Das Nein zu Acta schadet Europa schwer – so wie das Ja zum ESM

10. Juli 2012 02:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Einmal wirft die Linke den Rechten Populismus vor, dann wieder geht der Vorwurf den umgekehrten Weg. In den vergangenen Tagen haben beide jedenfalls gemeinsam kurzsichtigen Populismus praktiziert. Mit überwältigender Mehrheit haben sie im EU-Parlament das sogenannte Acta-Abkommen gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsdiebstahl verworfen. Damit hat Europa einen weiteren ganz entscheidenden Beitrag zu seinem eigenen wirtschaftlichen Untergang gesetzt. Mit ähnlichen Folgen, wie es die gemeinsame Schuldenhaftung durch den ESM haben wird.

Der Unterschied ist nur ein marginaler: Beim ESM marschieren – um in der österreichischen Farbenterminologie zu reden – Rot, Schwarz und Grün Hand in Hand auf einem üblen Weg. Bei Acta sind es primär Rot, Grün und Blau/Orange.

Im Grund haben sie alle hosenfüllende Angst vor einem Haufen postpubertärer Chaoten, die unter dem an Kinderfaschings-Verkleidungen erinnernden Namen Piraten bei ein paar Landtagswahlen Erfolge erzielt haben. Diese Piraten sind freilich für die Gesellschaft ungefähr genauso nützlich wie jene, die die Weltmeere unsicher machen, die etwa vor Afrikas Ostküste seit Jahren Schiffe kapern und Geiseln jahrelang entführen. (Tödlich können Piratenschiffe aber übrigens auch sein, wenn sie als Kinderspielplatz auf einem flachen Strand der wunderschönen Nordsee-Insel Amrum stehen, wie der tragische Tod eines zehnjährigen Wieners gezeigt hat.)

Nur Kreativität und Innovation sichern Vorsprung

Warum wäre Acta so wichtig gewesen? Das Abkommen hätte genau jene Berufe und Erwerbsformen geschützt, denen Europa in hohem Ausmaß die Reste seines (wenn auch sehr wackelig gewordenen) Wohlstands verdankt. Bei den meisten industriellen Massenproduktionen kann Europa ja angesichts seiner hohen Gehälter, Sozialabgaben und Steuern längst nicht mehr mit den Billigindustrien Asiens und Lateinamerikas mithalten. Aber bisher hat es zusammen mit Amerika in Sachen Kreativität und Innovation noch immer die Nase weit vorne gehabt.

Das brachte viel Geld nach Europa. Selbst wenn diese Kreativität „nur“ darin bestanden haben sollte, einem französischen Duft, einem italienischen Kleid, einem deutschen Auto, einem österreichischen Koffeingetränk mit Himbeergeschmack oder einem spanischen Rotwein einen großen Imagevorsprung zu erarbeiten. Für diesen Imagevorsprung, diesen Markenwert zahlen Käufer weltweit viel Geld, obwohl sie den Unterschied zu einem Billigprodukt bei einer Blindverkostung (also ohne das Markenlogo sehen zu können) gar nicht feststellen würden.

Umso größer ist der Schaden, wenn diese Markenprodukte durch Piraten aller Art gefälscht, kopiert, nachgemacht werden. Die Konsumenten zahlen dann auch weiterhin für das von den Erzeugern teuer und mühsam aufgebaute Image. Aber bei den Fälschungen tragen eben nicht diese, sondern asiatische Werkstätten den Gewinn davon. Und diese Fälscherwerkstätten haben nun de facto die offizielle Unterstützung des Europaparlaments bekommen. Absurderweise unter lautstarker Führung der Europa-Sozialisten, die sonst so tun, als ob sie für die europäischen Arbeitsplätze kämpfen würden.

Zwar heißt das natürlich noch nicht, Fälschungen wären künftig straffrei. Es wird nur ohne ein globales Abkommen, wie es Acta gewesen wäre, viel schwieriger, sie weltweit zu verfolgen.

Elektronische Piraterie auf Knopfdruck

Noch wichtiger ist die Kreativität bei Kulturerzeugnissen, bei Filmen, bei Musik, bei Texten, bei Computerprogrammen. Der einzige Unterschied: Hier ist das Fälschen und Kopieren noch viel leichter als bei Parfums, Kleidern oder Getränken. Hier genügen meist nur ein paar Tastendrucke und schon kann das Werk, an dem der Schöpfer oft sehr lange gearbeitet hat, mühelos vertausendfacht werden. Und der Schöpfer bekommt für seine Mühe 999 Mal kein Entgelt. Sondern jemand anderer profitiert, entweder wieder ein Kopist oder in diesen Fällen auch der Konsument.

Wer bitte wird da noch Zeit, Mühe und Geld in die Entstehung eines aufwendigen Werkes stecken?

Nun werden manche Wirklichkeitsferne einwenden: Dann wird halt die Öffentlichkeit einspringen müssen. Offenbar sind Europas Staatskassen so gefüllt, dass das kein Problem wäre. Da hat die linke Geldproduktions-Illusion wieder einmal ihre volle Wirkung erzielt. Wenn einem das Geld fehlt, druckt man sich halt neues. Dazu hat man ja die Gelddruckereien. Eigentlich könnte man aber auch gleich DKT-Geld nehmen . . .

Andere versuchen, ein wenig schlauer zu sein und sagen: Na, dann machen wir halt das Kopieren gleich legal und belegen dafür jeden Computer, jeden Festplattenspeicher, jeden CD-Rohling mit einer saftigen Abgabe. Das sind ja die Speichermedien, auf denen die Kopien landen. Von diesen Abgaben könnten dann die Kreativen bezahlt werden.

Kollektivstrafen gefährden auch andere Jobs

Wäre das wirklich schlauer? Nein, keineswegs. Solche Abgaben sind erstens einmal Kollektivstrafen. Man belastet ja auch nicht Kühlschränke mit einer saftigen Abgabe, weil darin auch illegal gebrannter Wodka oder gewildertes Fleisch aufbewahrt werden kann. Diese Kollektivstrafen belasten zweitens auch jene Europäer, die Computer in internationalem Wettbewerb für ganz andere Dinge als illegale Kopien benutzen. Die Strafen gefährden damit weitere Arbeitsplätze.

Und diese Idee würde drittens eine totale Verstaatlichung von Kunst und Kultur bedeuten. Denn dann würde nie mehr ein Konsument, ein Filme-Herunterlader, ein Musik-Hörer mit seinem Entgelt entscheiden, ob Filmemacher, Komponisten, Buchautoren, Sänger, Orchester etwas verdienen oder nicht.

Dann würde entweder jeder dieser Künstler gleich viel (=wenig) verdienen. Oder aber Politiker oder politisch eingesetzte Kommissionen würden entscheiden. Das würde mit Sicherheit zu ideologischer Staatskunst führen, zum Kauf von politischer Unterstützung durch nett-dumme Schauspieler, Maler, Autoren im Gegenzug für staatliche Förderung – und zwar noch viel, viel mehr, als wir es gerade in Österreich schon erleben. Das Ergebnis wird dann nur noch mit dem kommunistischen Osten und seinen Staatskünstlern vergleichbar sein.

Schreiben wird zum brotlosen Hobby

Wenn es keine Unterhaltungsfilme, sondern nur noch jene Produkte gibt, die bei Festivals von sogenannten Experten auserkoren werden, dann werden viele Kinos schließen müssen. Kaum jemand wird weltweit noch einen europäischen Film anschauen wollen. Und noch schlimmer wäre es für die geistige Vielfalt, wenn nur die von einem Politiker beziehungsweise seinen Vertrauensleuten für würdig gehaltenen Autoren zum Zuge kämen.

Eine Förderung aller Künstler nach dem Gießkannensystem wiederum würde fast jede Spitzenleistung zertrümmern. Wenn die Wiener Philharmoniker nur noch so viel verdienen wie das Eisenbahnerorchester, dann werden sie bald auch nur noch genauso gut musizieren. Ebenso wird das Schreiben von Büchern oder Zeitungen zum brotlosen Hobby werden. Wenn jeder Autor gleich viel aus der staatlichen Gießkanne bekommt, wird keiner davon leben können.

Noch mehr Macht für den Staat

Jetzt mögen nun mache meinen, dass Konsumenten-, also Markt-Entscheidungen bei der Entschädigung von kreativen kulturellen Leistungen problematisch seien. Selbst wenn das wahr wäre, gibt es aber eben nur die beiden anderen Möglichkeiten: gar keine Entschädigungen für Kreativität oder solche durch den Staat. Beides ist noch viel ungerechter, problematischer und leistungsfeindlicher als die Entscheidung durch die Kulturkonsumenten.

Ob irgendeiner der Anti-Acta-Abgeordneten all diese Folgen bedacht hat? Ob diese wenigstens rot werden, wenn sie morgen wieder – je nach politischer Färbung – vom Wert der Kultur, von der Bedeutung des Rechtsstaats, von leistungsgerechter Entlohnung und dem Wert der Kreativwirtschaft im internationalen Wettbewerb reden?

Vorleistung für Koalitionen mit den Piraten

Mitschuld an der Katastrophe sind freilich auch alle jene Autoren, Filmemacher, Musiker, Journalisten, die nun Opfer dieser Entscheidung werden: Sie haben in den letzten Jahren und Monaten fast alle opportunistisch zu dem Thema geschwiegen und gehofft, dass die Politik für sie die Kastanien aus dem Feuer holt. Und irgendwie haben sie ja perverserweise auch Sympathien für die chaotischen Piraten. Man glaubt irgendwie, eigentlich aus dem gleichen Stall zu kommen.

Ähnlich denken rote und grüne Parteien: Man könnte die Piraten ja eines Tages als Koalitionspartner brauchen. Für diese Option verraten die Sozialdemokraten auch hier die Interessen der einst von ihnen vertretenen Werktätigen, so wie sie diese schon bei ihrem Er-Grünen in den 70er Jahren verraten haben. Hat doch auch die - von anderen Parteien oft geteilte - grüne Politik viele Arbeitsplätze gekostet.

PS: Die Kritik an der von den Piraten ausgelöste Diebstahlsbegeisterung ändert übrigens nichts am Respekt für den zweiten erkennbaren Schwerpunkt dieser neuen Gruppierung. Das ist ihr Engagement für mehr direkte Demokratie und für den Einsatz des Internets bei Bürgerentscheidungen.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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In Österreich investieren? Nein, danke

09. Juli 2012 00:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manche Medien können aus jeder Katastrophenmeldung einen Jubel produzieren. Da las man doch dieser Tage in mehreren Zeitungen ein Hurra: Österreich war 2010 erstmals Nettodirektinvestor. Dieses kompliziert klingende Wort heißt nichts anderes als: Österreicher haben erstmals viel mehr im Ausland investiert als Ausländer in Österreich.

Schlimm? Ja, das ist schlimm. Denn das heißt nichts anders: Österreich verliert rapid an Attraktivität als Platz, Geld anzulegen, egal ob in der Real- oder der Finanzwelt. Dabei wäre durch das Gelddrucken der EZB durchaus genug Geld da. Die Investitionen von Österreichern im Ausland haben dementsprechend um nicht weniger als um 17 Prozent zugenommen. Doch die ausländischen in Österreich sind gleichzeitig zurückgegangen, nominell und erst recht real.

Die Nationalbank, von der diese Statistik stammt, fügt trocken hinzu: 2011 (für das die Zahlen noch nicht endgültig vorliegen) haben sich all diese Trends noch verstärkt. Es gab also noch mehr Investitionen im Ausland und noch weniger im Inland.

Die Ursachen werden von der ideologiebraven Nationalbank zwar nicht genannt, sind aber eindeutig: Investoren zweifeln an der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs; Österreicher bringen lieber ihr Geld ins Ausland; und immer mehr Menschen mit Geld zweifeln, ob Geld in Österreich sicher angelegt ist. Sie lesen fast täglich irgendeinen rotgrünen und bisweilen auch blau-orangen oder schwarzen Dummkopf, der nach höheren Steuern auf Vermögen oder Einkommen ruft, der die Stiftungen abschaffen will, der nicht begreift, dass nur Kapital Arbeitsplätze schaffen kann.

Geld ist eben wie ein scheues Reh. Es flieht, noch bevor eine Bedrohung ganz konkret geworden ist.

Der einzige Vorteil dieser Malaise: Jetzt können die Linken nicht mehr schreien: „Skandal, das Land werde ausverkauft“, wenn sich ein ausländischer Investor, eine Stiftung oder sonst jemand hier niederlässt. Was diese zwischen 1995 und 2006 in für Österreich sehr nützlichem Ausmaß getan haben.

PS: Aber Rettung Trost ist nahe: Ministerin Bures hat die Geschäftsführung der AWS mit einer Frau besetzt, die vor allem im Wiener Rathaus Erfahrungen gesammelt hat. Na, dann wird ja alles wieder gut. Wir wissen, ja, was für Investoren das Wichtigste ist, nämlich Frauenquoten mit parteipolitischem Hintergrund. Und der AWS wurde genau zu dem Zweck geschaffen, bei Investoren Vertrauen zu schaffen und sie anzulocken. Was ja politisch korrekte Quoten in hohem Ausmaß tun . . .

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Fußnote 315: Warum können die Finnen, was wir nicht können?

06. Juli 2012 15:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die finnische Finanzministerin hat nun öffentlich klargemacht, dass „Finnland nicht um jeden Preis am Euro festhalten“ werde.

„Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet, auch auf einen Ausstieg aus dem Euro.“ Finnland wolle die Krise zwar lösen, aber es werde keine gemeinsame Schuldenhaftung akzeptieren und lehne auch eine Bankenunion mit gemeinsamer Haftung ab. Gleichzeitig verlangen die Finnen von Spanien zusätzliche Garantien, wenn es Hilfe für seine Banken wolle. Diese Meldung braucht eigentlich weder Kommentar noch Erläuterung, sondern nur noch die Frage an Maria Fekter: Wenn wir schon so einen Versager als Bundeskanzler haben, der aus linker Begeisterung ständig für noch mehr Haftungen eintritt: Warum sagt dann nicht wenigstens sie einfach dasselbe wie ihre finnische Kollegin? Sind dort die Frauen mutiger? Behält man im kühlen Norden leichter einen klaren Kopf?

PS.: Offenbar hat der Widerstand der Finnen und Niederländer doch etwas erreicht: Wenn die Miteuropäer den spanischen Banken schon Geld zuschieben, dann soll, wie es plötzlich heißt, nun doch auch der spanische Staat haften müssen. Was er bisher nicht wollte. Was aber wohl die mindeste Selbstverständlichkeit ist. Danke Den Haag, danke Helsinki.

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SN-Kontroverse: Schulschwänzen

06. Juli 2012 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll das Schulschwänzen strenger bestraft werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

 

Augenmaß und Angemessenheit

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

In einem Rechtsstaat gelten Regeln. Wer gegen sie verstößt, hat mit abgestuften Sanktionen zu rechnen. Das ist gut so, da ohne angemessene Sanktionen von der Verwarnung bis zur saftigen Geldstrafe kein Staat zu machen ist. Österreich ist ein Rechtsstaat und es gilt für alle Kinder, die sich dauernd im Staatsgebiet aufhalten, Unterrichtspflicht. Die Unterrichtspflicht muss von den Erziehungsberechtigten umgesetzt werden. Wird sie verletzt, ist mit Sanktionen rechnen. Im Fall der derzeit so heiß diskutierten Schulschwänzerei galt schon bisher, dass mit einer Strafe von 220 Euro zu rechnen ist - wenn alle anderen Maßnahmen nicht greifen, um Schulschwänzen abzustellen. Mit Strafen wird vorsichtig umgegangen. Sie werden nur in zwei Prozent der Fälle verhängt. Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) - offenkundig aufgrund seiner Tätigkeit mit zahlreichen Fällen "schweren Schulschwänzens" konfrontiert - hat vorgeschlagen, die Strafe auf 1500 Euro zu erhöhen. Eine drakonische Maßnahme, die eher auf ein Versagen in seinem Zuständigkeitsbereich schließen lässt, als auf eine angemessene Problemlösung. Die beschlossene Verdoppelung der Geldstrafe auf 440 Euro ist schon eher von Augenmaß geprägt, obwohl die Frage erlaubt ist, ob Geldstrafen der Weisheit letzter Schluss sind. Oft sind es Kinder, die in sozial und finanziell nicht gefestigten Familien leben, die der Schule fern bleiben. Aber eben nicht nur - Stichwort Wohlstandsverwahrlosung. Völlig daneben ist der Vorschlag Gabi Burgstallers, die Familienbeihilfe für eine bestimmte Zeit befristet einzubehalten. Die Familienbeihilfe hat eine völlig andere Funktion. Sie ist dazu da, Kosten, die Eltern auf Grund ihrer Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern entstehen, auszugleichen. Diese den Familien wegen Schulschwänzerei zeitweilig vorzuenthalten, ist völlig überzogen und es ist beschämend, dass die Idee ausgerechnet von der ersten sozialdemokratischen Landeshauptfrau Österreichs kommt.


 

Bürokratische Missgeburt

Andreas Unterberger

 Schwänzen kann ganze Lebensperspektiven zerstören. Deswegen sollte es mit Energie, sofort und wirksam bekämpft werden. Was aber die Politik nicht tut. Statt dessen diskutiert sie die Nebenfrage, ob Beihilfen-Entzug, 440 oder 1500 statt bisher 220 Euro Strafe angemessen sind. Musste doch dieser Betrag ohnedies nur in 30 Fällen gezahlt werden, obwohl es eigentlich 1500 Verfahren gab. Von den vielen Fällen nicht gemeldeten, nicht entdeckten oder von Eltern gedeckten Schulschwänzens ganz zu schweigen.

Unabhängig von der Höhe wird es künftig jedenfalls noch seltener Schwänz-Strafen geben. Denn die regulierungswütige Regierung schaltet nun jeder Strafe ein so kompliziertes vielstufiges Verfahren vor, dass es mindestens fünf Monate bis zu deren - eventuellen - Verhängung dauert. Was für einen 14-Jährigen unendlich weit weg ist. Was Null abschreckende Wirkung hat.

An was die Politik - aus Lehrerhass? - überhaupt nicht denkt: Statt über Strafhöhen zu debattieren, sollte sie Lehrer und Direktoren massiv aufwerten. Deren Instrumentarium gegen aufsässige Schüler ist in den letzten Jahrzehnten zertrümmert worden. Sie sollte man wieder zu sofortigen Konsequenzen berechtigten. Sie kennen jeden Schüler am besten. Sie sollen Schwänzer schon beim ersten Mal zum Nachsitzen verdonnern oder ihnen Goodies entziehen können; sie sollen sofort Eltern vorladen, Berater einschalten, Jugendämter alarmieren, Anzeige erstatten können. Immer das, was ihnen im Einzelfall sinnvoll erscheint.

Der Stufenplan der Regierung ist hingegen absurd und bürokratisch: Fünf mal schwänzen, dann erst gibt’s ein Gespräch mit den Eltern; vier Wochen später kommen Psychologen und Sozialarbeiter ins Geschäft; weitere vier Wochen später die Schulaufsicht; nach weiteren zwei Wochen die Jugendwohlfahrt; und nach nochmals vier Wochen die Bezirksbehörde. Komplizierter und dümmer, juristischer und ineffektiver geht’s mit Sicherheit nicht mehr.

 

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Fußnote 313: Die Genossen bedienen sich

04. Juli 2012 13:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist absolut abenteuerlich, wie sich die Genossen bedienen: Jetzt haben sie sich still und heimlich eine Arbeitszeitverkürzung für die ÖBB-ler ausgeschnapst.

Kein Mensch kann das objektiv erklären. Der Betrieb hängt uns alles in allem alljährlich mit mindestens fünf Milliarden Euro in der Tasche, zeigt hinten und vorne keine Sanierungsbereitschaft und macht der Gewerkschaft jetzt ein solches Geschenk auf unser aller Kosten. Kann man das anders als Untreue gegenüber dem Steuerzahler nennen? Noch dazu ist die ÖBB-Führung dazu gar nicht legitimiert. Denn eine solche Vereinbarung müsste eigentlich vom zuständigen Fachverband der Wirtschaftskammer abgeschlossen werden. Immerhin hat sie ja auch Folgewirkungen für viele andere Verkehrsunternehmen. Es gibt nur eine Erklärung: Der Wahlkampf rückt näher. Und da greifen die Genossen wie beim letzten Mal zum Zweck der Wählerbestechung wild in die öffentlichen Kassen. Und was sagt dazu der einstige Raiffeisenboss Scharinger, der sich in seiner Eitelkeit und seiner Angst vor dem Pensionsschock als sogenannter Bürgerlicher von der SPÖ soeben in den ÖBB-Aufsichtsrat nominieren hat lassen? Am liebsten wohl nichts. Denn mit geradem Rückgrat müsste er sofort wieder zurücktreten.

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Alle wollen regulieren – aber wie?

01. Juli 2012 00:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Seit vier Jahren wird der Satz von allen Politikern und Journalisten nachgebetet: Die Finanzwelt muss strenger reguliert werden! Aber kaum jemand versteht, worum es dabei geht.

Erstens sollen höhere Eigenkapitalquoten vorgeschrieben werden. Das ist auch in Ordnung. Es ist jedoch reine Schikane, dass zu dieser Quote zwar Partizipationsscheine in staatlichen, aber nicht solche in privaten Händen zählen. Dabei sind rechtlich beide völlig gleich: Wenn es gut geht, fließen Erträge, wenn es schlecht geht, ist die ganze Einlage weg. Nicht anders ist ja auch das Los von Aktionären. Schon diese Bestimmung zeigt eine einseitige Staatslastigkeit der Regulierer.

Noch absurder ist der zweite Bereich, die Liquidität. Natürlich ist es gut, wenn Banken und Versicherungen liquide sind. Am liquidesten sind sie freilich dann, wenn sie das gesamte eingelegte Geld im Safe horten. Kleines Problem: Sie können dann keine Zinsen zahlen, sondern müssen umgekehrt Verwahrungsgebühren für Safe- und Personalkosten verlangen.

Daher will man doch auch andere Werte als Liquidität gelten lassen. Obwohl diese Werte oft keineswegs liquide sind. Absurd aber ist, was den Regulierern bisher als einziges mit Bargeld jedenfalls Gleichwertiges eingefallen ist: Das sind Staatsanleihen! Jawohl, Anleihen dieser bankrotten Gebilde.

Natürlich wissen die Regulatoren – und das nicht erst, seit griechische oder argentinische Papiere nur noch zum Tapezieren gut waren, – dass die Liquidität von Staatsanleihen eine Fiktion ist. In Wahrheit geht es ihnen aber gar nicht um Liquidität, also die Sicherheit der Anleger, sondern um die Angst der Staaten, sonst kaum noch Kredite zu bekommen. Selbst Deutschland hat ja schon – bei zunehmender Überalterung – eine sehr hohe Staatsverschuldung. Daher könnte man selbst beim starken Mann Europas zweifeln, ob seine Papiere wirklich auf Dauer werthaltig bleiben. Aber da ja Banken und Versicherungen einen Teil des eingelegten Geldes „liquide“ halten müssen, kaufen sie halt weiter deutsche Anleihen (und mit schon etwas geringerer Begeisterung auch österreichische oder niederländische). Immerhin bekommt man da im Gegensatz zum Bargeld wenigstens noch ein paar Zerquetschte als Zinsen. Und jedenfalls sind Papiere dieser Länder weit sicherer als jene vom Mittelmeer.

Erst seit den allerletzten Tagen will man nach jahrelangen Verhandlungen nun auch Gold und Aktien als Liquidität einstufen. Zwar gibt es auch hier große Fragezeichen – aber so „liquide“ wie ein griechisches oder spanisches Staatspapier sind die meisten Aktien allemal. Und Gold sowieso. Der Grund dieser Erweiterung des Liquiditätsbegriffs: Sonst hätten die Banken kaum noch Spielraum, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Was die Arbeitslosigkeit explodieren ließe.

Diese beabsichtigte Milderung der Regeln macht aber wiederum die Finanzminister nervös: Denn dadurch wird das Interesse der Anleger an Aktien steigen und an Staatsanleihen sinken. Das heißt aber: Die Schlacht um die Regulierungsregeln wird wohl weitergehen.

Und erst in vielen Jahren wird man erkennen: Trotz allem Politikergerede kann es die absolut sichere Geldanlage nicht geben.

 Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Schulzeugnis des Versagens und Manipulierens

28. Juni 2012 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nirgendwo klaffen bei dieser Regierung Propaganda und Realität so weit auseinander wie bei Gesundheit und Bildung. Zum Schulschluss hat vor allem das Schulthema große Chance auf unkritischen medialen Widerhall. So wie zu Allerheiligen Friedhofsthemen. Das nutzt die verantwortliche Ministerin prompt dazu, sich derzeit selbst tagtäglich Zeugnisse auszustellen. Diese bestätigen Claudia Schmied aber in Wahrheit nur in einem einzigen Gegenstand ein gutes Abschneiden: nämlich in Sachen Manipulation und Dialektik. Ansonsten schaut es rund um die Schulpolitik derzeit nämlich extrem traurig aus.

Die neuesten Einträge ins Klassenbuch des Versagens und Manipulierens:

Wie die Gesamtschulen hochgejubelt werden

Erstens: Der Schmiedsche Propagandaapparat verbreitete diese Woche Statistiken, denen zufolge die „Neuen Mittelschulen“ zu einem weit höheren Prozentsatz den 14-Jährigen AHS-Reife verschaffen, als es die Hauptschulen tun. Das hätten (schon im März!!) die ersten Jahrgänge gezeigt, die in fünf Bundesländern nun gerade die NMS hinter sich bringen. Klingt doch toll – aber leider nur für total Ahnungslose.

a.      Die ersten Zweifel an der Schmiedschen Behauptung kommen einem beim Vergleich der Bundesländer-Ergebnisse. Denn im seit Jahrzehnten stramm sozialistisch beherrschten Burgenland soll die AHS-Reife gar bei vier von fünf NMS-Absolventen vorliegen. Hingegen scheint in den weniger von linken Kadergehorsam beherrschten Ländern Oberösterreich, Steiermark und Vorarlberg jeweils nur rund die Hälfte der NMS-Absolventen reif fürs Gymnasium zu sein. Ziemlich seltsam, um wie viel klüger die Burgenländer dieser Propaganda zufolge sein sollen. (Aus Höflichkeit erspare ich mir hier alle Burgenländer-Witze).

b.     Was die ministeriellen Spin-Doctoren in ihrem Propaganda-Feldzug verschweigen: Die AHS-Reife wird nicht etwa von AHS-Lehrern festgestellt, welche die Absolventen der NMS übernehmen sollen. Vielmehr erfolgt die Bewertung durch die NMS-Lehrer selbst. Diese bewerten damit den Erfolg der eigenen Anstrengungen. Was vielleicht kein ganz objektiver Maßstab sein dürfte (und schon gar nicht dann,wenn die Lehrer unter Druck eines militant ideologischen Landesschulrats wie im Burgenland stehen). Wäre die Selbstbewertung ein legitimer Maßstab, würde sich dieses Modell wohl auch für künftige Wahlrechtsreformen nach sozialistischer Art eignen: Da werden dann nicht mehr die Wähler, sondern die Parteien selbst sich die Zeugnisse in Form von Wahlergebnissen ausstellen. Die wohl nicht mehr sehr überraschend wären.

c.      Verschwiegen wird von den Schmied-Propagandisten auch, dass die Hauptschulen wie auch die AHS-Unterstufen gesetzwidrig mit viel größeren Schülerzahlen in den Klassen fertig werden müssen als die Gesamtschulen.

d.     Verschwiegen wird weiters, dass für jede einzelne dieser kleineren NMS-Klassen überdies noch viel mehr Lehrerstunden bezahlt werden als für die größeren Klassen anderen Schulen.

e.      Verschwiegen wird auch, dass bisher alle objektiven Vergleiche von Gesamtschulen (etwa in Wien gibt’s die ja schon viel länger als die Schmied-NMS) mit den ersten beiden Klassenzügen der Hauptschulen für die Gesamtschulen vernichtend ausgefallen sind. Und dass sich das Ministerium bis heute krampfhaft bemüht, alle echten Vergleichsstatistiken vor der Öffentlichkeit geheim zu halten.

f.       Und last not least bestätigen alle befragten Lehrer von AHS, dass im Schnitt Schüler, die von Gesamtschulen kommen, schlechter sind als jene von Hauptschulen. Was auch kein Wunder ist: Denn in der Hauptschule wird nach Leistung getrennt unterrichtet, während in den Gesamtschulen vom Gescheitesten bis zum Blödesten alle den gleichen Unterricht erhalten. Wobei es wenig nützt, dass in den NMS statt einem meist zwei Lehrer gleichzeitig in der Klasse stehen. Die Schüler fühlen sich durch diese Vielfalt oft mehr verwirrt als gefördert.

Selbst die Oberstufe wird ausgehungert

Zweitens: Die AHS werden zugunsten der NMS nicht nur in der Unterstufe ausgehungert. Dasselbe Schicksal erleiden auch reine Oberstufenrealgymnasien – obwohl diese eigentlich (noch?) nicht auf der Abschussliste linker Schulklassenkampf-Pläne stehen. Ein Direktor eines solchen BORG hat mir die Daten seines Investitionsbudgets gezeigt, also jener Geldmittel, die er für Computer, Beamer und ähnliches ausgeben kann: Waren das 2009 noch 22.000 Euro, so sank der Wert dann alljährlich: 17.000, 13.000 und zuletzt 10.000 Euro. Und das nennt sich dann „Bildungsoffensive“ . . .

Nur Placebo-Therapien gegen die Schwänz-Epidemie

Drittens: Ein wirklicher Skandal ist auch die institutionalisierte Untätigkeit der Unterrichtsbehörden beim Thema Schulschwänzen. Denn das nach langen Aufregungen nun mit dem Innenministerium vereinbarte Antischwänz-Paket ist geradezu lächerlich. Damit ist weniger die vordergründige Debatte um die Höhe von Geldstrafen gemeint, sondern vielmehr die Tatsache, dass überhaupt erst nach dem zehnten(!) Schwänztag die ersten Konsequenzen vorgesehen sind. Und die sind peinlich harmlos: Man redet halt einmal mit den Eltern über das Problem.

Dazu kommt ja, dass ohnedies ein Gutteil der Schulschwänzer nicht erwischt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Eltern irgendwie aus Dummheit oder Solidarität mit dem Schwänzen ihrer Kinder mitspielen.

Aber warum bitte gibt’s diese Konsequenz nicht wenigstens gleich beim ersten Tag, an dem ein Schüler beim Schwänzen erwischt wird? Und warum werden die Schwänzer nicht beispielsweise verpflichtet,  an Nachmittagen Versäumtes nachzuholen? Statt dessen hört man von der Ministerin nur den hohlen Newspeak der Linken: Es brauche statt Konsequenzen „Prophylaxe“, „Jugendwohlfahrt“ und „Vereinbarungskultur“.

Lehrerausbildung wird nach unten nivelliert

Viertens: Während Schmied und ein Gutteil der Politiker derzeit davon schwätzen, dass die Lehrerausbildung verbessert werden müsse, geht der Zug in die andere Richtung: Zumindest nach den Plänen der Linken sollen die Pädagogischen Hochschulen künftig auch AHS-Lehrer ausbilden.

Was in vielen Fächern ein absoluter Wahnsinn wäre: Denn an diesen PH unterrichten überwiegend avancierte Pflichtschul- und AHS-Lehrer, keineswegs Universitätsprofessoren. Wie diese Menschen Lehrer wissenschaftlich ausbilden sollen, die dann Schüler zur Universitätsreife heranzuführen hätten, bleibt ein absolutes Rätsel. Außer man verwendet jenen Erklärungsschlüssel, der letztlich hinter so viele rot-grünen (Anti-)Bildungs-Aktionen steht: „Matura, Bachelor und Master für jeden! Und zwar ohne altmodischen Leistungsfimmel, weil sonst wären ja bildungsferne Schichten benachteiligt!“

Ein ganz anderes Thema ist freilich, dass sowohl nach einer PH wie bisweilen auch nach einer Uni die Absolventen oft nicht einmal die deutsche Rechtschreibung oder die (theoretisch) studierte Fremdsprache beherrschen. Dennoch wurde ihnen die Unterrichtsfähigkeit attestiert.

Tägliche Schulgewalt lässt Mittelstand in AHS flüchten

Fünftens: Soeben ist eine hochinteressante Statistik veröffentlicht worden („Gewalterfahrungen von Jugendlichen: Prävalenzen und Risikogruppen“, HG Strohmaier u.a.). Sie sagt, dass es an maturaführenden Schulen deutlich weniger Gewalt unter Schülern gibt als an Pflichtschulen. Das ist zweifellos einer der vielen Gründe, warum immer mehr Schüler wie Eltern trotz aller ministeriellen Aushungerungsaktionen in die AHS drängen.

Die Linken hingegen begründen sogar mit dieser Statistik den Vorteil von zwangsweisen Gesamtschulen. Das Warum ist nicht so klar. Vielleicht damit in diesen dann die schon vom Elternhaus durch Gewalt geprägten Kinder in den zur Gewaltlosigkeit erzogenen Mittelschichtschülern Prügelopfer in ausreichender Zahl finden.

Das Kuscheln hat das Niveau gesenkt

Sechstens: Eine andere Studie („Schulqualität und Befinden in der Schule“, Eder, Haider) zeigt, dass der Leistungsdruck in den Schulen nachgelassen hat. Auch fühlen sich die Schüler zunehmend wohl in den Schulen.  

Hochinteressant – und ehrlich – ist der Schluss des Autors Ferdinand Eder: „Wir haben oft die Erwartung, dass ein besseres Wohlfühlen in der Schule zu mehr Lernerfolg führe. Und diese Verbindung, die lässt sich nicht nachweisen.“ Und weiter: „Wenn Leistungsdruck deshalb geringer wird, weil die Herausforderungen weniger geworden sind, dann ist das zwar auf den ersten Blick positiv. In Bezug auf die Schule ist das keineswegs positiv, dass nicht nur der Leistungsdruck zurückgegangen ist, sondern auch das, was von den Schülern verlangt wird.“

Vielleicht denken an Hand solcher Studien auch die mit dem Bildungssystem so unzufriedenen Industriellen einmal wirklich über die Ursachen des Bildungsverfalls nach? Das wäre jedenfalls viel sinnvoller, statt sich weiter mit den Propagandisten linker Kuschelpädagogik ins Bett zu legen. Die ist nämlich eine Hauptursache des Verfalls.

Die Chancen, dass unsere Industriellen klüger werden, sind freilich gleich Null, seit in der Industriellenvereinigung ein blauäugiger Sozialliberaler regiert, der all diese linken Sprüche nachplappert. Übrigens sind die deutschen Unternehmerverbände vehement für ein differenziertes Schulsystem. Aber die sind halt neoliberal und nicht sozialliberal.

Mehr Nachhilfe bringt Pisa-Erfolge

Siebtens: Die Intelligenzprobleme linker Bildungspolitiker zeigten sich auch bei der Präsentation einer Arbeiterkammerstudie über Nachhilfe. Diese ergibt zwar viel höhere Nachhilfe-Ausgaben als eine ähnliche Studie der Statistik Austria. Aber auch nach der AK-Studie sind die Ausgaben für Nachhilfe binnen eines Jahres von 127 auf 107 Millionen Euro gesunken. Das heißt logischerweise: Entweder sinkt der Leistungsanspruch in den Schulen dramatisch oder die Schulen sind plötzlich viel besser geworden.

Arbeiterkammerchef Tumpel hat freilich eine dritte Erklärung: Die Menschen können sich plötzlich die Nachhilfekosten nicht mehr leisten. Die Tatsache, dass im gleichen Jahr die Konsumausgaben gestiegen sind, deutet freilich nicht wirklich auf eine Verarmung der Österreicher hin. Solche Tatsachen können aber ganz offensichtlich die Klassenkampf-Logik eines Arbeiterkammer-Bonzen nicht beeinträchtigen.

Besonders heiter ist auch, wie die ÖGB-Vizepräsidentin Oberhauser auf die gleiche Statistik reagierte. Obwohl die Höhen der Nachhilfeausgaben zwischen der von den Linken gehassten Hauptschule und der mit gigantischen Budgetmitteln subventionierten Neuen Mittelschule nicht einmal um zehn Prozent auseinanderliegen, leitet sie daraus den endgültigen Beweis für die Gesamtschule ab. Dabei sind die Mehrausgaben für die Gesamtschule immer damit begründet worden, dass dann die Nachhilfeausgaben wegfallen würden. Dabei sind Gesamtschulen viel häufiger Ganztagsschulen als die Hauptschulen.

Verschwiegen wird natürlich auch, dass in den Pisa-Siegerländern in Asien der Anteil der Schüler mit Nachhilfe ein Vielfaches des österreichischen Wertes beträgt; dass dort die besten Nachhilfeinstitute sogar Wartelisten führen; dass es dort einen gewaltigen Wettlauf um Plätze in den besten Schulen gibt, die gute Karrierechancen versprechen. Und all das ist der Fall, obwohl jene Länder theoretisch reine Gesamtschulländer sind. Oder vielleicht gerade deshalb?

Aber Gewerkschaftsbosse und andere Linke wissen ohnedies immer das Ergebnis jeder Studie voraus. Ist das Wetter schlecht, beweist das die Notwendigkeit der Gesamtschule. Ist das Wetter gut, beweist das die Notwendigkeit der Gesamtschule. Ist das Wetter wechselhaft natürlich ebenso.

Und schnell noch ein paar Zeitungen bestochen

Achtens: Die hemmungslose Charakterlosigkeit dieser Ministerin hat sich in den letzten Wochen noch an etwas ganz anderem gezeigt: Sie hat seit 1. Mai über 200.000 Euro für Inserate an Wiener Medien verschoben, die wie immer vor allem an die drei übelsten Boulevard-Medien gingen. Der Inhalt:Meist ihr Bild und schwachsinnige Werbesprüche wie "Die Neue Mittelschule - ein Meilenstein für Österreich". Das wirklich Grausliche daran: Sie macht diese schmierige Aktion noch ganz knapp, bevor das Medientransparenzgesetz in Kraft tritt. Nach diesem sind nämlich ab 1. Juli sowohl Inserate mit Ministerphotos wie auch mit solchen Werbesprüchen verboten.

Diese charakterlose Person setzt also noch schnell und bewusst um unser Geld solche Sauereien, bevor diese - endlich - verboten werden, sie nützt noch rasch Gesetzeslücken, um käufliche Blätter zu bestechen. Was ist das nur für ein Land, in dem so jemand die Erziehung unserer Kinder anvertraut ist?

PS.: Ausnahmsweise einmal an dieser Stelle ein Buchtipp für alle, die sich ernsthaft mit Bildungsfragen befassen wollen: Dieter Grillmayers „Schule zwischen Anspruch und Zeitgeist“ analysiert die letzten 50 Jahre ununterbrochener Bildungsreformen. Und der Autor wagt sogar herauszuarbeiten, dass gute Bildung absolut keine Frage von mehr Geld (des Staates oder der Eltern) ist. Zugleich ist – wäre – der Buch auch ein Steinbruch für die Suche nach wirklich sinnvollen Bildungsideen.

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Die ÖBB und ihre Senioren – ein persönlicher Erfahrungsbericht!

27. Juni 2012 23:42 | Autor: Günter Frühwirth
Rubrik: Gastkommentar

Als langjähriger Fahrgast der Wiener BIM (= Straßenbahn) und U-Bahnen merkt man erst, wie hervorragend und unkompliziert das Kundenservice in Wien ist, sobald man als Reisender mit den ÖBB zu tun hat.

Für die Wiener BIM gibt es für Senioren verbilligte Einzelfahrscheine und Jahreskarten. Ohne irgendeinen weiteren BIM-Ausweis. Soferne man das Alter nicht ohnedies in den Gesichtsfalten und den grauen Haaren weithin sichtbar zeigt, genügt ein Lichtbildausweis in dem das Geburtsdatum vermerkt ist.

Die Jahreskarte wird gegen den Altersnachweis erstmalig ausgestellt und kann jährlich ganz einfach verlängert werden: entweder mit Zahlschein oder gegen Bezahlung bei jedem Fahrkartenschalter der Wiener Linien. Das Ganze dauert keine drei Minuten!

Die endliche Geschichte beginnt

Ganz anderes erlebt der Fahrgast bei den Österreichischen Bundesbahnen!

Um für Senioren ermäßigte „Tickets“ kaufen und benützen zu können braucht der reiselustige Senior eine besondere „Seniorenvorteilscard“. Diese Karte gilt ein Jahr und kostet EUR 26,90. Bei einer Verlängerung dieser Seniorenvorteilscard will die innerhalb der EU pünktlichste Eisenbahn (Eigenwerbung!) anscheinend beweisen, dass Tempo nur für das fahrende Personal zu gelten hat…

Wie in einer Moebius-Schleife sieht sich der verlängerungswillige Senior im Hightechbetrieb ÖBB gefangen. Angefangen hat die unendliche Geschichte mit einer schriftlichen Warnung, dass es heuer bei der Verlängerung der Vorteilscard technische Probleme gibt.

Da die Senioren-Vorteilscard am 25.3.2012 abläuft, wird vorsorglich eine neue Card am 14.3.2012 am Wiener-Westbahnhof persönlich beantragt und bezahlt. Dafür erhält man eine „vorläufige Vorteilscard Senior“ in Form eines Papiertickets – gültig bis 26.6.2012.

Keine Nummer passt

Im Mai möchte der Senior ein ÖBB-Onlineticket zu kaufen. Aber, oh Schreck: Alle vorhandenen und irgendwo vermerkten Vorteilskartennummern werden nicht akzeptiert – der vorläufige Schein berechtigt nicht zum Online-Ticketkauf.

Zum Glück ist auf dem ÖBB-Bestellschein eine ServiceLine Tel.Nr. fett gedruckt.

Ein freundliches Tonband erklärt, dass diese Nummer nicht mehr existiert und eine andere Nummer gewählt werden muss.

Nach schier endlosen Tonbandansagen, zu denen sich der Senior den good old Bundesbahnblues von Helmut Qualtinger pfeift, meldet sich endlich ein realer ÖBB-Mensch mit Trost und einem Geheimnisverrat: Für „vorläufige Vorteilscard Inhaber“ gibt es eine besondere 16-stellige Nummer für Online-Ticketbestellungen!

Senior fragt sich, wieso diese „Geheimnummer“ nicht gleich auf die Vorläufige Vorteilscard gedruckt wird – aber er kann endlich sein Ticket online erwerben.

Nochmals von vorne

Die Freude wird jedoch bald getrübt durch einen Blick auf den Kalender: Drei Monate nach der Bestellung  ist die Jahreskarte NOCH IMMER NICHT im Briefkasterl…

Nur keine Panik – die ÖBB hat auch für diesen Fall vorgesorgt: Auf dem Bestellformular wird der Kunde eingeladen, die Vorteilscard-Serviceline anzurufen oder mit dieser Durchschrift persönlich zu einer ÖBB-Verkaufsstelle zu kommen, falls 10 Tage vor Ablauf der „Vorläufigen Vorteilscard“ noch immer keine echte Vorteilscard angekommen ist.

Also nochmals die – inzwischen bekannte neue – Service-Callcenter Nummer der ÖBB angerufen.

Jetzt gibt’s auch eine freundliche Erklärung für diesen Dauerlauf: „Irgendetwas muss bei der Bearbeitung schief gelaufen sein“, was durch die Systemumstellung leider kein Einzelfall sei…

Am besten, das Formular an das Servicecenter faxen. Da kein Faxgerät im Seniorenhaushalt, besser gleich persönlich zur ÖBB-Verkaufsstelle. Dann wird die Sache umgehend bearbeitet…

Gesagt – getan: Wieder zum Westbahnhof und endlich hat der Senior sie in Händen! Nein, nicht die Senior-Vorteilscard – eine NEUE „Vorläufige Vorteilscard Senior“ in Form eines Papiertickets – drei Monate ab Ausstellung gültig…

Da möchte man doch wirklich alle Direktorinnen und Direktoren der Wiener Linien mit Küssen und Blumen beschenken, nur so aus Dank für einfaches und rasches  Verlängern der Senioren-Jahreskarten in Wien.

In der BIM, im Kino, im Museum – aber nicht bei der ÖBB

Schlussendlich hat der noch im Besitz seines Verstandes denkende Senior zwei Fragen an die ÖBB:

  1. Wieso geht das bei den Wiener Linien so unkompliziert und ohne zusätzliche „Senioren-Vorteilscard“? Wieso bekommen Senioren auch in Museen und Kinos verbilligte Seniorenkarten – ohne besondere Museums- oder Kinoseniorenkarten?
    Den Entgang der EUR 26,90/Karte können die ÖBB doch leicht durch den Wegfall weiterer „Systemumstellungen“ und den damit verbundenen Personaleinsparungen mehr als wettmachen – oder?
  2. Wieso können in Ungarn alle Senioren – Ungarn und EU-Staatsbürger – alle öffentlichen Verkehrsmittel GRATIS benützen? Nur mit irgendeinem Lichtbildausweis mit Geburtsdatum…

Dr. Günter Frühwirth ist Jurist und begeisterter Bahnfahrer. Die gesellschaftspolitische Entwicklung Österreichs verfolgt er mit aktivem Interesse.
„Schönschreiben“ und „Schönreden“ sind für ihn kein Weg um Herausforderungen zu meistern.
 

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Wenn die Parteien in die Kassa greifen

27. Juni 2012 01:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Parteienförderung wird kräftig erhöht. Darüber könnte man angesichts des gleichzeitig weitgehenden Wegfalls von Parteispenden ja sogar noch reden. Aber über eines kann man nicht mehr reden.

Zuvor das Positive: Letztlich ist es immer noch sauberer, wenn Parteien nach transparenten Regeln aus öffentlichen Kassen finanziert werden, als wenn vieles in dunklen Hinterzimmern passiert. Etliche dieser Hinterzimmer sind nun verriegelt worden. Das ist freilich noch keine Garantie, dass nicht in anderen Hinterzimmern auch noch künftig das eine oder andere dunkle Geschäft stattfindet. Solches passiert jedoch in fast allen Ländern, sind doch viele Entscheidungen der Politik für das Überleben eines Unternehmens entscheidend.

Soweit könnte man also die neue Form der Parteienförderung hinnehmen. Spielen doch Parteien in der Demokratie eine unverzichtbare Rolle. Nur blinde und ahnungslose Populisten wollen ganz ohne Parteien auskommen.

Aber in einem Punkt hat die Koalition das Rad so überdreht, dass man gar nichts mehr hinnehmen will: Die Parteienförderung erfolgt nämlich künftig inflationsgesichert. Und das ist ein echter Skandal und ein totaler Widerspruch zur sonstigen Politik der Regierung. Hat sie doch gerade ausdrücklich verbindlich beschlossen, dass die nächste Pensionserhöhung in Summe deutlich niedriger als die Inflationsrate sein wird.

Noch drastischer ist der Unterschied zu anderen staatlichen Unterstützungen wie etwa den Familienbeihilfen. Dabei besteht auf diese sogar ein Verfassungsanspruch! Diese Unterstützung für Familien mit Kindern sind nämlich keineswegs inflationsgesichert, sondern seit Jahren eingefroren. Weshalb sie alljährlich in ihrem realen Wert signifikant schrumpfen.

Der Verzicht auf automatische Inflationsanpassungen ist immer gut begründet worden. Diese würden dem Staat beim Budget jeden Spielraum nehmen. Sie würden jede flexible Reaktion in Krisenzeiten unmöglich machen. Und sie würden die Geldentwertung automatisch beschleunigen.

All diese Begründungen haben zwar etliches für sich. Aber es ist wirklich unerträglich, dass die Koalition den Kindern seit Jahren eiskalt zumutet, was sie den Parteien selbst in Krisenzeiten keineswegs zumuten will, eben den Verzicht auf automatischen Inflationsausgleich. Aber vielleicht sind ja Kinder generell reich, und Parteien prinzipiell arm . . .

 

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Französische Einbahn in die Arbeitslosigkeit

26. Juni 2012 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Immer wieder wird in akademischen Analysen wie in Fernseh-Talkshows diskutiert, warum niemand vor der großen Krise gewarnt hat. Nun, im Nachhinein sind immer alle klüger. Deswegen sei hier einmal im Vorhinein eine intensive und heftige Warnung Richtung Zukunft ausgesprochen: Frankreich wird in eine schwere Arbeitslosigkeit stürzen, was angesichts der Größe und Bedeutung des Landes auch ganz Europa in eine neuerliche Krise stürzen wird. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn es die schon heute von Griechenland bis Portugal reichende europäische Mehrfachkrise nicht gäbe.

Denn Frankreich macht seit Jahren unter Präsidenten beider Couleurs auf dem Arbeitsmarkt unglaublich viel falsch. Und es ist lernunfähig, die neue Regierung will nun noch viel mehr falsch machen. Was vernichtende Folgen für die ganze Wirtschaft haben wird.

Derzeit sind im Lande De Gaulles, Napoleons und Ludwig XIV. rund 2,9 Millionen Menschen arbeitslos, also fast zehn Prozent der Arbeitsbevölkerung. Das sind die weitaus höchsten Zahlen seit Beginn des Euro. Die Rigidität des französischen Arbeitsmarkts hat viele Arbeitsplätze verschwinden lassen, die dann in anderen Ländern anders, billiger und vor allem flexibler neu entstanden sind. In Osteuropa, Asien und Nordafrika. Vor allem private Unternehmer sind seit vielen Jahren nicht mehr motiviert, in Frankreich zu investieren und damit Arbeitsplätze zu schaffen.

Wirtschaftsfeindliches Arbeitsrecht

Sehr negativ wirkt sich das tief aus dem vorigen Jahrhundert stammende Arbeitsrecht aus. Es ist ein Produkt einer stark von der linken Kulturszene geprägten Gesellschaft. In kaum einem anderen Land setzt diese mit satten staatlichen Förderungen finanzierte Szene ideologische Klassenkampf-Akzente. Unternehmer sind prinzipiell die Bösewichte, welche die Arbeitnehmer schikanieren und ausbeuten.

Wer daran zweifelt, möge nur einen repräsentativen Ausschnitt französischer Filme analysieren. Diese sind wieder interessanterweise nicht nur von linken, sondern auch von rechten Regierungen heftig gefördert worden: Die Rechte ist in Frankreich nämlich nicht primär marktwirtschaftlich, sondern vor allem nationalistisch geprägt. Sie sieht daher Film&Co als wichtige Träger des nationalen Ruhms und der sprachlich-kulturellen Identität. Das da oft Klassenkampf pur transportiert wird, ist der Rechten meist nicht so wichtig gewesen. Haben doch auch die Gaullisten oft einen abgemilderten nationalen Sozialismus geschätzt.

Kündigen darf man erst, wenn man schon Verluste macht

Das größte Hindernis für die Anstellung neuer Arbeitskräfte ist der französische Code du Travail, also das Arbeitsgesetzbuch. Dieser Code ist nicht weniger als 3200 Seiten dick. Er regelt genau, wie man Arbeitskräfte zu klassifizieren hat, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, wenn man Arbeitskräfte kündigen will. Und so weiter. Dazu kommen ständige Änderungen der Sozialversicherungsregeln, die den Arbeitgebern jedes Mal große Umstellungskosten verursachen.

Die abschreckendste Hürde: Solange ein Unternehmen Gewinne macht, ist es fast unmöglich, Arbeitnehmer zu kündigen. Es gibt etliche Fälle, wo Kündigungen von den Gerichten nach mehr als zwei Jahren rückgängig gemacht worden sind. Was nicht nur zur Nachzahlung von Gehältern, sondern auch zur Wiederanstellung von Mitarbeitern geführt hat, die voll Hass auf den Arbeitgeber sind.

Das weitgehende Kündigungsverbot bedeutet in der Praxis: Die Krise einer Firma muss sich erst voll in den Bilanzen niedergeschlagen haben, bevor man reagieren kann. Dann aber kommt die Reaktion oft um viele Jahre zu spät. Aber auch sonst wären Kündigungen trotz Gewinnen oft sehr sinnvoll: Wenn beispielsweise nur ein Bereich nicht effizient ist, sollte er abgebaut werden, damit man das freiwerdende Geld sinnvoller einsetzen kann, etwa durch Entwicklung neuer Produkte.

Eine weitere Folge des französischen Arbeitsrechts: Nicht weniger als zehn Prozent der Beschäftigten sind Betriebsräte. Auch wenn die nicht alle komplett von der Arbeit freigestellt sind, gehen doch all ihre Sitzungen, Wahlkämpfe und Besprechungen komplett auf Kosten der Arbeitszeit.

Der 50. Arbeitnehmer ist der teuerste

Die restriktivsten Regeln des französischen Arbeitsrechts gelten zwar „nur“ für Unternehmen mit mehr als 49 Mitarbeitern. Aber diese Grenze hat eine katastrophale Folge: Viele Tausende französischer Firmen verzichten prinzipiell darauf, einen 50. Mitarbeiter (und natürlich dann auch 51., 52. Oder 53. usw) anzustellen. Was automatisch viele mögliche Arbeitsplätze verhindert. Dennoch wird in eigenen Konferenzen lange nachgedacht, warum es in Frankreich so wenige mittelgroße Unternehmen gibt (es gibt nur kleine Familienbetriebe und die großen Staatsgiganten).

Wenig produktiv ist es auch, dass manche Unternehmer als Folge dieser Gesetze lieber eine zweite und eine dritte Firma gründen, um die 49er Regel zu umgehen. Denn das kostet dann wiederum unnötig viel Geld für Anwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer und Buchhalter, um diese Firmenvielfalt korrekt zu administrieren.

Ab der 49er Grenze sind französische Unternehmer auch – über die Gehälter hinaus – zu Gewinnbeteiligungen verpflichtet. Wobei diese an sich zwar ein durchaus gutes Motivationsmittel sind. Aber sobald sie nach staatlichen Regeln erfolgen, sorgen die Betriebsräte dafür, dass auch keineswegs motivierte und produktive Arbeiter aus der Gewinnkasse bedient werden.

Die übelste Konsequenz des französischen Arbeitsrechts: Dieses kommt Arbeitgeber nicht nur oft sehr teuer und verhindert unternehmerische Flexibilität, bei Verletzung gewisser Regeln können Arbeitgeber sogar ins Gefängnis kommen. Auch das erhöht nicht gerade die Bereitschaft, in Frankreich unternehmerische Verantwortung zu übernehmen.

Wie lange wirken noch Frankreichs Erfolgsfaktoren?

Warum steht Frankreich eigentlich dennoch noch nicht ganz so schlecht da wie Europas Hauptkrisenländer? Dafür dürften primär drei Faktoren relevant sein.

  1. Einer ist zweifellos die hohe Qualität und Kreativität seiner Ingenieure und Manager.
  2. Ein zweiter Faktor ist das weitgehende Ausbleiben einer französischen Immobilienblase (während das Platzen der spanischen Blase zuletzt allen Spaniern ins Gesicht gespritzt ist).
  3. Ein dritter ist das weitgehende Desinteresse der Franzosen an Umweltthemen und einschlägigen Paniken: Daher hat sich das Land etwa durch seine vielen Atomkraftwerke im europäischen Strommarkt in eine sehr starke und gewinnbringende Position bringen können. Diese Energiepolitik gewinnt zu einem Zeitpunkt an zusätzlicher Bedeutung, da Deutschland in der Fukushima-Hysterie den Ausstieg aus der Atomstromproduktion beschlossen hat. Das stellt Frankreichs großen Nachbarn vor gewaltige Probleme (sogar in Österreich werden sich die Folgen der Energiewende mit um ein Viertel höheren Stromrechnungen niederschlagen, was auch hier viele Produktionen unrentabel machen wird).

Diese Vorteile Frankreichs haben aber schon in den letzten Jahren immer weniger die Nachteile einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik wettmachen können. Denn zugleich leidet die französische Wirtschaft auch unter den Folgen des Euro: Haben sich doch seit dem Anschluss an den D-Mark-Block die Kosten einer Arbeitsstunde um zweistellige Prozentsätze gegenüber den deutschen Kosten verschlechtert, ohne dass sich Frankreich wie früher durch Franc-Abwertungen helfen konnte.

Hollandes Anti-Job-Programm

Und jetzt wird die Situation für französische Unternehmer noch viel entmutigender. Denn jetzt haben die Sozialisten unter ihrem neuen Chef Hollande mit einem ebenso ideologischen wie populistischen Anti-Wirtschafts-Programm die Wahl gewonnen:

Roter Teppich nach Großbritannien

Dieses Programm gilt als Killerprojekt für die französische Wirtschaft, selbst wenn nach dem Wahlkampfende einige Punkte daraus in Vergessenheit geraten sollten.

Ist es da eine Überraschung, wenn – beispielsweise – der britische Premierminister Cameron französischen Unternehmern verspricht, für sie bei einer Übersiedlung nach Großbritannien den „roten Teppich auszurollen“? Und wenn Cameron damit viel Echo findet? Das mag zwar in einer Union als unfreundlicher Akt gewertet werden, aber das ist letztlich ganz normale Politik im nationalen Interesse. Man denke nur, wie sehr österreichische Bundesländer untereinander – oft mit Steuergeld – um die Ansiedlung von Betrieben oder Forschungsinstituten fighten!

Selten stand eine Prognose auf so sicheren Beinen wie die vom weiteren steilen Abstieg Frankreichs. Offen bleibt freilich die Frage, ob sich Deutschland (und damit auch sein steuermannloses österreichische Beiboot) noch einmal breitschlagen lässt, auch für Frankreich die Zeche zu zahlen. Das würde den Absturz Frankreichs zwar hinauszögern, aber umso sicherer gleich auch andere Länder mitreißen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Schwarze Watschentänzer

24. Juni 2012 00:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die ÖVP streitet wieder einmal. Diesmal über die Pensionen und die ÖIAG. Steirische Schwarze empfahlen, das gesetzliche Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre zu erhöhen – so wie es schon viele andere Länder in den letzten Jahren getan haben. Worauf der Obersenior Andreas Khol den Steirern empört die Bedeutung eines Salzamtes zugeschrieben hat. Was wiederum diese zum Auspacken des jenseits des Semmerings mehr als eindrucksvollen Arsenals an Verbalinjurien veranlasst hat.

Und der Parteiobmann? Der ist wie so oft freundlich beschwichtigend ohne klar erkennbare eigene Meinung. Dabei haben die Steirer – unabhängig von allen Stilfragen – einfach recht. Punkt.

Denn das Gerede, zur Rettung des Pensionssystems genüge es, das faktische Antrittsalter anzuheben, ist längst als hilflos entlarvt. Das Sozialministerium sabotiert vielmehr die diesbezüglichen Bemühungen bei der Detailarbeit immer wieder. Aber selbst wenn Genosse Hundstorfer zielstrebig an diesem Ziel arbeiten würde, reicht es längst nicht mehr aus, nur an den Schrauben der diversen Frühpensionsarten herumzudrehen. Denn die Lebenswartung steigt weiterhin ständig.

Was man ja auch in anderen Ländern – bis auf das neuerdings in den Steinzeitsozialismus zurückgekehrte Frankreich – ganz deutlich erkennt, weshalb reihum das Pensionsalter trotz aller populistischer Widerstände auf 67 erhöht wird.

Was an Andreas Khol besonders erstaunt: Schon in den Zeiten Wolfgang Schüssels und Martin Bartensteins hat die ÖVP trotz aller Querschüsse immer wieder für eine Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters gekämpft. Immer wieder wurde damals sogar eine Automatik zu verankern versucht: Höhere Lebenserwartung sollte ohne weitere Gesetzesbeschlüsse zu höherem gesetzlichen Antrittsalter führen. Das ist freilich bisher immer am Widerstand der anderen Parteien gescheitert.

Tatsache ist aber, dass seit den ersten Vorstößen, das gesetzliche Pensionsalter zu erhöhen, die Lebenserwartung schon wieder um mehr als jene zwei Jahre gestiegen ist, welche die Steirer jetzt vorschlagen. War vielleicht auch Schüssel für Khol nur ein Salzamtsvorstand?

Oder hat der schwarze Obersenior halt bloß durch das neue Amt eines Pensionisten-Vertreters die Perspektive und damit die Interessenlage geändert? Wenn dem so ist, dann verkennt er aber gewaltig die Interessen gerade der Pensionisten: Diese wollen sichere und wenigstens halbwegs wertbeständige Pensionen. Aber genau dieses Ziel ist gefährdet, wenn der Pensionskuchen mit Massen an Neupensionisten geteilt werden muss, die eigentlich noch durchaus ein paar Jahre arbeiten könnten. Khol handelt also genau gegen die Interessen aller Menschen, die eine Pension beziehen.

Unpopulär ist das Anliegen einer wirklichen Pensionsalterserhöhung nur bei einer einzigen Gruppe: der Generation der Fünfzigjährigen mit Gewerkschaftsmentalität (also der typischen Betriebsräte und ÖGB-Funktionäre). Die denken ja in der Tat an nichts anderes als an eine jugendliche Pension zum baldigen Golfen, für Mallorca-Reisen und die geplante Drittehe.

Die Stärke der Schüssel-ÖVP war es hingegen – fast – immer gewesen, gegen den Populismus aller anderen Parteien die Vernunft des Gemeinwohls und der Grundrechnungsarten hochzuhalten zu versuchen. Nicht immer, aber eben häufiger als alle anderen. Das aber ist offenbar nur noch eine vage Erinnerung, die erstaunlicherweise ausgerechnet in der Steiermark lebendig ist. Obwohl man dort in der Vergangenheit von den (vorletzten) Abfangjägern bis zur Zwangsgesamtschule eigentlich selbst primär für möchtegern-populistische Originalität bekannt gewesen war.

Selbst wenn die Kholsche Pensionsalter Politik eine Mehrheit der Österreicher hinter sich hätte, wäre es dennoch die richtige Nischenpositionierung für die ÖVP, als einzige Partei jenen Menschen ein Angebot zu machen, die über den Tagespopulismus hinauszudenken gewillt sind.

Noch absurder ist der zweite VP-interne Streit, jener um die Zukunft der ÖIAG. Dass die Roten deren Zerschlagung wollen, ist wenig überraschend. Träumen sie doch von einer Wiederkehr der Zeiten eines direkten Parteizugriffs auf die Verstaatlichte. Dass aber auch der schwarze Wirtschaftsminister Mitterlehner davon redet, ist unfassbar.

Da schlägt offenbar der alte Wirtschaftskammer-Funktionär in Mitterlehner durch. Fällt doch die WKO den Gewerkschaften gegenüber jedesmal um, noch bevor die nur bei der Tür hereingekommen sind. Und sowohl die Kammer-Seele wie auch sein nicht gerade bescheidener persönlicher Ehrgeiz führen zu einem weiteren Motiv Mitterlehners: Er mag die ÖIAG auch deshalb nicht, weil dort politisch und kammermäßig unabhängige Industrielle die Vorstände bestellen und nicht die Sozialpartner oder die Regierung.

Mitterlehner fürchtet aber wohl auch um seinen persönlichen Machtdurchgriff auf die Verbundgesellschaft. Denn nach den Reformvorschlägen der Finanzministerin und seines eigenen Parteiobmannes soll auch der Verbund dem direkten politischen Zugriff entzogen und der ÖIAG überantwortet, also trotz Staatseigentums unabhängig werden. Was beim Verbund genauso klug wäre wie bei Bahn oder Asfinag. Freilich würde dann der Wirtschaftsminister entmachtet werden.

Wie auch die Verkehrsministerin. Was den für den Steuerzahler erfreulichen Effekt hätte: Dann würden keine ÖBB- oder Asfinag-Inserate mehr auf ihre Kosten an die Faymann-freundlichen Medien fließen. Was aber wiederum die Chancen auf eine Zustimmung der SPÖ zu einer Zusammenfassung aller Staatsbetriebe in der ÖIAG nicht gerade erhöht. Das aber macht die Haltung Mitterlehners umso absurder.

 

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Der nächste Skandal: Bei der Schmied-Matura kann gar niemand durchfallen

20. Juni 2012 01:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Als ob die Unterrichtsministerin noch nicht für genug Skandale verantwortlich wäre. Wie etwa: strafrechtliche Erhebungen wegen der Kommunalkredit-Pleite, manipulierte Auswertung der Bildungsstandard-Tests der 14-Jährigen, viel zu späte Vorlage der Unterlagen für die Zentralmatura, verfassungswidrige (eventuell auch amtsmissbräuchliche) Diskriminierung der AHS-Schüler gegenüber den Gesamtschülern in Hinblick auf die Klassengröße. Und nun der nächste, vielleicht folgenträchtigste Skandal rund um die Anforderungen für die neue  Zentralmatura in Deutsch.

Diese sind soeben veröffentlicht worden, eher verschämt und ganz ohne die sonst üblichen Propagandaauftritte Schmieds. Sie zeigen freilich ein so lächerlich geringes Anspruchsniveau, dass man zu dem Schluss kommen muss: Frau Schmied und ihre Genossen wollen voll Hass das ganze Schulsystem zertrümmern – oder zumindest lächerlich machen.

Einen deutschen Brief sollte jedenfalls kein Arbeitgeber künftig einen solchen Schmied-Maturanten schreiben lassen. Diese Warnung bezieht sich auch auf Akademiker , denn auf der Uni lernt man das Schreiben eines geraden Textes dann schon gar nicht mehr. Oder er sollte zumindest wissen, Absolventen welcher Schule von jeder Reife meilenweit entfernt sind, mag diese nun am Wiener Henriettenplatz oder in der Rahlgasse liegen.

Die Nivellierungsfanatiker rund um Schmied haben das Leistungsniveau für die Deutschmatura so niedrig gelegt, dass es nur eine mögliche Erklärung gibt: Sie wollen künftig auch jenen Menschen eine Matura-Garantie geben, die der deutschen Sprache nur auf schlichtestem Gastarbeiter-Niveau kundig sind.

Matura auch mit 40 schweren Fehlern

Hier sei einfach im Wortlaut zitiert (und in Klammer kommentiert), was künftig für ein Deutsch-Maturazeugnis ausreicht:

Die selektionsfreie Matura

Ein wirklich erschütterndes Papier. Nur zur Erinnerung: Es geht hier nicht um einen Sprachtest für die Einschulung eines Migranten. Es geht nicht um die böse Selektion mit zehn Jahren. Auch nicht um jene mit vierzehn Jahren. Sondern es geht um die nach zwölf Schuljahren abzulegende Matura, um die zum Zugang auf die Universität befähigende Reifeprüfung!

Seit die Linke ihr  (nach „menschenverachtend“) zweites Lieblingswort, nämlich „Selektion“ entdeckt hat, wird dieser Selektion ganz offensichtlich auf allen Altersstufen der Kampf angesagt (die Wortwahl rückt jeden Andersdenkenden auch gleich taktisch geschickt wie untergriffig in die Nähe eines Holocausttäters). Der wahre Sozialismus ist offenbar erst dann erreicht, wenn jeder völlig leistungs-, also: selektionsfrei seine Matura und seinen Master bekommt.

Die einzige Leistung, auf die man hier trifft, ist dieses zitierte Papier des bifie (Erläuterung: Bei Erfüllung der Anforderungen der ersten Spalte bekommt man eine positive Note). Man hätte es kaum für möglich gehalten, dass man den Satz „garantierte Deutsch-Matura für jeden mit Null Anstrengung“ in so viele geschwollene Worte kleiden kann. Die Schmied-Leute verbreiten sogar, dass sie im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf die Anforderungen sogar verschärft hätten. Das scheint denkunmöglich.

Endlich sollten auch die Naivmenschen aus der Industriellenvereinigung sehen, welche Katastrophe die von ihnen unterstützte linke Schulpolitik auslöst. Wenn all diese Maturanten eines Tages bei der Wirtschaft jobsuchend an die Tür klopfen, ist es freilich zu spät, um noch irgendetwas zu retten. Und die ÖVP sollte endlich erkennen, dass jeder minimale Kompromiss, den man mit einer solchen Leistungshasserin eingeht, von einer Claudia Schmied verheerend missbraucht wird. Und ich selber muss beschämt zugeben, dass diese Frau meine einst überzeugte Unterstützung für die Idee einer Gesamtmatura ad absurdum führen konnte.

PS.: Die Unterstreichungen und Fettungen stammen von mir.

 

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Wachsen und Schrumpfen

19. Juni 2012 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Menschen können ihren eigenen Wohlstand auf zwei Weisen vermehren (wenn man einmal von kriminellen Methoden und von Glücksfaktoren wie Erbschaften oder Lottogewinnen absieht): entweder durch erfolgreiche Arbeit und ertragsreiche Investitionen, oder indem sie heftig Schulden machen. Jeder kennt Beispiele für beide Methoden. Die zweite wird etwa durch Menschen verkörpert, deren Villa, deren Luxusautos, deren Drittfreundin eigentlich zur Gänze der Bank gehören, was sie aber nicht hindert, sich an diesen schönen Dingen zu erfreuen.

Diese zweite Methode der Wohlstandsvermehrung hat nur eine unangenehme Eigenschaft: Sie endet mit ziemlicher Sicherheit in einer steilen Abwärtskurve . An deren Ende versteigert dann die Bank Haus und Autos; und die Freundinnen haben plötzlich überhaupt keine Zeit mehr, wenn Schecks und Geschenke ausbleiben. Ein solcher Abstieg ist keine angenehme Erfahrung – weshalb Menschen zu seiner Abwehr beginnen, ins Casino zu gehen oder kriminelle Methoden anwenden. Was aber in aller Regel den Abstieg nur noch arg beschleunigt.

Haargenau dasselbe passiert auch Staaten. Viele, ja fast alle west- und südeuropäischen Staaten haben in den letzten 40 bis 50 Jahren ihr Konsumniveau nicht nur durch Arbeit und Wohlstand, sondern auch durch eine rasch steigende Verschuldung erhöht. Manche Länder haben nur den Weg über Schuldenakkumulation gewählt.

Wählerbestechung auf Pump

Staaten handeln durch Politiker. Diese haben in Demokratien ein logisches Hauptziel: wiedergewählt zu werden. Und das gelingt offensichtlich dann am besten, wenn man den Menschen beispielsweise Pensionen in einer so großen Höhe und ab einem so frühen Zeitpunkt zahlt, dass das nur noch mit massiven alljährlichen Schuldenaufnahmen finanziert werden kann. Das verschweigt man aber den Menschen. Diese halten ihre Pensionen und zahllose sonstige Sozialleistungen in der Tat oft für selbstverdient oder gar für eine Leistung der Politiker. Diese greifen daher von Jahr zu Jahr heftiger zur Methode der Wählerbestechung durch hohe Sozialausgaben. Nichts anderes sind ja Pensionen, für die nicht ausreichend Beiträge einbezahlt worden sind. Und noch ein paar Hundert weiterer Ausgabenposten.

