucksvoll demonstriert. Aber das reicht trotzdem nicht.

Sehen wir einmal vom technisch eher komplexen Phänomen einer asset-price inflation ab, dann ist eine weitere Voraussetzung für Inflation nicht bloß eine im Übermaß vorhandene Geldmenge. Dafür hat die EZB ja gesorgt. Aber die müsste erstens an Konsumenten oder Unternehmen transferiert werden – als Kredit oder Einkommen – und zweitens von diesen wieder in großen Mengen ausgegeben werden, als Konsum oder als Investitionen. Ohne solche Transfers kann es gar nicht zu einer nachfragebedingten Inflation kommen.

Solche Transfers finden aber gerade in den besonders betroffenen Südstaaten der EU nicht statt, Sie können es auch nicht, weil dort die erzwungene restriktive Budgetpolitik sie gar nicht möglich macht. Genau genommen fährt die Kolonne der EU-Staaten derzeit gleichzeitig mit Vollgas und mit Vollbremsung. In der Währungspolitik wird mit Vollgas die Geldmenge ausgeweitet wie nie zuvor, in der Budgetpolitik wird in den betroffenen Staaten gebremst wie nie zuvor.

Die Arbeitslosigkeit in der EU hat derzeit mit 17 Millionen einen neuen absoluten Höchst-stand erreicht. Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen: In Spanien ist derzeit bereits jeder zweite Jugendliche ohne Job. Auch für die Folgen einer strammen Sparpolitik gibt es ein eindrückliches historisches Beispiele aus dem Deutschland der Zwischenkriegszeit, mit Massenelend und anschließender politischer Radikalisierung.

Die EU hat mit ungeheurem, so nicht wiederholbarem Geldaufwand Zeit gewonnen und sich zugleich eine Reihe weiterer Probleme eingehandelt. Selbst mit der Zeit ist es so eine Sache. Kein Monat nach der Einigung auf achthundert Milliarden gutes Geld, um es dem schlechten nachzuwerfen, sind die Märkte schon wieder nervös.  Kann, darf man eine solche Politik als alternativlos bezeichnen oder ist sie nicht vielmehr phantasielos?

Was ist wichtiger: Der Euro oder die spanische Jugend?

Was soll das Beharren auf einem einheitlichen Euro, wenn immerhin zehn Mitgliedsstaaten der EU auch ohne die Gemeinschaftswährung ganz gut zurecht kommen und mit diesem Beharren nur auf das so wichtige – und bei leider offenkundig fehlender Konkurrenzfähigkeit unerlässliche – Instrument der Abwertung einzelner Währungen verzichtet wird?

Und warum bricht man unter Berufung auf über-gesetzlichen Notstand bedenkenlos gut erwogene vertraglich fixierte Grundsätze wie den des No Bail Out, statt diese Vertragsbestimmung als Containment, als wohl durchdachte Riskenbegrenzung zu verstehen und zu versuchen, ähnliche Lösungen wie seinerzeit für Argentinien zu finden? In diesem Fall haben die USA bei der Bewältigung der Finanzierungskrise geholfen, ohne sich selber bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu verpflichten, wie es Deutschland derzeit macht.

So kann man nicht bewahren, was mühselig genug als EU geschaffen wurde, und so wird der heutigen komplexen Wirklichkeit einfach nicht genügend Rechnung getragen. Und weil so gerne von Solidarität die Rede ist: Welche ist dringender – die gegenüber den immer ärmer werdenden Menschen in den Südstaaten, oder die gegenüber dem abstrakten Konzept einer einheitlichen Währung? Die EU sollte sich dazu durchringen, die eigene Linie auf den Prüfstand zu stellen. Nur wenn sie lernt, wird sie überleben.

Vielleicht ist es aber zu lästig, aus der Geschichte lernen zu sollen – vor allem, wenn sich historische Vergleiche geradezu aufdrängen. Die chinesische Bürokratie hat vor gut einem halben Jahrtausend die eigene Seefahrt so gründlich sabotiert, dass Europäer auch dort Fuß fassten, wo die Chinesen längst hätten sein können. Das alte römische Reich ging (auch) deshalb zugrunde, weil dort so erbarmungslos besteuert wurde, dass die Bevölkerung die Herrschaft der barbarischen Germanen bald der der eigenen Leute vorzog.

Gründlichkeit kann man den Staaten der EU nicht absprechen. Derzeit marschieren sie mit Überbürokratisierung und weiteren Steuererhöhungen entschlossen gleich auf beiden Wegen. Irgendwann sollten die Bürger beginnen, sich aufzuregen. 

Dr. Manfred Drennig ist Bankvorstand i.R., aktuell Geschäftsführer einer Wertpapierfirma und Verfasser gesellschaftskritischer Bücher ( „Die Krise sind wir selbst", „Tauschen und Täuschen").

Drucken

Explosion über Europa

06. Mai 2012 19:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt fliegt uns Europa wie ein explodierender Druckkochtopf um die Ohren. Die Franzosen wählten einen Präsidenten, der statt zu sparen neue Schulden machen will; die Griechen marschierten im Eilschritt zu Parteien, die mit noch viel radikaleren Tönen dasselbe wollen; und ähnliches ist vor ein paar Tagen in Rumänien passiert: Dort hat auch ohne Neuwahlen ein Regierungswechsel stattgefunden, nach dem nun rundum Gehaltserhöhungen und Steuersenkungen versprochen werden.

Für Sozialisten und ähnlich Denkende ist jetzt wohl das Schlaraffenland ausgebrochen. Alle anderen tun gut daran, ihre Ersparnisse in Sicherheit zu bringen, noch mehr als bisher ins Gold zu flüchten oder in brasilianische Anleihen. Aber auch wer keine Ersparnisse hat und nur die Grundrechnungsarten beherrscht, sollte sich vor dem Triumph des Verkauft-mein-letztes-Hemd-Sozialismus fürchten.

Theoretisch könnten sich die Bürger Deutschlands, der Niederlande, Finnlands, Luxemburgs oder Österreichs die kommenden Dinge gelassen und erste Reihe fußfrei anschauen. Denn unter normalen und logischen Umständen könnte man  jetzt geruhsam abwarten, wo denn die Franzosen, Griechen oder Rumänen noch Blöde finden wollen, die ihnen Geld borgen. Da das wenig wahrscheinlich ist, werden ihnen die sozialistischen Tagträume bald vergehen.

Jedoch leben wir in einem Europa, in dem nicht mehr die Grundrechnungsarten gelten. Deren Geltung ist – skurrilerweise vor allem auf Verlangen des nun geschlagenen Franzosen Nicolas Sarkozy – im Jahr 2010 aufgehoben worden. Damals ist Griechenland als erstes Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Und damals hat Europa grundfalsch reagiert, hat Griechen, Spaniern, Franzosen und vielen anderen eine völlig falsche Botschaft übermittelt.

Die Kausalitätskette der falschen Reaktion: Durch einen Bankrott Griechenlands hatte vielen Gläubigern – nicht zuletzt in Frankreich – ein gewaltiger Zahlungsausfall und damit die eigene Insolvenz gedroht. Was Sarkozy unbedingt verhindern wollte. Er setzt darauf die deutsche Bundeskanzlerin so lange unter Druck, bis diese nachgab und die deutschen Steuerzahler zwang, die griechischen Schulden zu übernehmen.

Dieses Modell hat sich inzwischen immer häufiger wiederholt. Immer mehr Länder sind an den Rand der Insolvenz gerutscht. Immer neue bilaterale und multilaterale Modelle wurden entwickelt und umgesetzt, die alle dasselbe bedeuteten: Die gerade noch kreditwürdigen Staaten Europas zahlten für die überschuldeten und übernahmen Haftungen für diese. Längst finden sich auch für die Anleihen der Bundesrepublik nur noch Käufer, weil die Europäischen Zentralbank wie verrückt neues Geld druckt, das dann zum Kauf der Anleihen benutzt wird.

Aber alles nutzte nichts: Merkels Parteifreund Sarkozy wurde abgewählt, die Griechen wählten in erschreckendem Ausmaß Links- und Rechtsradikale. In beiden Ländern ist das Motto der Sieger gleich: Sie denken nicht daran, zu sparen oder Schulden zurückzuzahlen. Sondern überall wird Deutschland beschimpft, wenn es nicht bis zum eigenen Konkurs ständig weitere Schulden für Frankreich, Griechenland & Co zu machen bereit ist.

Alles, was für Deutschland gilt, gilt auch für Österreich – nur ist hier zum Unterschied von Deutschland nicht einmal eine seriöse Debatte über den Sinn der unfinanzierbaren Rettungsschirme geführt worden. Sondern Österreich hat einfach das nachgeplappert, auf was sich die deutsche Politik geeinigt hat.

Mit dem Sieg des schuldenbegeisterten Hollande in Frankreich und mit der totalen Unregierbarkeit, die jetzt in Griechenland ausgebrochen ist, dürfte es jetzt eigentlich nur eine Alternative geben: Entweder die noch nicht insolventen Länder steigen individuell oder kollektiv aus dem Euro aus. Oder sie stoppen zumindest jede weitere Geldhilfe für die Krisenländer, was sich insbesondere auch auf die unmittelbar drohende Ratifizierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM beziehen müsste. Was wiederum zu einem Austritt mehrerer Krisenländer aus dem Euro führen müsste.

Das ergäbe zwar zweifellos kurzfristig gewaltige Turbulenzen, wäre aber langfristig der einzige Weg zur Heilung. Denn solange es in Europa Politiker und Parteien wie die griechischen Chaosparteien oder Monsieur Hollande gibt, die den Wählern das Blaue vom Himmel versprechen, solange werden sie gewählt. Und daher ist jeder rationale Weg zu einer Beendigung der Schuldenkrise verbaut.

Freilich: Wer mag jetzt noch glauben, dass sich die Deutschen, die so oft knieweich nachgegeben haben, noch Fünf vor Zwölf aus diesem untergehenden Schiff auszusteigen zu trauen? Dazu bräuchte es mutige Staatsmänner. Und die gibt es weit und breit nicht.

PS.: In Frankreich gibt es noch einen Restfunken Hoffnung, dass Hollande nach Amtsantritt das Gegenteil dessen tut, was er angekündigt hat. So hat ja auch der deutsche Sozialdemokrat Schröder am Ende seiner Amtszeit plötzlich das Richtige getan, nämlich Kurs auf eine liberale Austeritätspolitik zu nehmen. Was ihn zwar den Wahlsieg kostete, aber die Grundlage für die nunmehrige Blüte Deutschlands legte. In Griechenland darf man diese Hoffnung nicht mehr hegen. Obwohl dort die Dinge noch viel skandalöser stehen: Erst in der Vorwoche wurde bekannt, dass 200.000 Pensionen und ähnliches gestrichen wurden, weil sie betrügerisch erschwindelt worden waren – etwa zugunsten von längst Verstorbenen. Offenbar wird man jetzt sogar schon dafür bestraft, wenn man Betrügern das Handwerk legt . . .

 

Drucken

Fußnote 292: Die Asfinag kommt voran

03. Mai 2012 12:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist immer wieder amüsant, was man als Produkt von PR-Agenturen zu lesen bekommt. Diesmal hat die Asfinag die Spitze geschafft.

Auf mehreren „Nachrichten“-Homepages liest man eine Formulierung über das Jahresergebnis der staatlichen Autobahngesellschaft, die wohl nur durch das raffinierte Wirken von PR-Textern zu erklären ist: „Dank des reduzierten Bauprogramms kommt die Asfinag beim flacheren Schuldenaufbau voran“. Was der werbetextliche Neusprech schon alles als Erfolg darstellen kann! Freilich: Wie würde es klingen, stünde dort die schlichte Wahrheit? Die da lautet: Obwohl die Asfinag viel weniger gebaut hat – so ist kein einziger neuer Autobahnkilometer dazugekommen –, haben sich ihre Schulden weiter vermehrt.

 

Drucken

Hoch die Lehre

03. Mai 2012 00:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bringen wir möglichst viele jungen Menschen zur Matura! Dann geht es ihnen und uns allen besser. Diese Überzeugung steckt tief in uns drinnen. Und kaum jemand widerspricht ihr. Sie hat nur ein Problem: Sie stimmt nicht.

Das zeigt sich etwa an der zum Teil 50-prozentigen Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern. Diese haben alle viel höhere Maturanten- und Akademikerquoten als Österreich (und überdies Gesamtschulen). Damit müsste ja nach herrschender Lehre eine blühende Zukunft garantiert sein.

Jene Länder verstecken aber oft nur die Jugendarbeitslosigkeit, wenn sie die jungen Menschen möglichst lange in Universitäten und Schulen ohne Leistungshürden stecken. Da können diese schon rein definitorisch nicht arbeitslos sein. Aber die Arbeitslosigkeit schlägt dann umso heftiger zu, wenn einmal Schule und Uni doch vorbei sind. Denn dort haben die Akademiker zwar wunderschöne Sachen von der Philologie bis zur Kunst gelernt. Aber die Arbeitgeber interessieren sich halt leider nicht für solche Kenntnisse. Höchstens der staatliche – und der hat jetzt auf viele Jahre absolut kein Geld mehr.

Spaniens Jugendarbeitslosigkeit betrug übrigens auch schon vor der Krise ein Vielfaches der österreichischen. Also ist die Krise nicht ihre Ursache, sondern sie macht nur eine ernste Lage hoffnungslos.

Von der Österreich zum Glück weit entfernt ist. Aber auch hier zeigen manche von der Politik ignorierte Daten Erstaunliches: Österreichische Maturanten haben schon ein deutlich höheres Risiko, arbeitslos zu werden, als Absolventen einer Lehre. Laut Mikrozensus sind 6,8 Prozent der Lehrabsolventen, aber 8, 6 Prozent der Maturanten arbeitslos. Lehrlinge sind auch weniger armutsgefährdet als Nur-Maturanten.

Da macht es absolut fassungslos, wenn sogar die Industriellenvereinigung ein Volksbegehren unterstützt, das höhere Maturantenquoten verlangt. Gleichzeitig klagen Industrie und Gewerbebetriebe aber über einen rasch wachsenden Lehrlingsmangel.  Lediglich manche Mädchen haben nach der Lehre ein Problem – das wohl mit den vielen Möchtegern-Friseurinnen zusammenhängt; nach der Matura geht es den jungen Frauen hingegen relativ besser als ihren männlichen Kollegen.

Wir sollten endlich aufhören, Matura als wertvoller denn eine gute Lehre anzusehen. Das lehren auch die vielen ausländischen Delegationen, die sich in Österreich und Deutschland begeistert das duale System anschauen, also die Parallelität von Betriebspraxis und Schule. Sie entdecken dabei zu ihrem Erstaunen etwas, was an etlichen Schulen und Universitäten außer Mode kommt: Bei den Lehrlingen gibt es noch strenge Prüfungen, es fallen viele bei der Abschlussprüfung durch, wie ein Junggewerkschafter dieser Tage bitter beklagte. Was aber nur ein hervorragendes Zeichen für die Qualität der Ausbildung ist.

Vielleicht sollten auch unsere Schulen bei der Lehre ein wenig in die Lehre gehen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Fußnote 292: Crash-Landung einer Gewerkschaft

01. Mai 2012 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie haben es bis zuletzt nicht begriffen. Jetzt aber sind Gewerkschaft und AUA-Betriebsräte aber so etwas von mega-stad, dass das Scheitern ihrer Politik am 1. Mai eigentlich über den ganzen Rathausplatz mit seinen roten Fahnen dröhnen müsste.

Der AUA-Flugbetrieb geht nun nahtlos auf die Tyrolean über. Der in dreimonatigen Verhandlungen ausgehandelte Kompromiss wandert in den Papierkorb, weil Betriebsrat und Gewerkschaft ihn der Belegschaft nicht vermitteln konnten. Die deutschen Eigentümer haben die Schmähs der heimischen Gewerkschaft eiskalt abgewimmelt, nach jedem Verhandlungsabschluss noch einmal nachzuverhandeln. Und dann noch einmal. Besonders grotesk ist, dass die Belegschaft zuletzt für die eigentlich schon ausverhandelte Abschlagszahlung nun auch noch die Garantie des Managements wollte, dass diese Zahlung steuerbegünstigt sein wird (was steuerrechtlich immer von der Einschätzung des Finanzamts abhängig ist). Jetzt sind Betriebsrat&Co diese Sorge los: Es gibt überhaupt keine Abschlagszahlung mehr. Blöd gelaufen.

PS.: Vielleicht nimmt sich nun auch einmal die Wirtschaftskammer ein Beispiel und schmettert die – in Zeiten wie diesen erhobene! – Gewerkschaftsforderung nach einer Arbeitszeitverkürzung ebenso konsequent ab. Statt wieder etwas vom Geist der Sozialpartnerschaft zu faseln und halb nachzugeben. Der längst ein Ungeist geworden ist.

Drucken

Mitterlehners Marktverstand

27. April 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Da kann sich Österreich nicht lumpen lassen – wenn in Deutschland Aktionismus bei den Treibstoffpreisen angesagt ist, muss Wirtschaftsminister Mitterlehner sofort folgen. Die Voraussetzungen sind bei uns zwar ganz anders als beim deutschen Nachbarn, aber wen kratzt das schon.

Wir haben bereits eine tägliche Preisdatenbank, wir haben eine Regelung, wodurch nur einmal pro Tag darf der Preis angehoben werden darf, all das fehlt – noch – in Deutschland. Nun soll ein Preiskorridor rund um Reisewellen die Autofahrer beruhigen, so der Plan von Mitterlehner. Wie dies funktionieren soll weiß noch niemand, angeblich soll 14 Tage vor einem Reisewochenende ein Durchschnittspreis ermittelt werden, der dann 5 Tage vor dem Wochenende nicht mehr erhöht werden kann. Eine Schnapsidee, die mit einem freien Markt nicht zu tun hat.

Und warum das Ganze? Weil nach Ministeransicht vor den Osterfeiertagen die Rotterdamer Preisnotierungen zurückgingen, die Preise in Österreich aber gestiegen seien. Woher der Minister seine Weisheit bezog ist unbekannt, von der Bundeswettbewerbsbehörde, die den heimischen Treibstoffmarkt ständig beobachtet, kann er sie nicht haben, denn diese leistet sich kein Abonnement der nicht frei zugänglichen Platts-Notierungen, das sei zu teuer. Das deutsche Fachblatt EID publiziert für die Osterwoche im Vergleich zur Vorwoche gestiegene Notierungen bei Benzin und Diesel.

Wie unsinnig die ministeriellen Behauptungen sind zeigt ein Blick in die EU-Statistik. Wenn es in Österreich überhöhte Treibstoffpreise im Alleingang gäbe, müssten die Nettopreise (die Mineralölsteuer ist immer gleich) gestiegen sein. Der Abstand zu den Nachbarn blieb aber gleich. Österreich ist bei Diesel, was die Nettopreise betrifft, Schlusslicht in der EU – die deutschen Kollegen haben eine um 5 bis 6 Cent höhere Spanne. Was Mitterlehner wöchentlich als Erfolgsmeldung stolz verkündet. Dabei könnte man die Zahlen durchaus hinterfragen. Jeden Montag, knapp vor Mittag, melden Großkonzerne und ein Diskonter ihre Preise, auf dieser Basis wird dann Meldung nach Brüssel gemacht. Würde man die Preise um 14 Uhr hernehmen sähe die Statistik ganz anders aus. Das sind eben die „Vorteile“, wenn man in die Preisbildung eingreift.

Bei dieser Gelegenheit können auch gleich die vom Minister als positiv angeführten Beispiele einer Preisregelung in Luxemburg und Slowenien als das entlarvt werden was sie sind – eine teurere Lösung. Die Nettopreise sind in Luxemburg um 6 Cent bei Benzin und 2 Cent bei Diesel höher. Das würden sich die heimischen Tankstellenbetreiber nur wünschen, eine so schöne Verdienstspanne. Leider wären dann aber auch die Tankstellenpreise dementsprechend höher. Wie sagte Minister Mitterlehner so schön: „Wir brauchen Fairness am Markt!“

Von einem Wirtschaftsminister sollte man mehr wirtschaftliches Verständnis erwarten können (sein Kollege Berlakovich zeigt schon, wie man die Realität negieren kann). Als Verfechter einer freien Marktwirtschaft, was Mitterlehner bisher immer betonte, könnte man sagen, am Markt werden jene Preise verlangt, die dieser hergibt. Und wenn es erhöhte Nachfrage – wie etwa vor den Feiertagen – gibt, dann ist das Produkt eben etwas teurer. In der Hochsaison sind in Österreich auch die Zimmerpreise in Hotels höher. Aber das findet ja derzeit sowieso nicht statt. Die Tankstellenbetreiber verdienen kaum etwas, weshalb immer mehr Konzerne (Esso, MOL) unser Land verlassen. In dem Bereich ist somit nichts zu holen.

Also sind es die Raffinerien, die sich eine goldene Nase an der heimischen Autofahrerschaft verdienen. Weit gefehlt. Europas Raffinerien sind in der Krise, immer mehr müssen zugesperrt werden, weil zu wenig verdient wird. Also ist auch hier wenig zu holen.

Bleiben nur mehr die Ölproduzenten übrig. Ja, die verdienen sich derzeit eine goldene Nase. Wobei 85 Prozent der weltweiten Ölförderung in den Händen der Förderländer sind, nur 15 Prozent fließen in die Taschen der großen Konzerne, wie Shell, BP oder Exxon. Also müsste Minister Mitterlehner hier zuschlagen. Es dürfte allerdings schwierig sein Saudi-Arabien, Russland oder die Konzerne zur Kasse zu bitten, die haben für die Wünsche von Mitterlehner & Co nicht einmal ein müdes Lächeln übrig.

Vielleicht noch ein paar Dinge die aufklärungswürdig sind. Die deutsche Polit-Aussage, dass die österreichische Regelung, wonach nur einmal – um 12 h mittags – die Preise erhöht werden dürfen, zu höheren Preisen geführt habe ist falsch; die Verdienstspanne im Vergleich zu Deutschland ist geringer geworden.

Der nun wieder ins politische Spiel gebrachte Wunsch einer Anhebung der Pendlerpauschale ist eine Drohung, die nicht wahr gemacht werden sollte. Als Mitte 2008 der Rohölpreis bei 150 Dollar lag (derzeit rund 120 Dollar) wurde die Pendlerpauschale befristet bis Ende 2009 erhöht. Diese Erhöhung wurde nicht mehr rückgängig gemacht, sondern es erfolgte eine weitere Erhöhung 2011. In Summe bedeutet das bereits einen Steuerausfall von rund 400 Millionen Euro. Und nun schon wieder?

Der Ölpreis ist weit geringer, nur die Mineralölsteuer wurde erhöht. Auch ordnungspolitisch ist die Pendlerpauschale ein Unsinn, die Besserverdienenden werden damit bevorzugt. Und der Verkehr sollte eingedämmt, nicht gefördert werden. Daher sprechen Experten bereits davon, dass eine Pendlersteuer eingeführt werden sollte. Die deutsche Kanzlerin hat den Erhöhungswunsch bereits abgeschmettert.

In Österreich bin ich mir da nicht so sicher.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Wie entwickelte sich der österreichische Lebensmittelverbrauch?

27. April 2012 16:34 | Autor: Andreas Unterberger

Pro-Kopf Verbrauch ausgewählter Nahrungsmittel in Österreich in angegebener Messeinheit seit 2008

Drucken

AUA, ÖBB, ORF: Tag der Freude, Tag des Zorns

26. April 2012 18:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Plötzlich geht so manches, was jahrelang nicht gegangen ist. Plötzlich ist bei der AUA möglich, was jahrzehntelang nicht möglich war. Plötzlich wird doch der Semmering-Tunnel gebaut, der jahrzehntelang als Verbrechen gegolten hat. Plötzlich scheinen sich sogar rund um die ÖBB die Koalitionsparteien wieder versöhnt zu haben. Und auch rund um den ORF gehen die zwei Parteien plötzlich Hand in Hand. Was aber sollen wir davon halten?

Über den Konsens bei der AUA können wir uns jedenfalls freuen – auch wenn er viel zu spät gekommen ist. Denn die Fluglinie ist längst eine Schrumpflinie geworden, der Traum vom großen mittelosteuropäischen Netzwerk ist nur noch in den Archiven zu finden.

Was bei aller Freude auch sehr ernüchternd ist: Betriebsrat und Gewerkschaft haben bei der Verteidigung der dortigen Luxusgehälter erst nachgegeben, als ihnen endlich ein beinhartes Management gegenübergesessen ist. Ein Management ohne furchtsame Weicheier und ohne opportunistische staatliche Eigentümer im Hintergrund. Das besonders Schmerzhafte daran ist, dass offenbar erst Deutsche das geschafft haben, woran zuvor viele Österreicher (und ein Däne) gescheitert sind. Das gibt der österreichischen Selbstachtung doch einen ziemlichen Stich. Das wird auch im Ausland vielen negativen Vorurteilen über die Ösis neue Nahrung geben.

Die Lehre daraus ist aber jedenfalls klar: Auch die restlichen Staatsbetriebe sollten möglichst rasch privatisiert werden, vom Strom bis zum Flughafen, vom Gas bis zur Müllabfuhr, von der Bahn bis zu den Spitälern. Solange der Staat (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen) irgendwo drinnen ist, diktiert die Gewerkschaft. Und dann zahlen in allen Fällen die Kunden und/oder Steuerzahler drauf – was sich der Standort Österreich nicht mehr leisten kann. Denn wenn in Österreich alles teurer ist als im Ausland, wie gerade eine aktuelle Studie neuerlich zeigt, dann wird in Österreich niemand mehr investieren.

Die AUA-Einigung selbst dürfte nun kaum mehr an den noch fehlenden Abstimmungen der Belegschaft scheitern. Und diese sollte sich dringend wieder um die schwer vernachlässigten Kunden statt die eigenen Befindlichkeiten kümmern.

Ebenso erfreulich ist, dass jetzt der Semmering-Tunnel endlich gebaut wird. Auch hier ist vor allem ein „Viel zu spät“ zu monieren. Das hat in diesem Fall nicht die Gewerkschaft, sondern einzig der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll zu verantworten. Dieser hatte mehrere Wahlkämpfe mit dem Kampf gegen den Tunnel und mit dem skurrilen Argument bestritten: „Wenn man ein Loch in den Berg bohrt, dann rinnt das Wasser aus diesem Berg heraus.“ (als ob sich der schon vor langem gebohrte Semmering-Straßentunnel zu einer Wasserleitung verwandelt hätte).

Was auch immer den – übrigens schon während der schwarz-orangen Regierung eingeleiteten – Stimmungsumschwung des machtbewussten Niederösterreichers bewirkt hat: Sein langes Njet kommt die Österreicher jedenfalls sehr teuer. Nicht nur auf Grund der Bau-Inflation hat die Verzögerung die Sache teurer gemacht. Das haben auch die diversen Umplanungen bewirkt. Ist doch inzwischen das Projekt viel aufwendiger geworden: mit einem viel längeren Tunnel und zwei Röhren statt einer doppelgleisigen.

Die Verzögerung hat natürlich auch den Krisengebieten im Süden Österreichs geschadet, die bis heute keine schnelle Bahnanbindung Richtung Wien haben. Zugleich haben sich inzwischen neue Verkehrsachsen an Österreichs Grenzen vorbei entwickelt, die nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind. Für all das: Danke, lieber Erwin.

Der dritte Durchbruch nach langer Blockade betrifft die ÖBB selber. Und dieser ist nun besonders dubios. Plötzlich ist die ÖVP wieder bereit, Aufsichtsräte in die Staatsbahn zu entsenden. Plötzlich geht im Parlament in aller Stille ein extrem problematisches 33-Milliarden-Gesetz zugunsten der Bahn durch. Lediglich der Protest des ÖVP-Abgeordneten Ferdinand Maier hat darauf aufmerksam gemacht.

Da aber Maier schon seit Jahren durch eher cholerische Querschüsse und Attacken gegen seinen jeweiligen Klubobmann auffällt, hat sein Protest gleichzeitig wieder vom eigentlichen Skandal abgelenkt. Ebenso fällt auf, dass die Opposition zwar dagegen gestimmt hat, aber mit auffällig wenig Engagement (man vergleiche etwa die geringe oppositionelle Lautstärke bei den ÖBB-Milliarden mit dem aufgeregten Flügelschlagen von Grün und Blau ob irgendwelcher Zeugenladungslisten im U-Ausschuss).

Gewiss hebt sich dieses ÖBB-Finanzierungsgesetz noch relativ positiv vom ursprünglichen Entwurf der Verkehrsministerin ab. Diese hatte im Vorjahr noch ein Vielfaches der nunmehrigen 33 Milliarden verlangt. Nur ist zu befürchten, dass mit diesen 33 Milliarden jetzt dennoch alle jene Projekte begonnen werden, die dann doch so viel kosten, wie Bures schon ursprünglich ins Gesetz schreiben wollte.  Was man aber offenbar auch aus Rücksicht auf die kritischen Rating-Agenturen vermieden hatte.

Mit diesem Gesetz werden den Steuerzahlern nicht nur die Kosten für den (sinnvollen) Semmering-Tunnel, sondern auch für die beiden (überflüssigen) Tunnels durch Koralm und Brenner aufs Auge gedrückt. Der Verkehr unter der Koralm zwischen Graz und Klagenfurt ist und bleibt aber lächerlich unbedeutend, während der Italienverkehr durch die Südbahnstrecke (ab dem Semmering) ohnedies schon gut bedient ist. Und der Brenner-Tunnel hat keinerlei Chance auf eine ausreichende Auslastung, solange man keinen Lkw zwingen kann, statt der schnellen Straße die umständliche Bahn zu benutzen. Das EU-Recht verhindert sogar jede Mauterhöhung auf der Passstraße.

Aber hinter diesen Unsinns-Projekten stehen mächtige Landeshauptleute und die ebenso mächtige Bauindustrie (aus der etwa der jetzige Aufsichtsratspräsident der ÖBB kommt!). Von dieser Unheilsallianz werden den Steuerzahlern gewaltige Zukunftsverpflichtungen aufgeladen. Als ob Europa und Österreich nicht in einer schweren Schuldenkrise stecken. Gegen diese 33 Milliarden machen sich die jüngsten Sparbeschlüsse der Regierung geradezu zwergenhaft aus.

Maier ist daher – trotz all seiner sonstigen problematischen Eigenschaften – zu dem mutigen Widerstand samt nachfolgendem Rücktritt zu gratulieren. An der katastrophalen Entwicklung der ÖBB und der Staatsfinanzen ändert sich dadurch aber nichts mehr.

In den nächsten Tagen wird man mit Spannung beobachten können, ob die Länder wenigsten bei ihren eigenen Finanzen disziplinierter sein werden. Derzeit lassen sie ja die Finanzministerin mit ihren Vorstellungen von einem wirksamen Fiskalpakt mit Sparzwang noch eiskalt anrennen. Es bleibt zu befürchten, das auch hier ein für den künftigen Schuldenstand des Landes teurer Kompromiss heraushüpfen wird.

Absolut rätselhaft ist schließlich, was die Koalition mit ihrem neuen Konsens in Sachen ORF überhaupt beabsichtigt. Den Stiftungsrat zu verkleinern ist zwar ein edles Ansinnen, auch der Ausschluss der Bundesländer würde viel Sinn haben, sind diese doch oft eine Hauptbremse für jede Einsparung gewesen. Aber erstens habe ich angesichts der katastrophalen Schwäche der Regierungsspitze heftige Zweifel, dass diese ein Projekt gegen den Willen der Länder durchsetzen kann. Und zweitens bleibt völlig offen, was ein kleinerer Stiftungsrat gegen das Hauptdefizit des ORF helfen soll. Das ist sein schwer schlagseitiger Informationsapparat, der von unten bis oben zu 85 Prozent mit Menschen aus dem grün/kommunistischen/linkssozialdemokratischen Milieu durchsetzt ist.

Was würde da überhaupt noch helfen, ist doch die Personalstruktur des ORF de facto unreformierbar? Nun, hätte die ÖVP noch irgendeine eigene Medienpolitik, würde sie beispielsweise gemeinsam mit Blau und Orange eine grundsätzliche Reform am ORF vorbei vorbereiten. Diese könnte man dann rund um den nächsten Wahltag im koalitionsfreien Raum ebenso durchsetzen, wie Werner Faymann 2008 seine Milliardenattacke auf die Steuerzahler durchgesetzt hat. Dabei könnten dann beispielsweise die Gebührengelder auf alle Sender aufgeteilt werden, die sich um eine halbwegs ausgewogene Qualitätsinformation bemühen (wie es etwa Servus TV zunehmend tut).  Was wiederum eine externe Expertenkommission zu beurteilen hätte.

Drucken

Warum Strom und Benzin wieder teurer werden

26. April 2012 00:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Politik der populistischen Schlagzeilenhascherei hat wieder einmal die Energie erwischt. Und gleich zweimal Mist gebaut.

