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ÖIAG oder die Rückkehr des totalen Parteienproporzes

Dass SPÖ und ÖVP einige Verbrauchssteuern erhöhen wollen, ist das am wenigsten katastrophale am Koalitionsvertrag. Das viel Schlimmere ist das Scheitern einer substanziellen Privatisierung. Und weitaus am schlimmsten und teuersten sind die nun langsam durchsickernden Pläne zur Zerschlagung der ÖIAG. Diese soll wieder total zu einer Partei- und Proporzholding werden. Was der Republik noch teure Schadenersatzprozesse einbringen dürfte.

Höhere Tabak-, Autokauf und Alkoholsteuer haben neben dem Abkassiereffekt nur dann eine strukturell negative Folge, wenn die höheren Preise auch den Schmuggel in Gang setzen. Bei Zigaretten ist der aber ohnedies schon lang in Gang, sodass nicht allzuviele zusätzliche Effekte eintreten werden.

Diese Steuererhöhungen werden die Menschen zwar eine Zeitlang ärgern. Und der Boulevard darf sie kritisieren. Womit er ein wenig simuliert, dass er ja doch parteiunabhängig wäre. Aber in Wahrheit werden damit die viel schlimmeren Katastrophen rund um die ÖIAG vertuscht, die einen echten Schaden für die Republik bedeuten, und zwar gleich mehrfach.

Dazu gehört das schon dritte Scheitern einer substanziellen Privatisierung, seit die SPÖ in die Regierung zurückgekehrt ist: Wieder einmal – wie etwa auch bei der verlangten Schaffung von Subventionstransparenz – stimmt die SPÖ zwar einer ÖVP-Forderung zu. Sie tut das aber immer nur im Prinzip. Denn schon im zweiten Schritt wird die Zustimmung regelmäßig wieder weitgehend ausgehöhlt. So war zwar die Subventionstransparenz einst schon von einem Josef Pröll unter lautem Trommelwirbel als großer Erfolg verkauft worden. Aber geben tut es sie bis heute nicht.

Ganz ähnliches passiert jetzt bei der ÖVP-Forderung nach Privatisierung: Die SPÖ stimmt zwar im Prinzip nach langem Hinhalten zu. Konkret will sie aber vorerst nur einer Privatisierung von Hypo Alpe-Adria und Kommunalkredit zustimmen.

Diese Vorstellung der Faymann-Truppe ist geradezu süß: Zuerst donnert der Staat (auch ein Bundesland gehört ja zum Staat) Betriebe insolvenzreif gegen die Wand, sodass die Trümmer ganz Österreich treffen. Und jetzt, Jahre später, nachdem der Schaden durch die Verschleppung der Insolvenz immer größer geworden war, will man sie privatisieren.

Diesen Trick haben freilich schon viele Defraudanten versucht, die ihre Unternehmen fünf Minuten vor dem Konkursrichter noch schnell wem andrehen wollten. Aber nur selten fanden sie auch jemanden, der so blöd war, diese Betriebe zu kaufen.

Dort, wo es wirklich sinnvoll wäre, sind die Sozialdemokraten aber weiterhin gegen eine echte Privatisierung. Ihr Argument: Es könnten dem Staat ja künftig erhoffte Einnahmen aus diesen Unternehmen entgehen. Daher soll bei den Staatsbetrieben die Republik weiterhin mehr als 25 Prozent behalten, also die strategische Führung.

Können erwachsene Menschen wirklich so blöd sein? Kann man wirklich vergessen haben, dass die Verstaatliche Industrie in der Zeit, als ja selbst Portierjobs nur über Partei und Gewerkschaft zu bekommen waren, Riesendefizite und Schuldenberge produziert hat? Dass nur durch die Privatisierung Schulden abgebaut werden konnten? Und dass es erst nach der Privatisierung dann – in aller Regel – positive Ergebnisse gegeben hat?

Gewerkschaftliche Einfaltsgenossen begannen jedoch nach jedem Verkauf zu stänkern, weil sich der Staat die dann erzielten Gewinne entgehen ließe. Wobei sie einfach total ignorieren, dass die Verstaatlichte Industrie im Staatseigentum wohl auch in hundert Jahren immer neue Schulden produziert hätte.