Manche Philosophen und ökonomischen Denker prophezeien aus diesem Grund sogar ein Ende der Demokratie. Das hält die Mehrheit der Politiker aber nicht ab, nach dieser in ihrer kurzfristigen Sicht erfolgreichen Methode weiterzuarbeiten.

Sie tun das selbst dann, wenn der Exekutor schon vor der Tür steht. In diesem Moment versucht man verzweifelt, den Exekutor dazu zu bewegen, doch noch ein paar Tage Zeit zu lassen. Man versucht zugleich hektisch, noch einen neuen Geldgeber zu finden. Man versucht, noch rasch ein Grundstück zu verkaufen. Und man schimpft jedenfalls heftig auf die Bank, die am eigenen Unheil schuld sei.

Staaten gleichen den privaten Pleitiers

Was bankrotte Verschwender tun, tun auf europäischer Ebene die Staaten: Sie erwecken den Eindruck, dass die Banken die Hauptschuldigen an der Krise wären. Sie unterstreichen diesen Eindruck durch ständig neue Versuche, die Banken noch mehr zu regulieren. Was natürlich in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass tatsächlich die Banken die Hauptschuldigen wären. Sonst müsste man ja nicht ständig über deren angeblich unzureichende Regulierung reden.

Natürlich haben auch die Banken durch eigene Fehler zum Entstehen dieses Eindrucks beigetragen: durch Veranlagungsfehler oder durch die Präpotenz des Auftretens ihrer Spitzenmänner (siehe etwa Helmut Elsner). Das ändert aber nichts daran, dass nicht die Banken die Staaten zur Verschuldung gezwungen haben. Im Gegenteil: Bei allem Gerede von einer strengeren Regulierung achten derzeit die europäischen Regierungen und Nationalbanken sehr darauf, dass sie den Geldinstituten nicht wirklich das verbieten, was in Wahrheit das größte Risiko darstellt: die weitere Finanzierung von Staaten. Daher ist all das Regulierungsgerede Mumpitz für die Galerie.

Auch beim Stichwort Grundstücks-Verkauf gleicht das Verhalten von Staaten jenem eines privaten Pleitiers. Nur haben die Staaten damit noch weniger Erfolge als diese Pleitiers. Kaum jemand ist etwa derzeit gewillt, Griechenland etwas abzukaufen. Und wenn halb Spanien gleichzeitig seine auf Schulden gebauten Häuser und Urlaubsimmobilien verkaufen will beziehungsweise muss, dann finden sich logischerweise viel zu wenig Käufer dafür, was wiederum die Preise ständig weiter drückt. Wer in Hinblick auf Spanien einwenden sollte, dass an der Immobilienkrise doch eher die Einzelmenschen und nicht der Staat schuld wären, der übersieht, dass der spanische Immobilienboom vom Staat zum Zwecke der Ankurbelung (in Wahrheit: Überhitzung) der Konjunktur heftig gefördert worden ist. Statt angesichts des ungesunden Wachsens der Immobilienblase viel früher zu bremsen, hat sich Madrid über deren Aufblähen gefreut. Weil es die Wähler glücklich gemacht hat.

Auch die verzweifelte Suche der Staaten nach neuen Geldgebern gleicht dem Verhalten individueller Schuldner. Im Vorjahr sind die europäischen Machthaber fast alle nach China gepilgert, wo ja das meiste Geld gebunkert ist – und haben sich dort blutige Nasen geholt. Die Chinesen sind zwar an europäischen Unternehmen interessiert, aber nicht an Staatspapieren. Die haben sie den Regierungen nicht abgekauft.

Erfolgreicher waren die Schuldner eine Zeitlang mit ihren Bettelversuchen in Deutschland und bei der Europäischen Zentralbank. Aber beide scheinen inzwischen klüger geworden zu sein. Beide erkennen zunehmend, dass sie mit weiteren Krediten nur gutes Geld dem schon verlorenen nachwerfen; dass sie dadurch nur die eigene Stabilität aufs Spiel gesetzt haben; und dass ein Teil der Schuldnerländer wie Griechenland keineswegs eine straffe Reform begonnen hat.

Die dreifach Lüge der Moralkeule

Nun greifen die Schuldenfreaks zur Moralkeule. Sie reden von einem „Zu Tode sparen“. Und sie stottern herum: „Sparen ja, aber nicht auf Kosten des Wachstums“. Womit sie gleich ein paar infame Lügen versuchen.

Die erste Lüge: Fast kein Land spart wirklich. Heißt doch sparen allemal weniger ausgeben, als man einnimmt.

Die zweite Lüge: Es wird der Eindruck erweckt, als ob Wachstum nur durch neue Schulden möglich wäre. Dabei sind Schulden mittel- und langfristig im Gegenteil der größte Wachstumskiller, den es gibt. Das gilt vor allem dann, wenn wie in Europa die Staaten das Geld primär für Sozial- und Konsumausgaben verwenden und nicht für langfristig ertragreiche Investitionen. Dabei wäre Wachstum ohne Schulden nicht nur möglich, sondern sogar das einzige richtige Antikrisenrezept: Wenn Staatsbetriebe (zu denen übrigens auch solche der Gemeinden gehören) privatisiert werden, trägt das bei geringeren Kosten fast immer zu mehr Effizienz und größerem Wachstum bei. Wenn Gesetzgeber und Bürokratie ihren Wust an Vorschriften und Regeln halbieren, würde die Wirtschaft ganz ohne Schulden wieder so wachsen wie zuletzt in den 50er Jahren.

Und die dritte infame Lüge: Sparen wird gleich mit dem „Tod“ assoziiert. Als ob in einem der süd- oder westeuropäischen Länder die Menschen reihenweise verhungert oder sonstwie umgekommen wären, als das BIP pro Kopf 30 Prozent niedriger gewesen ist. Ganz im Gegenteil: Oft (also wenn die schuldenfreien Wachstumsrezepte nicht genug greifen) ist ein Schrumpfen sogar die beste Therapie, um eine Krise zu überwinden.

Vorbildländer im Norden und Osten

Den Sanierungserfolg einer Schrumpfungsphase haben uns einige nordeuropäische Länder sensationell vorgezeigt: Anfangs der 90er Jahre mussten Finnland oder Schweden zum Teil satte zweistellige Rückgänge des BIPs hinnehmen. Das hat diesen Ländern dann aber umso mehr Dynamik für einen neuen Aufstieg verschafft. Ohne dass sie versucht hätten, dem Ausland, den Deutschen oder sonst wem die Schuld an der eigenen Lage zuzuschieben, wie es jetzt Franzosen und andere machen.

Ähnlich haben sich auch etliche – bei uns leider viel zu wenig beachtete – osteuropäische Länder ohne faule Kompromisse durch die Krise und rasch aus dieser wieder herausgebracht. Lettland etwa hat im Jahr 2009 ein Schrumpfen der Wirtschaft von 18 Prozent erlitten und ist dem Staatsbankrott nahe gewesen. Das Land hat aber nicht gejammert, sondern alle notwendigen schmerzhaften Maßnahmen gesetzt. Prompt erzielt Lettland schon wieder alljährlich vierprozentige Wachstumszahlen.

Die osteuropäischen Staaten haben sich auch sonst fast alle gut durch die Krise gebracht. Weil sie nach den harten kommunistischen Jahren nicht mit einem so verwöhnten Anspruchsniveau, wie es die West- und Südeuropäer heute haben, fertig werden müssen. Weil sie (fast alle) ohne Euro flexibler auf eine Krise reagieren können. Und weil sie begriffen haben: Wachsen wie Schrumpfen sind nicht nur in der Natur ganz normale Entwicklungen. Unerschwinglich teuer wird es nur, wenn man sie zu verhindern versucht.

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Direkte Demokratie: Ja, bitte – statt: Ja, aber

16. Juni 2012 03:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Bedenkenträger sind wieder einmal kräftig unterwegs. Ihr Motto: „Direkte Demokratie? Ja schon, aber nicht wirklich.“ In der Folge einige Überlegungen, warum die Bedenkenträger Unrecht haben, und wie man die Direkte Demokratie erfolgreich gestalten könnte. Sie wäre jedenfalls für die Zukunft des Landes enorm wichtig und positiv. Die Machthaber sind freilich schon mit großem Erfolg dabei, alle Versuche wieder abzudrehen.

Am wirksamsten für diesen Abdreh-Erfolg ist wohl, wenn auch unbeabsichtigt, die Initiative „Mein OE“. Sie hat sich zwar eigentlich die Forderung nach mehr direkter Demokratie (neben einigen problematischeren Anliegen) auf die Fahnen geschrieben. „Mein OE“ ist aber trotz reichlicher publizistischer Unterstützung von den Bürgern weitgehend ignoriert worden. Sie haben nach den vorliegenden Informationen nicht einmal annähernd die Hälfte jener Zahl an Unterschriften erreicht, die man an Stimmen für einen einzigen Parlamentsabgeordneten benötigt.

Der Grund des Flops: Diese Initiative wird von der inoffiziellen Vereinigung all jener Altpolitiker getragen, welche die geringste Sympathie in der Bevölkerung genießen. Das haben die Herren Voggenhuber, Frischenschlager, Busek & Co offenbar schwarz auf weiß wissen wollen. Jetzt wissen sie es: Sie haben zwar bei etlichen linken Mainstream-Journalisten ihren Stellenwert, sind aber bei den Bürgern kollektiv Minus-Männer.

Die Österreicher fragen etwa kritisch, weshalb die Herren erst nach ihrer Politikerzeit kluge Gedanken entwickelt haben. Auch war es nicht gerade Sympathie-vermehrend, dass sich die Mein-OE-Herren in ihrem politischen Leben zuletzt alle Richtung Linksaußen bewegt haben. Das hat sich auch am sonstigen Unterstützerkreis der Herren gezeigt, der von Heide Schmidt bis zur linkradikalen Aktion Kritischer Schüler reicht. „Mein OE“ ist daher ebenso wie so manche „Mutbürger“-Vereinsmeierei als unbedeutende Marginalie abzuhaken.

Die Direkte Demokratie ist wichtiger als "Mein OE"

Es wäre aber dennoch eine totale Katastrophe, wenn mit diesem Altherrensommer auch gleich die Direkte Demokratie beerdigt würde. Was zwar ganz sicher versucht werden wird, was aber zum Glück nicht automatisch die Folge sein muss. Denn immerhin macht die Annäherung zwischen Schwarz und Blau über deren Ausbau doch wieder Hoffnung auf ein Überleben der Idee. Und die SPÖ tut sich mit ihrem ursprünglichen Njet zunehmend schwer. Die Grünen waren eigentlich ohnedies immer dafür – man muss aber abwarten, ob sie im üblichen Grünreflex nun dagegen sein werden, weil die rechten Parteien dafür sind. Jüngste Inverviews von Alexander van der Bellen zeigen nämlich schon ein weites Abrücken von der Idee.

Gewiss braucht es noch eine ernsthafte, aber dennoch zügige Debatte. Wobei die von Heinz Fischer gestarteten Versuche mit großer Aufmerksamkeit zu beobachten sind, durch Einberufung eines langwierigen Konvents in bekannter Manier die Idee auszubremsen.

Unter den sonstigen Hindernissen ist jedenfalls die Debatte, ab wie vielen Unterschriften unter ein Volksbegehren ein Referendum zwingend folgen müsste, die unwesentlichste Frage. Da wäre jede Zahl irgendwo zwischen den vielen bereits genannten sinnvoll und denkbar.

Viel gefährlicher ist das insgeheime Denken in jeder Partei: Nützt’s uns oder nicht? Welches Anliegen kriegen wir damit durch und welches nicht? Wenn da zu viele Rotlichter aufscheinen, droht jede Partei auch bald ihre Lust auf direkte Demokratie zu verlieren.

Wer seine Stimme nicht abgibt, gibt sie ab

Ebenso gefährlich sind die „Ja, aber“-Bedenken und -Hürden. So etwa das Verlangen, dass Referenden erst ab einer bestimmten Teilnehmeranzahl gültig sein sollen. Wobei mit 50 Prozent eine Hürde genannt wird, die höher ist als in vielen Ländern die Beteiligung an Parlamentswahlen beträgt. Dennoch bezeichnet dort niemand die Volksvertretungen als ungültig bestellt. Diese Hürde ist völlig absurd und nur ein böswilliger Verhinderungsmechanismus.

Nichtwähler übertragen ihr Stimmrecht ja immer automatisch auf jene, die hingehen. Diesen ist das zur Abstimmung stehende Thema (oder Gremium) halt wichtiger als denen, die nicht hingehen. Das macht es legitim, dass ihre Stimmen dann auch mehr Gewicht haben als die von daheimbleibenden Couch Potatoes. Und auch im Parlament können Beschlüsse ohne ein Mindestquorum fallen.

Raffinierter ist ein weiteres Argument der Gegner des Anspruchs der Bürger auf mehr Mitsprache: Sie wollen bestimmte Inhalte einem Referendum entziehen. Da gibt es etwa die breite Forderung, dass der Inhalt einer Volksabstimmung nicht gegen Verfassung, gegen Völkerrecht, EU-Recht oder gegen Grundrechte verstoßen darf.

Warum bitte diese Angst? Wäre das wirklich eine Katastrophe? Es gibt doch auch bei den vom Parlament beschlossenen Gesetzen viele, welche die Verfassung verletzen, ohne dass deswegen jemand „Katastrophe!“ schreien würde. Zahllose Gesetze, Urteile, Bescheide oder Verordnungen sind schon von einem österreichischen oder europäischen Höchstgericht aufgehoben worden. Das ist ein normaler Vorgang in einem Rechtsstaat.

Es wäre daher auch keine Staatskrise, wenn der VfGH künftig bisweilen auch ein Gesetz aufheben sollte, welches Ergebnis eines Referendums ist. Nach einer solchen Aufhebung kann man aber auch noch über etwas Zweites nachdenken: nämlich, ob dann nicht vielleicht die Verfassung entsprechend den Wünschen der Bürger abgeändert werden solle. Die Parteien wären jedenfalls gut beraten, daran zu denken. Wollen sie doch wiedergewählt werden. Und die Wünsche einer Mehrheit der Bürger sollten wichtiger sein als jene der Taxi-Innung, die sichon Verfassungsänderungen durchgesetzt hat.

Man kann aber auch über eine stärkere direkte Rolle der Bürger auch bei Änderungen der Verfassung nachdenken. Da gibt es eine Menge kluger Ideen, wie etwa doppelte Referenden über die selbe Frage in einem zeitlichen Mindestabstand, damit nicht Augenblicksstimmungen entscheidend sind. Letztlich steht die Republik in solchen Situationen immer vor der Alternative: Entweder: „Eine Verfassung sucht sich neue Bürger;“ oder: „Die Bürger suchen sich eine neue Verfassung“.

Die Angst vor dem Verlust der Macht

Hinter dieser Tabuisierung der Verfassung steckt neben prinzipieller Veränderungsangst vor allem der Kampf der sich für unverzichtbar und wichtig haltenden Machtträger in Politik, Oberstgerichten und Verwaltung (samt ihren Claqueuren in Universitäten und Medien). sie wollen ihren Einfluss, ihre Wichtigkeit bewahren. Diese Haltung ist aber in Wahrheit eine unerträgliche Hybris. Sie erinnert an die Feudalprivilegien einstiger Epochen, als man es für natur- oder gottgegeben hielt, dass alle Macht bei einer kleinen privilegierten Schicht Adeliger lag.

Ja, unsere Verfassung schreibt das im Gegenteil sogar schon heute vor, dass die Bürger in besonders wichtigen Fragen das allerletzte Wort haben. Immer dann, wenn es um eine sogenannte Gesamtänderung geht, ist eine Volksabstimmung nämlich sogar Pflicht. Und nach herrschender Ansicht besteht eine Gesamtänderung oft schon in der Änderung des einen oder anderen Satzes der Verfassung.

Mit welcher Logik aber sollen Volksabstimmungen dann plötzlich gefährlich sein, wenn es um weniger wichtigere Fragen als die einer Gesamtänderung geht?

Gegen die verlangte Tabuisierung der „Verfassung“ spricht aber auch noch die Tatsache, dass der Geltungsbereich der Verfassung in den letzten Jahrzehnten durch den Gesetzgeber oder auch bloß die Judikatur der Richter enorm ausgedehnt worden ist. Seit sogar Taxikonzessionen, die Existenz von Landesschulräten oder Kammern Verfassungsfragen sind, ist eine solche Tabuisierung absolut grotesk. Dazu kommt, dass von der Linken praktisch jeder zweite Satz eines blauen, orangen oder auch schwarzen Politikers als schwere „menschenverachtende“ Grundrechtsverletzung denunziert wird. Selbst harmlose Ballveranstaltungen werden ja schon – mit Unterstützung vieler Medien! – als Gefährdung der Verfassung dargestellt.

Ist die Wehrpflicht etwa kein Verfassungsthema?

Das Beharren der SPÖ darauf, dass die direkte Demokratie nicht die Verfassung berühren darf, macht den Beitrag ihres Ministers Norbert Darabos zur Debatte besonders amüsant: Er verlangt als „Nagelprobe“ für die direkte Demokratie, die Abschaffung der Wehrpflicht einer Volksabstimmung zu unterziehen. Nun gibt es aber überhaupt keinen Zweifel, dass deren Abschaffung nicht nur die Verfassung verändern, sondern auch das Völkerrecht verletzen würde. Eine Verletzung liegt so lange vor, so lange Österreich nicht formell auf seine „immerwährende Neutralität“ verzichtet, die es mit all ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen versprochen hat. Ohne Wehrpflicht ist aber dieses alle Welt notifizierte Versprechen eindeutig und endgültig gebrochen.

Wenn es passt, sollen dann plötzlich sehr wohl Volksabstimmungen über Verfassung und Völkerrecht entscheiden dürfen? Aber sonst nicht?

Entlarvend war unlängst auch ein Interview des SPÖ-Klubchefs Josef Cap, in dem er als typischer Ja-Aber-Politiker langatmig davon sprach, wo es überall keine direkte Demokratie geben solle. Auf die Frage, ob dann überhaupt noch etwas für Referenden übrig bleibt, fiel ihm ein einziges Thema ein: ein eventueller türkischer EU-Beitritt. Genau das ist aber die einzige Frage, wo es schon seit schwarz-blauen Jahren eine (dann auch von der Gusenbauer-SPÖ übernommene) Zusage der Politik gibt, jedenfalls eine Volksabstimmung abzuhalten. Mit anderen Worten: Auch die vielen Worte des Herrn Cap laufen in der Kurzfassung auf den Satz hinaus: nichts soll sich ändern.

Prammer zwischen Äpfeln und Pflastersteinen

Sensationell kaltschnäuzig war auch die Parlamentspräsidentin Prammer, als sie bei einer ORF-Debatte dialektisch ihren Widerwillen gegen die direkte Demokratie zeigte: Wenn die ÖVP schon so sehr die direkte Demokratie wolle, solle sie doch einfach das Androsch-Volksbegehren unterstützen. Aber genau das wäre natürlich nicht direkte Demokratie, wenn ein – trotz Millionen-Werbung – mager unterstütztes Begehren ohne Referendum zum Gesetz würde.

Prammer verwechselt da bewusst Äpfel mit Pflastersteinen. Ein naturgemäß immer nur von einer Seite unterstütztes Volksbegehren kann nie ein Referendum ersetzen. Denn nur dieses bietet auch die Möglichkeit, Nein zu einer Initiative einer kleinen, aber oft lautstarken Pressure group zu sagen.

Prammers Wortlmeldung wird durch die Tatsache besonders skurril, dass sich die SPÖ ja bisher nie gescheut hat, viel stärker unterstützte Volksbegehren eiskalt abzuschmettern. Etwa jene gegen Abtreibung oder gegen den Bau des Wiener Konferenzzentrums (das dennoch gebaut, aber nie ein Erfolg geworden ist). Aber Logik war ja noch die Stärke sozialistischer Dialektik.

Wenig Logik hat aber auch die Forderung des (sonst oft sehr weisen) langjährigen Verfassungsgerichtshofs-Präsidenten Karl Korinek, die direkte Demokratie dürfe das Parlament nicht schwächen. Was auch ein Heinz Fischer oder Andreas Khol in etwa so sagen. Ganz abgesehen davon, dass es das Parlament selber war, das sich in den letzten Jahrzehnten selbst immer weiter geschwächt hat: Wer, wenn nicht die Mehrheit der Bürger soll über jedem Parlament stehen?

Spezialisten werden weiter benötigt

Oft wird auch behauptet, den Bürgern fehle die Einsicht in komplizierte Materien. Das stimmt – genauso wie aber auch beim Großteil der Abgeordneten. Deshalb ist ja schon seit Jahrzehnten weltweit immer mehr die eigentliche Legistik – also die präzise Ausformulierung eines Gesetzestextes – von den Parlamenten in die Ministerien gewandert. Die Parlamente haben dann meist nur noch das eine oder andere Detail (wenn überhaupt etwas) geändert. Oder sie haben gute Gesetzesentwürfe der Ministerien durch parteipolitische Kuhhändel in oft schlechtere Gesetze verwandelt.

Dabei geht die Verfassung eigentlich davon aus, dass die Ministerien nur zur Umsetzung, nicht zur Schaffung der Gesetze da sind. Dennoch schreiben fast alle Journalisten ständig, dass dieser oder jener Minister ein Gesetz beschlossen oder geändert habe. Was juristisch falsch, aber realistisch ist. An der legistischen Detailarbeit in den Ministerien wird sich natürlich auch in direktdemokratischen Zeiten nichts ändern. Die direkte Demokratie wird immer nur ganz wenige, den Menschen wichtige Fragen herausgreifen. Der Rest bleibt den Technokraten. Diese müssten aber künftig immer daran denken, dass da noch wer über ihnen steht. Was eine wohltuende Wirkung hätte.

Auch internationale Verträge sind nicht tabu

Ein gewichtigeres Gegenargument ist jenes, dass Österreich viele Rechtsgrundlagen wie Menschrechtskonvention und EU-Verträge gar nicht mehr autonom ändern kann. Das stimmt an sich. Aber auch in diesem Bereich gibt es genug Spielraum für die Direkte Demokratie: So wie in der Schweiz könnten zumindest künftige Staatsverträge oder Beitritte zu Konventionen einem bindenden Referendum unterzogen werden, wenn binnen einer bestimmten Frist genügend Bürger ein solches begehren.

Zweitens könnte auch das Abstimmungsverhalten österreichischer Minister in EU-Räten direktdemokratisch gebunden werden. Genau so, wie das jetzt schon ein Parlamentsausschuss kann (aber auf Grund der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse nie tut). Und drittens könnte ein Referendum auch der Regierung den bindenden Auftrag erteilen, sich für eine Änderung internationaler Rechtsgrundlagen einzusetzen. So wie sich nach dem – ganz knappen – Antiatomreferendum sämtliche Politiker, also auch die früheren Atombefürworter plötzlich international als Atomgegner auftreten mussten.

Wie sehr die repräsentative und die direkte Demokratie zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, lässt sich an Hand eines aktuellen Beispiels zeigen: Die EU-Innenminister wollen – aus Sorge wegen der zusammenbrechenden Strukturen Griechenlands – gegebenenfalls wieder auf längere Frist Grenzkontrollen einführen; denn über Griechenland drängt ein gewaltiger Strom illegaler Zuwanderer nach Europa. Das EU-Parlament hat jedoch diesem Vorhaben den Krieg erklärt: Es fühlt sich dadurch in seiner eigenen Wichtigkeit – und in seiner europa-zentralistischen Attitüde – umgangen. Dabei gibt es aber überhaupt keinen Zweifel, dass die Innenminister und nicht die sogenannten Volksvertreter im EU-Parlament in Übereinstimmung mit der Mehrheitsmeinung der EU-Bürger stehen.

Nötig sind: Vorlaufzeiten und Finanzierungs-Regelungen

Es spricht also eigentlich alles für die direkte Demokratie. Dennoch sollte in zwei Bereichen den Bedenkträgern durch eine sorgfältige Ausgestaltung des Wies entgegengekommen werden:

Erstens braucht ein Referendum – so wie in der Schweiz – eine lange öffentliche Diskussions-Phase. In dieser Phase sollte auch allen Seiten (zumindest jenen, die durch ausreichende Unterschriften oder Mandatare dazu legitimiert sind), ausführlich und pluralistisch die Möglichkeit zur Information und Argumentation gegeben werden. Das gäbe den vorhandenen, wie auch eventuellen neuen öffentlich-rechtlichen Medien eine wichtige Aufgabe. Wenn die Menschen wissen, dass ihre Stimme am Ende wirklich zählt, ist eine Mehrheit durchaus bereit, sich qualifiziert zu informieren.

Und zweitens wäre es wohl auch sinnvoll, einer weiteren oft kolportierten Besorgnis Rechnung zu tragen. Diese Sorge sagt, dass direktdemokratisch entscheidende Bürger hemmungslos Ausgaben erhöhen und Steuern senken würden. Dass sie also den Staat in den Bankrott treiben würden. Daher sollte bei Referenden, deren Umsetzung Kosten verursacht, auch immer gleich obligatorisch ein Bedeckungsvorschlag mit abgestimmt werden. Ob der ausreicht, müsste in Zweifelsfällen schon vor der Abstimmung ein spezielles Gremium (etwa Verfassungsgerichtshof und/oder Ökonomen und/oder Staatsschuldenausschuss) beurteilen.

Dieser Vorschlag dient primär zur Beruhigung der Ja-Aber-Bremser, die meinen, die Österreicher wären halt nicht so verantwortungsbewusst wie die Schweizer. Diese haben ja auf direkt-demokratischem Weg ihr Land zu einem der sparsamsten, effizientesten und geringst verschuldeten Staaten Europas gemacht.

Keine schlechte Visitenkarte für mehr direkte Demokratie.

 

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Fußnote 307: Die gesunden Scherze der Planwirtschaftler

13. Juni 2012 15:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Da sage noch wer, die heimische Politik wäre humorlos. Lachen als beste Medizin wird insbesondere im Gesundheitssektor sehr handfest ermöglicht.

Dort wurde nämlich wieder einmal unter lauten Trompetenklängen die selbe Grundsatzeinigung verkündet, die man schon in den letzten zwanzig Jahren x-mal gehört hat: Es werde künftig eine gemeinsame Planung des Gesundheitswesens geben, es werden Doppelgleisigkeiten beseitigt und Kosten gespart. Irgendwo haben wir das alles schon ein paar Mal gehört. Ebenso die paar unbedeutenden Details, die auch jetzt offen geblieben sind: Wie die Entscheidungsmechanismen aussehen, und ob jetzt die Länder, die Sozialversicherungen oder gar der bisher entmachtete Bund das entscheidende Wort haben soll. Das hindert den obersten Chef der Sozialversicherer, einen Herrn Schelling, nicht, diese „Grundsatzeinigung“ zum „Tag des Patienten“ auszurufen! Was ja eine besondere Keckheit ist, denn der Patient kommt in dem ganzen Machtspiel nie vor. Keiner der Machtspieler denkt auch nur daran, dem Patienten ein Zipferl Mitsprache einzuräumen, etwa durch eine freie Versicherungswahl. Besonders heiter ist es aber auch, von einer Gesundheitsreform auch nur zu reden, wenn die Spitalsorganisation als ganzes aus der angeblich gemeinsamen Planung draußenbleibt (diese Kleinigkeit bleibt weiter Spielwiese der Landeshauptmänner und deren Parteisekretariate). Irgendwie sind sie schon sehr süß, unsere Gesundheitspolitiker. Und heiter.

 

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Die geheimen Megafonds der Roten

13. Juni 2012 11:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sollen Parteispenden ab 1000, 5000 oder 7000 Euro veröffentlichungspflichtig werden? Seit Wochen verbeißt sich die polit-mediale Debatte in diese Frage. Und übersieht dabei Tausendmal größere politische Geldflüsse.

Nein, heute ist einmal nicht die Rede von der Korruption durch Inseratenvergaben aus Steuergeldern an politisch willfährige Medien, wo es auch schon um Tausendmal größere Dimensionen geht. Heute geht es um einen völlig im Dunkeln liegenden Bereich, wo noch viel mehr Geld im Spiel ist: die Budgets der Kammern mit Zwangsmitgliedschaft.

Diese werden nämlich nach der Methode „Schmecks“ veröffentlicht. Während bei der Wirtschaftskammer wenigstens noch der große Außenhandelsapparat mit seinen wichtigen Beiträgen für österreichische Exporterfolge als wichtiger Ausgabenposten zu nennen ist (und die Gewerbeordnung als unsinniger), steht man etwa bei der Arbeiterkammer Wien vor einem absoluten Rätsel: Alleine diese Landesorganisation hat im Vorjahr von ihren deklarierten Einnahmen von 105 Millionen Euro ganze 22 Millionen in die Rückstellungen transferiert.

Wozu bitte? Wozu braucht diese Organisation so viele zusätzliche Rückstellungen (samt der – nicht veröffentlichten – Summe der Rückstellungen und Rücklagen aus früheren Jahren)? Ist das alles die geheime Kriegskasse für die nächsten SPÖ-Wahlkämpfe?

Nicht veröffentlicht wird auch, wie viel aus dem AK-Budget an die Fraktionen – also vor allem die sozialistische – fließt. Dazu kommt, dass die Arbeiterkammer selbst, also ganz ohne Umwege über die Partei, ständig und in Wahlkampfzeiten noch verstärkt ideologisch-politische Propaganda macht, welche die SPÖ selber nicht besser machen könnte.

Sozialisten (und auch die mit „Spekulanten“-Hetze ihre Wirtschaftskompetenz gerade entsorgenden Freiheitlichen) reden derzeit ständig von der Notwendigkeit einer Verstärkung der Konsumausgaben als Wachstumspolitik. Da wäre es doch eine wirksame Leichtigkeit, die Zwangsbeiträge der Arbeitnehmer an diese AK zu senken. Selbst wenn in allen anderen dubiosen Bereichen der AK nicht gespart würde, brächte ein Verzicht auf diese überflüssigen Rücklagen jedem Arbeitnehmer ein Zehntelprozent mehr Brutto. Was im Netto noch deutlich mehr ist. So wenig sinnvoll es ist, Löhne und Konsumausgaben durch Schulden zu fördern – wie es der Kern der linken Ideenwelt verlangt –, so legitim wäre es, den Arbeitnehmern nicht für schwarze Kassen Geld abzuknöpfen, sondern ihnen dieses zurückzugeben beziehungsweise zu lassen. Man kann sich gar nicht vorstellen, was die SPÖ aufführen würde, wenn der Finanzministerin einfach mehr als ein Fünftel ihrer Einnahmen übrigbliebe und sie das stillschweigend in den Tresor legte.

Aber bis heute fehlen Vorschläge, es bei der Arbeiterkammer der Wirtschaftskammer gleich zu tun, die vor ein paar Jahren ihre Beiträge gesenkt hat. Statt dessen erzittert die Republik ob der läppischen Frage, ob ein Oberapparatschik dieser Arbeiterkammer auch weiterhin in der Nationalbank auf unser Geld "aufpassen" darf. Statt dass die Frage diskutiert wird, warum dieser Mann und sein Verein so viel von unserem Geld bekommen und für dunkle Zwecke horten dürfen.

PS.: Das soeben ausgesprochene Sparsamkeitslob an die Wirtschaftskammer wird freilich immer wieder durch grenzwertige Aussagen ihres Präsidenten zunichte gemacht. Hat sich doch Herr Leitl jetzt wirklich für die Einführung von „Eurobonds“ ausgesprochen. Also dafür, dass in irgendeiner Form Österreich und Deutschland (über die schon verlorenen Hunderten Milliarden hinaus) für die Finanzierung des griechischen, spanischen, portugiesischen usw. Staates mithaften müssen. Das wird mit absoluter Sicherheit das Zinsniveau deutlich erhöhen, welches die österreichischen Steuerzahler dann auch für die eigene Staatsfinanzierung zahlen müssen. Vom Ausfallrisiko eines Staates aus dem Club Méditerranée gar nicht zu reden. Dann aber wird Leitl in seiner schlichten Art wieder lauthals über die Explosion der heimischen Defizite klagen . . .

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Fußnote 306: Wo unser Geld versickert (nicht nur in Athen und Madrid)

11. Juni 2012 12:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Deutlicher als der jüngste Rechnungshof-Bericht kann man gar nicht exemplarisch klarmachen, wo das Geld der Steuerzahler und die aufgenommenen Schulden seit Jahr und Tag versickern.

Einzelbeispiele sind dabei wohl anschaulicher als die Milliarden-Verschwendungsbilanzen: Alleine wenn man nicht sowohl in Baden wie Mödling Standorte des selben Landesklinikums bauen würde, wären 34 Millionen einzusparen. Da sind die alljährlichen Betriebskosten von zwei Häusern statt einem noch gar nicht einberechnet, ebensowenig die Tatsache, dass das Spitalsgebäude in Baden durchaus erhaltenswert gewesen wäre – etwa als Pflegeheim. Die Tatsache, dass zentralisierte Standorte eine viel höhere medizinische Qualität als Einzelspitäler hätten, kann gar nicht berechnet werden. Genauso übel ist auch die vom Rechnungshof aufgezeigte Tatsache, dass jedes Bundesland seine Schulden nach ganz unterschiedlichen Regeln verbucht, sodass kein Mensch eine Ahnung über die echte Verschuldung aller vom Steuerzahler lebenden Institutionen hat. Tirol tut sich da überhaupt am leichtesten: Es berechnet seine langfristigen Verbindlichkeiten überhaupt nicht. Da kann man sich leicht als sparsam präsentieren. Wobei es unbestreitbar bleibt, dass Niederösterreich, Kärnten und Wien die ärgsten Schuldensünder der Republik sind. Wobei wiederum Wien seit Rot-Grün und unter der Finanzstadträtin Brauner seinen Bürgern die steilsten Verschuldungszuwächse aufbürdet.

 

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Die nächste Bildungskatastrophe: Uni-Ausbildung für alle

11. Juni 2012 01:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eine der größten Unsinnigkeiten der gegenwärtigen Bildungsdebatte, genauso schlimm wie der Gesamtschul-Zwang und deutlich schlimmer als die Pfuscherei rund um die Zentralmatura: Es geht um die rundum propagierte Idee, dass von der Kindergärtnerin bis zum Hochschulassistenten alle einen Master-Abschluss haben müssen. Die Folgen einer Realisierung dieser Idee werden katastrophal sein. Aber dennoch traut sich bis auf Wissenschaftsminister Töchterle (und der nur in bloß persönlichen Anmerkungen) keine Partei und kein Politiker der modischen Forderung zu widersprechen.

Das Modischwerden dieser Idee hat mehrere Ursachen. Zum einen verlangen EU- und andere Bürokraten, dass Österreich seine Akademikerquote deutlich erhöhen müsse. Diese Forderung hängt wiederum mit der ideologischen Verwechslung von Quantität und Qualität eines Bildungssystems zusammen.

Es gibt jedoch keine einzige Studie, die beweisen würde, dass Österreichs Kindergärtnerinnen, medizinisch-technische Assistenten, Krankenschwestern, HTL-Ingenieure und viele anderen Menschen ohne Uni-Diplom weniger gut bei ihrer Arbeit wären als die Akademiker, die anderswo die selben Tätigkeiten ausüben. Eine höhere Akademikerquote ist nur für bürokratische Statistiken etwas Höherwertiges. Aber solche Statistiken werden im EU-Europa immer mehr zur dominierenden Plage.

Ein weiteres Motiv hinter jener Forderung sind die beruflichen Interessen all jener, die hoffen, dann zu Universitätsprofessoren zu werden. Samt allen imagemäßigen und finanziellen Konsequenzen. Sie sind mit ihrer angeblich pädagogischen Expertise derzeit nämlich sehr lautstark unterwegs.

Und nicht zu vergessen sind all die gewerkschaftlichen Interessen: Selbstverständlich erwarten kluge Gewerkschafter – insbesondere im öffentlichen Dienst – nach dem langen Studium auch eine Bezahlung all dieser Tätigkeiten auf sogenanntem A-Niveau. Selbst wenn das anfangs nur für wirkliche Uni-Absolventen durchgesetzt werden sollte, wird diese Forderung natürlich sehr rasch auch für alle anderen Kollegen mit der gleichen Tätigkeit erhoben werden. Ob diese nun die Matura (Kindergarten) oder eine Pädagogische Hochschule als Abschluss hinter sich haben. Die dann von den Gewerkschaften getrommelte Parole ist ja nicht allzu schwer auszudenken: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.

Gewiss werden mir jetzt manche vorwerfen, dass ich diesen Menschen das nicht gönne. Was falsch ist. Ich gönne es ihnen genauso wie ich allen Menschen eine Verdoppelung ihres Gehalts gönne. Es ist nur das eine wie das andere unfinanzierbar.

Unfinanzierbar – oder zumindest eine völlig unsinnige Verschwendung von Mitteln, die man für andere Zwecke viel dringender bräuchte – ist aber auch der dadurch notwendige Ausbau der Universitäten.

Die noch viel größere Katastrophe wird aber darin bestehen, dass man bei der Einführung der Uni-Pflicht jahrelang keine neuen Volksschullehrer für die Schulen, keine neuen Kindergärtner für die diversen Kindergärten und Horte finden wird. Denn die Interessenten werden ja alle mindestens fünf Jahre lang an irgendwelchen Unis feststecken. Was angesichts der demographischen Entwicklung reinster Masochismus ist (in Deutschland hat man der Demographie, also des Ausbleibens von ausreichendem Nachwuchs wegen, soeben das Gymnasium von neun auf acht Jahre verkürzt).

Überdies wird diese langweilige und mühsame Zeit viele pädagogisch begabte junge Menschen überhaupt von einer solchen Berufswahl abhalten. Ich selbst kenne exzellente Kindergärtnerinnen, die sich ein Studium nie angetan hätten.

Dabei haben wir jetzt schon Personalmangel in den Kindergärten. Und in den Schulen wird ein großer Schwall von Lehrern demnächst in Pension gehen, ohne dass in irgendeiner Pipeline ausreichend Ersatz unterwegs wäre.

Heißt das etwa, dass ich keinen Verbesserungsbedarf sehe? Aber ganz sicher. So wäre es als erste Maßnahme dringend notwendig, dass sich Schulen und Kindergärten genauso leicht von überforderten, unbegabten, unwilligen Mitarbeitern trennen können, wie das in der normalen Wirtschaft der Fall ist.

Damit täte man der Bildung und unseren Kindern den weitaus größten Dienst. Daran, dass es überforderte, unbegabte, unwillige Mitarbeiter gibt, wird nämlich auch ein Uni-Studium wenig ändern. Sie können auch mit noch so vielen Aufnahmetests (die überdies von Hochschülerschaft und Sozialisten noch immer abgelehnt werden) nicht ausreichend herausgefiltert werden. Das Vorliegen solcher Eigenschaften zeigt sich immer erst im ernst- und dauerhaften Einsatz.

Statt des Prokrustesbetts „Alle müssen an die Uni“ sollte insbesondere im Bildungssystem nicht weniger, sondern mehr Vielfalt, Freiheit und weniger Formalismus einkehren.

Wird aber umgekehrt aus diesen Gründen das universitäre Ausbildungsniveau für die Einheitspädagogen vom 3. bis zum 18. Lebensjahr noch weiter gesenkt werden, dann wird der Unterricht in Gymnasien endgültig von mehrheitlich unqualifizierten Menschen erteilt werden. Trifft man doch schon jetzt auf AHS-Lehrer, deren Wissen und Können im eigenen Spezialgebiet erschreckend niedrig ist. Von der Geschichte bis zum Sprachen-Lehramt haben ja die Unis selbst schon seit Jahren das Niveau deutlich abgesenkt.

Wir müssen endlich vom zentralen Dogma und damit Grundproblem wegkommen: Wer einmal sein Diplom hat, muss nie mehr seine Eignung, sein Wissen und Können beweisen. Die Bezüge landen auch ohne ausreichende Weiterbildung am Konto. Und die Direktoren, Schulträger und Eltern sind hilflos, selbst wenn sie um die Defizite so mancher Lehrer wissen.

Zurück ins Zünftewesen

Das was da als Bildungsreform verkauft wird, ist in Wahrheit ein steiler Rückfall ins Zünftewesen. Auch dort war ja ein formaler Abschluss wichtig und nicht das Können und Wissen.

Und dieses Zünftewesen ist keineswegs Vergangenheit, sondern auch heute noch in vielen Bereichen ein Klotz am Bein: Ein Pressefotograf darf nicht gewerblich eine Hochzeit fotografieren, wenn er keinen Gewerbeschein hat (obwohl Pressefotografen die viel besseren Fotografen sind als jene, die meist nur Studio-Fotos gemacht haben). Ein Außenminister darf nach seiner Amtszeit nicht als Botschafter für die Republik tätig sein, wenn er nicht einst die Aufnahmsprüfung, das sogenannte Préalable abgelegt hat (obwohl ich im Laufe meiner zwei Jahrzehnte Erfahrung als außenpolitischer Journalist vielen Botschaftern begegnet bin, die in ihrer ahnungslosen Engstirnigkeit, ihrem eitlen Bürokratismus und ihre unverhüllten Geldgier eine Schande für das Land sind). Ein ehemaliger Politiker oder Spitzenbeamter darf nicht als Universitätsprofessor amtieren (obwohl er die Studenten von der Geschichte bis zur Politikwissenschaft viel besser, sachkundiger und auf höherem Niveau als die gegenwärtige Professorenschaft ausbilden könnte).

Und noch in vielen weiteren Bereichen gilt: Wir sind in Österreich nach wie vor noch mit dem real existierenden Zünfte-Mittelalter konfrontiert.

 

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Das Ländle gleicht sich Ostösterreich an

07. Juni 2012 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Früher waren die Vorarlberger dafür bekannt, dass sie am besten wirtschaften konnten. Zunehmend scheint aber auch dort diese Fähigkeit verloren gegangen zu sein.

Denn Landeshauptmann Markus Wallner wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, dass in seinem Land auch nur ein Bezirksgericht gesperrt wird (die Verfassung gibt ihm dabei ein Vetorecht). Die Logik ist zynisch, aber klar: Für Gerichte zahlt ja der Bund, und mit dem Bund hat Vorarlberg anscheinend nichts zu tun, den kann man hemmungslos bluten lassen. Für die Kosten der Bezirkshauptmannschaften zahlt hingegen das Land. Ganz zufällig hat das zur Folge: In Vorarlberg gibt es um 50 Prozent mehr Bezirksgerichte als Bezirkshauptmannschaften.

Aber die Vorarlberger haben das Rechnen und Wirtschaften auch dann verlernt, wenn es ihr eigenes Budget betrifft. Also wenn Vorarlberg Aufträge vergibt, oder wenn es etwas einkauft. Auch da kämpft Wallner mit voller Energie gegen die Interessen des Vorarlberger Budgets: Er will nicht, dass wie geplant ab Jahresende alle Aufträge ab 40.000 Euro öffentlich ausgeschrieben werden müssen (wie schon bis 2009). Dass also ab diesem Zeitpunkt endlich wieder der Bestbieter zum Zug kommen muss. Er will das lieber weiterhin freihändig – ehrlicher formuliert: unter der Hand – vergeben.

Wallners Motiv: Dadurch kommen fast nur Vorarlberger an die Aufträge. Was aber die verschwiegene Konsequenz hat, dass dann viel teurer eingekauft wird, als wenn man jeweils den Bestbieter suchte. Dass das zu Lasten des Vorarlberger Budgets geht. Dass das Korruption erleichtert. Ebenso logisch ist, dass ohne österreichweite Ausschreibungspflicht die selbe Freihändigkeit logischerweise auch in anderen Bundesländern praktiziert werden wird. Wo dann halt kein Vorarlberger Unternehmen zum Zug kommen wird. Ähnliches spielt sich auch gegenüber dem EU-Ausland ab.

Am Ende des Tages bringt die Freihändigkeit keinen Gewinn, sie ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern ein Minus für alle. Weil keiner beim Billigsten einkauft und weil alle zu viel an Auftragnehmer zahlen. Zum Schaden der Steuerzahler und Konsumenten. Oder muss man jetzt wirklich sogar in Vorarlberg die ökonomischen Grundrechnungsarten erklären? Weiß Wallner nicht, dass Wettbewerb immer zu besseren Ergebnissen führt als freihändige Freunderlwirtschaft? Weiß er nicht, dass uns die nationale und internationale Arbeitsteilung wohlhabend gemacht hat? Oder werden jetzt – um nur ein einziges Beispiel zu nennen – in Vorarlberg nur noch landeseigene Fernseh- und Computer-Erzeuger mit Aufträgen bedient (die man zuvor natürlich erst mühsam durch Förderungen hochpäppeln muss)?

Nun bin ich sicher, dass Vorarlberg auch unter einem Landeshauptmann Wallner ein relativ erfolgreiches Bundesland bleiben wird. Aber es ist einfach traurig, wenn künftig nicht nur in Wien, Niederösterreich und Kärnten die ökonomische Unvernunft regiert, sondern auch im einstigen Vorzeige-Ländle.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wie sicher ist das Land? Eine Frage, die weder Politik noch Medien schert

06. Juni 2012 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Rund um den Themenkreis Landesverteidigung, Wehrpflicht und Bundesheer ist ein seltsames Vakuum eingetreten. Dieses Vakuum steht ganz im Gegensatz zum starken Scheinwerferlicht der letzten beiden Jahre. Ausgelöst wurde damals die Debatte durch die plötzliche Abkehr der SPÖ vom Konzept der Wehrpflicht im Wiener Wahlkampf. Die Debatte drang aber über die Ebene von Wahltaktik und Intrigen nie zu den wirklich wichtigen Fragen vor. Dabei hat sich keine der Parteien verantwortungsbewusst verhalten. Dasselbe gilt für die Medien, welche hinter der Intrige vom Tag nie die wirklich entscheidenden Fragen gesehen haben. Was bedroht heute die Sicherheit Österreichs und seiner Menschen? Ignoriert wurden auch viele andere Fragen wie etwa: Wie soll das Verhältnis zwischen Beamten und Politik funktionieren?
(Eine grundsätzliche Analyse zur Landesverteidigung)

Eine umfassende Sicherheitsanalyse muss sich mit einer ganzen Fülle sehr konkreter Gefahren befassen, wobei die eines klassischen Krieges die kleinste geworden ist. Die wirklichen Herausforderungen reichen von der Drogenkriminalität bis zu einer weiteren Zunahme eines aggressiven Islamismus. Sie reichen von den Zerfallserscheinungen in der Europäischen Union bis zur Eskalation im Nahen Osten. Die allergrößte und zugleich wahrscheinlichste Sicherheitsgefahr für Österreich ist aber die einer Implosion der Staatsfinanzen als Folge des explodierenden Sozialsystems, vor allem der künftigen Pensionsverpflichtungen. Daraus drohen wieder Unruhen bis hin zu einem Bürgerkrieg zu entstehen. Gleichzeitig haben die Kosten dieses Systems die Budgetmittel für Investitionen und für polizeiliche sowie militärische Sicherheit drastisch dezimiert. Keines dieser Themen wird aber im politisch-medialen Dialog angesprochen, obwohl es dabei und nicht bei der Umverteilung um die obersten Zwecke der Existenz eines Staates geht.

Die Medien, die Parteien, die Beamten

Die mediale Kurz-Bilanz über den Zustand der österreichischen Sicherheitspolitik könnte man kaum besser ziehen, als es Wolfgang Sablatnig, einer der führenden Journalisten Österreichs, zum Nationalfeiertag 2011 getan hat: „Bundespräsident Heinz Fischer und Verteidigungsminister Norbert Darabos haben ihre gegensätzlichen Positionen gefestigt. Die Probleme des Heeres können sie damit nicht lösen. Was fehlt, ist vielmehr eine gesellschafts- und parteipolitische Übereinkunft, was das Militär können muss – und was es nicht mehr zu können braucht.“[1] Und er schließt nach kurzem Verweis auf einige dieser ungeklärten Grundsatzfragen der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit der Konklusion: „Ob das österreichische Militär nach Klärung all dieser Fragen aus Freiwilligen oder Zwangsrekrutierten besteht, ist zweitrangig.“

Damit kritisiert Sablatnig indirekt freilich auch die eigene Zunft. Denn nicht nur die Politik, sondern auch die Medien haben sich rund um die Sicherheitspolitik vor allem mit einem befasst: mit den personalisierbaren und parteipolitischen Konflikten rund um die Forderung nach einem Ende der Wehrpflicht.

Die SPÖ wechselte im Oktober 2010 über Nacht von einer axiomatischen Verteidigung der allgemeinen Wehrpflicht zu deren vehementer Ablehnung. Die frühere Pro-Wehrpflicht-Linie gründete vor allem auf dem SPÖ-Trauma der Zwischenkriegszeit, als ein Berufsheer an der Seite der Bundesregierung gegen den revoltierenden Republikanischen Schutzbund der Sozialdemokraten gekämpft hatte. Bis zum Oktober war daher für die SPÖ die Wehrpflicht Dogma, weil sich ein Wehrpflichtigen-Heer nicht so leicht wie eine Berufsarmee in einen Bürgerkrieg einmischen würde.

Die scharfe und völlig unerwartete Haltungsänderung hatte einen klaren Anlass: die Wiener Gemeinderatswahlen, also die Verteidigung des für die SPÖ weitaus wichtigsten Zentrums der Macht und Finanzierung zahlloser Organisationen. Umfragen vor der Wahl signalisierten den Verlust der absoluten Mehrheit. Daraufhin verkündete die Wiener SPÖ die plötzliche Abkehr von der Idee der Wehrpflicht. Dies sollte die Jungwähler wenigstens zum Teil zurückgewinnen (die sich vor allem wegen der Ausländerfrage in relativ hohem Ausmaß der FPÖ zugewandt haben) und in den letzten Wahlkampftagen vor allem eine stärkere Unterstützung der Kronenzeitung bringen.

Obwohl die Wahlen dennoch für die SPÖ wenig erfreulich ausgingen, behielt sie auch nachher ihren Kurswechsel bei.

Was bewegte dabei die einzelnen Akteure?

Die Kronenzeitung kämpft seit vielen Jahren gegen die Wehrpflicht. Hier sind drei Metamotive zu erkennen:

Die SPÖ übersah bei ihren parteitaktischen Überlegungen rund um die Kronenzeitung folgendes:

Die ÖVP wurde vom Wechsel der SPÖ völlig unvorbereitet getroffen.

Die FPÖ wiederum tat sich als Oppositionspartei am leichtesten, jeweils das abzulehnen, was der amtierende Minister will. Sie tat das ungeachtet der Tatsache, dass die FPÖ in schwarz-blauen Zeiten mit der ÖVP die Ablehnung von Neutralität und Wehrpflicht geteilt hat.

Fischer und Entacher: Die konsequenteste Linie fuhren zwei Sozialdemokraten, die sich gegen die eigene Partei stellten: Bundespräsident Heinz Fischer und der vom Verteidigungsminister abgesetzte Generalstabschef Edmund Entacher gaben zur allgemeinen Überraschung nach einem Leben der Anpassung an die Parteilinie nun ihrem Gewissen und der Verfassung Vorrang. Das hängt gewiss auch damit zusammen, dass beide den absoluten Gipfel ihrer Karriere schon erreicht hatten, dass Fischer sich auch keiner Wiederwahl mehr stellen kann, und dass die Weisungskette Kronenzeitung-Häupl-Faymann-Darabos die beiden Männer trotz ihrer wichtigen Funktionen total übergangen hat. Bei einer nachträglichen Zustimmung wären daher beide zur lächerlichen Figur worden.

Dennoch ist es für die Bürger und für die geistige Identität dieses Landes sehr wichtig, wenn es noch hie und da Funktionsträger gibt, die zumindest einmal im Leben eine wichtige Sache ohne Eigennutz über die Partei zu stellen wagen.

Das Verteidigungsministerium: Eine umso problematischere Entwicklung dieses Jahres war der Missbrauch von Beamten zur Erstellung sogenannter Gutachten, bei denen das Ergebnis schon vorgegeben war. Verschlimmert wurde dieses Vorgehen dadurch, dass die Berechnungen mehrfach geändert werden mussten, je nachdem, wie das Ergebnis aussehen sollte. Dabei ging es nie um das Funktionieren der Landesverteidigung, sondern immer nur um eines: Ein Berufsheer dürfe nicht mehr kosten, als die jeweilige Bundesbudgetplanung vorsah. Dementsprechend wurden die Geld-Entschädigungen für Heeres-Freiwillige ständig adaptiert, ohne dass es seriöse Untersuchungen gab, ob zu den jeweils geplanten Entschädigungen überhaupt noch genug Freiwillige zu finden sind. Geschweige denn eine Mannschaft, die nicht nur wie in anderen Ländern eine Ansammlung potenzieller Arbeitsloser ist.

Leider überhaupt nicht genutzt wurde die Darabos-Entacher-Krise zu einer grundsätzlichen Debatte über die Rolle von Spitzenbeamten. Dabei würden sich einige, auch durchaus widersprüchliche Fragen stellen, deren Bedeutung weit über das Bundesministerium für  Landesverteidigung und Sport hinausreicht:

Wie weit ist es einerseits richtig, dass Beamte – insbesondere jene in exponierten Führungspositionen – ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf Meinungsfreiheit nutzen? Wie weit ist es glaubwürdig, wenn sich Minister auf Gutachten der eigenen Beamten berufen, solange sie deren Ergebnis vorgeben können? Was haben etwa auch Aussagen des Verfassungsdienstes noch für einen Wert, wenn dabei seit Jahren immer nur eine Bestätigung der Meinung des Bundeskanzlers herauskommt? Woher bekommt die oft schwer desorientierte Politik in einer schnelllebigen Zeit rasche faktenorientierte Orientierungshilfe? Was bedeutet es, wenn auch die Aussagen von Universitätsprofessoren in hohem Ausmaß von politischer Sympathie – oder Zahlungen eines Auftraggebers abhängig sind? Welcher Beamte ist mit seinen Aussagen noch als eigenständige Persönlichkeit ernstzunehmen, solange er damit rechnen muss, bei einer politisch „falschen“ Meinung am nächsten Morgen suspendiert zu werden, selbst wenn er noch so sehr im Recht sein sollte? Wird die gesamte Beamtenschaft nicht durch solche Vorgänge entweder zu lächerlichen Figuren degradiert oder in die innere Emigration samt passiver Resistenz getrieben? Wo aber bleibt umgekehrt der politische Spielraum eines Ministers, wenn mächtige Sektionschefs öffentlich signalisieren, dass sie die wahren Herren des Ressorts sind und dass sie schon viele Minister kommen und gehen gesehen hätten? Wie kann ein Minister eine Änderung der Gesetzeslage erreichen, wenn ihm seine Beamten Widerstand leisten? Wie geht die Republik künftig mit den abseits der Hierarchie und Verantwortung stehenden Ministersekretären um, die ohne jede verfassungsrechtliche Verantwortung sehr viel Macht haben, ohne die kein Minister überleben kann? Sind Kommissionen ein Ausweg, die sich aber oft als unfähig erwiesen haben, klare Entscheidungen zu treffen? War es wirklich ganz falsch, dass sich speziell in der schwarz-blauen Zeit manche Minister externe Berater und Rechtsanwälte geholt haben, weil sie mit ihren politischen Vorhaben oft auf eine Mauer entweder unfähiger oder anderen Ideologien anhängender Beamter gestoßen sind?

Bei diesen Fragen geht es um ganz wichtige Themen des Funktionierens der Republik , die weder durch ein Beamten- noch ein Politiker-Beschimpfen gelöst werden können, wie es bei den Medien sehr beliebt ist. Es ist für einen Staat vielmehr überlebenswichtig, ständig um ein besseres Funktionieren seines Räderwerks zu ringen. Zu einer ehrlichen Diskussion dieser Fragen ist aber in Österreich niemand bereit. Und den Medien sind sie zu langweilig.

Diese ergötzen sich zwar mit großer Freude an politischen Kämpfen, vor allem wenn sie sich personalisieren lassen. Und wenn sie sich über keinen Konflikt erregen können, geißeln sie den „Stillstand“. Sie bemühen sich aber nur selten um eine fundierte Analyse dessen, was eigentlich richtig wäre; oder wie das Mächtespiel Politik-Beamte künftig ausschauen soll; oder auf welche Bedrohungen sich Österreich besonders vorbereiten soll. Womit wir bei den nächsten Kapiteln sind.

Das sozial-ökonomische Bedrohungsbild

Ein immer größerer Teil der staatlichen Ausgaben wird für zwei Bereiche aufgewendet: Sozialsystem und Schuldendienst. Der Schuldendienst (eigentlich nur: die ständige Umschuldung und Neuverschuldung) ist in Wahrheit primär eine Bezahlung des Konsums der Vergangenheit. Und das Sozialsystem finanziert den Konsum der Gegenwart.

Durch die sich als sozial tarnenden und ständig wachsenden Konsumausgaben wird der Spielraum für Zukunftsausgaben immer geringer, also für Investitionen und für direkte Sicherheitsausgaben. Alleine die Kosten des Pensionssystems zeigen eine so explosive Dynamik, dass das wahrscheinliche Ende dieses System heute als größte Sicherheitsbedrohung Österreichs bezeichnet werden muss. Angesichts dieser Gefahr treten in Wahrheit sämtliche andere Sicherheitsbedrohungen in den Hintergrund.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich[3] rechnet, dass Österreich im Jahr 2040 vor allem der Pensionsausgaben wegen eine Staatsschuld von rund 300 Prozent des BIP haben wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die EU-Kommission. Das heißt auch: Zu diesem gar nicht so fernen Zeitpunkt steht längst kein Euro mehr für Sicherheits- oder Investitionsausgaben zur Verfügung. Die meisten Ökonomen sind überzeugt, dass schon Staatsschulden über 100 Prozent einem Staat jeden Spielraum nehmen, dass solche Schuldenquoten nur noch durch einen Staatscrash, also die Einstellung der Zahlung von Beamtengehältern und Pensionen, oder eine Megainflation beseitigt werden können. Die Beispiele Griechenland und Italien sind ein Beweis für die Richtigkeit dieser Annahmen.

Bei Staatscrash wie Megainflation werden alle finanziellen Sicherheiten zerstört, auf denen die Bürger ihren Wohlstand und insbesondere ihre Vorsorge für Alter, Krankheit und Pflegebedürftigkeit aufgebaut haben. Solche Situationen sind durchaus mit den ökonomischen – wenn auch nicht physischen – Folgen eines Krieges vergleichbar. Ganze Lebensläufe enden durch solche Zusammenbrüche in menschlichen Katastrophen.

Diese Perspektive ist aber auch in unmittelbarer Hinsicht sicherheitsrelevant, also auch dann, wenn man Sicherheit nicht auch ökonomisch und sozial, sondern nur in Hinblick auf militärische und polizeiliche Aufgaben versteht. Die Geschichtsbücher sind voller Beispiele, in denen aus ökonomischen Krisen Unruhen und Bürgerkriege entstanden sind[4].

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in solchen Episoden die Jagd auf vermeintliche Sündenböcke beginnt, zuerst medial und in der politischen Rhetorik, die dann jedoch auch sehr konkret werden kann. Eine ganze Reihe von Gruppen kommt als solche Jagdobjekte in Frage: Zuwanderer, Politiker, Beamte, Bankmitarbeiter, die „Reichen“ – also meist die bisherigen Leistungsträger – oder religiös identifizierte Gruppen. Denkbar ist es aber auch, dass sich die Aggression pauschal gegen die Babyboomer-Generation richtet, also gegen die in den 40er, 50er und 60er Jahren Geborenen.

Diese Generation hat in der Tat kollektiv einen sehr großen Schaden angerichtet (während sie selbst lieber kritisch auf die NS-Sünden der Väter verwiesen hat): Sie hat selbst die Kinderproduktion in hohem Ausmaß eingestellt; sie hat auch in Jahren des Wachstums die Staatsschulden ständig vergrößert (die offiziellen und noch mehr die inoffiziellen); sie hat vier Jahre später zu arbeiten begonnen als ihre Vorfahren; sie geht im Schnitt zwei Jahre früher in Pension, obwohl sie weitaus länger lebt; und sie hat im staatlichen Pensionssystems keinerlei Reserven angespart, sondern sich selber ständig wachsende Pensionsansprüche verschafft, ohne dass denen ausreichende Einzahlungen gegenübergestanden wären.

Die internationalen Bedrohungen

Dieses wahrscheinliche Platzen der Blase des Sozial- und Wohlfahrtsstaates fällt zeitlich zusammen mit einer Phase der wachsenden internationalen Destabilisierung des europäischen Raumes. So dramatisch die Entwicklungen des Irak- und Afghanistan-Krieges auch gewesen sind, für Europa sind andere Entwicklungen heute deutlich riskanter:

  1. Die rasche Entwicklung atomarer Waffen in Iran und auch der Türkei[5];
  2. Die völlig ungewisse Entwicklung nach den Umstürzen in einigen arabischen Ländern: Wie aggressiv werden die dort an die Macht drängenden islamistischen Parteien sein? Können die Länder am Südrand des Mittelmeers die innere Stabilität aufrechterhalten oder werden Millionen in die Flucht getrieben? Wie wird sich der revolutionäre Geist auf andere Staaten der Region auswirken?
  3. Die Zuspitzung des Nahostkonflikts als Folge der Kompromissunwilligkeit beider Seiten;
  4. Das wachsende Desinteresse Russlands und der Ukraine am Ziel eines demokratischen Rechtsstaates;
  5. Dazu kommt, dass auch nach Jahrzehnten keine Lösung für die blutigen Konflikte auf dem Balkan gefunden worden ist, obwohl Resteuropa in Bosnien und im Kosovo teure Streitkräfte unterhält. Politik und Diplomatie haben sich opportunistisch um die heiklen Themen gedrückt oder sind auf Grund der innereuropäischen Uneinigkeit gelähmt. So notwendig das Eingreifen des Westens gegen den serbischen Balkan-Imperialismus und zugunsten des Selbstbestimmungsrechtes der betroffenen Völker gewesen ist, so unberechtigt ist es, wenn heute geschlossen serbischen Siedlungsgebieten in Bosnien und im Kosovo unter formaljuristischen Vorwänden das gleiche Selbstbestimmungsrecht verweigert wird.
  6. Last not least zeigen sich gefährliche innere Bruchlinien in der Europäischen Union als schädliche Folgen vieler fauler Kompromisse der letzten Jahrzehnte: Das Fehlen von Mechanismen, um undisziplinierte Länder aus dem Euro verabschieden oder zumindest unter Kuratell stellen zu können, macht sich besonders schlimm bemerkbar, ist aber keineswegs der einzige Konstruktionsfehler der Union, in der einander allzu viele Gremien und Machtträger gegenseitig blockieren, ohne dass die EU eine echte Demokratie wäre. Die Darstellung der EU als großes „Friedensprojekt“ ist heute mehr eine historisch-propagandistische Reminiszenz als eine Garantie für die Zukunft. Noch nie ist so offen über einen Zerfall der Union als Folge allzu vieler innerer Widersprüche diskutiert worden wie im Jahr 2011.

Österreichs Sicherheit im engeren Sinn

Neben all diesen Gefahren einer ökonomischen, sozialen und internationalen Destabilisierung erscheint die klassisch militärische Bedrohung Österreichs weiterhin recht gering. Seit Ende des Kalten Krieges sind Konflikte nur noch sehr schwer vorstellbar, die Österreichs Grenzen als solche in Frage stellen.

Es gibt aber eine Reihe globaler Entwicklungen, die Österreichs Sicherheit auch auf eigenem Boden direkt betreffen, ohne dass sie klassischen militärischen Bedrohungen gleichen. Jedes einzelne dieser Themen wäre eingehender Untersuchungen wert, mit welchen politischen und/oder juristischen Strategien, mit welchen polizeilichen und/oder militärischen Mitteln man eine Eskalation verhindern könnte.

Die Auflistung ist keineswegs umfassend:

Stichwort „Cyber war“: Fremde Geheimdienste und Armeen, aber auch durch politischen Radikalismus oder pure Abenteuerlust motivierte Jugendliche suchen zu Zehntausenden Programmierlücken, um für Wirtschaft, Sicherheitsbehörden und Staatsverwaltung lebenswichtige Computersysteme infiltrieren zu können. Dort, wo das gelingt, kann hemmungslos spioniert werden, dort können sensible Daten nach außen getragen werden, können ganze Industrieanlagen und Versorgungssysteme lahmgelegt werden, können selbst Staaten massivst manipuliert werden.

Stichwort Migrationsströme: Eine zu rasche und zu starke ethnische Verschiebung der Bevölkerungsstruktur führt nach allen historischen Erfahrungen sehr leicht zu inneren Turbulenzen. Eine auf sieben Milliarden gestiegene Weltbevölkerung umfasst auch eine wachsende Anzahl von Menschen, die ihr weiteres Leben in anderen Ländern verbringen wollen. Zwar zeigen alle seriösen Statistiken[6] einen relativen Rückgang von Armut und Hungerkatastrophen[7]. Jedoch hat gleichzeitig die Globalisierung den Migrationswillen stark erhöht. Während früher Milliarden Menschen trotz elender Lebensbedingungen nie ihr Dorf verlassen konnten, bekommen jetzt fast alle Drittwelt-Bewohner über Fernsehen und andere Medien ein Bild luxuriöser Lebensumstände in Europa und den USA ins Haus vermittelt. Und gleichzeitig bieten die modernen Verkehrsmittel Schlepperbanden viele Möglichkeiten, den Migrationswillen dieser Menschen zur Realität zu machen. Die extrem ausgebauten, wenn auch nur durch Schulden finanzierten Sozialstaaten in Europa sind Magneten für Schlepper wie Migranten.

Stichwort Drogenhandel: Das Beispiel Mexiko zeigt, wie sehr ein ganzer großer Staat durch die Drogenkriminalität destabilisiert, korrumpiert und in den Zustand totaler Anomie gestoßen werden kann. Längst ist der Kampf gegen die dortigen Banden nicht mehr bloß eine polizeiliche, sondern auch eine militärische Herausforderung.

Stichwort ABC-Gefahren: Es braucht keinen großen Krieg, sondern nur eine Handvoll aggressiver Wahnsinniger, die mit bakteriologischen, chemischen oder atomaren Waffen unermesslichen Schaden anrichten können.

Stichwort Islamismus: Im Islam gibt es starke Gruppen, die den gesamtheitlichen politisch-juristisch-gesellschaftlichen Anspruch der Religion auch totalitär umsetzen wollen. Große Teile der islamischen Theologie haben kein Konzept entwickelt, das die Trennung von Religion und Staat akzeptiert, wie das der Katholizismus und Protestantismus in der Aufklärung tun mussten[8]. Sie anerkennen wichtige Teile der in Europa geltenden Grundrechte nicht, weder die Meinungsfreiheit – siehe die erbitterte Verfolgung eines dänischen Karikaturisten – noch die Religionsfreiheit: Selbst als liberal geltende muslimische Exponenten sprechen einem Moslem nicht das Recht zu, die Religion zu wechseln. Ein solcher Wechsel wird in den meisten mehrheitlich islamischen Staaten von den Strafbehörden verfolgt. Dieser totalitäre islamistische Machtanspruch wird spätestens ab jenem Zeitpunkt zum Sicherheitsproblem, da Moslems regional oder gesamtstaatlich die Mehrheit bilden. Eine Hochrechnung der Trends der letzten Jahre lässt für Österreich noch in diesem Jahrhundert eine moslemische Mehrheit erwarten, für Wien sogar binnen weniger Jahrzehnte.
Zwar lässt die fast unvermeidliche wirtschaftliche Stagnation des nächsten Jahrzehnts ein massives Abflauen der Arbeitsmigration erwarten. Auf der anderen Seite wird Österreichs sozialstaatliche Attraktivität auch weiterhin für einen Zustrom von Nichtleistungsträgern sorgen.
Als Beweis seien Daten angeführt, die zeigen, in welch geringem Anteil die Zuwanderung aus dem wichtigsten Herkunftsland islamischer Zuwanderer, der Türkei, dem Arbeitsmarkt gegolten hat. Denn während von den 15- bis 64-jährigen Österreichern 75 Prozent erwerbstätig sind, sind es bei den Besitzern eines türkischen Passes in Österreich nur 62 Prozent[9]. Bei den Zuwanderern aus anderen europäischen Staaten ist die Erwerbsquote hingegen durchwegs viel höher – zum Teil sogar über jener der Österreicher. Das heißt, die Türken dürften sich zum Unterschied von anderen Migranten nicht durch eine wirtschaftliche Stagnation von der Migration abhalten lassen.

Schlussfolgerung

Eine verantwortungsbewusste Staatsführung müsste ebenso wie Medien, die sich ihrer Verantwortung als vierte Gewalt bewusst sind, ständig die hier skizzierten, aber sich in einem fortwährenden Fluss befindlichen Gefahren beobachten und analysieren. Davon ist aber weder bei Politik noch bei Medien etwas zu bemerken. Umso weniger findet dann der logische nächste Schritt statt: dass sich das Land möglichst effizient auf die möglichst frühzeitige Abwehr dieser Gefahren konzentriert. Dann aber erst wäre es überhaupt sinnvoll zu prüfen, ob eher eine Berufsarmee oder ein Bundesheer mit Wehrpflicht zur Gefahrenabwehr beitragen können. Dann wären auch viele andere Fragen zu prüfen, wie etwa jene nach einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen.

Dieser Beitrag gleicht weitgehend einem Text für den Sammelband "Strategie und Sicherheit 2012 -  Der Gestaltungsspielraum der österreichischen Sicherheitspolitik" (Böhlau-Verlag)


[1] „Tiroler Tageszeitung“, 27. Oktober 2011.

[2] Bei der Media-Analyse 2010/2011 hatte die einst über 44 Prozent der Österreicher erreichende Kronenzeitung eine Reichweite von 37,9 Prozent, das der Familie Dichand ebenfalls nahestehende Gratisblatt „Heute“ 22,3 Prozent, die Kleine Zeitung 11,3 und das Gratisblatt „Österreich“ 10,0.

[3] Die in Zürich sitzende BIZ kann als die Zentralbank aller Nationalbanken angesprochen werden.