Der eine Unsinn ist Österreichs neuerdings verkündete Atomstromfreiheit. Ganz abgesehen davon, dass ohne Atomstrom in Europa viele Lichter ausgehen würden; ganz abgesehen davon, dass alleine in der EU vier Staaten an neuen Atomkraftwerken arbeiten; ganz abgesehen davon, dass es technisch gar nicht möglich ist, in den internationalen Hochspannungsnetzen Strom in irgendeiner Form zu trennen (nur in Österreich gibt es Schildbürger, die mit dem Geigerzähler an ihren Steckdosen messen); ganz abgesehen davon, dass ein staatlich verordnetes Atomstromverbot (wenn es technisch überhaupt möglich wäre) ein glatter Bruch sämtlicher EU-Verträge ist: Tatsache bleibt, die wirklichen Umweltverschmutzer sind die Kohle- und Ölkraftwerke.

Diese haben schon Zehntausende Krankheiten und Todesfälle ausgelöst, während die Grünen noch immer auf den ersten Strahlungstoten aus Japan warten. Jene Kohle- und Öl-Kraftwerke aber würden durch eine weitere Einschränkung von Nuklearstrom nur neuerlich an Bedeutung gewinnen.

Die Wiener Regierung will nun irgendwelchen weit entfernten Stromerzeugern etwa in Norwegen Geld dafür zahlen, dass diese mit einem Zertifikat bestätigen, zugunsten Österreichs „sauberen“ Strom ins Netz einzuspeisen. Während freilich der heimische Importstrom in Wahrheit weiter wie bisher meist aus Tschechien fließt. Mit diesem Beschluss wird nur eines erreicht: Strom wird durch diese Zertifikate und durch die erhöhten Gebühren für die internationalen Leitungsnetze völlig sinnlos teurer. Dank der EU wird es aber mit Sicherheit auch Anbieter geben, die klugen Kunden billigen Strom ohne solche Zertifikate anbieten. Wobei es natürlich der gleiche Strom wie bei den Schutzgeld-Bezahlern sein wird.

Ähnlich dumm ist die unter Druck von Boulevard-Medien angekündigte Preisregulierung an langen Wochenenden. Es ist zwar noch immer nicht klar, wie die genau aussehen soll. Aber schon die letzte populistische Preisregelung hat statt einer Senkung eine Erhöhung ausgelöst: Tankstellen dürfen seither ja nur noch um 12 Uhr die Preise erhöhen und sonst nur senken. Das führt halt dazu, dass dann um 12 Uhr sicherheitshalber viel mehr erhöht wird als ohne Regelung. Ähnlich wird es wohl künftig auch an den langen Wochenenden zugehen (etwa, indem schon Tage vorher die Preise ansteigen). Sollte jedoch eine Preisregelung die Benzinfirmen wirklich unter ihre Kosten drücken, dann wird etwas anderes passieren: Keine Firma wird rund um diese Wochenenden teure Überstunden machen lassen, um die Tankstellen voll zu versorgen.

Was nur wieder die alte Erfahrung bestätigt: wo einmal der Staat die Preise regelt, wird es für die Konsumenten teuer. Nur Wettbewerb und Transparenz helfen dem Konsumenten.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Wir sind nun alle Keynesianer!

25. April 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Am 23. 4. lud die Bank Austria, Tochter des italienischen Bankhauses Unicredit, Teile ihrer mittelständischen Kundschaft zu einem unter dem Titel „Erfolgsfaktor Innovation“ stehenden Vortragsabend ein. Im Prachtbau am Ring, dem altehrwürdigen Direktionsgebäude der von der Bank Austria anno 1997 handstreichartig übernommenen Creditanstalt, informierte zunächst der Chef des Hauses, Willibald Cernko, über die aktuelle Lage seines Instituts. Das Umfeld in Europa sei problematisch – insbesondere im Hinblick auf die in einigen Ländern besorgniserregend hohe Beschäftigungslosigkeit. 25 Prozent Arbeitslosenquote in Spanien stellten ein gesamteuropäisch relevantes Problem dar.

Er widerspreche daher dem prominenten deutschen Ökonomen H. W. Sinn, der einer Politik des „Kaputtsparens“ das Wort rede. Anstatt zu sparen, müsse vielmehr investiert werden, um dadurch Perspektiven zu schaffen. Diese Aufgabe falle den Banken zu, die der Wirtschaft „leistungsfähige und leistbare Kredite“ zur Verfügung zu stellen hätten. (Ob z. B. milliardenteure Tunnelbauten der Staatsbahn, die dereinst dazu dienen werden, Züge in denen keiner sitzt, über Strecken, die keiner braucht durch allerlei Berge rollen zu lassen, als „Investitionen“ und nicht als Kapitalvernichtungsaktionen zu bewerten sind, wurde an dieser Stelle nicht erörtert, Anm.).

Den Anteil der Klein- und Mittelunternehmen an der österreichischen Wirtschaftsleistung bezifferte Cernko mit 66 Prozent. Sie seien damit der Motor der Wirtschaft. In der Zeit von 2008-2012 wären von den mittelständischen Betrieben rund 44.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden – und damit deutlich mehr als von Großunternehmen.

Nach wie vor stelle die Kreditvergabe das Kerngeschäft seiner Bank dar. Man habe allerdings aus den in der Vergangenheit gemachten Fehlern gelernt. So habe die Bank Austria bereits jetzt alle nach „Basel 3“ bestehenden Vorgaben hinsichtlich ihrer Kapitalausstattung erfüllt, was auf dem Wege einer Kapitalerhöhung und ohne Inanspruchnahme staatlicher Hilfe gelungen sei. Der Hinweis auf die segensreiche Wirkung der Gemeinschaftswährung durfte nicht fehlen: „Wir sind Profiteure des Euro!“ Die Gefahr einer „Kreditklemme“ sehe er nicht, da die EZB für ausreichend Liquidität gesorgt habe, nachdem das Interbankenkreditgeschäft im Zuge der Schuldenkrise drastisch eingebrochen war.

Er denke nicht daran, das Engagement der BA in Osteuropa zu beenden: „Wir bleiben in Mittel- und Osteuropa!“ Als Konsequenz der Investitionen dort wären immerhin viele Arbeitsplätze in Österreich geschaffen worden.

Der Chefvolkswirt sagt: Druckt mehr Geld!

Danach trat der Chefvolkswirt des Hauses, Stefan Bruckbauer, ans Mikrophon, um seinen Vortrag zum Thema „Was bringt die Zukunft? Innovation als Antwort auf unsichere Aussichten“ zu halten. Zu Beginn streute er den Anwesenden Rosen, indem er auf den hohen Anteil von Forschungs- und Entwicklungsausgaben hinwies, der von mittelständischen Betrieben getragen würde – nämlich 1,3 Prozent des BIP, während der Beitrag des Staates hierzu bei nur 1,1 Prozent läge.

Zur Beilegung der immer noch schwärenden Krise sehe er „die Politik gefordert“. Zwar sei die Verschuldungssituation der Staaten der Eurozone deutlich weniger dramatisch als jene in den USA, dennoch liefe die Entwicklung dort erheblich besser.

Der Grund dafür sei in der Entschlossenheit der US-Notenbank FED, massiv auf Zinsen und Geldmenge Einfluss zu nehmen, zu suchen. Euroland hinke aufgrund der fehlenden Einheitlichkeit der Fiskal- und Wirtschaftspolitik deutlich hinterher (was mit einer Fülle von Graphiken versucht wurde, zu belegen). Es sei ein, maßgeblich von Angela Merkel zu verantwortender, Fehler gewesen, Griechenland pleitegehen zu lassen. Nach all dem zuvor erfolgten Gerede über die Harmlosigkeit der Lage und die dann schließlich doch erfolgte Zahlungsunfähigkeit des Landes, sei die Kreditwürdigkeit der gesamten Eurozone schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. „Kein Investor glaubt daher heute noch an politische Zusagen.“

Die Größe des „Eurorettungsschirmes“ so stark auszudehnen, sei nicht durch die kritische Lage der EU, sondern lediglich infolge des Misstrauens der Gläubiger notwendig geworden. Würde auf europäischer Ebene indessen jetzt nicht mit aller Entschiedenheit gehandelt, so wäre tatsächlich der Fortbestand des Euro gefährdet.

Obwohl Deutschland die „kaputtesten Banken“ habe, würde dem Land von den Märkten dennoch das größte Vertrauen geschenkt. „In der Krise trocknet die Peripherie eben monetär aus. Und in der EU ist alles außer Deutschland Peripherie. Denn in der aktuellen Lage zählt nur die Größe.“

Während die USA ihre Lektion aus den Lehren der 30er-Jahre gelernt (damals habe man fatalerweise nicht mit einer massiven Geldmengenausweitung auf die Wirtschaftskontraktion reagiert und damit das Desaster heraufbeschworen!) und ab 2008 entschieden gehandelt hätten, wäre die Geldpolitik Europas bei weitem zu zögerlich. Bei Betrachtung der nationalen Haushaltspolitiken entstehe der Eindruck, dass „Europa sich zu Tode spart.“ Bruckbauer räumte allerdings ein, dass, als „kleine Nebenwirkung“ der US-Geldpolitik das Haushaltsdefizit der USA ein Rekordniveau erreicht habe. Dennoch befänden sich die USA auf dem richtigen Wege.

Japan dagegen biete ein Beispiel für verfehlte Geldpolitik. Die Wirtschaft des Landes schrumpfe seit 15 Jahren, „weil nicht genug Geld gedruckt wird! (sic!)“

Es sei offensichtlich, dass die privaten Haushalte im gleichen Maße „reicher“ geworden seien, in dem die Staaten sich verschuldet hätten. „Unser“ Wohlstand sei also mit geborgtem Geld finanziert worden. Die Entschuldung der Staaten müsse daher „mit Wohlstandsverlusten für die privaten Haushalte bezahlt werden.“

Angesichts der bereits bestehenden Geld- Kredit- und Schuldensummen und im Hinblick auf das Volumen an zuletzt neu geschaffener Liquidität, seien „Sorgen wegen einer dräuenden Hyperinflation absolut irrational!“ Dies umso mehr, als das von der EZB neu gedruckte Geld lediglich jene Liquidität substituiere, die durch das Erliegen der Interbankengeschäfte nicht mehr verfügbar sei. Bruckbauers Prognose für die nächste Zukunft: Österreich werde im Jahr 2012 mit einem Wachstum von 2 Prozent rechnen können. Die Sparquote dagegen werde mittelfristig von derzeit 10,8 Prozent auf 5,8 Prozent (2015) fallen.

Auf meinen in aller Bescheidenheit vorgebrachten Einwand, dass es eine Denkschule gebe, die eine exzessive Geldmengenausweitung als Ursache der heutigen Schuldenkrise identifiziere und eine expansive Geldpolitik in der aktuellen Lage daher mit dem „Löschen eines Brandes mit Benzin“ vergleiche, meinte er, dass es sich dabei um eine „extreme Ansicht“ handle, die nur von einer „ideologisierten Minderheit“ vertreten werde.

Den Hinweis, dass unter sonst gleichen Bedingungen das Bedrucken von Papier (die Schöpfung von Geld aus dem Nichts) den Wohlstand nicht zu vergrößern imstande wäre, tat Bruckbauer mit einem lupenrein keynesianischen „Argument“ ab: „Was Sie sagen, würde in einer Situation der allgemeinen Auslastung der Betriebe zutreffen. Wir haben es gegenwärtig aber mit massiven Nachfragausfällen zu tun, die vom Staat auszugleichen sind. Das Drucken von Geld dient in einer solchen Lage dazu, dringend notwendige Kredite an die Wirtschaft vergeben zu können, die Produktion am Laufen zu halten und einen Wirtschaftskollaps zu vermeiden.“

Es ist rund zwei Jahren her, als der libertäre Ökonom Hans-Hermann Hoppe bei einem Vortrag in Wien meinte, dass es zwar möglich ist, „jedem halbwegs begabten Hauptschüler innerhalb von zwei Minuten zu erklären, dass das Bedrucken von Papier den Wohlstand nicht hebt. Es ist indessen nahezu unmöglich, diese Einsicht einem Nationalökonomen zu vermitteln.“ Durch die Veranstaltung in der Bank Austria – insbesondere durch die Ausführungen deren Chefvolkswirts – wurde diese Erkenntnis auf eindrucksvolle Weise bestätigt.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Frankreich zwischen Macho-Großmaul und Retro-Sozialismus

24. April 2012 00:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es gibt viele Gründe, die für eine endgültige Abwahl von Nicolas Sarkozy sprechen. Es gibt nur einen einzigen Grund, der dennoch die (wahrscheinliche) Wahl seines Gegenkandidaten Francois Hollande zum noch größeren Alptraum macht: Sein Programm. Das ist nämlich noch viel schlimmer als Sarkozys Realität – für Frankreich und damit nach dem Prinzip „Mitgefangen, mitgehangen“ auch für alle Europäer. Wenn Hollande sein Programm auch nur ansatzweise umsetzen sollte, dann ist das ganze Euro-Europa mit Frankreich kaputt.

Daher wird der zweite Durchgang zwischen den beiden extrem spannend und für die Miteuropäer auch viel wichtiger als die amerikanische Wahl. Der Vorsprung Hollandes (28,6 Prozent) auf Sarkozy (27,2) ist extrem knapp. Da scheint zwar noch alles offen. Entscheidend wird aber das Verhalten der Anhänger von Marine Le Pen sein.

Die rechte Kandidatin hat mit 17,9 Prozent nicht nur das beste Ergebnis der Front National erzielt. Sie hat auch die Vorhersagen der Meinungsforscher lächerlich gemacht, die sie durchwegs deutlich niedriger eingeschätzt haben. Es ist aber schon seit Jahren ein politisches Naturgesetz: Rechte Wähler wählen nur in der geheimen Wahlkabine rechts, einem Meinungsforschungsinstitut gegenüber halten sie sich aber bedeckt. Denn sie fürchten sich vor der gesellschaftlichen Stigmatisierung durch ein politisches Outing.

Le Pens Wähler werden keineswegs geschlossen zu Sarkozy wechseln, wie manche oberflächliche Auguren meinen. Sarkozy steht zwar in der Ausländerfrage der Front National deutlich näher (und diese Frage ist für die Menschen im Unterschied zu vielen Medien wichtiger denn je). In Sachen Sparnotwendigkeiten, Sozialpolitik und Europa steht die Rechtspartei jedoch der radikalen Linken viel näher. Und umgekehrt.

Überdies gibt es auch bei Le Pens Wählern etliche, die Sarkozy als Person strikt ablehnen. Die Sprunghaftigkeit und Angeberattitüden des kleingewachsenen Mannes, der sich allzu lange allzu eng mit den Reichen und Schönen umgeben hat, nerven viele Franzosen. Auch das Kapitel Sarkozy und die Frauen war mehr dazu angetan, um bunte Hefte zu füllen als die Schar seiner Anhänger.

Noch schlimmer ist, dass sich Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit unter Sarkozy deutlich verschlechtert hat. Gewiss haben dazu viele kapitale Sünden früherer Linksregierungen beigetragen, wie die Arbeitszeitverkürzung oder der viel zu weitgehende Kündigungsschutz. Aber Sarkozy hat wie ein lateinischer Macho viel geredet (noch dazu mit ständig wechselnden Zielrichtungen); er hat jedoch trotz seiner fast unbegrenzten Macht wenig getan, um die Wettbewerbsfähigkeit der Grande Nation wieder zu verbessern.

Jetzt fällt es vielen Franzosen verständlicherweise ziemlich schwer, ausgerechnet in ihm den geeigneten Mann zu sehen, um Frankreich ein griechisches Schicksal zu ersparen. Die Zukunft erscheint ihnen sowieso düster, da hat für viele eine Generalabrechnung mit der Vergangenheit die erste Priorität.

Doppelter Scherbenhaufen für Merkel

Auch die Miteuropäer werden die erste (und einzige?) Amtsperiode Sarkozys keineswegs in guter Erinnerung behalten. War es doch er, der immer wieder großen Druck auf Angela Merkel ausgeübt hat, damit die zögerliche und innerlich unsichere Deutsche der wahnsinnigen Verschuldungspolitik des gesamten Euro-Europas zugestimmt hat. Die entscheidende und falsche Weichenstellung geschah ja im Frühjahr 2010, als Merkel der ersten Etappe der Megahilfe für Griechenland zugestimmt hatte.

Damals verlangten die gesamte Linke und damit die meisten Medien lautstark, dass das sozialistisch regierte Griechenland „gerettet“ werde (was natürlich angesichts der griechischen Zustände immer nur auf ein paar Monate gelingen konnte). Und dazu kam dann der gleichgerichtete Druck Sarkozys, der um die Kredite der französischen Banken und seine Wiederwahl bangte. Andere Länder wie Österreich haben ja seit Jahren überhaupt keinen Politiker, der europapolitisch mitsprechen oder auch nur mitdenken könnte.

Diesem Druck gab die harmoniesüchtige deutsche Bundeskanzlerin schließlich nach. Was sich von Tag zu Tag mehr als große Katastrophe herausstellt. Dieser erste große Fehler war dann der Vater aller weiteren: vom Ankauf dubioser Staatspapiere durch die EZB bis zum Neudrucken einer Billion Euro, vom „Stabilitätsmechanismus“ EFSF bis zum „Stabilitätsmechanismus“ ESM. Beide bringen keine Stabilität, sondern nur die ständig ausgeweitete Haftung aller Euro-Länder für die Schulden der anderen.

Die Ironie der Geschichte scheint es zu sein, dass nicht einmal der politische Hauptzweck dieser Aktion, also die Wiederwahl Sarkozys, erreicht werden dürfte. Damit droht Merkel die doppelte Blamage: einerseits die direkte und indirekte Haftung Deutschlands für die gesamte europäische Schuldenkonstruktion und dazu noch ein sozialistischer Präsident mit nostalgischen Politikideen im zweitwichtigsten Land der EU.

Denn so absurd es klingt: Eine Wiederwahl Sarkozys ist bei all seinen Fehlern noch immer die bessere Alternative als ein Amtsantritt Hollandes. Denn dieser hat sich im Wahlkampf so tief in linke Versprechungen einzementiert, dass er es sich politisch nicht leisten kann, alle zu vergessen.

Von den PIGS zu den FISPIG

Jedoch können sich weder Frankreich noch Europa eine Realisierung seiner Versprechungen leisten. Ob das nun die Bewahrung der von Sarkozy zuletzt (spät, aber immerhin) in Frage gestellten 35-Stunden-Woche ist oder eine Senkung(!) des Rentenalters oder eine Steigerung der Einkommensteuer auf 75(!) Prozent oder eine noch(!) lockerere Geldpolitik der EZB. Jede einzelne dieser Maßnahme würde Frankreich mit Garantie in die Gruppe der PIGS- oder PIIGS-Staaten reihen. Und lediglich Journalisten werden sich freuen, wenn sie dann über neue Abkürzungen wie FIPIGS oder SPIFIG oder FISPIG nachdenken können.

Die schon in breiter Front begonnene Flucht von Anlegern aus dem Euro-Raum wird sich bei einer Wahl Hollandes mit Sicherheit noch mehr beschleunigen. Und es ist dann nur noch eine Frage der Zeit, bis die Anleger auch erkennen, dass selbst Deutschland kein sicherer Anker mehr sein kann. Aus dem Bett, in das sich Merkel mit Sarkozy gelegt hat, kommen Deutschland und mit ihm Europa auch dann nicht mehr heraus, wenn dort plötzlich ein Monsieur Hollande vom alten, längst in Konkurs gegangenen sozialistischen Schlaraffenland träumt.

Auch der niederländische Anker reißt

Diese vielen Fehler der letzten Jahre führen nicht nur in Frankreich, sondern schon reihum zum Zusammenbruch der beteiligten Regierungen. Ist doch fast zeitgleich zum französischen Wahltag auch die Regierung der Niederlande kollabiert. Immerhin sind die Niederlande nach Deutschland der zweitgrößte Stabilitätsanker im Euroraum.

Auch dort hat sich wie bei Le Pen gezeigt, dass die rechtspopulistischen Parteien – in den Niederlanden unter Führung des charismatischen Geert Wilders – nicht für die unpopulären, aber notwendigen Sanierungsmaßnahmen bereitstehen. Selbst wenn man ihnen in Sachen Migrationspolitik in fast allem recht gibt, erweisen sie sich stabilitätspolitisch als ebenso unverantwortlich wie die linken Parteien.

Denn sie alle lehnen jene Sanierungsmaßnahmen ab, die absolut unvermeidlich sind: egal ob man in der EU beziehungsweise im Euro bleibt oder nicht. Wilders wie Le Pen gaukeln den Wählern vor, dass diesen ein neuer Protektionismus, ein Abschließen der Grenzen etwas nutzen würde. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Protektionismus hat jedes Land langfristig verarmen lassen.

Bei einem währungspolitischen Alleingang eines Eurolandes wird ein Programm der Schmerzen für dieses Land sogar mit Sicherheit noch viel zwingender: Denn es verliert damit sofort an jeder Kreditfähigkeit. Es muss daher auf jedes weitere Schuldenmachen verzichten und sämtliche Sozialausgaben drastisch straffen; und seine Bürger werden viel länger arbeiten und auf Vieles von dem verzichten müssen, was Sozialdemokraten und Gewerkschaften ihren Anhängern als dauerhafte Errungenschaften verkauft hatten. Ein Land, das das nicht tut, landet in der Mega-Inflation, die in Europa schon einmal Massenelend und eine kriegerische Mega-Katastrophe ausgelöst hat.

Das gleiche Ergebnis brächte die Politik Hollandes und vieler europäischer Sozialdemokraten. Deren Kern: Statt Sparen Geld drucken.

Peinliche Medien-Begeisterung für Melenchon

Hinter der großen europa- und stabilitätspolitischen Bedeutung der französischen Wahl hat der erste Durchgang aber auch ein erfreuliches Waterloo für viele Medien gebracht. Haben sich diese in ihrem linken Fanatismus doch in großer Zahl für den linksradikalen Kandidaten Jean-Luc Melenchon begeistert. Nach dem ersten Wahldurchgang ist der Mann jedoch mit 11,1 Prozent weit abgeschlagen an vierter Stelle gelandet, nur knapp vor dem schillernden Zentristen Bayrou (9,1).

Mit Melenchons Sprüchen von 100-prozentigen Einkommensteuern ab einer bestimmten Grenze kann man zwar bei der wenig intelligenten französischen Intelligenz ein wenig punkten; diese ist  ja noch mehr als die anderer europäischer Länder von spätpubertärer Revolutionsgeilheit geprägt. Aber die Mehrheit der Franzosen ist doch ein wenig vernünftiger. Dies hatten ja auch schon die Wahlgänge nach dem Jahr 1968 gezeigt: Damals errang die Rechte große Wahlsiege, nachdem die linken Studenten und Arbeiter monatelang das Land mit ihren wilden revolutionären Aktionen lahmzulegen versucht hatten.

Der Sieg der Vernunft hat aber seine Grenzen. Auch die Franzosen greifen noch immer nach jedem Strohhalm, der ihnen eine Alternative zu den furchtbaren Schmerzen einer Sanierung zu bieten scheint. Und wenn man damit zugleich einem verachteten Macho namens Sarkozy eine Ohrfeige geben kann, dann wird eben ein Papier gewordener Anachronismus namens Hollande zum Favoriten für das französische Präsidentenamt.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com. 

Drucken

Auch im Ausland glänzt lange nicht alles

22. April 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wer die ganze Woche lang glauben mochte, das Tagebuch fände nur in Österreich Dummheiten oder auch Lobenswertes, der wird heute wieder mit der Außenwelt konfrontiert. Denn auf Dummheiten stößt man beispielsweise auch in internationalen Organisationen oder in Deutschland. Dort gab es in den letzten Tagen aber auch Mutiges, Kluges und Lobenswertes zu beobachten. Alles verblasst aber hinter der großen Sorge um Europa.

Den Spitzenplatz an Dummheit hat diese Woche die OSZE errungen. Lobte sie doch tatsächlich die russische Ankündigung, einen neuen staatlichen Fernsehsender schaffen zu wollen. Dies wäre eine „Stärkung der Demokratie“. Na dann, noch ein paar solche Sender und Russland ist endgültig demokratisch! Wird doch der Intendant des so gelobten Senders von einem gewissen Wladimir Putin ernannt. Und hat doch dessen Vorgänger Dimitri Medwedew schon versichert, dass der staatlich Einfluss auf den Sender nicht „exzessiv“ sein muss (wohl ungefähr so, wie der des Werner Faymann auf den ORF, der in seiner Großzügigkeit beispielsweise dem Sport völlig freie Hand lässt). Was soll man sich da noch sorgen?

Bald dahinter folgt die deutsche Opposition. Hat sie doch vehement dagegen gekämpft, dass die deutsche Bundeswehr somalische Piraten auch an Land verfolgen darf, und sei es auch nur durch Flugzeuge (die Regierungsmehrheit hat sich zum Glück dennoch getraut, solche Landeinsätze zu beschließen). Fazit bleibt damit: Rotrotgrün will, dass sich diese Verbrecherpartien, die seit längerem auf hoher See eher vergeblich von Nato-Schiffen gesucht werden, weiterhin jederzeit in ein Leo, in einen sicheren Hafen zurückziehen können. Wo sie dann in aller Ruhe die Beute aufteilen können, wo sie dann Lösegeld für die genommenen Geiseln erpressen können. Freuen wir uns, wie human die Linke ist, die sich so herzlich um Piraten sorgt - zumindest um solche, die ihnen nicht die Stimmen wegnehmen, sondern nur Menschen entführen!

Etlichen Mut muss man dem CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder attestieren. Hat der doch den Satz zu formulieren gewagt: „Der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität in Deutschland, und gehört somit nicht zu Deutschland.“ Womit Kauder seinem unglückseligen Parteifreund a.D. Christian Wulff frontal widersprochen hat. Kleine Rückkehr nach Österreich: Vielleicht kommt auch die ÖVP wieder drauf, dass es einer Partei gut ansteht, über Tradition und Identität nachzudenken und sich nicht vor dem üblichen, aber an den Lesern völlig vorbeigehenden Gekläff politisch korrekter Journalisten zu fürchten? Das steht vor allem jener Partei gut an, die nur überleben kann, wenn sie den großen konservativen Wählerstock hinter sich hat.

Mutig ist auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gewesen. Hat es doch gewagt, dem ständigen politmedialen Gejammere über die angeblich so große Armut nachzugehen. „Armutsgefährdet“ – was schlampige Journalisten gerne auf „arm“ verkürzen – ist nämlich nach einer recht willkürlichen Definition jeder, der weniger als 60 Prozent des (Median-)Durchschnitts verdient. Was schon an sich absurd ist: Denn selbst wenn alle Menschen über Nacht doppelt so viel verdienen sollten, würde sich die so berechnete Armuts-Zahl nicht um eine Kommastelle ändern. Aber dennoch genügt die Nennung einer hohen Zahl angeblich Armer, um uns kollektiv und ständig schlechtes Gewissen zu machen. Nun aber hat das IW nachgewiesen, dass sich unter den „Armen“ viele wirklich Reiche verbergen. Denn „arm“ sind auch die Besitzer von Immobilien oder Wertpapierschätzen, weil sie ja kein messbares Arbeitseinkommen haben. Jeder sechste Arme besitzt dieser Studie zufolge ein nennenswertes Vermögen. Was einige Fanatiker nicht hindern wird, weiterhin ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle zu fordern.

Klugheit setzt sich langsam auch bei den Aktionären durch, zumindest in Amerika: Jene der Citigroup haben nun bei der Hauptversammlung mehrheitlich die üppigen Bezüge der Vorstände abgelehnt. Diese waren angesichts eines verlustreichen Jahres provozierend hoch angesetzt. Womit sich endlich die richtigen Akteure um die Vorstandbezüge zu kümmern beginnen. Denn niemand anderer als der Aktionär ist das Opfer, wenn das Management zu hohe Bezüge bekommt. Er ist aber auch genauso das Opfer, wenn angesichts zu niedriger Bezüge nur noch die zweite Garnitur eine Unternehmensführung zu übernehmen bereit ist. Daher ist hier jeder staatliche Eingriff ein Unsinn. Sehr wohl aber muss der Staat den kleinen Aktionären zu mehr Stimmgewicht verhelfen, wenn sich ein Oldboys-Netzwerk aus Aufsichtsräten, Vorständen und Großanlegern gegenseitig üppiges Geld zuzuschieben versucht.

Extrem besorgniserregend ist hingegen das, was sich seit einigen Tagen an den internationalen Finanzmärkten abspielt. Dort hat eine Reihe internationaler Staatsfonds (über die etwa China oder die Golfländer das viele durch Exporte erwirtschaftete Geld wieder anlegen) und Hedge Fonds Europa offenbar endgültig den Rücken zugewendet. Sie wollen in diesem Kontinent auf etliche Zeit kaum noch Anleihen kaufen. Sie haben ihre Gelder besonders aus Spanien im Expresstempo abgezogen. Lediglich Deutschland ist ihnen noch voll vertrauenswürdig. Irgendwie seltsam: Was haben die Europäer doch noch vor kurzem moralistisch über die spekulativen Hedge Fonds geschimpft! Welch strenge Vorschriften haben sie doch hochmütig den Staatsfonds der Schwellenländer zu machen versucht, wo diese anlegen dürfen und wo nicht! Jetzt legt man all diesen Fonds den roten Teppich aus, und doch will keiner mehr über diesen gehen.

 

Drucken

Europa darf kein Kontinent von armen Leuten werden

21. April 2012 23:42 | Autor: Helmut Graser
Rubrik: Gastkommentar

Ein Gespräch mit Richard Sulik, dem ehemaligen slowakischen Parlamentspräsidenten und Vorsitzenden der Partei SaS, über Flat Tax, EU und Slowakei und warum er bei den österreichischen Steuerzahlern noch ein Bier gut hat.

Richard Sulik ist Vorsitzender der Partei SaS (Slobodna a Solidarita, Freiheit und Solidarität) in der Slowakei. Von ihm stammt das Konzept für die 19 Prozent Flat Tax, die von der Regierung Mikulas Dzurinda 2004 eingeführt wurde. Der studierte Ökonom begann seine politische Karriere als Berater des damaligen Wirtschaftsministers Ivan Miklos. Die Partei SaS trat 2009 erstmals bei einer Wahl an, verfehlte aber bei der Europawahl den Einzug in das Europäische Parlament. Nach der slowakischen Parlamentswahl 2010 war die SaS Teil einer Mitte-Rechts-Regierung, Sulik wurde Parlamentspräsident.

Das Regierungsbündnis zerbrach an der Frage des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) bzw. des EFSF. Hatte sich ursprünglich die gesamte Regierung gegen einen dauerhaften Rettungsschirm ausgesprochen, änderten die Parteien SDKU und KDH (beide auf europäischer Ebene Teil der Europäischen Volkspartei EVP) ihre Meinung und stimmten gemeinsam mit der sozialistischen Partei Smer dafür. Seit der Neuwahl in der Slowakei im März dieses Jahres ist die SaS in Opposition. Richard Sulik, der zum Teil in Deutschland aufgewachsen ist, ist außerhalb der Slowakei vor allem durch deutsche Talk-Shows zur Frage der Griechenlandhilfe und des sogenannten Euro-Rettungsschirms bekannt geworden.

In der Slowakei waren vor kurzem Wahlen. Wie interpretieren Sie das Wahlergebnis?

Die Sozialisten haben grandios gewonnen. Es gab zwei Hauptgründe. In erster Linie war es die Zerstrittenheit innerhalb der Rechtsparteien. Premierministerin Iveta Radicová hatte in ihrer eigenen Partei keinen Rückhalt mehr. Zweitens gab es diese Unterwürfigkeit gegenüber Brüssel. Ich kann das verstehen im Jahre 1998. Das war nachdem wir Vladimír Meciar hatten. Wir waren auf dem besten Wege nach Weißrussland.

Dann kam Dzurinda, ein junger frischer Politiker, und hat gesagt: „Ich werde euch zurück nach Europa bringen. Ich sorge dafür, dass Me?iar wegkommt und ich werde Reformen machen." Ich kann verstehen, dass damals alles der Priorität „wir wollen in die EU und in die NATO“ untergeordnet wurde. Aber in den vergangenen vierzehn Jahren hat sich die Situation geändert. Es ist jetzt eben an der Zeit, vielleicht ein bisschen mehr Selbstbewusstsein an den Tag zu legen und auch manchmal zu fragen: Ist das wirklich gut für uns und warum sollen wir dem zustimmen?

Zum Beispiel der Erweiterung des Schutzschirmes.

Das ist ein sehr gutes Beispiel. Denn die Slowakei zahlt nämlich am meisten, wenn alle Garantien schlagend werden. Im Durchschnitt muss ein Deutscher 120 Stunden für diese Verbindlichkeiten arbeiten, ein Slowake aber 300 Stunden. Da ist ein Unterschied. Der zweite Grund war, dass es auf der linken Seite nur eine einzige Partei gibt, die gekommen ist und gesagt hat: „Wählt mich. Ich verspreche euch Stabilität und Sicherheit."

Welche Rolle hat die Gorilla Affäre gespielt?

