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Schlechtes Börsenland, schlechtes Wirtschaftsland

Die von der Wiener Börse veröffentlichten Statistiken sind erschütternd. Noch mehr erschüttert, dass sie keinerlei Diskussion ausgelöst haben. Der Politik, aber auch den meisten Medien ist der Standort Österreich offenbar wurscht. Und es gibt auch keine Ökonomen, die wie etwa in Deutschland ständig fundiert debattieren würden, die den ahnungslosen Politikern und Journalisten klarmachen, dass ohne gut funktionierende Börse der Standort schwer leiden wird.

Wenn im Vorjahr der Umsatz inländischer Aktien um 40 Prozent niedriger als davor war, dann müsste das eigentlich überall Blaulicht auslösen. Noch bedenklicher ist, dass der ganze Wiener Börsenverbund, zu dem auch Budapest, Laibach und Prag gehören, inzwischen von Warschau weit überflügelt wird. Die Börse im wirtschaftsfreundlich regierten Polen erzielt schon einen doppelt so hohen Umsatz wie die vier Wien unterstehenden Börsen zusammen. Zwar sind auch in Polen 2012 die Umsätze zurückgegangen, aber eben weit weniger.

Es gibt eine klare Ursache für die hiesige Krise: die Politik. Dennoch bemüht sich fast niemand ihr klarzulegen, wie wichtig eine funktionierende Börse und ein Kapitalmarkt für die Zukunft des Landes, seiner Investitionen, seines Wachstums und seiner Arbeitsplätze wären. Weder die KMU-Gewerkschaft (=Wirtschaftskammer) noch die in den Dienst der Bundesbahnen geratene Industriellenvereinigung kämpft darum, den Politikern die langfristigen Folgen ihres Verhaltens zu vermitteln. Diese selbst sind entweder ahnungslos oder glauben, dass sie mit dem Thema Börse keine Wahlen gewinnen.

Die konkreten Fehler der letzten Jahre: Der eine bestand darin, dass keine weiteren Privatisierungen von Staatsbeteiligungen erfolgt sind, obwohl dies sogar das eher linke Wirtschaftsforschungsinstitut vorgeschlagen hatte. Viele Investoren meiden aber Firmen, an denen der Staat beteiligt ist. Von der Telekom bis zu Stromunternehmen sehen sie ja auch dessen verderbliche Einflüsse. Viele Politiker versuchen noch immer, dort ihre eigenen Interessen zu verfolgen: von versteckten Finanzflüssen über parteipolitisch motivierte Marketingausgaben bis zu Personalbesetzungen.

Noch schlimmer war das allgemeine Klima. Statt zu sparen hat die Regierung trotz fundierter Warnungen von Experten eine Finanztransaktionssteuer angekündigt. Sie hat damit die eigene Blamage in Kauf genommen, als klar geworden war, dass diese Steuer hinten und vorne nicht funktionieren kann.

Und am schlimmsten wirken die schon neu eingeführten Steuern. Das sind die Bankensteuer und vor allem die Kursgewinnsteuer. Diese kassieren einen guten Teil des Gewinnes von Börsenkursen. Weshalb viele nicht mehr dort investieren.

Wird man all die Fehler erkennen, bevor es endgültig zu spät ist? Bevor das Land auf viele Jahre in griechisch/zypriotisch/italienisch/spanisch/portugiesische Depressionen verfällt?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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