[4] Von der Französischen Revolution bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten mit all ihren Folgen.

[5] Während von der iranischen Atomrüstung öffentlich sehr viel die Rede ist, wird die nukleare Aufrüstung der Türkei seltsamerweise nur von internationalen Nachrichtendiensten bestätigt.

[6] Siehe die Statistiken der UNDP.

[7] An der Verbreitung dieser Fakten haben freilich viele von Spendengeldern lebende Organisationen und die von negativen Nachrichten lebenden Medien kein Interesse.

[8] Die Orthodoxie hat das übrigens noch nicht wirklich akzeptiert.

[9] http://www.statistik.at/web_de/statistiken/arbeitsmarkt/erwerbsstatus/erwerbspersonen/index.html

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Europa hat drei Optionen und entscheidet sich für keine

22. Mai 2012 02:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alexis Tsipras hat absolut recht. Der Chef der linksradikalen Syriza-Partei Griechenlands – der beim nächsten Wahlgang noch weiter zulegen dürfte – hat nämlich selbstsicher verkündet: Niemand kann Griechenland aus dem Euroland werfen.

Ein Blick in die diversen europäischen Verträge bestätigt: Kein Land kann hinausgeschmissen werden, weder aus dem Euro-Raum noch aus der Europäischen Union. Damit haben sich EU wie Euro als Schönwetterprojekte entlarvt, die nun schon seit zwei Jahren völlig hilf- und schutzlos im Regen stehen. Damit machen sich auch alle jene Politiker in Österreich wie in Europa lächerlich, die den Griechen nun den Hinauswurf androhen. Das geht einfach rechtlich nicht.

Damit hat auch die EU-Kommission wahrscheinlich recht, die ständig beteuert, keine Vorbereitungen in diese Richtung zu treffen. Man kann nicht etwas vorbereiten, was man gar nicht kann und darf. Das andere Kommissare doch wieder von solchen Vorbereitungen reden, ist nur ein Zeichen des Chaos, das in Brüssel herrscht.

Ohne Griechen auch kein griechischer Austritt

Die Trennung der Griechen vom Euro können nur die Griechen selber beschließen. Und die wollen ganz und gar nicht. Würde doch damit tatsächlich jene gewaltige Verarmung des Landes eintreten, über die die Griechen schon derzeit sehr beredt jammern, ohne dass sie noch wirklich eingetroffen wäre. Außerdem können die Griechen nicht nur aus dem Euro allein austreten, sondern müssten auch gleich die EU verlassen. Was sie genauso wenig wollen – auch wenn man dann natürlich im gleichen Atemzug um Neuaufnahme in die EU ansuchen könnte.

Daher klingt die – sofort wieder dementierte – neueste Idee Angela Merkels zwar verzweifelt, aber doch glaubwürdig. Sie soll den Griechen empfohlen haben, jetzt doch die im vorigen Winter noch von ihr selbst und allen anderen verdammte Volksabstimmung über einen Euroverbleib PLUS Zustimmung zu allen Sparmaßnahmen abzuhalten. Aber genau dieses Plus will ja die Mehrheit der Griechen nicht.

Heißt das nun, Europa ist wirklich so hilflos, wie es jetzt dasteht? Heißt das, Europa muss wirklich alternativlos einfach immer neues Geld in die ausgebrannten Kessel Griechenlands & Co schaufeln? So wie es das ja schon seit zwei Jahren in Billionen-Dimension tut – von den ersten bilateralen Griechenland-Hilfen über die diversen Kommissions- und EZB-Aktionen, übers hemmungslose Gelddrucken, über die Finanzierungen auf kollektiven Pump via Währungsfonds und die komplizierte „Fazilität“ EFSF bis zu dem ebenso komplizierten und destabilisierenden „Stabilisierungsmechanismus“ ESM?

Ganz und gar nicht. Europa hat mindestens drei Optionen. Freilich ist es nicht so sicher, dass in irgendwelchen Staatskanzleien diese Optionen auch wirklich schon genau durchkalkuliert worden wären. Denn populär wird man auch damit nicht. Keine dieser Optionen ist schmerzfrei, jedoch ist jede sinnvoller als die gegenwärtige Schmerzbehandlung für die europäische Krankheit, die nur eine reine Symptomkur ist.

Über diese Optionen hätte man eigentlich schon in den 90er Jahren bei der Gründung des Euro entscheiden müssen. Was man aber nicht geschafft oder gewollt hat. Und man ist ihnen erst recht im Mai 2010 aus dem Weg gegangen, als Griechenland erstmals bankrott war.

1. Grünes Licht dem Bankrott

Die erste Option würde keiner neuen europäischen Verträge bedürfen. Sie bedeutet einfach: Man lässt Griechenland auch wirklich so wie im Vertrag vorgesehen bankrott gehen. Das wäre zwar ein Schock für das Land, aber die logische Konsequenz aus allen jenen Fehlern, die die Griechen selbst zu verantworten haben – in der lügenreichen Vergangenheit ebenso wie erst recht durch das jüngste Wahlergebnis. Dann könnte die griechische Regierung etwa den Beamten und Pensionisten höchstens die Hälfte des monatlichen Schecks zukommen lassen. Und so weiter.

Aber genau dieser Schock würde am ehesten das auslösen, worum sich die Griechen derzeit so klagenreich herumdrücken: Privatisierungen, Deregulierungen, Beamtenabbau, Abbau von Kündigungsschutz, echte Öffnung für ausländische Investoren usw. Ob die Griechen dann auch zur Drachme zurückkehren, ist da schon eine sekundäre Frage.

Freilich soll niemand glauben, dass dieser an sich logische Weg für das Ausland ein einfacher oder gar billiger wäre. Zahlreiche ausländische Banken und Versicherungen müssten dann durch die eigene Regierung vor den Auswirkungen eines Domino-Effekts geschützt werden. Denn sonst würden auch die jeweils eigenen Unternehmen des Landes mitgetroffen werden, wenn ihre Bankkonten plötzlich nichts mehr wert wären. Wobei es freilich nicht sein dürfte, dass bei der Bankenrettung Bankaktionäre und -mitarbeiter ungeschoren davonkämen. Sie müssten einen Teil des griechischen Ausfalls selber tragen. Nur die schuldlosen Kunden sollten geschützt werden.

Eine weitere Konsequenz einer griechischen Insolvenz würde viele europäische Regierungen treffen: Sie alle hätten dann noch viel größere Probleme bei der eigenen Refinanzierung. Denn jeder Geldgeber würde nach einem endgültigen Bankrott Griechenlands noch viel intensiver als schon jetzt nachdenken, bevor er Italien, Spanien, aber auch Frankreich und vielen anderen Staaten weiter gutes Geld zur Verfügung stellen würde. Das würde für diese Länder die Schuldenaufnahme zumindest neuerlich verteuern.

Allerdings: Dieser Effekt ist schon im Vorjahr bei der erzwungenen Umschuldung der privaten Inhaber griechischer Anleihen in hohem Ausmaß eingetroffen. Diese Umschuldung war eine besonders dumme Aktion: Das Ausland hat viele negativen Folgen getragen, ohne dass man die Griechen zu einer echten Reform zwingen hätte können.

Griechenland bankrott gehen zu lassen, kommt ganz Europa teuer. Aber es nicht bankrott gehen zu lassen, sondern weiter zu „helfen“, kommt noch viel teurer. Und es verhindert vor allem weiterhin, dass die Griechen endlich wirklich selber sanieren. Und auch kein anderes Land wird das dann tun. Sondern alle Bürger würden glauben, dass man nur links- oder rechtspopulistisch wählen, ein bisschen demonstrieren sowie „Occupy!“ rufen müsste. Und schon zahlt weiter ein anderer für sie.

2. Schaffung eines europäischen Konkursrechtes

Damit kommen wir zur zweiten Option: Die EU beschließt ein echtes Insolvenzrecht. Das erfordert eine Vertragsänderung, und dauert daher wahrscheinlich in einer akuten Notsituation zu lange. Aber jedenfalls gilt hier der Satz: Besser spät als gar nicht. Die Schaffung eines solchen Staateninsolvenz-Gesetzes wäre jedenfalls viel dringender als all die zahllosen Banken-Regulierungsversuche der letzten Jahre. Denn die Staaten sowie deren verlorene Wettbewerbsfähigkeit und nicht so sehr die Banken sind der zentrale Kern des europäischen Dilemmas.

Eines solchen Insolvenzrechts hätte es schon bei Fixierung des Euro zumindest für den Euro-Raum bedurft. So wie es ja auch innerhalb jedes Landes für zahlungsunfähige Firmen genau geregelte Abläufe gibt. Im Zentrum steht dabei immer ein sogenannter Masseverwalter. Der übernimmt in dem insolventen Land beziehungsweise in der insolventen Firma alle finanziell relevanten Geschäfte. Interessanterweise wird neuerdings in der Europäischen Zentralbank genau darüber nachgedacht.

Das bedeutet freilich eine vorübergehende Aushebelung der Verfassung und Demokratie. Das ist daher eine extrem heikle Operation. Das würde die Gefahr eines revolutionären Chaos verstärken. Das wäre aber wohl im Gegensatz zur ersten Option ein viel klarer geordneter Umgang mit der Zahlungsunfähigkeit eines Landes. Daher sollt unabhängig davon, wie es kurzfristig in Griechenland weitergeht, dieses Insolvenzrecht die erste Priorität auf der europäischen Agenda werden.

3. Europa neu gründen

Womit wir zur dritten Option kommen. Die heißt: Wenn die Griechen nicht aus dem Euro austreten wollen, können es ja die anderen tun. Das ist freilich eine gewaltige Vertragskonstruktion, die da geschrieben werden müsste. Denn so wie die Griechen nicht nur aus dem Euro austreten können, können es auch die anderen Länder nicht. Sie müssten formal auch die EU verlassen und EU wie Euro neu gründen. Dabei werden die Austretenden auch den Zurückbleibenden – also jedenfalls den Griechen – gegenüber schadenersatzpflichtig. Wobei man freilich auch alle von Athen verursachten Schäden gegenrechnen kann.

Eine solche Neugründung könnte natürlich auch genutzt werden, die vielen Fehler der EU-Konstruktion zu beseitigen. Da hat sich ja im Verlauf von mehr als einem halben Jahrhundert Vieles angesammelt oder als schädlich erwiesen: Vetorechte, Nichteinhaltung der eigenen Regeln, undemokratische Bevorzugung von Kleinstaaten gegenüber den Großen, der unheilvolle Drang zur Überregulierung, unklare Verhältnisse zwischen Nato- und neutralen Ländern, usw.

Mit anderen Worten: Es bräuchte wohl Jahre, um all das zu klären. Niemand hat einen besseren EU-Vertrag fertig in der Lade, der auf zumindest mehrheitliche Zustimmung stieße. Zugleich würde eine neue, bessere Union wahrscheinlich etliche Mitglieder verlieren, die auf dem Weg des Willensbildungsprozesses verloren gingen.

Erst recht würden solche Verluste an Mitgliedern auch bei einem neu zu zimmernden Euro-Raum der Fall eintreten. Denn während man die EU ja auch schlanker machen könnte und sollte, könnten an einem Euro-Neu zweifellos nur Länder teilnehmen, die sich einem klaren und zwingenden Regime unterwerfen würden (anstelle der skurrilen Maastricht-Kriterien, die vom ersten Tag an nie eingehalten worden sind).

Ein solcher Verlust wäre aber sicher kein großer Schaden. Hat man doch in dieses Europa immer wieder Länder aufgenommen, die (noch) gar nicht hineinpassen. Die man aber „aus politischen Gründen“ zu früh aufgenommen hat.

Der Hut brennt lichterloh

Über all diese drei Optionen muss – müsste – zum Beispiel der von Michael Spindelegger in der Vorwoche gegründete Kreis von reformwilligen Ministern intensiv nachdenken. Ob aus dem mehr wird als aus so vielen anderen Nachdenkrunden?

Das Teuflische ist: In Europa brennt der Hut so lichterloh, dass alle Entscheidungen binnen weniger Wochen getroffen werden müssten. Und dabei sollen gleichzeitig in diesen Wochen auch noch ganz schwierige Pakete durch die nationalen Parlamente beschlossen werden: neben der Verpflichtung zur Schuldenbremse auch der neue, viele weitere Hundert Milliarden teure Stabilisierungsmechanismus ESM.

Dieses Paket hängt freilich auch aus einem anderen Grund in der Luft. Denn sowohl die deutschen wie auch die französischen Sozialisten lehnen nun die Pflicht zu einer Schuldenbremse ab. Was zwar ein neuerlicher schwerer Stoß des sich breit machenden Populismus für die Stabilität Europas wäre. Was aber wieder leichte Hoffnung macht, dass damit wenigstens auch der ESM tot sein könnte (den aber wieder die Sozialisten gerne hätten!).

Heute hat Europa die Rechnung für Hunderte faule, den Grundrechnungsarten der Ökonomie widersprechende Kompromisse auf dem Tisch. Es ist dadurch selbst längst von arger Fäulnis befallen. Die proeuropäischen Sprüche mancher Politiker und EU-Journalisten gleichen daher längst nur noch dem Pfeifen im Walde.

 

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"News": Der Millionär macht auf Bauer

21. Mai 2012 00:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manche Dinge sind so unglaublich, dass man sie dreimal nachprüft. Wer hätte sonst geglaubt, dass europäische Agrargelder ausgerechnet zur Wiener Verlagsgruppe News fließen?

Ja, genau: Das ist jene Gruppe, die jahrelang in Hinblick auf ihre Auflagen wie gedruckt gelogen hat. Und jetzt reiht sich zum dubiosen Gebaren dieser einst von den Faymann-Freunden Fellner gegründeten Illustrierten-Kette eine neue Unglaublichkeit: sie hat im Vorjahr unter dem Titel „EU-Agrarzahlungen“ 113.400,00 Euro erhalten. In aller Heimlichkeit.

Das ist eine Riesensauerei und sollte schleunigst zurückgefordert werden. Diese Causa wird sonst wohl genauso in die Geschichtsbücher eingehen wie die zahllosen von der EU geförderten griechischen oder sizilianischen Olivenbäume, die nur ein kleines Problem haben: Es gibt sie gar nicht.

Die agrarische Geldverschiebung zu „News“ ist auch ein Musterbeispiel, wie sinnlos die von der Wiener Regierung angekündigte Transparenzdatenbank sein wird. Gibt es doch bei den Landwirtschafts-Förderungen schon seit einigen Jahren eine solche Transparenzdatenbank. In dieser stehen dann halt nach der Methode „Schmecks“ Geldbeträge ohne jede Transparenz, ohne jedes Wofür, Weshalb oder Warum.

Nach der Logik der EU-Finanzierungs-Usancen ist jedenfalls das Berlakovich-Landwirtschaftsministerium direkt oder indirekt verantwortlich. Auf die Anfrage, wofür das Geld der EU-Agrarförderungen denn verwendet worden ist, erhält man von der Agrarmarkt Austria, die für die „Transparenz“ verantwortlich ist, aber nicht einmal eine Auskunft. Trotzdem gehe ich jede Wette ein, dass bisher kein Mensch in Brüssel auch nur eine Ahnung hat, welche Schmuddel-Illustrierten da aus europäischen Geldern angefüttert werden. Denn die Schiebereien sind zweifellos in Österreich selbst passiert.

In dieser Transparenzdatenbank im Internet werden die Zahlungen an die „Verlagsgruppe News Gesellschaft M.B.H. GmbH“ einfach mit „Investitions- und Regionaloffensive - sonstige Maßnahmen“ erklärt. Schmecks. Mehr erfährt man nicht. Daher bleibt dem Steuerzahler nur die Spekulation, wie das Geld in die drei vorgegebenen Ziele passen mag:

Kreative Geldschieber werden schon eine Antwort finden, wenn einmal der Rechnungshof und Staatsanwalt anklopft. Hat das „Profil“ vielleicht eine Anleitung zum Kühemelken abgedruckt? Oder das „News“ einen Vergleichstest der besten Mähdrescher? Oder geht es vielleicht um eine „Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten“? Was gar nicht so abwegig wäre: Sind die diversen „News“-Hefte doch seit Jahren in von den Leser heftig benachteiligten Gebieten anzutreffen.

Oder hängt der Geldfluss vielleicht gar damit zusammen, dass Raiffeisen sowohl zu den für landwirtschaftliche Förderungen zuständigen Behörden wie auch zu den geförderten Magazinen eine sehr große Nahebeziehung hat? Das will ich schon gar nicht glauben. Und außerdem gilt die Unschuldsvermutung.

Streng zurückweisen muss ich natürlich auch alle Vermutungen, dass da ein brutaler Verleger irgendjemandem mit einer unangenehmen Veröffentlichung gedroht haben könnte, unabhängig davon, dass solche Veröffentlichungen in den bunten Heften ohnedies nur selten vor Richtigkeit strotzen.

Als jedenfalls unrichtig kann ich aber jetzt schon eine weitere Vermutung entlarven: Das Geld floss nicht für die Aktion „Bauer sucht Frau“. Das könnte ja noch irgendwie als Landwirtschaftsförderung verstanden werden (nach der Gleichung: Glückliche Bauern = glückliche Kühe = glückliche Milch). Denn: „Bauer sucht Frau“ ist definitiv nicht bei News, sondern bei ATV gelaufen. Und ATV hat kein Geld bekommen. Womit ich übrigens die Privatfernsehmacher zu nichts angestiftet haben will. Denn sie würden höchstwahrscheinlich ohnehin nicht gefördert werden. Fehlen ihnen doch die richtigen Netzwerke . . .

Wir wissen letztlich nur: „Grundlage für die Zahlungen sind Leistungen, die die Empfänger im Agrarbereich im öffentlichen Interesse erbringen.“ Wer‘s glaubt, wird selig.

Und ansonsten haben wir brav Steuern zu zahlen, die Goschen zu halten und nicht allzu laut mit den Zähnen ob all der Schweinereien in diesem Land zu knirschen.

 

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Von der Ärztekammer lernen

20. Mai 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wien hat einen neuen, durchaus interessanten Ärztekammerpräsidenten. Er heißt Thomas Szekeres, arbeitet im Korruptionstempel AKH, ist Betriebsrat und der erste Sozialist in dieser Funktion. Auch wenn alle drei Aspekte skeptisch machen müssen, so lässt der Mann doch zweifach aufhorchen.

Erstens ist er gewählt worden, obwohl seine Liste keineswegs die stärkste ist. Was ich für durchaus legitim und demokratisch halte. Aber gab‘s da nicht auch Parteien, die den Untergang der Demokratie verkündet haben, als im Jahr 2000 jemand anderer als der Exponent der stärksten Liste Bundeskanzler geworden ist? Was zur Frage führt: Geht vielleicht die Demokratie (siehe etwa auch Ungarn) immer nur dann unter, wenn ein Sozialist abgewählt wird?

Noch interessanter ist etwas Zweites: Herr Szekeres fordert eine Reduktion der Kammerbeiträge. Was jedenfalls gut klingt. Nun weiß ich freilich viel zu wenig über die Finanzen der Wiener Ärztekammer Bescheid, um die Auswirkungen dieser Beitragssenkung abschätzen zu können, also um zu wissen, ob das auch wirklich eine gute Idee ist. Sehr genau weiß ich aber über die Finanzen einer anderen Kammer Bescheid, nämlich der reichsten Kammer Österreichs, also der Arbeiterkammer.

Dieser von Zwangsbeiträgen aller Arbeitnehmer lebende Verein schwimmt im Geld. Er muss zum Unterschied von der Wirtschaftskammer auch nicht einen teuren Außenhandelsapparat rund um den Globus finanzieren (womit die WKO wenigstens in einem Punkt etwas Sinnvolles tut, so absurd die gesamte von ihr verteidigte Gewerbeordnung auch ist). Zugleich werden der Arbeiterkammer viele Vertretungsaufgaben wie etwa die Kollektivverträge von den parallel abkassierenden Gewerkschaften abgenommen. Das Verdienen fällt der AK umso leichter, als die Zahlungen an die AK auf dem Lohnzettel im Sozialversicherungsbeitrag versteckt sind. Damit sind ihre Einnahmen die einzigen Kammerbeiträge Österreichs, die den Geschröpften gar nicht bewusst werden!

Die Arbeiterkammer gibt den Großteil dieser versteckten Zwangszahlungen als indirekte Parteisubvention im Interesse der SPÖ aus. Erklärt das vielleicht, dass man zwar in der Ärztekammer, aber nie in der Arbeiterkammer einen Sozialisten nach einer Beitragsreduzierung rufen hört?

Das wäre übrigens auch ein toller Beitrag zum Wachstum, nach dem ja alle Linksparteien derzeit so heftig rufen. Noch dazu einer ohne neue Schulden! Aber vielleicht wollen sie gar nicht primär mehr Wachstum, sondern nur ein solches auf Schulden?

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In welchem Alter bekommen die Österreicherinnen Kinder?

16. Mai 2012 18:33 | Autor: Andreas Unterberger

Ausgewählte demographische Indikatoren 2011 in Jahren bzw. gesamt

 

Lebenserwartung bei der Geburt (Männer) 78,1
Lebenserwartung bei der Geburt (Frauen) 83,4
Gesamtfertilitätsrate * 1,43
Durchschnittliches Fertilitätsalter (gesamt) 30,0
Durchschnittliches Fertilitätsalter (1. Kind) 28,5

*Anmerkung: Gesamtfertilitätsrate: durchschnittliche Kinderzahl pro Frau

Quelle: Statistik Austria

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Wie entwickelte sich die österreichische Bevölkerung?

16. Mai 2012 18:18 | Autor: Andreas Unterberger

Hauptergebnisse der natürlichen Bevölkerungsbewegung in Österreich 2011

 

  Österreich 2011 Veränderung zum Vorjahr
Eheschließungen

36.426

- 3,0

Lebendgeborene (gesamt)

78.109

- 0,8

Lebendgeborene (unehelich)

31.522

- 0,3

Gestorbene (gesamt)

76.479

- 0,9

Gestorbene (im 1. Lebensjahr)

281

- 8,5

Geburtenbilanz

1.630

+ 5,6

Unehelichenquote

40,4

+ 0,5

Säuglingssterberate

3,6

- 7,7

Quelle: Statistik Austria

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Großbritannien – Polen - Frankreich: ein teurer Vergleich

13. Mai 2012 01:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In Frankreich setzen die Sozialisten das Pensionsalter auf 60 Jahre herunter. Die konservativ-liberalen Regierungen in Gr0ßbritannien und Polen setzt es gerade auf 67 Jahre hinauf. Alle drei Länder gehören zu einem gemeinsamen Europa. Das löst mehrere Fragen aus.

Erstens: Sind die Briten oder Polen vielleicht so viel langlebiger als die Franzosen, dass dieser Unterschied gerechtfertigt wäre? Keineswegs. Im Gegenteil: Die Franzosen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung. Manche Experten führend das übrigens auf die gesundheitlichen Vorteile des Rotweines gegenüber dem Bier zurück, was angesichts der Qualität ihres Rotweines doppelt angenehm für die Franzosen ist. Aber die Ursachen sind in unserem Zusammenhang eigentlich egal.

Zweitens: Steht Frankreich vielleicht wirtschaftlich besser da, dass es sich so lange Pensionszahlungen leisten kann? Auch das ist nicht der Fall, arbeiten die Franzosen doch auch vor der Pensionierung weniger als die anderen Nationen. Von diesen drei Ländern ist zweifellos heute Polen als einziges Land halbwegs gut aufgestellt. Alle ökonomischen Faktoren sprechen für das Ostseeland.

Drittens: Wie wichtig ist das Pensionsantrittsalter überhaupt? Es ist entscheidend. Denn die Pensionskosten werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in allen europäischen Ländern die weitaus größte und rasch anwachsende Belastung für die öffentlichen Haushalte und Wirtschaft darstellen. Dies schon auf Grund der ständig steigenden Lebenserwartung und des immer größeren Anteils alter Menschen an der Gesamtbevölkerung, also selbst ohne Senkung des Pensionsantrittsalters.

Viertens: Um welches dieser Länder muss man sich daher am meisten Sorgen für die Zukunft machen? Ganz gewiss um Frankreich.

Fünftens: Welches dieser Länder hat am meisten Auswirkungen auf Österreich? Frankreich. Denn zum einen ist Österreichs Handel mit Frankreich größer als der mit den anderen beiden Ländern. Zum anderen ist Österreich durch den Euro an das Schicksal Frankreichs gebunden. Was bei den anderen beiden Ländern nicht der Fall ist

Das sind fünf zwingende Gründe, um sich über den Wahlsieg eines französischen Linkspopulisten so richtig zu freuen.

 

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SN-Kontroverse: EU-Fiskalpakt

11. Mai 2012 00:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll der EU-Fiskalpakt ergänzt werden?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Sparen allein genügt nicht

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die EU ist am Ende ihres Lateins im Umgang mit der Finanz- und Schuldenkrise. Trotz dramatischer Sparpakete und nicht enden wollender Finanzspritzen kommen die Krisenländer in der Eurozone nicht und nicht auf die Beine. Offenkundig ist, dass die bisherigen Rezepte zur Bekämpfung der Krise wenig nützen. Es ist hoch an der Zeit, die Strategien neu zu überdenken. Vor allem der einseitige Fiskalpakt hat sich als Irrweg herausgestellt. Er sieht strenge Obergrenzen für die Staatsschulden vor, einschließlich automatischer Sanktionen für jene Länder, die die Regeln brechen. Nützen tut er aber nichts. Die Eurokrise wird dadurch nur verschärft. Namhafte Ökonomen warnen daher immer lauter vor einer Fortsetzung des strikten Sparkurses. Ferdinand Fichtner, der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, meint, der Bogen im Umgang mit den Krisenländern dürfe nicht überspannt werden. Der Spardruck auf die Krisen-Euro-Staaten müsse gelockert werden. Sozialer Ausgleich und eine maßvolle Konsolidierung der Staatsfinanzen seien sicherlich die bessere Lösung.

Das stimmt. Denn die derzeitige Austerity-Politik gleicht der Quadratur des Kreises. Um die Staatsschulden zu verringern, wurden Ausgaben gekürzt. Dies bewirkt geringere Nachfrage und geringeren wirtschaftlichen Output. Das wiederum bedeutet einen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Das ist die teuerste Form des Wirtschaftens. Sie führt zu weniger Steuereinnahmen und höheren Sozialleistungen. Wodurch die Staatsschulden erst Recht nicht abgebaut werden können. Dass die Sparpolitik nicht funktioniert, ist an Griechenland und Irland sehr gut zu sehen. Griechenland benötigt eine Finanzspritze nach der anderen. Den irischen Banken musste bereits fünf Mal aus der Patsche geholfen werden. Die EU muss daher so rasch wie möglich den Fiskalpakt durch ein breites Investitionsprogramm ergänzen. Denn Sparen allein genügt nicht.

 


Wachsen statt Verschulden

Andreas Unterberger

 Die Forderung vieler europäischer Sozialisten nach einem Investitionsprogramm heißt auf deutsch: "Jetzt haben wir lange genug vom Sparen geredet - und es nicht getan -, jetzt wollen wir wieder ohne schlechtes Gewissen auf Kosten der Zukunft und auf Kosten der Deutschen Schulden machen, indem wir diese halt Investitionen taufen." Die Prioritäten von François Hollande zeigen ja ganz deutlich, wofür er Geld ausgeben will: niedrigeres Pensionsantrittsalter, niedrigere Mehrwertsteuer, subventionierter Benzinpreis, Schulstartgeld usw. Keine Spur von Investitionen, sondern der alte sozialistische Populismus in Reinkultur.

Man kann nur hoffen, dass die deutsche Regierung nicht wieder umfällt, indem sie den bei Wahlen obsiegenden griechisch-französischen Schlendrian neuerlich finanziert. Bei der Wiener Regierung braucht man ja mangels eigenständiger Politik-Fähigkeit längst nicht mehr zu hoffen.

Das heißt natürlich nicht, dass Europa kein Wachstum braucht. Das haben uns nur die Grünen jahrelang einzureden versucht, die heute merkwürdig still sind oder rote Slogans nachplappern. Europa braucht sogar sehr viel Wachstum. Aber keinesfalls mit noch mehr Schulden. Denn diese würden nur noch größere Krisen in der Zukunft auslösen, von denen eine Megainflation die mindeste ist.

Wachstum geht nur auf einem Weg: mit längerem Arbeiten; mit weniger Bürokratie; mit Erleichterungen für Unternehmensgründungen; mit flexiblen Arbeitsmärkten; mit Privatisierungen (weil jedes Privatunternehmen effizienter arbeitet); mit weniger Einschränkungen für die Forschung; mit dem Abbau von Zwangsmitgliedschaften in Kammern; mit einem vielfältigen und wettbewerbsorientierten Schulsystem; mit Verzicht auf strengere CO2-Regeln als die Konkurrenz. Unpopulär? Vielleicht. Aber wirksam. Und sonst gar nichts.

 

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Ach, wie sind wir reich

10. Mai 2012 00:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich ist ein reiches Land; auf dieser Grundlage müsse nun eine Verteilungsdiskussion geführt werden. So dröhnte am 1. Mai der Wiener Bürgermeister. Und er forderte mehr Geld für Gesundheit und Bildung, für Forschung und Beschäftigungspolitik. Solche Töne werden nicht nur von Häupl, sondern auch von vielen anderen Politikern schon wieder gerne verbreitet.

Aber wie verhält sich dieser selbsterklärte Reichtum dazu, dass die Regierung gerade das größte Sparpaket aller Zeiten verkünden musste? Wird Österreich nicht selbst nach diesem Sparplan erst 2016 keine neuen Schulden machen (und das nur unter der optimistischen Annahme, dass es keine neue Rezession gibt)? Haben nicht fast alle Experten gesagt, dass das Sparpaket eher noch zu gering dimensioniert ist? Mussten nicht die Bundesländer gerade mit der Regierung einen weiteren Stabilitätspakt abschließen? Stößt nicht sogar Deutschland immer öfter bei der Refinanzierung an Grenzen, obwohl die EZB eine Billion Euro neu gedruckt hat?

Wie müssen sich die Bürger da eigentlich fühlen, wenn sie solche Politikersprüche hören? Verwirrung ist noch die harmloseste Reaktion. Viel dramatischer ist ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust der gesamten politischen Klasse. Man schaue sich nur die dramatischen Zugewinne der radikalen Parteien des totalen Neinsagens in Europa an (wobei es fast egal ist, ob sie als links- oder rechtsradikal eingestuft werden).

Jeder Werbestratege, jeder PR-Experte weiß: Sämtliche Botschaften eines Unternehmens sollten klar wie konsistent sein – und mit den Fakten harmonieren. Verwaschene Widersprüchlichkeit ist die schlechteste Kommunikationsstrategie.

Wenn die Politik aber ständig die Fakten wegignoriert, dann ist es logisch, dass ihr die Bürger nicht mehr glauben. Wie kann man Österreich als reiches Land bezeichnen, wenn seine wahre Staatsverschuldung nach Berechnungen von IHS wie EU in Wahrheit schon bei 300 Prozent des BIP liegt? Die wahre Staatsverschuldung umfasst ja nicht nur die direkten Kredite eines Staates (mit denen die offiziellen Staatsverschuldung  von 73 Prozent berechnet wird). Sie berechnet zu Recht auch all die Schulden mit ein, die in ausgegliederten Gesellschaften versteckt sind; ebenso die Haftungen des Staates (Allein das Land Kärnten war für die Hypo Alpen Adria Haftungen in der zehnfachen Höhe seines Jahresbudgets eingegangen!); und sie bezieht vor allem auch die Rechtsansprüche auf künftige Pensions- und Gesundheitsleistungen ein, für die der Staat längst Beiträge kassiert und verbucht hat – jedoch ohne dafür wie ein ordentlicher Kaufmann Rückstellungen zu bilden.

Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von scheinbar reichen Männern in Luxusvillen und tollen Autos, die am nächsten Tag Konkurs anmelden mussten. Ob sich die am Tag davor wirklich noch guten Gewissens als „reich“ bezeichnen konnten? Unsere Politik hofft offenbar, dass der Weg zum Konkursrichter ohnedies erst übermorgen stattfindet.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Milchmädchenökonomen und das Wachstum

09. Mai 2012 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Wir wollen Wachstum, statt uns zu Tode sparen.“ Dieser Slogan hallt quer durch Europa, er bestimmt zunehmend die Politik und noch mehr die Wahlergebnisse. Der Satz klingt sympathisch, angenehm und richtig. Wer will schon sterben? Und wer sollte etwas gegen Wachstum haben, mit dessen Erträgnissen man die Schulden zurückzahlen kann? Nur die Grünen und Gruppen wie Attac habe lange gegen einen „Wachstumsfetischismus“ polemisiert – aber auch sie sind heute bis auf ein paar Veteranen des Clubs of Rome voll fürs Wachstum (schon deshalb, weil die Grünen ja nur noch eine Vorfeldorganisation der Sozialisten sind). Wachstum ist in der Tat dringend notwendig und richtig. Aber dennoch beinhaltet dieser Slogan einen fundamentalen Denkfehler – wenn nicht gleich mehrere.

Der entscheidende Unterschied zwischen der ökonomischen Rationalität und dem sich hinter der Fahne „Wachstum!“ sammelnden Milchmädchen-Populismus lautet ganz anders als der eingangs erwähnte Slogan. Rund ums Wachstum geht es in Wahrheit einzig um die Frage: Wachstum durch neue Schulden oder Wachstum durch größere Wettbewerbsfähigkeit?

Wenn man es noch brutaler auf den Punkt bringen will: Wachstum wie die letzten eineinhalb Jahrzehnte in Griechenland und Spanien oder Wachstum wie schon zweieinhalb Jahrzehnte lang in China und etlichen anderen asiatischen Ländern? Überall wurde gewachsen. Aber die Griechen und Spanier sind auf Schulden gewachsen (staatliche oder private), während die Asiaten gleichzeitig mit dem Wachstum den größten Devisen-Schatz der Menschheitsgeschichte angesammelt haben.

Wachstum nach griechischer Art

Der quer durch Europa klingende Ruf „Wieder Wachstum!“ meint aber leider eindeutig eine Prolongation des griechisch-spanischen Modells und seine Ausdehnung auf andere Länder. Was war das griechische Modell? Man hat die Löhne steil erhöht – seit Euro-Einführung um 30 Prozent mehr als in Deutschland; man hat das über rasch steigende Schulden finanziert (die man zum Teil verheimlicht hat); die Bürger haben im nationalen Konsens den Staat ausgeplündert; und Beamte wie Politiker haben im jeweiligen Eigeninteresse letztlich begeistert mitgemacht. Diese Politik des Konsum-Wachstums über Verschuldung war dank des Euro sehr lange auf billigem Wege möglich. Genau diese Niedrigzinsen haben ja auch die Spanier verführt. Sie haben quer durchs Land mit Hilfe günstiger Hypotheken in Immobilien investiert. Sie haben alle schönen Plätze ihre Landes zubetoniert, bis diese nicht mehr schön und nichts mehr wert waren.

Politiker haben die Entwicklung in diesen Ländern als Triumph des neokeynesianischen Deficit spending gelobt und vielerorts nachgemacht. Das ging so lange, bis die Geldgeber schockartig und zu spät draufgekommen sind, dass sie nur noch rasch schwindende Chancen haben, ihr Geld auch zurückzubekommen.

Jetzt stehen diese Länder vor dem doppelten Problem: Sie müssen eine gewaltige Schuldenlast zurückzahlen und zugleich die verlorene Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen. Denn parallel zum Wachstum des auf Schulden erkauften Wohlstands ist die Wettbewerbsfähigkeit jener Länder versulzt. Die Löhne waren zu hoch. Deshalb investierte niemand mehr in neue Arbeitsplätze. Und selbst der Tourismus litt in beiden einst sehr attraktiven Ländern, weil andere Mittelmeer-Destinationen billig blieben.

Die Hilfs-Billionen gingen in den Konsum

Es ist nun alles andere als eine triviale Aufgabe, in dieser Situation wieder für Wachstum zu sorgen. Die Milliarden, nein Billionen, mit denen die Hauptkrisenländer Europas von den – sich vergewaltigt fühlenden – Miteuropäern in den letzten zwei Jahren unterstützt worden sind, haben nur gereicht, um den unmittelbaren Kollaps zu verhindern. Sie haben aber zu keinen Investitionen geführt. Das Geld hat nur den Konsum halbwegs in Gang gehalten.

Und nichts anderes als auf Schulden finanzierte weitere Konsumausgaben bedeuten auch die ersten Maßnahmen, welche die neuen französischen Machthaber angekündigt haben. Die Schulstarthilfe wird um 25 Prozent erhöht. Die Franzosen werden wieder mit 60 Jahren in die Regelpension gehen können. Bestimmte Sparmodelle werden besser gefördert. Die von Sarkozy angekündigte Mehrwertsteuererhöhung wird rückgängig gemacht. Der Benzinpreis wird auf drei Monate eingefroren. Und so weiter.

Genau für solche populistische Verteilungsaktionen braucht die neue Hollande-Mannschaft angesichts der ohnedies total leeren Kassen viel Geld. Da Frankreich selber kaum mehr kreditfähig ist, will man sich dieses Geld mit Hilfe der Deutschen holen, indem man vorgibt, das Wachstum ankurbeln zu wollen. Und sollten sich die Deutschen wehren, hat man schon zwei Killer-Argumente bereit: Zum ersten muss sich Angela Merkel – zu Recht – vorhalten lassen, dass sie ja auch gegenüber Nicolas Sarkozy viel zu oft nachgegeben hat. Und zum zweiten glaubt man ringsum in Europa, dass man am Ende nur die Nazikeule herausholen muss, um die Deutschen wieder in die Knie zu zwingen. Denn die hat ja auch in den letzten 67 Jahren immer geholfen.

An dieser simplen Strategie ändert es auch nichts, dass diese Keule inhaltlich lächerlich ist, sind doch die letzten Nazis bestenfalls noch in Altersheimen anzutreffen oder halbdebile Fussballrowdies. Daran ändert es auch nichts, dass mit den Deutschen auch Niederländer, Finnen, Luxemburger oder Österreicher mithaften. Und daran ändert ebenso die Tatsache nichts mehr, dass mittlerweile auch die Kreditwürdigkeit von Deutschland & Co limitiert ist. Die großen chinesischen und arabischen Staatsfonds, die amerikanischen Pensionsfonds und zum Teil auch die russischen Mafia-Oligarchen ziehen ihr Geld immer stärker aus ganz Europa ab. Sie wollen es ja nicht verlieren, was in Europa zunehmend wahrscheinlich wird: sei es durch einen Staatsbankrott, sei es durch eine Euro-Inflation.

Wie aber kann dieser Kontinent doch wieder ins Wachsen kommen? Ist Europa unwiederbringlich zum Abstieg verurteilt, weil seine Politiker – siehe Hollande – Geld immer lieber zur Wählerbestechung verwenden statt zur Erhöhung der Kreditwürdigkeit des Landes?

Die Liste der wirklichen Notwendigkeiten

Nun gibt es durchaus Strategien, auch ohne neue Schulden wieder wettbewerbsfähig zu werden und zu wachsen. Das sind im Grund die asiatischen Erfolgsstrategien. Aber diese Strategien sind noch unpopulärer als der Sparkurs. Denn sie gelten als Bedrohung für viele der sozialen, ökologischen und kulturellen Errungenschaften, an die sich die Europäer so gewöhnt haben und die ihnen von den Politikern als dauerhaft verkauft worden sind. Die Strategien heißen:

Jeder Kenner der europäischen Mentalität wird zweifeln, dass eine solche Wachstumspolitik in Europa jemals mehrheitsfähig werden kann. Sie bekommt daher wohl dann erst dann eine Chance, wenn es Europa einschließlich der Deutschen (und Österreicher) noch viel schlechter geht als heute.

Viel wahrscheinlicher ist daher ein anderes Szenario: Europa wird in nächster Zeit noch viel intensiver Geld drucken als zuletzt. Was zwangsläufig eine heftige Inflation auslösen wird. Und dann kann man wohl nur noch beten, dass diese Megainflation nicht dieselben katastrophalen Folgen haben wird wie die letzte in der Zwischenkriegszeit. Denn dann heißt die Konsequenz: „Statt auf dem mühsamen Weg zu wachsen, haben wir uns zu Tode verschuldet.“ 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Explosion über Europa

06. Mai 2012 19:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt fliegt uns Europa wie ein explodierender Druckkochtopf um die Ohren. Die Franzosen wählten einen Präsidenten, der statt zu sparen neue Schulden machen will; die Griechen marschierten im Eilschritt zu Parteien, die mit noch viel radikaleren Tönen dasselbe wollen; und ähnliches ist vor ein paar Tagen in Rumänien passiert: Dort hat auch ohne Neuwahlen ein Regierungswechsel stattgefunden, nach dem nun rundum Gehaltserhöhungen und Steuersenkungen versprochen werden.

Für Sozialisten und ähnlich Denkende ist jetzt wohl das Schlaraffenland ausgebrochen. Alle anderen tun gut daran, ihre Ersparnisse in Sicherheit zu bringen, noch mehr als bisher ins Gold zu flüchten oder in brasilianische Anleihen. Aber auch wer keine Ersparnisse hat und nur die Grundrechnungsarten beherrscht, sollte sich vor dem Triumph des Verkauft-mein-letztes-Hemd-Sozialismus fürchten.

Theoretisch könnten sich die Bürger Deutschlands, der Niederlande, Finnlands, Luxemburgs oder Österreichs die kommenden Dinge gelassen und erste Reihe fußfrei anschauen. Denn unter normalen und logischen Umständen könnte man  jetzt geruhsam abwarten, wo denn die Franzosen, Griechen oder Rumänen noch Blöde finden wollen, die ihnen Geld borgen. Da das wenig wahrscheinlich ist, werden ihnen die sozialistischen Tagträume bald vergehen.

Jedoch leben wir in einem Europa, in dem nicht mehr die Grundrechnungsarten gelten. Deren Geltung ist – skurrilerweise vor allem auf Verlangen des nun geschlagenen Franzosen Nicolas Sarkozy – im Jahr 2010 aufgehoben worden. Damals ist Griechenland als erstes Land an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geraten. Und damals hat Europa grundfalsch reagiert, hat Griechen, Spaniern, Franzosen und vielen anderen eine völlig falsche Botschaft übermittelt.

Die Kausalitätskette der falschen Reaktion: Durch einen Bankrott Griechenlands hatte vielen Gläubigern – nicht zuletzt in Frankreich – ein gewaltiger Zahlungsausfall und damit die eigene Insolvenz gedroht. Was Sarkozy unbedingt verhindern wollte. Er setzt darauf die deutsche Bundeskanzlerin so lange unter Druck, bis diese nachgab und die deutschen Steuerzahler zwang, die griechischen Schulden zu übernehmen.

Dieses Modell hat sich inzwischen immer häufiger wiederholt. Immer mehr Länder sind an den Rand der Insolvenz gerutscht. Immer neue bilaterale und multilaterale Modelle wurden entwickelt und umgesetzt, die alle dasselbe bedeuteten: Die gerade noch kreditwürdigen Staaten Europas zahlten für die überschuldeten und übernahmen Haftungen für diese. Längst finden sich auch für die Anleihen der Bundesrepublik nur noch Käufer, weil die Europäischen Zentralbank wie verrückt neues Geld druckt, das dann zum Kauf der Anleihen benutzt wird.

Aber alles nutzte nichts: Merkels Parteifreund Sarkozy wurde abgewählt, die Griechen wählten in erschreckendem Ausmaß Links- und Rechtsradikale. In beiden Ländern ist das Motto der Sieger gleich: Sie denken nicht daran, zu sparen oder Schulden zurückzuzahlen. Sondern überall wird Deutschland beschimpft, wenn es nicht bis zum eigenen Konkurs ständig weitere Schulden für Frankreich, Griechenland & Co zu machen bereit ist.

Alles, was für Deutschland gilt, gilt auch für Österreich – nur ist hier zum Unterschied von Deutschland nicht einmal eine seriöse Debatte über den Sinn der unfinanzierbaren Rettungsschirme geführt worden. Sondern Österreich hat einfach das nachgeplappert, auf was sich die deutsche Politik geeinigt hat.

Mit dem Sieg des schuldenbegeisterten Hollande in Frankreich und mit der totalen Unregierbarkeit, die jetzt in Griechenland ausgebrochen ist, dürfte es jetzt eigentlich nur eine Alternative geben: Entweder die noch nicht insolventen Länder steigen individuell oder kollektiv aus dem Euro aus. Oder sie stoppen zumindest jede weitere Geldhilfe für die Krisenländer, was sich insbesondere auch auf die unmittelbar drohende Ratifizierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM beziehen müsste. Was wiederum zu einem Austritt mehrerer Krisenländer aus dem Euro führen müsste.

Das ergäbe zwar zweifellos kurzfristig gewaltige Turbulenzen, wäre aber langfristig der einzige Weg zur Heilung. Denn solange es in Europa Politiker und Parteien wie die griechischen Chaosparteien oder Monsieur Hollande gibt, die den Wählern das Blaue vom Himmel versprechen, solange werden sie gewählt. Und daher ist jeder rationale Weg zu einer Beendigung der Schuldenkrise verbaut.

Freilich: Wer mag jetzt noch glauben, dass sich die Deutschen, die so oft knieweich nachgegeben haben, noch Fünf vor Zwölf aus diesem untergehenden Schiff auszusteigen zu trauen? Dazu bräuchte es mutige Staatsmänner. Und die gibt es weit und breit nicht.

PS.: In Frankreich gibt es noch einen Restfunken Hoffnung, dass Hollande nach Amtsantritt das Gegenteil dessen tut, was er angekündigt hat. So hat ja auch der deutsche Sozialdemokrat Schröder am Ende seiner Amtszeit plötzlich das Richtige getan, nämlich Kurs auf eine liberale Austeritätspolitik zu nehmen. Was ihn zwar den Wahlsieg kostete, aber die Grundlage für die nunmehrige Blüte Deutschlands legte. In Griechenland darf man diese Hoffnung nicht mehr hegen. Obwohl dort die Dinge noch viel skandalöser stehen: Erst in der Vorwoche wurde bekannt, dass 200.000 Pensionen und ähnliches gestrichen wurden, weil sie betrügerisch erschwindelt worden waren – etwa zugunsten von längst Verstorbenen. Offenbar wird man jetzt sogar schon dafür bestraft, wenn man Betrügern das Handwerk legt . . .

 

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Wie man den ORF wirklich unabhängig machen könnte

06. Mai 2012 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der katastrophale Zustand des ORF hat die Regierung wieder einmal zu einem Anlauf motiviert, das ORF-Gesetz zu reformieren. Freilich: Nichts von dem, was sie da bisher vorhat, ist irgendwie geeignet, Unabhängigkeit, Pluralismus und Sparsamkeit im ORF zu fördern. Ich habe deswegen mit einer Gruppe von Experten sieben Punkte für eine rechtliche Regelung zusammengestellt, die eine weit bessere Garantie dafür bieten würde als alle politischen Pläne.

Natürlich ist uns klar, dass diese Punkte angesichts der vielen involvierten Interessen keine unmittelbare Realisierungs-Chance haben. Aber sie sollen demonstrieren, was möglich wäre, ohne gleich die Idee öffentlich-rechtlichen Rundfunks ganz zu Grabe zu tragen.

Die Regierung plant ja, den ORF von einer Stiftung in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Wird dadurch irgend etwas besser? Der renommierte Medienrechtsexperte Gottfried Korn zeigte sich dieser Tage amüsiert: „Was soll das bringen? Der ORF hatte doch schon alle möglichen Rechtsformen gehabt und war nie unabhängig – mit Ausnahme der Periode zwischen 1967 und 1973.“

Die Rechtsform allein ist also irrelevant. Auch die Größe des Aufsichtsrates/Stiftungsrates ist nicht sehr wichtig – bis auf einen Aspekt: Bei einer drastischen Verkleinerung wäre es nicht mehr möglich, dass jedes Bundesland einen Vertreter entsenden kann. Das könnte vielleicht ein wenig beitragen, die lähmende Hofberichterstattung über Landeshauptleute (und Wiener Bürgermeister) zu reduzieren.

Zugleich ist aber der Versuch, die Länder zu entmachten, fast eine Garantie, dass die Reformpläne nie Wirklichkeit werden. Bevor man auch nur versucht hätte, die wirklich zentralen Probleme zu diskutieren. Wie aber stellt man Unabhängigkeit, Pluralismus und Sparsamkeit in einem Unternehmen sicher, dass dem Staat gehört?

Viele meinen ja mit gutem Grund, dass das überhaupt nicht möglich sei. Die Entwicklung der ORF-Redaktion zu einem Rätefernsehen bestätigt diese Befürchtung. Redaktionsräte treten zunehmend so auf, als ob ihnen Fernsehen und Radio gehören würden. Die im Eiltempo den ORF fliehenden Seher und Hörer sind in dieser Rätediktatur hingegen völlig gleichgültig. Es ist bezeichnend, dass heute Servus-TV jener Sender ist, der die weitaus größte und beste öffentlich-rechtliche Qualität in diesem Land hat. Auch eine neue market-Umfrage zeigt, dass die Österreicher den privaten Radio- und Fernsehsendern eine unabhängigere Berichterstattung zubilligen als dem ORF.

Bei der gleichen Umfrage haben nicht weniger als 76 Prozent von „parteipolitisch motivierten Personalentscheidungen“ im ORF gesprochen, während nur 7 Prozent solche nicht sehen wollen. Und 64 Prozent sehen eine daraus erfolgende Beeinflussung der unabhängigen Berichterstattung des ORF (und wieder sind es bloß 7 Prozent, die das nicht so sehen). Klarer kann man das bisherige Scheitern der ORF-Politik gar nicht mehr dokumentiert bekommen.

Daher hat das amerikanische Modell viel für sich, in dem es überhaupt kein Fernsehen oder Radio mit Pflichtgebühren gibt. Dennoch sei mit dieser Feststellung nicht die Diskussion beendet. Denn in der österreichischen Realität hat dieser amerikanische Weg noch auf viele Jahre keine Realisierungschancen.

Um noch bei ausländischen Modellen zu bleiben: Das italienische Modell, dem auch das deutsche ähnelt, fördert zwar nicht Sparsamkeit oder Unabhängigkeit, aber wenigstens den Pluralismus: Dort hat man sich die Kanäle nach ideologischen Schwerpunkten aufgeteilt. Damit wäre wenigstens sichergestellt, dass auch christdemokratisch/rechtspopulistisch/neoliberal/konservativ denkende Menschen wieder fernsehen und radiohören könnten, ohne tägliche Tobsuchtsanfälle zu bekommen.

Nur in die Kategorie Faschingsscherze sind jene Modelle einzuordnen, die dem Bundespräsidenten die Schlüsselrolle bei der Bestellung der wichtigsten ORF-Funktionen einräumen wollen. Dass dadurch weder Qualität noch Pluralismus noch Sparsamkeit hergestellt werden, scheint wohl keiner langen Beweisführung zu bedürfen.

Ideal wäre das britische Modell, in dem Pluralismus und Toleranz herrschen, in dem in jede ideologische Richtung kritisch – aber fair – berichtet und gefragt wird. Nur: Kann man Mitteleuropäern diese tief verwurzelte englische Fairness anders als durch Gehirntransplantation einpflanzen?

Bei allem Zweifel, ob dies möglich sei, könnten Rahmenbedingungen zumindest eine Annäherung sicherstellen. Diese sei mit folgendem Modell versucht, das die erwähnte Gruppe aus Juristen und Journalisten erarbeitet hat (an der auch ORF-Angestellte mitgewirkt haben, weshalb die Mitglieder naturgemäß ungenannt bleiben müssen). Natürlich kann und muss da noch in vielen Details gefeilt werden. Es muss auch die EU-rechtliche Kompatibilität abgesichert werden. Aber dieses Modell scheint jedenfalls besser als jedes andere bisher diskutierte unter österreichischen Rahmenbedingungen Qualität, Unabhängigkeit, Ausgewogenheit und Sparsamkeit zu sichern.

Sieben Punkte für Pluralismus, Qualität, Sparsamkeit

1. Die Gebühren fließen nicht mehr dem ORF direkt zu. Sie werden von einer Kommission in monatlichen Bewertungen auf alle in Österreich produzierenden Sender aufgeteilt. Bei dieser Aufteilung stehen folgende Gesichtspunkte der Bewertung im Vordergrund:

In diese Kommission können nur Mitglieder mit mindestens drei Jahrzehnten Berufserfahrung im Journalismus oder einem verwandten Beruf entsandt werden. Sie dürfen in keinerlei rechtlicher oder berufsmäßiger Beziehung zu einem mit Gebührengeldern bedachten Sender stehen. Das trifft auch auf ihren Arbeitgeber zu.

Die Kommission publiziert die regelmäßig weiterzuentwickelnden und zu präzisierenden Maßstäbe ihrer Bewertung.

2. Für Mitglieder in Hauptversammlung, Kommission oder Aufsichtsrat gelten folgende Unvereinbarkeiten:

Erläuterung: Damit wird endlich jede Möglichkeit genommen, dass sich die ORF-Führung die Zustimmung in Gremien kauft, wie dies seit Jahrzehnten üblich war: Sei es durch ständige Auftritte, sei es durch berufliche Karrieren von Stiftungsräten. Ebenso schafft das absolute Wiederbestellungsverbot eine größere Unabhängigkeit als alle bisherigen Regelungen. Denn die Angst, nicht wiederbestellt zu werden, schafft besonders starke Abhängigkeiten.

3. Die Mitglieder der Hauptversammlung amtieren zum Unterschied von jenen in Kommission und Aufsichtsrat ehrenamtlich. Sie haben im Hauptberuf eine richterliche Funktion (beziehungsweise die eines pensionierten Richters). Ihre einzige Aufgabe besteht in der Wahl von Kommission und Aufsichtsrat, für die öffentliche Ausschreibungen stattzufinden haben.

Sie werden auf folgende Weise nominiert:

Erläuterung: Der verpflichtende richterliche Hintergrund bietet unter allen Berufen die weitaus größte Chance auf Unabhängigkeit.

4. Der Aufsichtsrat des ORF besteht aus neun Personen. Für ihn gelten die gleichen Regeln wie für jeden Aufsichtsrat: Honorierung, persönliche Haftung, Wahl des ORF-Vorstandes, Mitwirkung bei wichtigen Entscheidungen, usw.

Erläuterung: Der Aufsichtsrat kann und muss sich in dieser Konstruktion ganz auf die Wirtschaftlichkeit des ORF konzentrieren.

5. Der ORF kann wie ein ganz normales Wirtschaftsunternehmen agieren. Er bekommt aus öffentlichen Mitteln (also Gebühren) nach den gleichen Regeln Geld wie jeder andere Radio- oder Fernsehsender. Damit fallen sämtliche derzeit den ORF einseitig belastenden Auflagen weg, aber eben auch das weiche Bett der Gebühren.

Damit ist erstmals die Sparsamkeit garantiert. Damit steht der Sender aber auch unter Druck, ausgewogen und unabhängig zu agieren. Sonst würde er keine oder deutlich weniger Gebühren bekommen.

6. Jeder Sender, der Gebührengelder erhalten will, muss auch außerhalb der geförderten Sendungen folgende Regeln beachten:

7. Gegen die Förderung bzw. Nicht-Förderung von Programmen können 20 GIS-Zahler schriftlich Beschwerde einlegen. Die Kommission hat auf jede Beschwere in einer öffentlichen Internet-Seite zu antworten. Rechtszug ist keiner möglich (was natürlich Strafanzeigen und Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof nicht ausschließt).

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Keine Kinder mehr oder: Wie die Wissenschaft das zentrale Zukunftsthema ignoriert

01. Mai 2012 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bernhard Felderer, der große alte Mann der österreichischen Ökonomie, hat sich an ein Thema herangewagt, das Ökonomen sonst gerne meiden. Sie tun dies wahrscheinlich aus politischer Korrektheit, also Feigheit. Felderer hat hingegen erstmals den dramatischen Kindermangel als fundamentales ökonomisches Problem Europas definiert. Für den Mut, dies einmal ganz offen anzusprechen, gebührt ihm jedenfalls eine dicke Gratulation.

Bisher ist der in den späten 60er Jahren passierte und seither anhaltende steile Absturz der Reproduktionsrate immer nur als kulturelles, religiöses oder nationales Problem angesehen worden. Was er natürlich auch ist. Die Reproduktionsrate, also die Zahl von Kindern pro Frau, sank damals binnen kürzester Frist in den meisten europäischen Ländern von über 2 auf unter 1,4. Auslöser dieser historischen Wende waren sowohl gesellschaftliche Umbrüche wie auch medizinische Entwicklungen (Antibaby-Pille).

Um nur einen dieser kulturellen Aspekte zu nennen, der vielen Menschen Sorgen macht: Am Ende dieses Jahrhunderts werden von den in Österreich lebenden Menschen nur noch weniger als 20 Prozent Nachfahren der Einwohner des Jahres 1970 sein. Der Rest werden Zuwanderer und deren Kinder sein. Welche Folgen das für die kulturelle Identität, für Wirtschaft und Gesellschaft haben wird, ist viel schwerer vorherzusagen.

Tatsache ist jedenfalls, dass in der Geschichte bisher immer solche großen ethnischen Verschiebungen auch gewaltige zivilisatorische Veränderungen auf allen anderen Gebieten nach sich gezogen haben. Für Österreich bedeuten sie schon einmal rein quantitativ die größte Identitätsveränderung seiner Bevölkerung seit der Völkerwanderung am Ende des Römischen Reiches. Die damalige Veränderung hatte auf Jahrhunderte einen Absturz in die Geschichtslosigkeit und Gesetzlosigkeit ausgelöst. Was die nunmehrige bedeuten wird, ist vorerst natürlich viel schwerer zu prognostizieren.

Wachstum durch mehr arbeitende Frauen

Die Ökonomen haben diesen gesamten Prozess bisher immer ignoriert. Diese Fragen klangen ihnen wohl zu sehr ideologisch, sie erforderten auch einen in der Ökonomie unüblichen langfristigen Denkansatz. Dort war man eher salopp der Meinung: „In the long run we are all dead.“

Statt die quantitativen wie qualitativen Folgen des Geburtenrückganges zu beachten, hatten sich daher in den letzten Jahrzehnten Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaften gleichsam in die Gegenrichtung bewegt: Sie betrieben eine Steigerung des Wirtschaftswachstums auf Kosten der Kinderzahl. Dieses Wachstum konnte kurzfristig durch eine gewachsene Frauenerwerbsquote weit über den Zuwachs durch den technischen Fortschritt hinaus gesteigert werden. Industrie und Gewerbe fanden in den Frauen hochqualifizierte, hochmotivierte und unproblematische Arbeitskräfte. Die Frauen wurden insbesondere in allen jenen Branchen wichtig, in denen körperliche Kraft an Bedeutung für die Arbeitsleistung verlor.

Zugleich hat eine geänderte Sinnhierarchie jungen Frauen primär in beruflichen Karrieren den neuen Sinn ihres Lebens vermittelt. Das kam den Interessen der Unternehmen voll entgegen. In früheren Generationen hatten Frauen hingegen immer ein geglücktes Familienleben als dominierendes Ideal.

Der kurzfristige Vorteil wird langfristig zum Nachteil

Nun aber wird zunehmend klar, dass das Ausbleiben von einem Drittel der für den Bevölkerungserhalt notwendigen Kinder zwar kurzfristig ein ökonomischer Vorteil war, langfristig aber zum ökonomischen Debakel wird, wie Felderers Analyse warnt. Er diagnostiziert eine strukturelle (also nicht bloß zufällige oder konjunkturell bedingte) Wachstumsschwäche Westeuropas. Und als Ursache sieht er zwei Grundübel, an denen der Kontinent im Vergleich zu den USA und vor allem Asien leidet. Der erste sind zu starke Staatseingriffe und zu hohe Steuern; dadurch werden Kapital und damit wieder Investitionen zunehmend zum Abwandern aus Europa bewegt.

Das zweite Großproblem ist in Felderers Grundsatzanalyse jedoch der wachsende Kindermangel: „Die Gefahr besteht, dass schon ein sinkendes Bevölkerungswachstum zu einem rückläufigen Produktivitätswachstum führt.“ Lediglich Frankreich und Dänemark hätten eine über 2 Kindern pro Frau liegende Reproduktionsrate. Das fordere diesen Ländern aber „großen Ressourceneinsatz“ ab, so Felderer.

Durch die bessere Ausbildung der Frauen und ihre inzwischen hohe Berufstätigkeit sind die Opportunitätskosten des Kinderhabens dramatisch angestiegen. Damit sind alle finanziellen Verluste für jene Zeit gemeint, in dem sich eine Frau den Kindern statt einem Job widmet. Sie verdient in dieser Zeit nichts, und zugleich werfen die gesellschaftlichen Investitionen in ihre Ausbildung keine Rendite ab – zumindest kurzfristig. Denn langfristig haben gebildete Frauen auch selbst wieder viel besser gebildete Kinder.

Das ist Faktum, unabhängig von der Frage, wieweit Intelligenz mit all ihren Konsequenzen nur eine Erziehungsfolge ist oder genetisch vererbt wird. Letzteres bestätigen zwar alle Forscher aus dem Feld der Genetik (der renommierte deutsche Wissenschafts-Journalist Dieter Zimmer hat in „Ist Intelligenz erblich?“ die vielen Beweise dafür in überzeugender wie verständlicher Form zusammengetragen). Das wird aber in einem Teil der ideologisch denkenden Politikszene noch verdrängt.

Wachsende Opportunitätskosten des Kinderhabens

Dieser Zusammenhang macht es zur absoluten Zukunftskatastrophe, dass von den Akademikerinnen derzeit fast nur noch jede zweite überhaupt zumindest ein einziges Kind bekommt. Damit wird nämlich das Kinderkriegen zunehmend zur Aufgabe, ja fast zum Reservat armer, wenig gebildeter Schichten. Was eine doppelte Schieflage bedeutet, haben doch in diesen Schichten viele zunehmend einen Migrationshintergrund.

Noch einmal sei Felderer zu dem erwähnten Anstieg der Opportunitätskosten des Kinderhabens zitiert: „Niemand hat darüber nachgedacht, wie wir das kompensieren können.“ Es gehe ihm bei dieser Sorge nicht um eine nationalistisch motivierte Politik des Natalismus (=des Geburtenförderns), sondern um ein ökonomisches Problem. Denn: „Dieses System kann auf längere Sicht nicht weiterfunktionieren.“

Mit dieser fundamentalen und vielerorts lange verdrängten Erkenntnis ist das Problem zwar noch nicht gelöst. Aber jedes Problem kann einer Lösung überhaupt nur näher kommen, wenn man es zuerst zumindest erkannt und definiert hat.

Wie explosiv es angesichts der gesellschaftlichen Debatte ist, zeigt eine andere Studie der Akademie der Wissenschaften: Dieser zufolge hat sich die Gebärfreudigkeit gar nicht so substantiell verändert: Nicht berufstätige Frauen haben weiterhin viele Kinder, und berufstätige Frauen haben auch schon in früheren Generationen wenige gehabt. Nur hat sich etwas anderes verändert: Der Anteil der berufstätigen Frauen hat sich vervielfacht.

Die Wissenschaft drückt sich um die wichtigsten Fragen

Die Herausforderung ist daher eine gigantische: Wollen die Europäer nicht binnen weniger Generationen aussterben, so müsste es gelingen, den berufstätigen und insbesondere den akademisch gebildeten Frauen wieder in großem Umfang Lust am Kinderkriegen zu vermitteln.

Gelingt das mit noch mehr direkt ausgeschüttetem Beihilfengeld? Oder fördert man damit nicht erst recht eine Arbeitsteilung zwischen Oberschichtfamilien (wo gut ausgebildete Frauen immer noch im Beruf mehr verdienen, als jede Förderung ausmachen kann) und Unterschichtfamilien (wo die Kinderproduktion zum guten Geschäft wird, ohne Rücksicht auf das Wie der Kindererziehung)? Sind staatlich geförderte Tagesmütter das richtige Modell (wie zumindest das Beispiel Frankreich indiziert)? Sind es massenweise ausgebaute Kindergärten auch schon für Ein- bis Dreijährige? Und wieweit ist die Doppelbelastung – Beruf und Kinder – nicht eine arge gesellschaftliche Zumutung für die Frauen?

Aber bevor man eine Antwort auf diese Fragen geben könnte, bräuchten wir jede Menge harter Fakten über den Erfolg der verschiedenen Wege zum Erwachsenwerden. Wie werden Kinder überhaupt besser fürs Leben gewappnet, stabiler, weniger kriminell, weniger drogenanfällig, erfolgreicher in ihrem Bildungsweg und  nachher in ihrem eigenen Erwachsenenleben? Durch Kindergärten und Ganztagsschulen oder durch viel Zeit eines Elternteils? Gibt es diesbezüglich vielleicht signifikante Unterschiede zwischen Unter- und Mittelschichtkindern? Könnte der Bildungserfolg nicht bei Migrantenkindern ohne Bildungshintergrund von ganz anderen Faktoren abhängig sein? Könnte es nicht sein, dass bei ihnen ein sehr früher Einstieg in den Kindergarten zu besseren langfristigen Erfolgen führt, während bei Mittelschichtkindern sich die Zeit der Mutter positiver auswirkt?

Ich habe hier zwar persönliche Antworten auf Grund meiner vielfältigen Beobachtungen. Aber ich vermisse intensive wissenschaftliche Studien zu all diesen Fragen, obwohl das für Gesellschaft wie Eltern überhaupt die wichtigsten Zukunftsfragen sind. Warum aber gibt es diese Studien nicht in ausreichender Dichte? Werden da vielleicht vom Zeitgeist unerwünschte (also politisch inkorrekte) Fakten zurückgehalten und verschwiegen?

Die beweisfreie Anordnung der EU, dass mindestens jedes dritte Kind unter drei Jahren ganztägig in einen Kindergarten muss, ist jedenfalls als Antwort zuwenig. Nicht nur deshalb, weil sich zunehmend autoritäre Einheitsbeschlüsse der EU als extrem problematisch erweisen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Schnupfentherapien gegen den Krebs der Korruption

28. April 2012 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist geradezu lächerlich: Medien und Politiker diskutieren seit Wochen, ob Parteispenden ab Null, aber Fünfhundert oder ab Siebentausend Euro offengelegt werden müssen. Auch alle möglichen wirklichen oder selbsternannten Korruptionsjäger konzentrieren sich auf diese Frage. Begreifen sie nicht, dass die wirkliche und viel schlimmere Korruption neuen Typs längst außerhalb jeder Parteikasse stattfindet? Dass da insbesondere von seiten der SPÖ ein geniales Ablenkungsmanöver stattfindet? Sind die Antikorruptionsjäger wirklich so dumm? Wollen sie sich nicht die Finger verbrennen? Oder decken sie gar bewusst ein übles System?

Bei dieser Korruption neuen Typs ist die Höhe der Deklarierungspflicht für Parteispenden völlig gleichgültig. Es geht auch nicht um die Neben- (Haupt-) Beschäftigungen von Politikern. Es geht auch nicht darum, ob die parallelen Regelungen für die Landespolitik durch ein Bundes- oder Landesgesetz erlassen werden, worüber sich SPÖ und ÖVP weiterhin heftig streiten. Es ist durchaus richtig und positiv, dass all diese Fragen nun genau geregelt werden sollen. Aber hier reden wir von Schnupfentherapien, während Korruption ein wirkliches Krebsübel ist.

Bei der Korruption neuen Typs brauchen die Parteien nämlich gar keine Spende entgegenzunehmen. Weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Weder auf dem Weg von Haupt- noch von Nebeneinkünften. Die Parteien machen es heute viel raffinierter: Sie lassen ihre Propagandaarbeit einfach durch andere erledigen.

Schauen wir nach Amerika. Auch dort hat es eine ähnlich wie in Österreich heftig diskutierte Verschärfung der Parteispendengesetze gegeben. Ergebnis: Dort machen jetzt unabhängige Aktionskomitees (political action committee = PAC) einen Großteil der Propagandaarbeit für die Parteien. An solche freien Vereine, die keinen nachweisbaren Zusammenhang mit einer Partei haben, kann man spenden, so viel man will. Ohne dass man sich um die strengen Parteifinanzierungsregeln (Limits wie Offenlegungspflichten) kümmern müsste.

Seither machen halt diese PACs mit viel Geld viel Fernsehwerbung. Sie attackieren den einen Kandidaten untergriffig und loben den anderen in den Himmel. Die PACs können dabei sogar viel brutaler sein als eine Partei oder ein Kandidat. Diese müssen sich ja immer sorgen, dass allzu aggressive Töne auf den Absender zurückschlagen.

Noch übler ist das vor allem von Werner Faymann ausgebaute Korruptionssystem in Österreich: In diesem System lässt man überhaupt gleich die Steuer- und Gebührenzahler das Geschäft der Parteipolitiker erledigen. Sie müssen ungefragt beispielsweise Energieversorger oder dubiose Verleger finanzieren, die dann ohne nachweisbaren Zusammenhang mit einer Partei für diese die Propagandaarbeit machen.

Da fließt kein Groschen durch die Partei. Dabei ist das Geld viel schmutziger, denn es stammt eben nicht von einem freiwilligen Spender, sondern zu einem hohen Anteil von einem nie gefragten Dritten, dem Steuer- oder Gebührenzahler. Dem wird – zum Unterschied von der offiziellen Parteifinanzierung – sogar verschwiegen, dass er auch hier mit seinem Geld eine Partei finanziert. Oder es stammt von Lieferanten der öffentlichen Hand, die unter Druck gesetzt wurden, in bestimmten Medienprodukten zu inserieren, die dann wieder die Propaganda für einen Politiker erledigen.

Um ein Beispiel von vielen zu nennen: Auf den Abrechnungen von Wien-Energie steht nicht, dass die rathaus-(=partei-)eigene Firma im Auftrag der Partei (=Rathaus) in sympathisierenden Medien zu inserieren hat. Dort steht auch nicht, dass Wien-Energie mit viel Geld als Hauptsponsor einem abgehalfteren SPÖ-Finanzminister hilft, Präsident eines bekannten Fußballvereins zu sein und bleiben. Dessen Trainer dann ganz zufällig regelmäßig SPÖ-Sympathieerklärungen abgeben. Statt mit den Preisen wettbewerbsfähig zu werden, holt die Wien-Energie halt von den Kunden das politische Spielgeld für die Partei. Daran ändert sich durch sämtliche neuen Gesetze nichts. Aber auch die Vorschläge der angeblichen Antikorruptions-Initiativen ignorieren diese Hauptform der Korruption völlig.