Gorilla ist ja nicht die Gesamtaufnahme der Korruption innerhalb der vergangenen zehn Jahre, sondern eine Momentaufnahme zu einem gewissen Zeitpunkt, Ende 2005, Anfang 2006. Und das ist der dritte Grund für das Wahlergebnis.

Noch einmal zurück zu dieser Entscheidung betreffend des Rettungsschirmes. Sowohl Miklós, als auch Radicová selbst waren ursprünglich eher auf Ihrer Linie.

… voll. Das war unsere gemeinsame Linie. Aber irgendwann haben sie ihre Meinung geändert. Wenn ich mit Miklós (Finanzminister der Regierung Radicová, Anmerkung) spreche, sagt er mir: „Jaja, du hast vollkommen recht mit deinen ökonomischen Argumenten". Sage ich „Na gut, dann sage bitte du mir einen Grund, warum wir das trotzdem tun sollten?". „Ja, weil das ist Geopolitik." Das ist alles? Geopolitik.

Klingt gut und keiner versteht etwas von Geopolitik.

Ja, eben. Dann braucht man nicht mehr argumentieren. Dann habe ich ein anderes Mal mit Dzurinda gesprochen: „Wenn wir das ablehnen, würde Brüssel doch eine andere Lösung finden, und zwar recht schnell.“ Sagt er: „Ohne Frage, innerhalb von drei Tagen, aber dann würde Radicová in Brüssel keiner mehr die Hand reichen". Sage ich: „Na gut, für 7,7 Milliarden einmal nicht die Hand reichen …“

Und da kam kein Druck auf Sie, dem Rettungsschirm zuzustimmen? Die Liberalen im Europäischen Parlament sind ja auch voll auf dieser Linie?

Ja, was ich nicht verstehe. Die haben mir einen Brief geschrieben. Auch Westerwelle, ebenfalls von einer liberalen Partei, hat mich angerufen und gesagt: „Herr Sulik, ich bin sicher, sie werden sich richtig entscheiden." Sage ich: „Haben Sie keine Angst. Wir werden das bestimmt richtig entscheiden." Darauf hat er nicht gewusst, was er sich denken soll. Also mich überrascht das bei den Liberalen – was weiß ich, sind wir keine liberale Partei?

Da gibt es viele Interpretationen.

Also ich interpretiere das so: Wir sollten für mehr Freiheit kämpfen. Die rechts sind, kämpfen für mehr unternehmerische Freiheit, die die liberal sind, kämpfen für mehr persönliche Freiheiten. Deswegen ist unsere Partei eine rechtsliberale Partei. Zu mehr persönlichen und unternehmerischen Freiheiten gehört, weniger Steuern zu zahlen.

Das war ja eines der Erfolgsmodelle der Slowakei. Erinnern wir uns, als Dzurinda bzw. Miklós die 19 Prozent Flat Tax eingeführt haben.

Ja, das war ich. Der Miklós war dagegen und ich war sein Berater damals. Und dann ist es irgendwie gelungen.

Das war ein massives Argument auch in Österreich für die Senkung der Steuern. Österreich ist damals auf 25 Prozent bei der Körperschaftssteuer gegangen. Das wäre ohne 19 Prozent in der Slowakei nicht gekommen.

Dann habe ich ein Bier gut beim österreichischen Steuerzahler.

Mindestens eines. Das müssen wir aber in der Slowakei trinken, da ist weniger Steuer drauf.

(Lacht): Ich habe mir einmal das deutsche Steuersystem angeschaut. Die haben das noch komplizierter. Und dann kommt noch der Herr Eichel (ehemaliger SPD-Finanzminister Anm.) und sagt: „Eine komplexe Wirtschaft braucht ein komplexes Steuersystem". Also das würde ich zum dümmsten Spruch des Jahres küren.

Rechnen Sie damit, dass sich das System in der Slowakei jetzt ändert unter Fico?

Ja. Er will die Flat Tax abschaffen. Aber wissen Sie, das sind die Sozialisten. Die haben das Geldausgeben – Geld von anderen Leuten – im Blut.

Aber die Leute scheinen das zu schätzen. Es ist irgendwie bequemer.

Ja, aber das ist zu billig. Es wird die gesamte slowakische Wirtschaft schädigen. Nicht nur, dass ich davon überzeugt bin, wir haben ja bereits Erfahrungen. Wir haben den Steuersatz gesenkt und innerhalb von zwei Jahren hat sich die Steuergrundlage fast verdoppelt. Sie ist um 92 Prozent angestiegen. Werden die Steuern erhöht, wird sie eher sinken als weiter ansteigen.

Es mehren sich Stimmen, die eine stärkere Entwicklung der EU in Richtung „Vereinigte Staaten von Europa“ befürworten. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich sehe das aus zwei Gründen negativ: Denken wir zurück an die Grundidee der Europäischen Union. Zuerst war das eine Organisation zur Sicherung des Friedens. Das ist vollkommen gelungen. Also das ist für mich der wichtigste Grund, warum es gut ist, dass es die EU gibt und warum es gut ist, dass die Slowakei beigetreten ist. Und damals, als die EU entstanden ist, hat es diese vier Freiheiten gegeben: Freier Verkehr von Kapital, von Waren, Dienstleistungen und Personen. Man hat sich gesagt, wenn es mehr Freiheit gibt, dann werden die Leute mehr Handel treiben. Das war gut, solange man sich daran gehalten hat.

Dann kam aber immer stärker die Regulierung und jetzt es ist Europa eine Regulierungsbehörde. In der Lissaboner Strategie steht zwar, wir wollen die am dynamischsten wachsende Wirtschaft werden, gleichzeitig kommen aber Sozialschutz, Umweltschutz, und alles Mögliche. Die geben sich zehn zum Teil entgegengesetzte Ziele und wundern sich dann, dass die Strategie nicht aufgeht. Dasselbe wird mit der Strategie 2020 passieren. Wenn sich noch irgendwo etwas bewegt, dann wird es reguliert.

Die EU, da wo sie hätte zeigen können, dass es funktioniert, bei der Verteidigung oder bei der Außenpolitik, da ist doch von der Frau Asthon das ganze Jahr lang nichts zu hören. Die hat bereits ein Amt mit 4000 Beamten. Ich möchte wissen, was die machen. Die Slowakei und auch alle anderen Länder haben doch ihre Auslandsvertretungen, haben ihre Außenminister. Also wenn das richtig gut funktionieren würde, wäre das heute schon abgeschafft. Da könnten wir ein bisschen Geld sparen.

Würden Sie das akzeptieren, eine tatsächlich europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Kein slowakischer Außenminister mehr?

Ja, ich könnte mir das vorstellen. Ja, für die Slowakei könnte ich mir das vorstellen.

… die Franzosen werden das nie akzeptieren und die Briten noch weniger.

Ja gut, aber dann sollen sie nicht mit der EU spielen. Kein Spitzenpolitiker bewirbt sich freiwillig für ein Spitzenamt in der EU.

Da sieht man dann wo die wirkliche Macht ist.

Ja eben. Wenn wir also jetzt wirklich so tun, dass wir die Vereinigten Staaten von Europa wollen, dann vergleichen wir einmal mit den USA. Für die US-Präsidentenwahl, da gibt es einen richtig Andrang und einen richtigen Kampf. Aber Herr Van Rompuy, der entsteht einfach so. Da haben sich zwei, drei Leute geeinigt und haben das mit 20 andern abgesichert und dann ist er auf einmal gewählt.

Der kleinste gemeinsame Nenner.

Ja. Einer, der nicht zu viel eigene Meinung hat und nicht zu viel stört und auf jeden Fall gehorcht.

Mit der Eurokrise gab es auch den Vorschlag der Trennung in Nord- und Südeuro.

Es gibt keinen ökonomischen Grund, warum die Südländer das machen sollten. Was Griechenland helfen würde ist, dass sie sofort aussteigen und ihre eigene Währung einführen. Übrigens, Griechenland war ja schon einmal in einer Währungsunion mit Italien und anderen Ländern und hat dort ständig Schulden gemacht. Die anderen Länder sind deswegen ausgestiegen. Man muss die Griechen sich selbst überlassen.

Rechnen Sie damit, dass der Euro hält, oder fällt die Euro-Zone auseinander?

Das ist eine gute Frage. Sie wird bestimmt nicht auseinanderfallen, wenn Griechenland aussteigt, dann wird der Euro fester werden. Wir werden gewinnen, wenn Griechenland, vielleicht Portugal aussteigen. Nur Spanien, ich denke, das ist einfach von der Größe her nicht zu bewältigen, dass Spanien aussteigen kann, Italien schon gar nicht. Dann kann es passieren, dass eben die Nordländer sagen „Ok, wir gehen jetzt". Und wenn zwei Euro-Zonen entstehen, ist das ein Auseinanderfallen des Euro? Wahrscheinlich ja. Wissen Sie, es ist die Frage, wie man es definiert. Dass alle 17 Länder zu ihrer nationalen Währung zurückkehren halte ich für recht unwahrscheinlich aus heutiger Sicht.

Das würden Sie aus Sicht der Slowakei nicht anstreben?

Die Euro-Zone hat ja schon ihre Vorteile, nur die Regeln müssen endlich eingehalten werden.

Immer mehr Kapitalismuskritiker freuen sich über das Scheitern des Finanzkapitalismus und propagieren verschiedene alternative Wirtschafts- und Geldsysteme. Was halten Sie davon?

Ich habe ein mulmiges Gefühl, wenn ich mir die realen Warenströme im Vergleich zu den Finanzströmen ansehe. An einem Tag werden beispielsweise 20 Milliarden an Waren umgesetzt und 900 Milliarden an irgendwelchen Krediten, Swaps, Optionen usw. Noch vor 20 Jahren hat sich das ungefähr gedeckt. Dass man deshalb aber alles verbieten muss, da bin ich mir nicht sicher. Ich denke, man muss die Regeln einhalten. Beispielsweise die Regel, dass, wenn die Gewinne privatisiert werden, die Verluste nicht sozialisiert werden dürfen. Man macht es aber leider, bei riesengroßen Pleiten heißt es dann immer „too big to fail“.

Bankenrettung ist ein gutes Stichwort. Das Argument sind dann die unabsehbaren Folgen, der Bank-Run, man weiß nicht, wie die Bevölkerung reagiert.

Da haben die Politiker nicht den Mut. Das muss man als Tatsache zur Kenntnis nehmen. Deswegen können wir uns durchaus eine Regulierung vorstellen, eine vernünftige Regulierung der Finanzmärkte.

Der vor kurzem verstorbene Ökonom Roland Baader hat in einem seiner letzten Interviews gemeint, eine private Parallelwährung sollte eingeführt werden.

Die Nationalbanken oder die EZB die sind da sehr streng. Die bewachen ihr Monopol sehr streng und verbieten Parallelwährungen. Ich würde das durchaus erlauben. Wenn beispielsweise meine Bank eine Parallelwährung, gedeckt mit Gold und Immobilien oder mit irgendwelchen Werten, einführt, würde ich nicht eingreifen. Aber das darf man ja nicht. Wenn jetzt alle Länder auf einmal auf den Goldstandard umstellen würden, dann wäre das wahrscheinlich eine gute Idee. Wenn das aber ein Land macht, dann endet das langsfristig beim Beispiel Schweiz.

Die kommen dann unter Aufwertungsdruck.

Ja, sehr stark. Wobei ich nicht verstehe, warum die nicht einfach Franken drucken und dafür Gold kaufen. Jetzt wird der Franken immer stärker und wertet immer mehr auf. Ich würde so lange Gold aufkaufen, bis das aufhört. Wenn er anfängt unter eine gewisse Grenze zu fallen, dann würde ich das Gold wieder verkaufen und auf diese Weise die gedruckten Franken wieder aus dem Umlauf nehmen.

Die Österreicher, wenn wir jetzt von der ökonomischen Schule sprechen, sagen ja überhaupt weg von Zentralbanksystemen hin zu rein privaten Währungen.

Naja, eine Zentralwährung hat schon viele Vorteile, und ist ja auch viel objektiver, wenn sie dann auch gedeckt ist mit Werten. Ich hätte das nie für möglich gehalten was jetzt in der EZB passiert. Zu Zeiten eines Wim Duisenberg war das wahrscheinlich ausgeschlossen. Da wird eine Billion Euro in den Markt gepumpt, das ist 15 Mal das slowakische Bruttoinlandsprodukt. Zu einem Prozent für drei Jahre. In drei Jahren machen sie es wieder, da bin ich überzeugt davon.

Wenn nicht schon früher.

Ja.

Das bedeutet Inflation.

Ja.

Also eigentlich genau das was man vermeiden wollte, was die Maastricht-Kriterien mit den strengen Regeln für die EZB verhindern sollten, wird jetzt durch die Politik der EZB eingeführt.

Genau. Inflation und Abwertung gegenüber anderen Währungen. Da höre ich schon die Leute: „Naja, die Exporte werden billiger, die Importe teurer, das ist doch gut." Aber man bestiehlt doch die eigenen Leute. Wenn das gut ist, na gut, dann binden wir doch unsere Währungen an die chinesische Währung, weil die ist doch so stark unterbewertet. Aber hier werden die eigenen Leute bestohlen. Irgendwann wird Europa ein Kontinent von armen Leuten sein, die sich nichts aus dem Ausland kaufen können, die nicht ins Ausland verreisen können. Also das wollen wir ja nicht.

Früher haben die Regierungen das Vermögen ihrer Bürger durch Kriege zerstört, jetzt zerstören sie es durch Inflation.

Ja. Man bestraft vor allem die Leistungsträger. Aber auch die einfachen Leute.

Noch eine Frage zur Wirtschafts- und Steuerstruktur der Slowakei. Wissen Sie, wie viele Prozent der Leute noch Netto in das System einzahlen? Wir haben in Österreich weniger als ein Viertel, die noch netto in das System einzahlen. Das heißt, es ist systemisch unmöglich, dass eine Partei eine Mehrheit bekommt, die das System umdrehen würde.

Die Zahlen werden ähnlich sein. Wir haben 5,4 Millionen Einwohner, 2,3 Millionen arbeiten, aber da müssen Sie die abziehen, die Nettoempfänger sind. Ich denke das Steuersystem sollte keine Sozialfunktionen haben. Als ich noch zur Schule ging hieß es, das Steuersystem hat eine wirtschaftspolitische Funktion, eine sozialpolitische Funktion, eine Investitionsfunktion und den ganzen Mist. Das ist einfach nicht wahr. Das Steuersystem ist da, um Geld von den Leuten aufzutreiben. Also sollte es gerecht sein, neutral, einfach und wirksam. Wissen Sie, die Politiker spielen gerne. Im wirklichen Leben wären die meisten Politiker nicht in der Lage, einen Kiosk zu führen, und dann spielen sie gerne mit großem Geld. Vor allem mit fremdem Geld.

Sie sind aber auch Politiker.

Naja gut, aber ich sehe mich nicht als Politiker …

… als Quereinsteiger?

… schon eher als Ausnahme. Ich bin eher der Beschützer der Steuerzahler.

Das Gespräch führten Helmut Graser (Unternehmensberater in Wien und Herausgeber des Echos) und Rainhard Kloucek (Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich) für die nächste Ausgabe des „ECHO der himmelschreienden Diskriminierung österreichischer Steuerzahler“ (siehe www.conwutatio.at).

Drucken

SN-Kontroverse: Arbeitszeitverkürzung

20. April 2012 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Ist eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung sinnvoll?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Kürzer arbeiten ergibt Sinn

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

In Österreich ist die Arbeitszeit eigenartig verteilt. Allein im dritten Quartal 2011 wurden laut Eurostat 5,5 Millionen Überstunden geleistet - und das zu knapp einem Viertel unbezahlt. Bereits jetzt arbeiten 1,1 Millionen Menschen nur 38,5 Stunden pro Woche, während für die anderen die Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden gilt. Etliche arbeiten aber noch sehr viel länger. Es ist daher hoch an der Zeit, über eine Verkürzung der Arbeitszeit nachzudenken. Sie würde mehr Gerechtigkeit schaffen und ist eine Maßnahme, die ökonomisch durchaus Sinn ergibt. Mit der Reduzierung der Wochenarbeitszeit könnte die Zahl der Arbeitslosen gesenkt werden. Im Jahresdurchschnitt 2011 lag die Arbeitslosenquote bei 4,2 Prozent. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts würden durch eine Arbeitszeitverkürzung um zehn Prozent mittelfristig 130.000 Beschäftigte gewonnen. Steigt die Beschäftigung, steigt auch die Kaufkraft. Letztlich wird also die Konjunktur angekurbelt. Weniger Wochenarbeitsstunden bedeuten außerdem eine geringere Belastung für das teure Gesundheitssystem. Gerade immer häufiger auftretende Überlastungserscheinungen wie Burn-out könnten verringert werden; die Betriebe würden profitieren, wenn die Mitarbeiter seltener in den Krankenstand gehen. Ein besseres Verhältnis von Arbeits- und Freizeit bedeutet enormen Gewinn an Lebensqualität. Vereinbarkeit von Beruf und Familie wäre nicht mehr so schwierig zu bewerkstelligen. Frauen hätten weniger Karrierebarrieren zu überwinden; Männer könnten stärker in das Familienleben eingebunden werden. Die Arbeitszeitverkürzung ist bei vollem Lohnausgleich möglich. Denn die Produktivität ist enorm gestiegen. Die Arbeitszeitverkürzung ist leistbar, sie ist vernünftig und bringt Vorteile für alle.


Lasst den Menschen doch ihre Freiheit!

Andreas Unterberger

 Oberösterreichs Sozialdemokraten werben für eine zwangsweise Arbeitszeitverkürzung mit der an sich richtigen Parole: "Zeit für sich, die Familie und die persönlichen Leidenschaften zu haben, bereichert das Leben ungemein." Genau deshalb wurde in den letzten Jahren ja auch die Möglichkeit der Teilzeitarbeit ausgebaut, mit großem Zuspruch. Das Absurde aber ist: Genau diese Teilzeitarbeit wird von der SPÖ vehement bekämpft! Zugleich mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. In Wien geschieht dies sogar mit Plakaten auf Steuerzahlerkosten.

Weiß diese Partei noch irgendwie, was sie will? Letztlich will sie wohl nur eines: ständig noch mehr in unser Leben eingreifen und es reglementieren, damit die Politik ständig noch mehr Macht erhält. Gleichzeitig ist es der Partei völlig gleich, dass dabei der umzuverteilende Kuchen kleiner wird.

Die Menschen wollen diese Reglementierungen aber nicht. Sie wollen sich frei entscheiden können. Die einen wollen sich primär ihren Familien oder "Leidenschaften" widmen, die anderen wollen Karriere machen und viel verdienen. In einem freien Land sollte jeder das tun können, was er will. Und nicht das tun müssen, was Politiker wollen.

Wenn die Linke aber den Menschen vorgaukelt, dass alles zugleich möglich wäre - viel verdienen und zugleich wenig arbeiten -, dann sollte sie sich in Frankreich umschauen: Dort haben von ihr durchgesetzte Arbeitszeitverkürzungen heute katastrophale Folgen. Was die linken Theoretiker in ihrem papierenen Wolkenkuckucksheim nämlich nicht begreifen: Europa steht im beinharten Wettbewerb mit den boomenden (weit länger als 35 oder 38 Stunden arbeitenden!) Ländern Asiens, den der alte Kontinent zunehmend verliert. Noch ein paar so linke Projekte, dann ist der Wettbewerb endgültig entschieden, und Europa in einer jahrzehntelangen Rezession.

 

Drucken

Rezension: Occupy Money

17. April 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Kennen Sie den alten Kalauer, in dem die Frage nach den drei dünnsten Büchern der Welt gestellt wird? Die Antwort lautet:
Sammlung italienischer Heldensagen
Alle Rezepte der englischen Küche
Die amerikanische Kulturgeschichte
Mit Occupy Money mutiert dieses Trio nun zum Quartett.

Von der Umschlagrückseite des dürren Bändchens trifft uns der gütige Blick der in der „DDR“ geborenen Autorin, Margrit Kennedy, die als „bekannte Geldexpertin“ vorgestellt wird. Im Buchinneren erfahren wir, dass es sich um eine Architektin, Städte- und Regionalplanerin handelt. Wer, wenn nicht eine Architektin, so fragt man sich, wäre eher dazu berufen, uns in die Geheimnisse des Geldwesens einzuweihen? Wer indessen Aufklärung in Fragen zur Statik von Hängebrücken erheischt, wendet sich im Gegenzug vertrauensvoll an einen Soziologen. Akademische Bildung verleiht bekanntlich Universalexpertise…

Wie der Titel des schmalen Büchleins verrät, möchte Frau Kennedy etwas – nämlich das Geld (wohl unseres, denn ihr eigenes hat sie ja schon) – „In Anspruch nehmen“, „belegen“, oder „innehaben“ (leo.org). Sie hat nämlich, nachdem sie sich, eigenen Angaben zur Folge, schon 30 Jahre lang an der Frage abgearbeitet hat, was denn an unserem Geldsystem verkehrt ist, zum Ziel gesetzt, zur Geburtshelferin für ein „neues, wertbeständiges Geld“ zu werden.

Die Antwort auf die bohrende Frage, worin denn nun der Fehler im rezenten Geldsystem besteht, wird – um die Spannung des Lesers nicht ins Unerträgliche zu steigern – gottlob bereits auf der ersten Seite des Vorworts gegeben. Es ist – erraten! – der Zins. Wer hätte das gedacht? Mit erfrischender Chuzpe stellt die Autorin ohne alle Umschweife klar, dass ihr scharfer Blick für das, was sie für die Wahrheit hält, aus dem Umstand resultiert, von keinerlei Sachkenntnis getrübt urteilen zu können.

So macht sie sich etwa daran – gestützt auf das abgelutschte Klischee vom Josephspfennig – die Perfidie des Zinseszinseffekts „nachzuweisen“, der langfristig angeblich jedes Geldsystem zusammenbrechen lässt. Dass Zinseszinsforderungen nur dann entstehen, wenn der Debitor nicht einmal die Zinsforderungen bedient (was gewöhnlich nur bei hochgradig dubiosen Schuldnern der Fall ist), bleibt unerwähnt. Auch die in Kreisen von auf dem Gebiet der Nationalökonomie dilettierenden Laien beliebte Herstellung einer Verbindung des Geldsystems mit „Krebszellen“ fehlt nicht.

Dass das derzeit herrschende Schuldgeldsystem selbstverständlich jene staatsnahen Klüngel begünstigt, die am großen Rad drehen, wird von der Autorin zwar richtig erkannt; indes folgen dem korrekten Befund aber nicht die logisch richtigen Schlüsse.

Leider hat Kennedy sich nicht tief genug in die einschlägige Literatur vertieft, sonst wäre ihr kaum verborgen geblieben, dass der Zins keineswegs ein notwendigerweise mit der Existenz eines intermediären Tauschmittels (Geld) verknüpftes Phänomen ist, sondern vielmehr aus der Tatsache resultiert, dass Menschen die augenblickliche Verfügbarkeit einer Sache deren in der Zukunft liegenden Verfügbarkeit vorziehen. Die Differenz beider (Nutz-)Werte resultiert aus der individuellen Zeitpräferenz – das heißt, aus der Bereitschaft, auf den Erwerb und die Nutzung einer Sache zu warten. Folglich würden auch in einem geldlosen Tauschsystem Zinsforderungen nicht verschwinden, sondern eben in Natura eingefordert und abgegolten werden.

Indem sie betont, beim „zinsbasierten Geldsystem“ handle es sich um ein (willkürliches) „Konstrukt“, offenbart Kennedy ein beachtliches Defizit an ökonomischem Basiswissen. Denn noch niemals wurde – bis zum Übergang zu einem staatlich monopolisierten Schwundgeld – ein Geld- oder Zinssystem einfach am grünen Tisch beschlossen. Geld und Zins waren ursprünglich vielmehr das Produkt der „spontanen Ordnung“ (Hayek). Es lohnt an dieser Stelle nicht, die zum Teil recht kuriosen Einlassungen der Autorin in sämtlichen Facetten zu schildern. Alle führen am Ende in ermüdender Weise immer zur Zinskritik zurück.

Die "Lösungen" der Architektin

Wir kommen daher sofort zum furiosen Finale, das der Präsentation von Alternativmodellen gewidmet ist. Tauschringe und Regionalgeldsysteme sind durchaus konventioneller Natur und können – so lange sie nicht ins Radar des um seine Einnahmen bangenden Fiskus geraten – durchaus funktionieren.

Eher in die Abteilung „Skurriles“ sind Ideen à la Bildungs- oder Gesundheitswährung einzuordnen. Hier blüht der staatliche Paternalismus in Reinkultur. Die hoheitliche Regulierung privater Lebensbereiche soll mittels geldwerter Gutscheine oder (erzwungener?) Präventionsmaßnahmen ins Werk gesetzt werden.

Kennedys Vorliebe für die skurrile Gesell´sche Freigeldidee wird offenbar, wenn sie eine „globale Referenzwährung“ vorstellt, die sich auf eine hochkomplizierte Warenkorbdeckung und „Standkosten“ (das bedeutet einen Negativzins für Geldhalter!) stützt. Vollends in die kollektivistische Ecke gleitet die Autorin ab, wenn sie von einer „CO2-Währung“ schwadroniert, die „…jedem Menschen ein gesetzlich garantiertes, individuelles Teileigentum an der gemeinsamen Atmosphäre“ zuspricht.

Wenige Seiten später heißt es dann folgerichtig: „Wenn man es genau nimmt, gehört das Land auf dem wir leben, uns allen. Deswegen würde die Vergabe des Landes über Erbpachtverträge wesentlich größeren Nutzen stiften als der Privatbesitz an Land…“ Kommentar überflüssig. Wer das Privateigentum derart rabiat angreift, legt die Axt an die Wurzeln unserer Zivilisation. Hier probt Kennedy unverhüllt einen Aufstand gegen die Vernunft (K. Popper)!

Die für viele Intellektuelle typische Geringschätzung der Autorin für privates Eigentum und ihr kritikloser Glaube an die Überlegenheit kollektiver („demokratischer“) Entscheidungen – gerade in Geldangelegenheiten – sind schlagende Beweise für die Richtigkeit des Spruchs „Schuster bleib bei Deinen Leisten“. Um Geldexperte zu sein, reicht es nicht, zu wissen, dass man Geld zum Erwerb jenes Krauts benötigt, das man besser nicht in Unmengen rauchen sollte, wenn man gerade an einem Buch arbeitet.

Es bleibt zu hoffen, dass die von der Architektin Kennedy errichteten Bauwerke eine etwas höhere Belastbarkeit aufweisen als ihre Einlassungen auf dem ihr bis heute augenscheinlich fremd gebliebenen Terrain der Geldtheorie.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Occupy Money
Margrit Kennedy
J. Kampenhausen Verlag 2011
107 Seiten, broschiert
ISBN 978-§-89901-595-9
€ 10,30

Drucken

Sparen sollen die anderen

17. April 2012 00:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vom einstigen Staatsbankrott Argentiniens über die gegenwärtige Megakrise Spaniens bis zu Österreichs wachsenden Schuldenproblemen zieht sich ein blutige Spur: Während die Zentralregierungen irgendwann doch erkennen – wenn auch meist schon viel zu spät –, dass es mit der Big-Spender-Politik nicht mehr weitergeht, schmeißen die jeweiligen Provinzen weiter mit nicht eingenommenem Geld um sich. Das ist auch dann zutiefst provinziell, wenn die Provinzen beispielsweise Bundesländer heißen.

Diese Provinzialität hängt zum einen schon damit zusammen, dass in Provinz- und Landesregierungen in der Regel niemand mit einem sonderlichen volkswirtschaftlichen oder währungspolitischen Sachverstand sitzt. Ein solcher gehört ja nicht wirklich zur Job-Beschreibung, wenn jemand in die Regionalpolitik eintritt. Dort wird man meist nur dann erfolgreich, wenn  man möglichst viele Kreisverkehre, Kindergärten, Sommerfestivals oder Freizeiteinrichtungen eröffnet. Aber nicht, wenn man für Sparsamkeit, ausgeglichene Budgets und globale Wettbewerbsfähigkeit eintritt. Solche Eigenschaften werden von den Wählern – wenn überhaupt – dann höchstens nur bei Angehörigen von Zentralregierungen geschätzt.

Besonders schlimm wirkt sich der Provinzialismus aus, wenn sich die Provinz-Capos bei ihren Einnahmen nicht gegenüber dem Steuerzahler verantworten müssen, sondern nur beim jeweiligen Finanzminister ihr Geld zu holen haben. Wie es etwa in Österreich der Fall ist, wo (bis auf geringfügige Ausnahmen) der Finanzminister die Bürger sowohl für den Bund wie auch die Länder schröpft. Statt dass auch jede Landesregierung selber den Bürgern gegenüber ihre Einnahmen und Ausgaben rechtfertigen müsste.

Die Länder müssen in Österreich nur alle fünf Jahre das Verteilungsmatch gegen den Finanzminister gewinnen. Da gewinnt immer die Provinz. Dies schon deshalb – so absurd das eigentlich ist –, weil sie an politischer Artikulationsmacht neun Mal so viel Stimmgewicht haben wie der einsame Finanzminister. Das wird in den nächsten Wochen wohl auch Maria Fekter erleben. So wie ihre roten, blauen und schwarzen Vorläufer.

Sie hat es ja besonders schwer, weil sie gegen die Front der Landeshauptleute und Landesfinanzreferenten nicht einmal die Unterstützung des eigenen Bundeskanzlers hat. Dieser hält sich wie ein nur wenig interessierter Unbeteiligter abseits. Obwohl Werner Faymann eigentlich selber im Europäischen Rat der Regierungschefs die Verpflichtung auch zur Sparsamkeit der Bundesländer unterschrieben hat.

Bundesländer: Nur keine Sparregeln

Fekter will die Bundesländer zu dauerhaften Haushaltsregeln zwingen. Was die aber keinesfalls wollen. Damit machen die Landeshauptleute eines klar: Sie haben in keiner Weise verstanden, dass die Zeiten der Schuldenmacherei dauerhaft vorbei sind. Sie haben nicht verstanden, dass jedes einzelne Bundesland die Kreditwürdigkeit der ganzen Republik bedrohen kann.

Die Bundesländer hüllen ihre Sparunwilligkeit in einen Wust von Worten. So als ob es letztlich entscheidend wäre, was genau schon bei welcher Sitzung beschlossen worden ist. Es kann nur um eines gehen: Was ist notwendig und sinnvoll?

Noch absurder ist die Argumentation etwa des Wiener Landeshauptmannes, dass man zuerst wissen müsse, was man einnehmen werde, bevor man sich bei den Ausgaben zu Sparsamkeit verpflichten könne. Michael Häupl: „Man kann nicht künftige Ausgaben planen, ohne die Einnahmen zu kennen.“ Der natürlich gegebene Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben dürfte aber in einer logischen Welt nur dazu führen, dass man die Ausgaben stets anpassen oder so zurückhaltend planen muss, damit man stets mit den Einnahmen auskommt. Keinesfalls kann jedoch die Konsequenz aus diesem Zusammenhang sein, dass man bei den Ausgaben tun kann, was man will, weil halt niemand die Einnahmen im Voraus genau planen kann.

In der Volkswirtschaft und Konjunktur ist es eben nicht so wie bei Beamtengehältern, dass man schon zehn Jahre voraus genau weiß, was man verdienen wird (auch wenn die Wirtschaftsforschungsinstitute mit ihren aufs Zehntel Prozent genauen Prognosen diesen Eindruck zu erwecken versuchen – aber mit ihren Prognosen bekanntlich immer total falsch liegen).

Entmündigung als Ideallösung

Gewiss kann man den Fekterschen Plänen entgegenhalten, dass die Verdonnerung zu Strafzahlungen für ein schon überschuldetes Bundesland irgendwie kontraproduktiv ist. Die Exekution von Strafzahlungen ist in einem konkreten Anlassfall ökonomisch wie politisch kaum durchzustehen.

Aber die Alternative kann ja nicht darin bestehen, dass die Bundesländer weiterhin ungehindert sündigen dürfen. Die wahre und wirklich sinnvolle Alternative wäre es, ein unerlaubte Defizite produzierendes Bundesland zu entmündigen, ihm einfach bestimmte Ausgaben zu verbieten, das Land zum Abbau von Beamten und zum Verkauf von Landesbetrieben zu zwingen. So wie es ein Bundesland gegenüber einer bankrotten Gemeinde tun kann. So wie es die EU nun in ersten Ansätzen gegenüber sündigen Mitgliedsstaaten tut. Da aber die Bundesländer Niederösterreich, Kärnten und Wien auf Grund ihrer Schuldensucht als erste besachwaltert werden müssten, ist es klar, dass eine solche Konstruktion erst nach einer noch viel größeren Krise kommen wird. Derzeit sind die drei Landesfürsten in all ihrer dumpfen Engstirnigkeit die politischen Schwergewichte ihrer Partei. Und sie können dort alles verhindern.

Aber auch bei den nun diskutierten Plänen automatischer Strafzahlungen wird von den stolzen Plänen der Ministerin halt kaum etwas überbleiben. Die Landeshauptleute wollen nur eines: wiedergewählt werden und nicht sparen.