Aber das Allerschlimmste ist die von Rot und Schwarz abgesprochene Neuformung der ÖIAG, also der Holding dieser Staatsbetriebe. Sie soll jetzt wieder einen rot-schwarzen Proporzvorstand bekommen! Und zugleich soll der ÖIAG-Aufsichtsrat wieder politisch besetzt werden.

Zur Erinnerung die jüngere Geschichte der ÖIAG: Um auch bei den im Staatseigentum verbliebenen Unternehmen noch vor der Privatisierung modernes Management einzuführen, haben Schwarz-Blau eine neue Konstruktion dieser Holding geschaffen. Die ÖIAG wurde einem Aufsichtsrat unterstellt, der sich selbständig, also politik- und parteiunabhängig erneuert. Dieser Aufsichtsrat konnte dadurch alle Zurufe und Personalwünsche aus Parteizentralen, Ministerien oder Nationalbank ignorieren, wie sie vorher jahrzehntelang Usus waren. Lediglich in der Telekom hatte das dortige Management auch nachher noch einige Jahre auf die alte Art weitergefuhrwerkt und Parteien finanziert.

Genau diese geradezu geniale ÖIAG-Lösung, auch im (noch) staatseigenen Bereich Unabhängigkeit zu schaffen, wird jetzt von der auf uns zurollenden Katastrophenkoalition zerschlagen. Einzige Kritik an dem derzeitigen ÖIAG-Aufsichtsrat, die man zu hören bekommt: In ihm hätten anfangs Manager aus dem Bereich der Papierindustrie dominiert, später solche aus dem Umkreis der Autoindustrie.

Na und? Es ist doch alles besser als Parteisoldaten, die immer auf Pfiff gehorchen.

Aber offenbar hat das Ignorieren ihrer Pfiffe manche Parteibonzen wahnsinnig gestört, auch wenn es für den Steuerzahler exzellent war. Diese Bonzen verschaffen daher jetzt sich – pardon: der Regierung – wieder den direkten Zugriff auf die ÖIAG und damit auf OMV, Post und Telekom. Dort wird bald wieder das Parteibuch dominieren.

Eine Katastrophe für die Unternehmen.

Eine Katastrophe für die Arbeitsplätze.

Eine Katastrophe für private Aktionäre.

Tut nichts. Die Parteien können wieder ihre Freunde versorgen.

Und wers noch nicht glauben will, wird bald sehen, wie in den nächsten Wochen alle internationalen Spitzenmanager mit unabhängigem Industriewissen die ÖIAG verlassen werden. Und wie in den nächsten Jahren auch in den Vorständen der ÖIAG-Unternehmen, so wie beispielsweise jetzt in Nationalbank oder Hypo zu sehen, nur noch Parteisoldaten ihr Unwesen treiben werden. Und wie aus dem Bereich der ÖIAG wieder Geld an Parteien und gefügige Zeitungen fließen wird (die halt zur Ablenkung ein bisschen über die Zigarettensteuer schimpfen dürfen).

Wir landen endgültig zurück in der Vergangenheit.

Ist die ÖIAG-Politisierung zusammen mit dem Festhalten an der strategischen Beteiligung von 25+ Prozent nicht auch ein krimineller Betrug der Koalition an all jenen, die als Investoren an das einstige schwarz-blaue Versprechen der Entpolitisierung geglaubt und Aktien gekauft hatten? Nun, strafrechtlich kann wohl nichts passieren, hat sich doch der Gesetzgeber über das Strafrecht gestellt. Aber Schadenersatzprozesse vor dem Handelsgericht gegen ihn kann es sehr wohl geben. Und die könnten noch sehr spannend – und teuer werden.

PS: In eine solche ÖIAG würde dann übrigens auch ein Alexander Wrabetz hervorragend passen. Daher sollte man das diesbezügliche Gerücht nicht bloß für einen vorzeitigen Aprilscherz halten. In diesem Land ist alles möglich.

 

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