Ähnlich werden SPÖ-eigenen oder -nahen Verlagen wie Echo oder Bohmann Aufträge aus öffentlichen Mitteln zugeschanzt, die bei einer Ausschreibung auf dem Markt mit Sicherheit für den Steuerzahler viel billiger gekommen wären.

Während der Fußball-EM wiederum wurde das Burgtheater wochenlang gesperrt und von einem SPÖ-nahen Theater-Management an den der SPÖ gehörenden Echo-Verlag vermietet. Dieser wieder vermietet das Haus dann deutlich teurer an die Telekom für Marketingveranstaltungen weiter. Womit der SPÖ-Verlag als Zwischenträger ohne jedes Risiko viel Geld verdiente. Keinen Staatsanwalt hat das bisher offenbar gestört, obwohl es da um weit mehr Geld als um 10.000 Euro gegangen ist. Die SPÖ ist als Echo-Eigentümerin der große finanzielle Profiteur. Parteispenden muss sie aber keine verbuchen. Und sie wird sich auch hüten, vom Echo-Verlag allzu viel Geld abzukassieren. Statt dessen machen solche Verlage dann direkt parteipolitisch nützlich Arbeit.

Weiteres Themenfeld: Die Inserate, die ÖBB und Asfinag unter Druck des Verkehrsministers Faymann in SPÖ-freundlichen Boulevard-Medien schalten mussten, damit diese Faymann und seine Machtaspirationen unterstützen, sind an dieser Stelle schon erläutert worden. Ein ähnliches Spiel lief aber auch schon vorher in Faymanns Wiener Zeit. Damals waren es halt die Wohnbauträger, die kräftig die Ziele des kleinen, aber ehrgeizigen Mannes finanzieren mussten. Eine Spielfläche dafür waren etwa die zahllosen Werbeseiten in Boulevardblättern über die hässlichen Gasometer-Wohnungen – mit vielen Faymann-Photos.

Hunderte solcher Finanzierungsschienen zugunsten parteipolitischer Zwecke laufen in diesem Land, wo das Geld nie über die Parteikasse läuft. Nutznießer ist vor allem (aber keineswegs ausschließlich) die SPÖ, die ja im Gegensatz zu den anderen Parteien auch ideologisch das parteipolitisch nutzbare Firmengeflecht der öffentlichen Hand für unantastbar erklärt, die zum Unterschied von den anderen selbst ein Firmenimperium betreibt.

Dennoch wollen uns auch bürgerliche Korruptionsbekämpfer jetzt einreden, dass das Offenlegen von Parteispenden das zentrale Thema im Kampf gegen die Korruption wäre. Oder die Einladung eines bekannten Beamten zu einem Opernabend.

Ob all die Antikorruptionsjäger, all die leitartikelnden Journalisten zu blöd oder zu bestochen sind, um das wahre Thema zumindest deutlich anzusprechen, kann ich leider nicht definitiv beantworten. Alles ist möglich.

Sicher aber ist, dass kleinlicher Neid, Provinzialismus und Haxlbeißerei jedenfalls eine Rolle spielen: Denn statt die echte Korruption bloßzustellen, wird insbesondere durch Boulevard-Medien ständig auf völlig unbedeutende Rand- und Neid-Themen abgelenkt. Diese dramatisieren halt statt der echten Skandale beispielsweise das Thema Diplomatenpässe. Dabei schadet es niemandem und es kostet weder Republik noch Steuerzahler noch sonst jemanden einen Cent, wenn ein Abgeordneter oder der Ehepartner eines Ministers halt auch einen Diplomatenpass hat (Nur um manchen Postern die Stichelei zu ersparen: Ich selbst habe nie einen Dienst- oder gar Diplomatenpass gehabt).

Ergebnis all dessen: Die wirklichen Gaunereien finden weiterhin ungestört im Hintergrund dieser Nebelgranaten um Diplomatenpässe oder Dienstautos statt. Letztere sind in Wahrheit sogar für Minister so billig wie für niemand anderen, weil Autofirmen darin einen Prestige- und Werbewert sehen.

PS.: Ernsthafte Menschen werden nun einwenden, dass die Faymann-Korruptionsvariante schwierig zu bekämpfen sei. Was nicht richtig ist. Selbstverständlich gibt es dagegen wirksame Strategien. In Schlagworten:

  1. Privatisierung sämtlicher (auch kommunaler!) Unternehmen, wo dann kein Politiker mehr die Kassen zu eigenen Zwecken nutzen kann.
  2. Ausschreibepflicht auch für kleinere Aufträge, da kann dann nichts mehr zu überhöhten Preisen vergeben werden.
  3. Ausschreibepflicht auch für Inserate und Druckkostenbeiträge.
  4. Volle Transparenz jedes öffentlichen Geldflusses nach schwedischem Vorbild, einschließlich der öffentlich-rechtlichen Institutionen wie der Kammern.
  5. Ausschreibungspflicht auch für jede staatliche Subvention.

PPS.: Obwohl diese Korruptionsvariante eindeutig öfter von der SPÖ als allen anderen Parteien praktiziert wird, liegt diese angebliche Kleine-Leute-Partei erstaunlicherweise auch bei den in den letzten Jahren (anonymisiert an den Rechnungshof) gemeldeten Großspenden weit an der Spitze.

PPPS.: Absolut unerträglich ist, dass das Landwirtschaftsministerium jenseits der gesetzlichen Parteienfinanzierung zusätzlich den ÖVP-Bauernbund alljährlich mit Millionen subventioniert, und in geringerer Dimension auch die SPÖ-Bauern. Begründung: Halt weil sie die Interessen der Bauern vertreten. Das ist genauso übel wie die Millionen, die die Gemeinde Wien alljährlich linken Vereinen zuschiebt, die propagandistisch die Schmutzarbeit für Rotgrün machen.

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AUA, ÖBB, ORF: Tag der Freude, Tag des Zorns

26. April 2012 18:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Plötzlich geht so manches, was jahrelang nicht gegangen ist. Plötzlich ist bei der AUA möglich, was jahrzehntelang nicht möglich war. Plötzlich wird doch der Semmering-Tunnel gebaut, der jahrzehntelang als Verbrechen gegolten hat. Plötzlich scheinen sich sogar rund um die ÖBB die Koalitionsparteien wieder versöhnt zu haben. Und auch rund um den ORF gehen die zwei Parteien plötzlich Hand in Hand. Was aber sollen wir davon halten?

Über den Konsens bei der AUA können wir uns jedenfalls freuen – auch wenn er viel zu spät gekommen ist. Denn die Fluglinie ist längst eine Schrumpflinie geworden, der Traum vom großen mittelosteuropäischen Netzwerk ist nur noch in den Archiven zu finden.

Was bei aller Freude auch sehr ernüchternd ist: Betriebsrat und Gewerkschaft haben bei der Verteidigung der dortigen Luxusgehälter erst nachgegeben, als ihnen endlich ein beinhartes Management gegenübergesessen ist. Ein Management ohne furchtsame Weicheier und ohne opportunistische staatliche Eigentümer im Hintergrund. Das besonders Schmerzhafte daran ist, dass offenbar erst Deutsche das geschafft haben, woran zuvor viele Österreicher (und ein Däne) gescheitert sind. Das gibt der österreichischen Selbstachtung doch einen ziemlichen Stich. Das wird auch im Ausland vielen negativen Vorurteilen über die Ösis neue Nahrung geben.

Die Lehre daraus ist aber jedenfalls klar: Auch die restlichen Staatsbetriebe sollten möglichst rasch privatisiert werden, vom Strom bis zum Flughafen, vom Gas bis zur Müllabfuhr, von der Bahn bis zu den Spitälern. Solange der Staat (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen) irgendwo drinnen ist, diktiert die Gewerkschaft. Und dann zahlen in allen Fällen die Kunden und/oder Steuerzahler drauf – was sich der Standort Österreich nicht mehr leisten kann. Denn wenn in Österreich alles teurer ist als im Ausland, wie gerade eine aktuelle Studie neuerlich zeigt, dann wird in Österreich niemand mehr investieren.

Die AUA-Einigung selbst dürfte nun kaum mehr an den noch fehlenden Abstimmungen der Belegschaft scheitern. Und diese sollte sich dringend wieder um die schwer vernachlässigten Kunden statt die eigenen Befindlichkeiten kümmern.

Ebenso erfreulich ist, dass jetzt der Semmering-Tunnel endlich gebaut wird. Auch hier ist vor allem ein „Viel zu spät“ zu monieren. Das hat in diesem Fall nicht die Gewerkschaft, sondern einzig der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll zu verantworten. Dieser hatte mehrere Wahlkämpfe mit dem Kampf gegen den Tunnel und mit dem skurrilen Argument bestritten: „Wenn man ein Loch in den Berg bohrt, dann rinnt das Wasser aus diesem Berg heraus.“ (als ob sich der schon vor langem gebohrte Semmering-Straßentunnel zu einer Wasserleitung verwandelt hätte).

Was auch immer den – übrigens schon während der schwarz-orangen Regierung eingeleiteten – Stimmungsumschwung des machtbewussten Niederösterreichers bewirkt hat: Sein langes Njet kommt die Österreicher jedenfalls sehr teuer. Nicht nur auf Grund der Bau-Inflation hat die Verzögerung die Sache teurer gemacht. Das haben auch die diversen Umplanungen bewirkt. Ist doch inzwischen das Projekt viel aufwendiger geworden: mit einem viel längeren Tunnel und zwei Röhren statt einer doppelgleisigen.

Die Verzögerung hat natürlich auch den Krisengebieten im Süden Österreichs geschadet, die bis heute keine schnelle Bahnanbindung Richtung Wien haben. Zugleich haben sich inzwischen neue Verkehrsachsen an Österreichs Grenzen vorbei entwickelt, die nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind. Für all das: Danke, lieber Erwin.

Der dritte Durchbruch nach langer Blockade betrifft die ÖBB selber. Und dieser ist nun besonders dubios. Plötzlich ist die ÖVP wieder bereit, Aufsichtsräte in die Staatsbahn zu entsenden. Plötzlich geht im Parlament in aller Stille ein extrem problematisches 33-Milliarden-Gesetz zugunsten der Bahn durch. Lediglich der Protest des ÖVP-Abgeordneten Ferdinand Maier hat darauf aufmerksam gemacht.

Da aber Maier schon seit Jahren durch eher cholerische Querschüsse und Attacken gegen seinen jeweiligen Klubobmann auffällt, hat sein Protest gleichzeitig wieder vom eigentlichen Skandal abgelenkt. Ebenso fällt auf, dass die Opposition zwar dagegen gestimmt hat, aber mit auffällig wenig Engagement (man vergleiche etwa die geringe oppositionelle Lautstärke bei den ÖBB-Milliarden mit dem aufgeregten Flügelschlagen von Grün und Blau ob irgendwelcher Zeugenladungslisten im U-Ausschuss).

Gewiss hebt sich dieses ÖBB-Finanzierungsgesetz noch relativ positiv vom ursprünglichen Entwurf der Verkehrsministerin ab. Diese hatte im Vorjahr noch ein Vielfaches der nunmehrigen 33 Milliarden verlangt. Nur ist zu befürchten, dass mit diesen 33 Milliarden jetzt dennoch alle jene Projekte begonnen werden, die dann doch so viel kosten, wie Bures schon ursprünglich ins Gesetz schreiben wollte.  Was man aber offenbar auch aus Rücksicht auf die kritischen Rating-Agenturen vermieden hatte.

Mit diesem Gesetz werden den Steuerzahlern nicht nur die Kosten für den (sinnvollen) Semmering-Tunnel, sondern auch für die beiden (überflüssigen) Tunnels durch Koralm und Brenner aufs Auge gedrückt. Der Verkehr unter der Koralm zwischen Graz und Klagenfurt ist und bleibt aber lächerlich unbedeutend, während der Italienverkehr durch die Südbahnstrecke (ab dem Semmering) ohnedies schon gut bedient ist. Und der Brenner-Tunnel hat keinerlei Chance auf eine ausreichende Auslastung, solange man keinen Lkw zwingen kann, statt der schnellen Straße die umständliche Bahn zu benutzen. Das EU-Recht verhindert sogar jede Mauterhöhung auf der Passstraße.

Aber hinter diesen Unsinns-Projekten stehen mächtige Landeshauptleute und die ebenso mächtige Bauindustrie (aus der etwa der jetzige Aufsichtsratspräsident der ÖBB kommt!). Von dieser Unheilsallianz werden den Steuerzahlern gewaltige Zukunftsverpflichtungen aufgeladen. Als ob Europa und Österreich nicht in einer schweren Schuldenkrise stecken. Gegen diese 33 Milliarden machen sich die jüngsten Sparbeschlüsse der Regierung geradezu zwergenhaft aus.

Maier ist daher – trotz all seiner sonstigen problematischen Eigenschaften – zu dem mutigen Widerstand samt nachfolgendem Rücktritt zu gratulieren. An der katastrophalen Entwicklung der ÖBB und der Staatsfinanzen ändert sich dadurch aber nichts mehr.

In den nächsten Tagen wird man mit Spannung beobachten können, ob die Länder wenigsten bei ihren eigenen Finanzen disziplinierter sein werden. Derzeit lassen sie ja die Finanzministerin mit ihren Vorstellungen von einem wirksamen Fiskalpakt mit Sparzwang noch eiskalt anrennen. Es bleibt zu befürchten, das auch hier ein für den künftigen Schuldenstand des Landes teurer Kompromiss heraushüpfen wird.

Absolut rätselhaft ist schließlich, was die Koalition mit ihrem neuen Konsens in Sachen ORF überhaupt beabsichtigt. Den Stiftungsrat zu verkleinern ist zwar ein edles Ansinnen, auch der Ausschluss der Bundesländer würde viel Sinn haben, sind diese doch oft eine Hauptbremse für jede Einsparung gewesen. Aber erstens habe ich angesichts der katastrophalen Schwäche der Regierungsspitze heftige Zweifel, dass diese ein Projekt gegen den Willen der Länder durchsetzen kann. Und zweitens bleibt völlig offen, was ein kleinerer Stiftungsrat gegen das Hauptdefizit des ORF helfen soll. Das ist sein schwer schlagseitiger Informationsapparat, der von unten bis oben zu 85 Prozent mit Menschen aus dem grün/kommunistischen/linkssozialdemokratischen Milieu durchsetzt ist.

Was würde da überhaupt noch helfen, ist doch die Personalstruktur des ORF de facto unreformierbar? Nun, hätte die ÖVP noch irgendeine eigene Medienpolitik, würde sie beispielsweise gemeinsam mit Blau und Orange eine grundsätzliche Reform am ORF vorbei vorbereiten. Diese könnte man dann rund um den nächsten Wahltag im koalitionsfreien Raum ebenso durchsetzen, wie Werner Faymann 2008 seine Milliardenattacke auf die Steuerzahler durchgesetzt hat. Dabei könnten dann beispielsweise die Gebührengelder auf alle Sender aufgeteilt werden, die sich um eine halbwegs ausgewogene Qualitätsinformation bemühen (wie es etwa Servus TV zunehmend tut).  Was wiederum eine externe Expertenkommission zu beurteilen hätte.

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Gerichte öffnen die Migrationsschleusen

24. April 2012 02:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bei Wahlen bekommen derzeit alle Regierungen Europas ihre Ohrfeigen, egal wer gerade regiert. Noch unpopulärer als die Regierungen ist die EU selber. Des öfteren sind es aber eigentlich die Richter, die den Zorn der Menschen am meisten verdient hätten. Diese stehen jedoch im Schatten und können dort ungehindert ihre Ideologien ausleben. Zum Schaden Europas.

Denn die neueste Judikatur von Verwaltungsgerichtshof und Europäischem Gerichtshof bringt mit einem Federstrich den wichtigsten Eckpfeiler des österreichischen Fremdenrechts zum Einsturz. Und die Republik reagiert hilflos. Die Gerichte berufen sich auf ein Abkommen, das die EU lange vor dem österreichischen Beitritt mit der Türkei geschlossen hat. Demnach sind Türken, die mit Österreichern verheiratet sind, künftig von Maßnahmen wie „Deutsch vor Zuzug“ und der Pflicht zu Integrationsvereinbarungen befreit.

Das aber waren in den letzten Jahren die einzigen relevanten Maßnahmen, um ein noch rascheres Anwachsen der türkischen Gemeinde einbremsen zu können. Das waren Maßnahmen, welche der SPÖ nur sehr mühsam abgerungen werden konnten. Das waren auch Maßnahmen, die genau an der richtigen Stelle angesetzt haben. Denn jene Fälle, die nun dank der Gerichte ungebremst zuwandern können, sind der weitaus problematischste Aspekt der Migration: Das sind die in einer Drittwelt-Umgebung mit einer mittelalterlichen Kultur und Religionspraxis aufgewachsenen Mädchen, die in einer arrangierten Ehe an einen Austrotürken – oft genug einen Verwandten – verheiratet werden. Um nicht zu sagen: verschachert. Ob das eine weiterhin verbotene Zwangsehe ist oder nicht, ist da in Wahrheit eine Frage aus einer anderen Welt. Denn diese Mädchen haben ja die Möglichkeit eines freien Willens überhaupt nie kennengelernt.

Wenn sie dann in Österreich sind, haben diese Frauen als Gebärmaschinen zu fungieren. Sie lernen meist nie deutsch, haben meist nie einen Job, verlassen nur selten das Haus und lassen den ganzen Tag türkische Satellitensender als einzigen Kontakt zur Außenwelt laufen. Sie ziehen dann logischerweise auch ihre Kinder in türkischer Sprache und in einem mittelalterlichen Geist auf. Weshalb wir in der zweiten und dritten Generation oft schlechtere Integrationsleistungen haben als in der ersten.

Jetzt ist auch die letzte Bremse gegen den Zuzug solcher Frauen (und natürlich auch einiger Männer) weggefallen. Das ist wirklich eine tolle Leistung der Gerichte! Braucht es noch extra erwähnt zu werden, dass sowohl der Chef des Verwaltungsgerichtshofs wie auch die von Österreich entsandte EU-Richterin knallrot sind?

Das Innenministerium glaubt nichts anderes tun zu können, als zu salutieren und die Gerichtsbeschlüsse brav umzusetzen. Obwohl diese der neuen Parole „Integration durch Leistung“ einen schwereren Schlag versetzt haben, als all die netten Inserate mit ein paar Dutzend Vorzeige-Zuwanderern an Nutzen stiften können.

Das ist juristisch auch richtig so. Aber rein theoretisch wäre es natürlich auch möglich, dass Österreich als Reaktion nach langem wieder eine aktive EU-Politik entwickelt. Das Land könnte sich ja – rein theoretisch – Verbündete suchen. Rein theoretisch könnte eine neue EU-Richtlinie wieder versuchen, wenigstens eine Spur von Lenkung in die Massenzuwanderung zu bringen. Denn nichts  anderes findet ja unter dem so harmlos klingenden Titel „Familienzusammenführung“ seit langem statt.

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Das Parlament: eine Fehlbesetzung in Fortsetzungen

23. April 2012 00:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Untersuchungsausschuss des Parlaments hat bereits ein klares Zwischenergebnis: Er ist eine Blamage für das Parlament. Dieses ist mit solchen Projekten total überfordert. Es geht damit völlig am eigenen verfassungsrechtlichen Auftrag vorbei. Bei aller mehr als legitimen Kritik an der Staatsanwaltschaft: Ein Parlament ist noch viel weniger als diese (selbst in ihrem heutigen Zustand) geeignet, Straftaten aufzuklären.

Denn schon die erste Etappe der Ausschuss-Untersuchungen, nämlich das Kapitel der Bestechungen von mindestens vier Parteien durch die Telekom, hat wieder einmal gezeigt: Die Abgeordneten sind ausschließlich, dafür umso heftiger, unterwegs, Angehörige anderer Parteien mit berechtigten wie auch mit hanebüchenen Vorwürfen anzuschwärzen, beziehungsweise die eigenen Parteifreunde reinzuwaschen.

Aber das ist in keiner Weise Zweck eines Parlamentsausschusses.

Der eigentliche Auftrag des Parlaments wird hingegen überhaupt nicht wahrgenommen: Kontrolle der Regierung beziehungsweise die Erarbeitung von Vorschlägen zur Verbesserung von Gesetzen, Justiz und Verwaltung. Auch die Grünen als einzige Partei, die mangels bisheriger Regierungsverantwortung eher weniger mit Telekomgeldern bedacht worden ist, sind nicht dazu bereit. Auch sie haben eine rein parteipolitische Agenda. Die besteht in ihrem Fall darin, die Rechtsparteien zu diskreditieren („Nie wieder Schwarz-Blau!“) und die Skandale der SPÖ weitestgehend zu ignorieren.

Freilich: Das hat man auch schon vorher gewusst, dass sich der Ausschuss nur in diese Richtung entwickeln kann. Denn auch frühere Ausschüsse haben sich haargenau nach dem gleichen Schema abgespielt. Zu konstruktiver Arbeit waren sie schon seit Menschengedenken nicht imstande.

Dennoch war auch dieser Ausschuss gestartet worden. Denn die Medien wollten ihn unbedingt. Wird ihnen doch allen dort tagtäglich zur Füllung ihrer Seiten/Sendezeiten pikant Klingendes brühheiß serviert. Die Medien hofften auch, durch einen Ausschuss nicht mehr von irgendwelchen einzelnen Dokumenten abhängig zu sein, die seit Jahr und Tag von hochrangigen Staatsanwälten einseitig und rechtswidrig hinauskopiert werden. Wobei man ja an diesen ständigen Verletzungen des Amtsgeheimnisses eindeutig erkennen kann: Die dabei aktiven Staatsanwälte haben eindeutig eine parteipolitische Agenda: Lassen sie doch nur Aktenstücke hinaussickern, die eine der drei rechten Parteien belasten. Aus den Akten, auf deren Deckel der Name von SPÖ-Politikern prangt, ist hingegen noch nie etwas hinausgegangen.

Dennoch hat die Staatsanwaltschaft auch im U-Ausschuss hinter den Kulissen Fäden ziehen können. Auch wenn sie dort nicht mehr alle Sozialdemokraten schützen kann.

Denn in den bisherigen Ausschuss-Wochen hat sich noch etwas anderes erneut gezeigt: Es ist einfach absurd, einen solchen Ausschuss ins Leben zu rufen, solange die Staatsanwaltschaft praktisch den selben Bereich untersucht. Denn während Peter Pilz ob eines Druckkostenbeitrags von 10.000 Euro die Republik ins Wanken bringen wollte, hat der Ausschuss auf Wunsch der Staatsanwaltschaft den eigentlichen Haupttäter nie zu Gesicht bekommen. Ja, er hat auch nie nach diesem verlangt. Und erwartet doch, noch ernst genommen zu werden.

Dabei kann es kaum noch Zweifel geben: Die zentrale kriminelle Energie im Telekom-Skandal ist von Gernot Schieszler, dem früheren Finanzvorstand des halbstaatlichen Konzerns, ausgegangen. Denn beim Großteil der neun Millionen Euro, die zu diversen meist dunklen Zwecken über Herrn Hochegger und andere verteilt worden sind, war Schieszler die entscheidende Drehscheibe.

Und ausgerechnet dieser Mann ist vom Parlament nie vorgeladen worden. Was wohl der entscheidende Beweis ist, dass dort nur eine lächerliche Farce stattfindet. Was will man aufklären und verbessern, wenn man zwar zahllose periphere Figuren vorlädt und herunterzumachen versucht, aber nicht den Mastermind?

Dabei ist dieser ja einer, der sich nicht hinter dem sonst bei vielen Ausschuss-Zeugen üblichen Satz „Sage nichts, weil die Staatsanwaltschaft gegen mich ermittelt“ verbergen kann. Denn Schieszler wird von der Staatsanwaltschaft ja als Kronzeuge behandelt und nicht als Beschuldigter, weil er (angeblich) alle seine Mittäter und -läufer verrät (dass damit die Staatsanwaltschaft die ganze Einrichtung des Kronzeugenschutzes lächerlich macht, ist eine andere Frage, die für heute aber ausgeklammert bleibe).

Ähnlich seltsam ist auch, dass der Parlamentsausschuss die gesamte Affäre um den Erwerb der bulgarischen Telekom durch die Telekom Austria (an dem einige Zwischenwirte extrem gut verdient zu haben scheinen) ebenfalls nicht behandelt hat. Hier hat die Staatsanwaltschaft halt keine Papiere hergegeben. Da untersucht man halt nichts. Dafür verbeißt man sich in irgendwelche Randlappalien.

Die Lehren aus all dem – sofern Parteien überhaupt noch lernfähig sein sollten – sind klar: Es darf vor allem nie wieder einen Untersuchungsausschuss geben, solange die Staatsanwaltschaft in gleicher Causa ermittelt.

Ein Untersuchungsausschuss in dieser Zusammensetzung sollte höchstens dann aktiv werden können, wenn die Staatsanwälte aus nicht nachvollziehbaren Gründen die Verfolgung einstellen. Wie etwa gegen den früheren Gewerkschaftspräsident Verzetnitsch trotz seiner Schlüsselrolle im Bawag-Skandal; wie etwa gegen den mutmaßlichen Zweittäter im Fall Kampusch; wie etwa (wahrscheinlich in Bälde) gegen die Herrn Faymann und Ostermayer trotz der offenkundigen Bestechung von Medien; wie etwa gegen die Verantwortlichen in der Eisenstädter Landesregierung trotz eines grob fahrlässig angerichteten Schadens von 55 Millionen in Sachen Bank Burgenland; wie etwa gegen die Staatsanwaltschaft selber wegen ihrer Kooperation mit dem KGB in Sachen Litauen.

Aber auch in diesen Fällen wird in einem parteipolitisch geprägten Gremium vermutlich nie etwas Brauchbares herauskommen. Selbst der Anschein, dass wenigstens im Fall Kampusch ein parallel tagender Geheimausschuss zu einem konstruktiven Ergebnis gekommen wäre, scheint sich in Luft aufzulösen. Hat doch der Vorsitzende jenes U-Ausschusses, Werner Amon, vor einem Monat angekündigt, dass noch im März die Ergebnisse und Empfehlungen präsentiert werden. Jetzt ist bald der April zu Ende. Und niemand hat etwas von irgendwelchen Ergebnissen des Amon­-Ausschusses gehört.

Offenbar hat die infame Strategie der Staatsanwaltschaft, Amon zum Beschuldigten in der Causa eines Druckkostenbeitrags zu machen, ihre Wirkung erzielt.

Gerade dieser Vorfall muss eine weitere Lehre sein: Auch dort, wo – beziehungsweise auch dann, wenn Österreich unabhängige Untersuchungskommissionen braucht, können und dürfen diese nicht von Parteipolitikern getragen werden. Vielmehr sollten sie von völlig unabhängigen (am besten schon im Ruhestand befindlichen) Richtern geleitet werden. So wie das in Großbritannien immer wieder mit wegweisenden Ergebnissen der Fall ist. So wie auch die Seltsamkeiten im Fall Kampusch durch den ausnahmsweisen Zufall einer ministeriellen Kommission mit großen Richterpersönlichkeiten an der Spitze aufgedeckt worden sind.

Der Zweck solcher richterlicher Kommissionen sollte erstens die Kontrolle der Strafverfolger sein, die sich ja immer zum Staat im Staat stilisieren; zweitens die Kontrolle aller wichtigen Verwaltungsbereiche; und drittens die Untersuchung schwieriger Fragenkomplexe zur Erstellung konkreter Gesetzesvorschläge.

Solche Kommissionen werden aber wohl nie geschaffen werden. Die parlamentarischen Parteipolitiker werden sicher nicht mehr bereit sein, ihr liebstes Spielzeug, also den Schmutzkübel, herzugeben. Und auch die Medien werden sich sicher nicht den voyeuristischen Spaß an den Schmutzschlachten verderben lassen.

Aber wie gesagt: Das alles weiß man seit langem. Daher hätte man nie einen solchen Ausschluss beschließen dürfen. Wer aber erst jetzt draufkommt und nun plötzlich den Ausschuss abdrehen will, der stempelt sich selbst zum Hauptübeltäter. Wie es derzeit Schwarz und zum Teil auch Rot nun tun. Die damit als politische Strategen supernackt dastehen.

PS.: In diesem Beitrag geht es – auch – um den schweren Verdacht gravierender Verbrechen insbesondere von Sozialdemokraten. Umso ärgerlicher ist es, wenn in den letzten Tagen Medien und Politiker anderer Parteien wieder einmal eine Lächerlichkeit in den Vordergrund rücken, diesmal rund um die Ministerin Bures. Denn nichts anderes als eine Lächerlichkeit und kein Skandal ist es, wenn ein Transport der Bures-Tochter im Dienstauto der Ministerin zum zentralen Thema wird. Dabei wird den Ministern ohnedies ein monatliches Pauschale für die Privatnutzung ihres Dienstfahrzeugs abgezogen wird. Aber so ist Österreich halt allzu oft: kleinlich und kleinkariert.

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Der ÖGB im Kampf gegen die älteren Arbeitnehmer

21. April 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der ÖGB startet eine Kampagne dagegen, dass manche Angestellte nicht das verdienen, was ihnen rechtlich zusteht. Da muss man die Gewerkschaft doch unterstützen, oder?

Nun, selbstverständlich muss man für die Einhaltung der Gesetze und ähnlicher zwingender Normen sein. Regellosigkeit ist immer schlecht und schadet allen. Nur sollte man sich auch bewusst sein: Der ÖGB zeigt mit seiner Kampagne – ungewollt – noch etwas ebenso Problematisches: dass die geltenden Regeln schlecht sind. Sie führen nämlich zum Schaden vieler Arbeitnehmer. Vor allem der älteren.

Denn einer der häufigsten Gründe für solche regelwidrig zu geringen Gehälter ist die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten beim Eintritt in ein neues Unternehmen. Würde aber deren Anrechnung künftig zu hundert Prozent durchgesetzt, hätte das eine klare Konsequenz: Ältere Arbeitnehmer hätten dann so gut wie keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt.

Denn jede Firma würde sich dann bei der Neuaufnahme von Mitarbeitern zwingend für die jüngeren entscheiden. Sind doch auf Grund der (von der Gewerkschaft selbst erkämpften!) Kollektivverträge in vielen Berufen über 50-Jährige fast doppelt so teuer, wenn man ihnen alle Vordienstjahre anrechnet. Diesen Unterschied kann die sicher größere Erfahrung von Älteren nicht mehr wettmachen.

Dabei klagt dieselbe Gewerkschaft ständig, dass es für Ältere auf dem Arbeitsmarkt schon heute sehr schwierig ist, einen neuen Job zu finden, wenn man einen anderen verloren hat. Aber Intelligenz und Logik oder gar Selbstkritik waren halt noch nie die Stärke von Gewerkschaftern.

 

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SN-Kontroverse: Arbeitszeitverkürzung

20. April 2012 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Ist eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung sinnvoll?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Kürzer arbeiten ergibt Sinn

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

In Österreich ist die Arbeitszeit eigenartig verteilt. Allein im dritten Quartal 2011 wurden laut Eurostat 5,5 Millionen Überstunden geleistet - und das zu knapp einem Viertel unbezahlt. Bereits jetzt arbeiten 1,1 Millionen Menschen nur 38,5 Stunden pro Woche, während für die anderen die Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden gilt. Etliche arbeiten aber noch sehr viel länger. Es ist daher hoch an der Zeit, über eine Verkürzung der Arbeitszeit nachzudenken. Sie würde mehr Gerechtigkeit schaffen und ist eine Maßnahme, die ökonomisch durchaus Sinn ergibt. Mit der Reduzierung der Wochenarbeitszeit könnte die Zahl der Arbeitslosen gesenkt werden. Im Jahresdurchschnitt 2011 lag die Arbeitslosenquote bei 4,2 Prozent. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts würden durch eine Arbeitszeitverkürzung um zehn Prozent mittelfristig 130.000 Beschäftigte gewonnen. Steigt die Beschäftigung, steigt auch die Kaufkraft. Letztlich wird also die Konjunktur angekurbelt. Weniger Wochenarbeitsstunden bedeuten außerdem eine geringere Belastung für das teure Gesundheitssystem. Gerade immer häufiger auftretende Überlastungserscheinungen wie Burn-out könnten verringert werden; die Betriebe würden profitieren, wenn die Mitarbeiter seltener in den Krankenstand gehen. Ein besseres Verhältnis von Arbeits- und Freizeit bedeutet enormen Gewinn an Lebensqualität. Vereinbarkeit von Beruf und Familie wäre nicht mehr so schwierig zu bewerkstelligen. Frauen hätten weniger Karrierebarrieren zu überwinden; Männer könnten stärker in das Familienleben eingebunden werden. Die Arbeitszeitverkürzung ist bei vollem Lohnausgleich möglich. Denn die Produktivität ist enorm gestiegen. Die Arbeitszeitverkürzung ist leistbar, sie ist vernünftig und bringt Vorteile für alle.


Lasst den Menschen doch ihre Freiheit!

Andreas Unterberger

 Oberösterreichs Sozialdemokraten werben für eine zwangsweise Arbeitszeitverkürzung mit der an sich richtigen Parole: "Zeit für sich, die Familie und die persönlichen Leidenschaften zu haben, bereichert das Leben ungemein." Genau deshalb wurde in den letzten Jahren ja auch die Möglichkeit der Teilzeitarbeit ausgebaut, mit großem Zuspruch. Das Absurde aber ist: Genau diese Teilzeitarbeit wird von der SPÖ vehement bekämpft! Zugleich mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. In Wien geschieht dies sogar mit Plakaten auf Steuerzahlerkosten.

Weiß diese Partei noch irgendwie, was sie will? Letztlich will sie wohl nur eines: ständig noch mehr in unser Leben eingreifen und es reglementieren, damit die Politik ständig noch mehr Macht erhält. Gleichzeitig ist es der Partei völlig gleich, dass dabei der umzuverteilende Kuchen kleiner wird.

Die Menschen wollen diese Reglementierungen aber nicht. Sie wollen sich frei entscheiden können. Die einen wollen sich primär ihren Familien oder "Leidenschaften" widmen, die anderen wollen Karriere machen und viel verdienen. In einem freien Land sollte jeder das tun können, was er will. Und nicht das tun müssen, was Politiker wollen.

Wenn die Linke aber den Menschen vorgaukelt, dass alles zugleich möglich wäre - viel verdienen und zugleich wenig arbeiten -, dann sollte sie sich in Frankreich umschauen: Dort haben von ihr durchgesetzte Arbeitszeitverkürzungen heute katastrophale Folgen. Was die linken Theoretiker in ihrem papierenen Wolkenkuckucksheim nämlich nicht begreifen: Europa steht im beinharten Wettbewerb mit den boomenden (weit länger als 35 oder 38 Stunden arbeitenden!) Ländern Asiens, den der alte Kontinent zunehmend verliert. Noch ein paar so linke Projekte, dann ist der Wettbewerb endgültig entschieden, und Europa in einer jahrzehntelangen Rezession.

 

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Das kollektive Burnout

19. April 2012 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter in Österreich soll auf Grund des jüngsten Sparpakets bis 2016 um rund ein Jahr steigen. Bravo, wenigstens etwas! Bravo? Das kann wohl nur rufen, wer eine zweite Kleinigkeit vergisst.

Nämlich, dass gleichzeitig auch die Lebenserwartung um ein Jahr gestiegen sein wird. Von einer Sanierung des Pensionsystems also keine Rede. Gleichzeitig bewirkt der Transfer der Möchtegern-Invaliditäts-Pensionisten, die jünger als 50 sind, von der Pensionsversicherungsanstalt zum Arbeitsmarktservice vor allem eines: höhere Kosten für die beim AMS viel üppigeren Ausgaben für Schulungen und Rehabilitationen. Ob diese höheren Ausgaben aber langfristig überhaupt einen Effekt haben, ist vorsichtig ausgedrückt durchaus offen.

Das trifft etwa insbesondere auf die rapide zugenommenen Invaliditätspensionen wegen angeblicher psychischer Erkrankungen zu. Diese haben aber dramatisch zugenommen. Jährlich behaupten schon 35.000 Österreicher, dass sie aus irgendwelchen psychischen Gründen nicht mehr arbeiten können. Nur zur Erläuterung der Größenordnung: Jährlich kommen zwischen 70.000 und 80.000 Menschen in Österreich zur Welt. Polemisch verkürzt, muss man sich fragen: Jeder zweite ein Narr?

Natürlich nicht. Dieser dramatische Anstieg hängt mit einem anderen Phänomen zusammen: Andere beliebte Invaliditätsursachen lassen sich seit einigen Jahren viel präziser medizinisch überprüfen beziehungsweise therapieren. So kann bei den verbreiteten Rückenschmerzen durch Computertomographen viel genauer als durch einstige Röntgenbilder das wahre Ausmaß überprüft werden. So sind Hüftoperationen in den allermeisten Fällen total erfolgreich (zu denen sich freilich so mancher erst nach Zuerkennung der lebenslangen Invaliditätsrente bereitfindet). So sind auch Herzinfarkte heute viel besser therapierbar und in ihren Folgen diagnostizierbar.

Eine Depression ist hingegen kaum objektiv überprüfbar. Noch eleganter klingt der Weg in die Frühpension, wenn die Überschrift „Burnout“ heißt. Das ist ja erstmals ein gesellschaftlich voll akzeptiertes psychisches Krankheitsbild. Es schmückt geradezu, wenn man dieselbe Krankheit hat wie Spitzenmanager oder Künstler.

Frühpensionisten kommen sich subjektiv gar nicht als Betrüger vor. Schließlich gibt es kaum 40-plus-Jährige, die noch nie Rückenschmerzen oder Zustände der Frustration, der Erschöpfung, des Angespanntseins erlebt hätten. Früher hat man für solche Zustände freilich nur eine Therapie gehabt: Arbeit. Was erstaunlich oft dazu geführt hat, dass man die Zustände bald wieder vergessen hat. Heute jedoch gibt es ganze Heerscharen von Psych-Professionen, die sich über solche eher robusten Therapien empören und jeden Burnout-Fall am liebsten viele Jahre zum Patienten oder Klienten haben möchten.

Was jedem Einzelnen zu gönnen wäre, würde es nicht auch zum Burnout des ganzen Staates führen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Demokratie erneuern - aber wie?

15. April 2012 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Junge ÖVP hat eine Reihe Vorschläge in Sachen Demokratie präsentiert. Das ist zwar nicht unbedingt jene Organisation, von der man sich solches primär erwartet hätte, aber es ist immerhin ein ernsthaftes Paket. Vor allem mit einem sehr sinnvollen und mit einem sehr problematischen Punkt.

Über beides sollte man ernsthaft diskutieren. Auch wenn der Versuch einiger Medien ziemlich absurd ist, den JVP-Chef Sebastian Kurz gleich als Parteiobmann ins Gespräch zu bringen, nur weil er auch ein Jahr als Staatssekretär ganz gut überstanden hat.

Sinnvoll, wichtig und entscheidend ist jedenfalls der angepeilte Durchbruch Richtung direkte Demokratie. Auch wenn die Jungschwarzen eine deutlich höhere Latte legen als die Schweiz, so sind sie doch die erste Gruppierung einer Regierungspartei, die den Wählern das Recht zugestehen will, verbindliche Volksabstimmungen zu erzwingen.

Das wäre ein entscheidender Schritt heraus aus der gegenwärtigen Entmündigung der Bürger. Es wäre auch ein Schritt, der die Politik in Wahrheit freuen sollte: Ist sie doch immer seltener entscheidungsfähig. Gehen doch in immer mehr Fragen die Fronten quer durch die Parteien, was diese lähmt. Wären bei einer solchen, vom Wähler erzwungenen Volksabstimmung doch endlich die Sachfragen im Vordergrund und nicht mehr die Taktiken von Parteisekretariaten wie bei früheren Referenden.

Gewiss sollte man bei solchen Volksabstimmungen auch noch einige Rahmenbedingungen klären. So sollte es zu jedem Referendum ein verpflichtendes Gutachten des Staatsschuldenausschusses geben. Dieser sollte dann etwa in zwei Sätzen klar dazu sagen, was es für die Höhe der künftigen Pensionen bedeutet, wenn ein Referendum beispielsweise das gegenwärtige Pensionsantrittsalter einzementieren will.

Viele andere Vorschläge der ÖVP-Jugend sind zwar auch positiv und interessant, aber keine systemverändernden Heilsbringer: dies gilt etwa für die Reduktion auf maximal zwei Wahltage im Jahr, für die Möglichkeit einer Zweckbindung eines Zehntels der eigenen Steuerzahlung oder für ein verpflichtendes Hearing für Regierungsmitglieder.

Wenig mutig zeigten sich die Konzeptschreiber jedoch beim Bundesrat und bei den Landtagen. Die Junge ÖVP will den aus einer längst verblichenen Verfassungswelt stammenden Artenschutz für beide Gremien verlängern.
Und nur einen halben Schritt geht sie in Sachen Offenlegung von staatlichen Akten. Die Parteijugend ist zwar prinzipiell dafür, bleibt aber dabei viel zu unkonkret und lässt zu viele Hintertüren offen, durch die weiterhin „wirklich vertrauliche“ Akten dem Bürger entzogen werden können. Was es für parteipolitisch agierende oder korrupte Staatsanwälte umso interessanter macht, diese Akten dann an eine Zeitschrift hinauszuspielen.

In einem Punkt sind die Jungschwarzen aber ganz auf dem Holzweg. Nämlich mit der vorgeschlagenen Personalisierung des Wahlrechts. Zugegeben: Sie erheben damit eine sehr populäre Forderung. Diese ist auch den meisten der gegenwärtig aus allen Löchern sprießenden Seniorenpolitiker-Initiativen eingefallen.

Dennoch bin ich absolut sicher: Direktmandate haben bestenfalls dann einen Sinn, wenn sie als Teil eines Mehrheitswahlrechtes zu regierungsfähigen Mehrheiten führen. Positiv wäre auch, dass sie zwangsläufig die schwachsinnige Debatte über Frauen- und sonstige Quoten beenden würden.

Ansonsten führen sie aber nur zu regionalem Populismus. Direktmandate füllen das Parlament noch mehr mit Provinzkaisern.

Aber gerade an solchen mangelt es dort schon heute ganz sicher nicht. Woran es mangelt, sind Abgeordnete in allen Parteien, die alle wichtigen Politikerfelder mit Kompetenz und Sachverstand abdecken können. Das große Qualitätsmanko ist das Fehlen von Justizexperten (in dieser Branche gibt es höchstens bei Rot und Blau eine Ausnahme), von Außenpolitikern, von Sicherheitsfachleuten, von Budget-Kundigen, von Europa-Spezialisten, von Währungs-Sachverständigen, von Demographie-Kundigen, von Kultur-Menschen, usw.

Regionale Direktmandate werden hingegen noch mehr als heute Bauern, Gewerkschafter und Beamte mit viel Tagesfreizeit, aber wenig Ahnung von zentralen bundespolitischen Themen ins Parlament spülen. Ein Parlament mit solchen direkt gewählten Regionalpolitikern könnte auch, wie es schon in anderen Ländern der Fall ist, dazu führen, dass beispielsweise jedes Budget nur noch dann durchgeht, wenn darin auch jede Region (teuer) bedient wird. Und Abgeordnete als Einzelkämpfer wären zur Finanzierung ihrer Wahlkämpfe noch viel mehr als heute anfällig, sich von bereitwilligen Spendern anfüttern zu lassen.

Diese Vorschläge von JVP und vielen anderen Initiativen sind dennoch populär und haben daher durchaus Verwirklichungs-Chancen. Ein besseres Parlament oder eine besser Politik werden sie dem Land aber sicher nicht bringen. Eher das Gegenteil. Das wird man jedoch erst Jahre später sehen.

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Wie man aus einem Überschuss einen Mangel herbeiredet

14. April 2012 00:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Oberösterreich kämpft um eine eigene Medizin-Universität. Mit Petitionen marschieren Landeshauptmann und regionale Tageszeitung Richtung Wien, um eine solche neue Uni durchzusetzen. Wer könnte da schon etwas dagegen haben? Gesundheit ist wichtig und populär. Oberösterreich ist groß und das wirtschaftlich erfolgreichste Bundesland. Da haben seine Exponenten ernstgenommen zu werden, wenn sie von einem wachsenden Ärztemangel sprechen.

Nur sollte man als betroffener Steuerzahler über die prestigeorientierte Uni-Kampagne der Oberösterreicher hinaus auch die wirklichen Fakten kennen. Etwa die Tatsache, dass zwar manche Ärzte super verdienen (wofür sie auch intensivst arbeiten), dass es aber anderen keineswegs so gut geht. Von diesen klagen viele, dass sie keinen Kassenvertrag bekommen. Und Kassenärzte wiederum klagen über lächerliche Honorarsätze. Wenn für viele Leistungen nur einstellige Euro-Beträge bezahlt werden, dann würde jeder Elektriker nur darüber lachen, um dieses Geld auch nur einen Finger rühren zu sollen. Bei solchen Ärzte-Honoraren steigt natürlich die Versuchung zur Verrechnung von fiktiven oder Scheinbehandlungen. Als Folge sehen beispielsweise in vielen Ordinationen die Patienten nur noch die Ordinationshilfe, die ihnen Rezepte ausstellt.

Aber nehmen wir einmal an, diese Eindrücke täuschen, und wir haben wirklich zu wenig Ärzte. Dann sollte vor allem einmal damit angefangen werden, fertige Mediziner auch ordentlich als Ärzte zu beschäftigen. Dann sollte man Uni-Absolventen rasch und gezielt die nötigen Praxisjahre in Spitälern ermöglichen. Lange Wartezeiten auf solche Ausbildungsplätze sind eine absurde Verschwendung menschlichen Potenzials.

Eine besonders blöde Folge dieser Absurdität ist, dass Österreichs Unis die Mediziner zuerst teuer ausbilden, dass viele dann aber mangels guter Ausbildungsangebote nach Deutschland gehen. Wo es nämlich einen echten Ärztemangel gibt.

Noch absurder ist es, wenn Ausbildungs- und Turnusärzte dann in vielen öffentlichen Spitälern Dinge wie Blutabnahmen machen müssen, die in privaten Spitälern die Krankenschwestern machen. Dadurch können sie sich nicht auf ärztliche Tätigkeiten konzentrieren. Hier müsste die Politik endlich einmal den Kampf mit den mächtigen Krankenschwestern-Gewerkschaften und der Allmacht mancher Oberschwestern aufnehmen. Diese organisierte Arbeitsverweigerung der Krankenschwestern in etlichen Spitälern ist umso unverständlicher, als es keineswegs einen Mangel an Nachwuchs für den Krankenpflege-Beruf gibt.

An all diesen Fronten gibt es also viel Sinnvolleres und Notwendigeres zu tun, statt um Steuergeld eine neue Universität aufzubauen.

Österreich hat mehr Ärzte als jedes andere EU-Land

Eine neue Uni ist aber in Zeiten explodierender Schulden auch aus einem weiteren, noch stärkeren Grund unsinnig: Trotz all dieser Unzukömmlichkeiten gibt es in Österreich sehr viele Ärzte. Wie das IHS und die OECD berechnet haben, gibt es in Österreich weit mehr praktizierende Ärzte als in jedem anderen EU-Land. Bei uns kommen auf 1000 Einwohner nicht weniger als 4,7 Ärzte, im EU-Schnitt sind es hingegen nur 3,2 bis 3,3. Erstaunlich.

Im Detail: Bei den praktizierenden Fachärzten hat Österreich eine um 18 Prozent größere Dichte als die alten EU-Staaten. Und bei den Allgemeinärzten sind es sogar 69 Prozent mehr. Lediglich bei den Zahnärzten gibt es ein Minus von 17 Prozent. Obwohl ich rund um die Beißwerkzeuge niemanden kenne, dem nicht umgehend eine schmerzende Zahnwurzel behandelt würde. Was also auch dort auf keinen großen Ärztemangel deutet.

Die Ärztezahlen gehen auch im zeitlichen Vergleich steil nach oben. Die Dynamik des Zuwachses an berufsausübenden Ärzten ist gewaltig. Ihre Zahl wächst fast so rasch wie die Staatsschuldenquote. Gab es 1970 nach Ärztekammer-Angaben noch 12.438 Ärzte, so waren es 40 Jahre später nicht weniger als 40.103. Also mehr als drei Mal so viel. Zum Vergleich: Die Bevölkerung hat sich in diesem Zeitraum (durch Zuwanderung) nur um 12 Prozent vermehrt.

Die Zahlen zeigen auch kein spezifisches Oberösterreich-Problem: Denn dort hat sich in den letzten zehn Jahren die Menge der ihren Beruf ausübenden Ärzte um mehr als 39 Prozent vermehrt (das ist ein stärkerer Zuwachs als in jedem anderen Bundesland außer Niederösterreich).

die Ärzteschwemme wird aber auch außerhalb Oberösterreichs gerne verschwiegen. Denn Österreich versucht ja gerade der EU einzureden, dass ihm ein Ärztemangel drohe, wenn es nicht weiterhin die reservierte Österreicher-Quote an den heimischen Universitäten verteidigen kann.

Dabei wären mit einer einzigen Maßnahme alle diese Probleme beseitigt; dann könnten die Oberösterreicher Medizin-Unis bauen, so viel sie wollen: Es müsste nur das Studium durch kostendeckende Beiträge finanziert werden. Dann würde sich ein ganz natürliches Gleichgewicht einpendeln.

Dann hätte der Staat nur noch zwei Aufgaben: Erstens müsste er durch eine unabhängige und strenge Qualitätskontrolle am Anfang wie am Ende des Studiums sicherstellen, dass keine Unis geldgierig wird und Billigdoktoren zu produzieren beginnt. Und zweitens müsste er für jene Studenten, die sich zwar bei Aufnahmetests als qualifiziert erweisen, die aber von armen Eltern stammen, ausreichende Stipendien finanzieren.

Warum kämpfen aber die Oberösterreicher auch ohne Ärztemangel um eine eigene Medizin-Uni? Vielleicht wollen da ein paar Primare neue Visitenkarten mit „Univ.Prof.“ drauf?

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Politische Philosophie eines modernen Idealismus

12. April 2012 23:42 | Autor: Andreas Tögel
Rubrik: Gastkommentar

1992, ein Jahr nach dem Untergang des Sowjetsozialismus und dem scheinbar endgültigen, globalen Triumph der US-Version einer „liberalen Demokratie“, verkündete der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“. Die Bipolarität der Welt des kalten Krieges war schließlich zu Ende. Die ganze Erde stand – zumindest für einige Zeit – unter der unangefochtenen Führerschaft der einzig verbliebenen Weltmacht.

Dass das US-Imperium – und mit ihm der vom ihm verkörperte und aller Welt oktroyierte politische Entwurf – bereits zu dieser Zeit auf unsicherem Boden stand, war damals wohl nur wenigen Zeitgenossen bewusst. Heute sieht sich die von den USA geführte, „freie“ Welt mit ungeahnten Herausforderungen konfrontiert, die nur auf den ersten Blick in der zunehmenden internationalen Bedeutung asiatischer Riesennationen oder der wachsenden Aggressivität der Sphäre des Halbmonds bestehen. In Wahrheit sind die Probleme der westlichen Welt – namentlich jener Europas – allesamt hausgemacht.

Gibt es den Königsweg, der aus der Krise herausführt?

Der Philosoph Wolfgang Caspart unternimmt in seinem jüngsten Buch den Versuch, aufzuzeigen, wie die, nach seiner Überzeugung, hauptsächlich durch die Fixierung maßgeblicher gesellschaftlicher Kräfte auf platte Ideologien und durch eine fehlerhafte Technik zur Auswahl politischer Eliten, bedingten Verwerfungen zu überwinden sind. In einer Rückbesinnung auf den (deutschen) Idealismus – also auf „Ganzheitlichkeit, Willensfreiheit, Verantwortungsethik, Geist und Metaphysik“ – soll die Wende bewerkstelligt werden.

Der Autor schlägt in dem in drei Teile gegliederten Text (Teil eins widmet sich der Ideologiekritik, Teil zwei der Politikwissenschaft und Teil drei dem Staatsdenken) einen großen Bogen von den Natur- zu den Sozialwissenschaften: Alle komplexen dynamischen Systeme werden durch (außenwirksame) Kontrollparameter und (innenwirksame) Ordnungsparameter bestimmt. Das gilt auch für menschliche Gemeinschaften.

Indem die ständig vom Streben nach kurzfristigen Erfolgen getriebene politische Klasse den Fehler begeht, laufend an den Ordnungsparametern zu manipulieren, anstatt sich darauf zu beschränken, die Kontrollparameter entsprechend zu setzen und das System sich selbst zu überlassen, driftet dieses infolge seiner Überregulierung in Richtung Chaos. Casparts Befund deckt sich in diesem Punkt mit jenem der „Österreichischen Schule“, die von einer verhängnisvollen „Interventionsspirale“ spricht. Die ausschließliche Gültigkeit positiven Rechts bei gleichzeitiger Verneinung naturrechtlicher Prinzipien stellt für den Autor eine maßgebliche Voraussetzung der aktuellen Fehlentwicklungen dar.

Europäische Ochlokratie

Dass die USA – und nicht Europa – seit Jahrzehnten die Führung der westlichen Welt behaupten, liegt nicht nur an der zurückliegenden Selbstzerfleischungstendenz der Alten Welt. Bedeutend sind vielmehr das Selbstverständnis der politischen Eliten Amerikas und deren vergleichsweise überlegene Qualifikation. Nicht stumpfe Bürokraten, sondern erfolgreiche Geschäftsleute prägen dort – im Inneren, wie nach außen – die Politik. Deren erste Priorität galt und gilt stets der Wirtschaft – nicht sozialromantisch motivierten Utopien.

Das in Europa herrschende politische System entlarvt Caspart als „Pöbelherrschaft“. Kaum einer der hier politisch Verantwortlichen war jemals außerhalb seiner Parteihierarchie – produktiv – tätig. Bei Wahlen geht es lediglich um die Gewichtverteilung innerhalb eines immer gleichen Klüngels von Funktionären. Zu glauben, mit seinem Stimmzettel tatsächlich etwas verändern zu können, ist illusorisch. Caspart: „Die ochlokratische (pöbelherrschaftliche) Parteienwirtschaft löst keine Probleme, sondern schafft sie und ist das Problem.“

Jede zentral geführte politische Organisation tendiert mit wachsender Größe zur immer weiter gehenden Entmündigung ihrer Untertanen. Das war am Beispiel des Aufgehens der einst unabhängigen Bundesstaaten der USA in einem zentralistisch geführten Imperium zu beobachten – und das wiederholt sich soeben bei der Umformung Europas in ein von Bürokraten (für die im Hinblick auf ihre Qualifikation dasselbe gilt wie für die Politikerkaste!) beherrschtes, bürgerfeindliches Monstrum.

Caspart sieht den Ausweg in einem Übergang zur politischen Führung durch eine meritokratische „Aristokratie“ der Verdienstvollsten – ohne allerdings konkrete Vorstellungen zu unterbreiten, auf welche Weise eine (unblutige!) Ablösung der regierenden Negativauslese vonstatten gehen sollte.

Denn die herrschende Ochlokratie wird, im instinktiv richtigen Bewusstsein, außerhalb ihrer parasitär lebenden Gemeinschaft – dort, wo das Gesetz von Angebot und Nachfrage gilt – keinerlei Chance zu haben, ihren Lebensstandard auch nur annähernd zu halten, alle Register ziehen, um ihre Ablöse durch „verdienstvolle Männer“ zu verhindern. Hierzulande sind offensichtliche Unmöglichkeit einer Verwaltungsreform und die blitzartig unterdrückten Debatten um eine Verkleinerung des Nationalrats oder die Abschaffung des völlig nutzlosen Bundesrates schöne Belege dafür, mit welcher Zähigkeit die fragwürdige „Elite“ an ihren Ämtern klebt.

Wolfgang Caspart dürfte nicht den Anspruch erheben, mit seinem Buch einen Leitfaden zur Herstellung einer besseren Welt zu präsentieren. Als treffsichere Analyse des beklagenswerten Istzustandes Europas und als kritischer Anstoß zum Denken außerhalb der ausgetrampelten Pfade des politischen Hauptstromes, ist der Text aber zweifellos bemerkenswert.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

Politische Philosophie eines modernen Idealismus
Wolfgang Caspart
Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, 2012
199 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-631-63025-9
€ 42,80,-

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Die Geschichte der Krise oder: Wenn ein Dauersieger im Wettbewerb untergeht

03. April 2012 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn einer eine Krise durchlebt, dann kann er was erzählen. Mit den Erzählungen über die Krise der letzten vier Jahre gibt es freilich ein großes Problem: Es kursieren so viele Geschichten über die Krise, so viele teils bewusste Lügen und Ablenkungs-Stories, so viele Irrtümer und Varianten des Wunschdenkens, dass sich die ganze Wahrheit zu dieser Krisen nur noch schwer durchzusetzen vermag.

In drei zentralen Gedanken das, was man heute nach bestem Wissen und Gewissen als Zusammenfassung dessen sagen kann, warum es zu dieser Krise gekommen ist (ganz abgesehen davon, dass es immer Krisen gegeben hat und geben  wird) und was sie bedeutet:

Erstens: All die Stories von Gier, Spekulation und zu kompliziert gewordenen Finanzprodukten erklären gar nichts; denn Gier und Spekulation gibt es, seit es Menschen gibt, ebenso wie scheinbar zu kompliziert gewordene Zusammenhänge; deshalb haben die linken Krisenerklärer Unrecht, die als Krisenursache beklagen, dass heute die Ökonomie mächtiger als die Politik ist; denn das war sie immer.

Zweitens: Viel größere, aber dennoch keine alleine ausreichende Erklärungskraft haben die Hinweise auf eine blasenbildungsfördernde Geld- und Subventionspolitik in Europa, Japan und Amerika, sowie auf die exzessiven und auf historisches Rekordniveau gekletterten Staatsverschuldungen vieler Länder.

Drittens, eine fundamentale historische Erklärung steht über all diesen Faktoren: Die genannten drei Regionen, die in den letzten Jahrhunderten die Weltwirtschaft und damit auch die Weltpolitik beherrscht haben, sind im globalen Wettbewerb gegen die aufstrebenden Schwellenländer entscheidend zurückgefallen, was sich lange nicht, aber dann im plötzlichen großen Erdbeben der Krise umso heftiger gezeigt hat.

Spanien und Irland waren gering verschuldet

Dass die Krise mehr mit Wettbewerbsveränderungen als mit Staatsverschuldung alleine zu tun haben muss, lässt sich an der Tatsache ablesen, dass keineswegs alle jener Staaten, die heute so heftig von der Krise erschüttert werden, vor der Krise eine hohe Staatsverschuldung gehabt haben. In Spanien und Irland war diese – im Gegensatz zu Griechenland und Portugal – sogar besonders niedrig. In diesen beiden Ländern war dafür die Privatverschuldung gegenüber dem Ausland besonders hoch (von Banken, Unternehmen, Privaten).

Allen Krisenländern gemeinsam ist damit, dass sie mehr Produkte und Leistungen des Auslandes konsumiert haben, als sie dem Ausland verkaufen konnten. Sie hatten insgesamt eine hohe Außenverschuldung (egal ob staatlich oder privat) und damit ein großes Zahlungsbilanzdefizit. Das sind zwangsläufige Folgen einer geschrumpften Wettbewerbsfähigkeit. Ein solches „Geschäftsmodell“ muss früher oder später kollabieren.

Nicht der Euro ist schuld, sondern seine falsche Nutzung

Daran ist aber auch nicht der „Euro“ an sich schuld, wie manche Anhänger von Verschwörungstheorien meinen. Jedoch: Der Euro ermöglichte es ein Jahrzehnt lang den südeuropäischen Krisenländern, anstrengungsfrei gut zu leben. Ungeachtet der Tatsache, dass sie die zuvor durch ständige Abwertungen immer halbwegs verteidigte Wettbewerbsfähigkeit gleichzeitig stark absinken ließen.

Die Geldverleiher, die „Märkte“, haben ihnen viel zu billig viel zu viel Geld geborgt; sie haben sich in einem blamablen Vergessen wirtschaftlicher Grundtatsachen zehn Jahre lang nicht mehr die Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner angeschaut; sie haben irgendwie an eine magische Wirkung einer gemeinsamen Währung geglaubt. Das Umdenken geschah dann umso heftiger.

Die Ursachen dieses Verlusts an Wettbewerbsfähigkeit sind vielfach und werden sicher noch Anlass zu spannenden Analysen sein. Eine zentrale Ursache der Krise ist jedenfalls, auch wenn es aufs erste paradox klingt, der unglaubliche Erfolg des westlichen Modells. Europa und Amerika haben seit einem halben Jahrtausend einen unglaublichen Aufstieg erlebt. Sie haben ökonomisch, kulturell, politisch die Welt beherrscht. Dieser Aufstieg hat sich in den letzten beiden Generationen seit dem Weltkrieg noch einmal vervielfacht, vor allem weil das EU-Europa zugleich die längste Friedensperiode der Geschichte genossen hat.

Zusammen mit der Nutzung zahlloser wissenschaftlicher Erkenntnisse, mit den Vorteilen einer globalisierten Wirtschaft, mit dem Nutzen eines halbwegs funktionierenden Marktes, mit stabilen demokratischen Verhältnissen, mit der Basis eines korrekten Rechtsstaats hat diese Periode den Menschen zuvor Ungeahntes ermöglicht, den weitaus höchsten  Massen-Wohlstand der Geschichte und eine Rekord-Lebenserwartung bei guter Gesundheit.

Der Sündenkatalog

Aber diese Periode hat Europa selbstzufrieden und müde gemacht. Mit fatalen Konsequenzen auf allen genannten Feldern.

  1. Die schlimmste Katastrophe ist zweifellos der Wohlfahrtsstaat, der in den letzten Jahrzehnten mit zunehmender Verschuldung erkauft worden ist, der immer mehr Menschen ein konsumorientiertes Leben ermöglicht hat, der zugleich viele Bürger und damit auch die Politik die Grundlagen des früheren Erfolges vergessen ließ;
  2. Die Menschen waren sich immer weniger der Notwendigkeit von Leistung und Anstrengung bewusst;
  3. die Schicht wirklicher Leistungsträger wurde durch immer höhere Auflagen und Steuern demotiviert;
  4. immer mehr Menschen glaubten ernsthaft, die Durchsetzung politischer beziehungsweise sozialer Forderungen schaffe die Grundlage des Wohlstandes;
  5. Staaten und EU lähmten die Wirtschaft mit einer ständig wachsenden Fülle von ökologisch, sozial, gesundheitlich und obrigkeitsstaatlich begründeten Regeln und Vorschriften, womit die europäischen Unternehmen im Wettbewerb gegen die sehr freien Konkurrenten in Übersee ständig weiter zurückgeworfen wurden;
  6. zugleich gelang es Panikmachern, den Menschen mit dubiosen Parolen gegen Atome, Gene, Hormone oder Klimakatastrophen Angst vor der Wissenschaft zu machen;
  7. die Gewerkschaften trieben in Tateinheit mit populistischen Politikern die Lohn- und Sozialkosten ständig steiler in die Höhe, als sie zugleich in den konkurrierenden Schwellenländern anstiegen;
  8. dazu kommen zunehmend die Folgen der Geburtenverweigerung: Europa wie Japan werden im Rekordtempo älter. Das wird im nächsten Jahrzehnt zu einem Kippen der sozialen Balance führen. Die rasch schrumpfende Schicht der Arbeitenden wird sich zunehmend weigern, der riesigen Menge an alten Menschen den erhofften Ruhestand mit dem heutigen Pensionsniveau zu finanzieren. Und die Zuwanderer werden sich da erst recht weigern; hatte man ihnen doch Europa nur als ein sozialstaatliches Schlaraffenland vermittelt, das man ganz anstrengungsfrei konsumieren kann.

Aus all diesen und etlichen anderen Gründen weigern sich verständlicherweise China&Co, die heute auf Billionen von Dollar- und Euro-Noten aus ihren emsigen Exporten sitzen, dieses Geld so wie in den letzten Jahrzehnten in europäische Staatsanleihen und Banken zurückzuinvestieren. Sie kaufen sich lieber afrikanische Ländereien, um dort Landwirtschaft und Bergbau zur eigenen Versorgung zu betreiben, sowie europäische Spitzenindustrien, deren Knowhow sie brauchen.

Dementsprechend haben alle großen Schwellenstaaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), also die Machtzentren der Zukunft, die heute schon die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, in der Vorwoche bei einem Gipfeltreffen einhellig die egoistische und kurzsichtige Politik des Westens getadelt, sich durch wilde Geldvermehrung einen kurzfristigen Vorteil zu kaufen. Sie weigern sich auch, via Währungsfonds den Schuldenstaaten zu helfen.

Der schöne Schein des Krisen-Endes

Wieso scheint es dennoch seit einigen Wochen so, dass auch die zweite Welle der 2008 begonnenen Krise glimpflich vorbei wäre? Die Antwort ist ziemlich klar: Die europäischen und amerikanischen Zentralbanken drucken wie verrückt Geld, mit denen die Staaten (auf dem Umweg über die Banken) derzeit ihre alten Schulden in neue umwandeln. Das hat die unmittelbare Katastrophenstimmung gemildert. Dennoch versucht jeder sonstige Besitzer dieses Geldes dieses rasch in Sachwerte einzutauschen (seien es Qualitätsimmobilien oder Gold oder brasilianische Aktien).

Das ist natürlich ein Wirtschaftsmodell, das sehr bald platzen muss. Daher ist die Krise zweifellos nur kurzfristig unterbrochen.

Köstlich naiv ist der derzeit boomende Glaube vieler europäischer Politiker und Journalisten, man müsse nur die Dämme der diversen Krisenrettungsmechanismen hoch genug bauen, um jede Katastrophe verhindern zu können: 300 Milliarden, 500 Milliarden, 800 Milliarden, 1,3 Billionen, 10 Billionen: Fast im Wochentakt werden die Summen größer, die Dämme höher, mit denen ein Ausbrechen der Fluten verhindert werden soll.

Notenbanker zurück an die Uni

Aber die Finanzströme verhalten sich ähnlich wie die echten Hochwässer: Mit hohen Dämmen kann man zwar viele kleine Überflutungen verhindern. Kommt dann aber bisweilen das große Wasser, wird die Katastrophe umso größer. Irgendwann bricht immer irgendwo ein Damm, wenn der Druck zu groß wird; oder es steigen die Fluten einfach über jede denkbare Dammgröße hinaus und sind dann ein umso verheerenderer Schwall. Deswegen baut man ja jetzt beim echten Wasser wieder viele eng und hoch eingedämmte Flussläufe wieder zurück, lässt ihnen statt dessen in möglichst großen Flächen die Möglichkeit zur gefahrlosen Ausdehnung, um die menschlichen Behausungen selbst umso effektiver schützen zu können.

Vielleicht sollte man die Notenbanker und Regierungspolitiker Europas und Amerikas in eine Vorlesung über modernen Wasserbau schicken? Vielleicht lernen sie dann, dass man die Europäer in ihrer Unbeweglichkeit, wohlfahrtsstaatlichen Verfettung, Überalterung nicht durch immer höhere Schuldendämme vor den Folgen ihrer rasch schwindenden Wettbewerbsfähigkeit schützen kann. Sondern nur dadurch, dass man diese Wettbewerbsfähigkeit wieder offensiv verbessert. So wie es einst den Amerikanern nach dem Sputnik-Schock oder den Mitteleuropäern nach den Osmanen-Angriffen geglückt ist.

Die ToDo-Liste

Heute wäre natürlich - von der Annahme ausgehend, dass im Atomzeitalter die Auseinandersetzungen ehr wirtschaftlich und weniger militärisch sind - ein anderes, den Herausforderungen angepasstes Maßnahmenbündel nötig, durch das man die Wettbewerbsfähigkeit wieder erhöhen könnte:

Würden Europas Regierungen samt EU diese Ziele mit Schnelligkeit und großer Energie sowie Unterstützung der Menschen verfolgen, dann hätte dieser Kontinent noch eine Chance. Dann wäre das Hochziehen der Krisenpräventions-Dämme sogar sinnvoll, um zeitlich noch ein wenig Luft für die notwendigen Reformen zu gewinnen.

Die Schnellen zu bremsen statt die Langsamen zu beschleunigen?

Jedoch fehlt mir der Glaube, dass Europas Bürger diese Notwendigkeiten noch erkennen können. Weshalb die Politiker sie schon gar nicht erkennen wollen. Beide glauben in ihrer Mehrheit offenbar wirklich, dass durch diese Dämme aus Schulden die Folgen des Wettbewerbsverlustes dauerhaft abgewendet wären.

Ein epochaler Irrtum. Denn damit werden die teuren Schutzdämme zur Hauptursache der nächsten großen Krise. Als Folge konzentriert sich Europa jetzt nicht auf das knappe noch offen stehende Zeitfenster zur Wiedererlangung seiner Wettbewerbsfähigkeit, sondern glaubt offenbar wirklich, dass eine Fiskal- und Sozialunion die richtige Krisenprävention für die Zukunft herstellt.

Vor allem die Sozialdemokraten, aber auch etliche andere Parteien meinen: Wenn einmal die Löhne, Steuern und Sozialleistungen zwischen Griechenland und Deutschland (sowie allen anderen) angeglichen sind, wenn es also innerhalb Europas weniger Wettbewerb gibt, dann gewinnt Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit zurück. In Wahrheit aber tritt das genaue Gegenteil ein: Auch Deutschland und die paar noch halbwegs lebensfähigen Länder werden dann mit absoluter Sicherheit ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Dann gibt es kein böses Blut zwischen Deutschen und Griechen mehr, denn allen wird es gleich schlecht gehen.

Der Merksatz für alle weltfremden Theoretiker: Europa darf nicht seine Schnellsten bremsen, sondern muss die Langsamsten munter machen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Die AUA-Retter und die AUA-Schweiger

29. März 2012 00:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist fast ein Jahrzehnt her. Ein dänischer Luftfahrtexperte namens Vagn Sörensen hatte die Führung der AUA übernommen. Und er hatte erkannt, dass insbesondere die luxuriösen Kollektivverträge der Luftlinie den notwendigen Sauerstoff kosten. Denn in den scheinbar guten Jahrzehnten davor hatte die (parteipolitisch geführte) Luftlinie den Gewerkschaften und Betriebsräten immer wieder üppige Zugeständnisse gemacht, deren Realisierung zum guten Teil in der Zukunft lagen. Nun aber begann die Zukunft zur Gegenwart zu werden.