SPD-Hilfe für Fekter

Viel besser waren die Karten der Ministerin gegenüber der Schweiz. Da hat sie wider alle Prophezeiungen von Opposition und Skeptikern sehr rasch und schnell das Abkommen zur Besteuerung der Gelder von Auslandsösterreichern durchgebracht. Was ihr zusammen mit den zuletzt überraschend breit fließenden Steuereinnahmen hilft, das Defizit zu reduzieren (vom Schuldenabbau sind wir freilich noch weit entfernt).

Das ist ein schöner Erfolg für die hantige Oberösterreicherin. Fekter hat dabei zweifellos von dem populistischen Taktieren der deutschen Linksparteien profitiert, die vorerst das parallele Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz sabotieren. Sie lehnen – zumindest bis zu den nächsten Regionalwahlen – aus taktischen Gründen ein solches Abkommen ab. Das hat wiederum die Schweiz dazu motiviert, möglichst rasch und unkompliziert mit den Österreichern zu verhandeln, um so die Fronten der Gegner aufzuspalten.

Besser die Milliarde in der Hand als die reine Lehre auf dem Dach

Das Herumstänkern eines pensionierten Wiener Universitätsprofessors gegen ein solches Abkommen ist absurd. Denn die Alternative wäre lediglich, dass Österreich vorerst gar kein Geld bekommt. Statt eines Abkommens nur darauf zu warten, dass die EU eines Tages kollektiv die Schweiz dazu zwingen kann, die Namen und Daten aller ausländischen Kontobesitzer herzugeben, kann noch Jahre dauern. Wenn es überhaupt jemals so weit sein wird. In dieser Zeit würde kein Geld nach Österreich fließen.

Außerdem sind die meisten Gelder aus Österreich schon so lange in der Schweiz, dass alle Steuervergehen inzwischen verjährt sind. Daher würde auch eine konkrete Nennung der Namen von Geld-Flüchtlingen durch die Schweiz nichts bringen.

Echte Steuerhinterzieher haben in den letzten Jahren daher meist längst den Weg in asiatische und lateinamerikanische Destinationen angetreten. Wer heute Geld in der Schweiz hat, tut dies überwiegend nur noch deshalb, weil er darauf vertraut, dass dort das Geld sicherer angelegt ist als in Österreich. Und dass sich der Franken besser entwickeln wird als der Euro. Was beides keine ganz grundlosen Annahmen sind.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Rettersyndrom mit Infrarot oder: Das Lob des Nichts-Tuns

10. April 2012 00:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist in 90 Prozent der Fälle das Beste und Richtigste, was Politiker tun sollten: Nichts. Aber gerade das fällt ihnen am schwersten. Weil sie doch wichtig sein wollen. Weil Nichts-Tun doch unpopulär klingt. Weil der elektronische und gedruckte Boulevard doch ständig nach hektischer Aktivität der Politik ruft. Gerade noch das Osterwetter hat man ihnen bisher nicht zur Rettung aufgehalst – während sie aber schon längst sogar das Weltklima ununterbrochen retten sollen und wollen.

Diese Klimarettung wird ja mit großer Sicherheit einst in die Geschichtsbücher als die große vielbelachte Skurrilität dieser Epochen eingehen. Ähnlich dem Glauben an den Weltuntergang rund um das Jahr 1000 oder ein paar Jahrhunderte später jenem an die Erde als Mittelpunkt des Weltalls.

Aber abgesehen vom Kriegführen haben die Politiker durch ihr Tun, durch ihre Einbildung, ständig etwas retten zu müssen, zweifellos in der Wirtschaft den größten Schaden angerichtet. Nur einige aktuelle Beispiele für verheerende Folgen des Rettungs-Wahns der Politik: So ermöglichte es die Rettung der ÖVAG (Österreichs oberster Volksbank) durch die Politik dem ganzen Volksbank-Sektor, sofort wieder aggressiv die Konkurrenz anzugreifen. Aus Tirol berichtet die Bank Austria etwa von einer Volksbank, die ihren Kunden zusammen mit der Wohnfinanzierung für zwei Jahre eine Eigenheimversicherung und dazu eine Infrarotkabine im Wert von 5390 Euro schenkt. Was unter normalen Umständen ein lustiger Wettbewerb ist, wird durch das Eingreifen des Staates kriminell.

Denn die Konkurrenz ist zu Recht empört: Bedient sich doch die Politik für ihre Rettungsaktionen zunehmend in den Kassen jener Banken, die überhaupt noch eine solche an Stelle eines riesigen Lochs haben. Das Maximalste, was die Politik bei der ÖVAG genauso wie bei der Hypo-Alpen-Adria tun hätte sollen, wäre es gewesen, eine geordnete Abwicklung sicherzustellen, also ein chaosfreies Zusperren.

Aber durch ihr ständiges manisches Helfersyndrom macht sie alles noch viel schlimmer. Wenn man nämlich verhindert, dass kranke Firmen sterben, wenn man diese zu Lasten der gesunden rettet, macht man eine ganze Branche kaputt. Und es gibt nur wenige Bankexperten, die nicht überzeugt sind, dass es in Österreich viel zu viele Banken gibt.

Schumpeters mutiges Rezept

Der große österreichische Ökonom Joseph Schumpeter hat daher auch schon vor über hundert Jahren das Hohelied der schöpferischen Zerstörung gesungen. Nur wenn man das Alte sterben lässt, kann Neues, Besseres, Zukunftsfähiges entstehen. Denn weder im Leben noch in der Wirtschaft kann es etwas Ewiges geben. Und so schmerzhaft es auch ist, wenn altvertraute Firmen und Arbeitsplätze untergehen, so sehr ist dieser Untergang doch notwendig, um den Wohlstand aller zu verteidigen.

Das hat auch die deutsche Politik nicht begriffen, so gut Deutschland – als Folge von zwei Jahrzehnten gewerkschaftlicher Lohnzurückhaltung – heute an sich im Vergleich zum Rest der Eurozone dasteht. Aber dennoch gilt: Auch Europas stärkstes Land wird sich noch ein paar Kapitalfehler wie die Rettung von Opel nicht leisten können. Opel war und ist einfach in dem mit gewaltigen Überkapazitäten ausgestatteten globalen Automarkt ebensowenig überlebensfähig wie Italiens Fiat.

Aber die Politik begreift das nicht. Oder sie traut sich nicht, es den Wählern zu sagen. Wie auch das nächste Beispiel zeigt: Vor allem die SPD, aber auch die CDU und die Grünen wollen nun mit Steuergeld die Drogeriekette Schlecker retten. Als ob es in Deutschland zu wenig solcher Ketten gäbe. Als ob die Konsumenten nur aus Blödheit Schlecker gemieden hätten.

Zum Glück hat die FDP bisher diese teure „Rettung“ verhindern können. Aber niemand weiß, wie lange es diese Partei überhaupt noch gibt. Nach ihrem Tod wäre dem wirtschaftspolitischen Populismus auch in Deutschland überhaupt jedes Tor geöffnet. Denn auch bei der SPD geben nicht mehr die relativ mutigen Münteferings und Schröders den Ton an. Und ob sich Steinbrück durchsetzt, ist mehr als zweifelhaft.

Zwischen Schweden und Österreich

Schweden hingegen hat das Glück einer mutigeren und weniger populistischen Regierung: Unter konservativer Führung hat sich das Land bisher konsequent geweigert, den maroden Autokonzern Saab zu retten. Es ist also kein Wunder, dass Schweden heute das Land ist, in das viele Investoren strömen. Sie wissen zwar, dass die Löhne dort hoch sind. Aber sie wissen auch, dass sie dort nicht wie anderswo ausgeraubt werden, um kostspielige Rettungsaktionen der Politik zu finanzieren.

Sie wissen auch, dass sie dort nicht im österreichischen Ausmaß vom Sozialstaat schikaniert werden: So gibt es etwa in Schweden viel weniger Krankenstandstage, weil jeweils der erste Tag vom Gehalt oder Urlaub abgezogen wird. Was vor allem an Mon- und Freitagen die Präsenz der Arbeitnehmer unglaublich erhöht hat.

Ganz anders in Österreich: Hier hat die Regierung schon in der ersten „Rettungs“-Phase nach Ausbruch der Krise (noch unter Josef Pröll und dem Boulevard-Frühstücksdirektor Werner Faymann) Banken- und Kursgewinnsteuern eingeführt. Heute steht sie vor den Trümmern dieser Politik, ignoriert das aber: Der Umsatz der Wiener Börse ist binnen eines Jahres um nicht weniger als 52 Prozent eingebrochen. Und vergleicht man mit einem fünf Jahre zurückliegenden Zeitpunkt, dann waren damals die Börseumsätze in Wien sogar viermal höher.

Was interessiert mich die Börse, werden da manche fragen. Nun: die Börse ist der international übliche Platz, wo sich Unternehmen das Geld zum Aus- und Aufbau holen. Diese Funktion wird in Zeiten doppelt wichtig, da die Kreditvergabe an Unternehmen auf Grund einer Vielzahl chaotisch und überlappend in Kraft tretender neuer Regulierungsbemühungen der internationalen und österreichischen Politik deutlich schwieriger wird. Gleichzeitig ist ja auch die Sparquote der österreichischen Haushalte dramatisch abgestürzt.

Wenn sich aber die Wirtschaft nicht mehr refinanzieren kann, dann gibt es weniger Arbeitsplätze und weniger Steuereinnahmen. Insofern ist die Börse also für alle wichtig und nicht nur ein Teufelszeug des Karl-Heinz Grasser.

Crashkurs Solarenergie

Ein ähnliches Chaos hat die Politik auch beim Stichwort Alternativenergien angerichtet. Dort ließ sie sich von geschickten und mit der grünmedialen Hysteriemaschinerie verbündeten Geschäftemachern in eine Panik treiben, dass die Welt bald aus Schuld der Menschen den Hitzetod sterben werde. Die europäische Politik hat deshalb die Förderungen für Alternativenergien so gewaltig in die Höhe getrieben, dass das schlimme Konsequenzen hat: Viele Arbeitsplätze wurden angesichts der (zur Finanzierung dieser Förderungen) überhöhten Energiekosten abgebaut oder ins nichteuropäische Ausland transferiert.

Eine Zeitlang konnte sich die Regierungen von Spanien bis ins Wiener Landwirtschaftsministerium rühmen, dass sie dafür viele „Grüne Jobs“ geschaffen hätten. Was jedoch eine Selbsttäuschung war. Denn dabei wurden weit mehr Jobs zerstört als neu geschaffen. Und inzwischen brechen auch diese Grünen Jobs schon wieder nach der Reihe weg. Vor allem China produziert heute billig und massenweise die Solarzellen, die den europäischen Alternativenergiemarkt überschwemmen und von den Förderungen profitieren.Während die europäischen und amerikanischen Fabriken überschuldet zusperren müssen.

Selbst der linke „Spiegel“ musste dieser Tage angesichts einiger Megapleiten zwischen Amerika und Europa zugeben: „Die Asiaten haben die hiesigen Firmen uneinholbar abgehängt – Hauptgrund dafür ist ausgerechnet der Förder-Boom der letzten Jahre.“ Die europäischen Produzenten haben sich auf die fetten Förderungen verlassen und auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit vergessen.

Jetzt ist das Fördergeld weg. Und die Politik muss zugleich verschämt ihr Eigenlob als Retterin des Klimas und Schöpferin vieler grüner Jobs verräumen.

Das heißt nun nicht, dass Solarenergie keine Zukunft hat. Aber diese hat sie nur im sonnigen Süden und nicht im oft wochenlang von Wolken und Nebel bedeckten Deutschland oder Österreich. Und jedenfalls hat sie erst dann eine Zukunft, wenn sie konkurrenzfähig ist. Also wenn die Energiepreise auf Grund der  wachsenden Nachfrage so weit gestiegen sind, dass sich auch Solaranalagen ohne Förderungen zu Lasten Dritter rentieren.

Angesichts der hohen Förderungen hat auch weitgehend der entscheidende Anreiz gefehlt, intensiv nach billigen und effizienten Alternativenergien zu forschen. Forschung funktioniert aber immer besser, wenn sich die Wirtschaft ohne wichtigmacherische – dabei jedoch populistisch auf jeden Modetrend hineinfallende – staatliche Einmischung ganz nach dem Marktbedingungen richten kann und muss. Denn nur dann kann sie der angewandten Forschung auch eine sinnvolle Richtung vorgeben.

Innovation statt Bewahren

Diese vielen handfesten Beispiele zeigen: Die Politik soll sich möglichst draußen halten. Fast jedes Mal, wenn sie sich einmischt, entsteht Schaden, oft an ganz unerwarteter  Stelle.

Auch Schumpeter und die Theoretiker der Österreichischen Schule der Nationalökonomie haben schon lange gezeigt: Wirtschaft lebt von der Innovation und Anpassungsfähigkeit, nicht vom Bewahren. Auch wenn dieses sehr populär ist. Aber das Bewahren wirtschaftlicher Strukturen bedeutet in Wahrheit, dass die europäischen Ökonomien auf einen historischen Stand eingefroren würden.

Man denke nur an die Konsequenzen, wenn schon im Gegensatz zur industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts das Bewahren angesagt gewesen wäre: Dann wäre noch mehr als die Hälfte der Menschen in der Landwirtschaft tätig, unter oft erbärmlichen, jedem Unwetter und jeder Dürre ausgesetzten Lebensumständen. Und mit der halben Lebenserwartung von heute.

Unternehmerische Initiative bringt ständige Änderung, Sterben und Neuentstehen. Aber wer sich dem verweigert, stirbt am sichersten. Oder um noch einmal den „Spiegel“ zu zitieren: „Es nutzt dem letzten Hersteller von Kutschen nichts, wenn er seine internen Prozesse und sein Marketing optimiert, wenn die Menschen Automobile verlangen.“

Gelddrucken ist keine Alternative

Und es nutzt schon gar nichts, wenn Europa glaubt, die notwendigen Anpassungen seiner Wirtschaft und vor allem seiner maßlos aufgeblähten Sozialsysteme durch hektisches Drucken von neuem Geld vermeiden zu können. Zwar hat die gigantische Billion Euro, mit denen die EZB die Märkte überschwemmt hat, ein paar Monate lang die Krise wegspülen können. Aber die Überflutungsmethode wirkt immer weniger und immer kürzer: So sind in Spanien schon vor Ostern die Zinsen für die dortigen Staatsanleihen wieder in unfinanzierbare Höhen gestiegen.

Während die Deutschen für zehnjährige Staatsanleihen deutlich weniger als 2 Prozent zahlen müssen, müssen die Spanier  dem Markt trotz der Geldflut inzwischen schon wieder 5,7 Prozent bieten. Was sie nie und nimmer finanzieren können. Beträgt doch die spanische Arbeitslosigkeit jetzt schon 23 Prozent. Und schon die Hälfte der Jungen findet keinen Job mehr – weil der Staat in einer früheren Phase des Rettersyndroms die Jobs so sehr verteuert und auf Gewerkschaftsverlangen „sicher“ (=unkündbar) gemacht hat, dass fast kein Arbeitgeber mehr neue Dauerjobs anbietet.

Aber eines ist absolut gewiss: Eine Rettung Spaniens nach dem Muster Griechenlands würde sämtliche Kräfte Europas überfordern. Selbst wenn sich seine Regierungschefs noch so sehr um kollektives Retter-Gehabe bemühen. Gleichzeitig könnte aber die soziale Unzufriedenheit in dem heißblütigen Land in absehbarer Zeit zu einer Explosion führen, von der niemand unberührt bleibt. Dann aber kann niemand mehr irgendwen retten, weil wir schon so viel gerettet haben.

PS.: Politikern fiele das Nichts-tun übrigens auch dann viel leichter, wenn es viel weniger von ihnen gäbe. Denn jeder Abgeordnete, jeder Minister, jeder Landesrat mehr will zusätzliche Spuren ins Buch der Geschichte eingravieren, also in Wahrheit zusätzliche Schäden verursachen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Alois- und Nikolaus-Guck-in-die-Luft

09. April 2012 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Gebannt blicken wir in die Luft – und übersehen völlig das, was sich unter unseren Füßen abspielt. Wir (Wir? Oder nur die politisch-mediale-geschäftemachende Klasse?) fürchten uns panisch vor der angeblichen Klimaveränderung durch einen angeblichen Treibhauseffekt, die sich angeblich negativ auswirkt. Und wir ignorieren völlig, dass wir zur gleichen Zeit unser Trinkwasser ständig mehr verschmutzen.

Um ehrlich zu sein: Es geht erstens „nur“ um jenes Trinkwasser, das aus dem Grundwasser gewonnen wird, und nicht um jenes aus Bergquellen oberhalb jeder landwirtschaftlichen Nutzung. Und zweitens ignoriert die Regierung diese Bedrohung nicht, sondern handelt: indem sie die Grenzwerte für Pestizide und deren Rückstände im Wasser heimlich, still und leise hinaufzusetzen versucht.

Es gibt aber auch Stimmen, die davor warnen: Die Vorsitzende der „Codex-Unterkommission Wasser“ und Hygiene-Professorin an der Wiener Medizin-Uni, Regina Sommer, schrieb an das Gesundheitsministerium im Vorjahr einen dramatischen, wenn auch bisher nicht öffentlichen Brief. Dieser löste freilich keine Reaktion aus, obwohl darin etwa zu lesen ist: „Die Codex-UK Trinkwasser geht davon aus, dass ohne Verstärkung des Grundwasserschutzes die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung in Österreich mit nativem Grundwasser zukünftig nicht mehr im bisherigen Umfang sichergestellt werden kann.“

Die Experten der Kommission haben erkannt, „dass die Anzahl und die Konzentrationen an von Pflanzenschutzmitteln stammenden Metaboliten im Grundwasser und damit im Trinkwasser stetig ansteigen“. Sie befürchten, „dass sich bei Fortdauer der bisher geübten landwirtschaftlichen Praxis die Anzahl der im Grundwasser enthaltenen Pestizide und Metaboliten weiter erhöhen wird“. Das stelle „für die Trinkwasserversorgung eine bedenkliche und daher nicht zu tolerierende Entwicklung“ dar.

Auch wenn man kein Chemiker ist, macht es fassungslos, wie tatenlos Gesundheitsminister Alois Stöger diese Entwicklung hinnimmt. Aber auch die grünen Kampfmaschinen sind wieder einmal auf völlig falschen Wegen unterwegs. NGOs und Medien haben, statt für gutes Wasser zu kämpfen, gemeinsam mit Stöger eine neue Schikane für die Schweinebauern durchgesetzt. Damit werden die Bauern an einer völlig überflüssigen Stelle schikaniert. Es wurde nämlich die sogenannte Kastenstandshaltung eingeschränkt, die zum Schutz von jungen Ferkeln vor dem Erdrücktwerden praktiziert wird. Diese Praxis der Käfighaltung schränkt zugunsten der Ferkel möglicherweise die „Menschenrechte“ einer Muttersau ein, bedroht aber keinen Menschen. Eine solche Verkehrung der Werte ist freilich typisch für die grüne Denkweise.

Schwarze, rote und blaue Politik haben unter Anleitung grüner Hetzvereine aber sehr wohl der Landwirtschaft Fesseln angelegt: jedoch nicht beim Wasservergiften, sondern beim Einsatz von genveränderten Saat- und Futtermitteln. Diese sind zwar schon in vielen Ländern der Welt zur Sicherung der Nahrungsversorgung problemlos im Einsatz. Diese sind nach allen vorliegenden wissenschaftlichen Ergebnissen für Mensch und Tier unschädlich. Diese sind ja nichts anderes als moderne Formen der traditionellen Veränderungen von Saat- und Futtermitteln durch Züchtungen, Kreuzungen und Veredelungen.

Aber sie werden dennoch hierzulande mit einer religiösen Inbrunst und Engstirnigkeit verfolgt, die schon an die Christenverfolgungen der alten Römer, die antijüdischen Pogrome des Mittelalters (und etlicher späterer Perioden) oder die Hasskampagnen und Vertreibungen durch Reformation und Gegenreformation erinnern.

Dabei könnte durch etliche solcher hierzulande verbannter Pflanzen jede Menge an Pestiziden&Co überflüssig gemacht werden. Und ohne dass wir auf den Lebensstandard des Mittelalters zurückfallen, wie es ja eine Umsetzung aller Vorschläge von Greenpeace, Attac, Global 2000 und Occupy mit sich brächte.

Dem Umwelt- und Landwirtschaftsminister, unserem berühmten Nikolaus Berlakovich, liegt der Grundwasserschutz nur in einem einzigen Fall am Herzen: nämlich dort, wo er mit einer vermeintlichen Schutzmaßnahme zugleich großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten kann. Er will nämlich den Abbau der neuentdeckten großen Gasvorräte unter dem Weinviertel verbieten. Dabei interessiert es ihn nicht, dass durch diese Vorräte die österreichische Gasversorgung für mindestens drei Jahrzehnte gesichert werden könnte. Dabei interessiert ihn auch die Debatte nicht, wieweit die dabei eingesetzten Abbaumethoden überhaupt schädlich sind. Dabei interessiert ihn auch nicht, dass fürs Wasser der Chemieeinsatz in der Landwirtschaft jedenfalls österreichweit schädlich ist – und nicht nur eventuell in einem relativ kleinen Gebiet.

Und schon gar nicht nimmt die österreichische wie auch die europäische „Umwelt“-Politik Rücksicht darauf, dass der geförderte Anbau von Biosprit die größte Bedrohung für die Lebensmittelversorgung der Menschheit darstellt. Wegen der imaginären Global-Warming-Thesen werden ja immer größere Flächen des Planeten für die Erzeugung von Treibstoff verwendet. Was noch unsinniger ist als die großflächige Zerstörung des Landschaftsbildes samt akustischer Umweltverschmutzung durch Zehntausende Windmühlen, die in den nächsten Jahren noch gebaut werden. Aber an ihnen verdienen Bauern und Gemeinden gut. Dabei sind diese Windmühlen bis heute trotz krisenbedingt gestiegener Ölpreise nicht konkurrenzfähig, sondern müssen durch Zwangsgebühren subventioniert werden. Was im übrigen für die diversen Solarenergieformen nördlich der Alpen noch viel mehr zutrifft.

Aber an all diesen Dummheiten verdienen schon große Industrien und Agrarkonzerne, die in strategisch enger Allianz mit sogenannten Umweltschützern stecken. Daher werden sie weiter betrieben und von vielen Gutmenschworten, allen Parteien und auch den meisten Kirchenfunktionären unterstützt. Leichte Hoffnung auf ein Umdenken in zumindest einem Bereich kommt erst auf, seit die meisten Solarpaneele aus China kommen, was vielleicht doch die europäische Politik ein wenig umdenken lässt.

Beim Schutz des Trinkwassers ist aber niemand zu einem Umdenken bereit. Und es wird munter weiter versaut. Weil Bauern und Düngerindustrie verdienen.

Drucken

Die Deutschen sind reicher geworden, weil ihre Gewerkschaften am diszipliniertesten waren

06. April 2012 13:28 | Autor: Andreas Unterberger

Lohnentwicklung der EU-Staaten 2000-2011 anhand der Arbeitnehmerentgelte in Milliarden und Steigerung in Prozent

 

Staat 2000 2011 Steigerung
Slowakei 8,98 25,89 188,3
Estland 2,79 7,45 167,0
Zypern 4,30 8,12 88,8
Luxemburg 10,16 18,57 82,7
Slowenien 11,06 18,96 71,4
Irland 41,85 69,36 65,7
Spanien 312,17 501,57 60,7
Griechenland 45,86 73,59 60,5
Finnland 62,39 96,01 54,0
Malta 1,89 2,85 50,8
Belgien 128,42 190,85 48,6
Niederlande 211,80 206,47 44,7
Italien 469,80 668,30 42,3
Österreich 106,89 149,68 40,0
Frankreich 749,53 1.029,99 37,4
Portugal 62,62 85,77 37,0
Deutschland 1.114,09 1.135,11 18,2
Bulgarien 5,09 14,30 180,9
Tschechien 25,70 65,01 153,0
Litauen 4,88 12,08 147,5
Lettland 3,51 8,37 138,5
Ungarn 22,58 44,31 96,2
Dänemark 91,26 132,19 44,8
Polen 74,71 131,80 76,4
Schweden 146,93 203,23 38,3
Ver. Königreich 873,39 943,79 8,1
Rumänien 51,01
EU-27 4,608,65 6,212,17 34,8

Quelle: Eurostat

Drucken

Die Österreicher sparen nicht mehr

06. April 2012 13:13 | Autor: Andreas Unterberger

Verhältnis von gespartem Vermögen zu verfügbarem Einkommen quartalsmäßig in Prozent

 

Drucken

Telekomitis oder: Die Dummheit des kleinen Aktionärs

05. April 2012 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Irgendwie hätte ich es ja wissen müssen. Dennoch habe ich mir vor Jahren ein paar Telekom-Aktien zugelegt. Es brauchte aber eigentlich keine Insiderinformation, um zu wissen: Je teurer eine Marketing-Kampagne ist, umso weniger bleibt für die Aktionäre. Und es braucht erst recht keine Insiderinformation, um zu erkennen, dass man als kleiner Aktionär immer der blöde ist, wenn der Staat der dominierende Eigentümer ist.

Dieser kann ja nur durch Politiker handeln. Und die haben nie die Interessen eines kleinen Shareholders im Auge, der damit für sein Alter vorsorgen will. Sie haben nur eines im Kopf: Sie wollen bei der nächsten Wahl wiedergewählt werden. Die aber liegt in der Regel immer knapp bevor. Ihnen geht es nicht um eine langfristige Wertsicherung. Ihnen geht es auch nie um den kurzfristigen Ertrag. Es geht entweder um Wählerstimmen, etwa jene der Belegschaft. Oder es geht um Geld, mit dem man sich Wähler kaufen kann.

Was ich damals freilich nicht wissen konnte, war die Unfähigkeit und kriminelle Energie der Telekom-Führung. Die Unfähigkeit zeigte sich etwa im ständigen Umtaufen des Markennamens, von dem nur die jeweils aktiven Werbe- und PR-Agenturen profitierten: Einmal hat man einen, ein andermal zwei unterschiedliche Marken im gleichen Markt; dann tauft man sich wieder besonders grotesk um, in „Bummelzug-ins-Internet“ oder so ähnlich. Geldverbrennende Unfähigkeit zeigt sich auch daran, dass man bei fast jedem Event für die Cocktail-Klasse auf die Telekom als Sponsor stößt.

Unglaublich ist auch, dass aus den Computern der Telekom 200.000 Mails den Weg ins Freie zu Medien und Politikern finden konnten. Da fragt man sich schon, was die gegenwärtige Aufregung um die Rufdatenerfassung soll, bei der sechs Monate lang nur die Tatsache eines Gesprächs oder Mails gespeichert werden darf, aber nicht der Inhalt. Gleichzeitig können aber bei einer Firma, die Zugang zu allen Kundenmails und -telefonaten hat, auch noch nach Jahren Mails mit dem gesamten Inhalt (und eben nicht nur die angewählte Adresse) illegal an die Öffentlichkeit dringen.

Ein strategischer Privateigentümer wäre auch sofort mit viel mehr Energie der gigantischen Kursmanipulation nachgegangen, mit der sich eine Führungsmannschaft bereichert hat. Und völlig fassungslos ist man als Aktionär über das, was da zuletzt bekannt geworden ist: Ein (zum Glück) nervenschwacher Spitzenmanager, der selber besonders dick im Dreck steckt, lässt sich von den Staatsanwälten zum Auspacken bewegen. Er versucht sich, obwohl selbst Haupttäter, als Kronzeuge gegen seine Mittäter in die Straffreiheit zu retten. Die Telekom ist seither als Selbstbedienungsladen für alle Parteien entlarvt, insbesondere die jeweils regierenden. Sie ist ein Unternehmen, dessen rote Führung sich nach dem Machtwechsel durch hemmungslose Bestechung das Wohlwollen der blau-orangen Ressortführung kaufen wollte.

Alles ziemlich grauslich.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken

Die Geschichte der Krise oder: Wenn ein Dauersieger im Wettbewerb untergeht

03. April 2012 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn einer eine Krise durchlebt, dann kann er was erzählen. Mit den Erzählungen über die Krise der letzten vier Jahre gibt es freilich ein großes Problem: Es kursieren so viele Geschichten über die Krise, so viele teils bewusste Lügen und Ablenkungs-Stories, so viele Irrtümer und Varianten des Wunschdenkens, dass sich die ganze Wahrheit zu dieser Krisen nur noch schwer durchzusetzen vermag.

In drei zentralen Gedanken das, was man heute nach bestem Wissen und Gewissen als Zusammenfassung dessen sagen kann, warum es zu dieser Krise gekommen ist (ganz abgesehen davon, dass es immer Krisen gegeben hat und geben  wird) und was sie bedeutet:

Erstens: All die Stories von Gier, Spekulation und zu kompliziert gewordenen Finanzprodukten erklären gar nichts; denn Gier und Spekulation gibt es, seit es Menschen gibt, ebenso wie scheinbar zu kompliziert gewordene Zusammenhänge; deshalb haben die linken Krisenerklärer Unrecht, die als Krisenursache beklagen, dass heute die Ökonomie mächtiger als die Politik ist; denn das war sie immer.

Zweitens: Viel größere, aber dennoch keine alleine ausreichende Erklärungskraft haben die Hinweise auf eine blasenbildungsfördernde Geld- und Subventionspolitik in Europa, Japan und Amerika, sowie auf die exzessiven und auf historisches Rekordniveau gekletterten Staatsverschuldungen vieler Länder.

Drittens, eine fundamentale historische Erklärung steht über all diesen Faktoren: Die genannten drei Regionen, die in den letzten Jahrhunderten die Weltwirtschaft und damit auch die Weltpolitik beherrscht haben, sind im globalen Wettbewerb gegen die aufstrebenden Schwellenländer entscheidend zurückgefallen, was sich lange nicht, aber dann im plötzlichen großen Erdbeben der Krise umso heftiger gezeigt hat.

Spanien und Irland waren gering verschuldet

Dass die Krise mehr mit Wettbewerbsveränderungen als mit Staatsverschuldung alleine zu tun haben muss, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass keineswegs alle jener Staaten, die heute so heftig von der Krise erschüttert werden, vor der Krise eine hohe Staatsverschuldung gehabt haben. In Spanien und Irland war diese – im Gegensatz zu Griechenland und Portugal – sogar besonders niedrig. In diesen beiden Ländern war dafür die Privatverschuldung gegenüber dem Ausland besonders hoch (von Banken, Unternehmen, Privaten).

Allen Krisenländern gemeinsam ist damit, dass sie mehr Produkte und Leistungen des Auslandes konsumiert haben, als sie dem Ausland verkaufen konnten. Sie hatten insgesamt eine hohe Außenverschuldung (egal ob staatlich oder privat) und damit ein großes Zahlungsbilanzdefizit. Das sind zwangsläufige Folgen einer geschrumpften Wettbewerbsfähigkeit. Ein solches „Geschäftsmodell“ muss früher oder später kollabieren.

Nicht der Euro ist schuld, sondern seine falsche Nutzung

Daran ist aber auch nicht der „Euro“ an sich schuld, wie manche Anhänger von Verschwörungstheorien meinen. Jedoch: Der Euro ermöglichte es ein Jahrzehnt lang den südeuropäischen Krisenländern, anstrengungsfrei gut zu leben. Ungeachtet der Tatsache, dass sie die zuvor durch ständige Abwertungen immer halbwegs verteidigte Wettbewerbsfähigkeit gleichzeitig stark absinken ließen.

Die Geldverleiher, die „Märkte“, haben ihnen viel zu billig viel zu viel Geld geborgt; sie haben sich in einem blamablen Vergessen wirtschaftlicher Grundtatsachen zehn Jahre lang nicht mehr die Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner angeschaut; sie haben irgendwie an eine magische Wirkung einer gemeinsamen Währung geglaubt. Das Umdenken geschah dann umso heftiger.

Die Ursachen dieses Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit sind vielfach und werden sicher noch Anlass zu spannenden Analysen sein. Eine zentrale Ursache der Krise ist jedenfalls, auch wenn es aufs erste paradox klingt, der unglaubliche Erfolg des westlichen Modells. Europa und Amerika haben seit einem halben Jahrtausend einen unglaublichen Aufstieg erlebt. Sie haben ökonomisch, kulturell, politisch die Welt beherrscht. Dieser Aufstieg hat sich in den letzten beiden Generationen seit dem Weltkrieg noch einmal vervielfacht, vor allem weil das EU-Europa zugleich die längste Friedensperiode der Geschichte genossen hat.

Zusammen mit der Nutzung zahlloser wissenschaftlicher Erkenntnisse, mit den Vorteilen einer globalisierten Wirtschaft, mit dem Nutzen eines halbwegs funktionierenden Marktes, mit stabilen demokratischen Verhältnissen, mit der Basis eines korrekten Rechtsstaats hat diese Periode den Menschen zuvor Ungeahntes ermöglicht, den weitaus höchsten  Massen-Wohlstand der Geschichte und eine Rekord-Lebenserwartung bei guter Gesundheit.

