Zahltag!

Ökonomie ist die Kunst, den Leuten zu erklären, warum sie kein Geld haben. Makroökonomie dagegen versucht zu begründen, warum Staaten unentwegt Schulden machen. Carmen Reinhardt gehört zur Zunft der Makroökonomen. Gewöhnlich handelt es sich dabei um jene famosen Experten, die heute wortreich erklären, weshalb sie mit der gestern von ihnen abgegebenen Prognose falsch lagen. Immerhin zählt die Harvard-Professorin zu jenen Fachleuten, die sich nie ein Blatt vor den Mund nehmen und immer wieder mit Stellungnahmen auffallen, die den Regierenden keine Freude machen. Eine (zusammen mit ihrem Kollegen Kenneth Rogoff) anno 2010 herausgegebene Studie, wonach hohe Staatsschulden mit niedrigem Wirtschaftswachstum korrelieren, ist ebenso in bester Erinnerung, wie ihre im Vorjahr getätigte Aussage: „…die Pensionen sind im Arsch“.

Nun hat sie im Auftrag des Internationalen Währungsfonds (IWF), wieder zusammen mit Rogoff, einen Aufsatz geschrieben, der die Möglichkeiten zur Beilegung der Staatsschuldenkrise zum Inhalt hat. Das Ergebnis ist erschreckend – zumindest für diejenigen, deren Besitz das Ausmaß eines Gewerkschaftsausweises und eines Mietvertrags für eine Wohnung im kommunalen Plattenbau übersteigt.

Nach eingehender Untersuchung zurückliegender Krisen kommen die beiden Fachleute nämlich zu dem ernüchternden Befund, dass sämtliche bislang ins Treffen geführten Maßnahmen aus dem Arsenal der „finanziellen Repression“ bei weitem noch nicht ausreichen. Selbst der vom IWF zuletzt diskutierte „Haircut“ von zehn Prozent auf alle privaten Vermögenswerte würde demnach nicht annähernd zum angepeilten Ziel einer nachhaltigen Sanierung der öffentlichen Haushalte führen.

Nach Ansicht der Studienautoren schrecken die Regierungen noch immer davor zurück, ihren Untertanen die volle Wahrheit zuzumuten. Unbekümmert auf dem bisher beschrittenen Weg weiterzugehen, wäre nun indes nicht mehr lange möglich. Das Ende mit Schrecken sei nur noch kurze Zeit hinauszuzögern. Wie die Untersuchung zurückliegender Finanzkrisen zeige, würde jetzt – auf einem Höchststand der weltweit aufgenommenen Staatsschulden, wie er in den letzten 200 Jahren nie da gewesen ist – kein Weg daran vorbeiführen, „brachiale Maßnahmen“ zu ergreifen.

Der von Reinhardt/Rogoff beschriebene Giftcocktail wird sich zusammensetzen aus

  • dem Forderungsverzicht der Halter von Staatsanleihen,
  • deutlich nach oben manipulierter Inflation (d. h. Enteignung der Sparer), sowie
  • drastischen Kapitalverkehrskontrollen (Verhinderung von Ausweichmanövern).

Was in der Liste fehlt, ist nur die auf der Hand liegende, empfindlich zu verschärfende Strafverfolgung derjenigen, die ihr Eigentum vor den räuberischen Übergriffen des Fiskus zu schützen versuchen. Proudhon scheint am Ende also doch recht gehabt zu haben: Eigentum ist Diebstahl – zumindest dann, wenn es sich in privaten Händen befindet, die schwer dafür arbeiten mussten, um es zu schaffen…

Zweckoptimismus, wie er von den stets in öffentlichen Diensten handelnden Makroökonomen gewöhnlich verbreitet wird, sucht man in der vorliegenden Arbeit vergebens. Selten hat sich ein einschlägiges Papier in derart düsteren Farben präsentiert. Die Zeiten, in denen die Regierungen ihrer in Wirtschaftsfragen unbedarften Klientel (mehr als die Hälfte der Deutschen sehen sich nach eigener Einschätzung diesbezüglich als Analphabeten und im Rest Europas dürfte die Lage nicht besser sein), die Illusion einer nachhaltig schuldenfinanzierten Prosperität vorgaukeln konnten, scheinen sich ihrem Ende zu nähern.

Das Finale muss aber – zumindest aus der Sicht der Staatenlenker – gar nicht so besonders schlimm ausfallen: Immerhin ist die in Zypern im Vorjahr über die Bühne gegangene Generalprobe (Enteignung der Sparer und Verordnung äußerst rigider Kapitalverkehrsbeschränkungen) für die Obertanen mehr als zufrieden stellend verlaufen: Kein Aufstand, kein Bürgerkrieg, ja nicht einmal ernste Unruhen waren zu verzeichnen.

Daher könnte es ihnen nun angezeigt erscheinen, am ganz großen Rad zu drehen und beiderseits des Atlantiks Tabula rasa zu machen. Janet Yellen, die per Anfang Februar ihr Amt als Chefin der US-Notenbank FED antreten wird, könnte gerade zur rechten Zeit kommen, um ihren Beitrag zur Dezimierung privater Vermögen zu leisten.

Wohl dem, der über nennenswerte, dem Staat nicht bekannte Reserven verfügt. Denn es wird wohl ein grausames Gemetzel werden, das besonders den Mittelstand, das Rückgrat jeder Volkswirtschaft, schwer in Mitleidenschaft ziehen wird. Selbstverständlich wird das üble Spiel der Schuldenwirtschaft – nach einem weltweit orchestrierten Raubzug gegen Sparer und Vermögensbesitzer – erneut losgehen, wenn das Geldsystem nicht auf eine gänzlich andere Basis gestellt wird (was den Machthabern natürlich nicht im Traum einfällt). Dass das allgemeine Wohlstandsniveau nach dem Neustart allerdings wesentlich niedriger liegen wird als heute, liegt auf der Hand…

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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