Der Däne hatte eine kluge Idee, um diese Last langsam wieder abbauen zu können: Zumindest die neu eintretenden AUA-Mitarbeiter sollten nicht mehr im Schlaraffenland des AUA-Kollektivvertrags angestellt werden, sondern bei der neuen Tochter Tyrolean.

Nun, mehr hatte er nicht gebraucht. „Ahnungslosigkeit“ in Hinblick auf die österreichischen Verhältnisse war noch das mildeste, was er zu hören bekommen hat. Hatte er doch nicht die Segnungen der „Sozialpartnerschaft“ begriffen, die damals fast von der ganzen Nation für eine wunderbare, gar exportfähige Errungenschaft gehalten wurde. Der Däne fürchtete sich daher auch nicht vor einem Streik der Belegschaft.

Aber dann rollte sie an, die Sozialpartnerschaft: Fritz Verzetnitsch, jener Mann, der auch die (nie von der Staatsanwaltschaft aufgerollte!) Verantwortung als oberster gewerkschaftlicher Eigentümervertreter für die Versenkung einer großen Bank trägt, und Christoph Leitl, der oberste aller Kämmerer. Leitls Handeln hatte stets das gleiche Prinzip: Am Schluss gibt man immer der Gewerkschaft nach, nachdem man zuvor für die eigenen Mitglieder ein wenig Theaterdonner inszeniert hat. Zusätzlich hatten damals einige dieser Mitglieder die furchtbare Sorge deponiert, dass Manager des Streiks wegen nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkommen könnten.

Ab dem Einschreiten der beiden Chefs der Schattenregierung war klar: Die AUA hatte nachzugeben. Schließlich war sie damals mehrheitlich in öffentlichem Besitz. Und die paar Privataktionäre hatten es ja verdient, bestraft zu werden, wenn sie schon so blöd waren, Geld in ein Unternehmen zu stecken, an dem der Staat beteiligt war.

Der Rest ist bekannt. Nicht nur die Aktionäre verloren. Auch die Steuerzahler mussten noch 500 Millionen Euro dazulegen, damit sich noch ein Käufer für die inzwischen kaputte Fluglinie fand. Wie kaputt sie ist, kann man ja schon ganz konkret spüren: Sitze mit ruinierter Polsterung, nicht funktionierende Sitzbeleuchtungen und Flugbegleiterinnen, denen diesbezügliche Hinweise total egal sind (wie unlängst auf einem Flug nach Delhi selbst erlebt).

Es ist eine heitere Pointe, dass auch heute noch der Übergang zur Tyrolean die Linie retten soll. Und dass jetzt nicht mehr nur die neuen, sondern auch die alten AUA-Mitarbeiter davon betroffen sind. Und dass die damals so lauten Retter Leitl&Co heute so absolut still geworden sind.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Ungarn: Viel ausländische Hysterie, viele eigene Fehler, viele mutige Reformen

27. März 2012 01:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Drei Tage lang intensives Eintauchen in ungarische Verhältnisse machen klar: Erstens, die von der Linken geschürte Hysterie ist völlig absurd, dass in Ungarn Demokratie oder Rechtsstaat abgeschafft werden. Zweitens, diese Hysterie ist auch deshalb ein Fehler, weil sie zu einer Stärkung der radikalen Rechten führt und die ungarischen Sozialisten nach ihrer schweren Niederlage tendenziell eher noch mehr diskreditiert. Drittens aber: Die ungarische Regierung hat neben vielen wichtigen und sinnvollen Reformschritten einige gravierende Fehler begangen, die das Land noch Jahre zurückwerfen werden.

Worum geht es bei der derzeit rasch zunehmenden radikalen Rechten, der Jobbik-Partei? Das ist eine Partei, die paramilitärische Formationen ähnlich den österreichischen Parteiarmeen der Bürgerkriegszeit zu schaffen versucht. Sie hetzt nicht nur gegen die ungarischen Zigeuner (womit sie ein in Ungarn angesichts etlicher Zwischenfälle, aber auch angesichts einer sehr aggressiven Presse mehrheitsfähiges Sentiment anspricht), sondern auch gegen alles Westliche. Sie sucht ihre Freunde primär bei aggressiven Diktaturen wie insbesondere jener des Iran.

Linke Kampagne hilft Rechtsradikalen

Falls die Jobbik-Partei, die seit Oktober bei sämtlichen Umfragen Ungarns zweitstärkste ist, eines Tages gar zur stärksten werden sollte, dann liegt ein Gutteil der Schuld auch beim heutigen Verhalten der europäischen Linken und der EU-Kommission. Denn beide haben mit völlig aus der Balance geratenen Reaktionen auf den Wahlerfolg der ungarischen Mitte-Rechts-Partei Fidesz reagiert. Diese hatte ja vor zwei Jahren (mit 53 Prozent der Stimmen) 68 Prozent der Mandate errungen.

Diese Reaktion ähnelt in vielen Details ebenso wie in ihrer Dummheit den Sanktionen von 14 EU-Ländern gegen Österreich im Jahre 2000. Diese Sanktionen, die dann nach einem halben Jahr kleinlaut entsorgt werden mussten, haben übrigens auch damals in Österreich die Umfragewerte der Linksparteien nicht gerade verbessert.

300 Gesetze pro Jahr: Die Fehler sind programmiert

Was ist nun in Ungarn wirklich passiert? Die Mehrheitspartei hat im letzten Jahr mit 300 neuen Gesetzen ein ungeheures Volumen an neuem Recht durchs Parlament geschleust. Das ist in den Augen fast aller Rechtsexperten ein großer Fehler: Solche Gesetzesmengen und ein solches Tempo bergen nämlich zwangsläufig viele technische Fehler, von denen sich so mancher auch jetzt schon gezeigt hat. Diese Gesetze können gar nicht ordentlich vorbereitet gewesen sein, da in einer komplizierten modernen Gesellschaft vor jedem Gesetz sorgfältige Begutachtungen und Diskussionen dringend notwendig sind (was bekanntlich auch den in dieser Woche finalisierten österreichischen Belastungsgesetzen gut getan hätte).

Dieser zu kurz gekommene Diskussionsbedarf gilt natürlich auch für die neue Verfassung, die ohne lange Konvente und dergleichen binnen eines Jahres geschaffen worden ist. Viele dieser Gesetze haben nun bei der EU zu Recht etliche Vertragsverletzungsverfahren ausgelöst.

Jedoch relativieren sich diese Fehler der ungarischen Regierung gewaltig: In Europa sind Vertragsverletzungsverfahren nämlich ein ganz normaler Vorgang. Derzeit laufen fast tausend solcher Verfahren gegen die 27 Mitgliedsstaaten. Und auch heute sind trotz aller Ungarn-Aufregung gegen andere, „alte“ EU-Länder viel mehr solcher Verfahren in Gang als gegen die Magyaren.

Prüft man nun die gegen diese laufenden Vertragsverletzungsverfahren auf ihre Substanz, dann sind es auch gar nicht allzu gravierende Punkte, die da offen sind. Und die Ungarn scheinen weitgehend kompromissbereit.

Zwei Jahrzehnte verschlafener Reformen

Zugleich sollte man nicht vergessen: Die ungarische Führung stand unter einem gewaltigen Handlungsdruck. Hat sich das Land doch in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Wende im Gegensatz zu den anderen Reformländern weitgehend auf seinen Lorbeeren als Vorkämpfer der einstigen Wende ausgeruht. Unter rechten wie linken Regierungen. Man war zu lange stolz auf den „Gulaschkommunismus“. Selbst die Verfassung stammte noch aus der kommunistischen Zeit. Sie war nur in einigen Punkten novelliert worden.

Natürlich hat sich die Orban-Regierung bei ihrem atemberaubenden Tempo auch an eine alte und wohl richtige politische Regel gehalten: Die schmerzhaften und unangenehmen Maßnahmen sollte man in der ersten Hälfte einer Amtsperiode machen, damit man in der zweiten die erhofften Früchte der Reformen kassieren kann.

Die Vorwürfe relativieren sich

Die meisten Vorwürfe, die man den Ungarn macht, bestehen im Einsatz der Zweidrittelmehrheit bei der Besetzung wichtiger Funktionen. Nur: Dieser Vorwurf kann zur Gänze auch Österreich (und vielen anderen EU-Ländern) gemacht werden. Es gibt bloß einen Unterschied: In Österreich werden neue Spitzenpositionen auch ohne Zweidrittelmehrheit durchgängig und ausschließlich mit Parteigängern der Regierungsparteien besetzt. Und zwar seit jeher. Kann man ernsthaft den Ungarn etwas vorwerfen, was man den Österreichern noch nie vorgehalten hat?

Ein weiterer konkreter Vorwurf ist die Tatsache, dass einflussreiche Spitzenpositionen gleich auf neun Jahre hinaus an Freunde des Regierungschefs Viktor Orban vergeben worden sind. Damit kann die nächste Regierung, selbst wenn sie von einer anderen Partei gestellt wird, an diesen Besetzungen nicht mehr rütteln.

Das klingt arg. Aber auch das ist es in Österreich noch viel ärger (wenn es überhaupt wirklich arg wäre und nicht bloß eine Maßnahme zum Schutz dieser Funktionsträger vor politischer Willkür). Denn in Österreich wird sogar das allermächtigste Gremium, nämlich der Verfassungsgerichtshof, nicht nur auf neun Jahre, sondern lebenslänglich besetzt. Und Werner Faymann hatte nicht den geringsten Genierer, Richterposten im VfGH sogar direkt mit einem Mitglied seines Kabinetts zu besetzen.

Viele der restlichen Vorwürfe gehören in die Kategorie des Hanebüchenen. Manche Linke stört es etwa, dass vor Amtsantritt ein Eid auf die Verfassung abgelegt werden soll. Deutlich problematischer klingt die vorübergehende Senkung des Pensionsantrittsalters für Richter von 70 auf 62 Jahre, obwohl dann in den folgenden Jahren wieder eine (für alle Beamten gemeinsame) Steigerung des Pensionsantritts von derzeit 62 auf 65 Jahre erfolgen soll.

Jedoch lässt sich auch das halbwegs begründen: Mit der vorübergehenden und verpflichtenden Senkung wird Ungarn rascher eine problematische Garnitur von Richtern los, die noch aus dem Kommunismus stammen. Außerdem löst man solcherart ein besonders absurdes Privileg: Die noch amtierenden Altrichter konnten ab Erreichung des Anspruchsalters gleichzeitig zu ihren Bezügen parallel eine Pension kassieren. Was angesichts der wirtschaftlichen Situation des Landes ziemlich grotesk ist. Polizisten, Soldaten, Feuerwehrmänner konnten bisher sogar schon ab dem 45. Geburtstag in Pension gehen und daneben ungehindert einen anderen Job beginnen.

Jedenfalls sehen auch regierungskritische Journalisten keine Rückkehr zu einer Diktatur. Sowenig sie auch über die parlamentarische Übermacht der Fidesz erfreut sind. Diese liegt auch noch zur Halbzeit der Legislaturperiode im Gegensatz zum Schicksal der Regierungsparteien vieler anderer Länder bei den Umfragen klar voran.

Die soziale Lage ist bedrückend

Die kritischen Journalisten weisen dafür – und zweifellos zu Recht – auf die katastrophale wirtschaftliche Situation vieler Menschen in Ungarn hin. Da erzählt der eine von der Ärztin, die vor der Not fliehend einen Job in Dresden angenommen hat, obwohl sie schon 52 ist und keineswegs ausreichend Deutsch kann. Da erzählt ein anderer von der 38-jährigen Lehrerin, die ihren Job verloren und die sich nun für die Prostitution entschieden hat.

Niemand wagt auch nur zu behaupten, dass Ungarn heute von einer Welle des Optimismus oder Aufbruchs bewegt wird. Davon reden nicht einmal mehr die begeistertsten Anhänger der Regierung.

Es ist nun müßig, allzulange darauf zu verweisen, dass sich Ungarns wirtschaftliche Lage und seine Verschuldung vor allem unter der achtjährigen Herrschaft der Sozialisten so dramatisch verschlechtert haben. So stiegen die Schulden binnen acht Jahren von 52 auf 82 BIP-Prozent. Entscheidend sind jedoch Gegenwart und Zukunft. Und dafür trägt nun einzig Viktor Orban mit seiner großen Macht die Verantwortung.

Die EU macht sich selbst zum Sündenbock

Derzeit hilft ihm freilich die EU mit ihrer problematischen Sanktionenpolitik dabei, die Verantwortung nach Brüssel abzuschieben. Denn durch die Streichung von Kohäsionsgeldern kann Orban nun perfekt Brüssel als Sündenbock vorführen.Und er kann dabei verschweigen, dass es dabei eigentlich nur um eine überschaubare Summe geht.

Denn die EU-Maßnahmen legen weniger als 500 Millionen Euro aufs Eis. Während alleine die Erste Bank in einem einzigen Jahr durch die Orban-Maßnahmen einen Schaden von mehr als 500 Millionen erlitten hat. Überdies ist es durchaus möglich, dass die EU-Maßnahmen bis zum Sommer wieder aufgehoben werden. Der Raubzug auf die (österreichischen und anderen) Banken wird natürlich nicht rückgängig gemacht.

Die EU hat sich aber damit Budapest jedenfalls als perfekter Sündenbock angeboten. Viele ungarische Regierungspolitiker beklagen in den Gesprächen dementsprechen einen Doppelstandard der Brüsseler Kommission. Der Vorwurf scheint berechtigt: Ungarns Defizit ist lange nicht so hoch wie jenes vieler anderer Mitgliedsländer. Ganz zu schweigen von Spanien, dass nun zugeben musste, dass das Defizit im Vorjahr fast doppelt so hoch ausfiel wie geplant und versprochen.

Umso überraschender ist es, wenn der Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium Zoltán Cséfalvay im Gegensatz zu diesem Vorwurf die EU-Strafen gegen Ungarn sogar als „logisch“ bezeichnet. Das Defizitverfahren gegen Ungarn sei durchaus berechtigt, weil es gegen Ungarn schon seit 2004 läuft, also länger als gegen alle anderen Länder.

Überdies gehe es ohnedies nur um eine sehr kleine Differenz beim Budgetdefizit. Diese Differenz mache bloß ein halbes Prozent des Bruttoinlandsprodukt aus und sei eigentlich nur durch unterschiedliche Wachstumserwartungen ausgelöst worden. Cséfalvay: „Wir sind sicher, dass wir das binnen weniger Wochen lösen werden können. Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen. Und in ein bis zwei Monaten wird niemand mehr darüber reden.“

Auch die für die EU zuständige Staatsministerin Enikö Györi gibt zu, dass für die Ungarn schon 2011 die Frist zur Defizitreduktion abgelaufen war, während sie für Spanien noch bis 2013 läuft. Aber umso genauer wollen sich die Ungarn anschauen, was dann gegenüber Spanien passiere. Also ob auch im Falle des großen EU-Lands genauso konsequent vorgegangen wird wie gegen das kleine Ungarn. Denn Györi weiß: „In der EU sind doppelte Standards nichts Neues.“

Das wahre Problem Ungarns heißt weder EU noch IMF

Das wahre, freilich vielen Ungarn noch kaum bewusste Problem der Regierung ist daher auch nicht die EU. Es ist auch nicht in erster Linie der Internationale Währungsfonds (IMF), der derzeit im Einklang mit der EU die Gewährung eines Beistandskredits an Ungarn zurückhält. Die Ungarn sehen derzeit in einem solchen Kredit ja ohnedies nur eine Sicherheitsmaßnahme, die nicht unbedingt notwendig wäre. Ganz offensichtlich profitieren nämlich auch sie derzeit bei der staatlichen Refinanzierung von den frisch gedruckten Geldmengen, mit denen die europäische und die amerikanische Notenbank seit dem Vorjahr die Welt überfluten, und haben daher keine akuten Probleme.

Das wahre Problem Ungarns ist der internationale Vertrauensverlust durch die Maßnahmen der letzten zwei Jahre. An deren Spitze stehen die überfallsartig eingeführten Belastungen für Banken, Handels- und Telekom-Firmen. Das sind ganz „zufällig“ jene Branchen, die zu einem starken Teil in ausländischer Hand sind.

Dadurch (und durch die Beschlagnahme der Reserven der „zweiten Säule“, der privat-obligatorischen Pensionsvorsorge) hat man zwar in den ersten beiden Fidesz-Jahren das Defizit relativ niedrig halten können. Man hat solcherart der ungarischen Bevölkerung auch vorerst die schmerzlichen Gehaltsreduktionen erspart, die in anderen Ländern notwendig waren. Aber dadurch wurde zugleich ausländischen Investoren ganz klar die Botschaft vermittelt: Ungarn ist ein Land, das über Nacht die Spielregeln ändert. Es gilt damit nicht mehr als sicheres Land für Investitionen.

Aber gerade ausländische Investitionen sind es, die Ungarn heute dringender als sonst irgendetwas anderes braucht. Will das Land doch eine zusätzliche Million Arbeitsplätze schaffen, was nur mit Hilfe vieler ausländischer Investoren möglich ist. Diese sind aber in Zeiten der Krise sowieso schwer genug zu finden. Und erst recht dann nicht, wenn sie fürchten müssen, dass ihre Investition durch eine spätere drastische Änderung der Rechtslage nachträglich total entwertet wird.

Viel zu wenige Ungarn haben einen Job

Wie wichtig die Schaffung von Arbeitsplätzen ist, zeigt der Arbeitsmarkt. In keinem anderen Land ist ein so geringer Prozentsatz der arbeitsfähigen Bevölkerung auch tatsächlich berufstätig wie in Ungarn: nämlich nur 55 Prozent. Wenn es Orban aber nicht gelingt, substanziell mehr Jobs zu schaffen, wird er einerseits nicht aus dem Defizitsumpf herauskommen (wobei es ihm auch nichts hilft, dass an der Entstehung des Sumpfs die Sozialisten die Hauptschuld tragen); seine Partei wird dann andererseits wohl auch nicht mehr den Vormarsch der radikalen Rechten standhalten können.

Dazu kommen aber auch immer wieder dumme Äußerungen von Regierungsvertretern. Immer wieder wurden bei meinen Gesprächen düster die „Interessen“ der ausländischen Investoren getadelt. So als ob es ein Geheimnis wäre, dass jeder Investor am Ende Gewinne erzielen will. So als ob ein modernes Bankwesen keine Voraussetzung einer erfolgreichen Wirtschaft wäre.

Dann spricht Orban unter offensichtlicher Anspielung auf das Ausland wiederum davon, dass Ungarn keine „Kolonie“ sein will. Und erst vor wenigen Tagen sagte er bei einem Vortrag in München: „Ein reicher Deutscher irritiert uns nicht, bei einem reichen Österreicher sieht es schon anders aus.“

Was nicht nur geschmacklos ist, sondern angesichts der Tatsache, dass Österreich im Verhältnis zu seiner Größe bisher die weitaus meisten Investoren in Ungarn gestellt hat, auch dumm. Klarer kann man es ihnen ja kaum sagen, dass sie unerwünscht sind.

Mutige und kluge Maßnahmen

Durch solche Worte und Taten macht Ungarn derzeit wahrscheinlich alles wieder zunichte, was es derzeit an absolut vernünftigen und im Ausland kaum bekannten Reformmaßnahmen setzt:

Das sind viele mutige und kluge Maßnahmen aus dem Repertoire einer klassisch liberalen Wirtschaftspolitik. Vielleicht hat aber auch gerade dieses Etikett den Zorn der europäischen Linksparteien auf Ungarn so stark erhöht, dass sie das Land zum Ziel ihrer Hasskampagne machten. Als ob es nicht schon genug Probleme hätte, an denen die ungarischen Sozialisten hauptschuld sind.
 

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Frankreich: Die Richtungswahl des nächsten Crash-Kandidaten

20. März 2012 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist oft schwer verständlich, wie viele Sende- und Zeitungsfläche die europäischen Medien jedem einzelnen Vorwahlergebnis in Amerika spendieren, und wie relativ wenig Aufmerksamkeit selbst den großen europäischen Staaten gewidmet wird. Dabei wage ich zu sagen: Alleine Frankreich, das schon im April und Mai wählt, ist für die Zukunft Europas wichtiger als alle amerikanischen Vor- und Präsidentenwahlen zusammen.

Denn wir leben ja zum Glück nicht mehr in Zeiten, da das amerikanische Eingreifen einen Weltkrieg entscheidet. Denn wir leben in einer Epoche, wo unser aller Schicksal mindestens ebenso stark von der Europäischen Union wie von den nationalen Regierungen entschieden wird, aber viel weniger von irgendwelchen Entscheidungen Washingtons. Und in der EU erfolgt die entscheidende Willensbildung seit Jahrzehnten durch den deutschen Bundeskanzler und den französischen Präsidenten.

Da mag sich die EU selber noch ein weiteres Dutzend einander eifersüchtig beobachtender Präsidenten für Kommission, Rat oder Euro-Gruppe etc. geben: Das letzte Wort bleibt in Paris und Berlin. Ganz Europa respektiert das, weil es keine funktionierende Alternative gibt. Geschichtsbewusste schätzen das auch deshalb, weil der frühere Antagonismus zwischen den beiden Völkern über zwei Jahrhunderte Europa regelmäßig schwere Konflikte und millionenfachen Tod beschert hat.

Frankreichs Präsidentenwahl ist auch deshalb besonders spannend, weil Nicolas Sarkozy ein impulsiver und überehrgeiziger Politiker ist, dem man vieles Negative nachsagen kann, aber nicht, dass er langweilig oder feige wäre. Noch spannender wird das Rennen dadurch, dass nicht weniger als fünf Kandidaten Chancen haben, zweistellige Prozentanzahlen zu erreichen, und weil es daher mit fast absoluter Sicherheit eine Stichwahl geben wird.

Ein Staatssozialismus nähert sich dem Crash

All diese – fast hätte ich gesagt: sportlichen – Aspekte verblassen aber hinter der wirtschaftlichen Bedeutung. Denn das zweitgrößte Land Europas befindet sich in einer extrem fragilen Position. Ein größerer Crash in Frankreich hätte aber ganz andere Folgen als etwa die griechische Krise der letzten drei Jahre. Und ein solcher Crash hat eine ziemlich große Wahrscheinlichkeit, wenn man sich die französische Realität näher anschaut.

Die wichtigste Ursache der französischen Krise ist die enorm große Rolle des Staates in der Wirtschaft. Das hat die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und seiner Industrien im Lauf der Jahre stark reduziert und die Budgetdefizite stark erhöht. Zugleich haben frühere sozialistische Regierungen etwa durch die Einführung der 35-Stunden-Woche mit populistischen Maßnahmen die französischen Unternehmen belastet. Das wurde von den Gaullisten nicht mehr zurückgenommen. Stehen doch auch sie in einer starken sozialetatistischen Tradition. Ist doch die Rücknahme sozialer Ansprüche in fast keinem Land ohne enormen Widerstand durchsetzbar.

Der französische Staat ist wie ein Luftballon aufgeblasen, der mit einem Reißnagel zum Platzen gebracht werden kann. Frankreich hat heute rund 5,5 Millionen Staatsbedienstete. Das sind um 18 Prozent mehr als vor einem Jahrzehnt. Das ist auch eine halbe Million mehr als in Deutschland (obwohl in der Bundesrepublik 19 Millionen mehr Menschen wohnen als in Frankreich). Der französische Staat kontrolliert darüber hinaus ganze Industriebranchen; er ist an mehr als 800 meist großen Unternehmen signifikant beteiligt.

Zugleich lebt Frankreich in einem höheren Ausmaß als die allermeisten anderen Länder nur vom Konsum, der durch staatliche Schuldenmacherei finanziert wird. Die offiziellen Staatsschulden: Österreich 73 Prozent, Frankreich 86 Prozent. Dabei machen die inoffiziellen – „impliziten“ – Verpflichtungen etwa aus dem generösen Pensionssystem noch ein Vielfaches dieser Werte aus, werden jedoch nirgendwo exakt gemessen. Auch die Staatsausgabenquote (als Anteil am BIP gemessen) ist mit 56 Prozent höher als im ebenfalls ausgabenfreudigen Österreich (52 Prozent), und gleich um zehn Prozentpunkte höher als in Deutschland oder auch Italien.

Deutschland produziert viel billiger

Fast notgedrungene Folge dieses Staatssozialismus: Die Arbeitslosigkeit beträgt 10 Prozent, und von den Jugendlichen ist schon jeder vierte arbeitslos. Dennoch ist bisher jeder Versuch, die Beschäftigungsquote durch eine Liberalisierung des überregulierten Arbeitsmarktes zu erhöhen, sehr rasch immer an aggressiven Demonstrationen und Streiks von linken Gewerkschaften und Studenten gescheitert. Die Profiteure in den diversen staatlich geschützten und gestützten Sektoren sind einfach nicht willens, in eine Wettbewerbswirtschaft zu wechseln. Warum sollten sie auch auf persönliche Vorteile verzichten? Die Folge: Kaum noch ein Arbeitgeber ist willens, neue Arbeitsverträge zu diesen Gewerkschaftsbedingungen zu schaffen.

Denn die Arbeitskräfte sind nicht nur unkündbar, sondern auch teuer, vor allem im letzten Jahrzehnt haben sich die Kosten für Arbeitgeber stark erhöht. Dazu kommen hohe Steuern auf jeden Arbeitsplatz. Heute sind die totalen Kosten für eine Arbeitsstunde in Frankreich um 41 Prozent höher als in Deutschland. Das führt dazu, dass immer mehr, vor allem junge Menschen wenn überhaupt nur noch kurzfristig limitierte Arbeitsplätze finden.

Frankreich agiert zwar heute als eine Führungskraft der EU. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb? – hat das Land es geschafft, große Wirtschaftsbereiche gegen die Herausforderungen, die kurzfristigen Schmerzen, damit aber auch die langfristigen Vorteile eines gemeinsamen Binnenmarktes abzuschotten. Dies gilt insbesondere für die französische Landwirtschaft, aber auch für alle Sektoren, die sich als kulturell ausgeben können.

Und ganz besonders gilt das für die großen französischen Strom- und Telekomkonzerne. Diese sind in den letzten Jahren im Ausland auf große Einkaufstour gegangen, haben aber im Inland jede Konkurrenz für ihre Monopole abwenden können. Vor allem der Stromriese EDF hat dabei freilich durch die günstige Atomstromproduktion auch einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber den von den Atomgegnern lahmgelegten Konkurrenten. Diese Nuklearindustrie hat zweifellos mitgeholfen, dass das französische Wohlfahrtsmodell bisher noch nicht kollabiert ist.

Der Immobilismus der Eliten

Zugleich hat Frankreich eine lange Tradition linksradikaler Intellektueller, welche weit wirklichkeitsfremder sind als etwa die deutschen Sozialdemokraten. Aber auch die weniger radikalen Eliten haben nicht wirklich versucht, die Nation von der Notwendigkeit irgendwelcher Änderungen zu überzeugen. Sie selbst leben ja in dem Immobilismus des französischen Modells nach wie vor gut.

Die Eliten des Landes von links bis rechts tun sich auch nach wie vor schwer mit dem Gedanken, dass Frankreich heute nur noch ein mittelgroßes Land und keine Weltmacht mehr ist. Diese Fixierung auf eine große Vergangenheit behindert aber zweifellos eine echte Zuwendung zur Zukunft.

Auch die starke Zentralisierung des Staates erweist sich immer mehr als eine unheilvolle Tradition. Sie erschwert Flexibilität und Vielfalt. In der Geschichte hat sich bisher immer staatlich gelenkte Industriepolitik als langfristig dem freien Wachstum der Ideen unterlegen erwiesen.

Eine schwere Last für Frankreich ist die große Zahl von Einwohnern, deren Wurzeln in Afrika liegen. Sie haben zwar großteils die französische Staatsbürgerschaft; sie haben aber nur in kleinen Minderheiten zum bildungsmäßigen und zivilisatorischen Standard der Mehrheitsbevölkerung aufschließen können. Sie sind daher nicht nur in besonders hohem Ausmaß arbeitslos, da die meisten einfachen Jobs verschwunden sind. Diese Menschen sind daher eine wachsend aggressive Kraft einer sozialen Destabilisierung. Bisher schien es in Frankreich wenigstens weniger gefährliche islamistische Netzwerke zu geben als etwa in Großbritannien. Das jüngste Blutbad vor einer jüdischen Schule in Toulouse lässt jedoch nun auch in diesem Punkt eine negative Entwicklung befürchten.

Sarkozy: Reden statt Handeln

Sarkozy hat vor fünf Jahren den Eindruck erweckt, als einer der ersten Spitzenpolitiker die französische Krankheit voll diagnostiziert zu haben. Aber er hat dann als Präsident – obwohl im eigenen Land viel mächtiger als der jeweilige deutsche Kanzler in seinem – fast nichts für eine Therapie getan. Sarkozy hat viel geredet und wenig gehandelt.

Zuerst haben die niedrigen Zinsen das anhaltende Schuldenmachen noch erleichtert. Und dann kam die Krise. In dieser hat sich das Defizit für die enormen Sozialausgaben automatisch rasch erhöht, während die Struktur- und Wachstumsreformen erst recht nicht angegangen wurden. Daher fehlt Sarkozy fast jede Glaubwürdigkeit, wenn er jetzt – in der Krise und im Wahlkampf – plötzlich wieder von energischen Reformen redet.

Allerdings: Keiner seiner Konkurrenten scheint auch nur in der Theorie die Reformnotwendigkeiten erkannt zu haben. Die meisten wollen sogar das Schulden-Füllhorn noch weiter über den Wählern öffnen, versprechen noch mehr Wohlfahrt, wollen marode Industrien durch neue Schulden retten. Und sie meinen weiterhin, dass sich schon alles irgendwie ausgehen wird. Oder sie glauben, dass die Deutschen (und einige andere) wie in den letzten Jahrzehnten dafür zahlen werden.

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Die sechs beliebtesten Bildungs-Irrtümer

19. März 2012 02:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Gute Bildung, Schulen, Universitäten sind die wichtigsten Zukunftsinvestitionen. Über diesen Satz besteht heute weitgehender Konsens. Über sonst aber nichts. Denn im Schatten dieses Satzes werden zahllose Ideologie-Spiele betrieben. Diese reichen von ideologischer Gleichmacherei von Ungleichem bis zur kurzschlüssigen Argumentation, dass mehr Geld automatisch bessere Bildung bedeutet.

Viele oft aufgestellte Behauptungen sind schlicht ebenso falsch wie teuer:

  1. Verkleinert die Schulkassen!“ Eine Detailauswertung der Pisa-Studie zeigt, dass das keinen besseren Schulerfolg bringt.
  2. Wir brauchen mehr Akademiker und Maturanten.“ Spanien oder Italien haben von beidem einen viel höheren Prozentsatz als Österreich. Beide stehen aber nicht nur gesamtwirtschaftlich viel schlechter da, sondern haben auch eine viel höhere Jugendarbeitslosigkeit. Die lag etwa in Spanien schon vor der Krise bei 40 Prozent und erreicht nun 50 Prozent.
  3. Erhöhen wir die Akademikerquote!“ Das ist auch deshalb ein Irrweg, solange so viele Uni-Absolventen vom Markt überhaupt nicht nachgefragte Studien absolvieren, wie Publizistik, Politologie, Kunstgeschichte, Pädagogik, Psychologie, Geschichte. Der Wohlstand Österreichs braucht Techniker und Naturwissenschafter sowie einige andere als schwer verschriene Studien. Zugleich braucht er insbesondere mehr gut ausgebildete Facharbeiter. Deren Zahl wird aber zwingend durch eine (erstaunlicherweise auch von der Industriellenvereinigung geforderte) Erhöhung der Akademikerquote noch geringer.
  4. Unser Bildungssystem bevorzugt die Reichen.“ In einer leistungsorientierten Gesellschaft haben die leistungs- und bildungsorientierten Menschen ein höheres Einkommen. Diese Menschen haben aber auch schulisch erfolgreichere Kinder, da sie diesen in der Regel auch den Wert von Leistung und Bildung vermitteln.
  5. Es ist zu früh, wenn Bildungsentscheidungen schon mit zehn Jahren fallen.“ In Wahrheit sind die wichtigsten Bildungsentscheidungen schon beim vierten Geburtstag eines Kindes gefallen. Die liebevolle Zuwendung, die Menge der vorgelesenen Bücher, die Zahl der von Vater und Mutter zum Kind gesprochenen Worte sind zusammen mit dem genetischen Anteil der Intelligenz (der den Genetik-Wissenschaftlern zufolge sehr hoch ist) entscheidend für den ganzen weiteren Lebensweg. Wenn man ein Kind mit solchen idealen Voraussetzungen in den folgenden zehn Jahren nicht spezifisch fordert, unterfordert man es. Damit wäre aber die im Wettbewerb entscheidende Elite – Wissenschaftler, Manager, Richter, Lehrer, Ärzte usw. – qualitativ nicht mehr wettbewerbsfähig.
  6. Die Zentralmatura stellt sicher, dass jede Matura gleich viel wert ist.“ Auch das stimmt nur oberflächlich. Denn wenn etwa für die Matura einer naturwissenschaftlichen AHS die gleichen Aufgaben gestellt werden wie bei einem humanistischen Gymnasium mit viel weniger Mathematikstunden, wird die Vereinheitlichung absurd und kann nur eine Senkung des Niveaus auslösen.

 

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Die lustigen und listigen Spareunfrohs

18. März 2012 01:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ganz Europa spart, spart, spart. Ganz Europa? Nein, ein kleines Land in seiner Mitte und ein großes Land in seinem Süden wollen das nicht so wirklich. Zwar wird auch dort in zahllosen Politikerreden und offiziellen Ankündigungen viel von einem Einbremsen des Schuldenwachstums geredet. Schaut man sich jedoch ihre Taten an, weiß man, dass das Gegenteil zutrifft.

Das eine Land heißt Spanien. Dieses hat gerade zugeben müssen, dass es weder im Vorjahr noch heuer die versprochenen und verpflichtenden Defizitreduktionen realisiert hat, beziehungsweise schaffen wird. Es geht halt nicht. Und die EU nimmt das sehr gleichmütig zur Kenntnis, sie denkt gar nicht daran, die Spanier (oder die ähnlich agierenden Griechen) ebenso zu bestrafen wie die Ungarn. Schließlich haben die Spanier ja nicht eine so komische Sprache wie die Ungarn und einen viel besseren Wein. Daher muss man schon nachsichtig sein.

Gleichzeitig verzichtet Spanien trotz aller Besserungsgelübde – „vorerst“ – nicht nur auf effizientes Sparen, sondern auch auf den Verkauf der beiden größten Flughäfen des Landes. Die Preise seien halt derzeit nicht gut. Interessant. Durch ganz Europa schwappen derzeit milliardenweise die vielen Euro und Dollar, mit denen die amerikanische und die europäische Zentralbank die Märkte überfluten. Aber dennoch will niemand einen spannenden Flughafen kaufen, obwohl Barcelona, Madrid oder Mallorca wirklich wichtige Drehkreuze sind, auch des Tourismus wegen.

Das bedeutet: Entweder ist die Aussage über das Desinteresse der Käufer gelogen. Oder die ganze künstliche Geldschöpfung der EZB fließt gleich wieder zurück in die diversen überschuldeten Staatskassen und in für zukunftssicher gehaltene Länder in Ostasien und Lateinamerika.

Genauso Seltsames erfährt man vom spanischen Fußball. Denn die iberischen Profi-Klubs schulden dem Finanzamt nicht weniger als 752 Millionen Euro. Zugleich wird das Gerücht immer lauter, dass den Klubs jetzt ein Teil davon nachgelassen werden wird. Was ziemlich frech wäre. Da kaufen die Klubs quer durch die Kontinente alles an Spielern ein, was gut und teuer ist; und viele Experten halten Barcelona als Folge dieser Einkäufe heute  für den besten Fußballverein der Welt überhaupt, dicht gefolgt von Real-Madrid. Aber die Klubs können ihre Steuern nicht zahlen. Oder wollen es nicht. Denn bevor sie den jubelnden, aber auch leicht in Zorn verfallenden Massen in den Stadien ihre Circenses entziehen, schnalzen die Klubs lieber den Staat. Und der lässt es sich gefallen. Der Grund ist klar: Mit Fußballfans und Sportjournalisten ist nämlich nicht gut über Sparsamkeit und Ehrlichkeit zu reden.

Wechseln wir nach Österreich. Dort ist ja auch gerade ein „Sparbudget“ mit großem Tamtam und viel Selbstbeweihräucherung beschlossen worden, obwohl es keineswegs die Sparvorgaben erreicht, geschweige denn ein Nulldefizit. Interessanterweise sind auch in Österreich die Sportsubventionen gleich von vornherein vom Sparen ausgenommen worden. Und keine einzige Partei hat etwas dagegen zu sagen gewagt. Man kennt ja die wahren Prioritäten: Panem et Circenses.

Ein bisschen jammern und schon gibt es Geld

Zugleich wird mit jedem Tag die Liste jener länger, die sich mit großem Erfolg aus den Einsparungen hinausreklamieren. So hat das etwa der SPÖ-nahe Verein Gedenkdienst umgehend geschafft. Er organisiert einen Zivil-Ersatzdienst in ausländischen Gedenkstätten, eine bei jungen Wehpflichtigen sehr beliebte Alternative zu Bundesheer oder Altersheim. Kaum haben die Gedenkdiener über bevorstehende Kürzungen geklagt, verkündet Bundesnichtsparkanzler Faymann auch schon, dass sie ihr bisheriges Geld weiter bekommen werden.

Die Folge dieses Erfolgs gegen eine knieweiche Regierung ist klar. Er reizt zur Nachahmung an. Da ist höchstens noch die Frage offen, ob es Hunderte oder gar Tausende anderer Subventionsbezieher sein werden, die in den nächsten Monaten unter Berufung auf dieses Einknicken ebenfalls Kürzungen abwenden werden. Sie alle haben ja in den letzten Tagen gelesen, dass man schon mit ein paar Protestaussendungen spielend leicht Erfolg hat. Und wer einmal einknickt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann von „Jetzt aber nicht mehr“ spricht.

Voll im Einknicken ist auch schon die Justizministerin beim Plan, die kleinen Bezirksgerichte zusammenzulegen, die ja oft nur mit einem oder zwei Richtern besetzt sind. Als erste haben – ausgerechnet – Vorarlberg und das Burgenland ein kategorisches Nein deponiert. Damit ist die Frau Karl sogar schon bei den Zwerg-Bundesländern gescheitert. Jedes Bundesland hat ja nach unserer bisweilen sehr seltsamen Verfassung ein Vetorecht gegen solche Einsparungen des Bundes.

Solche Universalrichter in der Einschicht müssten sich – theoretisch – in jedem Rechtsgebiet perfekt auskennen.  Was natürlich undenkbar ist, schaffen das doch so manche Spezialrichter nicht einmal im eigenen Gebiet. Aber die Qualität der Justiz ist hierzulande ohnedies schon egal. Nicht nur den Landeshauptleuten ist anderes, wie etwa das Wohlwollen einiger Bürgermeister viel wichtiger.

Das Image der Justiz ist jedenfalls total im Keller gelandet: Bei einer neuen OGM-Umfrage hat ihr eine überwältigende Mehrheit der Österreicher das Vertrauen entzogen. Im Vertrauensbarometer landet sie weit hinten. Und sie liegt sogar hinter selbst so umstrittenen Institutionen wie Schule, Krankenkassen, Bundesheer, ÖGB, Kirche, Parlament. Auch wenn an diesem Imageverlust primär die Staatsanwälte die Schuld tragen, so macht das doch auch jeden Justizminister zu einer lahmen Ente. Das gälte auch dann, wenn wir wieder bessere Minister hätten als die derzeitige Ressortchefin, deren einzige Qualifikation die Protektion durch den Herrn Schützenhöfer ist. Dass EU und Bundesregierung noch schlechtere Werte haben, sollte für die einst sehr angesehene Justiz keine Sekunde lang ein Trost sein. Die Justiz wäre auf Grund ihrer Wichtigkeit nur dann in Ordnung, wenn ihr Ansehen das beste unter allen getesteten Institutionen ist.

Sie bereiten schon wieder neue Ausgaben vor

Aber die Glaubwürdigkeit des Landes wird nicht nur durch den Unwillen der diversen Profiteure zertrümmert, auf den langgewohnten Zaster (Copyright: Johanna Mikl-Leitner) zu verzichten. Denn einige Politiker sind sogar schon darüber hinaus wieder unterwegs, um sich neue Ausgaben und damit Schulden auszudenken.

Da fordert etwa Sozialminister Rudolf Hundstorfer öffentlich: Der „Weiterbau“ des Sozialstaats sei das Gebot der Stunde. Selbst wenn solche Sprüche schon primär Teil eines inoffiziellen Wahlkampfs um das Erbe des Michael Häupl sein sollten, zeigen sie doch, wie wenig die Lage der Republik in den Köpfen der Sozialdemokraten angekommen ist. Wäre es anders, könnte Hundstorfer mit solchen Aussagen ja gar nicht Stimmung unter den Genossen für sich machen. Aber es ist zu befürchten, dass er seine Worte auch blutig ernst meint. So bezeichnete er die Notwendigkeit, angesichts einer ständig steigenden Lebenserwartung länger zu arbeiten, schlichtweg als „Mär“. Dieser Mann will offenbar wirklich jede notwendige Reform verhindern.

Zusätzlich das Budget belasten wollen aber auch andere Ministerien. Sowohl die Infrastrukturministerin Bures wie auch die Frauenministerin Heinisch-Hosek haben jetzt angeordnet, dass Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden, die Frauen fördern. Die Heinisch-Hosek-Anordnung gilt auch gleich fürs ganze Bundeskanzleramt, obwohl dort theoretisch ein anderer zuständig wäre. Aber der . . .

Die Weisungen der Ministerinnen werden eine ganz eindeutige Konsequenz haben: Die Aufträge werden im Schnitt für den Steuerzahler deutlich teurer werden. Denn je weniger Konkurrenten um einen Auftrag rittern, umso teurer wird er, umso eher können die Firmen hohe Preise durchsetzen. Außerdem kann jede Firma natürlich zu Recht argumentieren, dass die verlangten Förderprogramme Kosten verursachen.

Diese Verteuerung betrifft alle Ausschreibungen bis 100.000 Euro. Erst bei höheren Beträgen gilt das strenge und objektive Vergabegesetz. Die Schwelle, wo dieses wirksam wird, hat die Regierung Faymann im Handstreich von 40.000 auf 100.000 Euro erhöht. Was natürlich derlei Schiebungen wieder einen weit größeren Spielraum verschafft als vor der schwarz-blauen Vergabereform.

Man darf nun freilich gespannt sein, wie die Zeitungsverleger Fellner und Dichand künftig die „Frauenförderung“ beweisen werden, um weiterhin an die fetten Faymann-Inserate heranzukommen. Vielleicht durch die nachweislich exzellenten Abdruckchancen für leicht- bis gar nicht bekleidete Mädchen? Schöner kann man ja Frauen gar nicht fördern . . .

Die Banken zittern vor Greenpeace

Aus vordergründiger Ideologie gegen die eigene Tasche (beziehungsweise die der Steuerzahler) arbeiten aber neuerdings nicht nur Ministerien, sondern dies tut auch die Bank Austria. Obwohl es ihr ja auch nicht so sensationell gut gehen soll. Die Bank hat jetzt als Folge einer politischen Erpressung durch grüne NGOs den Betriebsmittelkreditvertrag mit der slowakischen Kernkraftwerksgesellschaft gekündigt. Wenn Greenpeace und Global 2000 trommeln, dann verzichtet man eben lieber auf ein gutes Geschäft. Als ob man so viele andere machen würde.

Bleibt noch die Frage offen: Werden künftig in der Bank Austria im Herbst und Winter auch die Lichter und Computer ausgeschaltet? Denn in dieser wasser-, sonnen- und windarmen Periode muss Österreich ja regelmäßig den bösen tschechischen Atomstrom importieren. (Oder weiß das Greenpeace nicht? Dann bitte geheimhalten.)

 

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SN-Kontroverse: Zentralmatura

16. März 2012 00:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist die Zentralmatura überhaupt sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Solidarische Leistungsgesellschaft

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Ab 2013/14 sollen die ersten Maturanten an den allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) eine standardisierte, kompetenzorientierte Reifeprüfung absolvieren; ein Jahr später folgen berufsbildende höhere Schulen und Bildungsanstalten der Kindergartenpädagogik. Künftig werden Kompetenzen und nicht kurzfristiges Detailwissen geprüft. Die Zentralmatura ist alles andere als "leicht" und keinesfalls "gleichmacherisch". Sie findet am selben Tag in ganz Österreich statt. Und sie ist gerechter, denn die Beurteilung erfolgt mithilfe eines standardisierten Beurteilungsrasters. Die Prüfung besteht aus immerhin sieben (!) Teilen. Die Schüler müssen eine "vorwissenschaftliche Arbeit" (AHS) bzw. eine "Diplomarbeit" (BHS) schreiben. Zusätzlich sind drei oder vier schriftliche Klausurarbeiten und drei oder zwei mündliche Prüfungen zu bestehen. Mit der vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) wird die Klage der Universitäten berücksichtigt, wonach Maturanten oft "keine Ahnung" davon hätten, was es bedeute, zu studieren. Anspruchsvoll ist die schriftliche Prüfung: Die Schüler können zwischen drei oder vier Klausuren wählen. Verpflichtend sind an den AHS Deutsch (bzw. die Minderheitensprachen Slowenisch, Ungarisch oder Kroatisch), Mathematik und eine lebende Fremdsprache (Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch). Als vierte schriftliche Prüfung sind, je nach Schultyp, möglich: eine weitere Fremdsprache, darstellende Geometrie, Physik oder Biologie. An den BHS müssen alle Schüler drei Klausuren aus den Gegenständen Deutsch, Englisch, angewandte Mathematik, lebende Fremdsprache oder Fachtheorie schreiben. Die neue Matura bereitet die jungen Leute genau auf das vor, was sie brauchen: Reif sein für die solidarische Hochleistungsgesellschaft.


Am Egotrip zum Megaflop

Andreas Unterberger

Die Idee einer Zentralmatura war richtig. Objektive und hohe Anforderungen würden den Reifezeugnissen wieder einen Wert geben. Kuschelschulen und naive Gutlehrer wären out. Schulen, die gut auf die Matura vorbereiten, bekämen massiven Zulauf. Aber: So, wie die Unterrichtsministerin das Projekt durchpeitscht, geht es daneben. Damit ist gar nicht die bei jeder Änderung übliche Nervosität gemeint. Aber für ein seriöses Vorhaben, das unsere Kinder nicht als Versuchskaninchen missbraucht, wäre eines absolut notwendig: Schon am Beginn der Oberstufe müssten alle Regeln der neuen Matura ausgetestet, fixiert und kommuniziert sein, einschließlich aller Lehrbücher und einer umfassenden Liste der Aufgaben. Das hat Claudia Schmieds Chaostruppe nur in Teilbereichen geschafft.

Die Gleichmacherei-Fanatikerin hinterlässt noch aus einem weiteren Grund ein Fiasko: Sie hat eine Differenzierung der Zentralmatura nach Schultyp verhindert. Daher bekommen die Schüler einer naturwissenschaftlichen Schule die gleichen Mathematikaufgaben wie die einer humanistischen. Auch bei Sprachen wird nicht differenziert, ob diese vier, sechs oder acht Jahre gelehrt worden sind. Noch skandalöser ist, dass bei der Deutschmatura auf Migranten Rücksicht genommen wird. Im Klartext: Perfektes Deutsch ist nicht mehr Voraussetzung für eine österreichische Reifeprüfung! All das führt zu einer weiteren Senkung des Maturaniveaus - obwohl das Gegenteil notwendig wäre. Dazu kommen modische Lächerlichkeiten wie der undefinierbare Begriff "Kompetenzen", der das offenbar altmodische Wissen ersetzen soll. Er wird Schülern so vermittelt: "Man muss nur noch wissen, wo man nachschaut." Um GOOGLE buchstabieren zu können, bräuchte man eigentlich nicht mehr zwölf Jahre in die Schule zu gehen.

 

 

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Die Krise ist vorbei – es lebe die Krise

13. März 2012 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Europas und Österreichs Politiker versuchen den Eindruck zu erwecken, dass die große Krise überwunden wäre. Da die Menschen der schlechten Nachrichten längst überdrüssig sind, sind sie nur allzu gern geneigt, die Botschaft auch zu glauben. Alleine: Die wirtschaftlichen Fakten sprechen eine ganz andere Sprache. Sie bleiben in der Welt, auch wenn man sie verdrängt.

Die Gefahr ist sogar groß, dass gerade die Rettungsmaßnahmen einen Startschuss für die nächste Krise bedeuten, die daher eine direkte Fortsetzungskrise zu werden droht. Vor allem die Politik des billigen Geldes und die ständige Steigerung der Staatsausgaben bergen großes Gefahrenpotential.

Damit wiederholen sich die Hauptursachen des letzten Krisenausbruchs: Nach der Dot.com-Krise 2001/02 haben die westlichen Notenbanken – auf Druck der Politik – eine viel zu expansive Geldpolitik betrieben. Und zugleich war auch die Fiskalpolitik viel zu expansiv. „Die Wirtschaft wurde damals von beiden Seiten befeuert“, formuliert der Makroökonom Peter Brezinschek. Das musste zur Entstehung von Blasen führen, die irgendwann einmal platzen, was dann 2008 mit katastrophalen globalen Folgen passiert ist.

Am Beginn einer österreichischen Immobilienblase

Auch wenn Wissenschaftler in Hinblick auf die Zukunft immer viel vorsichtiger formulieren als bei der Vergangenheit, müsste ein Satz von Christian Helmenstein, einem weiteren prominenten Ökonomen, in ganz Österreich die Alarmglocken schrillen lassen. „Österreich befindet sich möglicherweise an der Schwelle zu einer Immobilienblase. Es gibt aber keinen Politiker, der bereit wäre, eine sich aufbauende Blase zu stoppen.“

Genau solche Immobilienblasen – also steil ansteigende Preise für Häuser und Wohnungen – sind ja am Beginn der jüngsten Krise von Amerika bis Spanien geplatzt. Das hat die bekannten explosiven Kettenreaktionen ausgelöst. Denn ein tiefes Absinken der zuvor in die Höhe gejagten Werte von Immobilien (in Spanien etwa auf ein Fünftel der Spitzenwerte) bringt natürlich nicht nur die Hausbesitzer, sondern auch die kreditgebenden Banken ins Schleudern. Es setzt sie existenzbedrohend „unter Wasser“, wie es die Amerikaner formulieren.

Das, was vor zehn Jahren zu der verheerenden Blasenbildung geführt hat, ist im Grund genau das, was auch jetzt wieder passiert. Die EZB hat mehr als eine Billion Euro an Billigstgeld gegen zum Teil sehr dubiose Sicherheiten unter die Europäer gebracht; ähnliches tun die Amerikaner; zugleich sind die Sparanstrengungen vieler Länder unzureichend. Wir haben also wieder eine leichtfertig expansive Politik, in Sachen Budgets wie auch in Sachen Notenbanken. Die aber keineswegs für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand sorgt.

Die Schweiz gibt weniger aus – und baut Vorsprung aus

Österreichische Spitzenökonomen, die in der Gruppe „proMarktwirtschaft“ zusammengefasst sind, haben nachgewiesen, dass die Schweiz in den fünf Jahren 2006-2010 ihren Vorsprung auf die Euro-Länder drastisch ausbauen hat können: War das (entsprechend der Kaufkraft berechnete) Pro-Kopf-Einkommen der Schweizer anfangs „nur“ um 34  Prozent höher als im Euro-Raum, so stieg der eidgenössische Vorsprung am Ende der Periode auf 47 Prozent.

Damit ist der gesamte Wachstumsvorteil, den die Euro-Einführung ursprünglich im Vergleich zur Schweiz ausgelöst hat, wieder verloren gegangen. Ursprünglich war ja der Euro für viele Länder vorteilhaft, weil er niedrige Zinsen gebracht hat. Jedoch wurden diese in vielen Ländern nicht für Investitionen genutzt (mit denen man die Rückzahlung finanzieren hätte können), sondern für Konsumausgaben.

Die Schweiz hat ihren Wachstums- und Wohlstandsgewinn während der letzten Jahre nicht durch höhere Staatsausgaben oder Verschuldung oder billiges Geld erzielt. Was ja nach der Ansicht von gewerkschaftsnahen Ökonomen die einzigen Wege zu Wachstum wären. Sie hat vielmehr in diesem Zeitraum Staatsausgabenquote wie auch Schulden deutlich zurückschrauben können. Letztere sank (im Zeitraum 2002 bis 2010) etwa von 68 auf 54 Prozent.

Die Ökonomen sehen auch über die Schweiz hinaus eine enge Korrelation zwischen dem Abbau von Schulden und einem steigenden Wachstum. Diese Erkenntnis stellt die einstige Keynesianische Theorie weitgehend auf den Kopf, die zu immer mehr Schulden geführt hatte.

Sparpaket ist völlig unzureichend

In Österreich hingegen steigt trotz dieser Erkenntnisse die Ausgabenquote weiter an. Das Land hat in den guten Konjunkturjahren 2009/10 fast als einziges Euro-Land die Ausgabenquote sogar gesteigert. Auch für die Zukunft schaut es trotz eines angeblichen Sparpakets nicht gut aus. Während die EU eine alljährliche Reduktion des strukturellen Budgetdefizits um 0,75 Prozent verlangt, reduziert Österreich dieses strukturelle Defizit nur um 0,4 Prozent des BIP (Bei der Berechnung eines strukturellen Defizits werden Konjunktur-Effekte herausgerechnet).

Die proMarktwirtschaft-Ökonomen sehen eine jährliche Defizitreduktion von sogar 1 Prozent als leicht möglich an. Alleine in den drei Bereichen Gesundheit (zB.: zu viele Akutbetten, zu viele und medizinisch noch dazu schlechte Kleinspitäler), Pensionen (ein viel zu niedriges Antrittsalter) und Förderungen wäre das Defizit problemlos um sechs Prozentpunkte reduzierbar. In all diesen drei Bereichen ist Österreich weit ausgabenfreudiger als die anderen europäischen Länder. Dabei geht es hier durchwegs um Ausgaben, die nicht wachstumsfördernd sind.

Bankenrettung ist nicht an Krise schuld

Die Daten der Ökonomen widerlegen noch weitere häufig wiederholte Glaubenssätze der österreichischen Debatte. So wird oft behauptet, die Bankenrettungen seien die Hauptursache der angewachsenen Schulden. Dabei macht das ganze Bankenrettungspaket nur maximal 5 Prozent des BIP aus – dies aber nur im Fall, dass das Paket ganz ausgeschöpft wird und keine Gelder für die Partizipationsscheine zurückfließen. Was jedoch als absolutes Worst-Case-Szenario gilt.

Bereits Tatsache ist jedoch, dass die Krise das Defizit um rund 15 Prozentpunkte ansteigen hat lassen. Und der allergrößte Teil der rund 73 Prozent Staatsschulden, die Österreich heute so drücken, ist ja überhaupt in den Jahren vor der Krise, also ganz ohne Bankenrettungen entstanden.

Aber auch diese 73 Prozent sind nur ein kleiner Teil der Wahrheit: Schon  im übernächsten Jahr kommen weitere 4,5 Prozent durch derzeit noch in ausgelagerten Gesellschaften versteckte Schulden hinzu. Die wirkliche – nur selten öffentlich angesprochene – Katastrophe ist aber die implizite Staatsverschuldung. Zu deren Berechnung werden auch all jene Verpflichtungen dazugerechnet, die der Staat jetzt schon eingegangen ist: etwa die künftig auszuzahlenden, aber heute schon bestehenden Zahlungsverpflichtungen für Pensionen, für den öffentlichen Dienst und die Folgen der demographischen Entwicklung.

Helmenstein berichtet von einer neuen deutschen Studie, dass diese implizite Verschuldung in Österreich bereits über 297 Prozent liegt. Zwar sind auch in anderen Staaten solche implizite Schulden aufzufinden. Aber sie liegen etwa in Deutschland um rund hundert Prozentpunkte niedriger als in der Alpenrepublik.  Daher ist ein weiterer Verlust der österreichischen Kreditwürdigkeit, ein neuerliches „Downgrading“ wahrscheinlicher als eine Rückkehr zum Triple-A.

Die Politik als oberster Preistreiber

Auch die Klagen mancher Politiker über die Preissteigerungen der „Wirtschaft“ sind überaus heuchlerisch: Während die gesamte Inflation in Österreich im Schnitt des letzten Jahrzehnt 1,9 Prozent ausgemacht hat, sind die (politisch) administrierten Preise um 2,65 Prozent gestiegen. Das heißt: Die Politik selber ist der größte Preistreiber.

Selbst die einstige sozialdemokratische Vorbild-Region Skandinavien ist kein Exempel mehr für die Politik der österreichischen Regierungen (vor allem der besonders ausgabenfreudigen Landesregierungen), um ihre Schulden- und Ausgabenfreudigkeit zu rechtfertigen. Schweden etwa hat als einziger EU-Staat derzeit ein ausgeglichenes Budget, kann sich daher zum Unterschied von Österreich sein noch immer recht hohes Ausgabenniveau leisten. Es hat aber auch seine Ausgabenquote um nicht weniger als 4,7 Prozentpunkte reduziert. Während eben Österreich diese Quote steigert.

 Mit anderen Worten: Die Politik tut alles, damit sich die Krise recht bald in noch gesteigertem Umfang wiederholt.

 Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Lob, Lob, Lob: von Russland übers Salzkammergut bis in die Hofburg

11. März 2012 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine Leserin hat geschrieben: „Man muss nur die Augen offenhalten, dann sieht man auch das Lobenswerte; man muss es nur sehen wollen“. Ich wollte und ich sah: einen neuerdings ernsthaften Kampf einiger Länder gegen Anonymous und gegen jugendliche Gewalttäter; oberösterreichische und europäische Politiker, die überraschend Rückgrat zeigen; souveräne Russen und sparfreudige Iren; mutige Salzkammergut-Bürgermeister und Hofburg-Geschäftsführerinnen; innovative Steirer und lernwillige Bezirksvorsteherinnen. Daher bin ich sicher: Irgendwann wird mir auch bei der Bundesregierung oder gar unserer Justiz einmal etwas positiv auffallen. Wart ma mal.

Überaus erfreulich ist, dass es in den USA erstmals gelungen ist, eine Gruppe von fünf „Anonymous“-Hackern zu erwischen. Damit ist das Übel zwar noch lange nicht beseitigt. Aber es zeigt: Die Menschheit ist nicht hilflos gegen die elektronischen Giftmischer, die sich als ein neues göttliches Wesen berechtigt fühlen, das Internet und seine Nutzer zu behindern, wann und wo auch immer sie wollen. Gewiss haben es die Herrschaften (meistens sind es ja eher Burschenschaften) wie viele kriminelle Gruppen eine Zeitlang geschafft, unentdeckt zu agieren. Aber irgendwann kommt man ihnen zum Glück halt doch auf die Schliche. Vor allem spricht sich nun auch langsam herum, dass das Tun der Hacker genauso übel ist, wie wenn jemand Strom- oder Telephonleitungen durchschneidet oder Wasserversorgungssysteme zerstört. Jeder, der einmal davon betroffen gewesen ist, hält das eine wie das andere jedenfalls längst nicht mehr für ein lustiges Kavaliersdelikt.

Genauso freuen dürfen wir uns, dass in Irland wieder die Beschäftigung wächst. Die Rückkehr in jene Jahrhunderte, da alljährlich ein Gutteil der irischen Jugend nach Amerika oder sonstwohin auswandern musste, war offenbar nur eine recht kurzfristige. Die Iren haben halt im Gegensatz zu Griechenland auch wirklich beinhart saniert. Zumindest in diesem Fall kann man die europäische Hilfe als durchaus sinnvoll bezeichnen.

Erfreulich ist auch, dass einige europäische Regierungschefs Rückgrat zeigen und den französischen Sozialistenchef Hollande, der wahlkampftaugliche Photos mit ihnen gebraucht hätte, nicht empfangen. Sein Verhalten ist nämlich schon mehr als eine Chuzpe: Europas Sozialisten waren zusammen mit Frankreich jene, die 2010 am lautesten die Hilfsaktionen für die Schuldnerstaaten verlangt hatten. Wenn nun ausgerechnet Monsieur Hollande den Fiskalpakt der EU kündigen will, der ein Eckpfeiler dieser europäischen Hilfspolitik ist, dann ist das ein starkes Stück. Wohlgemerkt: Hollande kritisiert nicht etwa die teuren Hilfsaktionen, sondern nur die Tatsache, dass die Staaten nun zu mehr Budgetdisziplin verpflichtet werden sollen. Daran stört ihn offensichtlich nur eines: dass dadurch die sozialistische Schuldenmachgier beschränkt werden würde. Wenn fast alle europäischen Linksmedien unter Führung des „Spiegel“ jedoch statt dieser Inkonsequenz Hollandes nur seinen Boykott kritisieren, ist das schon recht erstaunlich.

Erfreulich sind auch die Russen. Gewiss nicht wegen der unfreien Präsidentenwahl, aber für ihre Auswahl beim Eurovision Song Contest: Sie schicken eine Gruppe kleiner und faltendurchfurchter Urgroßmüttern in Trachten und mit Bastschuhen ins Rennen. Das zeugt nun wirklich von Lockerheit, Souveränität und Mut. Und es zeigt wohl auch Menschlichkeit in der ja ansonsten total kommerzialisiert-verkrampften Unterhaltungsbranche.

Beifall hat sich auch die deutsche Koalition verdient: Sie führt für jugendliche Straftäter einen kurzen „Warnschussarrest“ ein. Damit kann jungen Gewalt- und Eigentumstätern etliche Etappen früher als bisher beigebracht werden, dass der Staat bei der Verteidigung der gesellschaftlichen Regeln ernst zu machen bereit ist. Die Strategie der Diversion im Hinterzimmer und der vielen Bewährungsstrafen in Serie hat offensichtlich auf viele postpubertäre Köpfe jede abschreckende Erziehungswirkung verfehlt. Jugendliche Täter müssen künftig bisweilen schon beim ersten Delikt einige Tage hinter Gitter, aber eben nur so kurz, dass sie nicht aus ihrem bisherigen Leben in Schule oder Arbeit gerissen werden. Und ohne dass sie im Gefängnis die endgültige Kriminalitäts-Schulung erhalten können.

Lob gibt es auch für Bürgermeister aus dem Salzkammergut. In ihrem – an sich ja problematischen – Kampf zur Rettung der Bezirksgerichte haben zwölf Bürgermeister aus drei Bundesländern nun vorgeschlagen, dass dem von der Sperre bedrohten Gericht in Bad Ischl künftig nicht nur Gemeinden aus Oberösterreich, sondern auch solche aus Salzburg und der Steiermark zugehören sollen. Und das ist nun in der Tat eine historisch mutige Forderung: Das heißt nämlich: Uns sind die Interessen der Bürger wichtiger als die Bundeslandgrenzen! Wie toll wäre es, wenn jetzt auch zwischen Niederösterreich und dem Burgenland in Sachen grenznaher Spitäler so gedacht würde. Oder zwischen dem Südburgenland und der Steiermark. Irgendwie stelle ich mir aber auch vor, wie lautstark in den letzten Tagen einige Telephonate aus Grazer, Linzer und Salzburger Landeshauptmannbüros Richtung Salzkammergut gewesen sein dürften . . .

Nochmals Oberösterreich: Da hat der grüne Umweltlandesrat Rudi Anschober eine Antiatom-Aktivistin vor Gericht gebracht. Sie hatte einige Stunden das Anschober-Büro besetzt. Das ist nun wirklich interessant: Sobald ein grüner Politiker Opfer einer der vielen rechtswidrigen NGO-Aktionen im ökologisch-grün-aktivistischen Umfeld wird, zögert der nicht mit dem Weg zu Gericht. Wenn das hingegen ein anderer Politiker täte, würde der grüne Hysterie-Protest im Parlament sofort die übliche schrille Lautstärke erreichen. Aber wir wollen Anschober jetzt ob seines ungrünen Verhaltens nicht tadeln, sondern ihn vielmehr der restlichen Politik als Vorbild vorhalten. Wenn sich ein Grüner gegen einen Rechtsbruch wehren darf, dürfen das vielleicht künftig auch die anderen wieder. Erstaunlich bleibt freilich, dass auch in Oberösterreich üblich und durch diesen Konflikt bekannt geworden ist, was an dieser Stelle schon als Wiener Skandal gegeißelt worden ist: Eine Antiatom-Gruppe bekam vom Land Geld dafür, dass sie das Land agitatorisch unter Druck setzte – freilich nur so lange, bis sie ein grünes Büro besetzte. Wollte uns Herr Anschober gar zeigen, wie viel Einsparungspotential noch in den Ländern versteckt ist? Auch das wäre freilich sehr lobenswert (zumindest wenn es Folgen hat).

Der Steiermark wiederum geht es schlecht, dass man dort ernsthaft die Zusammenlegung dreier großer Grazer Spitäler plant (was freilich noch keine Realisierung bedeutet). Und noch sensationeller: Die Führung des Zusammenschlusses soll den Ordensspitälern übertragen werden. Diese können zwar auch nicht mehr wie einige Generationen früher die Arbeitskraft von Ordensschwestern und -brüdern ausbeuten, aber sie arbeiten und organisieren so effizient, dass sie österreichweit um rund zwanzig Prozent pro Patient, pro Nacht, pro Behandlung billiger sind. Vielleicht nur deshalb, weil dort kein Politiker Posten besetzen kann, keine Krankenschwestern-Gewerkschaft die Arbeit sabotieren kann, und keine politisch bestellte Spitalsleitung wie etwa im Wiener AKH Ausschreibungen schieben kann?

Wechseln wir nach Wien. Im ersten Bezirk der Stadt hat die Vorsteherin Ursula Stenzel ihren schwachsinnigen Widerstand gegen eine Garage unter dem Neuen Markt aufgegeben. Sie kämpft nun plötzlich für eine Garage. Die schon lange und dringend fällig war. Denn sie würde den schönen Platz autofrei machen und dennoch Autofahrern in einem zentralen Bereich der Stadt eine bessere Zufahrt ermöglichen. Wie bei Anschober gilt auch bei ihr: Man soll niemandem fürs Gescheiterwerden tadeln, Politiker schon gar nicht.

Ebenfalls im ersten Bezirk wird im kommenden Fasching der Nachfolger des WKR-Balls stattfinden: der „Wiener Akademikerball“. Und Schauplatz ist – die Hofburg. Veranstalter sind halt nicht mehr die Burschenschafter, sondern die Wiener FPÖ. Man darf gespannt sein, ob Casinos, Hotel Sacher, Verkehrsbüro und Konsorten – also die Eigentümer – den Ball auch dann verbieten wollen, wenn eine normale Partei ihn veranstaltet. Lobenswert ist jedenfalls die mutige Geschäftsführerin, die das absurde Verbot solcherart wieder ausgehebelt hat. Aber sie kommt aus Tirol, da fürchtet man sich nicht so schnell.

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Warum Privat halt doch besser wäre

08. März 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist an sich ein erfreuliches Zeichen: Erstmals seit Jahren reden Politiker wieder von Privatisierungen. Gewiss wäre es besser, sie würden nicht nur reden, sondern auch handeln. Aber immerhin: Die ÖVP wagt zumindest das Reden – freilich erst nach dem Sparpaket.

Warum überhaupt sind Privatisierungen wünschenswert? Man sollte sich das immer wieder in Erinnerung zu rufen, seit die Anhänger einer Staats- und Planwirtschaft in vielen Medien so erstaunlich laut geworden sind.

Erstens arbeiten Privatbetriebe um 10 bis 15 Prozent effektiver (es sei denn, sie haben ein unangreifbares Monopol). Aus vielerlei Gründen: Dort gibt es keine Manager und Mitarbeiter, die nur ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit wegen ausgewählt wurden. Dort fließt nicht ständig Sponsoring-Geld für Parteien und Vorfeldorganisationen. Dort gibt es einen Eigentümer, der viel intensiver auf das Unternehmen schaut als Politiker in der Eigentümerrolle, die ja primär wiedergewählt werden und höchstens sekundär Gewinne oder Substanzvermehrung erzielen wollen. Dort kann kein Eigentümer von Parteifreunden unter Druck gesetzt werden, Aufträge gezielt an sie zu vergeben. Dort kann niemand durch öffentliche Agitation der Gewerkschaft erpresst werden – was ja beispielsweise die AUA jahrzehntelang schwer geschädigt hat. Dort wagt man es auch, gegebenenfalls betriebsnotwendige Kündigungen auszusprechen.

Zweitens geht es mehr als 90 Prozent der privatisierten Unternehmen nachher deutlich besser. Was dann auch wieder Steuern in die Staatskassa spült.

Drittens und derzeit besonders aktuell: Viele Formen der Korruption sind nur in staatlichen Unternehmen möglich. Es ist etwa denkunmöglich, dass ein privater Eigentümer die Bank Burgenland um 55 Millionen zu billig hergegeben hätte.

Viertens sind auch die Einmaleffekte eines Verkaufs nicht zu unterschätzen. Selbst das der Arbeiterkammer nahestehende Wirtschaftsforschungsinstitut hat rund um das Sparpaket Verkäufe von Unternehmen aus Bundes- und Landesbesitz empfohlen. Das hätte nach Wifo-Schätzung fast die Hälfte jener Summe hereingespielt, die das Sparpaket in den nächsten fünf Jahren vor allem durch höhere Lohnnebenkosten und Steuern (also pure Wachstumskiller!) bringen soll.

All diese Argumente werden dadurch nicht entkräftet, dass es einzelne Staatsbetriebe gibt, die erfolgreich und effizient geführt werden. Als Beispiele könnten etwa die Schönbrunn-Betriebsgesellschaft oder der Verbund dienen.

Das einzige Problem: In Zeiten, wo der Staat Finanz-, Bank- und Börsegeschäfte durch ständig neue Steuern bestraft, tragen immer mehr Investoren ihr Geld lieber ins Ausland, statt als Käufer eines Staatsbetriebs zur Verfügung zu stehen. Sie tun das so intensiv, dass sich Brasilien, eines der derzeit beliebtesten Zielländer, derzeit schon über den Tsunami an europäischen Geldern beklagt.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Verwaltungsreform-jetzt: Zum „Sparpaket“

05. März 2012 16:42 | Autor: Wolfgang Bauer
Rubrik: Gastkommentar

Wir wissen also spätestens jetzt, dass die Strukturreformen, die Österreich in die Lage versetzen würden, im globalen Wettbewerb ein Land mit guten Löhnen und Sozialstandards zu bleiben, trotz der gegebenen Riesenchance wieder nicht angegangen worden sind.