Der Sündenkatalog

Aber diese Periode hat Europa selbstzufrieden und müde gemacht. Mit fatalen Konsequenzen auf allen genannten Feldern.

  1. Die schlimmste Katastrophe ist zweifellos der Wohlfahrtsstaat, der in den letzten Jahrzehnten mit zunehmender Verschuldung erkauft worden ist, der immer mehr Menschen ein konsumorientiertes Leben ermöglicht hat, der zugleich viele Bürger und damit auch die Politik die Grundlagen des früheren Erfolges vergessen ließ;
  2. Die Menschen waren sich immer weniger der Notwendigkeit von Leistung und Anstrengung bewusst;
  3. die Schicht wirklicher Leistungsträger wurde durch immer höhere Auflagen und Steuern demotiviert;
  4. immer mehr Menschen glaubten ernsthaft, die Durchsetzung politischer beziehungsweise sozialer Forderungen schaffe die Grundlage des Wohlstandes;
  5. Staaten und EU lähmten die Wirtschaft mit einer ständig wachsenden Fülle von ökologisch, sozial, gesundheitlich und obrigkeitsstaatlich begründeten Regeln und Vorschriften, womit die europäischen Unternehmen im Wettbewerb gegen die sehr freien Konkurrenten in Übersee ständig weiter zurückgeworfen wurden;
  6. zugleich gelang es Panikmachern, den Menschen mit dubiosen Parolen gegen Atome, Gene, Hormone oder Klimakatastrophen Angst vor der Wissenschaft zu machen;
  7. die Gewerkschaften trieben in Tateinheit mit populistischen Politikern die Lohn- und Sozialkosten ständig steiler in die Höhe, als sie zugleich in den konkurrierenden Schwellenländern anstiegen;
  8. dazu kommen zunehmend die Folgen der Geburtenverweigerung: Europa wie Japan werden im Rekordtempo älter. Das wird im nächsten Jahrzehnt zu einem Kippen der sozialen Balance führen. Die rasch schrumpfende Schicht der Arbeitenden wird sich zunehmend weigern, der riesigen Menge an alten Menschen den erhofften Ruhestand mit dem heutigen Pensionsniveau zu finanzieren. Und die Zuwanderer werden sich da erst recht weigern; hatte man ihnen doch Europa nur als ein sozialstaatliches Schlaraffenland vermittelt, das man ganz anstrengungsfrei konsumieren kann.

Aus all diesen und etlichen anderen Gründen weigern sich verständlicherweise China&Co, die heute auf Billionen von Dollar- und Euro-Noten aus ihren emsigen Exporten sitzen, dieses Geld so wie in den letzten Jahrzehnten in europäische Staatsanleihen und Banken zurückzuinvestieren. Sie kaufen sich lieber afrikanische Ländereien, um dort Landwirtschaft und Bergbau zur eigenen Versorgung zu betreiben, sowie europäische Spitzenindustrien, deren Knowhow sie brauchen.

Dementsprechend haben alle großen Schwellenstaaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), also die Machtzentren der Zukunft, die heute schon die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, in der Vorwoche bei einem Gipfeltreffen einhellig die egoistische und kurzsichtige Politik des Westens getadelt, sich durch wilde Geldvermehrung einen kurzfristigen Vorteil zu kaufen. Sie weigern sich auch, via Währungsfonds den Schuldenstaaten zu helfen.

Der schöne Schein des Krisen-Endes

Wieso scheint es dennoch seit einigen Wochen so, dass auch die zweite Welle der 2008 begonnenen Krise glimpflich vorbei wäre? Die Antwort ist ziemlich klar: Die europäischen und amerikanischen Zentralbanken drucken wie verrückt Geld, mit denen die Staaten (auf dem Umweg über die Banken) derzeit ihre alten Schulden in neue umwandeln. Das hat die unmittelbare Katastrophenstimmung gemildert. Dennoch versucht jeder sonstige Besitzer dieses Geldes dieses rasch in Sachwerte einzutauschen (seien es Qualitätsimmobilien oder Gold oder brasilianische Aktien).

Das ist natürlich ein Wirtschaftsmodell, das sehr bald platzen muss. Daher ist die Krise zweifellos nur kurzfristig unterbrochen.

Köstlich naiv ist der derzeit boomende Glaube vieler europäischer Politiker und Journalisten, man müsse nur die Dämme der diversen Krisenrettungsmechanismen hoch genug bauen, um jede Katastrophe verhindern zu können: 300 Milliarden, 500 Milliarden, 800 Milliarden, 1,3 Billionen, 10 Billionen: Fast im Wochentakt werden die Summen größer, die Dämme höher, mit denen ein Ausbrechen der Fluten verhindert werden soll.

Notenbanker zurück an die Uni

Aber die Finanzströme verhalten sich ähnlich wie die echten Hochwässer: Mit hohen Dämmen kann man zwar viele kleine Überflutungen verhindern. Kommt dann aber bisweilen das große Wasser, wird die Katastrophe umso größer. Irgendwann bricht immer irgendwo ein Damm, wenn der Druck zu groß wird; oder es steigen die Fluten einfach über jede denkbare Dammgröße hinaus und sind dann ein umso verheerenderer Schwall. Deswegen baut man ja jetzt beim echten Wasser wieder viele eng und hoch eingedämmte Flussläufe wieder zurück, lässt ihnen statt dessen in möglichst großen Flächen die Möglichkeit zur gefahrlosen Ausdehnung, um die menschlichen Behausungen selbst umso effektiver schützen zu können.

Vielleicht sollte man die Notenbanker und Regierungspolitiker Europas und Amerikas in eine Vorlesung über modernen Wasserbau schicken? Vielleicht lernen sie dann, dass man die Europäer in ihrer Unbeweglichkeit, wohlfahrtsstaatlichen Verfettung, Überalterung nicht durch immer höhere Schuldendämme vor den Folgen ihrer rasch schwindenden Wettbewerbsfähigkeit schützen kann. Sondern nur dadurch, dass man diese Wettbewerbsfähigkeit wieder offensiv verbessert. So wie es einst den Amerikanern nach dem Sputnik-Schock oder den Mitteleuropäern nach den Osmanen-Angriffen geglückt ist.

Die ToDo-Liste

Heute wäre natürlich - von der Annahme ausgehend, dass im Atomzeitalter die Auseinandersetzungen ehr wirtschaftlich und weniger militärisch sind - ein anderes, den Herausforderungen angepasstes Maßnahmenbündel nötig, durch das man die Wettbewerbsfähigkeit wieder erhöhen könnte:

Würden Europas Regierungen samt EU diese Ziele mit Schnelligkeit und großer Energie sowie Unterstützung der Menschen verfolgen, dann hätte dieser Kontinent noch eine Chance. Dann wäre das Hochziehen der Krisenpräventions-Dämme sogar sinnvoll, um zeitlich noch ein wenig Luft für die notwendigen Reformen zu gewinnen.

Die Schnellen zu bremsen statt die Langsamen zu beschleunigen?

Jedoch fehlt mir der Glaube, dass Europas Bürger diese Notwendigkeiten noch erkennen können. Weshalb die Politiker sie schon gar nicht erkennen wollen. Beide glauben in ihrer Mehrheit offenbar wirklich, dass durch diese Dämme aus Schulden die Folgen des Wettbewerbsverlustes dauerhaft abgewendet wären.

Ein epochaler Irrtum. Denn damit werden die teuren Schutzdämme zur Hauptursache der nächsten großen Krise. Als Folge konzentriert sich Europa jetzt nicht auf das knappe noch offen stehende Zeitfenster zur Wiedererlangung seiner Wettbewerbsfähigkeit, sondern glaubt offenbar wirklich, dass eine Fiskal- und Sozialunion die richtige Krisenprävention für die Zukunft herstellt.

Vor allem die Sozialdemokraten, aber auch etliche andere Parteien meinen: Wenn einmal die Löhne, Steuern und Sozialleistungen zwischen Griechenland und Deutschland (sowie allen anderen) angeglichen sind, wenn es also innerhalb Europas weniger Wettbewerb gibt, dann gewinnt Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit zurück. In Wahrheit aber tritt das genaue Gegenteil ein: Auch Deutschland und die paar noch halbwegs lebensfähigen Länder werden dann mit absoluter Sicherheit ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Dann gibt es kein böses Blut zwischen Deutschen und Griechen mehr, denn allen wird es gleich schlecht gehen.

Der Merksatz für alle weltfremden Theoretiker: Europa darf nicht seine Schnellsten bremsen, sondern muss die Langsamsten munter machen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Ein grauslicher Koalitions-Deal, ein heuchlerischer Journalismus

01. April 2012 12:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es gibt keine konkreten Beweise. Aber alle Indizien und einige gut informierte Quellen sprechen in die gleiche Richtung: Es gibt einen großangelegten rot-schwarzen Deal des Inhalts: Die beiden Parteien wollen mit einem unfassbaren Gegengeschäft die explodierende Korruptionsdebatten wieder einfangen. Ein solcher Deal ist noch widerlicher als jagende Politiker oder als 7500 ganz persönlich bestochene Journalisten.

Auf der einen Seite werden im U-Ausschuss plötzlich die Zeugenlisten beschnitten. Was offensichtlich im Interesse der ÖVP ist, die sich zuletzt in einer sehr exponierten Lage gesehen hat, weil nach blauen und orangen Verbindungen, Anfütterungen und Parteifinanzierungen mit einem üblen Hautgout zuletzt vor allem schwarze Verbindungen dieser Art bloßgestellt wurden. Die roten sind zwar genauso vorhanden, werden aber von den nur noch als reine SPÖ-Außenstelle agierenden Grünen nicht thematisiert. Und die meisten Medien – einzig der „Kurier“ bildet neuerdings eine bisweilen ungewohnt mutige Ausnahme – sind nur an Anti-ÖVP/FPÖ/BZÖ-Stories interessiert; stehen doch erstens ihre Redaktions-Mannschaften weit links, und sind sie doch zweitens in hohem Ausmaß durch SPÖ-Politiker bestochen.

Das Interesse der Volkspartei an einem Einfangen des U-Ausschusses hat im übrigen nach der Frauenchefin nun auch der Parteiobmann selbst geäußert. Was politisch eine arge Bankrotterklärung darstellt.

Dem steht auf der anderen Seite die ungeheuerliche Tatsache gegenüber, dass offensichtlich das Strafverfahren gegen Werner Faymann und Josef Ostermayer vor der Einstellung steht. Diese von linken Staatsanwälten gewünschte Einstellung könnte nur noch von der schwarzen Justizministerin verhindert werden. Was diese wohl nicht tun wird. Obwohl die beiden Herren ganz eindeutig die ÖBB und die Asfinag gezwungen haben, im parteipolitischen Interesse um große Summen bei bestimmten Medien zu inserieren, damit diese Faymann-freundlich schreiben. Was nichts anderes als Bestechung und Untreue ist, sowie eine Verletzung des Aktiengesetzes.

Das ist im übrigen ein klagbarer Vorwurf – dennoch haben sich die beiden Haupttäter bisher immer gehütet, dagegen zu klagen. Denn dann müssten ja viele Menschen unter Wahrheitspflicht öffentlich aussagen.

Nur sehr naive Menschen können daran glauben, dass es zwischen dem Einbremsen des U-Ausschusses und der Straffreiheit für die beiden Bestecher keinen Zusammenhang gibt. Auch wenn wir wahrscheinlich kein Protokoll finden werden, indem das Gegengeschäft ausdrücklich festgehalten wird. So etwas macht man sich ja als politischer Profi auch nur bei einem vertraulichen Frühstück ganz ohne Zeugen ganz ohne Schriftstück aus. Was natürlich nichts an der Ungeheuerlichkeit eines solchen Deals ändert.

Die Volkspartei begreift dabei übrigens nicht, dass sie damit wieder in eine Falle geht. Erstens erbringt sie ihre Leistung jetzt schon, während die Einstellung des Ausschusses noch in der Zukunft liegt. Und zweitens wird kein Deal die Grünen und die Medien daran hindern, auch weiterhin ein sehr einseitiges Bild der real existierenden Korruption zu zeichnen.

Die Jagd, die Bahn und die Medien

Noch ein Wort zum Thema Jagd, das vom grünmedialen Komplex ja zuletzt mit großem Erfolg in den Vordergrund gespielt worden ist.

Ich habe mit dem Thema Jagd ein ganz persönliches Problem. Ich kann bis heute nicht ganz nachvollziehen, was am Jagen außer dem Schnaps attraktiv sein soll. Mir müsste man wohl viel Geld zahlen, damit ich bei jedem Wetter mitten in der Nacht aufstehe, stundenlang friere, um dann mit zittriger Hand gar auf ein Wildtier anzulegen. Ich habe das Jagen immer eher verachtet, und bin immer davon ausgegangen, dass viele dabei so wie beim Golfen, Saufen oder In-eine-Loge-Eintreten nur mittun, weil es halt gut fürs Geschäft ist.

Tatsache ist freilich, dass man für all das kein Geld bekommt, sondern viel zahlen muss. Daher ist es bei einer Neuordnung der diversen Sauberkeitsregeln notwendig und gut, wenn die Jagd künftig ins gleiche Kapitel kommt wie die Entgegennahme von Bargeld. Wo ich sie bisher allerdings nie angesiedelt hatte.

Aber wenn wir schon von mehr Sauberkeit reden, dann sollten wir auch über jene reden, die sich am allermeisten über die diversen österreichischen Unsauberkeiten erregen: über die Journalisten. Wo thematisieren sie eigentlich selbst ihr eigenes Verhalten, ihre eigene Bestechlichkeit, ihr eigenen Anfütterungen?

Kleines Beispiel: Eine österreichische Bank mit starker Präsenz in Osteuropa lädt dortige Journalisten zur Präsentation der Bank-Bilanz nach Wien. Sie bekommt dabei in mehreren Städten eine Antwort, die sie in Wien noch nie zu hören bekommen hat: „Wollen Sie uns bestechen?“ Ost-Zeitungen haben mit diesem Argument die Einladung zu Flug und Hotel schlicht abgelehnt.

Was die österreichischen nie getan haben. Auch ich gebe zu, einst als Chefredakteur solche Reisen genehmigt (und an einigen selbst teilgenommen) zu haben – wenn auch mit der ausdrücklichen Weisung, sich bei der Berichterstattung durch die Einladung nicht beeinflussen zu lassen. Was aber wenig daran änderte, dass bestimmte Journalisten eine große Affinität zu bestimmten großzügigen Firmen hatten. Und haben.

 Die Journalisten sollten daher mit ein wenig mehr Demut auch vor der eigenen Tür kehren. Wenn sie es mit ihren vielen Antikorruptions-Artikeln ernst meinen, müssten sie ihre eigenen Gebräuche und Haltungen viel kritischer hinterfragen. Wenn da von allen Medien die Jagd (weil geldeswert) trotz ihres offenbar hohen kommunikativen Werts verpönt wird, muss das bitte auch bei solchen Einladungsreisen (weil geldeswert) trotz ihre hohen informativen Werts der Fall sein. Was vor allem angesichts der Macht und Privilegien der Medien wichtig ist.

Noch mehr gilt das für die Entgegennahme der ÖBB-Vorteilskarten: Die Staatsbahn hat an nicht weniger als 7500 Journalisten (bei dieser Menge müssen wohl auch die Portiere mit bedacht worden sein) Vorteilskarten zum halben Preis verteilt. Mit diesen zahlt man dann nicht nur den halben Preis, sondern man sitzt mit einem solchen Billigticket zweiter Klasse auch bequem in der ersten (gleich neben den zechenden Eisenbahnern). Plus Gratis-Platzkarte und Zutritt zu den Lounges.

So wie die politische Klasse muss daher auch die journalistische dringend ihre versumpfte Realität verändern, wenn sie noch irgendeine Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will. Denn welcher Leser oder Seher soll den Medien noch irgendetwas glauben, wenn sie – beispielsweise – über die ÖBB berichten, von der sie zugleich persönlich nutzbare Vorteile entgegennehmen?

Daher wäre es eine wirkliche Katastrophe, wenn der eingangs skizzierte Deal wirklich stattfindet. Dann hieße das endgültig: Zurück in den Sumpf!

 

Drucken

Fußnote 277: Ja dürfen die Schweizer das?

01. April 2012 12:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Egal wie man zu Steuerschwindlern steht, die ihr Geld in der Schweiz verstecken: Die Haltung der Eidgenossen imponiert.
Sie haben nun – wenn auch mit zwei Jahren Verspätung – Haftbefehle gegen jene deutschen Steuerfahnder ausgestellt, die eine nach Schweizer Recht eindeutig illegal entwendete Daten-CD mit Informationen über Tausende Bankdaten angekauft haben. Rechtlich ist das ein eindeutiges Delikt. Die Deutschen (vor allem die in ihrem Kern imperialistischen Linksparteien) zeigen sich aber in deutlichem Großmachtgehabe empört: Was sich die kleinen Schweizer da herausnehmen! Das Vorgehen der Schweizer freut den kleinen Österreicher aber nicht nur, weil es zeigt, dass sich auch ein kleines Land ernst nehmen kann, dass es nicht wie die österreichische Diplomatie ständig in die Knie gehen muss. Es ist darüber hinaus auch ein Signal, dass der Gier der immer verschwenderischer werdenden Behörden (ja, auch in Deutschland sind sie das, wenn auch nicht so arg wie in Österreich) bisweilen Grenzen gesetzt sind. So sehr es den normalen Steuerzahler auch ärgert, dass er selbst kein Signal gegen diese Gier setzen kann.

Drucken

Vom Tankstellensterben kaum eine Spur

31. März 2012 02:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Das Wehklagen der heimischen Tankstellenbetreiber wird immer lauter. Der Preiskampf nimmt immer brutalere Formen an. Die Spanne beim Treibstoffverkauf liegt zum Teil nur mehr bei drei Cent, notwendig wären zumindest sechs Cent. „Das ist schon grenzdebil“, meint ein Marktteilnehmer. Die Treibstoffnettopreise (also ohne Steuern und Abgaben) sind in Österreich so nieder wie kaum in einem anderen Land. Vor einigen Monaten waren die heimischen Preise in etwa gleichauf mit dem deutschen Nachbarn, inzwischen verlangen die Deutschen um fünf Cent mehr als die Österreicher. Politische Debatten, wie jüngst seitens des BZÖ, sind deshalb einfach nur mehr lächerlich.

Verschärft wird die Lage noch dadurch, dass in den ersten beiden Monaten 2012 der Treibstoffverkauf mengenmäßig in Österreich um rund acht Prozent zurückgegangen ist. Dabei dürften vor allem die großen Firmen Marktanteile verloren haben. Erschwerend könnte nach Meinung von Marktbeobachtern auch sein, dass einige Gruppen verstärkt auf die Automatenschiene setzen (OMV via Avanti, BP, Doppler mit Turmöl) und damit ihren Bedienungstankstellen Geschäft wegnehmen. Konsequenz – es wird vermehrt von einer Marktbereinigung gesprochen. Die dürfte vor allem im Bereich der Markentankstellen stattfinden. Esso hat sich bereits vom österreichischen Markt zurückgezogen, nun steigt auch MOL aus, wie lange sich noch ConocoPhilipps (Marke Jet) und vielleicht auch Shell in einem Markt bewegen wollen, wo nichts zu verdienen ist, bleibt abzuwarten.

Bei der absoluten Anzahl der heimischen Tankstellen wird zwar seit Jahren eine Marktbereinigung angekündigt – stattgefunden hat sie bisher aber kaum. Auch wenn der Fachverband Mineralölindustrie, der jedes Jahr die Tankstellenstatistik herausgibt, verkündet, dass sich die Zahl der Stationen um fast drei Prozent oder 81 Stationen auf nunmehr 2.575 im Vorjahr reduziert hat.

Wer sich die Zahlen genauer ansieht, muss feststellen, dass es sich größtenteils um statistische Korrekturen handelt. Bei den „sonstigen Tankstellen“ – eine Grauzone bei der Erhebung – gab es einen Rückgang von 39 Stationen, bei den Dieselabgabestellen von 5 Stationen. Allein die Firma Genol meldet nicht nur die eigenen Tankstellen (178, ein Plus von 17 Stationen), sondern auch die Dieselabgabestellen für die Landwirtschaft (296, bei denen wird nur Diesel abgegeben) und die landwirtschaftlichen Genossenschaften (55, laufen unter Raiffeisen Lagerhaus) an den Fachverband. Diese drei Gruppen zusammen verzeichnen ein Plus von 14 Stationen. Unter dem Strich gebe es nicht mehr Stationen, das seien nur statistische Verschiebungen.

Insgesamt scheint sich am Bestand der Tankstellen kaum etwas zahlenmäßig verändert zu haben, vom Tankstellensterben somit keine Spur. Wobei als interessante Randerscheinung noch zu vermerken ist, dass in der Spritpreisdatenbank (ist bei der E-Control angesiedelt) über 3000 Tankstellen Treibstoffpreise melden, das sind um einige mehr als in der offiziellen Statistik aufscheinen.

Unbestritten ist, dass die Markentankstellen (Majors) ihr Netz in Anbetracht der schlechten Preise weiter verdünnen. Die OMV hat um 45 Tankstellen (259) weniger, was allerdings täuscht, 18 davon laufen nun unter der Autmomatenschiene „Avanti“. Für den Rest konnten großteils Käufer gefunden werden, geschlossen wurde kaum eine Station. Bei BP gab es eine Reduktion um 22 Tankstellen auf nunmehr 397. ENI hat das Tankstellennetz von Esso übernommen und im Vorjahr erstmals die Strukturen kräftig durchforstet, was ein Minus von 36 Stationen bedeutet, weitere werden wohl heuer folgen. Bei Shell und Jet tat sich nichts, MOL hat um 6 Stationen reduziert, da kündigt sich bereits der komplette Ausstieg an.

Was die Majors nicht mehr haben wollen landet meist bei den kleineren Gruppen. So hat die A1 Gruppe, die erst im Jahr 2008 wieder eingestiegen ist, aktuell bereits, durch diverse Zukäufe, ein Netz von 96 Stationen aufgebaut. Interessant wird sein, wer das MOL-Netz kaufen wird. Unter MOL laufen 23 Stationen, unter Roth 36 und unter Rumpold 19. Für die Automatenstationen von Rumpold dürfte es am ehesten Interessenten geben, bei MOL und Roth werden wohl nur die Leckerbissen leicht an den Mann zu bringen sein. Das erste Strohfeuer der so genannten Hofertankstellen (laufen unter FE-Trading) ist im Vorjahr verpufft, die Zahl der Stationen bei den Hofermärkten blieb mit 30 stabil. Nun soll angeblich wieder expandiert werden.

Automaten, Erdgas, Ethanol

Interessant wird auch sein, wie der bei einigen Tankstellenbetreibern ausgebrochene Hype in Richtung Automaten-Tankstellen ausgehen wird. Bei der OMV-Tochter Avanti wird voll umgerüstet, im Vorjahr waren es bereits 70 Stationen, BP hat auf 31 Automaten-Abgabestellen aufgerüstet, die anderen Majors sind noch abstinent. Bei den „Sonstigen“ setzt man bei Turmöl verstärkt auf Automaten und will auf 30 Stationen (laut Statistik 2011 erst 16) aufstocken, auch bei Avia werden einige Stationen umgerüstet. Die Raiffeisenmarke Genol führt ihre 178 Stationen fast ausschließlich „automatisch“.

Was kann man noch aus der Tankstellenstatistik herauslesen? Der Ausbau des Netzes an Erdgastankstellen ist zum Stillstand gekommen, mit 173 Stationen gab es sogar einen kleinen Rückgang um 2 Einheiten. Die meisten Gastankstellen hat die OMV (61) gefolgt von ENI (45); BP (15) und Shell (9) sind da eher zurückhaltend. Die Marken IQ (10) und Avia (9) folgen knapp dahinter.

Von der groß angekündigten Superethanol (E 85)-Initiative ist heute kaum mehr die Rede. Die OMV wollte sich engagieren, hat auch einige E 85 Zapfsäulen zur Verfügung gestellt, diese aber inzwischen wieder abgebaut. Übrig geblieben ist nur mehr Genol mit inzwischen 24 Stationen. Das ist aber eher eine Zwangsveranstaltung, da der Genoleigner Raiffeisen mit seinem Werk in Pischelsdorf einziger Ethanolerzeuger in Österreich ist.

Kaufverhalten in den Shops

Eine interessante Untersuchung über das Kaufverhalten an den deutschen Tankstellen wurde vor kurzem publiziert. Die Marktforscher von GfK fanden heraus, dass deutsche Autofahrer zu 98 Prozent an der Tankstelle ausschließlich tanken wollen, nur zwei Prozent wollen nur in den angeschlossenen Shop gehen. 36 Prozent der Autofahrer entscheiden sich ausschließlich für zwei Tankstellenmarken, nur 30 Prozent tanken quer durch die Branche. Zwei Drittel aller Shopkäufer kaufen nur ein- bis dreimal im Jahr bei einer Tankstelle ein.

Nur 18 Prozent aller Shopbesucher kommen regelmäßiger, etwa bis zu 10 mal. Käufer, die mehrmals in den Shop kommen – bis zu neunmal – sind eher weiblich, 20 bis 50 Jahre alt und kaufen um durchschnittlich acht Euro ein. Leute, die mehr als zehnmal einen Tankstellenshop ansteuern sind meist Berufspendler und Angestellte mit höherem Einkommen, männlich und zwischen 50 und 69 Jahre alt. Die GfK-Experten kommen zu dem Schluss, dass die Stärken deutscher Tankstellen im Bereich der hohen Kundenloyalität und der Shop-Stammkunden liegen.

In Österreich sind keine einschlägigen Untersuchungen bekannt. Auf Shops wird aber immer stärker das Augenmerk gelegt, wo sich viele große Gruppen mit Handelsgrößen wie Spar und Billa zusammentun. Das Problem, das dabei entsteht, ist die Schulung eines entsprechenden Verkaufspersonals. Arbeitskräfte, die nur für das Inkasso von Treibstoff zuständig sind, sind meist nicht in der Lage auch die Beratung für Lebensmittel zu erledigen.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Die AUA-Retter und die AUA-Schweiger

29. März 2012 00:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist fast ein Jahrzehnt her. Ein dänischer Luftfahrtexperte namens Vagn Sörensen hatte die Führung der AUA übernommen. Und er hatte erkannt, dass insbesondere die luxuriösen Kollektivverträge der Luftlinie den notwendigen Sauerstoff kosten. Denn in den scheinbar guten Jahrzehnten davor hatte die (parteipolitisch geführte) Luftlinie den Gewerkschaften und Betriebsräten immer wieder üppige Zugeständnisse gemacht, deren Realisierung zum guten Teil in der Zukunft lagen. Nun aber begann die Zukunft zur Gegenwart zu werden.

Der Däne hatte eine kluge Idee, um diese Last langsam wieder abbauen zu können: Zumindest die neu eintretenden AUA-Mitarbeiter sollten nicht mehr im Schlaraffenland des AUA-Kollektivvertrags angestellt werden, sondern bei der neuen Tochter Tyrolean.

Nun, mehr hatte er nicht gebraucht. „Ahnungslosigkeit“ in Hinblick auf die österreichischen Verhältnisse war noch das mildeste, was er zu hören bekommen hat. Hatte er doch nicht die Segnungen der „Sozialpartnerschaft“ begriffen, die damals fast von der ganzen Nation für eine wunderbare, gar exportfähige Errungenschaft gehalten wurde. Der Däne fürchtete sich daher auch nicht vor einem Streik der Belegschaft.

Aber dann rollte sie an, die Sozialpartnerschaft: Fritz Verzetnitsch, jener Mann, der auch die (nie von der Staatsanwaltschaft aufgerollte!) Verantwortung als oberster gewerkschaftlicher Eigentümervertreter für die Versenkung einer großen Bank trägt, und Christoph Leitl, der oberste aller Kämmerer. Leitls Handeln hatte stets das gleiche Prinzip: Am Schluss gibt man immer der Gewerkschaft nach, nachdem man zuvor für die eigenen Mitglieder ein wenig Theaterdonner inszeniert hat. Zusätzlich hatten damals einige dieser Mitglieder die furchtbare Sorge deponiert, dass Manager des Streiks wegen nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkommen könnten.

Ab dem Einschreiten der beiden Chefs der Schattenregierung war klar: Die AUA hatte nachzugeben. Schließlich war sie damals mehrheitlich in öffentlichem Besitz. Und die paar Privataktionäre hatten es ja verdient, bestraft zu werden, wenn sie schon so blöd waren, Geld in ein Unternehmen zu stecken, an dem der Staat beteiligt war.

Der Rest ist bekannt. Nicht nur die Aktionäre verloren. Auch die Steuerzahler mussten noch 500 Millionen Euro dazulegen, damit sich noch ein Käufer für die inzwischen kaputte Fluglinie fand. Wie kaputt sie ist, kann man ja schon ganz konkret spüren: Sitze mit ruinierter Polsterung, nicht funktionierende Sitzbeleuchtungen und Flugbegleiterinnen, denen diesbezügliche Hinweise total egal sind (wie unlängst auf einem Flug nach Delhi selbst erlebt).

Es ist eine heitere Pointe, dass auch heute noch der Übergang zur Tyrolean die Linie retten soll. Und dass jetzt nicht mehr nur die neuen, sondern auch die alten AUA-Mitarbeiter davon betroffen sind. Und dass die damals so lauten Retter Leitl&Co heute so absolut still geworden sind.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Die Finanztransaktionssteuer: Der Dukatenesel der Fiskaltechnokraten

27. März 2012 23:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Erinnern Sie sich noch? Lautete einst nicht ein Argument pro EU-Binnenmarkt und pro Währungsunion: Transaktionskosten senken, damit knappes Kapital seiner produktivsten Verwendung zugeführt wird? Denn wer die Freiheit des Kapitalverkehrs beschränkt, verteuert die Unternehmensfinanzierung, beeinträchtigt die Investitionsdynamik ebenso wie das Innovationstempo und schadet dadurch der Wettbewerbsfähigkeit. Wachstums-, Beschäftigungs- und Wohlfahrtsverluste sind die Folge.

Aus gutem Grund heißt es daher in der EU-Richtlinie betreffend die indirekten Steuern für die Ansammlung von Kapital:

In krassem Gegensatz zu dieser Richtlinie wird in vielen EU-Mitgliedstaaten die Einführung einer wenn schon nicht EU-, dann zumindest doch Euroraum-weiten Finanztransaktionssteuer (FTS) oder einer speziellen Abwandlung einer solchen, nämlich einer Börsenumsatzsteuer, propagiert. Hier soll neuerlich geschaffen werden, was durch den Binnenmarkt und die Europäische Währungsunion eliminiert wurde: Hindernisse für den freien Kapitalverkehr als einer der vier europäischen Grundfreiheiten. Eine lediglich fiskalpolitisch motivierte Diskussion um das Für und Wider einer FTS greift mithin bei weitem zu kurz. In Sachen FTS geht es um nicht weniger als die Funktion des Europäischen Binnenmarkts. Wer eine solche Steuer propagiert, legt die Axt an den ordnungspolitischen Rahmen in Europa.

Die Europäische Kommission hat sich in ihrer Mitteilung zu intelligenter Regulierung in der Europäischen Union zu evidenzbasierter Politikgestaltung sowie Folgenabschätzungen in der politischen Entscheidungsfindung bekannt. Wenden wir uns also den nüchternen Fakten im gegenständlichen Fall zu.

Sie lauten:

Die Abwägung der ökonomischen Wirkungen einer einnahmenseitigen im Vergleich zu einer ausgabenseitigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte müsste – nach derzeitigem Stand der finanzwissenschaftlichen Forschung – dazu führen, letztere zu präferieren. Dennoch die Einführung einer FTS zu fordern heißt, neben den generellen Nachteilen einer höheren Besteuerung auch ihre spezifischen Nachteile gegenüber anderen einnahmenseitigen Instrumenten zu ignorieren.

In ihrer Auswirkungsstudie gelangt die Europäische Kommission zu dem Ergebnis, dass mit einem Bruttosteueraufkommenseffekt in Höhe von EUR 57 Mrd. pro Jahr zu rechnen sei. Hiervon sind allerdings die Steueraufkommensverluste aus wachstums- und beschäftigungspolitischen Kollateralschäden in Höhe von bis zu 1,76 Prozent des BIP beziehungsweise bis zu 500.000 Arbeitsplätzen abzuziehen, denn nicht erst Milton Friedman warnte: „There ain't no such thing as a free lunch.“ Unter Berücksichtigung der korrespondierenden Aufkommensverluste ergibt sich daher nur ein sehr bescheidenes Nettosteueraufkommen aus der FTS von cirka einem Drittel des Bruttosteueraufkommens.

Doch nicht einmal dieses gerade noch positive Ergebnis erweist sich bei genauerer Analyse als stichhaltig. Außer Acht gelassen wurde der Verlust von Geschäftsvolumina an Nicht-EU-Akteure, die Verlagerung der Geschäftsaktivitäten von EU-Akteuren in das Nicht-EU-Ausland, die relative Attraktivierung von Nicht-EU-Investitionsvorhaben und die Erhöhung der Kapitalkosten bei Investitionen aus nicht-ausgeschütteten Gewinnen. Würden solche Effekte berücksichtigt, kehrte sich das erwartete Nettosteueraufkommen mit großer Wahrscheinlichkeit ins Negative.

Eines allerdings wäre einer Finanztransaktionssteuer zu Gute zu halten, wie schon das Beispiel der britischen Stamp Duty Reserve Tax zeigt. Sie vermag Finanzinnovationen zu induzieren, und zwar solche mit dem primären Ziel der legalen Steuervermeidung. Im Ergebnis wird einerseits das intendierte Steueraufkommen (weit) verfehlt, andererseits verlagern sich erhebliche Teile des Handels auf weniger regulierte (und intransparente) Instrumente.

Eine Möglichkeit, die Stamp Duty zu vermeiden, besteht etwa in so genannten Differenzkontrakten („Contracts for Difference“, CFDs), welche die Parteien einer Transaktion verpflichten, lediglich die Differenz zwischen dem aktuellen Kaufkurs und einem späteren Verkaufskurs in bar auszugleichen. Da die Handelspartner bei diesen Geschäften die zugrunde liegenden Aktien weder kaufen noch verkaufen, entfällt die Steuer. Die Existenz einer solchen Steuer fördert also die Nachfrage nach Derivaten (mit einem zuweilen extrem hohen Hebeleffekt!) und senkt die Nachfrage nach generischen Anlageinstrumenten wie Aktien und Anleihen zur Finanzierung von Realinvestitionen: Ein geradezu perverser Anreizeffekt!

Ergo: Eine Finanztransaktionssteuer streut keinen Sand in das Getriebe der  Spekulation, sondern in den Motor der Unternehmensfinanzierung. Nicht die hohe Kapitalmobilität ist das „public bad“, sondern der diskretionäre Eingriff  in die Grundfreiheit des Kapitalverkehrs. Die Debatte wird zum Lackmustest für die Seriosität europäischer Politik. Wer faktenbasierte Politikgestaltung proklamiert, muss die Finanztransaktionssteuer als Negativsummenspiel ablehnen. Auf der österreichischen Ebene beschränkt sich die Politikempfehlung an dieser Stelle daher nicht nur trotz, sondern gerade wegen des All-Parteien-Beschlusses im Parlament auf eine einzige: Präferiere das Nichtstun vor dem Irrtum!

Unabhängig von ihren jeweiligen beruflichen Funktionen haben mehrere österreichische Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Peter Brezinschek, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die dieser Text verfasst wurde.

Drucken

Ungarn: Viel ausländische Hysterie, viele eigene Fehler, viele mutige Reformen

27. März 2012 01:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Drei Tage lang intensives Eintauchen in ungarische Verhältnisse machen klar: Erstens, die von der Linken geschürte Hysterie ist völlig absurd, dass in Ungarn Demokratie oder Rechtsstaat abgeschafft werden. Zweitens, diese Hysterie ist auch deshalb ein Fehler, weil sie zu einer Stärkung der radikalen Rechten führt und die ungarischen Sozialisten nach ihrer schweren Niederlage tendenziell eher noch mehr diskreditiert. Drittens aber: Die ungarische Regierung hat neben vielen wichtigen und sinnvollen Reformschritten einige gravierende Fehler begangen, die das Land noch Jahre zurückwerfen werden.

Worum geht es bei der derzeit rasch zunehmenden radikalen Rechten, der Jobbik-Partei? Das ist eine Partei, die paramilitärische Formationen ähnlich den österreichischen Parteiarmeen der Bürgerkriegszeit zu schaffen versucht. Sie hetzt nicht nur gegen die ungarischen Zigeuner (womit sie ein in Ungarn angesichts etlicher Zwischenfälle, aber auch angesichts einer sehr aggressiven Presse mehrheitsfähiges Sentiment anspricht), sondern auch gegen alles Westliche. Sie sucht ihre Freunde primär bei aggressiven Diktaturen wie insbesondere jener des Iran.

Linke Kampagne hilft Rechtsradikalen

Falls die Jobbik-Partei, die seit Oktober bei sämtlichen Umfragen Ungarns zweitstärkste ist, eines Tages gar zur stärksten werden sollte, dann liegt ein Gutteil der Schuld auch beim heutigen Verhalten der europäischen Linken und der EU-Kommission. Denn beide haben mit völlig aus der Balance geratenen Reaktionen auf den Wahlerfolg der ungarischen Mitte-Rechts-Partei Fidesz reagiert. Diese hatte ja vor zwei Jahren (mit 53 Prozent der Stimmen) 68 Prozent der Mandate errungen.

Diese Reaktion ähnelt in vielen Details ebenso wie in ihrer Dummheit den Sanktionen von 14 EU-Ländern gegen Österreich im Jahre 2000. Diese Sanktionen, die dann nach einem halben Jahr kleinlaut entsorgt werden mussten, haben übrigens auch damals in Österreich die Umfragewerte der Linksparteien nicht gerade verbessert.

300 Gesetze pro Jahr: Die Fehler sind programmiert

Was ist nun in Ungarn wirklich passiert? Die Mehrheitspartei hat im letzten Jahr mit 300 neuen Gesetzen ein ungeheures Volumen an neuem Recht durchs Parlament geschleust. Das ist in den Augen fast aller Rechtsexperten ein großer Fehler: Solche Gesetzesmengen und ein solches Tempo bergen nämlich zwangsläufig viele technische Fehler, von denen sich so mancher auch jetzt schon gezeigt hat. Diese Gesetze können gar nicht ordentlich vorbereitet gewesen sein, da in einer komplizierten modernen Gesellschaft vor jedem Gesetz sorgfältige Begutachtungen und Diskussionen dringend notwendig sind (was bekanntlich auch den in dieser Woche finalisierten österreichischen Belastungsgesetzen gut getan hätte).

Dieser zu kurz gekommene Diskussionsbedarf gilt natürlich auch für die neue Verfassung, die ohne lange Konvente und dergleichen binnen eines Jahres geschaffen worden ist. Viele dieser Gesetze haben nun bei der EU zu Recht etliche Vertragsverletzungsverfahren ausgelöst.

Jedoch relativieren sich diese Fehler der ungarischen Regierung gewaltig: In Europa sind Vertragsverletzungsverfahren nämlich ein ganz normaler Vorgang. Derzeit laufen fast tausend solcher Verfahren gegen die 27 Mitgliedsstaaten. Und auch heute sind trotz aller Ungarn-Aufregung gegen andere, „alte“ EU-Länder viel mehr solcher Verfahren in Gang als gegen die Magyaren.

Prüft man nun die gegen diese laufenden Vertragsverletzungsverfahren auf ihre Substanz, dann sind es auch gar nicht allzu gravierende Punkte, die da offen sind. Und die Ungarn scheinen weitgehend kompromissbereit.

Zwei Jahrzehnte verschlafener Reformen

Zugleich sollte man nicht vergessen: Die ungarische Führung stand unter einem gewaltigen Handlungsdruck. Hat sich das Land doch in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Wende im Gegensatz zu den anderen Reformländern weitgehend auf seinen Lorbeeren als Vorkämpfer der einstigen Wende ausgeruht. Unter rechten wie linken Regierungen. Man war zu lange stolz auf den „Gulaschkommunismus“. Selbst die Verfassung stammte noch aus der kommunistischen Zeit. Sie war nur in einigen Punkten novelliert worden.

Natürlich hat sich die Orban-Regierung bei ihrem atemberaubenden Tempo auch an eine alte und wohl richtige politische Regel gehalten: Die schmerzhaften und unangenehmen Maßnahmen sollte man in der ersten Hälfte einer Amtsperiode machen, damit man in der zweiten die erhofften Früchte der Reformen kassieren kann.

Die Vorwürfe relativieren sich

Die meisten Vorwürfe, die man den Ungarn macht, bestehen im Einsatz der Zweidrittelmehrheit bei der Besetzung wichtiger Funktionen. Nur: Dieser Vorwurf kann zur Gänze auch Österreich (und vielen anderen EU-Ländern) gemacht werden. Es gibt bloß einen Unterschied: In Österreich werden neue Spitzenpositionen auch ohne Zweidrittelmehrheit durchgängig und ausschließlich mit Parteigängern der Regierungsparteien besetzt. Und zwar seit jeher. Kann man ernsthaft den Ungarn etwas vorwerfen, was man den Österreichern noch nie vorgehalten hat?

Ein weiterer konkreter Vorwurf ist die Tatsache, dass einflussreiche Spitzenpositionen gleich auf neun Jahre hinaus an Freunde des Regierungschefs Viktor Orban vergeben worden sind. Damit kann die nächste Regierung, selbst wenn sie von einer anderen Partei gestellt wird, an diesen Besetzungen nicht mehr rütteln.

Das klingt arg. Aber auch das ist es in Österreich noch viel ärger (wenn es überhaupt wirklich arg wäre und nicht bloß eine Maßnahme zum Schutz dieser Funktionsträger vor politischer Willkür). Denn in Österreich wird sogar das allermächtigste Gremium, nämlich der Verfassungsgerichtshof, nicht nur auf neun Jahre, sondern lebenslänglich besetzt. Und Werner Faymann hatte nicht den geringsten Genierer, Richterposten im VfGH sogar direkt mit einem Mitglied seines Kabinetts zu besetzen.

Viele der restlichen Vorwürfe gehören in die Kategorie des Hanebüchenen. Manche Linke stört es etwa, dass vor Amtsantritt ein Eid auf die Verfassung abgelegt werden soll. Deutlich problematischer klingt die vorübergehende Senkung des Pensionsantrittsalters für Richter von 70 auf 62 Jahre, obwohl dann in den folgenden Jahren wieder eine (für alle Beamten gemeinsame) Steigerung des Pensionsantritts von derzeit 62 auf 65 Jahre erfolgen soll.

Jedoch lässt sich auch das halbwegs begründen: Mit der vorübergehenden und verpflichtenden Senkung wird Ungarn rascher eine problematische Garnitur von Richtern los, die noch aus dem Kommunismus stammen. Außerdem löst man solcherart ein besonders absurdes Privileg: Die noch amtierenden Altrichter konnten ab Erreichung des Anspruchsalters gleichzeitig zu ihren Bezügen parallel eine Pension kassieren. Was angesichts der wirtschaftlichen Situation des Landes ziemlich grotesk ist. Polizisten, Soldaten, Feuerwehrmänner konnten bisher sogar schon ab dem 45. Geburtstag in Pension gehen und daneben ungehindert einen anderen Job beginnen.

Jedenfalls sehen auch regierungskritische Journalisten keine Rückkehr zu einer Diktatur. Sowenig sie auch über die parlamentarische Übermacht der Fidesz erfreut sind. Diese liegt auch noch zur Halbzeit der Legislaturperiode im Gegensatz zum Schicksal der Regierungsparteien vieler anderer Länder bei den Umfragen klar voran.

Die soziale Lage ist bedrückend

Die kritischen Journalisten weisen dafür – und zweifellos zu Recht – auf die katastrophale wirtschaftliche Situation vieler Menschen in Ungarn hin. Da erzählt der eine von der Ärztin, die vor der Not fliehend einen Job in Dresden angenommen hat, obwohl sie schon 52 ist und keineswegs ausreichend Deutsch kann. Da erzählt ein anderer von der 38-jährigen Lehrerin, die ihren Job verloren und die sich nun für die Prostitution entschieden hat.

Niemand wagt auch nur zu behaupten, dass Ungarn heute von einer Welle des Optimismus oder Aufbruchs bewegt wird. Davon reden nicht einmal mehr die begeistertsten Anhänger der Regierung.

Es ist nun müßig, allzulange darauf zu verweisen, dass sich Ungarns wirtschaftliche Lage und seine Verschuldung vor allem unter der achtjährigen Herrschaft der Sozialisten so dramatisch verschlechtert haben. So stiegen die Schulden binnen acht Jahren von 52 auf 82 BIP-Prozent. Entscheidend sind jedoch Gegenwart und Zukunft. Und dafür trägt nun einzig Viktor Orban mit seiner großen Macht die Verantwortung.

Die EU macht sich selbst zum Sündenbock

Derzeit hilft ihm freilich die EU mit ihrer problematischen Sanktionenpolitik dabei, die Verantwortung nach Brüssel abzuschieben. Denn durch die Streichung von Kohäsionsgeldern kann Orban nun perfekt Brüssel als Sündenbock vorführen.Und er kann dabei verschweigen, dass es dabei eigentlich nur um eine überschaubare Summe geht.

Denn die EU-Maßnahmen legen weniger als 500 Millionen Euro aufs Eis. Während alleine die Erste Bank in einem einzigen Jahr durch die Orban-Maßnahmen einen Schaden von mehr als 500 Millionen erlitten hat. Überdies ist es durchaus möglich, dass die EU-Maßnahmen bis zum Sommer wieder aufgehoben werden. Der Raubzug auf die (österreichischen und anderen) Banken wird natürlich nicht rückgängig gemacht.

Die EU hat sich aber damit Budapest jedenfalls als perfekter Sündenbock angeboten. Viele ungarische Regierungspolitiker beklagen in den Gesprächen dementsprechen einen Doppelstandard der Brüsseler Kommission. Der Vorwurf scheint berechtigt: Ungarns Defizit ist lange nicht so hoch wie jenes vieler anderer Mitgliedsländer. Ganz zu schweigen von Spanien, dass nun zugeben musste, dass das Defizit im Vorjahr fast doppelt so hoch ausfiel wie geplant und versprochen.

Umso überraschender ist es, wenn der Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium Zoltán Cséfalvay im Gegensatz zu diesem Vorwurf die EU-Strafen gegen Ungarn sogar als „logisch“ bezeichnet. Das Defizitverfahren gegen Ungarn sei durchaus berechtigt, weil es gegen Ungarn schon seit 2004 läuft, also länger als gegen alle anderen Länder.

Überdies gehe es ohnedies nur um eine sehr kleine Differenz beim Budgetdefizit. Diese Differenz mache bloß ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukt aus und sei eigentlich nur durch unterschiedliche Wachstumserwartungen ausgelöst worden. Cséfalvay: „Wir sind sicher, dass wir das binnen weniger Wochen lösen werden können. Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen. Und in ein bis zwei Monaten wird niemand mehr darüber reden.“

Auch die für die EU zuständige Staatsministerin Enikö Györi gibt zu, dass für die Ungarn schon 2011 die Frist zur Defizitreduktion abgelaufen war, während sie für Spanien noch bis 2013 läuft. Aber umso genauer wollen sich die Ungarn anschauen, was dann gegenüber Spanien passiere. Also ob auch im Falle des großen EU-Lands genauso konsequent vorgegangen wird wie gegen das kleine Ungarn. Denn Györi weiß: „In der EU sind doppelte Standards nichts Neues.“

Das wahre Problem Ungarns heißt weder EU noch IMF

Das wahre, freilich vielen Ungarn noch kaum bewusste Problem der Regierung ist daher auch nicht die EU. Es ist auch nicht in erster Linie der Internationale Währungsfonds (IMF), der derzeit im Einklang mit der EU die Gewährung eines Beistandskredits an Ungarn zurückhält. Die Ungarn sehen derzeit in einem solchen Kredit ja ohnedies nur eine Sicherheitsmaßnahme, die nicht unbedingt notwendig wäre. Ganz offensichtlich profitieren nämlich auch sie derzeit bei der staatlichen Refinanzierung von den frisch gedruckten Geldmengen, mit denen die europäische und die amerikanische Notenbank seit dem Vorjahr die Welt überfluten, und haben daher keine akuten Probleme.

Das wahre Problem Ungarns ist der internationale Vertrauensverlust durch die Maßnahmen der letzten zwei Jahre. An deren Spitze stehen die überfallsartig eingeführten Belastungen für Banken, Handels- und Telekom-Firmen. Das sind ganz „zufällig“ jene Branchen, die zu einem starken Teil in ausländischer Hand sind.

Dadurch (und durch die Beschlagnahme der Reserven der „zweiten Säule“, der privat-obligatorischen Pensionsvorsorge) hat man zwar in den ersten beiden Fidesz-Jahren das Defizit relativ niedrig halten können. Man hat solcherart der ungarischen Bevölkerung auch vorerst die schmerzlichen Gehaltsreduktionen erspart, die in anderen Ländern notwendig waren. Aber dadurch wurde zugleich ausländischen Investoren ganz klar die Botschaft vermittelt: Ungarn ist ein Land, das über Nacht die Spielregeln ändert. Es gilt damit nicht mehr als sicheres Land für Investitionen.

Aber gerade ausländische Investitionen sind es, die Ungarn heute dringender als sonst irgendetwas anderes braucht. Will das Land doch eine zusätzliche Million Arbeitsplätze schaffen, was nur mit Hilfe vieler ausländischer Investoren möglich ist. Diese sind aber in Zeiten der Krise sowieso schwer genug zu finden. Und erst recht dann nicht, wenn sie fürchten müssen, dass ihre Investition durch eine spätere drastische Änderung der Rechtslage nachträglich total entwertet wird.

Viel zu wenige Ungarn haben einen Job

Wie wichtig die Schaffung von Arbeitsplätzen ist, zeigt der Arbeitsmarkt. In keinem anderen Land ist ein so geringer Prozentsatz der arbeitsfähigen Bevölkerung auch tatsächlich berufstätig wie in Ungarn: nämlich nur 55 Prozent. Wenn es Orban aber nicht gelingt, substanziell mehr Jobs zu schaffen, wird er einerseits nicht aus dem Defizitsumpf herauskommen (wobei es ihm auch nichts hilft, dass an der Entstehung des Sumpfs die Sozialisten die Hauptschuld tragen); seine Partei wird dann andererseits wohl auch nicht mehr den Vormarsch der radikalen Rechten standhalten können.

Dazu kommen aber auch immer wieder dumme Äußerungen von Regierungsvertretern. Immer wieder wurden bei meinen Gesprächen düster die „Interessen“ der ausländischen Investoren getadelt. So als ob es ein Geheimnis wäre, dass jeder Investor am Ende Gewinne erzielen will. So als ob ein modernes Bankwesen keine Voraussetzung einer erfolgreichen Wirtschaft wäre.

Dann spricht Orban unter offensichtlicher Anspielung auf das Ausland wiederum davon, dass Ungarn keine „Kolonie“ sein will. Und erst vor wenigen Tagen sagte er bei einem Vortrag in München: „Ein reicher Deutscher irritiert uns nicht, bei einem reichen Österreicher sieht es schon anders aus.“

Was nicht nur geschmacklos ist, sondern angesichts der Tatsache, dass Österreich im Verhältnis zu seiner Größe bisher die weitaus meisten Investoren in Ungarn gestellt hat, auch dumm. Klarer kann man es ihnen ja kaum sagen, dass sie unerwünscht sind.

Mutige und kluge Maßnahmen

Durch solche Worte und Taten macht Ungarn derzeit wahrscheinlich alles wieder zunichte, was es derzeit an absolut vernünftigen und im Ausland kaum bekannten Reformmaßnahmen setzt:

Das sind viele mutige und kluge Maßnahmen aus dem Repertoire einer klassisch liberalen Wirtschaftspolitik. Vielleicht hat aber auch gerade dieses Etikett den Zorn der europäischen Linksparteien auf Ungarn so stark erhöht, dass sie das Land zum Ziel ihrer Hasskampagne machten. Als ob es nicht schon genug Probleme hätte, an denen die ungarischen Sozialisten hauptschuld sind.
 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Magere Zeiten voraus

26. März 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Der kürzlich verstorbene Nationalökonom und Buchautor Roland Baader („Geld, Gold und Gottspieler“) fasste die aktuelle Lage der Weltwirtschaft in seinem letzten, „Geldsozialismus“ betitelten Buch so zusammen: „Was wir in den letzten Jahrzehnten im Kreditrausch vorausgefressen haben, werden wir in den nächsten Jahrzehnten nachhungern müssen. Es wird furchtbar werden.“

Damit hatte er wohl Recht! Denn Schulden – die Grundlage der vom Sozialstaat geschaffenen Wohlstandsillusion – müssen am Ende immer bezahlt werden: Entweder von den Schuldnern selbst, von den heute lebenden Kreditgebern, Sparern und Steuerzahlern, oder von für die prekären Umstände nicht verantwortlichen kommenden Generationen.

Seit dem Zweiten Weltkrieg durfte jede der heute im „freien Westen“ lebenden Generationen erwarten, dass es ihr materiell besser gehen würde als der ihrer Eltern. Die nach 1970 Geborenen werden – dank der zurückliegenden Schuldenexzesse – indes mit einem abnehmenden Wohlstandsniveau zurechtkommen müssen.

Nach dem Urteil von Systemmedien und beamteten Nationalökonomen sind es kollektive Gier, Spekulanten, verantwortungslose Banker, der „Neoliberalismus“, oder der „Turbokapitalismus“, denen wir die aktuellen Probleme zu verdanken haben. Nachdem – zum Verdruss der Masse der westlichen Intellektuellen – der Realsozialismus untergegangen ist, wurde, nach ihrer Meinung, durch die Krise nun die Marktwirtschaft diskreditiert. Daher erfährt die Suche nach einem „Dritten Weg“ gegenwärtig eine Renaissance. Unter den Etiketten „Ökosoziale Marktwirtschaft“, „Gemeinwohlökonomie“ oder „kreativer Sozialismus“, werden Konzepte präsentiert, die eine gerechtere Verteilung versprechen, leider aber allesamt auf eine zentral geführte Kommandowirtschaft hinauslaufen, die von den Produktiven zu den Unproduktiven umverteilt.

Das Gesetz der Knappheit

Der US-Wirtschaftswissenschaftler Mancur Olson stellte die Diagnose: “When there is a stronger incentive to take than to make … societies fall to the bottom.“ An diesem Punkt sind wir längst angelangt. Besonders die gut ausgebildeten Jungen verspüren wenig Lust, sich den Fährnissen des Marktgeschehens auszuliefern, da doch der Leviathan stressfreie Amtsstuben und erwerbslebenslang sichere Arbeitsplätze garantiert – zumal damit sogar höhere Lebenseinkommen verbunden sind (worauf der Sozialexperte Bernd Marin immer wieder hinweist). Das Schaffen von Anreizen, welche die Zahl derjenigen, die von Steuern leben, zu Lasten derjenigen, die Steuern zahlen, laufend erhöhen, ist ein Verfahren, das langfristig sinkenden Wohlstand garantiert.

Um die Ursachen der von der Politik offensichtlich nicht beherrschbaren, wirtschaftlichen Fehlentwicklungen zu verstehen, bedarf es der Einsicht in grundlegende ökonomische Gesetzmäßigkeiten. US-Ökonom Thomas Sowell: „Die erste Lektion der Ökonomie ist die Knappheit: Es gibt niemals genug von irgendetwas, um alle befriedigen zu können, die es haben wollen. Die erste Lektion der Politik ist die Nichtbeachtung der ersten Lektion der Ökonomie.“

Da der Zustand des Mangels die Regel, nicht die Ausnahme ist, gibt die politische Klasse vor, Unmögliches leisten zu können, indem sie behauptet, Knappheit und Mangel abschaffen zu können. Der ehemalige österreichische Finanzminister und Ökonomieprofessor Eugen Böhm von Bawerk stellte dazu fest: „Politische Macht vermag das ökonomische Gesetz niemals außer Kraft zu setzen." Am Beginn allen Unheils steht also stets der eitle Versuch der Machthaber, Naturgesetze außer zu Kraft setzen – wie jenes der Knappheit. Der Knappheit an Kapital wird durch eine „aktive Geldpolitik“ begegnet – durch Zinsmanipulation und Ausweitung von Geldmenge und Kreditvolumen.

Die von Ludwig Mises im Rahmen seiner Habilitationsschrift „Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ vor exakt 100 Jahren entwickelte Konjunkturtheorie, erklärt das Phänomen zyklisch auftretender Krisen. Seine Wirtschaftstheorie lehnt staatliche Interventionen rundweg ab. Sie setzt auf freie Entscheidungen selbstverantwortlicher Bürger. Aus Sicht der Politbüros bedeutet das eine unerträgliche Herausforderung ihres Selbstverständnisses als unfehlbare Führer.

Mises: „Boom-Bust-Cycle“

Vereinfacht dargestellt besagt diese „österreichische“ Konjunkturtheorie folgendes: Die Wirtschaft kennt keine stabilere Konstante als die der Veränderung. Alles befindet sich ständig im Fluss. Unternehmerische Entscheidungen sind stets auf eine ungewisse Zukunft gerichtet und bedeuten ein unvermeidliches Risiko. Jeder wirtschaftlich handelnde Mensch ist ein „Spekulant“, der hofft, ihm zum Vorteil gereichende Entscheidungen zu treffen. Mit seiner „Spekulation“ kann er natürlich falsch liegen.

Die für den Erfolg von Unternehmen maßgebliche Einschätzung der Nachfrageentwicklung kann danebengehen. Es gibt daher für keinen Betrieb eine dauerhafte Erfolgs- oder Bestandsgarantie. Es ist unvermeidlich, dass immer wieder Firmen in den unterschiedlichsten Branchen scheitern. Andere Betriebe entstehen dafür neu. Josef Schumpeter prägte für dieses Phänomen den Begriff „Schöpferische Zerstörung“.

Wenn – wie es in Krisenzeiten der Fall ist – rund um den Globus, zeitgleich, Unternehmen massenhaft in Schwierigkeiten geraten, müssen dafür besondere Gründe vorliegen. Keine der „neoklassischen“ Theorien, weder die der Keynesianer, noch die der Monetaristen, bietet dafür eine plausible Erklärung. Dass über Jahre hinweg künftige Konsumentenerwartungen korrekt antizipierende und erfolgreich agierende Unternehmer exakt zur selben Zeit allesamt die gleichen unternehmerischen Fehler begehen, die sie in existenzielle Notlagen bringen, ist nur dann zu erklären, wenn es einen für Anlass für ihr kollektives Fehlverhalten gibt. Der gegenwärtig an der Universität von Angers in Frankreich Volkswirtschaft lehrende Guido Hülsmann spricht in diesem Zusammenhang von „Error Cycles“.

Den Ausgangspunkt für kollektive unternehmerische Fehlentscheidungen bildet die Manipulation des Zinses. Auf dem freien Markt gebildete Zinsforderungen sind der Tatsache geschuldet, dass Menschen die Möglichkeit zur augenblicklichen Verfügung über ein Gut einer zukünftigen grundsätzlich vorziehen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Zeitpräferenz“. Je höher die Zeitpräferenz, desto eher ist man bereit, für sofortigen Konsum mehr zu bezahlen. Wer seine Konsumwünsche zu verschieben bereit ist, fordert ein Entgelt für seinen momentanen Verzicht und den dadurch möglich werdenden Verleih seiner Mittel. Seinen Niederschlag findet die Zeitpräferenz in der Höhe eines Aufschlags auf den Preis des Geldes - eben den Zins. Der Zins ist somit ein natürliches Phänomen, das in einer freien Wirtschaft ausschließlich vom Aggregat der Zeitpräferenzen der Konsumenten bestimmt wird.

Die Höhe des Zinses bestimmt die Antwort auf die Frage, ob eine geplante unternehmerische Investition sich lohnen wird oder nicht. Niedrige Zeitpräferenzen der Konsumenten manifestieren sich in hohen Sparquoten und niedrigen Zinsen. Die Unternehmer empfangen die Botschaft: Die Konsumenten verfügen über Reserven und sind bereit, ihre Konsumwünsche auf später aufzuschieben. Dies führt zu einer Konzentration von Investitionen in „Güter höherer Ordnung“ (auf solche, die nicht dem augenblicklichen Konsum dienen).

Das heißt, dem Konsumenten werden erst nach dem Bau entsprechender Fabriken oder der Entwicklung neuer Produkte Güter angeboten und verkauft werden können. Es kommt zu einer Verlagerung des Investitionsschwerpunkts von der Konsum- zur Kapitalgüterindustrie. Die in Boomphasen zu beobachtende, steigende Bewertung von Aktien entsprechender Industriebetriebe, die Steigerung von Immobilienpreisen und Baubooms, sind Symptome dafür.

Das alles ist in Ordnung, wenn die Konjunktur bei den Investitionsgütern durch real gebildete Ersparnisse angetrieben wird. Dann haben die Unternehmer richtig gehandelt: Die künftig angebotenen Güter werden auf kaufkräftige Nachfrage treffen. Ist der Boom indessen auf aus dem Nichts geschaffene Kredite gegründet (was in den der Krise vorangehenden Jahren der Fall war), verhalten sich die Unternehmer fehlerhaft, weil sie Investitionsentscheidungen auf Grund nicht gegebener Voraussetzungen treffen. Investitionen in Güter höherer Ordnung gehen vielfach verloren, weil die produzierten Waren auf keine kaufkräftige Nachfrage treffen, da die vermuteten Ersparnisse niemals gebildet wurden. Die Folge sind kostenintensiv aufgebaute Überkapazitäten. Ein als Bürohaus geplanter, halbfertig gebauter Wolkenkratzer ist kaum anderweitig verwertbar und daher abzuschreiben. Die in gescheiterte Vorhaben investierten Mittel hätten – auf andere Weise eingesetzt – den allgemeinen Wohlstand mehren können.

Fazit: Nach Abschluss des „Boom-Bust-Cycles“ befindet sich das Wohlstandsniveau einer Volkswirtschaft, infolge des Totalverlustes der Fehlinvestitionen, auf einem niedrigeren Niveau, als wenn dieser Zyklus niemals in Gang gesetzt worden wäre.

Tatsächliche Werte statt Geld aus dem Nichts

In einem warenbasierten Geldsystem mit 100 Prozent Deckungserfordernis (z. B. einer Goldwährung), ist die Schöpfung „billigen“ Geldes („Fiat Money“) oder von Krediten aus dem Nichts unmöglich. Die zur Verfügung stehende Geldmenge kann nur in jenem Ausmaß gesteigert werden, den die weltweite Goldförderung möglich macht.

Ludwig Mises meinte: „Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems kommen soll.“

Die Regierenden haben – nachdem sie ein Meer aus Papiergeld geschaffen haben – die Wahl: Entweder sie versuchen, den Brand mit Benzin zu löschen und die am Ende des Konjunkturzyklus eintretende Rezession durch eine weitere Geldmengenexpansion („Reflation“) abzuwenden. In diesem Fall werden die Staaten sich noch weiter verschulden und diese Schulden direkt oder indirekt monetarisieren – also in Liquidität transformieren und über die Geschäftsbanken in Form von Krediten in die Wirtschaft pumpen. Oder sie enthalten sich jeder Intervention und lassen eine scharfe, über Jahre anhaltende Rezession zu.

Die politische Klasse hat sich – rund um den Globus – für Variante eins entschieden und damit Zeit gekauft.

Ohne eine nachhaltige Korrektur der Zahlenverhältnisse von Produktiven zu Unproduktiven (von Fahrradbeauftragten, Antidiskriminierungsagenten und Quotenwächtern geht nun einmal keine Wertschöpfung aus!) und ohne ein Ende hoheitlicher Interventionen in die Wirtschaft – vor allem aber ohne die Abschaffung des staatlichen Geldmonopols und die Rückkehr zu einem nicht manipulierbaren, intrinsisch werthaltigen Geld (z. B. Gold) – wird die Sanierung der Weltwirtschaft nicht gelingen.

Da die politische Klasse weiterzumachen gedenkt wie bisher, ist mit einer Verlängerung der Krise auf unabsehbare Zeit zu rechnen – mit etwas Pech aber auch mit einem totalen Systemcrash…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Fußnote 275: Wie die Gewerkschaft dieses Land ruiniert

23. März 2012 18:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Geht’s eigentlich noch letztklassiger?

Das hat es noch nie gegeben: Die Gewerkschaft hat gegen den Widerstand der Betroffenen, also der von ihr angeblich vertretenen Belegschaft, einen Kollektivvertrag aufgekündigt. Opfer dieser Aktion ist die Fluggesellschaft Tyrolean. Hintergrund sind natürlich die Pläne der AUA-Führung (und ihres deutschen Eigentümers), die AUA-Belegschaft mit ihren nicht mehr finanzierbaren Privilegien – konkret: bei den Altverträgen des fliegenden Personals – in die Tyrolean überzuführen. Dort sollen die Bezüge der AUA-Mitarbeiter eingefroren werden, solange sie über dem Tyrolean-Niveau liegen. Da auch bei dieser Fluglinie die Mitarbeiter keineswegs unter Hungerlöhnen leiden, ist das ein ganz vernünftiger Vorschlag, der die AUA vielleicht noch retten kann. Allein die Gewerkschaft will nicht. Sie verteidigt provozierende Privilegien mit aller noch verbliebenen Kraft. Und sie riskiert in ihrem Überlebenskampf um die eigene Existenzberechtigung lieber den Untergang großer Fluggesellschaften. Obwohl diese für den Standort Österreich – vom Tourismus bis zum zuletzt boomenden Konferenzgeschäft – lebenswichtig sind. Irgendwie bezeichnend, was zugleich bekannt geworden ist: Ein Großbetriebsrat hat zwei Dienstautos und verrechnet daneben noch weitere 45.000 Kilometer für Fahrten mit dem Privat-PKW. Ist es notwendig hinzuzufügen, dass auch dieser Sumpf im gleichen halbstaatlichen Dschungel, in diesem Fall bei der Post, zu finden ist, in dem auch die AUA-Privilegien so maßlos geworden sind?