Wir wissen auch, warum: Weil die Gewohnheitspolitiker damit ihre Macht- und  Pfründebasis aufgeben würden. So, wie sie gebaut sind und so, wie das parteipolitische Krakensystem sie einschnürt, können sie das nicht, selbst wenn es einzelne wollten.

Somit müssen wir die Konsequenzen ziehen: Das Volk muss sich in Massen klar artikulieren und seine Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Und zwar außerhalb von Wahlen, jetzt! Das muss eine überparteiliche Massenbewegung werden, denn die Parteien gleichen einander darin wie ein Ei dem anderen (siehe Kärntner Parteienfinanzierungsbeschluss mitten im Wahlkampf – von allen Parteien mitgetragen). Die Politiker müssen beginnen, sich vor den Konsequenzen existenziell zu fürchten!

Dazu ist das Internet ideal, auch für Menschen, die sich sonst wenig damit beschäftigen. Das nützt unser Internet-Volksbegehren 2.0 www.verwaltungsreform-jetzt.at  (bisher 14.000 Unterstützer).

Wenn das schon zu viel verlangt ist zur Rettung unserer Zukunft, dann verdienen wir es nicht anders. Aber was kann die Jugend, die zukünftige Generation, dafür, die unseren Schuldenwahnsinn ausbaden muss? Kaum mehr Pensionen, Mangelstaat mit hohen Steuern et cetera? Es ist moralische Pflicht der Älteren und Notwendigkeit für die Jungen: Die Politik zur Ordnung im Staatshaushalt zu zwingen. Sie kann es nicht allein!

Das ist doch nicht zu viel verlangt? Wir selbst haben es in der Hand! Tragen Sie Sich jetzt selbst auf der Webseite www.verwaltungsreform-jetzt.at ein, wenn das noch nicht erfolgt ist und motivieren Sie alle Freunde, Bekannten, Verwandten, … dazu ! Es ist fünf vor zwölf – und wir können den Abstieg Österreichs noch vermeiden!

Lassen Sie unser aller Zukunft nicht im Stich!

Mag. Wolfgang Bauer ist Verantwortlicher für die Initiative www.verwaltungsreform-jetzt.at

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Millionengrab ÖH: Ein Cafe wird rot

01. März 2012 01:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 

Die grün-kommunistisch-sozialistische Führung der Hochschülerschaft donnert derzeit gleich doppelt gegen die Wand: Zuerst beschließt sie, riesige Beträge an Zwangsgebühren im Kampf gegen die Studiengebühren zu vergeuden; und jetzt dürfte auch für das teure Skandalprojekt der ÖH, das „Cafe Rosa“, das Aus gekommen sein.

Die Cafe-Peinlichkeit reiht sich nahtlos an die anderen Seltsamkeiten dieser Hochschülerschaft. Diese wird von Zwangsbeiträgen aller Studenten gefüttert. Was freilich nicht heißt, dass sie damit sorgsam umgehen würde. Was freilich nicht heißt, dass sie die Interessen aller Studenten vertreten würde.

Denn diese sind, wie jüngste Meinungsumfragen zeigen, im Gegensatz zu den ÖH-Funktionären mehrheitlich eindeutig für Studiengebühren und Zulassungsbeschränkungen an den Universitäten. Diese Einstellung spricht für die Reife und Intelligenz der Studenten. Weniger Reife und Intelligenz zeigen sie freilich, wenn sie regelmäßig in großer Mehrheit den ÖH-Wahlen fernbleiben. Denn das ermöglicht extremistischen Randgruppen, die Mehrheit zu erringen, das Geld aller Studenten zu verschwenden, sich als deren Sprecher auszugeben und gegen deren Interessen zu arbeiten.

Es liegt auf der Hand, dass ein unbeschränkter und unentgeltlicher Hochschulzugang nicht im Interesse der Studenten liegt. Diese können ja nur dann ordentliche Studienbedingungen vorfinden, wenn nur jeweils so viele Studenten zugelassen werden, wie ordentlich betreut werden können. Mit ihren Forderungen, es müsse anstelle von Zugangsbeschränkungen unbegrenzt Geld her, kann die ÖH-Führung in Zeiten wie diesen höchstens noch eine Laura Rudas überzeugen.

Die ÖH-Führung fällt aber nicht mehr bloß durch die Skurrilität ihrer politischen Aussagen auf, sondern auch durch die Vernichtung der Beitragsgelder der Studenten. Was besonders absurd ist, weil die selbe ÖH gleichzeitig jeden Tag betont, dass auch ein nur mäßiger Beitrag der Studenten zur Finanzierung ihres Unterrichts nicht zumutbar sei.

Die ÖH will nun Tausende Studenten gegen die Studiengebühren klagen lassen – und hat dafür Millionen Euro an Ersparnissen aufgelöst. Klagen haben nämlich das blöde Risiko, das man sie auch verlieren kann. Daher will die ÖH die gesamten Prozess- und Anwaltskosten aus der gemeinschaftlichen Zwangs-Schatulle aller Studenten bedecken. Das ist zwar ein bisserl ein Amtsmissbrauch, aber die extremistischen Linksfraktionen genehmigen sich diesen vorsichtshalber „demokratisch“ (wobei ihnen immer wieder die sich als unpolitisch tarnenden Fachschaftslisten die Mauer machen).

Es wird mit Millionenrisiko auf Kosten der Zwangsbeiträge geklagt, obwohl zur Klärung der Rechtsfrage auch ein einziger Musterprozess genügen würde. Eine Konzentration auf einen Musterprozess würde sowohl die ÖH- wie auch die Unibudgets schonen.

Es wird mit Millionenrisiko auf Kosten der Zwangsbeiträge geklagt, obwohl die Uni-Rektoren bei der Wiedereinführung der Studiengebühren ohnedies sehr knieweich vorgehen: Zumindest die Rechtsansicht des Wissenschaftsministeriums würde den Unis nämlich die Einführung von Gebühren für alle erlauben. Dennoch wird nur eine kleine Minderheit von Studenten mit der Gebühr belastet. Die Einführung für alle, die sich‘s leisten könnten, hat man sich nicht getraut. Offenbar haben die Unis eh genug Geld.

Das Ministerium ist nach Aufhebung der bisherigen Regelungen durch das Verfassungsgericht jedenfalls der Ansicht, dass jede Uni frei in der Gebührenfestsetzung sei. Objektiverweise muss man freilich festhalten, dass es sich dabei primär auf ein naturgemäß immer problematisches Gutachten eines Heinz Mayer stützt. Eine rechtliche Absicherung der Studiengebühren ist jedoch bisher an der SPÖ gescheitert.

Die Hochschülerschaft kämpft jedenfalls mit großem Geldeinsatz aus den Gebühren aller für die rund 15 Prozent der Studenten, die schon früher gebührenpflichtig waren und die es jetzt wieder werden: Das sind Nicht-EU-Ausländer und Bummelstudenten, die schon saftig mit dem Studium in Verzug sind.

Randbemerkung: Einige Unis wollen seltsamerweise nicht einmal dieser Gruppe eine Studiengebühr vorschreiben, nämlich die  Kunstunis. Obwohl dort die Kosten pro Student die weitaus höchsten sind. Obwohl es dort die höchsten Ausländeranteile gibt, in manchen Fächern über 90 Prozent. Im Klartext: Die Steuerzahler subventionieren mit viel Steuergeld Japaner und Südkoreaner, die mit dem Imagegewinn durch ein Studium in der Welthauptstadt der Musik Karriere machen wollen. Dabei stammen diese in den meisten Fällen aus durchaus begüterten Familien. Wir subventionieren jeden einzelnen von ihnen mehr als den österreichischen Durchschnittsstudenten, und auch mehr als jeden, der zukunftswichtige und teure Studien wie Technik und Naturwissenschaft belegt.

Das kapitalistische Los des antiheteronormativen Cafes

Aber zurück zum geldverschwenderischen Kampf der ÖH gegen die Interessen der Studenten. Die Dummheit dieser Agitation wird noch durch die Vorgänge rund um das „Cafe Rosa“ weit übertroffen.

Mit diesem Cafe hatte sich die ÖH der Wiener Uni über einen Verein als Unternehmer versucht. Und schweren Schiffbruch erlitten. Dieser Schiffbruch wird im Ideologen-Slang einer Maria Clar von der ÖH-Führung so umschrieben: „In den Evaluierungen zeigt sich, dass ein emanzipatorisches Projekt in einem kapitalistischen System einfach sehr schwer umsetzbar ist.“

Auf Deutsch bedeutet das: Alle Angestellten sind bereits ganz kapitalistisch gefeuert worden. Auf der Homepage des Cafes hat es seit einem Monat keine Eintragung gegeben, und seit August nicht einmal ein Posting. Derzeit stehen die ÖH-Linksfunktionäre selbst hinter der Theke. Sofern diese noch offen hat. Offiziell wird freilich eine Schließung dementiert.

Das Linksradikal-Cafe der ÖH, genauer gesagt des von der ÖH finanzierten „Vereins zur Förderung der Emanzipation von Studierenden“, war nicht gerade billig: Bisher hat es nach Angaben von ÖH-Funktionären schon 500.000 Euro gekostet. Aus den Taschen aller Studenten.

Die Täter wollen über das Lokal „Diskussion über ein System erreichen, das sich nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht nach Kapitalakkumulation richtet.“ Zu den Bedürfnissen der Menschen zählt es laut ÖH offenbar, für solche Projekte ungefragt zahlen zu müssen.

Zu den Bedürfnissen eines ÖH-Menschen wiederum gehört nicht nur der teure, aber zumindest harmlose Fair-Trade-Kaffee, sondern auch die „Verschriftlichung politischer Grundsätze“. So mussten sich die Mitarbeiter beispielsweise verpflichten, eine „antiklerikale Gesinnung“ umsetzen, ebenso wie alle anderen Adjektiva, die sich in jener Verschriftlichung finden. Diese lauten im O-Ton: „basisdemokratisch, feministisch, antisexistisch, progressiv, antidiskriminierend, antirassistisch, emanzipatorisch, ökologisch-nachhaltig, antifaschistisch, antinationalistisch, antiklerikal, antipatriarchal, antiheteronormativ, antikapitalistisch und solidarisch.“

Solche in Summe zweifellos totalitären Anstellungserfordernisse sind zwar bei einem mit öffentlich-rechtlichen Geldern geführten Betrieb eigentlich grob verfassungswidrig. Das stört aber die rot-grünen Dumpfgummis nicht weiter. Freilich könnten ob dieser Verfassungsverletzung angestrengte Verfahren das Loch in der Rosa Kassa noch weiter vergrößern. Was natürlich dann sicher wieder eine echt kapitalistische Gemeinheit wäre. Außerdem gilt ja bei der ÖH stets die Regel: Wenn irgendwann einmal auf den ideologischen Griff in die Kassa rechtliche Konsequenzen folgen sollten, ist ja längst eine andere Führung im Amt, die von nichts etwas weiß.

Aber dafür hat das Cafe Rosa auch am Männerklo Wickelplätze. Diese wurden, so schildern Lokalbesucher, primär zum Abstellen von Bierflaschen verwendet. Man kann nur hoffen, dass diese Flaschen wenigstens im Lokal selbst erstanden worden sind. Denn viele Besucher haben das Cafe Rosa nur als Gratis-Wärmestube benutzt. Gab es doch dort keinen kapitalistischen Konsumzwang . . .

PS.: Kleine medienpolitische Notiz am Rande: Es ist amüsant, wie sehr sogenannte Qualitätsmedien in ihrem verzweifelten Kampf, doch noch ein paar studentische Leser und Käufer zu finden, diese ausgerechnet durch ständige Interviews mit Binnen-I-Menschen der ÖH ansprechen wollen. Obwohl das der allersicherste Weg zur Vertreibung studentischer Leser ist.

 

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Beihilfe zum Brain drain

26. Februar 2012 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele Ministerreisen und Pressekonferenzen waren in den letzten Jahren dem Thema gewidmet: Österreich will viele der Zehntausenden klugen und fleißigen Landsleute zurückholen, die im Ausland in Wissenschaft oder Wirtschaft Karriere gemacht haben. Man hat erkannt, dass gerade diese Menschen die Produktivität eines Landes steil nach oben schnallen lassen. Dass es keine bessere Wachstums-Investition gibt als eine solche Rückholaktion.

Viel von einem Erfolg der Rückholungen gehört hat man in der Folge nicht mehr. Da und dort gab es zwar den einen oder anderen Biologen, der aus Kanada zurückkehrte, als er dort Streit hatte und hier ein großes Labor zu leiten bekam. Das wars dann aber auch schon.

Gleichzeitig gehen weiterhin jedes Jahr Heerscharen junger, um viel Geld – aber ohne den kleinsten Eigenbeitrag in Form von Studiengebühren – ausgebildeter Menschen ins Ausland. Und nur ein Bruchteil kehrt zurück. Die Migrationsbilanz wurde statt dessen primär durch Verwandtennachzug aus der Türkei, dem Nahen Osten und Afrika numerisch aufpoliert. Die Beschäftigten- und Produktivitäts-Statistik hingegen keineswegs.

Und mit dem jüngsten Steuererhöhungspaket macht die Regierung die Chance auf vermehrte Rückkehrerströme qualifizierter Landsleute endgültig zunichte.

Denn wenn man die ohnedies schon exorbitante Einkommensteuer für Leistungsträger, also Menschen mit hohem Einkommen um bis zu zwölf Prozent (=sechs Prozentpunkte) erhöht, werden noch viel weniger Lust zur Rückkehr haben. Da können auch Walzer, Sachertorte, Hochquellenwasser, Oper, Musikverein, Berge und Skilifte noch so locken. Das konsumiert man als geborener Österreicher zwar gerne bei Urlaubsreisen. Seine Existenz will man aber beim Blick auf den drohenden Steuerbescheid hier nicht mehr aufbauen.

Dazu kommt die in vielen Bereichen beobachtete Abstoßungsreaktion: Wer längere Zeit im Ausland war, der wird in vielen Unternehmen von den Kollegen nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen. Der hat seine Intrigennetze nicht aufbauen können. Der gilt als gefährliche Bedrohung einer sich geschlossen fühlenden Gesellschaft. Daher können an österreichischen Universitäten weiterhin Professoren berufen werden, die nie ins Ausland gegangen waren, die nicht einmal das eigene Haus je verlassen haben. Bei der letzten Wahl eines Rektors der Wiener Uni hat es gar Gelächter ausgelöst, als sich ein Ausländer ohne deutsche Muttersprache beworben hat.

In der Naturwissenschaft gibt es noch einen weiteren Faktor, der den Weg nach Österreich unattraktiv macht: hierzulande sind alle Forschungsgebiete, die mit den Worten Hormon-, Atom- oder Gen- zusammenhängen, total tabu (sofern es nicht um Medizin geht). Jedoch sind das gerade die Disziplinen, in denen international die Post abgeht.

Die Minister sollten sich daher in Zukunft weitere Rückhol-Reisen nach Amerika&Co ersparen. Das wäre wenigstens ein Sparerfolg.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

 

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Schwänzen und Schwindeln: die linke Schwundgesellschaft

25. Februar 2012 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Werner Faymann offenbart in seiner Schlichtheit das Grunddilemma der heutigen Sozialdemokratie. Das passiert ihm gerade dann, wenn er unvorbereitet über scheinbar marginale Dinge reden muss wie das Schuleschwänzen. Weltfremde und ahnungslose Träumereien entpuppen sich als die zentrale Weltanschauung der Linken des 21. Jahrhunderts.

Da hat der schwarze Staatssekretär Sebastian Kurz einen Vorschlag gemacht (und blau-orange Zustimmung gefunden): Man solle den gesetzlichen Strafrahmen drastisch erhöhen, wenn sich Eltern absolut nicht um den Schulbesuch ihrer Kinder kümmern. Und was antwortet Faymann? Schon bisher sei die niedrige Höchststrafe fast nie ausgeschöpft worden.

Mit dieser Antwort zeigt der ehemalige Jusstudent (der freilich keine einzige Prüfung absolviert haben dürfte, jedenfalls jede Auskunft zu seinem Studienerfolg verweigert), wie wenig er von Gesetzen und deren Anwendung versteht: Denn Höchststrafen sollen natürlich immer nur dann verhängt werden, wenn das Delikt unter besonders üblen Begleitumständen begangen worden ist. Beispielsweise wenn es um einen Wiederholungstäter geht, wenn zahllose Bitten, Mahnungen und Aufforderungen ignoriert worden sind (etwa weil sie von einem weiblichen Lehrer kommen), doch den Sprössling regelmäßig zur Schule zu schicken. Dann und natürlich nur dann ist die Höchststrafe fällig, egal ob sie nun 220, 440 oder 1500 Euro beträgt.

Noch bezeichnender aber sind die roten Gegenvorschläge: Man müsse zuerst die Motive des Schulschwänzens erforschen. Ach wie rührend! Vielleicht redet Faymann halt wenigstens ein einziges Mal mit Lehrern über die Probleme in den Schulen und nicht nur mit seinem Parteigenossen Androsch und dessen Zechkumpanen. Dann könnte er dem Steuerzahler teure und langwierige Studien ersparen.

Freilich bergen solche Gespräche eine Gefahr: Die Lehrer könnten ja wissen, worum es geht, und das könnte sich von den Wachträumen linker Kuschelpädagogik ziemlich unterscheiden.

Die Motive des Schulschwänzens sind Hunderte Male analysiert worden. Sie finden sich in dem Umstand, dass speziell pubertierende Burschen phasenweise null Lust auf die Schule haben; dass in einer reizüberfluteten Welt die Frustrationstoleranz gegenüber schlechten Noten steil gesunken ist; dass manche islamische Zuwanderer den Schulbesuch junger Mädchen als verzichtbaren Luxus ansehen; dass manche Eltern heute nicht mehr begreifen, dass es ihre Pflicht ist, den Kindern deren Pflichten klarzumachen; dass der Zeitgeist überhaupt vergessen hat, dass Bürger oder gar auch Kinder im Wohlfahrtsstaat noch ein paar Pflichten haben; dass viele Eltern sich nicht mehr durchsetzen können; dass Erziehung a priori als des Teufels gilt. Gleichzeitig gibt es im wirklichen Leben keine erfolgreichen Erziehungsmodelle (höchstens schwammige Theoretisierereien), die ganz ohne Zwang auskommen. Selbst die einstige antiautoritäre Vorzeigeschule Summerhill ist heute längst wieder ganz auf Disziplin ausgerichtet.

Bei uns hingegen hat man den Lehrern in den letzten Jahrzehnten ein Erziehungsmittel nach dem anderen genommen. In dieser Situation können finanzielle Konsequenzen durchaus ein effizientes Erinnerungsmittel sein. Niemand wird es für sehr sinnvoll halten, wenn statt dessen etwa die Polizei Kinder in die Schule schleppen müsste. Für manche Eltern ist eine Geldstrafe sogar ein hilfreiches Argument, um ihren Sprösslingen Dinge klarmachen zu können.

Aber natürlich geht es nicht mehr nur ums Schulschwänzen, wenn man diese Jugendlichen wirklich retten will. Es geht darum, den Lehrern wieder über den Ruf nach dem Sozial und Psych-Arbeiter hinausgehende Erziehungsmittel unmittelbar in der Klasse in die Hand zu geben. Es geht darum, angesichts versagender Elternhäuser wieder einige Ersatzstrukturen aufzubauen: Dabei geht es um ein Bündel von Konsequenzen, wenn Hausübungen nicht gemacht werden, wenn Lehrer beleidigt werden, wenn Mitschüler gemobbt oder gar verprügelt werden, wenn sonstwie die Schulordnung grob gestört wird. Die linke Standardantwort, das sei ja Rohrstaberlpädagogik kann nur noch Verachtung auslösen – vor allem, weil niemand von Prügelstrafen gesprochen hat, nicht einmal für prügelnde Schüler.

Noch absurder und noch teurer als dieses SPÖ-Geschwurbel, statt angesichts eines klar erkannten Problems zu handeln, wieder einmal einer Gruppe Soziologen einen Motivforschungsauftrag zukommen zu lassen, ist die Idee von Sozialminister Hundstorfer: Er will keine Strafen, sondern jedem Problemjugendlichen gleich einen Coach des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellen. Vielleicht auch noch eine goldene Uhr?

Natürlich darf man objektiverweise auch nicht verschweigen, dass wir es hier wieder einmal mit einem Problem vor allem jugendlicher Migranten zu tun haben. Keineswegs ausschließlich, aber dominant.

Das zeigt eine neue Studie über jene 16- bis 24-jährigen Drop Outs, die weder irgendeiner Ausbildung noch irgendeinem Beruf nachgehen: Bei den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund sind das 5,9 Prozent; bei den im Ausland geborenen beträgt der Anteil hingegen 18,8 Prozent, also mehr als drei Mal so viel. Zum Glück ist das nur eine Minderheit. Zum Glück für Österreich sind diese Prozentsätze in fast allen anderen Ländern höher. Aber das kann kein Grund sein, die wachsende Problematik zu ignorieren. Vielen Ausländerfamilien muss einfach erst klargemacht werden, dass es bei uns Regeln gibt, die einzuhalten sind, die nicht nur unverbindliche Empfehlungen sind. Ein Staat, der sich dem einstigen linken Zeitgeist folgend nur noch repressionsfrei gibt, muss in der Auseinandersetzung mit ganz fremden Kulturen kollabieren.

Die SPÖ-Reaktion beim Thema Schulschwänzen reiht sich aber nahtlos an ihre Stellungnahmen zum Thema Schwindeln. Da hat doch ein Schuldirektor die logische Idee gehabt, während einer Schul- oder Maturaarbeit durch einen Störsender die Kommunikation via Handy nach außen zu unterbinden. Es soll ja nicht ganz selten passieren, dass ein Schüler nur zu solchen Kommunikationszwecken während der Arbeit aufs Klo geht. Und was war die Reaktion der Un-Unterrichtsministerin Schmied auf den Störsender?

Sie hat dem Direktor nicht gegen die Fußangeln der Telekommunikationsgesetze geholfen (also jener Gesetze, die sich die Telekom selber seit Jahrzehnten wünschen und formulieren durfte). Sie hat sich vielmehr über den Direktor empört. Sie hat erklärt, Schummeln würde im Zeitalter der Kompetenzorientierung eh überflüssig (Kompetenzorientierung ist ein bei linken Pädagogen beliebtes Tarnwort dafür, dass Schüler künftig überhaupt nichts mehr lernen müssen). Und selbstverständlich stimmte die SPÖ keiner Novelle zu, die einen lokal und zeitlich eng begrenzten Einsatz von Störsendern mit dem Telekommunikationsrecht kompatibel machen würde.

Die Denkwelt Schmieds, Faymanns und Hundstorfers ist überaus typisch für die geistige Degeneration der Sozialdemokratie. Pflichten und Zwänge sind pfui. Alle sind immer nur Opfer, die man nur ja nicht hart anfassen dürfe. Dabei war diese Partei noch in der Zwischenkriegszeit eine Vorkämpferin von Disziplin, Bildung und Erziehung. Dabei hatte die Partei damals noch das klare Ziel eines ökonomischen Aufstiegs der Arbeiter durch Leistung. Heute ist die Sozialdemokratie hingegen unter dem Einfluss der 68er Bewegung zu einer Interessenvertretung der leistungsabstinenten Wohlfahrtskonsumenten verkommen.

Da sehnt man sich geradezu nach einem Alfred Gusenbauer zurück, der zumindest verbal noch von einer Hochleistungsgesellschaft geträumt hat. Faymann, Schmied und Hundstorfer wissen hingegen wohl nicht einmal mehr, wie man Leistung buchstabiert.

 

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Wien: ein mafiöser Selbstbedienungsladen

24. Februar 2012 15:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das eigentlich zuständige Sozialministerium verschleiert zwar die Daten. Aber irgendwann wird halt jede Misere dennoch bekannt. Die Daten zeigen, in welch skandalösem Umfang das rote Wien im Vergleich zu den anderen Ländern zu einem unkontrollierten Selbstbedienungsladen geworden ist, gegen den sogar die Telekom eine halbehrenwerte Firma sein dürfte, bei der es nur um Dutzende Millionen Schaden geht, während es beim Rathaus um Milliarden an verbranntem Geld geht. Woran sich durch den Geschäftseinstieg der Grünen nur eines geändert hat: dass in Wien jetzt noch weitere Geschäftsführer mitnaschen.

Es waren zwei schockierende Tatsachen, die in dieser Woche bekanntgeworden sind. Zum Teil ist dafür den Rechercheuren der Austria Presse Agentur zu danken, zum anderen Teil der (vielleicht gar aus jahrelangem Schlaf erwachenden?) Volkspartei. Jedenfalls wäre es in beiden Fällen eigentlich längst moralische Pflicht des zuständigen Sozialministeriums gewesen, solche Vergleichsdaten laufend zu recherchieren und veröffentlichen. Aber dieses wird bekanntlich von einem ehemaligen Gemeinde-Wien-Beamten geleitet . . .

Bei beiden Zahlen sei der Leser jedenfalls vorgewarnt: Deren Lesen könnte heftige Zornanfälle auslösen und so der Gesundheit schaden.

Erstens: Es hat sich jetzt herausgestellt, dass von rund 180.000 Beziehern der Mindestsicherung mehr als 129.000 in Wien diesen Anspruch zuerkannt bekommen haben! Im fast ebenso großen Niederösterreich sind es hingegen nicht einmal 10.000.

Da aber nach allen beobacht- und messbaren Kriterien der allgemeine Wohlstand in Wien größer ist als im Rest der Republik, sind die Ursachen dieses totalem Missverhältnisses nicht besondere Armut, sondern andere Faktoren:

Dieser grobe Missbrauch löst auch beim Tagebuch-Autor kritisches Nachdenken aus: Ich habe an dieser Stelle für eine Delegation von Verwaltungskompetenzen nach unten plädiert. An solch frechen Unterschleif, der schon an Organisiertes Verbrechen grenzt, habe ich bei diesem Vorschlag aber nicht gedacht. Vielleicht doch keine so gute Idee?

Dieses erschütternde Bild des Mindestsicherungsmissbrauches passt perfekt in den zweiten dieser Tage aufgedeckten Skandal: Wiener Beamte gehen derzeit mit 52 Jahren in Pension! Im Schnitt. Sie sind damit genauso unverschämt wie die schon seit längerem diesbezüglich bloßgestellten Bundesbahner. Was den fast zwingenden Schluss zulässt: Die SPÖ ist überall dort, wo sie die absolute Macht hat, zu einer absoluten Nehmerbande degeneriert, die freilich ihre Verbrechen mit verlogener Sozialrhetorik tarnt.

Die realsozialistische Misswirtschaft in Wien ist so eklatant geworden, dass jeder Rot- oder Grün-Wähler als Beitragstäter angesehen werden muss. Dies gilt – wenn auch mit verringerter Schuld – ebenso für alle jene, die dieser Nehmer-Partie durch Nichtwählen oder Stimmvergeudung Richtung Splitterparteien zumindest indirekt Vorschub leisten.

Eine besonders freche Abteilung dieser Mafia ist die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten: Sie hat sich zwar zu einer Nulllohnrunde bereit erklärt, aber unter folgenden Bedingungen: keine Überstundenreduktion, kein Personalabbau, keine Änderung der Pensionsbedingungen. Womit angesichts der Macht dieser Gewerkschaft das weitaus luxuriöseste Pensionssystem Österreichs weiterhin unangetastet bleibt.

Jeder Fisch fängt beim Kopf zu stinken an. Was man an einem ganz anderen, aber ebenso aktuellen Beispiel zeigen kann: Die Vizebürgermeisterin Brauner, die mangels eines arbeitenden Bürgermeisters die Geschäfte an sich gezogen hat, erklärte soeben im Gemeinderat: Sie sehe keinerlei exzessive Zeitungsanzeigen des Rauhauses, daher werden an ihnen auch künftig nicht gespart. Dabei sind diese Propaganda- und Korruptionsinserate gerade in der ablaufenden Woche wieder auf vielen Seiten aus den rathausnahen Boulevardzeitungen hervorgequollen.

Zu diesen Unverschämtheiten der Rathausspitze zählt natürlich auch die „Finanzierungs“-Seite der Ausgabenflut: also die ungenierte Schuldenausweitung und insbesondere die krasse Gebührenexplosion während des gesamten letzten Halbjahres. Wenn schon die theoretisch den Wählern verantwortliche Häupl-Brauner-Partie so unverschämt handelt, warum sollen es die kündigungsgeschützten Beamten nicht auch tun?

PS.: Wer geglaubt hat, durch die Grünen werde in Wien irgendetwas besser, wurde spätestens durch die Reaktion des grünen Klubobmanns Ellensohn auf das Sparpaket eines Besseren belehrt: Er sieht sogar die Nulllohnrunde, der die Gewerkschaft gnädigerweise zugestimmt hat, „sehr kritisch“. Wien kam vom Regen in die Traufe.

 

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SN-Kontroverse: Kleinerer Nationalrat

24. Februar 2012 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll der Nationalrat verkleinert werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Narren, Opernball und Unsinn

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Wenn die Fastenzeit naht, wird's ungemütlich. Einige fühlen sich geschröpft, andere sind der Meinung, dass sie zu dick sind und specken freiwillig ab. Zukunftsangst lauert. Mann und Frau und die Kinder, die Jungen und die Alten, wollen raus. Der Druck kommt von oben und von unten, der „Mittelstand" ist erzürnt. Selbst die Politikerinnen aller Parteien wollen sich einsparen. 

Dann kommen der große Ball oder der Villacher Fasching und alle wollen/müssen dabei sein. Weil halt die Quote oder der Klick stimmen müssen. Dann sind Rosenmontag, Karneval oder „bunga bunga" vorbei. Auf Österreichisch: Es hat sich „ausgemörtelt". Dann kommen die Erbsenzähler und der Rückgriff auf die Geschichte beginnt. Da ist mitunter der Zuruf STOPP nötig! Oder man redet mit Leuten, die bei Verhandlungen direkt dabei waren.

So erklärte Bundespräsident Heinz Fischer in einem Interview: „Die Idee bei der Wahlrechtsreform 1971 (als unter der Regierung Bruno Kreisky der Nationalrat von 165 auf 183 Abgeordnete aufgestockt wurde, Anm.) war, neue Wahlkreise zu machen, damit die damals bestehenden Parteien in möglichst vielen Wahlkreisen nach dem Prinzip des Verhältniswahlrechts Mandatare haben.

Jetzt haben wir ein Fünf-Parteien-System. Wenn man da auf 165 Abgeordnete reduziert, wird es viele Wahlkreise geben, in denen Parteien nicht mehr vertreten sind. Es könnte sogar ganze Bundesländer geben, wo auch eine größere Partei nicht mehr vertreten ist." (OÖN).

Ähnliche Überlegungen gab es immer wieder nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Es wurden Modelle für ein „minderheitenfreundliches Wahlrecht" entwickelt und wieder und wieder verworfen. Ex-Vizekanzler Erhard Busek und sein damaliger Klubchef Heinrich Neisser könnten ein Lied davon singen. Also: Nicht jeder Zuruf ist narrensicher.


Das wahre Problem: Landtage & Bundesrat

Andreas Unterberger

Eine Verkleinerung des Nationalrats um zehn Prozent ist keine große Einsparung, aber ein Symbol. Immerhin reduzieren dadurch die Parteien die Zahl der besetzbaren Versorgungsposten und ihre Einkünfte aus der Parteisteuer.

Dieser Plan ist aber auch eine Falle: Der darob entbrannte laute Streit überdeckt völlig, dass die Politik neuerlich viel sinnvollere Reformen schubladisiert hat. Denn Landtage wie Bundesrat haben sich spätestens seit dem EU-Beitritt als total überflüssig entpuppt, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Bundesrat ist nur noch Beschäftigungstherapie für drittrangige Politiker.

Er hat nicht die geringste Relevanz, kostet aber viel. Auch seine - von der FPÖ vorgeschlagene - „Aufwertung" wäre absurd. Denn dann könnten sich zwei Parlamentskammern bekämpfen und blockieren. Dann hätten wir noch mehr Sand im Getriebe eines ohnedies immer seltener handlungsfähigen Landes.

Aber auch die Landtage als Gesetzgeber sind sehr fragwürdig geworden. Denn sie sind ja großteils nicht bereit, auch die Verantwortung für die Steuerhöhe zur Deckung ihrer Ausgaben zu tragen. Der Istzustand, in dem die Länder Gelder ausgeben, deren Einhebung jemand anderer verantworten muss, ist eine Anleitung zur Verschwendung. Auch verursacht in einem kleinen Land die Vielfalt von Gesetzgebungen große Kosten. So macht das Vorhandensein zehn verschiedener Bauordnungen selbst das Häuslbauen teurer.

Sinnvoller wäre es hingegen, mehr Verwaltungskompetenzen nach unten zu transferieren. Je näher im Rahmen gemeinsamer (und ohnedies meist EU-geprägter!) Gesetze die Verwaltung statt im fernen Wien bei den Menschen erfolgt, umso besser, umso bürgernäher, umso billiger wird sie. Oder glaubt jemand, dass eine Parteipolitikerin als Unterrichtsministerin bessere Schuldirektoren aussucht als Lehrer und Eltern dieser Schule.

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Offenbarungseid vor dem Bezirksgericht

22. Februar 2012 00:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Koalition will durch Schließung Dutzender kleinster Bezirksgerichte rund 20 Millionen Euro zum Sparpaket beizutragen. Die Landeshauptleute zeigen jedoch, was sie von dem offiziell bejubelten Koalitionskonsens in Wahrheit halten: nämlich nichts.

Praktisch alle Bundesländer lehnen unter den verschiedensten Vorwänden die Gerichtssperren ab. Der Bund muss zwar zahlen, aber laut der in diesem Punkt recht seltsamen Bundesverfassung haben die Länder bei Gerichtssperren ein Vetorecht, obwohl die Justiz eine reine Bundeskompetenz ist. Die Landeshauptleute brabbeln als Begründung für ihr Njet etwas von der Bürgernähe der Justiz. Was ein ziemlicher Nonsens ist, muss der Durchschnittsösterreicher doch seltener als zwei Mal zu irgendeinem Gericht – und zwar im Laufe seines ganzen Lebens. Da gibt es Hunderte anderer Institutionen, die sie häufiger besuchen, auch über größere Distanzen.

In Wahrheit geht es nur um die Selbstwert-Neurosen einiger gegen die Gerichtsschließungen kämpfender Bürgermeister. Und es geht um die Umsatzsorgen einiger Rechtsanwälte in kleinen Orten. Kann das wirklich in Zeiten wie diesen entscheidend sein?

Die Neinsager haben noch ein weiteres, besonders absurdes Argument präsentiert: Die Justiz verdiene durch die Gerichtsgebühren ohnedies mehr, als sie koste. Das stimmt – freilich nur dann, wenn man die Gefängniskosten ignoriert.

Das daran angeschlossene Argument, dass man deshalb bei der Justiz auch nicht sparen müsse, muss man sich aber auf der Zunge zergehen lassen. Nach dieser Logik könnte nämlich beispielsweise das Finanzministerium in Saus und Braus leben. Nimmt es doch viel mehr ein, als es kostet. Offenbar gehen manche Provinzköpfe davon aus, dass man eh überflüssige Ausgaben machen könne, solange man den Bürgern nur genug Abgaben – in diesem Fall Gerichtsgebühren – abknöpft. Die Möglichkeit, dass man die Gebühren ja auch senken könnte und sollte, wenn man die Justiz (ohne Funktionsverlust!) effizienter macht, geht offenbar in ihre Hirne nicht hinein. Oder dass man den Bürgern bei einer Verbilligung der Justiz zumindest weniger Steuererhöhungen aufbrummen muss.

Private Konkurrenz für die Justiz

Unabhängig davon sollte die Justiz auch noch aus einem weiteren Grund vom hohen Ross herunter. Sie vergisst nämlich gerne: Zumindest im Bereich des Zivilrechts ist sie letztlich nur noch ein Dienstleistungsangebot an den Markt. Ihr Angebot steht in wachsender Konkurrenz mit privatwirtschaftlichen Schiedsgerichten. Diese sind oft schneller und billiger. Daher vereinbaren immer mehr Großunternehmen bei ihren Verträgen Schiedsklauseln, die den Weg zu staatlichen Gerichten ausschließen. Zunehmend sind es daher nur noch die kleinen Bürger, die das Gericht brauchen, um an ihr Recht zu kommen. Was eigentlich ein doppelter Anreiz zur strukturellen Sparsamkeit sein sollte.

Aber auch dort, wo der Staat schwerer durch eine privatisierte Justiz ersetzbar ist, müsste ein auf Effizienz bedachtes Ministerium schauen, wie man die Justiz schneller, billiger und einfacher macht. Diese Aufgabe kann ja nicht nur dann auf der Tagesordnung sein, wenn der Republik das Budgetwasser bei den Nasenlöchern steht.

Warum können beispielsweise Verwaltungsverfahren fast endlos zwischen den Instanzen hin und her geschickt werden? Warum dauern Urteilsausfertigungen viele Monate? Warum gibt es keine disziplinären Folgen für Richter, wenn sie einfache Entscheidungen nicht binnen weniger Monate treffen? Warum werden in den wirtschaftlichen folgenreichsten und psychologisch belastendsten Rechtsbereichen wie dem Familienrecht die blutigsten Anfänger eingesetzt? Warum dürfen Richter sich selbst bei den simpelsten Entscheidungen durch die teure und langwierige Einschaltung von Sachverständigen um die Arbeit drücken (die bei Richtern nun einmal im Entscheiden besteht)? Gibt es doch Beispiele, wo selbst der Streit um 30 Minuten mehr oder weniger Besuchsrecht bei Scheidungskindern erst einem Sachverständigen langmächtig zur Erstellung eines Gutachten vorgelegt wird!

Längst ist der Reformbedarf in der Justiz weit über das total im Argen liegende Strafrecht hinausgewachsen. Und längst sollte es primär um den Kunden der Justiz, also den Bürger gehen – noch lange vor allen Budgetnöten, vor allen Richtern, Anwälten und Landeshauptleuten.

Frau Minister: Jede Unterstützung für Ihren Kampf mit Provinzkaisern, aber auch jede Menge Verachtung für Ihre totale Untätigkeit in Sachen einer effizienteren, schnelleren, bürgernäheren Justiz.

 

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Fekter – viel Frust und ein Funke Hoffnung

20. Februar 2012 00:53 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Längst sind ORF-Pressestunden so langweilig geworden, dass sich nur noch wirkliche Fanatiker selbige antun. Das war auch bei Maria Fekters Auftritt trotz des trüb-regnerischen Tages der Fall. Sie löste erwartungsgemäß viel des erwartbar gewesenen Frustes aus. Sie verbreitete aber zugleich einen unerwarteten Funken Hoffnung. Und der sollte – auch wenn es eben nur ein Funke ist – in trostlosen Zeiten besonders aufgegriffen und beachtet werden.

Zuerst das Negative: Frustrierend bis peinlich ist, wenn die einstige Hoffnungsträgerin Fekter ins jüngste Sparpaket jede Menge Strukturreformen hineinphantasierte. Frustrierend ist auch, wie kühl sie ihre einstigen Versprechungen „Keine Steuererhöhungen“ weg-ignoriert und wie sie die gewaltige Menge an Steuer- und Abgabenerhöhungen samt Kürzungen ( nichts anderes ist ja die Reduktion des Realwertes) von Pensionen und Beamtenbezügen als positiv verkauft. Und völlig unverständlich ist, warum sie nicht zu sagen wagt: Mit diesem Koalitionspartner, mit der Gesinnung dieser Opposition, mit dieser Verfassung, diesen Bundesländern und diesen Gewerkschaften war nicht mehr möglich. Da sie all das nicht gesagt hat, wird sie zur voll verantwortlichen Mittäterin.

Der dennoch gezündete Funke Hoffnung bestand in ihrer neuen Zielvorgabe für eine Steuerreform: nämlich in einem Akzent zugunsten von Familien und Mittelschicht. Denn erstmals seit langem wagte da ein verantwortlicher Politiker ein Modell zumindest vorzuschlagen, bei dem die Familien des zuletzt ständig ausgepressten Mittelstands anstelle der seit vielen Jahren einseitig bevorzugten Unterschichten profitieren würden.

Fekter will nämlich den Unterhalt für Kinder steuerfrei stellen (ohne die zahllosen Direkttransfers wie Gratiskindergärten oder Familienbeihilfen infrage zustellen). Davon kann logischerweise nur jemand profitieren, der überhaupt Steuer zahlt.

Gewiss ist es mehr als zweifelhaft, ob dieser Gedanke in der Schuldenrepublik jemals finanzierbar werden wird. Und noch zweifelhafter ist, ob sich für Fekters Reform-Ideen jemals eine ausreichende Mehrheit finden lässt. Tobt doch seit Jahr und Tag eine heftige Schlacht zwischen Rot und Blau um die Sympathien der XYZ-Schicht leistungsabstinenter Sozialprofiteure (wobei Rot und Blau in diesem Sozialdemagogie-Wettlauf rätselhafterweise sowohl von Grün wie auch Orange wie auch Teilen des ÖAAB unterstützt wurden, obwohl die alle fast keine XYZ-Wähler vertreten).

Diese mittelstands- und familienfeindliche Schlacht bestimmt seit Jahren den politischen Diskurs. Sie schlug sich in den erstaunlichen Zuwächsen der Ausgleichszulagen nieder, die fast bei jeder Pensionserhöhung steiler waren als die Anpassungen der durch Beiträge zumindest zum Gutteil versicherungsmathematisch finanzierten Normalpensionen. Das schlug sich in der totalen Einkommensteuer-Befreiung von fast drei Millionen Menschen nieder. Das schlägt sich auch beim jüngsten Belastungspaket durch eine Vielfalt an nur den Mittelstand treffenden Maßnahmen nieder.

Aber immerhin hat Fekter zumindest verbal erstmals ein Prinzip wider diesen Zeitungeist als Ziel verkündet. Nehmen wir daher trotz aller Skepsis einmal an, sie könnte wenigstens diesmal ihre Pläne verwirklichen. Dann ginge der Reformweg im Gegensatz zum dominierenden Neosozialismus plötzlich in eine absolut richtige Richtung.

Gut für die Mittelschicht

Denn erstens wird damit an der gesellschaftlichen Schwelle zwischen der Schicht der Umverteilungsprofiteure und jener der ständig mehr ausgepressten Mittelschicht endlich einmal ein positives Signal in Richtung der Anstrengungswilligen gesetzt. Diesen gereichte es damit erstmals nicht zum Nachteil, dass sie an sich vor Wirksamwerden der Umverteilung natürlich mehr verdienen als hauptberufliche Couch Potatoes.

Gut fürs Kinderkriegen

Zweitens und noch wichtiger: Durch die Realisierung der Fekter-Ideen würde der Mittelschicht wieder mehr Mut zu Kindern gemacht. Das wäre ganz entscheidend. Zeigen uns doch seit Jahren die Statistiken, dass das Kinderkriegen zwar in der Unterschicht Normalität bleibt, während beispielsweise fast nur noch jede zweite Uni-Absolventin Mutter wird. Das hat gewiss auch viele andere Ursachen, etwa das veränderte Frauenbild der Mittelschichten, etwa die überaus langen Ausbildungszeiten in qualifizierten Karrieren, etwa die Gier der Wirtschaft auf die gut qualifizierten Frauen als Arbeitskräfte.

Trotz dieser kurzsichtigen Gier sind die wirtschaftlichen Konsequenzen der asymetrischen Geburtenfreudigkeit dramatisch negativ. Diesen Prozess hat Thilo Sarrazin ja schon in Hinblick auf das sehr ähnlich tickende Deutschland mit einer Fülle von Beweismaterial als einen Weg zum Dümmerwerden eines Landes beschrieben (den Rot-Grün im übrigen durch Gesamtschule und ihre leistungskonträre Universitätspolitik noch ständig zu beschleunigen versuchen).

Schlecht für Sozialmigranten

Drittens und in engem Zusammenhang mit dem vorigen Argument: Mit den Fekterschen Reformplänen würde die Zuwanderung von Sozialmigranten nach Österreich zumindest nicht noch zusätzlich gefördert. Das gilt freilich nur dann, wenn gleichzeitig die sozialen Direkttransfers trotz des linken Drängens auf noch mehr Wohlfahrt zumindest eingefroren werden. Derzeit kann ja eine vielköpfige Migrantenfamilie – auch ohne einen einzigen Berufstätigen – in Österreich im Kontrast zu ihren Herkunftsregionen in Afrika, Nahost oder Ostanatolien von den Sozialtransfers ganz gut leben.

Gut für die Gerechtigkeit

Viertens würde damit das vom Verfassungsgerichtshof immer wieder judizierte Gerechtigkeitsprinzip erstmals ernst genommen und nicht bloß minimalistisch realisiert. Denn der VfGH verlangt den familiären Sozialausgleich primär nicht zwischen Mittel- und Schlechtverdienern, sondern zwischen Menschen gleichen Arbeitseinkommens. Mit anderen Worten: Kinder dürfen laut Verfassung eigentlich keine sozialen Abstieg aus der bisherigen sozialen Positionierung einer Familie bedeuten.Was sie aber derzeit sehr wohl tun.

Gut für den Wirtschaftsstandort

Und fünftens: Damit wird zu den unglaublich mittelstands- und familienfeindlichen Vorstellungen der Achse des Bösen zwischen Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung ein erfreulicher Gegenakzent gesetzt. Die seit zwei Jahren heftig nach links gerückte Industrie-Lobby vergisst ja gesellschaftspolitisch neuerdings leider das zentrale Prinzip total, das in erfolgreichen Unternehmen eigentlich hochgehalten werden sollte: nämlich die Wichtigkeit von Zukunftsinvestitionen.

Es gibt ja für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich gar keine wichtigeren Investitionen als Kinder, die von leistungs-, werte- und bildungsorientierten Eltern aufgezogen (und in dementsprechend ausgesuchten Schulen) erzogen werden. Der Wert dieser Kinder als künftige Leistungsträger, Forscher, Ingenieure, Kaufleute gerade für die Wirtschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und er kann niemals durch jene Zuwanderer kompensiert werden, die primär die Segnungen eines der komfortabelsten Wohlfahrtssysteme der Welt konsumieren wollen.

Sauerstoff für Fekters Funken

Dieser Fektersche Akzent ist zwar gewiss nur ein Hoffnungsfunke. Aber jeder Funke Vernunft und Gerechtigkeit und Zukunftsorientierung ist derzeit so wichtig und notwendig, dass ihm jede Menge Sauerstoff zugeblasen werden sollte, bevor er vom Wüstensand der sich gutmenschlich tarnenden Wohlfahrtsindustrie wieder erstickt wird.

 

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Subventionen machen ein Land krank

19. Februar 2012 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Warum stecken ausgerechnet jene EU-Länder am tiefsten in Schwierigkeiten, die in den letzten Jahrzehnten die größten Summen an europäischen Subventionen bekommen haben? Aus Strukturfonds, aus Kohäsionsfonds und vielen anderen Töpfen sind alljährlich dicke Milliarden vor allem nach Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und (Süd-)Italien geflossen. Und kein einziges der unterstützten Mitgliedsländer ist heute nach Jahrzehnten des  Subventionsbezugs auf sicherem Boden gelandet oder gar ein Nettozahler geworden.

Süditalien ist sogar schon vor den EU-Zeiten ständig vom Norden unterstützt worden (was diesen inzwischen frustriert mit einer Trennung des Landes liebäugeln lässt). Waren all diese Subventionen am Ende ergebnislos vergeudetes Geld?

Nein. Sie waren nicht ergebnislos. Sie sind im Gegenteil sogar eine Hauptursache der heutigen Malaise. Sie treiben den Völkern die Eigenverantwortung aus und versetzen diese in ein Stadium des Hospitalismus, also eines Patienten, der sich komplett und ohne eigene Aktivität in die die rundum sorgenden Hände eines Spitalsteams fallen lässt. Dieses Verhalten macht eine Genesung extrem unwahrscheinlich.

Diese Krise hat damit zumindest einen Nutzen: Die Welt ist um eine Gewissheit reicher. Was bisher nur liberale Ökonomen analysiert haben, ist nun empirisch bestätigtes Wissen. Das, was uns heute die EU zeigt, haben ja auch schon etliche – insbesondere afrikanische – Ökonomen in Hinblick auf die Entwicklungshilfe nachgewiesen: Je weniger Hilfe es gegeben hat, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus einem darbenden Drittweltland heute ein blühendes Industrieland wie Südkorea oder zumindest ein Schwellenland wie China geworden ist.

Die EU denkt freilich nicht daran, ihr riesiges Geldtransfersystem aufzugeben, für das derzeit übrigens der Österreicher Johannes Hahn hauptverantwortlich ist. Schließlich wäre das nicht nur ein gewaltiges Schuldeingeständnis, sondern würde auch viele Beamte und Politiker arbeitslos machen.

Sie alle sollten aber lesen, was der griechische Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis dieser Tage gesagt hat: Als Folge der EU-Hilfen sei in Griechenland das Wissen um die Notwendigkeit harter Arbeit verloren gegangen. „Während wir mit der einen Hand das Geld der EU nahmen, haben wir nicht mit der anderen Hand in neue und wettbewerbsfähige Technologien investiert. Alles ging in den Konsum. Das Ergebnis war, dass jene, die etwas produzierten, ihre Betriebe schlossen und Importfirmen gründeten, weil sich damit mehr verdienen ließ. Das ist das eigentliche Desaster dieses Landes.“

Deutlicher und anschaulicher kann man die verheerende Wirkung von Dauersubventionen nicht darstellen. Die Empfänger hängen am Tropf, werden süchtig und nie mehr gesund.

Und damit niemand glaubt, hier würde ein kapitalistischer Ausbeuter zitiert: Herr Chrysochoidis ist Sozialist.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Ein Sparpaket mit drei Alias-Namen und noch mehr Rätseln

16. Februar 2012 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wer geglaubt hat, SPÖ und ÖVP hätten über ein Sparpaket Übereinstimmung erzielt und das mit Schrift und Siegel fixiert, der sollte genauer hinschauen: Denn auf den Homepages von Bundeskanzleramt, Finanzministerium, ÖVP und SPÖ finden sich merkwürdig unterschiedliche Darstellungen, obwohl es angeblich um ein- und dieselbe Vereinbarungen geht. Und nirgendwo wird klar, was davon das Original sein könnte.

Bei ÖVP und Finanzministerium ist der scheinbare Text des Pakets am kürzesten wiedergegeben. Dort fehlen oft hilfreiche Erläuterungen, aber auch die bei der SPÖ und im Kanzleramt sehr beliebte politische Lyrik, also der propagandistischen Schwulst. Die SPÖ selbst stellt das Paket am längsten und am begeistertsten dar.

Noch auffallender sind die inhaltlichen Unterschiede.

Sogar das Wichtigste, der Name des Pakets lautet überall total anders. Ist dieses bei der SPÖ „Stabilitätspaket 2012-2016“ getauft, so heißt es beim Bundeskanzleramt hingegen „Konsolidierungspaket 2012-2016“, und bei ÖVP sowie Finanzministerium „Reformpaket“.

Seltsam. Wie sollen wir dieser Koalition glauben, dass da inhaltlich jetzt alles klar geregelt wäre, wenn sie nicht einmal über die Überschrift einen Konsens erzielen konnte? Nur eine Bezeichnung taucht nirgendwo auf, obwohl es die in der Bevölkerung verbreitetste ist: Sparpaket. Was allerdings eine Fehlbezeichnung ist. Denn sachlich wäre die einzige richtige, wenn auch etwas langatmige Bezeichnung: „Belastungs- statt Reform-Paket, das leider nur eine sehr kaum wahrnehmbare Reduktion der Staatsschuld bringt“.

Was wollen uns insbesondere die beiden von dem selben Chef geleiteten roten Firmen mit diesen Unterschieden in der Betitelung sagen? Dass bei der Sozialdemokratie derzeit Schizophrenie angesagt ist? Dass Laura und Josef ihren Gebieter nun zu einem Werner Vielseitig machen wollen? Oder tobt da ein heimlicher Kampf, wo denn die besseren Spin Doctoren sitzen?

Auch die politische Lyrik der roten Paketsversionen hat ihre auffallend Unterschiede: Die SPÖ nennt gleich am Beginn als erstes durch das Paket verwirklichte Prinzip „Gerechte Einnahmen“ und betont: „ohne Verkauf von Staatseigentum“. Das Kanzleramt ist hingegen deutlich ehrlicher und schreibt im ansonsten wortgleichen Text statt von „gerechten“ von „zusätzlichen Einnahmen“ und erwähnt interessanterweise den von der SPÖ zum Kernstück gemachten Nichtverkauf von Staatseigentum mit keiner Silbe.

Die SPÖ ergänzte hingegen an anderer Stelle den ohnedies schon sehr propagandistisch gehaltenen Text des Kanzleramtes durch den Satz: „Jene, die mehr leisten können, leisten auch mehr.“ Das hat das Kanzleramt – wieder: ehrlicherweise – weggelassen. Während man viele andere ohne Rücksicht auf das Leistungskönnen abcasht, bleiben ja potentielle Frauen- und Hacklerpensionisten völlig unberührt, obwohl viele von ihnen ohne Probleme länger arbeiten könnten.

Eine andere Spur der roten Spin Doctoren zeigen die Zahlenangaben. Die roten Quellen nennen praktisch immer nur die bis 2016 akkumulierten Zahlen der Einsparung. Was das Sparvolumen als viel eindrucksvoller erscheinen lässt, als es in Wahrheit ist. In diesem Punkt ist es das Finanzministerium, das trotz des dort viel knapperen Umfangs ehrlicher ist. Es nennt die Zahlen nämlich jährlich aufgeschlüsselt.

Das Finanzministerium setzt aber auch eine erstaunliche Zwischenüberschrift: „Anhebung der Anspruchsvoraussetzungen in der Korridorpension und Hacklerregelung“. Das ist merkwürdig, denn von der Hacklerregelung steht nichts in dem Papier. An dieser wird ja durch die wochenlange Faymann-Spindelegger-Brüterei gar nichts verändert.

Einzige mögliche Erklärung, wie es zu dieser Überschrift gekommen sein könnte: Hier stand offenbar bis knapp vor Verhandlungsschluss noch deutlich mehr Inhalt, nämlich auch eine echte Redimensionierung der Hacklerregelung. Diese dürfte einer der Hämmer gewesen sein, von denen Spindelegger noch vor 14 Tagen als Teil des Sparpakets geglaubt hat. Anscheinend wurde auf eine Korrektur der Überschrift vergessen, nachdem Faymann seinem Vize im letzten Augenblick die Reform-Hämmer wieder geräuschlos entwunden hatte.

Interessant ist etwa auch die Darstellung der mehr oder weniger einzigen echten strukturellen Reform durch das Paket, nämlich der Abschaffung der Parallelrechnung im Pensionssystem: Das Finanzministerium meldet die jährlichen Zahlen, das Kanzleramt berichtet zumindest den bis 1916 akkumulierten Wert der Einsparungen von 123 Millionen. Die sonst durchaus zahlenfreudige SPÖ hingegen nennt hier plötzlich keine Zahlen, sondern schreibt nur: „geringfügige Einsparung bis 2016“. Glaubt sie den Zahlen nicht oder geniert sie sich selbst, wie wenig diese hochgerühmte Strukturreform eigentlich bringt – vor allem im Verhältnis zu den als „Einsparung“ verkündeten Beitragserhöhungen?

Dafür bringt die SPÖ dankenswerterweise einen Vergleich, den die drei anderen Paket-Darstellungen feige vermieden haben: Sie vergleicht die Auswirkungen der gesamten „Konsolidierung“ auf die Staatsschuld mit den bisherigen Planungen für das Jahtr 2015 (für 2016 gibt es keinen alten Vergleichswert). Da liest man: Ohne Paket hätte Österreich im Jahr 2015 laut dem bisherigen Finanzrahmengesetz eine Schuldenquote von 74,4 Prozent gehabt. Als Folge einer kompletten Budgetumsetzung wird diese Quote hingegen „nur“ 73,1 Prozent betragen.

Das sind also ganze 1,3 Prozent BIP Unterschied. Das ist ungefähr die Dimension des Schätzfehlers zwischen der ersten Voraussage des Wifo und der späteren wirklichen Konjunkturentwicklung. Das sind 1,3 Prozent als Ergebnis des angeblich größten Sparpakets der österreichischen Geschichte, seit der zweite Turm der Wiener Stephanskirche eingespart worden ist.

Ob einer so gewaltigen Sparleistung wird Moody’s zweifellos seine Österreich-Bewertung sofort von „negativ“ auf „allerpositivst“ ändern. Und Standard & Poor's wird der Alpenrepublik wegen in sein Bewertungsschema erstmals ein viertes A einfügen.

PS.: Je mehr Details man liest, umso rätselhafter wird dieses Verhandlungsergebnis auch in anderen Zusammenhängen: Warum etwa ist ausgerechnet der Sport, nicht jedoch die Justiz von der Kürzung der Ermessensausgaben befreit worden? Warum gibt es die einzige Steuersenkung ausgerechnet für Immobilienspekulanten, die nur kaufen, um bald wieder zu verkaufen? Warum glaubt die Bundesregierung, ohne irgendeine Sicherheitsgarantie zu haben, den Bundesländern, dass diese fünf Milliarden  einsparen werden und gibt den Ländern im Gegenzug noch dazu jede Menge zusätzliche Rechte? Hat sie vergessen, dass diese Länder 2010 die damals geltende Defizitgrenze (ebenfalls) um fünf Milliarden überschritten haben, ohne damals auch nur zumindest schlechtes Gewissen zu zeigen? Will sich die Regierung endgültig als Trüppchen armer Hascherl an den Fäden des Wiener Rathauses und St. Pöltens erweisen?

 

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Fußnote 263: Drei Jahre und keine Rektorin

15. Februar 2012 01:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nach drei Jahren hat eine Schiedskommission eine Feministinnen-Beschwerde abgewiesen.

Bei der Wahl des Innsbrucker Medizin-Rektors, so befand die Kommission im ixten Rechtsgang, hat es keine Diskriminierung einer weiblichen Kandidatin auf Grund ihres Geschlechts gegeben. Drei Jahre lang ist damit die Führung einer – ohnedies krisengeschüttelten und von Machtkämpfen und Streitigkeiten schwer erschütterten – Universität irgendwie als halb illegal in der Luft gehängt. Begreift denn niemand, dass diese Unsicherheit überhaupt das ärgste Gift für jede Institution ist? Und für die Universitäten gilt das doppelt, die doch angeblich so wichtig sind, dass sie als fast einzige in Zeiten des blutigsten Sparens mit neuem Geld überhäuft werden. Innsbruck ist kein Einzelfall: Vom Salzburger Mozarteum auf- und abwärts werden Berufungen verzögert, bleiben Institute und Fakultäten unerträglich lange führungslos. Dazu kommen die oft zweitklassigen Besetzungen von Professuren durch Quotenfrauen. Dazu kommt die Geldverschwendung für all die „Gleichberechtigungsbeauftragten“, deren einziger Lebenszweck es offenbar ist, Sand ins universitäre Getriebe zu werfen. Wer noch immer glaubt, mit dem Genderismus schaffe man mehr Gerechtigkeit oder tue gar unserer Wissenschaft etwas Gutes, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Selbst wenn die – mir unbekannte – Beschwerdeführerin genauso gut gewesen wäre wie der "Sieger", wäre es doch wie bei jeder Entscheidung das Wichtigste gewesen, dass jeder raschest weiß, woran er ist, und dass nicht alles noch tausendmal in ein schiefes Licht gerückt werden kann. Summum ius summa iniuria. Aber es geht bei all dem wohl ohnedies nicht um Gerechtigkeit, sondern um Funktionärswichtigkeit. und -Innenwichtigkeit.

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Konsolidierungspaket?

14. Februar 2012 23:42 | Autor: Rudolf Wirthig
Rubrik: Gastkommentar

„So ein Sparpaket haben wir noch nie gehabt" sagt Vizekanzler Spindelegger. Es hat aber auch noch nie der Hut so sehr gebrannt wie jetzt. Mit Ablauf des Jahres 2011 hat sich die Finanzschuld des Bundes auf 183 Mrd € erhöht und der Zinsaufwand liegt bei 7,4 Mrd €. Gleichzeitig ist das Triple-A-Rating für die Republik Österreich verloren gegangen.

Mehr Anlass zum Handeln kann es nicht mehr geben, es sei denn man überlässt sich nach weiterer Verschlechterung der Finanzlage völlig der Steuerung von außen, wie es gerade in Griechenland vorexerziert wird. Nun hat die Bundesregierung ein Konsolidierungspaket vorgestellt. Schon in der Einleitung wird uns mit dem kumulierten Konsolidierungsvolumen von 26,5 Mrd € Sand in die Augen gestreut. Mit der Kumulierungsmethode könnte man dagegenhalten, dass auf Basis des Budgets 2012 mit Ausgaben von 73 Mrd € bis zum Jahr 2016 auch 365 Mrd € ausgegeben würden.

Ein Konsolidierungsvolumen von 26,5 Mrd € nimmt sich dagegen mickrig aus. Auf Seite vier unter Konsolidierung in Mrd EURO wird es richtig gestellt. Der Gesamtstaat konsolidiert bis 2016 mit 9,08 Mrd €, was dem Defizit des Budgetvoranschlages für 2012 mit 9 Mrd € entspricht. Der großartige Beitrag der Bundesländer mit 5 Mrd € zur Konsolidierung beizutragen schrumpft in dieser Aufstellung zu 1,96 Mrd € bis 2016.

Die Bundesregierung war bisher bei der Umsetzung der Ergebnisse des Verfassungskonvents und der Empfehlungen des Rechnungshofes langsam am Werk. So finden sich unter dem Titel Effizienzsteigerung in der Bundesverwaltung, wie eigens angeführt wird, zum Großteil die Empfehlungen des Rechnungshofes. Sie sind wie z.B. die Reform der Schulverwaltung schon in der Regierungserklärung angeführt gewesen und mit dem Anführen eines Punktes wie Überführung des Entminungsdienstes des Innenministeriums in das Verteidihgungsministerium scheint der große Wurf in weiter Ferne.

Da die wirklich große Strukturbereinigung nicht angegangen wurde, ist der Not gehorchend der Sparstift beim großen Brocken der Sozialausgaben und den Personalkosten des Bundes angesetzt worden. Den beiden Koalitionspartnern sei Dank, dass sie zumindest diesen Teil der Konsolidierung gemeistert haben. Die Erleichterung über das vollbrachte Werk entbindet sie jedoch nicht von der Pflicht, die wirklich finanzrelevante Verwaltungsreform mit Vehemenz in Angriff zu nehmen.

In Aussicht gestellt wird uns ab der nächsten Legislaturperiode eine Verkleinerung der Regierung, des Nationalrates und des Bundesrates. Die beiden Regierungsparteien werden daran zu messen sein was sie bis zur Wahl 2013 zuwege gebracht haben.

Rudolf Wirthig ist ein Österreicher auf der Suche nach Wahrhaftigkeit.

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Wachstum braucht nicht mehr Geld, sondern weniger

13. Februar 2012 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie kann man Wachstum fördern, wenn man kein Geld hat? Viele Politiker, Subventions-Lobbyisten und Gewerkschafter tun so, als ob das nicht ginge. In Wahrheit ist aber das Gegenteil wahr.

Die wichtigsten Wachstumsförderungen kosten nämlich gar nichts, sondern bringen dem Staat sogar Einsparungen. Sie bestehen in Bürokratieabbau, Deregulierung und Außerkraftsetzung behindernder Gesetze oder Verordnungen. Egal ob diese behindernden Bürokratieregeln der allgemeinen Macht- und Kontrollwut eines Staates, feministischen, ökologistischen, lobbyistischen, zünftlerischen, sozialistischen, polizeilichen oder sonstigen Interessen entsprungen sind. Das zeigt etwa diese Weltbank-Statistik, welche die durch den Staat in einzelnen Ländern verursachen Kosten bei der Gründung eines neuen Unternehmens vergleicht.

 

Deutlicher kann man gar nicht beweisen, dass es die Staaten selber sind, die ihre Wirtschaft und damit den Wohlstand ihrer Bürger umbringen, nicht nur durch Schulden, sondern auch durch die Bürokratie. Gerade die ärgsten Schuldnerstaaten behindern jene Menschen, die ein neues Unternehmen gründen, am meisten.

Es ist nur ein relativer Trost, dass Österreich nicht ganz so schlecht dasteht wie Italien und Griechenland. In Wahrheit sollte sich die Alpenrepublik nur nach den anderen, den unbürokratischeren Ländern orientieren. In Wahrheit belastet Österreich seine Unternehmer ständig durch noch mehr Bürokratie, statt sie durch Abbau zu entlasten. Wie etwa ab heuer durch die neue Pflicht, regelmäßig komplizierte Gehaltsaufstellungen für Männer und Frauen nach Verwendung und Dienstjahren aufgeschlüsselt abzuliefern.

Selbst Italien schiebt dem Sparpaket nun ein dickes Deregulierungspaket nach. In Österreich ist offensichtlich noch niemand auf eine solche Idee gekommen. Es gibt hierzulande ja auch keine Institution mehr, die sich trauen würde, für solche „neoliberalen“ Reformen zu kämpfen (Die Industriellenvereinigung, die einst der letzte liberale Brückenkopf in diesem Land war, hat sich ja merkwürdigerweise zu einem antiliberalen Brückenkopf der Arbeiterkammer verwandelt. Wie man von der Bildungs- bis zur Familienpolitik mit Entsetzen beobachten muss).

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Vieles ist Hoffnung, nur die Katastrophen sind fix

11. Februar 2012 02:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist fast rührend: Maria Fekter meint, mit diesem Sparpaket werde Österreich demnächst wieder sein Triple A bekommen. Ganz abgesehen von der Labilität der EU und der Weltwirtschaft; ganz abgesehen davon, dass Experten seit längerem eher eine weitere Herabstufung des Landes für am Platze sehen: Schon in den ersten Stunden wachsen auch die Indizien, dass Österreich mit diesem Sparpaket keineswegs an das versprochene Nulldefizit herankommt. Dazu ist allzu vieles bloß auf das Prinzip Hoffnung+Ankündigung aufgebaut. Ganz unabhängig davon sei aber heute einmal ganz nüchtern analysiert, wo die Pluspunkte und wo die Negativpunkte dieses Pakets liegen.

Beginnen wir mit dem Positiven:

  1. Positiv ist sicher, dass die Koalition alle Mächtigen dieses Landes eingefangen zu haben scheint. Niemand wagt öffentlich zu widersprechen. Und der versteckte Dissens über das viele noch ungeklärte Kleingedruckte ist zumindest vorerst einmal unter den Tisch gekehrt.
  2. Zu loben ist das Aus für die Parallelrechnung bei der Pensionsberechnung. Freilich: Auch der neue Berechnungsmodus ist alles andere als leicht verständlich. Womit es wieder nichts ist mit einer auch für Laien nachvollziehbaren und versicherungsmathematisch klaren Pensions-Berechnung. Diese bleibt eine totale Geheimwissenschaft.
  3. Erfreulich ist auch, dass es weiterhin keine Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt. Natürlich stellt das keine Verbesserung, sondern nur eine Nichtverschlechterung dar. Mit der gleichen Logik müsste man es ja eigentlich auch loben, dass weder Folter noch Todesstrafe eingeführt worden sind.
  4. Zu loben ist die Ankündigung – freilich eben nur: Ankündigung –, dass die provozierenden ÖBB-Frühpensionen schlagartig aufhören werden. Damit scheint etwas, was lange unmöglich war, plötzlich möglich geworden zu sein. Es sei denn, das Gefühl in meiner Magengegend hat recht. Es signalisiert nämlich, dass die ÖBB-Gewerkschaft noch jede Menge Tricks in der Hinterhand hat, um zu verhindern, dass ihre Mitglieder wirklich bis deutlich nach dem 60. Geburtstag arbeiten. Eine von meinem Magen erwartete Gegenmaßnahme wäre etwa eine Sammelklage beim Verfassungsgericht, in der es von Vokabeln wie „wohlerworbene Rechte“, „Eingriff in die Vertragsautonomie“, „Vertrauensschutz“ nur so wimmelt. Haben doch schon in vielen Ländern weltferne Richter Sparpakete demoliert. Aber bleiben wir dennoch vorerst dabei, den Punkt ÖBB-Frühpension in der Lobesliste zu belassen.
  5. Die Besteuerung von Immobilienverkäufen auch nach einer zehnjährigen Behaltefrist ist vertretbar, und die Besteuerung von Gewinnen bei Widmungsänderungen zur Reduktion von Korruption sogar sinnvoll.
  6. Strukturpolitisch sinnvoll ist auch die Abschaffung des billigen Agrardiesels.
  7. Auch wenn es einer der Punkte ist, die mich selber besonders treffen: Die Erhöhung der Pensionsbeiträge für Selbständige bedeutet ein sinnvolles Mehr an Gerechtigkeit. Denn der höhere Prozentsatz, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer (zusammen) als Pensionsbeitrag für jeden Unselbständigen zahlen, ist eigentlich nicht zu rechtfertigen.

Damit ist das Positive aber schon weitgehend am Ende. Und nun beginnt die – leider viel längere – Liste der Minuspunkte.

  1. Das schlimmste Versagen ist es zweifellos, dass die Regierung sowohl Hacklerpension (ein vor allem von Beamten genutztes Institut!) wie auch Frauenpension unangetastet gelassen hat. Sie hat auch – trotz einer leichten Erhöhung – noch immer nicht die versicherungsmathematisch gerechten Abschläge für einen Pensionsantritt vor dem 65. Lebensjahr eingeführt. Statt dessen werden die wehrlosen Pensionisten in den nächsten Jahren durch weit unter der Inflation liegende Pensionserhöhungen zur Kassa gebeten. Mit anderen Worten: Weil SPÖ und Arbeiterkammer ideologische Kühe für heilig erklärt haben, müssen die Alten bluten, während durchaus noch arbeitsfähige Menschen das Privileg eines frühen Pensionsantritts behalten. Das ist nur noch krank. Und das totale Gegenteil von dem ständigen Gerechtigkeits-Gewäsch vieler SPÖ-Politiker.
  2. In die Minusliste gehört insbesondere auch die Tatsache, dass viele Möglichkeiten zu einer wirklich grundlegenden Reform ausgelassen worden sind. Ohne Verwaltungsreform wird aber auch der Beamtenabbau schwierig. Eine echte und mutige Reform hätte etwa eine ganze Verwaltungsebene im Beziehungsgeflecht Gemeinde-Bezirk-Land abgeschafft. Sie hätte den Bundesländern die Steuerverantwortung für all ihre Ausgaben übertragen. Sie hätte den Bundesrat abgeschafft. Sie hätte die teuren „Neuen Mittelschulen“ zugunsten der billigeren und viel besser leistungsorientierten Hauptschulen abgeschafft. Sie hätte an den Universitäten Studienzugangsregelungen eingeführt. Sie würde dem Verwaltungsgerichtshof erlauben, selbst meritorische Entscheidungen zu treffen, statt mit jedem aufgehobenen Bescheid einen neuen riesigen Verwaltungszirkus auszulösen. Sie würde noch viel mehr Staatsausgaben verpflichtend unter die Regeln des Vergabegesetzes stellen (statt dessen hat dieselbe Regierung auf Wunsch der Wirtschaftskammer das Vergaberecht gelockert und damit der Verschwendung und Korruption eine viel größere Gasse geöffnet!). Und und und.
  3. Statt solcher sinnvoller Reformen erhöht man wie wild die Einkommensteuer für Spitzenverdiener. Diese steigt gleich um sieben Prozentpunkte! Das wird gerade die für die Wertschöpfung in Österreich besonders wichtigen Leistungs- und Arbeitsplatzträger abschrecken beziehungsweise vertreiben. Das ist eine absolute Idiotie, auch wenn das angeblich nur eine vorübergehende „Solidarmaßnahme“ ist. Wer‘s glaubt, wird ein unseliges Wunder erleben. Ganz abgesehen davon, dass auch die Etikettierung eine Frechheit ist. Mit wem soll man denn „solidarisch“ sein? In Deutschland wurde eine solche Solidarabgabe zugunsten der Wiedervereinigung eingeführt. Die hat in Österreich meines Wissens nicht stattgefunden. Wir müssen hingegen mit refomunwilligen Politikern solidarisch sein.
  4. Ein peinlicher Jammer ist das späte Wirksamwerden des Sparpakets. Im heurigen Jahr wird noch fast gar nichts gespart. Hat man doch erst vor Weihnachten ein üppiges Budgetdefizit beschlossen, so als ob man damals noch keine Ahnung von der Finanzmisere hätte. Man gab zugleich den Pensionisten und Beamten üppige Erhöhungen, als ob überhaupt das ganze Jahr Weihnachten wäre.
  5. Eine weitere Katastrophe wird langfristig das erhöhte Mitspracherecht der Länder, insbesondere bei jeder Steuerreform werden. Im Gegenzug versprechen zwar die Länder auch signifikante Einsparungen – nur hat der Bund absolut keine Mittel, diese auch wirklich durchzusetzen. Die Länder haben ja auch schon in der Vergangenheit die meisten Sparsamkeitszusagen rasch wieder vergessen (Lobenswerte Ausnahme Oberösterreich und Vorarlberg). Man erinnere sich nur an die frechen Töne aus dem Wiener Rathaus, dass man sich keine Vorschriften machen lasse.
  6. Eine Dummheit ist es, die drei großen Bahntunnels alle mit deutlicher Verzögerung zu bauen, statt sich beispielsweise vorerst auf einen zu konzentrieren. Damit wenigstens einer fertig wird und Nutzen bringt. Das wäre logisch, aber das hätten die jeweils nicht mit Bohrlöchern beglückten anderen Landeshauptleute nicht erlaubt.
  7. Ebenso amüsant wie gefährlich ist, dass die Regierung schon fix Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer einplant: Erstens verteilt sie dabei das Fell, bevor der Bär erlegt ist. Denn in Europa gibt es einen tiefen Dissens über die Einführung einer solchen Steuer, die jedoch nur im internationalen Gleichklang eingeführt werden soll. Zweitens aber ist diese Steuer mit Sicherheit massiv schädlich fürs Wachstum. Drittens will auch die EU selber die Erträge dieser Steuer haben. Womit das Fell des noch durchaus lebenden Bären gleich zweimal verkauft wird.
  8. Indirekt schon selbst eingestanden haben die Koalitionsparteien ihr Scheitern beim Thema Gesundheit. Sie haben in ihre Listen zwar einen satten Sparbeitrag des alljährlich teuerer werden Gesundheitsbereichs hingeschrieben. Über das Wie schweigen sie aber total. Was ja nun wirklich ein Dejavu ist. Denn bei der Gesundheit ist noch jede Regierung gescheitert (siehe auch den amerikanischen Heiland außer Dienst namens Obama). Wer die Gesundheit reformieren will, müsste sich nämlich gleichzeitig mit den Ärzten, mit den Bundesländern und Gemeinden, mit den Sozialpartnern anlegen. Und alle benutzen die Angst der Menschen um ihre Gesundheit als Geisel für ihre eigenen Macht- und/oder Geldinteressen.
  9. Eine absolute Geldverschwendung ist eine zusätzliche Ausgabe von 750 Millionen als Lohnsubvention für ältere Arbeitnehmer. So etwas steht wirklich in einem „Sparpaket“! Das ist eine völlig perverse Regelung, die in Wahrheit nur die schwere politische Schuld der Gewerkschaften kompensieren soll. Diese weigern sich nämlich, die Kollektivverträge zu ändern, welche ältere Arbeitnehmer allein auf Grund ihres Alters teuer machen. Da muss jetzt also der Steuerzahler einspringen, weil eine Altersgruppe Tariflöhne bekommt, die über ihrer Leistung liegen. In Wahrheit gibt es ja überhaupt keinen Grund, ab dem 50. Lebensjahr nur auf Grund des Alters Gehaltserhöhungen festzuschreiben.
  10. Eine Schikane, die aber nichts bringen wird, ist das Verbot, die Altersteilzeit künftig zu blocken. Man erspart sich dabei aber nichts von den hohen Subventionen dieser Altersteilzeit. Jedoch wird die für Menschen und Wirtschaft praktische Methode abgeschafft, an Stelle jahrelanger Teilzeit zuerst voll zu arbeiten und dann trotz weiterem Lohnbezug gar nicht mehr. Cui bono?
  11. Was die Schaffung einer neuen Verwaltungshochschule als Teil eines Sparpakets zu suchen hat, ist überhaupt rätselhaft.
  12. Die Reduktion der Bausparprämie ist unsinnig. Die Finanzierung des dringend benötigten Wohnbaus wird dadurch noch schwieriger werden.
  13. Auch die private Altersvorsorge wird künftig weniger gefördert. Dabei ist die individuelle Altersvorsorge der Österreicher im internationalen Vergleich ohnedies schon blamabel gering. Diese Einsparung ist ein weiterer Schritt hin zum real existierenden Sozialismus und ein Weg vom „Mehr privat!“

Diese Listen des Guten und des Bösen sind keineswegs vollständig. Zum einen habe ich die reinen Abkassiermaßnahmen gar nicht eigens aufgezählt, wenn sie nicht zusätzlich negative Strukturwirkungen haben. Viele Maßnahmen sind auf Grund der relativ knappen Darstellung des Sparpakets auch noch gar nicht endgültig bewertbar. Viele Punkte müssen erst ausgefeilt und mit den Betroffenen verhandelt werden (oder glaubt jemand wirklich, dass die Exekutive künftig freiwillig am Wochenende billiger arbeiten wird, nur weil es in einem Koalitionskonzept steht?). Vieles bedeutet nur eine Verschiebung von einer Tasche in eine andere – wie etwa der Transfer der unter-50-jährigen Invaliden von der Pensionskasse in die AMS-Kasse.

Wenigstens eines wissen wir aber jetzt fürs nächste Sparpaket, das ja zweifellos in absehbarer Zeit ins Haus steht: Wirkliche Reformen bringt keine Koalition, sondern nur noch ein parteiunabhängiger Regierungschef durch, der die gesamte Drohkraft der EU und der internationalen Finanzwelt hinter sich hat. Nur ein solcher Regierungschef braucht keine Rücksicht auf Landeshauptleute, auf Gewerkschaften, auf Kammern, auf Ärzte, auf ideologische Wunschprojekte und auf den nächsten Wahltermin zu nehmen.

Demokratie haben wir uns freilich einst anders vorgestellt . . .

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Die doppelte Katastrophe

10. Februar 2012 10:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Mit vielen Aspekten des Sparpakets werden sich Analysen noch in den nächsten Tagen zu befassen haben. Wenn wirklich alle Details geklärt sind, wenn wirklich die Gesetzestexte vorliegen. Denn noch lange ist nix fix, trotz aller Verlautbarungen dieser Stunden. Die wirklich dramatische Bedeutung dieses Sparpakets ist aber jetzt schon klar. Es ist eine noch viel größere Enttäuschung als all das, was man realistischerweise erwarten hat müssen.

Anzunehmen war ja etwa schon lange, dass es – wider alle Ankündigungen – Steuererhöhungen gibt, obwohl Österreich schon heute ein Land mit einer der höchsten Gesamtsteuerbelastungen der Welt ist. Dabei ist es zwar durchaus nachvollziehbar, dass man die Gewinne eines Grundstücksbesitzers durch eine behördliche Änderung der Grundstückswidmung besteuert; das könnte einen der größten Graubereiche von Korruption ein wenig trockenlegen (insbesondere in Wien gibt es da üble Geschichten).

Völlig unfassbar ist aber, dass man diese Erhöhung nicht durch eine Reduktion der weit überzogenen Steuern auf Arbeitseinkommen kompensiert – nein, diese werden sogar noch mehr besteuert. Österreich hat damit Höchststeuersätze in absolutem Weltrekordniveau.

Diese Einkommensteuererhöhung bezeichnet die Zeit im Bild des SPÖ-ORF unfassbarerweise als „großen Wurf“. Dieser große Wurf wird freilich die Geschäftsführer vieler internationaler Firmen und Repräsentanzen künftig von einer Übersiedlung nach Österreich samt der damit verbundenen Arbeitsplatzschaffung und Wertschöpfung abhalten. Er wird viele Spitzenmanager zu einem Abzug aus Österreich bewegen. Er wird bei vielen hier bleibenden Gutverdienern jede Motivation zu einer weiteren Wertschöpfung reduzieren. Er wird Zahlungen unter der Tuchent noch viel lukrativer machen. Er wird damit am Schluss weit mehr Schaden anrichten, als vielleicht Geld in die Staatskasse tröpfelt. Nur weil die inhaltslos gewordene Linke den Neid und Hass auf die „Reichen“ zu ihrer Ersatzreligion gemacht hat.

Diese Katastrophe wird nur noch von einer zweiten übertroffen, die sich jetzt schon als Ergebnis des Sparpakets zeigt: Die Koalition ist trotz monatelangem Verhandelns, trotz jahrelanger Debatten und Konvente, trotz Hunderter und Tausender Expertenvorschläge zu praktisch keinerlei strukturellen Reformen, zu keiner Verwaltungsvereinfachung imstande gewesen. Obwohl eine solche ja nur in einem solchen Augenblick Chancen auf Umsetzung hätte, da der Politik das Wasser bis zum Hals steht.

Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, den Kompetenzdschungel zwischen Bund und Ländern zu durchschneiden. Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, das unsinnige, den Frauen schadende und extrem teure niedrige Frauenpensionsalter hinaufzusetzen. Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, an der Hacklerregelung zu rühren. Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, realistische Ab- und Zuschläge für Früh- und Spätpensionen zu verrechnen. Man wagt es (nach allem, was man zur Stunde weiß) nicht, auf zumindest einen der drei gigantischen und niemals rentablen Bahntunnels zu verzichten – sondern baut alle halt ein bisserl sparsamer und deutlich langsamer. Was nur einen Effekt hat: nämlich, dass der ohnedies geringe Return on Investment dieser Tunnels noch viel später zu verbuchen sein wird.

Das einzige, was ein wenig einer Strukturreform ähnelt, dürfte die Abschaffung der verwaltungsaufwendigen doppelten Pensionsberechnung sein (die wir seit der letzten Pensionsreform dem BZÖ und dem ÖGB zu „verdanken“ haben).

Ach ja, dann ist auch noch die Sperre von ein paar Bezirksgerichten geplant. Das als Reformbilanz ist nun wirklich die Miniaturausgabe einer Bonsai-Reform. (Freilich: Wie sollen auch so schwache Ministerinnen, wie wir sie zuletzt hatten, etwa eine substantielle Justizreform zusammenbringen? Sie werden ja nicht einmal der einäugigen BSA-Staatsanwaltschaft Herr.)

Mit dem Wie dieses Sparpakets hat die Regierung Faymann-Spindelegger wohl endgültig ihre Legitimation verspielt. Ohne dass es am Horizont auch nur eine einzige Alternative gebe.

Bleibt eine einzige Frage offen: Wie soll man da nicht in Depression verfallen?

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Griechenland führt Europa vor

10. Februar 2012 02:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der unendliche Poker mit Griechenland scheint nun – wieder einmal – zu einem üblen Schein-Ende zu kommen. Auch wenn sich die EU-Finanzminister noch ein wenig zieren, werden ganz offensichtlich in Kürze weitere 130 Milliarden an echten Euros in den griechischen Abgrund geschoben. Im Gegenzug für unglaubwürdige griechische Versprechungen. Zugleich scheint Griechenland trotz aller Hilfen angesichts der Ungewissheit um seine währungspolitische Zukunft in diesem Abgrund unrettbar festzustecken.

Solange nämlich lebhafte Zweifel bestehen, ob Griechenland überhaupt im Euro bleiben kann, wird niemand in dem Land investieren. Dazu trägt  auch die Tatsache bei, dass Griechenland eine weiterhin keineswegs investitionsfreundliche Bürokratie hat. Ohne Investitionen kann es aber kein Wachstum und damit auch keine positive Zukunft Griechenlands geben. Denn nur naive Grüne predigen, dass es einen Wohlstand ohne Wachstum geben könnte.

Zur Skepsis angesichts der Lage Griechenlands trägt insbesondere bei, dass das Land auch schon bisher einen Gutteil seiner Sanierungsversprechungen ignoriert hat. Wer will daher ernsthaft glauben, dass es diesmal anders sein wird? In jenem Land haben ja nicht einmal Gesetze eine Auswirkung auf die Wirklichkeit, etwa auf das Handeln – und vor allem Nichthandeln von Beamten. Politikerversprechen haben das daher noch viel weniger.

Trotz aller Drohungen der EU-Partner war nicht wirklich anzunehmen, dass sie Griechenland fallen lassen. In diesem Fall müssten sie, müsste insbesondere die deutsche Regierung nämlich direkt oder indirekt zugeben, dass sie schon mit der ersten Griechenland-Hilfe im Mai 2010 schwere Fehler begangen haben. Denn ein Staatskonkurs – mit nachfolgend ermöglichtem Neuanfang – wäre damals billiger gewesen. Und würde inzwischen anstelle der ewigen Konkursverschleppung auch schon erste Erfolge bringen.

Knapp vor den französischen Wahlen war aber ein solches Eingeständnis eines Waterloos der europäischen Politik schon gar nicht zu erwarten gewesen. Da muss alles auf Sonnenschein programmiert werden. Die Märkte haben die Sonnenschein-Parole auch brav apportiert. Die Kurse sind gestiegen. Dass damit nur gutes Geld dem vielen schon verlorenen nachgeworfen wird, stört die Anleger offenbar nicht. Denn sie haben wieder ein halbes Jahr gewonnen, in dem man Business as usual betreiben kann.

Dass der darauffolgende Crash wegen der neuerlich vergrößerten Dimension der Geldverbrennung nur noch ärger ausfallen wird, wird einfach verdrängt. Ebenso wie die Tatsache, dass der Crash noch sicherer geworden ist. Alleine die gegenwärtigen Blasen bei den europäischen Immobilienpreisen müssen fast sicher mit einem Knall samt unberechenbaren Dominoeffekten enden.

Die einzige Möglichkeit, noch einen Crash abzuwenden, ist die – noch weiter intensivierte – Herbeiführung einer Megainflation. Die ist aber keineswegs ein Trost. Denn eine Megainflation wird verheerende Auswirkungen haben – die halt nur nicht in einem Schwarzen Freitag kulminieren, sondern sich über Jahre erstrecken.

Enger-können-wir-den-Gürtel-aber-wirklich-nicht-mehr-schnallen

Die Fernsehaufnahmen aus den Straßen Athens sind in dieser Situation die übliche und nicht weiter ernst zunehmende Reaktion. Jeder Grieche ist intelligent genug, jedem ausländischen Mikrophon furchtbare Klageschreie über das Enger-können-wir-den-Gürtel-aber-wirklich-nicht-mehr-schnallen entgegenzurufen. Auch wenn er vielleicht gerade von der Bank kommt, wo er seine Euro sicherheitshalber abgezogen oder ins Ausland transferiert hat.

Wäre wirklich ein Schmerzpunkt erreicht, hätten die griechischen Gewerkschaften nicht schon wieder zu einem zweitägigen Generalstreik gerufen. Sie glauben ganz offensichtlich noch immer daran, dass sie jemand erpressen können. Und sie haben vielleicht sogar recht: Denn Europa zahlt ja wieder einmal. Wahrscheinlich auch für die bei den Demonstrationen verbrannten deutschen Fahnen . . .

Wer den griechischen Mitleidsgeschichten dennoch glaubt, sollte eine Sekunde lang die heutige griechische Reaktion mit dem Jahr 1945 vergleichen: Damals hat in Europa niemand gestreikt. Nicht einmal eine Sekunde lang. Auf keiner Seite der ehemaligen Fronten. Denn einer, dem‘s wirklich schlecht geht, der streikt nicht. Gestreikt wurde dann erst in den Jahren darauf, als die Kommunisten zum Putsch ansetzten.

Auch das jetzt – theoretisch – zugesagte griechische Sparpaket ist keineswegs so schlimm, wie es manche darstellen. Die Streichung von Zusatzpensionen in privilegierten Branchen, für die nichts ausreichend eingezahlt worden ist,  erweckt nur begrenztes Mitleid.

Auch die Reduktion des gesetzlichen Mindestlohns ist völlig legitim und richtig. Denn die Festsetzung eines Mindestlohns durch populistische Politiker ist immer (nicht nur in Griechenland) ein Unsinn. Was soll ein hoher gesetzlicher Mindestlohn helfen, wenn niemand zu diesem Lohn mehr genug Jobs anbietet? Immer noch ist ein geringer Lohn besser als gar keiner. Daher ist dessen Senkung notwendig (was ja noch nicht die schon derzeit ausbezahlten Löhne reduziert). Nur niedrigere Löhne für Neueinsteiger können Griechenland wieder wettbewerbsfähig machen. Freilich ist diese Senkung keineswegs alleine schon eine ausreichende Medikation für Griechenland.

Notwendig wäre daneben erstens auch eine massive Verwaltungsreform, und zweitens die währungsmäßige Sicherheit für neue Investitionen in Griechenland. diese Sicherheit ist aber wohl nicht mehr herstellbar. Da muss nämlich jeder fürchten, Euros zu investieren und Drachmen zurückzubekommen.

Wenn aber schon die Herstellung einer wirklichen Währungssicherheit nicht mehr möglich ist, wäre eine echte Entmachtung des griechischen Gesetzgebers und der Regierung durch einen europäischen Masseverwalter umso notwendiger. Auch das wurde nicht durchgesetzt.

Papierende Zusagen griechischer Politiker beeindrucken hingegen wenig. Schon gar nicht, wenn Griechenland absurderweise ein Wahlkampf bevorsteht. In einem solchen ist leider fast immer Populismus statt Ehrlichkeit Trumpf.

Daher wird Europa auch in den nächsten Monaten wieder nur hilflos zuschauen können, wenn die Griechen auch jetzt wieder ihre Zusagen Scheibe für Scheibe vergessen werden.

Alle jene, die nach dem Motto „Das kleine Griechenland werden wir doch noch durchfüttern können“ trotz allem für die Milliarden in das bodenlose Fass sind, sollten sich noch über etwas anderes im klaren sein: Alles, was man den Griechen gewährt, wird man den anderen Schuldnerländern nicht verwehren können. Und deren Reihe wird ja immer länger. Schon hat Irland gefordert, dass es jede Konzession erhalten müsse, welche etwa die Europäische Zentralbank den Griechen einräumt. Dies würde etwa für einen Schuldenschnitt gelten, den nun offenbar nicht nur Privatgläubiger hinnehmen sollen, sondern den die EZB nach inoffiziellen Informationen auch den Griechen gewährt.

Das „Sozialmodell“ als historischer Betrug

Besonders widerlich ist das Verhalten der nichtgriechischen Sozialdemokraten. Dass der Neokommunist Oskar Lafontaine gemeinsame Anleihen aller Europäer für die Griechen verlangt, war ja noch zu erwarten gewesen. Aber völlig fassungslos macht ein Brief des SPÖ-Mannes Hannes Swoboda, der ja jetzt sogar Vorsitzender der roten Fraktion im EU-Parlament ist. Er attackiert doch tatsächlich in aggressiven Worten die „ruinöse, extreme Sparpolitik“, welche die EU-Staaten von den Griechen verlangten. Noch absurder ist, wenn Swoboda in diesen Forderungen sogar einen „großen Betrug am europäischen Sozialmodell“ zu erkennen behauptet.

In Wahrheit hat natürlich niemand irgendein „Sozialmodell“ betrogen. Sondern dieses hat sich selbst als der größte Betrug der letzten zwei Generationen erwiesen. Dieses Modell ist aber nichts anderes als der real existierende Sozialismus, als der ständig durch noch mehr Schulden finanzierte Sozialstaat.

 

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165 statt 183: ein Reformsymbol

09. Februar 2012 16:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Nationalrat wird von 183 auf 165 verkleinert. Zumindest dann, wenn das unter den vielen derzeit herumschwappenden Sparpaket-Ideen zu jenen zählt, die am Ende eines noch sehr langen Weges wirklich Gesetz werden sollte. Was man ja angesichts des Mutes von Faymann&Co bei keinem einzigen dieser angeblich fixen Vorhaben heute als sicher annehmen sollte. Diese Parlaments-Verkleinerung wäre aber jedenfalls ziemlich pikant.

Gleich aus fünf Gründen.

Erstens bringt sie nur eine geringe Ersparnis. Eine wirkliche wäre etwa eine Reduktion auf 100 Abgeordnete gewesen. Da könnte man dann zumindest ein ganzes jener Gebäude freigeben, die in den letzten Jahren zusätzlich fürs Parlament in Beschlag genommen worden sind. Das hätte dann auch die Bundesländer ordentlich unter Druck gesetzt, so wie die neuerdings vorbildlichen Steirer ihre Landtage zu verkleinern (in Wien ist der sinnloserweise ja sogar 100-köpfig).

Zweitens wäre eine ersatzlose Abschaffung des Bundesrates, eines reinen Schattengremiums zur Beschäftigung braver Parteisoldaten, noch viel dringender gewesen. Dieser soll hingegen ebenfalls nur verkleinert werden (Peinlicherweise kann man diesen Verein ja jetzt des öfteren im Fernsehen bewundern, was die Abschaffungsforderung noch viel eindringlicher macht).

Drittens ist das ein elegantes Revanchefoul an der Opposition: Diese hat ja unverständlicherweise die Zustimmung zu einer Schuldenbremse via Verfassung verweigert. Jetzt muss insbesondere das BZÖ doppelt zittern, ob es angesichts der verkleinerten Anzahl von Abgeordneten auch künftig noch den Sprung ins Parlament schafft. Eine Abschaffung des Bundesrats hätte das BZÖ hingegen nicht existenziell bedroht.

Viertens wird damit eine weitere der vielen „Errungenschaften“ der von der Linken so gepriesenen Ära Kreisky wieder rückgängig gemacht. Kreisky wollte damit ja damals auch die um ihre parlamentarische Existenz zitternde FPÖ beruhigen. Geld hat unter ihm und Androsch ja sowieso nie eine Rolle gespielt. Sie hatten’s ja offenbar. Und wir  haben ganz sicher die Schulden.

Fünftens wird der Parlamentsreduktions-Plan zufälligerweise am gleichen Tag bekannt, da Denkmalschützer vehement Einspruch gegen den teuren Umbau des Nationalratssitzungssaals erheben. Bei diesem sollen sich offenbar wieder einmal Architekten an einem historischen Bauwerk auf unsere Kosten und zur Ehre der Parlamentspräsidentin selbstverwirklichen können. Obwohl eine normale saubere Reparatur aller aufgetretenen Schäden nur einen Bruchteil kosten würde.

Dennoch bleiben wir fröhlich und wollen nicht hoffen, dass dieses Herumkleckern ein Symbol für die sonstigen Reformpläne ist. Vor allem für die entscheidende Königsdisziplin des Sparpakets, nämlich die notwendige substanzielle Erhöhung des Pensionsantrittsalters.

 

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Und dann werden sie plötzlich krank

09. Februar 2012 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man hat ja ein schlechtes Gewissen, wenn man kritisch über Invaliditäts-Pensionisten schreibt oder auch nur denkt. Denn zu diesen zählen ja viele Menschen, die körperlich oder geistig schwer leiden, die zu keiner Arbeit imstande sind. Sie verdienen unser ganzes Mitgefühl. Auch wenn sich dieses Mitgefühl dort schon ein wenig reduziert, wo die Arbeitsunfähigkeit auf eigenes Verschulden zurückgehen dürfte, also meist auf Drogen- und Alkoholmissbrauch.

Aber auch diese (mit)schuldigen Kranken wollen wir ja nicht verkommen lassen. Das würde unserer humanitären Kultur widersprechen. Unser Mitgefühl und damit die Pensionskassen werden jedoch von einer weiteren großen Gruppe noch viel stärker missbraucht: von jenen, die keineswegs so krank sind, dass sie arbeitsunfähig wären. Ein starker Beweis für die Größe dieser Gruppe ist etwa die Statistik, die in jüngster Zeit ein plötzliches starkes Ansteigen von Invalidenpensionen zeigt – genau zu dem Zeitpunkt, da der Zugang zu anderen Frühpensions-Arten schwieriger geworden ist. Inzwischen geht schon jeder dritte wegen „Invalidität“ in die Pension.

Ein anderer Beweis sind die Krankenstände, die für Österreich weitestgehend im grünen Bereich liegen. Die Krankheiten der Arbeitnehmer nehmen leicht ab (und die Selbständigen sind sowieso ein Wunder an Gesundheit). Kaum aber ist der 50. Geburtstag vorbei und bei vielen der Traum von der großen Karriere ausgeträumt, wird das Thema Frühpension interessant. Sofort verschlechtert sich der Gesundheitszustand dramatisch.

Diese zwei Indizien beweisen einen verbreiteten Missbrauch der Invaliditätspension. Ein weiteres Faktum tut das noch mehr. Das ist die rapide Zunahme von frühen Pensionierungen unter dem Titel psychischer Erkrankungen. Zuletzt waren das schon 32 Prozent aller neuen Invaliden, während es 2004 von insgesamt viel weniger I-Pensionisten bloße 24 Prozent waren.

Noch frappierender: Die Mehrzahl dieser psychisch „kranken“ Invaliditätspensionisten ist vorher kein einziges Mal wegen psychischer Erkrankungen im Krankenstand gewesen. Der Verdacht liegt mehr als nahe, dass solche Krankheitsbilder nur zum Zweck des Pensionsantritts erfunden und vorgeschützt werden, weil sie sich sehr schwer nachweisen lassen.

Dies gilt vor allem dann, wenn man auf gutwillige Ärzte trifft. So sind in der Steiermark zuletzt mehr als doppelt so viele Menschen mit psychischen Attesten in die Frühpension gegangen wie in Niederösterreich. Und es gibt eigentlich keine Beweise, dass Schilcher oder Sauvignon Blanc für die Psyche schädlicher wären als der Grüne Veltliner.

Was tun? Nun, vieles wäre möglich: Strengere Untersuchungen, nur befristete I-Pensionen, Rückzahlungspflichten für pfuschende „Invalide“, mehr Kontrollen, Umschulung von körperlichen Tätigkeiten hin zu sitzenden Berufen statt Pension. Das ist alles nicht unsozial, sondern macht es leichter, den wirklich Kranken gut zu helfen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Budgetsanierung durch faire Pensionen

08. Februar 2012 23:42 | Autor: Ökonomengruppe proMarktwirtschaft
Rubrik: Gastkommentar

Österreich hat mit 58 Jahren (ASVG) eines der niedrigsten effektiven Pensionsantrittsalter in Europa. Erstmals übertreffen 2012 die veranschlagten Pensionszuschüsse des Bundes an die Sozialversicherung mit 10,2 Mrd. € das gesamte Budgetdefizit aller Gebietskörperschaften. Dies hat mit sozialer Gerechtigkeit zwischen den Generationen nichts gemein.

Dabei geht es nicht nur vordergründig um eine Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters angesichts der demografischen Entwicklung, sondern vor allem auch um die Wahlfreiheit des mündigen Bürgers. Faire Anreiz- und Abschlagssätze für ein flexibles Pensionsantrittsalter wären dringend geboten. Akuter Handlungsbedarf ist angesichts der erforderlichen Budgetsanierung angesagt. Wir wollen deshalb wieder einen konstruktiven Beitrag leisten. Wir – das ist die unabhängige Initiative proMarktwirtschaft – eine Runde von österreichischen Ökonomen, die das Manko an sachlich orientierter Wirtschaftspolitik ausfüllen will.

Österreich wird im Rahmen der „Europa 2020 Strategie“ von 2010 bis 2020 einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt auf die Anhebung der Erwerbsquote der 20 bis 64- Jährigen auf 75% setzen; d. h. bis 2020 sollen 75% der Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig sein. Derzeit liegt die Erwerbsquote in dieser Altersgruppe bei 74,9% (2010). Dieses Ziel wurde also bereits nahezu erreicht.

Angesichts der im internationalen Vergleich besonders niedrigen Erwerbsquote unter den 55-60-jährigen Frauen und den 60-65-jährigen Männern besteht nach wie vor ein erhebliches Potential zur Steigerung der Beschäftigung und damit zum Übertreffen der Europa 2020 Ziele.

Gleichzeitig sucht der Bund im Rahmen des derzeit diskutierten Sparpakets Möglichkeiten zur Senkung der Staatsausgaben. proMarktwirtschaft weist in diesem Zusammenhang auf die doppelte Dividende eines höheren durchschnittlichen Pensionsantrittsalters hin: Durch die längere Erwerbstätigkeit entfällt die Pensionsleistung, während gleichzeitig Beitragseinnahmen für die Pensionsversicherung entstehen!

Faire Abschlagsätze könnten dem Bund 1,2 Mrd. € pro Jahr ersparen

Faire Abschlagsätze für den vorzeitigen Pensionsantritt ohne Deckelung wären ein besonders wirksames Instrument zur Anhebung des Antrittsalters: sie geben den Erwerbstätigen Wahlfreiheit über den Zeitpunkt des individuellen Eintritts in den Ruhestand, und sie vermeiden gleichzeitig eine finanzielle Belastung der Allgemeinheit durch übermäßig frühe Pensionsantritte. Die Pensionsreformkommission schätzt das Einsparungspotential durch einen um einen Monat späteren Pensionsantritt auf 100 Mio. €. Wenn das durchschnittliche Pensionsantrittsalter um ein Jahr angehoben werden könnte, ergäbe das eine Entlastung für den Bundeshaushalt von 1,2 Mrd. €.

In der Altersgruppe der über 55-Jährigen besteht ein besonders hohes Potential zur Steigerung der Erwerbstätigkeit. Der EU-Ageing Report 2009 zeigt, dass in Österreich das durchschnittliche Pensionsantrittsalter im europäischen Vergleich besonders niedrig ist. Während in der EU-25 das Antrittsalter zur Pension 61,2 Jahre beträgt, treten die Österreicherinnen und Österreicher im Durchschnitt bereits mit 60,9 Jahren in den Ruhestand. Dieser Wert liegt für Direktpensionen in der Pensionsversicherung (ASVG, GSVG und BSVG) mit 58,1 Jahren (2010) noch deutlich niedriger, weil im Pensionsrecht des öffentlichen Dienstes geringere Möglichkeiten zum vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bestehen.

Derzeit falsche Anreize

Ein wichtiger Grund für den frühen Übertritt in den Ruhestand sind falsch gesetzte Anreize im Pensionsversicherungsrecht: Der spätere Antritt des Ruhestands schafft im Vergleich zum Betrag, der aus einem vorzeitigen Bezug der Pensionsleistung erzielbar ist, keine ausreichend hohe Steigerung der Pensionsleistung!

Nach der aktuellen Rechtslage verkürzt ein Antritt des Ruhestands vor dem Regelpensionsalter die Pensionsleistung um 4,2% pro Jahr, wobei eine Deckelung des Abschlags mit 15% besteht (§ 5 APG Abs. 2 und Abs. 3). Die Verlängerung der Erwerbstätigkeit bringt einen Zuschlag von 4,2% pro Jahr, wobei eine Deckelung des Zuschlags mit 12,6% besteht (§ 5 APG Abs. 4). Versicherungsmathematisch faire Abschlagsätze liegen in den meisten Fällen über diesen Werten.

Berechnung der Abschlagsätze – was ist fair?

Grundlage zur Berechnung des fairen Abschlagsatzes ist der Barwert einer Pensionsleistung, die ab dem 65. Lebensjahr ausgezahlt wird. Mit diesem Barwert werden die Barwerte von Pensionsleistungen verglichen, die jeweils 1, 2, …, usw. Jahre vor dem 65. Lebensjahr beginnen. Daraus ergeben sich verschiedene Abschlagsätze, die die jeweiligen Barwerte an jene der Regelpension mit 65 Jahren angleichen.

Die Abschlagsätze hängen vor allem von der Pensionsleistung zum Regelpensionsalter bzw. zum vorzeitigen Pensionsantrittsalter, vom Diskontsatz, der restlichen Lebenserwartung und vom beitragspflichtigen Erwerbseinkommen vor dem Pensionsantritt ab. Daher gibt es nicht nur für jedes Jahr des Pensionsantritts vor dem Regelpensionsalter einen anderen fairen Abschlagsatz, sondern auch nach Berufsgruppen und Geschlechtern unterschiedliche faire Abschlagsätze (vgl. Modellrechnung). So haben z. B. Männer einen höheren versicherungsmathematischen Abschlagssatz, weil für einen Mann ein zusätzliches Pensionsjahr im Vergleich zur Pensionsbezugsdauer ein größeres Gewicht hat.

Die deutliche Zunahme der Ausgaben von Pensionsversicherten für den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten (2011: +17,9%) – rechtzeitig vor der Erhöhung der Kostensätze – zeigt, dass die Österreicherinnen und Österreicher auf geänderte finanzielle Anreize im Pensionsversicherungsrecht stark reagieren. Dieses Verhalten wird in einer empirischen Untersuchung über die Reaktion der Pensionsversicherten auf die Pensionsreformen von 2000 bis 2004 bestätigt (Raab, R., Financial Incentives in the Austrian PAYG-pension system: micro-estimation, Empirica, 2011).

proMarktwirtschaft schließt: Faire Abschlagssätze ohne Deckelung sind ein sinnvolles Instrument zur Budgetsanierung. Für die Pensionsversicherten würden sie eine Ausweitung des individuellen Entscheidungsspielraumes mit sich bringen, weil die Altersgrenzen für den vorzeitigen Antritt der Pension wegfallen könnten.

Peter Brezinschek ist Chefanalyst bei der Raiffeisen Bank International. Er hat unabhängig von seiner beruflichen Funktion zusammen mit weiteren österreichischen Spitzenökonomen (Mathias Bauer, Peter Brandner, Josef Christl, Christian Helmenstein, Thomas Url) die neue Initiative proMarktwirtschaft gegründet, für die er diesen Text verfasst hat.

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Wie entwickelten sich Lebenserwartung und Pensionsantrittsalter?

08. Februar 2012 20:16 | Autor: Andreas Unterberger

Lebenserwartung und Pensionseintrittsalter nach Geschlecht seit 1970

 

Quelle Grafik: "Initiative proMarktwirtschaft"

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Fußnote 257: Mit 75 statt 57 in Pension?

08. Februar 2012 01:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Kein Zahlensturz, sondern ein ernsthafter Regierungsplan – in Schweden.

Wer länger lebt, muss länger arbeiten: Mit diesem Argument hat der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt einen Pensionsantritt erst mit 75 Jahren zur Diskussion gestellt. In Österreich gehen Frauen derzeit hingegen im Schnitt mit 57 und Männer mit 59 in die zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs wohlverdiente Rente. Und von der österreichischen Gewerkschaft wird jeder ernsthafte Versuch, dies zu ändern, weiterhin mit Kriegserklärung bedroht. Dabei ist Schweden jetzt schon anders. Dort geht man derzeit erst mit mehr als 64 Jahren in die Pension. Auch Reinfeldt kennt das hierzulande häufig gehörte Argument, dass 55-Jährige viel schwerer eine neue Arbeit finden. Aber er weiß auch: Wenn Arbeitgeber noch mit einem langen Verbleib eines 55-Jährigen im Unternehmen rechnen können, dann wird sich viel eher die Investition in dessen Aus- und Umbildung rentieren. Und gesundheitlich sind heute 70-Jährige im Schnitt besser drauf als früher die 60-Jährigen. In Schweden wie in Österreich. Offenbar aber leben die Schweden auf einem anderen Planeten. Wo zum Unterschied von Österreich noch logische Argumente zählen – auch wenn sie aufs erste unpopulär sind.

 

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Land der Gummi-Hämmer

05. Februar 2012 11:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die tägliche Erfolgsmeldung zum Thema Regierungs-Einigungen beim Belastungspaket gerät zur nicht versiegen wollenden Quelle von Heiterkeit. Außer man hat keinen Galgenhumor. Denn je länger die koalitionären Steingebirge kreißen, desto mickriger wird so manches Mäuschen, das sie gebären. Und das eigene Unvermögen übertönt man dann mit großen Worten, die man dem Boulevard spendet. „Richtige Hämmer bei den Pensionen“ kündigt Michael Spindelegger an. Und der Oberhammer ist: Bis 2020 soll das (faktische, nicht das gesetzliche!) Pensionsantrittsalter um 4 (in Worten: vier!) Jahre angehoben werden.

Da sind wir dann schon bei einem durchschnittlichen Ruhestandsbeginn von sage und schreibe 62,1 Jahren – also noch immer ein paar Jahre weit entfernt von unserem derzeitigen gesetzlichen Pensionsalter.
Der österreichische Pensionshammer ist also aus Gummi.
Andere Länder mögen das vorgeschriebene Ende des Arbeitslebens angesichts der stetig steigenden Lebenserwartung hinaufsetzen – Deutschland, Spanien halten schon bei 67, sogar in Italien wird binnen sechs Jahren auf 66 erhöht, ganz fortschrittliche Länder wie Dänemark sehen die Lösung überhaupt im Aufheben dieser starren Grenze.
Wir aber, die wir schon jetzt 70 Prozent der Lohnsteuereinnahmen in Pensionszuschüsse buttern, wir leisten uns ein Hinterherhecheln hinter unseren eigenen gesetzlichen Regelungen, ohne sie je zu erreichen.
Das das nie funktionieren kann, wissen natürlich auch die regierenden „Krisenmanager“. Sie fürchten sich aber nicht vor der Lawine an bösen Folgen ihrer unterlassenen Handlungen, weil die ohnehin erst unsere Kinder treffen wird. Sie können auch in Krisenzeiten, in denen uns das Wasser schon über die Nase steht, nur bis zum nächsten Wahl/Zahltag denken. Und sie fürchten sich, darum benützen sie große Worte. Wer sich im Dunkeln fürchtet, der pfeift bekanntlich auch besonders laut.
Eigentlich gibt es nur einen Schluss: Wenn unsere Koalitions-Berge weiterhin auf diese Art und Weise kreißen, wäre es Zeit, dass ein Monti herauskommt. Die Frage bleibt nur: Wer ist der österreichische Experte, der sich das antut? Der endlich den Sachverstand in die Regierung bringt, den Faymann, Spindelegger & Co nicht einmal als Berater bei ihren ohnmächtigen Bemühungen hinzuziehen? Was brauchen die denn auch Experten, wenn sie ihre AK-, Gewerkschaft-, Kammer- und Bauernvertreter haben?
Zeit für eine weitere Reform der Bundeshymne: Wenn das die Hämmer sind, die wir besingen, ist nämlich das darauf folgende Wort „zukunftsreich“ alles andere als korrekt.
 

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Vom faulen Reform-Zauber

04. Februar 2012 10:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Vorgeschmack auf die Qualität des Spar- und Schröpfpakets der Regierung ist bitter – aber nicht unerwartet: Die laut verkündeten Durchbrüche auf dem Gebiet der Gesundheits(kosten)reform, die uns ereilt haben, sind nicht mehr als nette, halb verhandelte Absichtserklärungen. Vor Reform keine Spur – wie auch, wenn man jahrelang jede Reform-Anstrengung vermeidet und dann unter dem gnadenlosen Diktat der Schuldenkrise ganz schnell etwas zusammenschustert.

Zuerst kam das erste Ei des Kolumbus: Die Gesundheitsausgaben dürfen nicht mehr stärker wachsen als die Wirtschaftsleistung. Der Applaus war noch nicht verklungen, da relativierte der Gesundheitsminister: Ja, das ist schön, aber wann diese Kostenbremse zum Tragen kommen kann, lässt sich nicht sagen. Jedenfalls nicht sofort, denn jetzt müssen erst die zähen Verhandlungen mit den Ländern geführt werden.
Auch das zweite Ei ist von windiger Qualität: Eine Steuerungsgruppe soll sicherstellen, dass die Spitäler, Ambulanzen und niedergelassenen Ärzte gemeinsamer Planung und Finanzierung unterlagen. Jubel, Trubel – und Heiterkeit: Wir haben ein neues Gremium, nur leider ist über sein Funktionieren gar nichts fix. Am allerwenigsten die alles entscheidende Frage, wer die Mittelverteilung über hat. Und dass der Reform-Verhandler der Bundesländer, Oberösterreichs Josef Pühringer, seine Vorstellung unmissverständlich klar gemacht hat, lässt nichts Gutes erwarten. Er verlangt, dass Bund und Krankenversicherungen das Geld zur Verfügung stellen und die Länder es verteilen.
Den Status quo nennt man also Reform.
Wohin die Allmacht der Bundesländer führt, das wissen wir längst.
Umso rührender war denn auch der treuherzige Auftritt des Steirers Franz Voves im Bundesrat. Die Bundesregierung soll es doch genauso machen wie die steirische: Notwendige Sparmaßnahmen gemeinsam ohne Rücksicht auf die eigene Klientel durchziehen, zusammenhalten, die Parteiinteressen hintanstellen und sich erst in zwei, drei Jahren wieder im parteipolitischen Kleinkrieg üben.
Der Sparmeister aus der grünen Mark hat freilich zweierlei übersehen: Es selbst und sein schwarzer Partner haben ihr Sparprogramm unmittelbar nach Wahlen beschlossen. Die Kollegen auf Bundesebene, erstmals im Genuss einer fünfjährigen Gesetzgebungsperiode haben hingegen jahrelang jede Handlung vermieden und müssen sich spätestens im nächsten Jahr dem Wähler stellen. Angesichts dieses Damoklesschwerts ist ihnen natürlich das Parteiwohl viel näher als das Staats-Ganze. Dabei haben Gusenbauer-Molterer mit genau dem Argument, dass große Würfe längere Atempausen zwischen Wahlen brauchen, die Verlängerung der Legislaturperiode erfunden.
Noch viel fataler ist der zweite Denkfehler beim steirischen Nachhilfeunterricht: Ein Land allein kann alles Mögliche beschließen, der Bund aber muss sich bei fast allem gegen neun Landeskaiser durchsetzen. Die Länderegoismen, die Landeskaiser-Allüren sind die Kehrseite des Föderalismus. Daran sind bisher noch alle Reformideen gescheitert. Das ist allen Beteiligten klar, aber niemand hat bisher den notwendigen Rückbau der Länder-Allmacht begonnen.
Nur: Solange die Landeskaiser nach eigenem Belieben das Geld ausgeben dürfen, werden viele dringliche Reformen nie stattfinden – von der Gesundheit, über das Schulwesen, die Verwaltung etc.
Doch der Mutige, der die neun hungrigen Löwen bändigt, muss erst gefunden werden. Für die Bewältigung der Schuldenkrise kommt er jedenfalls zu spät – falls er je kommt.
 

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SN-Kontroverse: Frauen-Pensionsalter

03. Februar 2012 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der  Salzburger Nachrichten  eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Gehen Frauen zurecht früher in die Pension?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden

Zuerst Diskriminierung kippen!

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at)

Wenn es schwierig wird, müssen die Frauen dran glauben. Jetzt ist es wieder einmal soweit. Sie sollen um fünf Jahre länger arbeiten, um die Staatsschulden in den Griff zu bekommen. Obwohl Frauen in fast allen Bereichen benachteiligt sind. Ihr Verdienst ist weit geringer. Im Durchschnitt bekommen Frauen für gleichwertige Arbeit rund 40 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Karriere ist hingegen nicht für sie vorgesehen. In den Führungsetagen und in den Aufsichtsgremien großer Unternehmen sind Frauen stark unterrepräsentiert. Der Frauenanteil in den Chefetagen ist traditionell niedrig und stagniert seit Jahren. In der Geschäftsführung liegt der Frauenanteil bei nur 4,6 Prozent; im Aufsichtsrat bei neun Prozent. Dafür sind Frauen mehrfach belastet. Sie kümmern sich nach wie vor in erste Linie neben dem Job um Haushalt und Kindererziehung. Wenn dieser Lebensabschnitt vorbei ist, leisten sie den Großteil der Pflegearbeit. Die Diskriminierung der Frauen endet nicht im Pensionsalter, sondern da wird sie noch vertieft: Während Männer auf eine durchschnittliche monatliche Pension von 1288 Euro kommen, beläuft sich diese bei Frauen lediglich auf 786 Euro.

Frauen werden außerdem vom Arbeitsmarkt früher „ausgemustert" als Männer. Wird eine Frau mit 50 Jahren arbeitslos gilt sie de facto als nicht mehr vermittelbar. Das Risiko, in Armut abzugleiten, ist für Frauen deutlich höher als für Männer. Jede dritte allein lebende Pensionistin in Österreich ist armutsgefährdet. Dass Frauen früher als Männer in Pension gehen dürfen, ist daher mehr als gerechtfertigt. Es besteht nicht der geringste Grund, die derzeitige Rechtslage, wonach des gesetzlichen Pensionsalters von Frauen ohnedies ab 2024 bis 2033 an das der Männer anzugleichen ist, früher zu kippen.
 

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Weder gerecht noch nachhaltig

Andreas Unterberger

In der großen Mehrheit der Staaten gilt seit Langem für Männer und Frauen das gleiche Pensionsantrittsalter. Immer mehr Länder haben dieses Alter schon auf 67 Jahre erhöht. Österreichs Feministinnen hingegen wollen mit Hilfe von Rot und Grün das gleichheitswidrige Privileg eines früheren Antritts bis 2033 verteidigen.

Was absurd ist. Denn genau dieser frühe Pensionsantritt ist eine Hauptursache für das statistisch niedrigere Durchschnittseinkommen von Frauen. Verdient man doch laut den meisten Kollektivverträgen und Dienstordnungen in den letzten Dienstjahren am meisten. Angesichts ihres früheren Pensionsantritts, ihrer höheren Lebenserwartung und ihrer geringeren Pensionsbeiträge sind die Frauen zu drei Viertel für die wachsende Lücke in den Kassen der Pensionsversicherung verantwortlich. Das ist das Gegenteil von „Gerechtigkeit", welche die SPÖ gerne plakatiert. Diese aus dem Budget zu deckende Pensionslücke wird jedes Jahr größer und kann nur noch durch ständig wachsende Schulden gedeckt werden. Die Pensionen sind - zusammen mit den ÖBB und den Zinsen für die alten Schulden früherer Verschwenderregierungen - der weitaus größte Defizittreiber und damit Hauptursache des Sinkens unserer Kreditwürdigkeit. Das ist das Gegenteil von „Nachhaltigkeit", von der die Grünen ständig schwadronieren. Dieses Privileg wird gerne mit der Kindererziehung begründet. Jedoch: Angesichts der immer größeren Zahl von kinderlos bleibenden Frauen gibt es keinen Grund, den wichtigen Beitrag der Mütter zu unserer Zukunft über das Pensionsantrittsalter aller Frauen zu belohnen. Gerecht wäre hingegen eine Unterstützung nur für die Mütter mehrerer Kinder. Ihnen sollten nicht nur maximal vier Jahre pro Kind als Beitragsjahre gutgeschrieben werden, sondern jedes Jahr, das sie ihre Berufstätigkeit der Kinder wegen unterbrechen.

 

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Fußnote 258: Glawischnig haidert

30. Januar 2012 11:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eva Glawischnig will das Sparen revolutionieren: Eine Krankenversicherung für alle, eine Pensionsversicherung für alle. Mit diesen grünen Sparvorschlägen geht sie in die Verhandlungen mit dem Vizekanzler.

Grün?
Diese Systemrevolutionen haben wir doch schon gehört. Und zwar nicht nur einmal. Es waren die gebetsmühlenartig wiederholten Forderungen des grünen Gott-sei-bei uns – Jörg Haider. Übernommen und aufpoliert von H. C. Strache.
Und jetzt ist Frau Glawischnig auf den Haider gekommen.
Entweder Eva Glawischnig hat kein politisches Gedächtnis oder sie steht mehr unter Druck, als es die Wortmeldung des Tiroler Grünen Gebi Mair vermuten lässt. Der zettelte nämlich eine Obfrau-Diskussion an, weil er endlich frischen Wind an der Grünen-Spitze will. Nur dass der so blau weht, das hat er sich wohl nicht erwartet. Sonst hätte er sich nicht so schnell für sein Aufmucken wieder entschuldigt. Ob er jetzt die Entschuldigung zurücknimmt?

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Sparvorschlag: Heinisch-Hosek

24. Januar 2012 17:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unser aller Frauenministerin spart. Sie spart sich harte Arbeit. Denn sie wird das Beamtendienstrecht mit Besoldungsreform wieder nicht verhandeln. Und sie hat eine so großartige Ausrede für ihre Untätigkeit gefunden, dass man ganz beeindruckt ist, wie sehr sie an der Einhaltung der staatlichen Sparziele interessiert ist: Da mit der Besoldungsreform geplant ist, dass die Beamten höhere Einstiegsgehälter bekommen (und die Einkommenskurve dann abflacht), ist diese Neuerung, die sie ohnehin erst seit Amtsantritt vor sich herschiebt, jetzt wirklich nicht zu machen. Denn das würde ja Geld kosten, Geld das wir in Krisenzeiten nicht haben. Also wieder nichts.

Die selbsternannte Sparmeisterin hat sich aber gehörig verrechnet. Denn: So billig, wie die Besoldungsreform jetzt auf Schiene gebracht werden könnte, wird es nie mehr gehen. Schließlich haben Kanzler und Vize als Sparmaßnahme einen Aufnahmestopp mit den Ausnahmen Sicherheit und Bildung vorgeschlagen. So wenige Einsteiger wie jetzt wird es in besseren Zeiten wohl nie mehr geben. Das neue Besoldungsrecht könnte also zu Mindestkosten eingeführt werden. Zu dieser Erkenntnis hätte Frau Heinisch-Hosek kommen können, hätte sie sich nicht das Denken gespart.
In dieser Legislaturperiode wird sie sich also nicht mehr mit unangenehmer Reformarbeit herumschlagen müssen. Dafür fehlt ihr ohnehin die Zeit. Sie hat ja so viel damit zu tun, Frauenquoten in Aufsichtsräten und Vorstandsetagen zu fordern.
Es schwirren derzeit reichlich Vorschläge in der Gegend herum, wen man alles einsparen könnte – den Bundespräsidenten, einen Teil der Abgeordneten, den Bundesrat als Ganzes. Nur die Propaganda-Ministerin Heinisch-Hosek fehlt auf allen Listen. Dabei wäre sie vordringlich einzusparen: Dann könnte endlich ein anderes Regierungsmitglied, das Arbeit nicht scheut, die überfälligen Reformen bei den Beamten angehen.

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Nachher ist man immer klüger

19. Januar 2012 00:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Grau ist alle Theorie. Das gilt insbesondere, wenn man das Verhalten von Menschen prophezeien will. Dieses lässt sich jedoch nicht so einfach wie eine Maschine steuern, bei der man genau weiß, was passiert, wenn man eine Schraube dreht. Diese menschliche Unberechenbarkeit hat schon viele ideologische und ökonomische Theorien zerstört. Und im letzten Jahrzehnt auch den Euroraum.

Denn natürlich hat man bei der Einführung des Euro vorhergesehen, dass sich die Wirtschaft in einzelnen Ländern und Regionen unterschiedlich entwickeln kann. Das hätte sich aber der Theorie zufolge so wie im Dollar-Raum automatisch ausgleichen sollen. Wenn es in den USA in einem Staat oder einer Stadt kriselt, weil beispielsweise mehrere Firmen bankrott gegangen sind, dann reagieren die Menschen: Sie packen ihre Koffer und ziehen an einen anderen Ort.

Dasselbe hätte in Europa passieren sollen. Ist es aber nicht. Das lässt sich in Zahlen gut zeigen: In den USA sind in einem Jahr 2,8 Prozent der Menschen in einen anderen Staat gewandert. In Europa taten das hingegen nur 0,18 Prozent.

Warum hat hier die Mobilitätsmaschine so total versagt? Das hat mehrere Ursachen, derer man sich aber offenbar erst im Nachhinein bewusst wird. Die größte Mobilitätsbarriere war die Sprache. Diese ist in ganz Amerika gleich, in Europa jedoch fast überall anders. Mit der sprachlichen Homogenität  geht in den USA auch eine kulturelle einher. Sie reicht vom Sport bis zum Fernsehen. All das ist in Europa viel unterschiedlicher.

Dass die Mobilität sofort größer wird, wenn die Sprachbarriere wegfällt, zeigen Deutschland und Österreich.
Aber auch die Wohnkultur ist total anders. In Amerika wechselt man Häuser wie die Autos. Das wird dadurch erleichtert, dass für Immobilienkredite nur Grundstück und Haus haften, nicht jedoch der Besitzer. In Europa werden Häuser oft in lebenslanger – und meist auch noch die nächste Generation einschließender – Perspektive gekauft oder gebaut. Überdies bindet die politische Wohnbauförderung die Menschen fast so fest an ihr Heim wie einst die Leibeigenschaft die Bauern an die Scholle.

Noch wichtiger sind die Kollektivverträge: In Europas Krisenstaaten haben die Gewerkschaften trotz stagnierender Produktivität die Lohnkosten überproportional in die Höhe getrieben. Zusammen mit Kündigungsverboten und der Aufblähung von Beamtenheeren hat man so jeden Anreiz zur Mobilität genommen. Auch jene, die keinen Job mehr bekamen – das sind logischerweise in solchen Systemen vor allem die Jungen –, sind meist sozial so gut gebettet, dass sie selten auswandern. Das taten nur die Osteuropäer und Menschen aus der Dritten Welt,  bei denen es kaum Sozialsysteme gibt.

Jetzt haben die Ökonomen für ihre Lehrbücher gelernt: Wenn solche Faktoren die Mobilität verhindern, muss ein gemeinsamer Wirtschaftsraum kollabieren. Aber nachher sind wir ja immer alle gescheiter.

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Korruption, die tausendköpfige Krake

17. Januar 2012 00:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nach dem Europarat hat sich auch der österreichische Bundespräsident laut gegen Korruption und für „saubere Hände“ ausgesprochen. Dem kann man nur ebenso laut zustimmen – freilich unter einer Bedingung: Sofern bei der Sorge um die Sauberkeit nicht nur ein- und blauäugig gehandelt wird. Denn wer nur bestimmte Teile der Korruption ins Visier nimmt, will offensichtlich andere, genau so üble Formen der politischen Gaunerei decken. Korruption ist aber für Staat und Bürger immer gleich problematisch und schädlich. Nur steht seltsamerweise oft die eine Form im Licht, alle anderen aber nicht.

Bei der lautstark diskutierten Variante der Korruption geht es darum, dass jemand bei der Ausübung seiner politischen Macht die Hand aufhält – zu seinen persönlichen Gunsten oder denen seiner Partei. Das geschieht beispielsweise, wenn ein Abgeordneter Gegenleistungen verlangt, damit bestimmte Gesetze im Nationalrat oder EU-Parlament erlassen werden. Oder wenn der Mitarbeiter eines Ministers beim Beschluss einer Förderung aus Steuermitteln zu einer Parteispende „ermuntert“.
Aber selbst diese Untergruppe der Korruption ist merkwürdigerweise nicht immer strafbar. Was der erste himmelschreiende Skandal ist. Die kriminelle Energie ist nämlich in allen Fällen die selbe. Und sie sollte daher auch immer mit derselben Energie der Justiz bekämpft werden.

Egal, ob der Politiker oder die Partei kassiert

Es darf doch keinen Unterschied geben, ob die unsittliche Geldannahme an Menschen in einer Regierungsfunktion, im EU-Parlament oder im österreichischen erfolgt. Es darf auch keinen Unterschied machen, ob das Geld dem Abgeordneten/Minister persönlich oder „nur“ seiner Partei zufließt. Dazwischen darf man schon deshalb keinen Unterschied machen, weil es ja immer einem Politiker auch persönlich zugutekommt, wenn er für einen Geldfluss in die Parteikasse sorgt: Das fördert seine Karriere, sein Standing in der Partei und seine Chancen in einem Wahlkampf. Und damit wird zumindest mittelfristig auch wieder sein ganz persönliches Einkommen gefördert.
Es darf aber auch keinen Unterschied machen, ob der Geldfluss an einen Politiker (oder Beamten) von einer Einzelperson, einem Unternehmen oder einer organisierten Interessenvertretung kommt. Ebensowenig darf es einen Unterschied machen, ob direkt ein Geldbetrag fließt oder „nur“ eine geldeswerte Leistung, etwa die billige Durchführung einer Dienstleistung für eine Partei oder die Anstellung eines Parteimannes durch einen parteifremden „Arbeitgeber“. Genauso muss es bei der rechtlichen und moralischen Beurteilung egal sein, ob das Geld direkt fließt oder über einen Lobbyisten, über eine gesetzliche Organisation mit Pflichtmitgliedern oder über einen freiwilligen Verein.
In jedem Fall sollte es verboten sein, dass Gesetzgebung oder Verwaltung zugunsten bestimmter Interessen beeinflusst werden, die im Hintergrund Geld fließen lassen. Wenn solche Einflussnahme stattfindet, zählt ja nicht mehr primär die Logik eines Argumentes, zählt nicht mehr das Staatsinteresse, sondern die Abhängigkeit von äußeren Ein- und Geldflüssen. Das führt zwangsläufig zu schlechteren Entscheidungen. Egal ob in der Exekutive oder Legislative – und von der Justiz wollen wir gar nicht erst reden.
Dennoch ist klar: Diese Abhängigkeit von einflussnehmenden Geldflüssen ist in jeder Partei groß. Das hat man etwa gesehen, als die Gewerkschaft Alfred Gusenbauer hängengelassen hat oder als (ausgerechnet) die niederösterreichische ÖVP Erwin Prölls der Bundes-ÖVP des Josef Pröll die Gelder gestrichen hat.

Skandale fast in jedem Land

Freilich lässt es sich nur in der Theorie leicht postulieren, dass die Politik auf jeden Abhängigkeit schaffenden Geldfluss verzichten muss. Denn sie steht in einem dramatischen Dilemma: Politische Arbeit kostet sehr viel Geld, wenn sie erfolgreich sein will. Für Plakate, für Veranstaltungen, für Parteiangestellte, für Büros, für Bürgerservice-Strukturen, für Experten, die Programme erarbeiten und Politiker beraten. Und so weiter.
Die unbeantwortete und dennoch zentrale Frage ist: Wie kann sich das alles auf sauberem Weg finanzieren? Die traurige Erkenntnis: Es gibt in fast keinem Land eine saubere Lösung.
Fast überall gibt es regelmäßig Skandale und verbotene Geldflüsse. Egal, ob die Gesetze streng wie in Deutschland oder Amerika oder lax wie in Österreich sind. Politiker und Parteien brauchen Geld wie Pflanzen Wasser und Licht; und unternehmerische oder gewerkschaftliche oder regionale Interessen brauchen vorteilhafte politische Entscheidungen, die ihnen viel Geld wert sind. Daher spenden in Amerika große Firmen in Wahlkämpfen oft beiden Parteien, um dann jedenfalls Ansprüche stellen zu können. In legaler wie illegaler Form.

Am schlimmsten ist der direkte Griff in die Staatskassa

Dennoch sind diese Formen der Korruption noch die relativ(!!) harmloseren. Noch viel schlimmer ist die umgekehrte Form der Korruption. Die besteht darin, dass sich die Parteien ihre Arbeit nicht von Bürgern und Lobbies, von Gewerkschaften und Unternehmen finanzieren lassen, sondern gleich selbst in die Staatskasse greifen, um aus dieser die eigene Parteiarbeit zu bezahlen.
Warum etwa mühsam Geld für Inserate in den Zeitungen sammeln, wenn man diese Inserate auch aus öffentlichen Kassen zahlen kann? Warum mühsam unabhängige Journalisten von den eigenen Positionen überzeugen, wenn man in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Machthaber gleich direkt die eigenen Gefolgsleute positionieren kann? Warum mühsam eigene Parteizeitungen finanzieren, wenn man die Verleger „unabhängiger“ Medien durch eine Flut von Inseraten, die man mit Steuer- und Gebührengelder bezahlt, wirtschaftlich total abhängig machen kann? Warum mühsam Geld zur Bezahlung von Parteimitarbeitern sammeln, wenn man die alle gleich direkt anstellen kann – etwa bei der Stadt Paris oder den ÖBB?
Mit diesen zwei Beispielen ist auch daran erinnert, dass es Korruption in vielen Ländern gibt. Freilich zeigen sich genau bei diesem internationalen Vergleich dramatische Unterschiede: In Frankreich ist immerhin sogar der Ex-Staatspräsident Jacques Chirac strafrechtlich verurteilt worden, weil er einst als Pariser Bürgermeister Parteimitarbeiter durch die Gemeinde zahlen hat lassen. In Österreich hingegen ist solches offensichtlich auch heute noch problemlos möglich.
Ja, es gibt nicht einmal eine Diskussion in den Medien zu diesem Aspekt. Und es gibt nicht einmal den Versuch der Staatsanwaltschaft, beispielsweise die ÖBB-Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass sie einen Herrn Pelinka ausschließlich im Interesse seiner Tätigkeit für die Partei pro forma angestellt haben. In der österreichischen Staatsanwaltschaft sind ja die wichtigsten Verantwortlichen selbst Mitglieder im Bund Sozialistischer Akademiker, statt dass sie als Mitarbeiter einer eigentlich zur Unabhängigkeit verpflichteten Justiz jeden Anschein einer Parteinähe zu meiden versuchen.
Sehr unterschiedlich ist auch die Reaktion einzelner Betroffener. In Kärnten ist nun der schwarze Landesrat Martinz – nach viel zu langem Zögern – zurückgetreten, weil gegen ihn ein strafrechtliches Vorverfahren läuft: Er steht im konkreten Verdacht, einem Gutachter aus öffentlichen Kassen ein deutlich überhöhtes Honorar bezahlt zu haben, mit dem mutmaßlich anderwärtige Leistungen dieses Gutachters gedeckt worden sind. Andere politische Funktionen gibt Martinz jedoch merkwürdigerweise nicht ab.
Die Herren Faymann und Ostermayer denken nicht einmal daran zurückzutreten, obwohl gegen sie ebenfalls strafrechtliche Erhebungen aus einem ganz ähnlichen Grund in Gange sind. Und ein anderer Kärntner, der abwechselnd orange-blaue Uwe Scheuch, denkt ebenfalls nicht an Rücktritt, obwohl er sogar schon in erster Instanz verurteilt worden ist.
Die Korruption ist eine grausliche Krake. Im Sinne von Demokratie und Rechtsstaat muss, müsste ein ständiger Kampf gegen sie geführt werden. In Österreich aber wird nicht gekämpft. Ja selbst die verbalen Kämpfer interessieren sich immer nur für einen sehr kleinen, sehr selektiven Ausschnitt daraus. Deshalb rutscht das Land bei internationalen Rankings ständig immer weiter zurück.

Die Beweise liegen offen auf dem Tisch

Der Antikorruptionskampf gegen die Strassers, Scheuchs und Meischbergers (gegen die ausreichende Beweise vorliegen dürften) oder gegen die Grassers (gegen den freilich noch immer keine harten Beweise gefunden sein dürften) sind absolut notwendig. Diese Kämpfe dürften die Justiz aber keine Sekunde davon abhalten, auch gegen die anderen Formen der Korruption energisch vorzugehen: Gegen die Kerns etwa (der ÖBB-General hat den SPÖ-Drahtzieher Pelinka einzig und allein dafür angestellt, damit er weiter für die Partei arbeiten kann); oder gegen die Faymanns (dieser hat einst als Stadtrat auf Kosten der Steuerzahler im „News“-Tower der Gebrüder Fellner Gemeinde-Büros zu weit überhöhten Preisen angemietet; er hat auch die ÖBB gezwungen, serienweise überflüssige Inserate in der Kronenzeitung zu schalten).
Zum Unterschied vom Fall Grasser müsste man in diesen Fällen gar nicht quälend lange warten, bis man an Liechtensteiner und Schweizer Akten herankommt. Die Beweise liegen offen auf dem Tisch. Was französische Staatsanwälte geschafft hatten, könnten daher auch österreichische schaffen.
Niemand darf mit ehrlichem Gewissen über Korruptionsbekämpfung reden, der nicht auch über diese Fälle spricht. Wer das nicht tut, ist entweder ziemlich dumm oder grenzenlos feige oder selbst „Part of the game“. Wenn es in Österreich bei dieser Einäugigkeit der Korruptionsbekämpfung bleiben sollte, dann geht der Republik nicht nur an den Anleihemärkten, sondern auch an den moralischen Märkten jede Kreditwürdigkeit verloren.

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Gabi Burgstaller und die älteren Arbeitnehmer

16. Januar 2012 00:41 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man kommt kaum mehr nach, all die Vorschläge zu analysieren, die da rund um die dringend notwendigen Sparnotwendigkeiten tagtäglich vorgebracht werden. Denn viele zeugen von erschreckender Ahnungslosigkeit. Politiker reden oft von Dingen, deren Zusammenhänge sie nicht durchschauen. Meist tun sie dies deshalb, weil sie nie in der wirklichen Wirtschaft gearbeitet haben.

Dies gilt auch für die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, obwohl sie in letzter Zeit als eine der erfreulichsten und mutigsten SPÖ-Politiker positiv aufgefallen ist. Sie hat sich mit den Konsequenzen der Notwendigkeit befasst, dass die Menschen länger arbeiten müssen. Was ja an sich lobenswert ist. Die ehemalige Arbeiterkämmerin hat dabei aber das Argument der Gewerkschaft aufgegriffen, dass ältere Menschen ja von den bösen Arbeitgebern aus dem Job gedrängt würden.

Dabei weiß jeder, der ein wenig Erfahrung im wirklichen Leben hat: Die allermeisten Frühpensionisten (egal ob als „Hackler“, „Invalide“, Eisenbahner oderoderoder) zeigen höchstes eigenes Interesse, möglichst bald in die in Österreich ja im internationalen Vergleich durchaus ansehnliche Rente zu gehen. Dazu wird auch oft bewusst und im Konsens vor Arbeitgeber und -nehmer ein Zwischenhalt in der Arbeitslosigkeit eingelegt, aus der heraus ja die Frühpension noch viel leichter erreichbar ist. Man kann dann ganz gut von Pension und einigen anderen Geldquellen leben – legalen oder illegalen.

Aber selbst wenn diese gewerkschaftliche Gebetsmühle die volle Wahrheit verkünden sollte, also selbst wenn viele Arbeitgeber wirklich aus purem Alten-Hass fleißige und erfahrene Mitarbeiter hinauswerfen, ist der Vorschlag Burgstallers ein Unsinn: Sie will nämlich verbieten, dass Menschen gekündigt werden, die älter als 55 Jahre sind.

Ach Gabi! Dann würde nämlich mit Sicherheit eines passieren: Es würden sich halt die Kündigungen im Alter von 53 oder 54 Jahren enorm häufen. Jedes Verbot führt ja automatisch dazu, dass dann halt genau an den Grenzen der Verbotszone gehandelt wird. Ist das so schwer zu begreifen?

Mit dem Kündigungsverbot würde also nur das Gegenteil erreicht werden. Die mit 54 Jahren in Massen Gekündigten haben aber auf dem Arbeitsmarkt noch viel weniger Chancen, irgendwo anders unterzukommen.

Statt solcher Unsinnigkeiten sollten sich Burgstaller&Co (also die wenigen über echte Reformen nachdenkenden Sozialdemokraten) dringend jenem Faktor widmen, der wirklich bei manchen Arbeitgebern ein erhöhtes Interesse an der Kündigung Älterer auslöst: Das sind all die Kollektiv- und Tarifverträge, die zu einem automatischen Teurerwerden älterer Mitarbeiter führen, selbst wenn diese immer die gleiche Tätigkeit ausführen.

Das war für mich in früheren Leitungsverantwortungen selbst das größte Problem, als ich ein enges Budget-Korsett mit den unterschiedlichen Gehaltshöhen in Einklang bringen musste. Da gab es Mitarbeiter, die mit 28 Jahren alles in allem für die gemeinsame Aufgabe genauso gut und wertvoll waren wie jene, die doppelt so alt waren. Nur hat jeder Ältere zwei- bis dreimal so viel verdient wie die Jungen (obwohl diese subjektiv das Geld im Alter der Familiengründung viel dringender bräuchten).

Gewiss, ältere Kollegen sind erfahrener und meist verlässlicher. Dafür sind jüngere oft geistig beweglicher, einsatzbereiter sowie dynamischer; und sie leisten viel weniger Widerstand gegen neue Abläufe, Technologien und Organisationsformen. Beides ist wertvoll, aber eben gleich wertvoll.