 

Drucken

Wie geht es unserem Geld in China?

22. März 2012 02:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich hat ohne öffentliches Aufsehen als erstes Land die Genehmigung erhalten, einen Teil seiner Devisen in der chinesischen Währung Renminbi (Yuan) anzulegen. Das ist ein hochinteressanter Vorgang. Mit Chancen, aber auch Risken.

Die Chancen liegen darin, dass der Yuan massiv unterbewertet ist. Die Chinesen haben sich bisher hartnäckig geweigert, den Yuan ausreichend aufzuwerten, obwohl die Amerikaner und auch andere Länder massiv Druck ausüben. Der Niedrigkurs des Yuan macht Exporte nach China sehr teuer, diese finden deshalb viel zu selten statt. China kann umgekehrt dank seiner unterbewerteten Währung billig exportieren und weiterhin den Weltmarkt überschwemmen.

Leidtragende sind neben dem exportwilligen Westen vor allem die chinesischen Arbeitnehmer. Ihr Entgelt wird massiv entwertet, wenn viele Importwaren unerschwinglich teuer sind. China-Experten rechnen aber damit, dass China den vorsichtig begonnenen Prozess einer langsamen und kontrollierten Aufwertung fortsetzen wird. Mancherorts werden nämlich Arbeitskräfte bereits rar. Das ist natürlich auch eine Folge der Ein-Kind-Politik. Das löst wiederum Druck Richtung Lohnerhöhungen aus, die wiederum eine saftige Inflation auslösen würden. Wenn man in dieser Situation durch eine Aufwertung die Importe verbilligt, reduziert das hingegen diesen Druck. China ist ja ohnedies schon vom baldigen Platzen einer heftigen Immobilienblase bedroht.

Eine solche Aufwertung wäre natürlich toll für Veranlagungen in Yuan. Diese wären über Nacht deutlich mehr wert. Daher könnte eine Spekulation der Republik Österreich vielleicht auch wieder einmal Gewinn bringen, nachdem zuletzt viele öffentlich-rechtliche Anleger kräftig verloren haben (wofür sie nun im nachhinein den Banken die Schuld zu geben versuchen).

Das heißt nun keineswegs, dass diese Spekulation mit China abzulehnen ist. Ist doch ohnedies jede Geldanlage eine Spekulation, auch wenn das Boulevardzeitungen nicht begreifen. Selbst unter dem Kopfpolster können Diebe, Ratten oder ein (irrtümlicher) Waschvorgang bekanntlich einen schlimmen Schaden anrichten.

Aber auch die Veranlagung in Yuan ist keineswegs risikofrei. Erstens ist China kein Rechtsstaat, in dem die Einhaltung von Verträgen leicht durchsetzbar wäre. Und zweitens ist der Yuan nicht frei konvertibel. Man ist daher auch als Anleger nicht wirklich frei. China ist ja nur mikro-, nicht makroökonomisch eine Marktwirtschaft. Dort herrscht weiter eine strenge Einparteiendiktatur, die zwar nicht mehr marxistisch, aber in hohem Ausmaß nationalistisch geprägt ist. Das Land ist viel schwerer berechenbar als ein kapitalistischer Rechtsstaat.

Hinter der Glitzerfassade der chinesischen Wolkenkratzer lauert daher immer die Angst und damit das Risiko: Wird sich die soziale Dynamik weiter so friedlich und relativ glatt entwickeln? Welche Folgen hat die zunehmende Alterung Chinas? Was bedeuten die jüngsten Machtkämpfe und Säuberungen im Politbüro? Und wie explosiv sind die Freiheitswünsche in Tibet, Xinjiang oder Taiwan wirklich?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Ungeliebte Kapazitätsmärkte – Niemand will investieren

21. März 2012 23:42 | Autor: Dieter Friedl
Rubrik: Gastkommentar

Große Unsicherheit herrscht derzeit darüber, wie für den ständig ansteigenden Anteil der Erneuerbaren Energien ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden kann, für jene Zeiten, wo kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Das Hauptaugenmerk wird dabei auf Gaskraftwerke gelegt, die in ausreichender Zahl gebaut werden sollten.

Das Problem ist, dass bei den derzeitigen Gaspreisen niemand investieren will, weil die Investitionen nicht verdient werden können. ??Unter den zu erwartenden Gegebenheiten, dass die Anlieferung von grünem Strom wesentlich steigen wird und die Strompreise sich nicht wesentlich erhöhen werden, gibt es nur zwei Stellschrauben an denen gedreht werden kann.

Die Gaspreise müssen angepasst werden, um Gaskraftwerke zu ermöglichen.
In der Vergangenheit gab es so genanntes „Kraftwerksgas", das zu Preisen angeboten wurde, die sich an der Konkurrenzenergie (etwa Kohle) orientierten, das war meist deutlich unter den Marktpreisen für Gas. Diese Zeiten sind vorbei. Viele potentielle Kraftwerksbetreiber verlangen daher eine Anbindung der Gaspreise an die Strompreise, zumindest für einen Teil der Liefermenge. Derartige Angebote gibt es bereits am Markt, was aber noch immer nicht ausreicht, um die Vollkosten abzudecken.

Auch die heimischen Betreiber von Gaskraftwerken leiden unter den hohen Preisen der Langfristverträge mit Gazprom. Die Russen haben bisher wenig Bereitschaft gezeigt, an der Preisschraube zu drehen.?

Bleibt als zweite Möglichkeit eine Änderung der Rahmenbedingungen und damit befindet man sich bereits bei dem heiklen Thema der „Kapazitätsmärkte".
Es geht dabei darum, ob der Neubau von Kraftwerken subventioniert werden soll. Das heißt im Klartext, dass ein Teil der Liberalisierung der Energiemärkte wieder zurückgenommen würde. Politiker und Stromversorger wollen das eigentlich nicht. Österreich Energiemanager sehen dies als einen Rückschritt an. Wirtschaftsminister Mitterlehner: „So etwas ist nicht nötig". ?

Während in Österreich noch keine Überlegungen für Kapazitätsmärkte bekannt sind, überlegt die deutsche Bundesregierung eine direkte Subventionierung der Investitionskosten im Ausmaß von 15 Prozent (für Investitionsentscheidungen zwischen 2013 und 2016) unter der Voraussetzung, dass die Kraftwerke CCS-fähig (CO2-Abscheidung) sind. Zudem dürfe der Betreiber nicht über einen Marktanteil von mehr als fünf Prozent des Stromerzeugungsmarktes verfügen.

Bezahlt sollen diese Subventionen aus den staatlichen Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten werden. ??Das könnte allerdings in Brüssel auf Widerstand stoßen, wo man derzeit an einheitlichen Vorgaben für derartige Beihilfen arbeitet. Es geht darum, dass nur Kraftwerke gefördert werden, die die gesamte Prozesskette zur Abscheidung und Abspeicherung von Kohlenstoff bis 2020 tatsächlich vornehmen können. Dies wird weder in Deutschland noch in Österreich der Fall sein, weil dies politisch derzeit nicht gewollt wird.

Wie die Energiewende funktionieren wird steht somit nach wie vor in den Sternen. Weder der Kraftwerkausbau noch der dringend notwendige Ausbau der Übertragungsnetze ist auf Schiene. Überschüssige Strommengen von norddeutschen Windrädern werden somit unerwünscht nach Tschechien, Polen und auch Österreich schwappen und Unruhe in die nationalen Stromnetze bringen. Retten könnte man sich indem man den Strom einfach nicht hereinlässt (also den Phasenschieber zumacht). In Polen ist das angedacht, die Tschechen wollen das nicht und möchten eher die heimischen Übertragungsnetze ausbauen. In Österreich ist das Problem in nächster Zeit noch nicht allzu dringend zu lösen.

Dieter Friedl ist Österreichs führender Energie-Journalist. Er gibt 14-tägig den unabhängigen elektronischen „Energiedienst“ heraus, der unter der E-Mail Adresse kontakt@elisabethgall.at abonniert werden kann. Der „Energiedienst“ informiert über alle Energiefragen.

Drucken

Frankreich: Die Richtungswahl des nächsten Crash-Kandidaten

20. März 2012 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist oft schwer verständlich, wie viele Sende- und Zeitungsfläche die europäischen Medien jedem einzelnen Vorwahlergebnis in Amerika spendieren, und wie relativ wenig Aufmerksamkeit selbst den großen europäischen Staaten gewidmet wird. Dabei wage ich zu sagen: Alleine Frankreich, das schon im April und Mai wählt, ist für die Zukunft Europas wichtiger als alle amerikanischen Vor- und Präsidentenwahlen zusammen.

Denn wir leben ja zum Glück nicht mehr in Zeiten, da das amerikanische Eingreifen einen Weltkrieg entscheidet. Denn wir leben in einer Epoche, wo unser aller Schicksal mindestens ebenso stark von der Europäischen Union wie von den nationalen Regierungen entschieden wird, aber viel weniger von irgendwelchen Entscheidungen Washingtons. Und in der EU erfolgt die entscheidende Willensbildung seit Jahrzehnten durch den deutschen Bundeskanzler und den französischen Präsidenten.

Da mag sich die EU selber noch ein weiteres Dutzend einander eifersüchtig beobachtender Präsidenten für Kommission, Rat oder Euro-Gruppe etc. geben: Das letzte Wort bleibt in Paris und Berlin. Ganz Europa respektiert das, weil es keine funktionierende Alternative gibt. Geschichtsbewusste schätzen das auch deshalb, weil der frühere Antagonismus zwischen den beiden Völkern über zwei Jahrhunderte Europa regelmäßig schwere Konflikte und millionenfachen Tod beschert hat.

Frankreichs Präsidentenwahl ist auch deshalb besonders spannend, weil Nicolas Sarkozy ein impulsiver und überehrgeiziger Politiker ist, dem man vieles Negative nachsagen kann, aber nicht, dass er langweilig oder feige wäre. Noch spannender wird das Rennen dadurch, dass nicht weniger als fünf Kandidaten Chancen haben, zweistellige Prozentanzahlen zu erreichen, und weil es daher mit fast absoluter Sicherheit eine Stichwahl geben wird.

Ein Staatssozialismus nähert sich dem Crash

All diese – fast hätte ich gesagt: sportlichen – Aspekte verblassen aber hinter der wirtschaftlichen Bedeutung. Denn das zweitgrößte Land Europas befindet sich in einer extrem fragilen Position. Ein größerer Crash in Frankreich hätte aber ganz andere Folgen als etwa die griechische Krise der letzten drei Jahre. Und ein solcher Crash hat eine ziemlich große Wahrscheinlichkeit, wenn man sich die französische Realität näher anschaut.

Die wichtigste Ursache der französischen Krise ist die enorm große Rolle des Staates in der Wirtschaft. Das hat die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und seiner Industrien im Lauf der Jahre stark reduziert und die Budgetdefizite stark erhöht. Zugleich haben frühere sozialistische Regierungen etwa durch die Einführung der 35-Stunden-Woche mit populistischen Maßnahmen die französischen Unternehmen belastet. Das wurde von den Gaullisten nicht mehr zurückgenommen. Stehen doch auch sie in einer starken sozialetatistischen Tradition. Ist doch die Rücknahme sozialer Ansprüche in fast keinem Land ohne enormen Widerstand durchsetzbar.

Der französische Staat ist wie ein Luftballon aufgeblasen, der mit einem Reißnagel zum Platzen gebracht werden kann. Frankreich hat heute rund 5,5 Millionen Staatsbedienstete. Das sind um 18 Prozent mehr als vor einem Jahrzehnt. Das ist auch eine halbe Million mehr als in Deutschland (obwohl in der Bundesrepublik 19 Millionen mehr Menschen wohnen als in Frankreich). Der französische Staat kontrolliert darüber hinaus ganze Industriebranchen; er ist an mehr als 800 meist großen Unternehmen signifikant beteiligt.

Zugleich lebt Frankreich in einem höheren Ausmaß als die allermeisten anderen Länder nur vom Konsum, der durch staatliche Schuldenmacherei finanziert wird. Die offiziellen Staatsschulden: Österreich 73 Prozent, Frankreich 86 Prozent. Dabei machen die inoffiziellen – „impliziten“ – Verpflichtungen etwa aus dem generösen Pensionssystem noch ein Vielfaches dieser Werte aus, werden jedoch nirgendwo exakt gemessen. Auch die Staatsausgabenquote (als Anteil am BIP gemessen) ist mit 56 Prozent höher als im ebenfalls ausgabenfreudigen Österreich (52 Prozent), und gleich um zehn Prozentpunkte höher als in Deutschland oder auch Italien.

Deutschland produziert viel billiger

Fast notgedrungene Folge dieses Staatssozialismus: Die Arbeitslosigkeit beträgt 10 Prozent, und von den Jugendlichen ist schon jeder vierte arbeitslos. Dennoch ist bisher jeder Versuch, die Beschäftigungsquote durch eine Liberalisierung des überregulierten Arbeitsmarktes zu erhöhen, sehr rasch immer an aggressiven Demonstrationen und Streiks von linken Gewerkschaften und Studenten gescheitert. Die Profiteure in den diversen staatlich geschützten und gestützten Sektoren sind einfach nicht willens, in eine Wettbewerbswirtschaft zu wechseln. Warum sollten sie auch auf persönliche Vorteile verzichten? Die Folge: Kaum noch ein Arbeitgeber ist willens, neue Arbeitsverträge zu diesen Gewerkschaftsbedingungen zu schaffen.

Denn die Arbeitskräfte sind nicht nur unkündbar, sondern auch teuer, vor allem im letzten Jahrzehnt haben sich die Kosten für Arbeitgeber stark erhöht. Dazu kommen hohe Steuern auf jeden Arbeitsplatz. Heute sind die totalen Kosten für eine Arbeitsstunde in Frankreich um 41 Prozent höher als in Deutschland. Das führt dazu, dass immer mehr, vor allem junge Menschen wenn überhaupt nur noch kurzfristig limitierte Arbeitsplätze finden.

Frankreich agiert zwar heute als eine Führungskraft der EU. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb? – hat das Land es geschafft, große Wirtschaftsbereiche gegen die Herausforderungen, die kurzfristigen Schmerzen, damit aber auch die langfristigen Vorteile eines gemeinsamen Binnenmarktes abzuschotten. Dies gilt insbesondere für die französische Landwirtschaft, aber auch für alle Sektoren, die sich als kulturell ausgeben können.

Und ganz besonders gilt das für die großen französischen Strom- und Telekomkonzerne. Diese sind in den letzten Jahren im Ausland auf große Einkaufstour gegangen, haben aber im Inland jede Konkurrenz für ihre Monopole abwenden können. Vor allem der Stromriese EDF hat dabei freilich durch die günstige Atomstromproduktion auch einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber den von den Atomgegnern lahmgelegten Konkurrenten. Diese Nuklearindustrie hat zweifellos mitgeholfen, dass das französische Wohlfahrtsmodell bisher noch nicht kollabiert ist.

Der Immobilismus der Eliten

Zugleich hat Frankreich eine lange Tradition linksradikaler Intellektueller, welche weit wirklichkeitsfremder sind als etwa die deutschen Sozialdemokraten. Aber auch die weniger radikalen Eliten haben nicht wirklich versucht, die Nation von der Notwendigkeit irgendwelcher Änderungen zu überzeugen. Sie selbst leben ja in dem Immobilismus des französischen Modells nach wie vor gut.

Die Eliten des Landes von links bis rechts tun sich auch nach wie vor schwer mit dem Gedanken, dass Frankreich heute nur noch ein mittelgroßes Land und keine Weltmacht mehr ist. Diese Fixierung auf eine große Vergangenheit behindert aber zweifellos eine echte Zuwendung zur Zukunft.

Auch die starke Zentralisierung des Staates erweist sich immer mehr als eine unheilvolle Tradition. Sie erschwert Flexibilität und Vielfalt. In der Geschichte hat sich bisher immer staatlich gelenkte Industriepolitik als langfristig dem freien Wachstum der Ideen unterlegen erwiesen.

Eine schwere Last für Frankreich ist die große Zahl von Einwohnern, deren Wurzeln in Afrika liegen. Sie haben zwar großteils die französische Staatsbürgerschaft; sie haben aber nur in kleinen Minderheiten zum bildungsmäßigen und zivilisatorischen Standard der Mehrheitsbevölkerung aufschließen können. Sie sind daher nicht nur in besonders hohem Ausmaß arbeitslos, da die meisten einfachen Jobs verschwunden sind. Diese Menschen sind daher eine wachsend aggressive Kraft einer sozialen Destabilisierung. Bisher schien es in Frankreich wenigstens weniger gefährliche islamistische Netzwerke zu geben als etwa in Großbritannien. Das jüngste Blutbad vor einer jüdischen Schule in Toulouse lässt jedoch nun auch in diesem Punkt eine negative Entwicklung befürchten.

Sarkozy: Reden statt Handeln

Sarkozy hat vor fünf Jahren den Eindruck erweckt, als einer der ersten Spitzenpolitiker die französische Krankheit voll diagnostiziert zu haben. Aber er hat dann als Präsident – obwohl im eigenen Land viel mächtiger als der jeweilige deutsche Kanzler in seinem – fast nichts für eine Therapie getan. Sarkozy hat viel geredet und wenig gehandelt.

Zuerst haben die niedrigen Zinsen das anhaltende Schuldenmachen noch erleichtert. Und dann kam die Krise. In dieser hat sich das Defizit für die enormen Sozialausgaben automatisch rasch erhöht, während die Struktur- und Wachstumsreformen erst recht nicht angegangen wurden. Daher fehlt Sarkozy fast jede Glaubwürdigkeit, wenn er jetzt – in der Krise und im Wahlkampf – plötzlich wieder von energischen Reformen redet.

Allerdings: Keiner seiner Konkurrenten scheint auch nur in der Theorie die Reformnotwendigkeiten erkannt zu haben. Die meisten wollen sogar das Schulden-Füllhorn noch weiter über den Wählern öffnen, versprechen noch mehr Wohlfahrt, wollen marode Industrien durch neue Schulden retten. Und sie meinen weiterhin, dass sich schon alles irgendwie ausgehen wird. Oder sie glauben, dass die Deutschen (und einige andere) wie in den letzten Jahrzehnten dafür zahlen werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

Drucken

Pro Marktwirtschaft: Wider die Mär vom „Zu-Tode-sparen“

19. März 2012 22:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Die Mitgliedsstaaten der EU reagieren auf die Ausweitung der öffentlichen Verschuldung als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise mit so genannten „Sparprogrammen“. Diese Reduktion der öffentlichen Ausgaben leite, so die immer häufiger vernommene Botschaft, unvermeidbar eine ökonomische Abwärtsspirale ein, in rhetorischer Überzeichnung wird dies mit „zu Tode sparen“ betitelt. Sehen wir davon ab, dass dies technisch gesehen noch kein Sparen im eigentlichen Sinn darstellt, so scheinen Realität und öffentliche Darstellung nicht im Einklang zu stehen.

Um dies zu veranschaulichen sei der Blick in die entsprechenden Statistiken von Eurostat erlaubt. Vergleichen wir die drei Haushaltsjahre vor der Krise (2004 – 06), während (2007 – 09) und nach der Krise (2010 - 12). Hat sich Europa in eine Krise gespart?

Zumindest die Statistik kann für diese Behauptungen keinen Beleg liefern. Die Gesamtausgabenquote der EU lag im Zeitraum vor der Krise bei durchschnittlich 46,6% des BIP, während der Krise bei 47,8%, und nach der Krise bei 49,4%, war also um rund 2,8 Prozentpunkte des BIP höher. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Betrachtung der Länder der Eurozone: Die tendenziell noch höhere Ausgabenquote stieg von 47,2%, auf 48,1% bzw. auf 49,8%, also um 2,6 Prozentpunkte.

Im Gegensatz dazu hat die Schweiz die Ausgabenquote sogar reduziert, und das von einem weitaus niedrigerem Niveau als die EU, nämlich von 34,9% auf 32,9% während der Krise, um nach der Krise mit 34,1% unter dem Vorkrisenniveau zu bleiben. Die Ausgabenquote der Schweiz liegt somit um 15,3 Prozentpunkte (!) unter dem Niveau der EU. Entsprechend der Logik der Befürworter immer höherer Staatsausgaben müsste somit auch das Wohlstandsniveau der Schweiz niedriger sein, aber zumindest stärker zurück gegangen sein, als in der EU, sie hätte sich eben „zu Tode gespart“.

Die Fakten zeigen allerdings das Gegenteil: Während das (reale) BIP der EU zwischen 2008 und 2010 um 0,7% p.a. geschrumpft ist, hat das Schweizer BIP um gut 1% p.a. zugelegt. Entsprechend hat sich auch der Vorsprung des Schweizer Wohlstandsniveaus gegenüber der EU wieder ausgeweitet: 2006 lag das kaufkraftgewichtete Pro-Kopf-BIP der Schweiz um 34% über jenem der EU, 2010 war der Abstand auf 47% gewachsen, damit wurde wieder der Abstand des Jahres 1998 „erreicht“, die Konvergenz eines Jahrzehnts hat sich somit wieder umgekehrt.

Für überzeugte (Austro-)Keynesianer und sonstige Apologeten staatlicher Ausgaben ist dies ein Paradoxon. In der Schweiz wird Wohlstand vor allem erarbeitet, und in geringerem Maße umverteilt. So liegt etwa die Beschäftigungsquote (Stand 2010) mit 78,6% um 14,5%-Punkte höher als in der EU bzw. dem Euro-Raum, wo diese jeweils bei 64,1% angesiedelt ist. In simpler Schlussfolgerung könnte man somit behaupten, dass die um beinahe 16 Prozentpunkte höhere Ausgabenquote der EU die um fast 15 Prozentpunkte niedrigere Erwerbsquote der EU finanziert.

Dies reflektiert, dass der EU-Sozialstaat auch den Nicht-Erwerbstätigen ein Mindestwohlstandsniveau bietet, das finanziert werden muss. Ohne Wohlstandseinbußen gegenüber der Schweiz funktioniert dies nur, wenn die EU ihr Ziel im Rahmen der „Europa 2020 Strategie“ erreicht, die Anhebung der Erwerbsquote der 20- bis 64jährigen auf mindestens 75 Prozent zu steigern. Die Beschäftigungsquote der Schweiz liegt seit 1996 ziemlich konstant zwischen 77% bis 79%. Die Schweiz erreicht sonst einen permanenten Vorsprung gegenüber der EU, aber auch der Eurozone, von 15,5% Prozentpunkten.

Die Hauptfolge: Die Staatsverschuldung der Eurozone ist seit Einführung des Euro 2002 von 67,9% auf 85,3% des BIP im Jahr 2010 gestiegen. Den umgekehrten Weg konnte die Schweiz gehen: Seit 2002 ist der öffentliche Schuldenstand von 54,4% (2002) auf 38,4% (2010) gesunken. Da auch die Schweiz maßgebliche Unterstützung ihres Bankensektors leisten musste, fällt die bei uns weit verbreitete Argumentation, die Ausweitung der Staatsverschuldung wäre primär eine Folge von Bankenrettungspaketen, in sich zusammen. Auch ohne die Stabilisierung des Bankensektors hätte sich die Staatsverschuldung in Österreich von 2007 bis 2011 um rund 10 Prozentpunkte erhöht.

Die europäische Politik ist offenbar nicht in der Lage, haushaltspolitische Realitäten anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Die Schweiz hat vorgezeigt, wie man einer Schuldenkrise vorbeugt: Durch Arbeit und durch Sparen, nicht durch Schaffung immer neuer, immer stärker dotierter „Rettungsschirme“, deren letztes Ziel immer nur die Ermöglichung neuer Schulden ist. Sparen heißt Vermögen aufbauen, nicht Schulden erhöhen. Die vorrangige Aufgabe der Wirtschaftspolitik sollte es daher sein, die Kapitalbildung zu fördern und nicht den Konsum zu stärken.

Die Empfehlung

Selbst nach dem jüngsten österreichischen Konsolidierungsprogramm setzt die Bundesregierung den Pfad der Ausgabensteigerung auch in den kommenden Jahren fort. Daher wird auch das strukturelle Budgetdefizit bis 2016 nicht wie vom EU-Rat gefordert um jährlich 0,75 Prozentpunkte gesenkt, sondern nur um bescheidene 0,4 Prozentpunkte. Vielmehr sollte die Haushaltspolitik der Schweiz während der letzten Dekade Österreich als Vorbild dienen.

Nötig ist ein neuer nationaler Konsens in Österreich, der auf eine langfristige Rückführung der Staatsausgaben in Richtung Schweizer Niveau abzielt. Ausgehend von einer Ausgabenquote von 51,8 Prozent (2011) wäre eine Senkung der Ausgabenquote von 5 Prozentpunkten pro Legislaturperiode zielführend. Dies entspricht einer durchaus machbaren Ausgabenreduktion von jährlich einem Prozentpunkt. In den richtigen Ausgabenkategorien „gespart“, heißt das neue Wachstumspotenziale freizusetzen.

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

Drucken

Wie gut hat die Schweiz die Wirtschaftskrise im Vergleich zur EU verkraftet?

19. März 2012 13:54 | Autor: Andreas Unterberger

Ausgewählte wirtschaftliche Kennzahlen im Vergleich Eurozone und Schweiz, vor und nach Ausbruch der Wirtschaftskrise

 

Quelle Grafik: Initiative "pro Marktwirtschaft"

Drucken

Licht ins Dunkel: Inflation oder Deflation?

19. März 2012 03:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Die Gefahr einer „deflationären Depression“ dient Politikern und Zentralbankern seit den Tagen John Maynard Keynes´ als Rechtfertigung für eine inflationistische Geldpolitik. Um die vermeintlich segensreiche Schwundgeldpolitik der Währungsmonopolisten in einem günstigen Licht erscheinen zu lassen, werden auch heute noch mit größter Inbrunst jene Gefahren beschworen, die eine abnehmende Geldmenge angeblich mit sich bringt.

Der weitgehend vollständige Mangel an Wissen um Entstehung, Wesen und Bedeutung des Geldes erleichtert es Politikern, Zentralbürokraten und Bankern, das Geldvermögen der Bürger mittels Inflationssteuern unbemerkt umzuverteilen – zu ihren Gunsten, versteht sich! Henry Ford brachte es auf den Punkt, als er meinte: „Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ Da sich jedoch nur eine Minderheit der Bürger mit Fragen der – korrupten und betrügerischen – staatlichen Geldpolitik beschäftigt, ist die Revolution bislang ausgeblieben. Als Sparer ist man versucht hinzuzufügen: leider!

Markus Lindermayr, Janne J. Kipp und Christoph Schnabel unternehmen es in ihrem Buch „Inflation oder Deflation“, Licht ins Dunkel zu bringen. In einer auch für Laien verständlichen Sprache werden Grundbegriffe von Ökonomie und Geldpolitik erläutert und Begriffsumdeutungen, die in listiger Weise der Verschleierung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen dienen, klar benannt: „Inflation“ bezeichnete ursprünglich die Ausweitung der Geldmenge, während heute damit eine allgemeine Teuerung gemeint ist.

Auf diese Weise wird in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, Preissteigerungen wären das Werk profitgieriger Produzenten von Waren und Dienstleistungen und perfider Spekulanten, während dafür in Wahrheit einzig und allein die hemmungslose Ausweitung der Geld- und Kreditmenge – und damit der staatliche Geldmonopolist – verantwortlich ist. Allgemeiner Preisauftrieb ist die mit einiger Zeitverzögerung und nicht für alle Güter in gleichem Ausmaß eintretende Folge einer vorangegangenen Inflation!

Nach einer Einführung in die verwendeten Begriffe werden die wesentlichsten Zusammenhänge und wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten erläutert, wobei die Autoren an ihrer Sympathie für die Analyse der „Österreichischen Schule“ keine Zweifel aufkommen lassen. Anschließend werden in einem historischen Teil zurückliegende Inflationsszenarien (beginnend mit dem berüchtigten Papiergeldexperiment des John Law in Frankreich) und die deflationäre Stagnation in Japan seit Anfang der 1990er-Jahre beschrieben.

Danach wird den Gründen für die zyklische Natur des Konjunkturphänomens nachgespürt und der nach seinem Schöpfer benannte Kondratjew-Zyklus vorgestellt. Mit der Beschreibung globaler Trends und verschiedener denkbarer „Basisszenarien“ für die Weltwirtschaft endet der 284 Seite umfassende erste Teil des Buches.

Der kurze, aber hochinteressante zweite Teil ist der Anlegerpsychologie gewidmet und beschreibt die von Investoren am häufigsten gemachten Fehler und deren Ursachen. Grundlegend mangelhafte oder selektive Wahrnehmung der Wirklichkeit, die unbewusste Ausblendung unangenehmer Wahrheiten, die Macht des „wishful thinking“ und das völlige Fehlen eines „Plan B“ im Falle des Eintretens unerwarteter Ereignisse, können in vielen Fällen zu schmerzhaften Vermögensverlusten führen.

Zwei bedenkenswerte Zitate aus dem Schlusswort: „Die Weltwirtschaft ist nun dabei, den ausgeprägtesten Zyklus der Wirtschaftsgeschichte zu beenden.“ Welche überaus unerfreulichen Konsequenzen damit aller Voraussicht nach verbunden sind, dürfte nach der Lektüre des Buches den meisten Lesern klar sein.

„Der Weg zurück zu einem nachhaltigen Gleichgewicht wird hart.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Inflation oder Deflation?
Markus Lindermayr, Janne Jörg Kipp und Christoph Schnabel
Finanzbuch Verlag 2012
336 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-89879-637-8
€ 20,60,-

 

Drucken

Kapitalismus ist böse!

17. März 2012 02:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

Nicht erst seit Ausbruch der Staatsschulden- Währungs- und Finanzkrise ist der „Kapitalismus“ – respektive das, was viele seiner weitgehend auf dem Holzweg befindlichen Gegner dafür halten – massiv in die Kritik geraten. Mit größter Selbstverständlichkeit verstehen sich bevorzugt jene linken Aktivisten als Angriffsspitzen gegen die marktwirtschaftliche Ordnung, deren Urteil durch keinerlei Sachkenntnis getrübt ist und die ihr allenfalls bescheidenes ökonomisches Verständnis der Lektüre von Gewerkschaftspostillen und Marx-Exegesen verdanken.

Dass keiner von ihnen je einen unter Marktbedingungen tätigen Betrieb von innen gesehen, geschweige denn einen geführt oder gar gegründet hat, versteht sich von selbst. Es ist, als ob sich Konditoren oder Mineralogen über die technischem Voraussetzungen und den Wirkungsgrad von Kernfusionskraftwerken auslassen würden.

So etwa reitet Jean Ziegler, ex-UNO-Agent, notorischer Bessermensch und nach eigener Einschätzung, die er einst der Hamburger „Zeit“ anvertraute, „weißer Neger“, in seinen Publikationen rollende Angriffe, gegen das kapitalistische nord-westliche „Imperium der Schande“, dem er die Schuld am in der der Dritten Welt herrschenden Elend zuweist.

Ein nicht ganz so prominenter „Experte“, Christian Felber, Gründungesmitglied des österreichischen Ablegers von „Attac“, geht seit Jahr und Tag mit seinen „50 Vorschlägen für eine gerechtere Welt“ und seinen rigoros planwirtschaftlichen Ideen für eine „Gemeinwohlökonomie“ hausieren. Er sieht darin eine „sozial gerechte“ Alternative zum im Kapitalismus manifestierten Eigennutzdenken. Wie Jean Ziegler sieht er die großartigen Errungenschaften der modernen Wohlfahrtsdemokratie (wie etwa die beinharte Bestrafung individueller Leistung und das gesetzlich verbriefte Recht auf Faulheit) gefährdet, wenn freie Bürger freie Entscheidungen im Hinblick auf die Verwendung ihres Eigentums treffen.

Was, wenn nicht Unsinn, will man indes von Soziologen oder Philologen zum Thema Ökonomie erwarten? Demütige Einsicht im Sinne des althergebrachten Rates „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ ist von aus allen Poren Besserwisserei und Selbstgerechtigkeit verströmenden Intellektuellen nicht zu erwarten. Man darf gespannt sein, wann diese „Experten für eigentlich eh alles“ (© Günther Paal alias Gunkl) sich auch als Brückenkonstrukteure oder Neurochirurgen versuchen werden.

Sahra Wagenknecht: „Freiheit statt Kapitalismus“

Wenn ein Buch, als dessen Autorin eine gelernte Philosophin firmiert, den klangvollen Titel: „Freiheit statt Kapitalismus“ trägt, ist beinahe schon alles klar. Allerdings ist der Urheberin, der in der Sowjetzone sozialisierten Kommunistin Sahra Wagenknecht, die heute die „wirtschaftspolitische Sprecherin“ der Deutschen Linkspartei gibt, eine zumindest rudimentäre Beschäftigung mit einschlägiger Literatur zu attestieren. Dass eine radikale Gegnerin der Marktordnung „neoliberale“ Schwergewichte wie Rüstow, Erhard, Hayek, und sogar den pointierten Sozialismuskritiker Ludwig Mises (wenn auch falsch) – zitiert, ist immerhin bemerkenswert.

Im ersten Teil des 365 Seiten starken Werkes widmet sich die Genossin der Kritik des Status quo, wobei sie über längere Strecken so formuliert, als hätten ihr Philipp Bagus oder Thorsten Polleit die Feder geführt. Demnach liegt sie vielfach goldrichtig! Denn dass im Hinblick auf Unternehmen und Banken „big“ keineswegs in jedem Fall „beautiful“ bedeutet, ist korrekt. Dass die weltweit betriebene, hemmungslose Ausweitung der Geldmenge nicht das Gelbe vom Ei sein kann, ist wahr. Und dass Big Business und Big Government meist zum Schaden der Bürger unheilvolle Allianzen bilden, ebenfalls. Indessen fehlt ihr die Konsequenz zur Erkenntnis, dass die zu Recht kritisierten Zustände allesamt politisch motiviert waren und sind und daher auch politisch (demokratisch!) zu verantworten sind. Bitterböse Spekulanten und Investmentbanker agieren auf genau dem Humus, den eine von stabilen Wählermehrheiten inthronisierte Nomenklatura erst geschaffen hat.

Im zweiten Teil geht’s richtig ans Eingemachte: Hier entwickelt Wagenknecht ihre Vision dessen, was sie „kreativen Sozialismus“ nennt. Was dabei ihre Vorstellungen von denen der meisten orthodoxen Sozialisten unterscheidet, ist ihre – vordergründige – Absage an eine zentrale Wirtschaftsplanung. Ihr schwebt eine Art „Syndikalsozialismus“ vor, in welchem Unternehmensbelegschaften ihre Betriebe „selbständig“ führen sollen. Vielleicht hätte die Autorin, ehe sie sich damit auf allzu dünnes Eis wagt, bei einem anderen Linkssozialisten, nämlich Jean-Francois Revel, eine gedankliche Anleihe nehmen sollen, der in seinem Buch „Die Totalitäre Versuchung“ bereits anno 1976 auf die unauflösbaren Widersprüche hingewiesen hat, die ein derartiger „Sozialismus ohne Plan“ zwangsläufig mit sich bringt.

Dass kollektiv geführte Unternehmen in den meisten Fällen in kürzester Zeit untergehen; dass es genossenschaftlich geführten Betrieben an Wettbewerbsfähigkeit mangelt; dass die meisten Menschen einfach keine Unternehmer sein wollen – weder als in der Unternehmensführung tätige, noch als Anteilseigner, sondern ein fixes Einkommen als Unselbständige vorziehen – stört die ambitionierte Weltverbessererin nicht. Irgendwann, irgendwo muss der dem jeweiligen Gusto linker Kollektivisten entsprechende Neue Mensch am Ende doch noch zu finden sein…

Dass Wagenknecht, wie alle radikalen Linken, keinen Begriff stärker positiv besetzt als den der Demokratie, passt ins Bild. Geht es doch schließlich um siamesische Zwillinge: Ohne Sozialismus keine Demokratie; ohne Demokratie kein Sozialismus.

Ein Katalog klassisch bolschewistischer Ideen rundet das Bild harmonisch ab: Die Verstaatlichung aller Banken, Versicherungen und sämtlicher Unternehmen, die den „Grundbedarf“, wie Energie, Transport, und Telekommunikation sicherstellen, ist in ihrem Modell unumgänglich. Zum Glück zählen Nahrung, Bekleidung, Behausung und Sexualität nach Meinung der Autorin offenbar nicht zu den „Grundbedürfnissen“. T-Shirts, Mittagsmenüs und Geschlechtspartner dürfen im Wagenknecht´schen Utopia anscheinend frei gewählt werden.

100 Prozent Erbschaftssteuern für alle die Millionengrenze in Euro übersteigende Vermögensteile verstehen sich von selbst – Unternehmensbeteiligungen eingeschlossen. Letztere sollen allerdings nicht dem Staat anheimfallen, sondern Stiftungen zugeführt werden, die im Eigentum der in den Unternehmen Beschäftigten stehen. Begründet wird dieser weltfremde Irrsinn mit dem angestrebten Ziel, die Ausbildung von volkswirtschaftlich angeblich schädlichen „dynastischen Vermögen“ (die in der Praxis allerdings kaum zu finden sind, denn gerade einmal sieben Prozent aller Unternehmen erleben ihre Übergabe an die dritte Generation) zu unterbinden.

Der Frage, welche kreativen Geister es unter derartigen Rahmenbedingungen noch unternehmen werden, unter größtem Arbeitseinsatz und unter Inkaufnahme hoher materieller Risiken Betriebe aufzubauen, stellt die Autorin sich nicht. Wie die meisten Intellektuellen, die das Wesen der Marktwirtschaft nicht aus eigener Erfahrung, sondern nur aus der (marxistischen) Literatur kennen, versteht sie nicht, dass ein selbständiger, für seine Handlungen haftbarer Unternehmer grundsätzlich anders tickt, als ein angestellter Betriebsführer; dass zudem nicht alle Menschen gleich sind – weder in ihren Ansprüchen noch in ihren Fähigkeiten – und dass damit jeder Versuch einer (notwendigerweise gewaltsamen) Gleichmacherei sich stets zum Schaden aller auswirkt, will sie nicht zur Kenntnis nehmen.

Schade um die in weiten Teilen stimmige Analyse im ersten Teil des Buches. Am Ende wird doch wieder nur abgestandener, alter Wein aus neuen Schläuchen serviert: Enteignung, Kollektivismus, Geringschätzung von Einzelleistungen, Gleichmacherei und freie Bahn der Bürokratie. Leider hat auch Frau Wagenknecht nichts Neues anzubieten.

Fazit: Weder die Suche nach einem „Dritten Weg“, noch die Beschwörung einer „Gemeinwohlökonomie“ oder eines „kreativen Sozialismus“ werden zur Lösung der aktuellen Probleme beitragen, weil sie allesamt auf eine weitere Entkoppelung von (Entscheidungs-)Macht auf der einen, sowie Verantwortung und Haftung auf der anderen Seite hinauslaufen. Genau daran aber krankt ja bereits das gegenwärtig herrschende System von Interventionismus und Schuldenwirtschaft. Nicht mehr sondern weniger Demokratie – und damit eine Renaissance der individuellen Verantwortung – ist gefragt. Die Suche nach einem in jeder Lebenslage altruistisch handelnden „Neuen Menschen“ kann getrost abgeblasen werden. Der wird nie geboren werden…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Drucken

Statt der Frauen- die Genossenquote

17. März 2012 00:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Während linke (und einige andere) Frauen lauthals nach einer Quote für weibliche Aufsichtsräte rufen, handeln die linken Männer schon. Sie holten sich eine ganz eigene und besonders seltsame 40-Prozent-Quote.

Die Firma ATB Austria Antriebstechnik AG war Teil der in den vergangenen Monaten unter lautem Getöse eingegangen A-Tec-Gruppe des Investors Mirko Kovats. Sie ist in den letzten Wochen fast zur Gänze ins Eigentum der chinesischen Woloong-Gruppe übergegangen.

Das ist an sich noch nicht so sensationell. Kaufen doch die Chinesen reihum europäische Firmen (und afrikanische Ländereien samt Bodenschätzen) auf, weil sie spüren, dass die Euro- und Dollar-Noten in ihren Tresoren während der nächsten Jahre rasch an Wert verlieren werden. Und da sind europäische Hochtechnik-Betriebe allemal eine bessere Geldanlage als bunt bedruckte Papierscheine oder gar Staatsanleihen des alten Kontinents – obwohl ihnen diese in den letzten Monaten von zahllosen europäischen Politikern heftigst angedienert worden sind. Das hat die Chinesen hinter der Fassade ihrer Höflichkeit aber eigentlich nur noch amüsiert. Das Amüsement vermehrt sich insbesondere ab dem Zeitpunkt, als die Europäer mit so viel EU-Präsidenten anreisten, dass sich die Ostasiaten schon gar nicht mehr auskennen konnten, wer dann da überhaupt noch wichtig war (richtige Antwort: keiner).

Zurück zur ATB. Diese hat soeben ihren Aufsichtsrat von drei auf fünf Sitze erweitert. Wirklich erstaunlich sind die Namen der beiden Neo-Aufsichtsräte: Sie heißen nämlich Peter Wittmann und Christoph Matznetter. Denn beide sind im Haupt- (Neben-?)Beruf Abgeordnete der SPÖ im österreichischen Nationalrat. Daher fällt jedenfalls einmal das Geschlecht der beiden auf. Denn dieses wird sie mit Sicherheit nicht hindern, brav mitzustimmen, wenn ihre Fraktion wieder einmal nach verpflichtenden Frauenquoten „Mindestens 40 Prozent!“ rufen wird.

Viel weniger Gewissheit gibt es über die Motive der Chinesen, sich aus dem Stand gleich eine 40-prozentige SPÖ-Quote zuzulegen. Kommt da hinter dem chinesischen Kapitalismus die altkommunistische Verwandtschaft mit der Sozialdemokratie zum Vorschein? Rechnen die Chinesen damit, dass ihnen zwei SPÖ-Aufsichtsräte alle kritischen Recherchen der meisten österreichischen Wochen- und Tageszeitungen ersparen werden, weil diese wegen der vielen Inseratenseiten aus Steuergeldern keinen Platz mehr für unangenehme Stories über die SPÖ haben werden? Glauben sie, dass ihnen die SPÖ im Aufsichtsrat die Gewerkschaft fern halten wird? Wird da die Partei schon vorsorglich angefüttert? Oder muss da vielleicht gar irgendwer eine Dankesschuld abtragen?

Ich fürchte, wir werden die Wahrheit erst viel später, jedoch sicher nicht so bald erfahren. Und natürlich sei ausdrücklich festgehalten, dass die beiden Herren natürlich die weitaus besten hierzulande auftreibbaren Aufsichtsratskandidaten gewesen sind.

Drucken

Die Krise ist vorbei – es lebe die Krise

13. März 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Europas und Österreichs Politiker versuchen den Eindruck zu erwecken, dass die große Krise überwunden wäre. Da die Menschen der schlechten Nachrichten längst überdrüssig sind, sind sie nur allzu gern geneigt, die Botschaft auch zu glauben. Alleine: Die wirtschaftlichen Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Sie bleiben in der Welt, auch wenn man sie verdrängt.

Die Gefahr ist sogar groß, dass gerade die Rettungsmaßnahmen einen Startschuss für die nächste Krise bedeuten, die daher eine direkte Fortsetzungskrise zu werden droht. Vor allem die Politik des billigen Geldes und die ständige Steigerung der Staatsausgaben bergen großes Gefahrenpotential.

Damit wiederholen sich die Hauptursachen des letzten Krisenausbruchs: Nach der Dot.com-Krise 2001/02 haben die westlichen Notenbanken – auf Druck der Politik – eine viel zu expansive Geldpolitik betrieben. Und zugleich war auch die Fiskalpolitik viel zu expansiv. „Die Wirtschaft wurde damals von beiden Seiten befeuert“, formuliert der Makroökonom Peter Brezinschek. Das musste zur Entstehung von Blasen führen, die irgendwann einmal platzen, was dann 2008 mit katastrophalen globalen Folgen passiert ist.

Am Beginn einer österreichischen Immobilienblase

Auch wenn Wissenschaftler in Hinblick auf die Zukunft immer viel vorsichtiger formulieren als bei der Vergangenheit, müsste ein Satz von Christian Helmenstein, einem weiteren prominenten Ökonomen, in ganz Österreich die Alarmglocken schrillen lassen. „Österreich befindet sich möglicherweise an der Schwelle zu einer Immobilienblase. Es gibt aber keinen Politiker, der bereit wäre, eine sich aufbauende Blase zu stoppen.“

Genau solche Immobilienblasen – also steil ansteigende Preise für Häuser und Wohnungen – sind ja am Beginn der jüngsten Krise von Amerika bis Spanien geplatzt. Das hat die bekannten explosiven Kettenreaktionen ausgelöst. Denn ein tiefes Absinken der zuvor in die Höhe gejagten Werte von Immobilien (in Spanien etwa auf ein Fünftel der Spitzenwerte) bringt natürlich nicht nur die Hausbesitzer, sondern auch die kreditgebenden Banken ins Schleudern. Es setzt sie existenzbedrohend „unter Wasser“, wie es die Amerikaner formulieren.

Das, was vor zehn Jahren zu der verheerenden Blasenbildung geführt hat, ist im Grund genau das, was auch jetzt wieder passiert. Die EZB hat mehr als eine Billion Euro an Billigstgeld gegen zum Teil sehr dubiose Sicherheiten unter die Europäer gebracht; ähnliches tun die Amerikaner; zugleich sind die Sparanstrengungen vieler Länder unzureichend. Wir haben also wieder eine leichtfertig expansive Politik, in Sachen Budgets wie auch in Sachen Notenbanken. Die aber keineswegs für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand sorgt.

Die Schweiz gibt weniger aus – und baut Vorsprung aus

Österreichische Spitzenökonomen, die in der Gruppe „proMarktwirtschaft“ zusammengefasst sind, haben nachgewiesen, dass die Schweiz in den fünf Jahren 2006-2010 ihren Vorsprung auf die Euro-Länder drastisch ausbauen hat können: War das (entsprechend der Kaufkraft berechnete) Pro-Kopf-Einkommen der Schweizer anfangs „nur“ um 34  Prozent höher als im Euro-Raum, so stieg der eidgenössische Vorsprung am Ende der Periode auf 47 Prozent.

Damit ist der gesamte Wachstumsvorteil, den die Euro-Einführung ursprünglich im Vergleich zur Schweiz ausgelöst hat, wieder verloren gegangen. Ursprünglich war ja der Euro für viele Länder vorteilhaft, weil er niedrige Zinsen gebracht hat. Jedoch wurden diese in vielen Ländern nicht für Investitionen genutzt (mit denen man die Rückzahlung finanzieren hätte können), sondern für Konsumausgaben.

Die Schweiz hat ihren Wachstums- und Wohlstandsgewinn während der letzten Jahre nicht durch höhere Staatsausgaben oder Verschuldung oder billiges Geld erzielt. Was ja nach der Ansicht von gewerkschaftsnahen Ökonomen die einzigen Wege zu Wachstum wären. Sie hat vielmehr in diesem Zeitraum Staatsausgabenquote wie auch Schulden deutlich zurückschrauben können. Letztere sank (im Zeitraum 2002 bis 2010) etwa von 68 auf 54 Prozent.

Die Ökonomen sehen auch über die Schweiz hinaus eine enge Korrelation zwischen dem Abbau von Schulden und einem steigenden Wachstum. Diese Erkenntnis stellt die einstige Keynesianische Theorie weitgehend auf den Kopf, die zu immer mehr Schulden geführt hatte.

Sparpaket ist völlig unzureichend

In Österreich hingegen steigt trotz dieser Erkenntnisse die Ausgabenquote weiter an. Das Land hat in den guten Konjunkturjahren 2009/10 fast als einziges Euro-Land die Ausgabenquote sogar gesteigert. Auch für die Zukunft schaut es trotz eines angeblichen Sparpakets nicht gut aus. Während die EU eine alljährliche Reduktion des strukturellen Budgetdefizits um 0,75 Prozent verlangt, reduziert Österreich dieses strukturelle Defizit nur um 0,4 Prozent des BIP (Bei der Berechnung eines strukturellen Defizits werden Konjunktur-Effekte herausgerechnet).

Die proMarktwirtschaft-Ökonomen sehen eine jährliche Defizitreduktion von sogar 1 Prozent als leicht möglich an. Alleine in den drei Bereichen Gesundheit (zB.: zu viele Akutbetten, zu viele und medizinisch noch dazu schlechte Kleinspitäler), Pensionen (ein viel zu niedriges Antrittsalter) und Förderungen wäre das Defizit problemlos um sechs Prozentpunkte reduzierbar. In all diesen drei Bereichen ist Österreich weit ausgabenfreudiger als die anderen europäischen Länder. Dabei geht es hier durchwegs um Ausgaben, die nicht wachstumsfördernd sind.

Bankenrettung ist nicht an Krise schuld

Die Daten der Ökonomen widerlegen noch weitere häufig wiederholte Glaubenssätze der österreichischen Debatte. So wird oft behauptet, die Bankenrettungen seien die Hauptursache der angewachsenen Schulden. Dabei macht das ganze Bankenrettungspaket nur maximal 5 Prozent des BIP aus – dies aber nur im Fall, dass das Paket ganz ausgeschöpft wird und keine Gelder für die Partizipationsscheine zurückfließen. Was jedoch als absolutes Worst-Case-Szenario gilt.

Bereits Tatsache ist jedoch, dass die Krise das Defizit um rund 15 Prozentpunkte ansteigen hat lassen. Und der allergrößte Teil der rund 73 Prozent Staatsschulden, die Österreich heute so drücken, ist ja überhaupt in den Jahren vor der Krise, also ganz ohne Bankenrettungen entstanden.

Aber auch diese 73 Prozent sind nur ein kleiner Teil der Wahrheit: Schon  im übernächsten Jahr kommen weitere 4,5 Prozent durch derzeit noch in ausgelagerten Gesellschaften versteckte Schulden hinzu. Die wirkliche – nur selten öffentlich angesprochene – Katastrophe ist aber die implizite Staatsverschuldung. Zu deren Berechnung werden auch all jene Verpflichtungen dazugerechnet, die der Staat jetzt schon eingegangen ist: etwa die künftig auszuzahlenden, aber heute schon bestehenden Zahlungsverpflichtungen für Pensionen, für den öffentlichen Dienst und die Folgen der demographischen Entwicklung.

Helmenstein berichtet von einer neuen deutschen Studie, dass diese implizite Verschuldung in Österreich bereits über 297 Prozent liegt. Zwar sind auch in anderen Staaten solche implizite Schulden aufzufinden. Aber sie liegen etwa in Deutschland um rund hundert Prozentpunkte niedriger als in der Alpenrepublik.  Daher ist ein weiterer Verlust der österreichischen Kreditwürdigkeit, ein neuerliches „Downgrading“ wahrscheinlicher als eine Rückkehr zum Triple-A.

Die Politik als oberster Preistreiber

Auch die Klagen mancher Politiker über die Preissteigerungen der „Wirtschaft“ sind überaus heuchlerisch: Während die gesamte Inflation in Österreich im Schnitt des letzten Jahrzehnt 1,9 Prozent ausgemacht hat, sind die (politisch) administrierten Preise um 2,65 Prozent gestiegen. Das heißt: Die Politik selber ist der größte Preistreiber.

Selbst die einstige sozialdemokratische Vorbild-Region Skandinavien ist kein Exempel mehr für die Politik der österreichischen Regierungen (vor allem der besonders ausgabenfreudigen Landesregierungen), um ihre Schulden- und Ausgabenfreudigkeit zu rechtfertigen. Schweden etwa hat als einziger EU-Staat derzeit ein ausgeglichenes Budget, kann sich daher zum Unterschied von Österreich sein noch immer recht hohes Ausgabenniveau leisten. Es hat aber auch seine Ausgabenquote um nicht weniger als 4,7 Prozentpunkte reduziert. Während eben Österreich diese Quote steigert.

 Mit anderen Worten: Die Politik tut alles, damit sich die Krise recht bald in noch gesteigertem Umfang wiederholt.

 Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

Drucken

Der Tod einer Verschwörungstheorie

09. März 2012 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Griechenland ist noch lange nicht gerettet – aber wieder einmal ist eine Verschwörungstheorie zusammengebrochen. (Mit einer nachträglichen Ergänzung)

Dass 95 Prozent der privaten Gläubiger Griechenlands auf einen Gutteil ihre Forderungen verzichten, überrascht. Haben doch alle „Insider“ seit Wochen von einer großen Verschwörung der Hedgefonds berichtet. Diese Fonds hätten sehr viele Forderungen günstig aufgekauft, würden auf keinen Euro davon freiwillig verzichten, und für den Fall einer zwangsweisen Beschneidung die von ihnen gekauften Kreditausfallversicherungen (CDS) aktivieren. Solche CDS seien außerdem von den wilden Spekulanten auch in Form von Wetten ganz ohne zugrundeliegenden Kredit in großem Umfang gekauft worden.

Es gab zwar offensichtlich keine Beweise, aber man wusste das einfach alles. Seit drei Jahren wird ja jedes Gerücht geglaubt, wenn es nur irgendwelche düstere Spekulanten zum Bösewicht stempelt. Die Vermutung ist groß, dass solche Gerüchte besonders von der Politik gestreut werden, damit nur möglichst wenige Menschen erkennen, dass die schuldensüchtigen Regierungen die eigentlichen Hauptschuldigen an der Krise sind. Aber wieder einmal hat all das Böse, was man da so über die Finanzwelt zusammenreimte, nicht gestimmt. Seltsam. Und wenn jemand wie behauptet wirklich massenweise die behaupteten Spekulations-Wetten abgeschlossen hätte, stünde er nun mit blutiger Nase da. Aber man sieht keinerlei Blutspur.

Die einzigen, von denen zumindest griechische Medien konkret berichten, dass sie dem Schuldenschnitt nicht zugestimmt haben, sind ausgerechnet griechische Pensionsfonds. Das wäre noch viel seltsamer. Wenn diese Meldungen oder auch jene über gewaltige Rüstungskäufe Griechenlands stimmen sollten, dann bestätigt das freilich nur eines, was jeder Lokalaugenschein in Griechenland auch zeigt: Das eigentliche Problem Griechenlands ist nicht die Schuldenmenge, sondern der Reformunwille des Landes und seiner Menschen. Man tut ständig nur so, als ob man harte Schnitte setzt – ­ nämlich solange irgendein Ausländer Druck macht. Aber kaum ist der wieder abgezogen, geht der alte Schlendrian weiter.

Wirklich grundlegende Änderungen finden dort einfach nicht statt. Während Irland oder Portugal sehr harte Sanierungsmaßnahmen durchziehen, erscheint es den Griechen offenbar viel praktischer, wenn halt auf das nunmehrige zweite Hilfspaket in einiger Zeit ein drittes folgt. Und so weiter.

Das bestätigt aber nur die absolute Überzeugung: Schon das erste Paket war ein schwerer Fehler gewesen. Und die europäischen Steuerzahler wären viel billiger weggekommen, hätten sie nicht Griechenland dauerretten, sondern nur den Dominoeffekt wegsubventionieren müssen, falls ausländische Banken mit vielen griechischen Staatsanleihen im Tresor zu kollabieren gedroht hätten.

Aber diesen historischen Fehler wird nie jemand zugeben. Weder eine Regierung noch EU noch die EZB noch eine Notenbank. Wer ist schon bereit zu sagen: Wir haben einen Riesenfehler begangen? Lediglich der Internationale Währungsfonds wendet sich immer stärker von der bisherigen Griechenland-Politik ab. Vielleicht weil dort keine Europäer sitzen?

(Am nächsten Morgen waren es dann zwar doch nur 84 Prozent. Was aber am Geschriebenen nichts ändert).

Drucken

Warum Privat halt doch besser wäre

08. März 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist an sich ein erfreuliches Zeichen: Erstmals seit Jahren reden Politiker wieder von Privatisierungen. Gewiss wäre es besser, sie würden nicht nur reden, sondern auch handeln. Aber immerhin: Die ÖVP wagt zumindest das Reden – freilich erst nach dem Sparpaket.

Warum überhaupt sind Privatisierungen wünschenswert? Man sollte sich das immer wieder in Erinnerung zu rufen, seit die Anhänger einer Staats- und Planwirtschaft in vielen Medien so erstaunlich laut geworden sind.

Erstens arbeiten Privatbetriebe um 10 bis 15 Prozent effektiver (es sei denn, sie haben ein unangreifbares Monopol). Aus vielerlei Gründen: Dort gibt es keine Manager und Mitarbeiter, die nur ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit wegen ausgewählt wurden. Dort fließt nicht ständig Sponsoring-Geld für Parteien und Vorfeldorganisationen. Dort gibt es einen Eigentümer, der viel intensiver auf das Unternehmen schaut als Politiker in der Eigentümerrolle, die ja primär wiedergewählt werden und höchstens sekundär Gewinne oder Substanzvermehrung erzielen wollen. Dort kann kein Eigentümer von Parteifreunden unter Druck gesetzt werden, Aufträge gezielt an sie zu vergeben. Dort kann niemand durch öffentliche Agitation der Gewerkschaft erpresst werden – was ja beispielsweise die AUA jahrzehntelang schwer geschädigt hat. Dort wagt man es auch, gegebenenfalls betriebsnotwendige Kündigungen auszusprechen.

Zweitens geht es mehr als 90 Prozent der privatisierten Unternehmen nachher deutlich besser. Was dann auch wieder Steuern in die Staatskassa spült.

Drittens und derzeit besonders aktuell: Viele Formen der Korruption sind nur in staatlichen Unternehmen möglich. Es ist etwa denkunmöglich, dass ein privater Eigentümer die Bank Burgenland um 55 Millionen zu billig hergegeben hätte.

Viertens sind auch die Einmaleffekte eines Verkaufs nicht zu unterschätzen. Selbst das der Arbeiterkammer nahestehende Wirtschaftsforschungsinstitut hat rund um das Sparpaket Verkäufe von Unternehmen aus Bundes- und Landesbesitz empfohlen. Das hätte nach Wifo-Schätzung fast die Hälfte jener Summe hereingespielt, die das Sparpaket in den nächsten fünf Jahren vor allem durch höhere Lohnnebenkosten und Steuern (also pure Wachstumskiller!) bringen soll.

All diese Argumente werden dadurch nicht entkräftet, dass es einzelne Staatsbetriebe gibt, die erfolgreich und effizient geführt werden. Als Beispiele könnten etwa die Schönbrunn-Betriebsgesellschaft oder der Verbund dienen.

Das einzige Problem: In Zeiten, wo der Staat Finanz-, Bank- und Börsegeschäfte durch ständig neue Steuern bestraft, tragen immer mehr Investoren ihr Geld lieber ins Ausland, statt als Käufer eines Staatsbetriebs zur Verfügung zu stehen. Sie tun das so intensiv, dass sich Brasilien, eines der derzeit beliebtesten Zielländer, derzeit schon über den Tsunami an europäischen Geldern beklagt.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

Drucken

Am Ende der Leistung

06. März 2012 23:42 | Autor: Wolfgang Hoffmann
Rubrik: Gastkommentar

Krise. Schuldenkrise. Eurokrise. Wirtschaftskrise. Rezession. Auf Schritt und Tritt springen uns diese Worte förmlich entgegen. Aus dem Radio, den Zeitungen, aus unzähligen Bildschirmen. Selbst die Infoterminals in der U-Bahn erzählen davon. Die Menschen schauen weg. Einige starren auf den Boden, andere vor sich hin ins Leere.

Bremse. Schuldenbremse. Kostenbremse. Inflationsbremse. Ratlosigkeit. Die Politiker wählen ihre Worte sorgfältig. Nur keinen Fehler machen. Nur keine Wellen. Beruhigen. Entscheidungen werden vertagt. Auf die nächste Sitzung, den nächste Gipfel. Warten.

Was ist da passiert? Wohin sind Freude, Optimismus, Hoffnung? Selbst in den schlimmsten Krisen war noch immer genug davon da. Die Menschen krempelten die Ärmel hoch und veränderten die Welt. Etwa wie zuletzt in den arabischen Ländern.

Wir aber verharren in unserer Angst und Unsicherheit. In den Jahren des Aufschwungs sind wir gerannt wie verrückt. Wir haben nur mehr an die Zukunft gedacht. An den nächsten Schritt auf der Karriereleiter. An das große Geld, das da kommen soll. Wir haben uns blenden lassen, von den großen Versprechen, den gigantischen Gewinnen, den fantastischen Ratings. Unser Leben haben wir inzwischen vertagt. Auf das nächste Wochenende, auf den nächsten Urlaub, oder gar auf die Pension.

Und jetzt? Jetzt sitzen wir alle da, mit langen Gesichtern. Die Leistungsgesellschaft funktioniert also doch nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir sind am Ende mit unserer Leistung. Und inzwischen haben wir auch noch verlernt zu leben.

Bleibt nur noch der Rat von Fritz. Immer wenn ich ihn sehe, strahlt er über das ganze Gesicht. Und immer optimistisch. Fritz hatte ein hartes Leben; hat viele Jahre auf der Straße gelebt; war 18 Monate im Knast. „Woher nimmst du die diese Fröhlichkeit, diese Kraft? Wie machst du das?" frage ich ihn immer wieder. „Ganz einfach", antwortet er dann, „du musst nur einmal öfter aufstehen, als du fällst. Und du wirst sehen: Es funktioniert!"

Also gut: Aufstehen. Wenn jeder von uns aufsteht, wird es auch die Wirtschaft tun. Und Staatshaushalte. Und der Euro. Los geht's.

Wolfgang Hoffmann, Jahrgang 1959, ist Musiker, Unternehmer und Autor.
Siehe:
http://www.woho.at

Drucken

Wie groß ist der Einkommensunterschied zwischen Frauen & Männern?

04. März 2012 17:21 | Autor: Andreas Unterberger

Differenz zwischen den Bruttoeinkommen der Frauen & Männer – gesamt sowie der Vollzeitbeschäftigten – in Prozent

 

Drucken

Das Triple-G oder: Just write a check

04. März 2012 00:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Hans Peter Haselsteiner ist ein guter Gutmensch: Er fordert regelmäßig auch für sich höhere Einkommensteuern. Da ist man doch ob so viel Edelmut wirklich gerührt.

Niemand in Österreich würde es wagen, auf Haselsteiner so ähnlich zu reagieren, wie es Chris Christie, der Gouverneur der US-Bundesstaats New Jersey, unlängst tat. Dieser wurde in einem Interview auf den amerikanischen Milliardär Warren Buffet angesprochen. Auch Buffet reist ja seit Jahr und Tag mit der Forderung nach höheren Steuern für seinesgleichen durch alle Medien. Christies rüde, aber treffende Antwort: „Shut up and just write a check!“

In der Tat: Jeder, der sich zu gering besteuert vorkommt, möge einfach einen Scheck ausstellen und nicht ständig herumreden.

Buffet wie Haselsteiner haben weitere auffallende Gemeinsamkeit: Sie haben beide politische Ambitionen – und ein erstaunlich geringes steuerpflichtiges Einkommen. Bei dem Strabag-Chef sind es nach eigenen Angaben (laut „Salzburger Nachrichten“) zwei Millionen Euro im Jahr. Gleichzeitig macht aber die Strabag 12.777 Millionen Umsatz pro Jahr. Da verdient der Mann weniger als ein Sechstausendstel? Ist er ein so schlechter Geschäftsmann? Man sollte wirklich für ihn sammeln gehen.

Hat er – oder das ein wenig intransparent verschachtelte Syndikat Haselsteiner-Deripaska-Raiffeisen – aber vielleicht nur besonders kreative Steuerberater? Dann sollte man eher an Chris Christies Ratschlag denken. Oder an die letztlich bald wieder unter dem Teppich verschwundene Affäre um 15 Haselsteiner-Millionen für ungarische Politiker. Oder an die Aussagen eines Strabag-Managers in Sachsen, dass kriminelle Geschäftspraktiken an der Tagesordnung wären.

Solche Praktiken mögen vielleicht manchen in der Baubranche tatsächlich unvermeidlich erscheinen. Sie sollten aber jedenfalls ein Anlass sein, uns Moralpredigten zu ersparen. Noch mehr sollte das ein anderer Aspekt tun: Denn höhere Steuern für  alle Besserverdienenden würden vor allem eines ermöglichen – noch mehr Misswirtschaft auf Steuerkosten. An der Spitze der Misswirtschaftsprojekte stehen derzeit ganz zufällig drei gigantische Tunnelprojekte. Diese haben zweierlei gemeinsam: Erstens werden sie sich niemals rechnen. Und zweitens darf man davon ausgehen, dass dabei der Tunnelbauspezialist Strabag gut verdienen wird.

Mit anderen Worten: Das bisschen, was der Leider-nur-zwei-Millionen-Mann Haselsteiner nach einer weiteren Steuererhöhung mehr zahlen würde, kommt dann über Milliardenaufträge wieder bei der Hintertür hinein. Eine PR-Agentur könnte es nicht besser ausdenken, wie man gleichzeitig gute Geschäfte macht, gute Medienpräsenz bekommt und sich zum guten Menschen stilisiert. Ein Triple-G gleichsam.

Das alles heißt natürlich nicht, dass Gutverdiener nicht Gutes tun sollen. Im Gegenteil. Einschlägige Kontonummern für Spendenüberweisungen werden jederzeit bekanntgegeben. Aber sie mögen uns mit Güte als PR-Aktion, mit Güte zu Lasten Dritter und mit Güte zum eigenen Nutzen verschonen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

Drucken