Daher sollte auch eine intelligente Sozialdemokratin wie Burgstaller den Mut haben, anstelle lebensfremder Vorschläge Druck auf die Gewerkschaften auszuüben: Diese sollten quer durch alle Branchen (einschließlich dem öffentlichen Dienst!) zustimmen, dass es spätestens ab dem 40. oder 50. Lebensjahr keine rein altersbedingten Gehaltserhöhungen mehr gibt. Wenn es solche – abgesehen von drei bis fünf Einstiegsjahren – überhaupt noch geben sollte. Denn Vorrückungen allein auf Grund der absolvierten Arbeitsjahre stellen ja auch einen der Gründe dar, die zum statistischen Effekt niedriger Frauengehälter geführt haben.

Burgstallers Vorschlag ist freilich auch nicht dümmer als ein gleichzeitig in Hinblick auf die gleiche Frage gemachter Vorschlag des Sozialministers. Rudolf Hundstorfer meinte, die Arbeitgeber sollen einfach mehr von einer schon bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen: Diese erlaubt es, Mitarbeitern nur noch 80 Prozent zu zahlen, wenn sie nur noch 70 Prozent arbeiten wollen. Womit Hundstorfer nicht nur zugegeben hat, dass es halt doch (leider) ein großes Interesse vieler Älterer gibt, weniger zu arbeiten. Sein Vorschlag bedeutet aber vor allem: Die Arbeitsstunde eines älteren Mitarbeiters wird für den Arbeitgeber nochmals deutlich teurer! Nämlich um mehr als 14 Prozent. So etwas kann wirklich nur einem altgedienten Gewerkschafter einfallen.

PS.: Noch ein persönliches Erlebnis: Ich wollte einmal einen über 50-jährigen Mitarbeiter anstellen, der auch unbedingt bei mir arbeiten wollte. Er war aber ein hochrangiger Gewerkschaftsfunktionär (erstaunlicherweise trotzdem ein guter Journalist) und kannte daher alle seine Rechte. Insbesondere jene auf Grund von Vordienstzeiten bei anderen Arbeitgebern. Das hätte ihn so teuer gemacht, dass es mit den vorgegebenen Budgetgrenzen und vom Eigentümer gesetzten Gehaltsrichtlinien nicht in Einklang zu bringen war. Als er daraufhin anbot, es deutlich billiger zu machen, winkte dann der Personalverantwortliche ab: Denn der potentielle Mitarbeiter hätte nach Ablauf der Probezeit doch noch all seine Rechte problemlos durchsetzen können, notfalls via Arbeitsgericht. Wann werden die Gewerkschafter endlich erkennen, dass ihre Erfolge immer mehr zu Lasten der Arbeitnehmer ausgehen?

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Wo arbeiten viele über 60-jährige?

14. Januar 2012 19:48 | Autor: Andreas Unterberger

Anteil der Erwerbstätigen an den 60 bis 64-jährigen in Prozent

 

  2000 2010
SWE

46

61

UK

36

44

GER

20

41

POR

45

40

NED

19

37

EU

23

31

GRE

32

31

ROM

48

30

ÖST

12

22

ITA

18

21

FRA

10

18

HUN

8

13

Quelle: Eurostat

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Senkt die Steuern!

12. Januar 2012 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Schizophrenie der derzeitigen Diskussion ist unerträglich. Täglich wird nach Wachstum verlangt, zugleich hören wir täglich neue Vorschläge, welche Steuer eingeführt und welche erhöht werden solle; jede dieser Forderungen wird absurderweise mit „Gerechtigkeit“ begründet. Völlig verstummt ist hingegen das Anliegen einer Steuersenkung; niemand wagt es mehr, es als ungerecht zu bezeichnen, dass Österreich bei der Steuer auf Einkommen weit über den anderen Staaten liegt.

Die Höhe dieser Steuer richtet aber schweren Schaden an, am Wachstum wie an der Summe der Staatseinnahmen. Sie ist entscheidend bei der Absage von Spitzenkräften – ob Wissenschafter, Ingenieure oder sonstige Leistungsträger – an Job-Angebote aus Österreich. Internationale Manager verlieren das Interesse, einen Firmensitz nach Österreich zu verlegen, sobald sie hören, dass sie selbst dort 50 Prozent Steuern zahlen müssen (die Tricks mit dem 13. und 14. Gehalt durchschauen ja nur Inländer). Dementsprechend geht die Zahl der Europazentralen internationaler Konzerne in Wien ständig zurück. Gilt doch in anderen mitteleuropäischen Ländern eine Flat Tax von 15, 16 oder 19 Prozent. Und die Telefone funktionieren dort längst so gut wie in Wien.

Die Initiative proMarktwirtschaft (eine der erfreulichsten Entwicklungen der letzten Zeit) hat einen weiteren Schaden der hohen Einkommensteuer analysiert: den Brain Drain. Immer mehr der tüchtigsten jungen Österreicher wandern aus. Und lassen sich – trotz teurer Initiativen der Regierung – angesichts der Steuerlast fast nie mehr zurückholen. Sie genießen die niedrigeren Steuern des Auslandes und haben kein Problem damit, dass man dort ein paar Jahre länger arbeiten muss (und darf!).

Besonders schwachsinnig ist die von Sozialdemokraten, aber erstaunlicherweise auch von einigen sonst klugen Jungliberalen vorgeschlagene Akademikersteuer. Denn eine solche würde ja noch mehr der besten Uni-Absolventen vertreiben! Einmal im Ausland werden diese nur noch über die Wünsche aus Österreich lachen, dass sie solcherart für die Unis spenden sollten – nur weil es hier populistische Parteien aus Feigheit verhindert haben, dass jeder für sein Studium auch zahlt.

Besonders absurd wäre eine Akademikersteuer, sollte sie wie vorgeschlagen nur für Besserverdienende gelten: Dann würden Absolventen der allerunnötigsten, aber massenweise belegten Studien in der Regel nichts zahlen – im Gegensatz zu jenen mit schweren, aber dringend benötigten Ausbildungen. Das wäre also ein zusätzlicher Anreiz, falsche, aber leichte Studien zu belegen. Studiengebühren zwingen hingegen zu viel besser überlegter Studienwahl.

Vernünftige Politik senkt die Einkommensteuern, sie verflacht die steile Progression und reduziert auch notwendigerweise den Spitzensatz. Dann – und nur dann – kann man auch über die vielen Erhöhungsideen nachdenken und über den Schaden, den jede einzelne anrichtet.

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Bis wir endlich alle zusammengeführt haben . . .

10. Januar 2012 02:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Naive Menschen glauben bisweilen, dass der Einwanderungsgrund „Familienzusammenführung“ doch bald ein Ende haben muss. Irgendwann müssten doch einmal alle Familien zusammengeführt sein. Und man staunt jedes Jahr, dass diese so human klingende Aktion noch immer das größte Einfallstor in die Republik und die EU ist.

Aber längst findet unter dem Titel Familienzusammenführung Betrug in allen möglichen Formen statt. Ein besonders pikantes Beispiel ist jetzt – ausgerechnet – von den bulgarischen Behörden aufgedeckt worden: Sie haben herausgefunden, dass fast ein ganzes ägyptisches Dorf Roma-Frauen aus Bulgarien „geheiratet“ hat.

Die Frauen bekamen Geld, ein Ticket nach Ägypten und beantragten dort dann mit ihrem „Mann“ für diesen ein EU-Visum. Das alles ist in islamischen Kulturen extrem problemlos, weil dort sowohl Eheschließung wie auch nachfolgende Scheidung besonders leicht und formlos durch einfache Erklärungen erfolgen können.

Den Bulgaren Anerkennung, dass sie das schließlich aufgedeckt haben. Und nur ganz böse Menschen fragen sich, warum die potentiellen Neo-Europäer aus Ägypten so geizig waren und nicht auch ein wenig für die bulgarischen Diplomaten gespendet haben. Das soll jaauch schon bei Österreichern geholfen haben.

Alle anderen Menschen aber sollten einmal kritisch fragen, ob die übrigen Familienzusammenführungen ordnungsgemäß ablaufen. Denn auch die österreichischen Behörden haben ganz offensichtlich weder Zeit noch Lust, die einzelnen Fälle nachzuprüfen. So lässt die Wiener Staatsanwaltschaft seit Jahr und Tag die Beweise desinteressiert liegen, dass ein Sri-Lankese in Wien offenbar mit gefälschten Papieren aus seiner Heimat eine bigamistische Ehe geschlossen hat. Diese hat ihm nicht nur die Eintrittskarte in die EU, sondern inzwischen auch eine fette Witwer-Pension einer österreichisch-italienischen Bank eingebracht.

Es wäre auch eine gewaltige Erleichterung für das österreichische Budget, wenn man beginnen würde, bei all den vielen Zuwanderer-Kinder, für die Österreich Familienbeihilfe, Ausbildung und sonst noch etliches zahlt, DNA-Tests zu machen. Denn es gibt für die Republik absolut keinen Grund, auch noch Neffen, Nichten, Großcousins und Ähnliches der schon Zugewanderten mitzufinanzieren.

Es wäre auch absolut sinnvoll, Familienzusammenführungen zwischen dem 5. Lebensjahr (Beginn der sprachlich entscheidenden Vorschule) und dem 22. Lebensjahr (so wie in Dänemark) zu untersagen. Dadurch würden viele arrangierte und Scheinehen junger Mädchen unterbunden. Dadurch würde auch sichergestellt, dass Kinder die volle Schulpflichtzeit über auf deutsch unterrichtet werden. Was viele Sprachprobleme in Schulen schlagartig reduzieren würde.

Aber das ist natürlich alles nicht politisch korrekt. Und wird daher nicht stattfinden. Seit Maria Fekter aus dem Innenministerium weg ist, kümmert sich dort kein Mensch mehr um die Steuerung der Zuwanderung. Der eine fühlt sich dort nur für die schon hier lebenden Ausländer zuständig. Und die andere hat außer „Zaster her“ noch überhaupt keinen relevanten Satz ausgesprochen.

 

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Das eine Dilemma des Werner F. und das andere des Michael S.

08. Januar 2012 00:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt sind die Fronten klar: Der Gewerkschaftsbund hat sich einbetoniert. Damit stehen zwei konfliktscheue Männer vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens: Werner Faymann muss sein und Österreichs künftiges Los entscheiden. Und danach trifft eine ähnliche Aufgabe Michael Spindelegger; dieser wird über sein eigenes Überleben und das der ganzen Volkspartei zu entscheiden haben.

Der Gewerkschaftsbund hat während der Weihnachtstage ein klares Njet gegen effiziente Maßnahmen zur Reduktion von Frühpensionen eingelegt. Er ist nicht bereit, wesentlich über die lächerlichen Vorschläge des sogenannten Sozialpartnerpakets hinauszugehen. Laut diesem (rätselhafterweise von der Wirtschaftskammer mitgetragenen) Paket soll ja mehr Geld für Rehabilitation und ähnliches die Zahl der Frühpensionisten signifikant reduzieren können. Dabei hat Österreich schon jetzt eines der am stärksten ausgebauten Gesundheitssysteme der Welt. Die Gewerkschaft lehnt hingegen spürbare Pensionsabschläge für Frühpensionisten total ab, auch wenn dafür im Gegenzug Spätpensionisten Zuschläge bekommen.

Der ÖGB denkt nicht an Österreich, sondern an sich

Das Verhalten des ÖGB ist in sich logisch. Er ist ein Verein, der primär seinem Selbsterhaltungstrieb folgt. Er fühlt sich nicht fürs Staatsganze verantwortlich. Und natürlich ist es für die Mitgliederzahl der Gewerkschaft und damit deren Überlebenschance positiv, wenn sie sich weiterhin als Institution verkaufen kann, die den Mitgliedern finanzielle Vergünstigungen verschafft. Daher hat sie Null Interesse, einer auch noch so notwendigen Verschlechterung zuzustimmen.

Denn dann würde sie noch mehr Mitglieder verlieren. Sind doch viele ohnedies schon ausgetreten beziehungsweise der Gewerkschaft ferngeblieben. Dies taten vor allem die klügeren Arbeitnehmer, die längst begriffen haben, dass nicht die Gewerkschaft den Wohlstand verschafft, sondern dass dies nur die eigene Leistung und die des Unternehmens tun, in dem man arbeitet.

Das Verhalten des ÖGB gleicht logischerweise vollkommen dem der italienischen und griechischen Gewerkschaften. Auch diese glauben, dadurch ihre Existenzberechtigung verteidigen zu können, dass sie alle Sparmaßnahmen bekämpfen. Dabei ist in diesen Ländern die Lage noch um einen deutlichen Schritt verzweifelter als in Österreich: Ohne für das Ausland glaubwürdige Sparmaßnahmen könnte beispielsweise Griechenland schon im März nicht mehr Beamtengehälter und Pensionen zahlen.

Das ist aber den Gewerkschaften völlig egal. Ihnen geht es nur noch um die eigene Existenz. Ihre gesellschaftliche Rolle ist auf die eines teuren Parasiten geschrumpft, der die unmoralischen Privilegien einer Minderheit verteidigt. Sie bilden aber immer noch einen relevanten Erpressungsfaktor.

Bleibt Faymann bloßer Kanzlerdarsteller?

Damit steht jetzt Werner Faymann vor einem gewaltigen Dilemma. Während Alfred Gusenbauer einst relativ mutig den Gewerkschaftseinfluss zurückgedrängt hat, hat Faymann seinen parteiinternen Putsch gegen Gusenbauer ja ganz auf die Gewerkschaft aufgebaut (zusammen mit zwei weiteren Stützen, den Dichand-Medien und dem Fellner-Blatt) und sich seither komplett von ÖGB und Arbeiterkammer gängeln lassen.

Ist dieser Mann plötzlich imstande, sich von diesen Abhängigkeiten zu lösen? Wird er doch noch vom Kanzlerdarsteller zum Bundeskanzler? Zumindest einmal? Viele zweifeln, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Als Bundeskanzler müsste er in der Schuldenkrise jedenfalls mit Sicherheit genau das tun, was die Gewerkschaft partout nicht will, was aber sämtliche österreichische wie europäische Experten außerhalb der Gewerkschaft klar sagen (etwa einschließlich der SPÖ-Spitzenbeamten im Sozialministerium): Die Regierung muss jetzt einen raschen und scharfen Schnitt in die Frühpensionen setzen.

Ohne diesen Schnitt kann das Sparpaket nicht funktionieren. Alle anderen derzeit diskutierten Maßnahmen sind dagegen Peanuts. Gleichgültig, ob es bei den vermeintlichen Alternativen um Sparideen oder um neue Steuern oder überhaupt nur ums dumpfe Schimpfen auf „Spekulanten“ und Ratingagenturen geht. Mit nichts davon lässt sich die notwendige Defizitreduktion bewerkstelligen.

Man kann sich ungefähr vorstellen, wie sehr diese Situation jetzt in Faymann Panik auslöst. Er hat ja bisher seine Ämter nur mit einer Mischung aus Korruption, Populismus und mit drittklassigen Helfern der Qualitätsklasse Rudas/Kräuter gemeistert. Und das geht nun plötzlich nicht mehr.

Riskiert Spindelegger den Bruch?

Sollte aber Faymann, wie viele erwarten, am Ende wieder einmal der Konfrontation mit dem ÖGB aus dem Weg gehen, dann steht nicht nur Österreich vor einer (Finanz-)Katastrophe. Dann kommt auch der erste und zugleich entscheidende große Härtetest für Michael Spindelegger. Nimmt er Faymanns Einknicken hin, akzeptiert er zugleich signifikante Steuererhöhungen, dann braucht er bei der nächsten Wahl kaum mehr anzutreten. Dann verlassen ihn wohl die letzten treuen ÖVP-Wähler.

Aber auch die Alternative ist hart: Die heißt nämlich Koalitionskrise bis hin zum Bruch und zu Neuwahlen. Dabei ist völlig ungewiss, ob die Partei reüssieren kann, oder ob sie so wie unter Molterer, der aus viel nichtigerem Anlass den Bruch riskiert hat, zerstritten in eine neue Niederlage taumelt. Erwin Pröll & Co dürften ja den Ernst der Lage noch nicht wirklich erkannt haben.

Überdies ist ziemlich klar: Auch nach Neuwahlen ist guter Rat teuer. Denn die Strache-FPÖ erweckt nicht den Eindruck, so wie einst Haider und Riess-Passer als Partner für kraftvolle, zukunftsweisende, aber kurzfristig unpopuläre Reformen zur Verfügung zu stehen. Spindelegger kann dann sich und seine Partei wohl nur noch durch einen mutigen Schritt in die Opposition retten. Es wäre ja auch nur logisch, einer Mehrheit jener Parteien zu weichen, die vorgeben, die Krise durch populistische Attacken auf Spekulanten, Banken und Reiche meistern zu können und die solcherart vielen Menschen noch immer eine schmerzfreie Sanierung vorschwindeln.

Statt neuerlich faule und gefährliche Kompromisse mitverantworten zu müssen, könnte sich die Volkspartei solcherart dann wieder zu einer Partei jenseits des Populismus mausern. Freilich: Die feige Reaktion Spindeleggers auf die Zaster-her-Exzesse seiner eigenen Innenministerin macht es total unwahrscheinlich, dass er sich plötzlich für eine konsequente Haltung entscheidet. Und auch sonstige Parteigranden fürchten sich vor der Opposition mehr als vor dem Staatsbankrott.

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Wo Wien wirklich sparen könnte

04. Januar 2012 00:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ganz Österreich spricht vom neuen Spar/Steuerpaket der Bundesregierung. Irgendwie ist man es zwar schon seit vielen Jahren gewohnt, dass uns ein solches Paket notgedrungen alle ein oder zwei Jahre auf den Kopf fällt – auch wenn es diesmal deutlich heftiger zu werden droht. Das Groteske ist, dass es in den meisten Bundesländern nie solche Sparpakete gibt, auch wenn sie sich rapide verschulden wie etwa das Land Wien (obwohl Wien sowohl die Steueranteile eines Bundeslandes wie auch die einer großen Gemeinde kassiert).

Dabei gäbe es hier gewaltige Einsparungspotenziale. Dennoch setzt niemand das Rathaus unter Druck, endlich mit dem Sparen dort zu beginnen, wo es wirklich leicht ginge.

Dies wäre etwa bei den Gehältern der Wiener Beamten der Fall, die über denen allen anderen Beamten in Bund oder Ländern liegen; oder bei den skandalösen Inseratenfluten aus dem Gemeinde-Imperium, auf denen die linken Propagandazeitungen von „Heute“ bis „Falter“ schwimmen können; oder bei den Kultursubventionen an Theater, die zwar leer stehen, deren Betreiber aber politisch immer richtig denken und reden; oder bei den Geldern für den unter schweren Korruptionsvorwürfen stehenden und viel zu spät suspendierten Chef der (vom Publikum ohnedies komplett gemiedenen) Wiener Kunsthalle.

Und vor allem bei den unzähligen Subventionen für befreundete Linksvereine. Wenn man sich die auch nur in einem kleinen Auszug anschaut, dann fragt man sich ja, ob die Partei in Wien für ihre politische Arbeit und Stimmungsmache überhaupt noch ein eigenes Budget braucht.

Hier zur Illustration eine Auswahl von Vereinen, die in einer einzigen(!) Gemeinderatssitzung des abgelaufenen Jahres mit Steuergeld bedacht worden sind (der Gemeinderat hatte aber natürlich noch viele weitere Sitzungen, deren Protokolle sämtliche Längen der zugegebenermaßen ohnedies oft langen Tagebucheintragungen sprengen würden):

Subvention an den Verein Projekt Integrationshaus für 2011 in der Höhe von 199.583€.

Subvention an die Interface Wien GmbH in der Höhe von 2,920.882€.

Subvention an Diakonie-Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH in der Höhe von insgesamt 45.825€.

Subvention an den Verein ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus Arbeit in der Höhe von 86.935€.

Subvention an den Verein Station Wien - Verein zur Förderung des kulturellen Austausches zwischen In- und Ausländern in der Höhe von 643.942€.

Subvention an den Verein Schwarze Frauen Community für Selbsthilfe und Frieden in der Höhe von 22.000€.

Subvention an den Verein Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen in der Höhe von 367.999€.

Subvention an den Verein Miteinander Lernen - Birlikte Ö?renelim Beratungs-, Bildungs- und Psychotherapiezentrum für Frauen, Kinder und Familien in der Höhe von 132.692€.

Subvention an den Verein Helping Hands Koordinationsbüros für integrative und antirassistische Projekte in der Höhe von 30.500€.

Subvention an den Verein für Beratung ausländischer Schülerinnen bzw Schüler in Wien 15 REBAS 15 in der Höhe von 52.078€.

Subvention an den Verein Vereinigung für Frauenintegration Amerlinghaus in der Höhe von 63.678€.

Fortführung des Integrations- und Diversitätsmonitorings, die Erstellung eines Wiener Integrations- und Diversitätsmonitors 2011 der Stadt Wien und die Durchführung des Diversitätsmonitorings sowie die Berichterstellung durch einen externen Auftragnehmer mit Gesamtkosten in der maximalen Höhe von 100.000€.

Subvention an den Verein LEFÖ - Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen in der Höhe von 102.266€.

Subvention an den Verein Peregrina - Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigrantinnen in der Höhe von 163.618€.

Subvention an den Verein Piramidops in der Höhe von 86.019€.

Subvention an den Verein WUK - Verein zur Schaffung offener Kultur- und Werkstättenhäuser in der Höhe von 37.301€.

Subvention an den Verein Orient Express - Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen in der Höhe von 84.096€.

Förderung an den Verein Orient Express - Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen in der Höhe von 89.500€ (die zweimalige Subvention ist kein Schreibfehler).

PS.: Natürlich kriegen diese linken Vorfeldvereine das Geld in aller Regel alljährlich. Die hier aufgezählte Liste wäre nach dem Ablaufplan des Vorjahres schon wieder im Jänner zum Abkassieren dran. Man hat zwar zu wenig Geld für die Gesundheitsversorgung, aber genug für Privatvereine, deren Hautzweck oft nur darin besteht, die Österreicher regelmäßig als Rassisten zu denunzieren.

PPS.: Diese Beträge sind keine Peanuts. Allein in dieser einzigen Sitzung hat man allein für die genannten Vereine mehr als ein Drittel jenes Betrags verschwendet, der notwendig wäre, um alle vor kurzem so dramatisierten AKH-Probleme zu lösen.

PPPS.: Niemand soll bitte glauben, dass er auch so viel Geld bekäme, wenn er nur Frauen, Ausländer, Kultur, Antirassismus, Integration und ähnliche Stichworte in seinen Antrag schreibt. Um so bedient zu werden muss man primär tief in den roten und grünen Netzwerken stecken.

PPPPS.: Trotz der unglaublichen Verschwendung in Wien hat die Stadt in den letzten Monaten den größten Raubzug der Nachkriegsgeschichte auf die Brieftaschen der Wiener durchgeführt. Noch schlimmer als all die provozierenden 33- und 66-prozentigen Gebührenerhöhungen ist die geradezu grenzdebile Anhebung der sogenannten U-Bahn-Steuer. Denn die ist für jeden in Wien Berufstätigen zu entrichten. Und das am Beginn einer schweren Rezession! Das muss einem in seiner Abcash-Gier erst einfallen, in Zeiten einer absackenden Konjunktur und zunehmenden Arbeitslosigkeit jeden einzelnen Arbeitsplatz vermehrt zu besteuern. Und das ausgerechnet in jenem Bundesland mit der ohnedies schon weitaus höchsten Arbeitslosigkeit Österreichs. Das wird die Bereitschaft irgendeines Arbeitgebers, in Wien noch jemanden neu anzustellen, mit Sicherheit noch weiter reduzieren. Aber die Schuld an der Arbeitslosigkeit schiebt man dann ja mit Hilfe der bestochenen Medien wieder dem Bund oder sogenannten Spekulanten zu.

 

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Ein historischer Paradigmenwechsel

03. Januar 2012 17:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die medialen Rückblicke auf das abgelaufene Jahr haben uns mit einer Fülle von interessanten wie überflüssigen Daten überhäuft. Das aber, was wahrscheinlich einst als weitaus Wichtigstes an den vergangenen Monaten in die Geschichtsbücher eingehen wird, ist nirgendwo herausgearbeitet worden. Es ist ein absolut historischer Paradigmenwechsel, der zwar nicht mit einem bestimmten Tag zu verknüpfen ist, der aber 2011 seinen Kulminationspunkt erreicht hat.

Er besteht in einer zentralen Erkenntnis, die sich wie ein Lauffeuer verbreitet hat: Der Wohlfahrtsstaat funktioniert nicht mehr. Er hat sich wie die Brot-und-Spiele-Politik der römischen Cäsaren als nicht nachhaltig aufrechterhaltbares Pyramidenspiel entpuppt, das im alten Rom ebenso wie im Nach-Weltkriegs-Europa nur noch zum befristeten Machterhalt einer ausgelaugten politischen Klasse gedient hat. Das aber irgendwann zusammenbrechen musste.

Denn parallel mit dem wirtschaftlichen Kollaps schwirren ja auch noch andere, aus der Geschichte ebenfalls gute bekannte Todesengel über Europa, die letztlich nur andere Ausformungen der Wohlfahrtsillusion sind. Der eine trägt die Botschaft: „Europa ist nicht mehr imstande, sich selbst zu verteidigen“. Es wechselt fast überall von der Wehrpflicht zu einem Söldnersystem.Dabei müssen aber heute schon etliche europäische Länder verzweifelt im Ausland nach potenziellen Soldaten suchen. Aber alle historischen Exempel beweisen: Völker, die nicht mehr die Kraft zur Selbstverteidigung haben, gehen unter; ausländische Söldner kassieren zwar gerne, sterben aber nur sehr ungern für fremde Menschen.

Eine zu Recht entsorgte Kultur

Der andere Todesengel, der am Grab des Wohlfahrtsstaates lauert, verkündet: „Europa stirbt durch einen Geburtenstreik aus.“ Diesen Streik kann man seit 40 Jahren an den viel zu geringen Geburtenzahlen ablesen. Eine Generation, die nur noch zum selbstsüchtigen Genuss ohne die Last der Kinderaufzucht imstande ist, geht ohne Nachfahren rasch zugrunde. Sie wird lieblos entsorgt werden. Die Geschichtsbücher werden dazu nur sagen: Zu Recht.

Natürlich gibt es noch Menschen, die noch eine Zeitlang an der Wohlfahrtsillusion festhalten wollen. Dies tun vor allem jene Politiker und insbesondere Gewerkschaftsfunktionäre, die dieser Illusion die eigene Machtstellung verdanken. Etliche von ihnen suchen noch immer nach Tricks, mit denen die Wohlfahrts-Mühle noch weiter angetrieben werden kann. Sie tun das in jedem europäischen Land mit unterschiedlichem, aber generell zwangsläufig abnehmendem Erfolg.

Der Kern der Illusion hat in dem Glauben an die Überlebensfähigkeit einer Gesellschaft bestanden, die immer mehr Menschen immer mehr Wohltaten ohne Gegenleistung zukommen lässt: immer längere und immer sinnlosere Gratisstudien und Scheinausbildungen; immer kürzeres Arbeiten; immer mehr Förderungen zur Bedeckung aller möglichen, oft künstlich geschaffenen Ansprüche und Bedürfnisse; immer bessere Gesundheitsversorgung; immer längere Rentenbezüge; immer mehr Möglichkeiten, auch schon vor dem Rentenalter auf Kosten anderer zu leben.

Wer aber sind diese anderen? In den ersten Nachkriegsjahren hatte der Antrieb der Wohlstandsmühle durch das hohe Wachstum des Wiederaufbaus funktioniert. Später war es hilfreich, dass als Spätfolge des Krieges und des Babybooms relativ wenige Pensionisten zu versorgen waren. Dann hat das System durch immer höhere Besteuerung funktioniert.

Doch auch diese ist längst an eine Grenze angekommen. Die allermeisten Steuererhöhungen bringen nur noch ein Minus in die öffentlichen Kassen. Jüngstes und besonders anschauliches Musterbeispiel ist die österreichische Kursgewinnsteuer, welche die Umsätze an der Wiener Börse dramatisch einbrechen hat lassen. Das hat Kapital und Kapitalsucher natürlich prompt ins Ausland vertrieben. Das hat natürlich dem gesamten österreichischen Steueraufkommen schwer und dauerhaft geschadet.

Der Gutmenschtrick

Dasselbe lässt sich auch bei fast jeder anderen Steuerform auch für fast jedes andere Land durchdeklinieren.

Das gilt besonders bei jeder Form einer Reichensteuer. Denn die Reichen sind ja meist an ihrem Geld interessiert (wer einem Buffet, einem Soros oder einem Haselsteiner glaubt, dass diese nicht an ihrem Geld interessiert wären, ist einem besonders simplen Schmäh, dem sogenannten Gutmenschtrick, ihrer PR-Berater zum Opfer gefallen). Die Reichen sind aber auch meist durchaus intelligent (sonst wären ja nur die wenigsten von ihnen reich geworden) und finden am schnellsten Wege, ihren Reichtum so zu verlagern – meist in andere Länder –, dass ihn die gierigen Steuereinheber nicht erwischen können.

Daher ließ sich in den letzten Jahren die auf historischem Rekordniveau befindliche Abgabenquote in kaum einem europäischen Land mehr erhöhen. Da blieb der Politik nur noch ein Ausweg: Die sich immer schneller drehende Wohlfahrtsmühle auf Schulden zu finanzieren. Das ging etliche Zeit gut. Es gab sogar einige sogenannte, schwer ideologisierte Wirtschaftsforscher, die ein Loblied auf die Schuldenwirtschaft sangen.

2011 aber sind die Geldverleiher endlich zur späten Erkenntnis gekommen, dass die sich immer verschuldenden Staaten wahrscheinlich ihre Kredite nicht zurückzahlen können. Und sie drehten folgerichtig den Geldhahn für die meisten europäischen Staaten zu. Sie taten dies vor allem ab jenem Zeitpunkt im globalen Gleichschritt, als die EU plötzlich dekretierte, dass eines ihrer Mitgliedsländer seine Anleihen privaten Anlegern nur noch zur Hälfte zurückzahlen müsse.

Die Goldmünzen aus Blech

Damit scheint die Wohlfahrtsillusion endgültig ausgedient zu haben. Oder doch nicht? Die Politik zauberte in diesem Augenblick genau jenen Trick hervor, den schon fast alle historischen Fürsten, Könige und Kaiser knapp vor dem Zusammenbruch praktiziert haben. Historisch wurde der Edelmetallgehalt der Münzen immer mehr ausgedünnt, also das Geld immer weniger wert. Das bedeutet in der Gegenwart den Beschluss, unbegrenzt Geld zu drucken. Was ebenfalls zwangsläufig zur Geldentwertung führt. Die amerikanische Notenbank beschloss dies einige Monate früher, die Europäische Zentralbank ganz am Ende des Jahres.

Die EZB tut dies dadurch, dass sich alle europäischen Banken bei ihr praktisch unbegrenzt und praktisch unentgeltlich ohne ausreichende Pfänder langfristig Geld ausleihen konnten.

Der technische Weg des Gelddruckens ist aber ohnedies fast gleichgültig. Was viel entscheidender ist: Die Notenbanker haben damit jedenfalls die Illusion ihrer Unabhängigkeit, ihrer Orientierung am Geldwert zerstört. Sie sind schwächliche Erfüllungsgehilfen verzweifelter und daher zum letzten entschlossener Politiker.

Das Gelddrucken der EZB – die bezeichnenderweise unter einem italienischen(!) Chef steht – hat natürlich zu Jahresende noch einmal eine belebende Wirkung gehabt. So wie es davor bei der amerikanischen Fed der Fall war. Ähnlich werden ja auch Rauschgiftsüchtige noch einmal glücklich, wenn mitten in die Qualen einer Entziehung doch noch eine Lieferung des Giftes platzt. Sogar Italien konnte in dieser mit Geld überschwemmten Banklandschaft in der letzten Jahreswoche seine abgereiften Anleihen wieder refinanzieren.

Das ändert natürlich nichts mehr an der weiteren Entwicklung. Denn die Menschen, die Wirtschaft und vor allem das Ausland werden sehr rasch merken, dass Euro wie Dollar eine beliebig vermehrbare Masse geworden sind. Ein solches Geld spart man nicht, sondern will es schnellstmöglich wieder loswerden. Von Spielzeugwährungen wie dem ungarischen Forint gar nicht zu reden. Das muss zwangsläufig zu einem weiteren Anstieg der Inflation führen. Dieser Anstieg wird sich nicht mehr in der bisherigen Dimension von dem einen oder anderen Zehntelprozent pro Monat bewegen.

Jeder konsumiert noch rasch und dann eilt der Tod herbei

Eine rapide steigende Inflation führt zwangsläufig zu einem Schwinden aller Ersparnisse, zu weiterer Kapitalflucht und damit zu einem nicht mehr abwendbaren Crash. Jeder konsumiert rasch noch einmal, niemand investiert mehr.

Seit 2011 sagen das nicht mehr nur ein paar neoliberale Skeptiker. Die Erkenntnis ist Allgemeingut der Bürger geworden. Womit wir wieder beim Beginn dieser Überlegungen sind: Die Bürger sind empört über das Zusammenbrechen der ihnen jahrzehntelang von praktisch allen Parteien gegebenen Wohlfahrtsversprechen und Sicherheitsgarantien. Sie sind aber auch zornig auf sich selbst, weil sie diese Lüge einer ewig gefüllten Wundertüte geglaubt haben.

Werden die Bürger nun Fünf nach Zwölf auch die schmerzhaften Konsequenzen eines Scheitern des Wohlfahrtsstaates hinnehmen? Oder werden sie sich in irgendwelche radikalen, aber perspektivenlosen Abenteuer stürzen? Werden sie noch einmal den Politikern mit ihren verlogenen Sündenbockkonstruktionen glauben, dass die Banken, die Reichen, die Spekulanten, die Juden, die Unternehmer und wer sonst immer schuld seien? Wird es auch in anderen Ländern mutige Politiker wie Mario Monti geben, die dort vielleicht sogar schon Fünf vor Zwölf den Wohlfahrtsstaat beerdigen und den Staat retten?

Die Hoffnung ist klein, aber sie stirbt zuletzt.

 

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Der geliehene und der gekettete Beamte

02. Januar 2012 01:02 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Michael Spindelegger verlangte zum Jahresbeginn einen totalen Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst. Das ist total super. Wenn es ernst zu nehmen wäre. Denn längst hat man in diesem „Dienst“ (Dienst?) riesige – bekannte und geheime – Hintertüren aufgetan, sodass viele Beamte über einen (neuerlichen) Aufnahmestopp nur lachen.

Dass ein solcher an sich eine sinnvolle Maßnahme wäre, braucht man wohl nicht lange zu beweisen. Der Aufnahmestopp müsste freilich jedenfalls nicht nur den Bund, sondern auch die Länder erfassen, wo es vor allem in den östlichen Bundesländern viel zu viele Landesdiener gibt. Und wo viel zu viele völlig überflüssige Regelungen zu vollziehen sind.

Und selbst wenn einmal eine bestimmte Tätigkeit dieses öffentlichen Dienstes wirklich wichtig und daher die Besetzung eines leerstehenden Postens dringend notwendig wäre, gäbe es eine Lösung. Dabei wäre auch in diesen Fällen auf Jahre hinaus niemand neu aufzunehmen: Denn beim Bundesheer, bei der Post oder der Telekom sitzen noch ganze Heerscharen unkündbarer Staatsdiener. Was spricht eigentlich dagegen, raschest ein neues Verfassungsgesetz zu erlassen, damit diese Damen und Herren wieder etwas Sinnvolles tun können beziehungsweise müssen? Und falls sie dazu unfähig oder unwillig sein sollten, sollte es dieses Verfassungsgesetz gleich auch ermöglichen, sie unter Mitnahme einer Abfertigung ans Arbeitsmarkt-Service weiterzuleiten. Das wäre eine der allersinnvollsten Sparmaßnahmen – wenn auch alle Hintertüren geschlossen würden.

Der öffentliche Dienst hat nämlich schon längst andere Strategien gefunden, einen solchen – ja in den letzten Jahren schon mehrfach verkündeten – Aufnahmestopp zu umgehen. Bekannt ist der Trick mit den Ausgliederungen: Indem bisher beamtete Tätigkeiten von einer formal privatwirtschaftlichen Gesellschaft erledigt werden (die aber ganz zufällig dem Staat gehört), hat der öffentliche Dienst zwar in der Tat viele Mitarbeiter verloren. Diese waren dann aber allesamt wieder über die Budgets staatseigener GmbH zu bezahlen. Von den insgesamt „abgebauten“ 33.000 Beamtenstellen sind mehr als 23.000 in den letzten elf Jahren einfach in solche Gesellschaften transferiert worden.

Immerhin scheint Spindelegger diese Taktik durchschaut zu haben. Deshalb will er den Aufnahmestopp nun auch auf alle ausgegliederten Gesellschaften angewendet wissen.

Ausgliederungen und heimliche Eingliederungen

Diese Taschenspielerillusion der Ausgliederungen ist aber noch harmlos im Vergleich zu einer zweiten Gegenstrategie gegen einen Dienstpostenabbau. Diese Strategie ist aber von der Öffentlichkeit bisher noch überhaupt nicht durchschaut worden. Nicht einmal der Rechnungshof tut dies. Ihr Kern: In etlichen Ministerien werden eingesparte Dienstposten seit einiger Zeit einfach durch externe Leiharbeitskräfte ersetzt. Diese mietet man von Zeitarbeitsfirmen an und stellt sie bei Nichtbedarf dorthin wieder zurück. Das Entgelt geht dann nicht über das Konto öffentlicher Dienst, sondern über den Sachaufwand.

Ein ziemlich übler Trick. Denn solcherart wird nicht nur die Öffentlichkeit getäuscht. Es wird auch nichts eingespart. Zugleich wird auch der komplette rechtliche Rahmen des öffentlichen Dienstes gesprengt.

Dieser Rahmen ist zwar zweifellos viel zu umfangreich, aber in einigen Kernbereichen durchaus sinnvoll. So haben die Zeitarbeiter mancherorts Zugang zu allen Akten – sie sind aber in keiner Weise an das Amtsgeheimnis gebunden. Zugleich könnte sich bei ihnen etliches Frustpotenzial ansammeln. Werden sie doch vielfach diskriminiert. Das Fehlen eines Dienstausweises etwa klingt harmlos, macht aber oft Probleme. Langfristig besonders demotivierend ist der Umstand, dass diese Zeitarbeiter keine Aufstiegschance haben.

Der öffentliche Dienst verschafft sich damit aber durch die Hintertür einen Pool an Mitarbeitern, der zum Unterschied von Beamten und Vertragsbediensteten ohne Probleme gekündigt werden kann. Statt dass man den Kündigungsschutz im öffentlichen Dienst reduziert (oder zumindest den Versetzungsschutz), wechselt man gleich in die allerhärtesten Arbeitsverhältnisse der Privatwirtschaft.

Der öffentliche Arbeitgeber hat in den letzten Jahren in einem anderen Bereich sogar Praktiken entwickelt, die alle „kapitalistischen Ausbeutungen“ weit übertreffen. Jeder privatwirtschaftliche Arbeitgeber würde vor dem Arbeitsgericht untergehen, wenn er diese Praktiken anwendet. Ihr Kern: Immer öfter werden Lehrer mehrmals hintereinander mit befristeten einjährigen Verträgen engagiert. Das ist normalerweise als ein sogenannter Kettenvertrag streng verboten, dieses Verbot gilt aber offenbar nur bei normal sterblichen Arbeitgebern. Quod licet Iovi, non licet bovi.

Das schafft eine wilde Zweiklassengesellschaft: Die einen sind auch bei großer Unfähigkeit de facto lebenslang zu bezahlen, die anderen verlieren alljährlich ihren Job und müssen um eine Verlängerung bangen. Dabei sind sie alle „Kollegen“. Sie arbeiten Seite an Seite, unterrichten die gleichen Klassen und sitzen in den Lehrerzimmern Seite an Seite.

Die alte Regel hat sich wieder bestätigt: Wenn sich deine Gruppe zu viele – angeblich soziale – Rechte erkämpft, wirkt sich das für eine andere Gruppe sehr unsozial aus.

 

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SN-Kontroverse: ORF privatisieren?

30. Dezember 2011 01:28 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll der ORF privatisiert werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Wes Brot ich ess'...

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein". Der Kernsatz des Dialektischen Materialismus lässt sich gut auf den ORF anwenden. So hat Gerd Bacher, der drei Mal an der ORF-Spitze stand - aber Pausen mangels Wahlmehrheit einlegen musste - die öffentlich-rechtliche Konstruktion des ORF nur in Zeiten verteidigt, wenn er ihn selbst lenkte. In seiner Miniphase z. B. als „Presse"-Herausgeber zog er gegen die öffentlich-rechtliche Konstruktion des ORF vom Leder. Dies hielt ihn nicht davon ab, wenig später wieder die öffentlich-rechtliche Monopolkonstruktion laut zu verteidigen. Klassischer kann der Satz: „Wes Brot ich ess', des Lied ich sing" kaum vorgelebt werden. Bacher zählt heute zu den heftigsten Kritikern von ORF-Chef Alexander Wrabetz. Vorher versuchte ein privater „Freundeskreis" rund um Bacher Wrabetz' Wiederwahl zu verhindern und Gerhard Zeiler (RTL) an die Spitze des ORF zu hieven. Durch den „roten Freundeskreis" im ORF-Stiftungsrat wurde das verhindert. Nicht zuletzt weil dieser stark unter dem Einfluss von SPÖ-Geschäftsführerin Laura Rudas und Niko Pelinka steht, der nun ungustiöserweise Büroleiter von Wrabetz werden soll. So weit, so schlecht, weil eben nicht nur Konservative das oben zitierte Lied beherrschen. Deswegen aber gleich den ORF zu privatisieren, hieße das Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn der ORF liefert nicht nur die tägliche Intrige frei Haus, sondern auch sehr gute Programme, wie z. B. ORF III oder Ö1. Abgestellt hingegen gehört die Polit-Klüngelei im Stiftungsrat und zu überlegen ist die Abschaffung bzw. Zusammenlegung der teuren Landesstudios. Sie liefern mediokre Programme oder sind zu Dauerwerbeanstalten für die jeweiligen Landeschefs verkommen, die selbst dann ins Bild gerückt werden, wenn sie z. B. einen Kreisverkehr in ihrem Bundesland eröffnen.


Selbstzerstörung eines Senders

Andreas Unterberger

Weltweit sind private Schulen besser als staatliche. Das Telefon funktioniert seit Ende des Staatsmonopols effizienter und billiger. Die einst defizitäre Voest ist heute - wie viele andere privatisierte Firmen - ein zukunftssicherer Vorzeigebetrieb.

Nur für den staatlichen ORF müssen wir weiterhin Gebühren und(!) Steuern zahlen, damit er überlebt. Die einzigen Gründe dafür, nämlich umfassende und hochstehende Information und die Verbreitung österreichischer Kultur, hat der ORF unter seinen letzten drei Chefs total verspielt. Mit Alexander Wrabetz, einem Mann ohne journalistische oder kulturelle Kompetenz, hat der Abstieg den Tiefpunkt erreicht. Da ist die Berufung des Jungschnösels Pelinka aus dem innersten Machtkreis der SPÖ in eine höchstbezahlte Funktion - eine Woche, bevor diese überhaupt „ausgeschrieben" worden ist! - nur das letzte Detail. Dass sich Wrabetz von diesem Pelinka schon in der Vergangenheit die Listen von Diskussionsrunden absegnen hat lassen (was Pelinka zuerst zugab, dann dementierte, nachdem ihn jemand informierte, dass man so etwas eher geheim halten sollte), war entlarvend. Der ORF wird wie eine SPÖ-Sektion geführt. Aber auch einige grüne, schwarze, blau/orange und „unabhängige" Typen wissen: Wer Wrabetz wählt, kann schöne, oft extra geschaffene Posten besetzen - oder ständig im ORF auftreten. Widerlicher geht's nimmer. Oh doch, es geht. Im Programm ist der Absturz noch viel ärger. Die Unterhaltung ist auf vielen anderen Sendern besser, die Information noch viel mehr, quantitativ wie qualitativ. Die TV-Nachrichten, -Magazine und -Diskussionsgäste des ORF haben überdies eine schwere linke, meist grüne Schlagseite, Ö1-Programme oft sogar eine kommunistische. Die Zuseher rennen dem im Eiltempo davon. Es gibt absolut keine Legitimation, dass dieser ORF noch mit Gebühren finanziert wird.

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AKH – ein Haus ist krank

29. Dezember 2011 08:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Nachricht  füllt seit Wochen die Zeitungen: Die medizinische Versorgung im Wiener Allgemeinen Krankenhaus ist bedroht. Und Wissenschaftsminister Töchterle sei schuld daran. Worauf er nach drei Wochen Trommelfeuer entnervt in den Budgetsäckel gegriffen hat. Trotz aller Sparzwänge. Während die eigentlich für die Gesundheitsversorgung der Stadt zuständige Gemeinde ihr Geld (unser Geld) weiterhin für ganz andere und oft abenteuerliche Zwecke hinauswirft.

Der integre und philosophisch weise, aber politisch biedere Tiroler Minister ist da in eine taktisch gut positionierte Falle gegangen. Denn für die medizinische Versorgung der Bürger ist laut Verfassung einzig und allein das jeweilige Bundesland zuständig, nicht der Wissenschaftsminister. Der hat lediglich die Lehre und die Forschung über. Beides hat aber nichts mit den bedrohten Nacht- und Wochenenddiensten im AKH zu tun, deren Einschränkung zur Diskussion gestanden ist.

Dennoch hat es eine geschickte Taktik des Rathauses geschafft, dass der Wissenschaftsminister den Schwarzen Peter in der Hand hat. Vor allem ein roter Ärzte-Apparatschik namens Szekeres inszenierte diese Schuldzuweisung, indem er unter Streikdrohungen immer nur den Bund attackierte. Dahinter steht natürlich auch der Bürgermeister, der in einem seiner wenigen nüchternen Augenblicke als „Kompromissvorschlag“ anbot, dass sich künftig Bund und Gemeinde die AKH-Kosten 50 zu 50 teilen sollten. Derzeit macht freilich der Bundesanteil rund 15 Prozent aus! Ein guter Schmäh, würde man in Wien sagen.

Dabei kommen aber in Wahrheit Lehre und Forschung am AKH ohnedies immer mehr zu kurz. Denn die Gemeinde verschiebt immer mehr medizinische Betreuung in das Großkrankenhaus – müsste sie doch anderswo sämtliche Kosten alleine tragen.

Noch wichtiger ist aber ein anderer Faktor, der offenbar auch dem Wissenschaftsminister nicht bewusst ist: Im AKH müssen Ärzte Zehntausende Male im Jahr Dinge machen, die in sämtlichen anderen Gemeindespitälern Krankenschwestern machen (natürlich auch in den Privatspitälern). Dabei geht es um Blutabnahmen und ähnliche Tätigkeiten. Die Krankenschwestern im AKH beschränken sich weitgehend auf reine Pflegetätigkeiten – und füllen zahllose Fragebogen aus, in denen dann viele irrelevante Informationen stehen oder solche, die ohnedies auch die Ärzte in der Krankengeschichte festhalten.

Die Gemeinde hat natürlich jedes Interesse, dass das so bleibt. Es ist für sie weit billiger, Dinge von Ärzten erledigen zu lassen, wenn jemand anderer diese bezahlt. auch wenn es natürlich insgesamt eine Verschwendung ist. Damit dies nicht zu vordergründig aussieht, wird die sogenannte Oberschwester vorgeschickt, die immer eine bis zum letzten Gen stramme Genossin ist. Diese hat eine strenge Arbeitsteilung zwischen Ärzten und Schwestern durchgesetzt, in der die AKH-Schwestern viel weniger tun dürfen/müssen als ihre Kolleginnen anderswo. Diese Oberschwestern haben in der an kommunistische Zustände erinnernden „kollegialen“ Führung der Wiener Spitäler eine unglaublich starke Stellung, gegen die der überaus schwache Medizinuni-Rektor keine Chance hat. Die sonstige AKH-Leitung hängt sowieso am Faden der Rathausmänner. Und der Wissenschaftsminister ist weit weg.

Zugleich ist das AKH ein Tempel der Korruption und Misswirtschaft geworden. Skandalöse Auftragsvergaben (große Wellen hat etwa der geschobene Vertrag mit einer Reinigungsfirma geschlagen) rücken das Haus ins Zwielicht. Die Herrschaft von Cliquenwirtschaft und Freimaurerei hat das in seiner Größe ohnedies schon fast unregierbare Haus zugleich in seiner medizinischen und Forschungs-Qualität zurückfallen lassen. Bezeichnend für den Zustand ist, dass man wie ein Werner Faymann den Qualitätsverlust neuerdings durch den Kauf von PR-Seiten in Zeitungen zu übertünchen  versucht. Was einst in den großen Zeiten des AKH mit Sicherheit niemandem eingefallen wäre.

Die Vernachlässigung der medizinischen Versorgung durch die Stadt Wien wird auch durch den Zorn anderer Spitäler bewiesen: Die acht Wiener Ordensspitäler protestierten dagegen, dass sie seit Jahren ausgeblutet werden. Investitionsgelder werden gekürzt, Leistungserlöse (also Honorare für einzelne Eingriffe) werden nicht valorisiert. Vielleicht sollten die Ordensspitäler auch einen Streik androhen oder so zynische Aktionen setzen wie die roten AKH-Gewerkschafter, die ahnungslose Promi-Patienten für peinliche PR-Aktionen einsetzen?

Aber dazu sind sie zu zaghaft. Und  das würde ihnen auch nicht viel nutzen. Denn die mit Inseraten bestochenen Zeitungen ignorieren die Ordensspitäler sowieso und schreiben nur übers AKH, das Opfer des bösen Bundes. Und keine einzige Zeitung schreibt, dass sämtliche Ärztenot im AKH gelöst wäre, wenn dort nicht die Ärzte zahllose Tätigkeiten von Krankenschwestern übernehmen müssten. Was insgesamt auch noch billiger wäre.

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SN-Kontroverse: Nachsicht mit Politikern?

23. Dezember 2011 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Sind wir mit unseren Politikern zu unnachsichtig?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Die im Schatten sieht man nicht

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Wer heimische und internationale Medien verfolgt, dem drängt sich relativ rasch der Verdacht auf, dass Politikerinnen und Politiker sowie die Politik insgesamt das größte Übel dieser Welt sind. Es sind Kollektivurteile, was da alles von sich gegeben wird: Verstärkt werden die in der Folge entstehenden Vorurteil noch durch die Ausfälle diverser „Wutbürger", die sich in der heimischen kabarettistischen Form der politischen Beurteilung zur „You Tube" Wahrnehmung in Endlosschleife verdichten. Da läuft doch sehr viel aus dem Ruder. Das Volk im digitalen Zeitalter hat gegenüber den politisch Agierenden einen Generalverdacht entwickelt. Da tönt es gleichermaßen falsch wie undifferenziert: „Die da oben" seien ohnedies nur alles Falotten, Feiglinge, Unfähige, brächten nichts zustande und wann, dann das Falsche, seinen korrupt und wirtschafteten nur in die eigenen Tasche. Die Vorwurfsreihe ließe sich noch beliebig erweitern. Wird da nicht weit über das Ziel geschossen und, was noch unangenehmer ist, leistet einen derartige Haltung nicht jenen Vorschub, die die allgemeine Politikverdrossenheit als Plattform zur Durchsetzung der Eigeninteressen nützen? Nehmen wir z.B. jene Wirtschaftswissenschafter, die am liebsten im Interesse der Märkte die Grundregeln der Demokratie außer Kraft setzten wollen.

Ja, mitunter sind wir gegenüber Politikerinnen und Politikern zu unnachsichtig oder zu ungeduldig. Denn die Entscheidungsprozesse der Politik dauern eben länger, nicht zuletzt deshalb, weil ein demokratischer Konsens hergestellt werden muss. Dieser ist eben nicht auf Knopfdruck möglich, sonder meist nur mühsam zu erreichen und muss, um durchgesetzt werden zu können, eingehend erklärt werden. Viele erledigen diese Aufgabe mit großem Anstand. Doch die im Schatten sieht man oft nicht.


Eine Amnestie ist nicht am Platz

Andreas Unterberger

E s ist schlimm, wie Gossenjournalisten Politiker oft wegen Kleinigkeiten in den Dreck ziehen. Weil sie die falschen Hosen tragen (Mock), weil sie am falschen Ort Urlaub machen (Grasser), weil sie sich nicht mit Wurstsemmeln bewerfen lassen (H.C. Strache), weil die Tochter pubertäre Probleme hat (Gusenbauer).

In den wirklich wichtigen Fragen werden Politiker jedoch viel zu milde beurteilt. Weihnachtliche Nachsicht wäre jedenfalls nur unter ganz bestimmten Bedingungen berechtigt: wenn vom Sparen nicht immer nur geredet würde; wenn endlich zugegeben würde, dass Tunnelprojekte wie Koralm, aber auch Brenner unfinanzierbar und unrentabel sind; wenn die Hacklerpension sofort abgeschafft würde; wenn das Antrittsalter für Frauenpensionen zügig erhöht würde, damit dieses nicht in Kürze weit niedriger als im Rest Europas ist; wenn man nur noch mit vollem versicherungsmathematischen Abschlag in Frühpension gehen dürfte; wenn die Justiz wieder die Meinungsfreiheit respektierte (siehe das Skandalurteil wegen der Feststellung, was Mohammeds Geschlechtsverkehr mit einer Neunjährigen nach unserer Wertordnung ist) und dafür endlich mit Energie gegen Kinderschänder vorginge (siehe die mutmaßlichen Zweittäter im Fall Kampusch); wenn die teure Abschaffung der vielerorts bewährten Hauptschule erst NACH Evaluation ausgetesteter Ersatz-Schulmodelle stattfände; wenn Staatsfirmen mit unfähigem Management wie die Telekom zur Gänze privatisiert würden; wenn alle Gerichte, die nicht mindestens zwei Richter auslasten, fusioniert würden; wenn Regierungen und Kommunalbetriebe Inserate nur noch gemäß Vergabegesetz vergeben dürften; wenn alle Subventionen halbiert würden; wenn der mit schwerer linker Schlagseite torkelnde ORF nicht noch weiteres Geld bekäme.

 

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Wo das große Geld wirklich liegt

22. Dezember 2011 00:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist absolut erstaunlich: Österreich diskutiert eine Schuldenbremse per Verfassung; es ist durch EU-Beschlüsse sogar zu einem solchen Beschluss gezwungen. Aber für dessen konkrete Umsetzung werden derzeit fast nur Steuererhöhungen diskutiert, jedoch keinerlei echte Einsparungen. Steuererhöhungen stehen im totalen Kontrast zu der Tatsache, dass wir ohnedies schon das zweithöchste Abgabenniveau unter allen Euro-Ländern haben.

Sehr billig machen es sich dabei nicht nur die genetischen Steuererhöher, sondern auch alle jene, die nur von „Verwaltungsreform“ aber nicht von konkreten Vorschlägen reden: Wie schließt man gegen den Willen von Provinzpolitikern Bezirksgerichte oder Kleinspitäler? Wie kann der Bau sinnloser Eisenbahntunnels gestoppt werden? Wie fusioniert man Gemeinden, wenn das der Verfassungsgerichtshof gegen deren Willen verbietet?

Auch wenn die unsinnige Hacklerpension wenigstens in ein paar Jahren auslaufen wird, bieten die Pensionen das größte Sparpotential. Dazu zählen: die provozierenden Pensionen in der Gemeinde Wien oder der Nationalbank (wo sich die Gewerkschaft überall gegen die bei den Bundesbeamten schon längst beschlossene Gleichstellung querlegt); oder das noch bis 2033 niedrigere Frauenpensionsalter. Dieses wird vom ÖGB mit dem absurden Hinweis auf die statistisch niedrigeren Frauengehälter verteidigt, obwohl diese ja gerade deshalb niedriger sind, weil viele Gehaltsordnungen gerade für das Alter zwischen 60 und 65 die weitaus höchsten Bezüge vorsehen.

Besonders übel sind die Invaliditätspensionen. Selbst der Sozialminister musste nun zugeben, dass unsere Invaliditätszahlen bis zum 50. Lebensjahr im weltweiten Schnitt liegen, dass die Österreicher  ab dem 51. Lebensjahr aber plötzlich „Invaliditätsweltmeister“ werden. Was so direkt aber kein Politiker laut zu sagen wagt: Hier findet massiver Missbrauch statt. Zehntausende gehen ohne echte Invalidität in die Frühpension. Aus Ärger, weil sie einen bestimmten Karrieresprung nicht geschafft haben; weil der Ehemann ohnedies genug verdient; weil man weniger Geld braucht, seit die Kinder aus dem Haus sind; weil man gerade keinen neuen interessanten Job findet; weil man noch bei voller Gesundheit das Leben genießen will. Und weil bedenkenlose Ärzte aus einer seltsamen Sozialgesinnung heraus bereit sind, ein vorgeschütztes Leiden als Grund einer Berufsunfähigkeit zu attestieren. Die neuerdings scheinbar explodierenden psychischen Leiden eigenen sich ja besonders gut für solche Atteste.

Das ruiniert nicht nur unser Pensionssystem, sondern auch die Stabilität der Republik und aller von ihr aufgenommenen Anleihen. Hätten wir eine Regierung, die regiert, wären einerseits die Invaliditäts-Untersuchungen viel ernsthafter. Und zweitens gäbe es deutlich spürbare Abschläge zumindest für jeden Frühpensionisten, der noch in anderen Branchen arbeitsfähig wäre. Haben wir aber nicht.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Fußnote 247: Das Fundament des Stillstandes

18. Dezember 2011 00:07 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Selten genug, dass man Mitleid mit dieser Bundesregierung hat. Ein Christoph Leitl ist jedoch regelmäßig imstande, solches auszulösen.

Bei seinen Interviews empört er sich mit arroganter Überheblichkeit über das Versagen der Regierung beim Sparen. Selber aber bringt der Mann während langer Interviews immer nur gut klingende, aber nie mit Inhalt gefüllte Überschriften zustande. Und am peinlichsten hat er mit seiner Wirtschaftskammer versagt, als sie zusammen mit der Arbeiterkammer ein Papier zur Einschränkung der Frühpensionen erarbeitet haben. Denn darin waren vermehrte Rehabilitionsmaßnahmen für Möchtegern-Frühpensionisten so ungefähr die schärfste Maßnahme im Kampf gegen eines der größten Probleme dieses Landes. Ich weiß schon, dass es so gut wie unmöglich ist, sich mit Gewerkschaft und Arbeiterkammer auf irgendeine wirklich wirksame Spar-Maßnahme zu einigen. Aber wenn man sich mit ihnen dennoch immer wieder hinsetzt und dann ein gemeinsames Minimal-Papier unterschreibt, wenn man seit vielen Jahren der Gewerkschaft, also der reformresistentesten Kraft des Landes, die Mauer macht, dann sollte man nicht präpotent anderen „Stillstand“ vorwerfen. Dann ist man längst selbst zum Fundament des Stillstandes geworden.

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Wo ist der österreichische Monti?

17. Dezember 2011 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ist die gute Nachricht zur Vorweihnachszeit: Das italienische Sparpaket des neuen Ministerpräsidenten Mario Monti hat mit schmerzhaften, aber nicht entscheidenden Abstrichen seine wichtigste parlamentarische Hürde genommen. Damit ist die größte Umwandlung des Nachkriegsitaliens fix. Was heißt das aber für Europa und für Österreich?

Die massive Mehrheit in der römischen Abgeordnetenkammer zeigt, dass das Wissen um den Ernst der Lage letztlich doch in den Köpfen der südlichen Nachbarn angekommen ist. Sogar ein Gutteil der Linken hat dem zugestimmt, was einem Berlusconi sogar bei weit weniger einschneidenden Maßnahmen verweigert worden war. Die Lega Nord hingegen hat sich zur populistischen Neinsager-Partei degradiert, die keine Perspektive für die Zukunft des Landes bietet (auch wenn der Wunsch nach einer Abtrennung des mitteleuropäischen Nordens vom mediterranen Süden durchaus nachvollziehbar ist).

Dass auch die Gewerkschaften wie wild gegen Monti kämpfen, ist zum Teil als landesübliche Folklore und Überlebenskampf eines überholten Vereins einzustufen. Dieser Kampf setzt zum anderen Teil aber doch noch ein heftiges Fragezeichen hinter die europäische Sanierungspolitik.

Denn chinesische wie andere Investoren – die der alte Kontinent so dringend bräuchte – haben immer wieder klargemacht, dass sie ihr Geld nicht zuletzt deswegen von Europa fernhalten, weil sie an der Ernsthaftigkeit der europäischen Spargesinnung zweifeln. Und da sind die Fernsehbilder von Streiks und Besetzungsaktionen halt nicht sehr überzeugend. Es ist einem Nichteuropäer gar nicht so leicht klarzumachen, dass dahinter keine Bevölkerungsmehrheit steht. Dies ist vor allem dann schwierig, wenn die linken Medien Occupy-Aktionen weit über die in Wahrheit sehr bescheidenen Teilnehmerzahlen hinaus bejubeln.

Die Liste der Monti-Maßnahmen ist aber jedenfalls bunt wie eindrucksvoll und weitgehend nachahmenswert:

Vorerst gescheitert ist Monti hingegen mit einer Freigabe der Taxilizenzen und mit einer Kürzung der luxuriösen Parlamentariergehälter, die mit über 11.000 Euro netto(!) pro Monat weit über allen anderen Ländern liegen. Allerdings haben die Abgeordneten versprochen, das nun „autonom“ anzugehen.

Dennoch bleibt das Paket eindrucksvoll. Und man kann für Italien hoffen, dass das Land mit Monti nun vielleicht doch bald wieder über den Berg kommen könnte.

Manche der nun beschlossenen Maßnahmen (auch in der zweiten Kammer werden sie wohl noch vor Weihnachten durchgehen) schaffen Privilegien ab, die in österreichischen Ohren wirklich provozierend klingen. In seinen Kernbereichen, vor allem beim Pensionsantritt, sind das aber durchwegs Beschlüsse, die auch anderswo dringend notwendig wären. Etwa auch in Österreich. Freilich ist versicherungsmathematisch und demographisch ein Pensionsantritt mit 66 Jahren in Wahrheit immer noch zu früh. Denn Erich Streißlers einst von allen aufrechten Linken wütend bekämpften Berechnungen, dass der Pensionsantritt angesichts der steil gestiegenen Lebenserwartung erst über 70 erfolgen dürfte, sind nach wie vor richtig.Und sind angesichts des hartnäckigen Geburtendefizits noch viel richtiger.

Nur: Wo ist der österreichische Monti? Selbst außerhalb der Regierung findet man keinen überzeugenden Kandidaten.

Gleichzeitig zu den Monti-Beschlüssen ist der Zustand der österreichischen Pensionsversicherung bekanntgegeben worden. Die Kosten des Pensionssystems wachsen im kommenden Jahr um weitere 6,2 Prozent. Aus dem Bundesbudget müssen sogar um 14,2 Prozent mehr in das System geholt werden. Damit fließen über die Beitragszahlungen hinaus schon 4,6 Milliarden Euro aus dem allgemeinen,schwer verschuldeten Bundesbudget ins Pensionssystem. Und das alles in Zeiten einer neuen Rezession. Und das alles noch BEVOR die Babyboomergeneration ohne Zurücklassung einer nennenswerten Kinderzahl massenweise in Pension geht. Was sie aber im kommenden Jahrzehnt tun wird.

Was noch schlimmer ist: Nirgendwo ist ob dieser Zahlen die notwendige erregte und besorgte Diskussion ausgebrochen. Es sind ja nur Ziffern. Und handeln müssen nur die Italiener

 

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Die Spekulanten rächen sich und - spekulieren nicht mehr

13. Dezember 2011 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jeder drittklassige Provinzpolitiker und jeder viertklassige Leitartikelschreiber hat die Täter gekannt: Die Finanzkrise sei von Spekulanten ausgelöst worden, die zuerst Griechenland und dann nach der Reihe andere Länder in die Krise getrieben haben. Unter dem Eindruck dieser – auch von vielen europäischen Bürgern begeistert geteilten – Überzeugung sind die europäischen Regierungen im Sommer zum Haarschnitt geschritten.

Sie zwangen alle privaten Gläubiger Griechenlands – also vor allem die Käufer griechischer Staatsanleihen –, freiwillig auf 50 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten. Vor allem in Deutschland glaubte man, durch diesen Haircut die Last ein wenig von den eigenen Steuerzahlern abgewälzt zu haben. Auf diese hat man ja seit Mai 2010 in mehreren Etappen die Haftung für die griechische Misswirtschaft überwälzt.

Das hat man im übrigen auch auf dem jüngsten Gipfel in einer weiteren teuren Etappe getan (obwohl darüber fast niemand redet, weil man lieber auf die Briten schimpft). Diesmal geschah die Überwälzung der Schulden durch eine forcierte Einschaltung des Währungsfonds, den man als Nicht-EU-Institution bisher in der Schuldenkrise eher nur am Rande mitspielen lassen wollte. Aber auch die Aktivierung des Währungsfonds kostet wieder mindestens(!) 150 Milliarden europäisches Geld. Das man halt neuerlich aus den Zentralbanken nimmt. Bei dieser Umwegkonstruktion muss man einerseits nicht die Parlamente fragen und kann andererseits das in den EU-Verträgen stehende Verbot der direkten Finanzierung von Schuldnerstaaten durch andere Staaten oder europäische Institutionen umgehen.

Gewiss fanden es von Anfang an manche Kritiker ein wenig widersprüchlich, wenn man jemandem zu einem „freiwilligen“ Verzicht zwingt. Diese Freiwilligkeit ist im übrigen bis heute noch in keiner Unterschrift festgehalten. Gleichzeitig steigt der Ärger über diese neue Zweiklassengesellschaft: Private Gläubiger müssen auf die Hälfte verzichten, staatliche hingegen nicht. In Zeiten des real existierenden Sozialismus gelten ja Staaten offenbar als etwas Besseres, private Geldverleiher kommen hingegen in der Beliebtheit gleich nach den Henkern und Lobbyisten.

Dass die Staaten etwas Besseres sind, haben die internationalen Notenbanken ja auch schon längst mit Brief und Siegel festgehalten: Sie haben in den diversen Basel-Abkommen die Kredite, die ein Staat aufnimmt, für absolut sicher erklärt, was Kredite eines Privaten niemals sein können.

Das alles erinnert übrigens stark an einen anderen internationalen Konsens von Regierungen und „Experten“, freilich etliche Zeit früher: Damals hat man die Erde zum Mittelpunkt des Weltalls erklärt. Trotz dieses nur von wenigen Querköpfen gestörten Konsenses hielt sich die Wirklichkeit bedauerlicherweise nicht daran. Heute ist es die Pleite Griechenlands (und anderer), welche die breite politische Übereinkunft stört, dass Staaten total sicher seien.

Zurück in die Gegenwart: Hier zeigen sich auch noch weitere Widersprüche zwischen dem allgemeinen Konsens der politisch-medialen Klasse und der Realität. Die viel kritisierten und als Spekulanten dämonisierten Geldverleiher waren in der Regel ganz biedere Sparer, Pensionsfonds, Versicherungen oder ausländische Staaten. Sie wollten eigentlich nur Geld sicher anlegen. Was ja eigentlich ein viel seriöseres Unterfangen ist als etwa das Betreiben des österreichischen Pensionssystems mit seinen vielen ungedeckten Mega-Schecks an die Zukunft.

Eine weitere Abweichung der Realität von der Denkwelt diverser EU-Gremien: Die „Spekulanten“ sind lernfähig. Sie lernen aber unfreundlicherweise aus der Realität und nicht aus Erklärungen diverser EU-Gipfel, die in immer kürzeren Abständen die Krise für beendet erklären. In der realen Welt waren die Investoren, pardon: „Spekulanten“ jedenfalls damit konfrontiert, dass entgegen aller europäischen Rhetorik die Anleihen eines­ – ersten – Euro-Landes nur noch die Hälfte wert waren.

Sie handelten daraufhin völlig folgerichtig. Denn, was in Griechenland passieren kann, kann ja nun auch in jedem anderen Land passieren. Daher begann ein „Spekulant“ nach dem anderen, sein Geld aus Anleihen europäischer Staaten zurückzuziehen. Sie weigerten sich immer öfter, neue Anleihen zu kaufen, egal ob die für neue Schulden oder nur die Rückzahlung abreifender alter Anleihen notwendig wurden. Sie kauften höchstens dann noch, wenn ihnen wirklich saftige Zinsen zugesichert wurden. Diese brauchten sie freilich auch für die notwendigen Kreditausfallversicherungen (CDS), ein weiteres uraltes Instrument, das neuerdings zum Teufelswerk erklärt worden ist.

Jetzt ist guter Rat teuer. Denn all die derzeit – angeblich – kommenden Schuldenbremsen, und die in Wahrheit sehr vage und konsequenzenarm bleibende Fiskalunion des letzten Gipfels können nicht mehr das einmal zerstörte Vertrauen wiederherstellen.

Der gute Rat ist so teuer, dass nun vom deutschen Finanzministerium bis zum EU-Ratspräsident lebhaft sogar darüber nachgedacht wird, ob man den griechischen Haircut nicht vielleicht noch rückgängig machen kann. Nur weiß jeder Friseur: Hat er einmal irgendwo zu viele Haare abgeschnitten, lassen sich die nicht mehr wirklich leicht ankleben. Oder in der Sprache der Finanzwelt: Wenn einmal Vertrauen zerstört worden ist, dann lässt sich das nicht mehr auf Befehl wiederherstellen.

Das Vertrauen in staatliches Reden und Handeln ist bei den deutschen Banken zusätzlich dadurch zerstört worden, dass sie von der eigenen Regierung 2010 überredet wurden, zum Unterschied von anderen Ländern keine griechischen Anleihen zu verkaufen. Ein Jahr später waren diese Anleihen nur noch die Hälfte wert. Dieser miese Trick belastet seit der Haircut-Ankündigung jedes weitere Gespräch zwischen Regierungen und Banken massiv. Denn wer der deutschen Regierung vertraut hat, steht jetzt ziemlich blöd da. Und anderen Regierungen zu vertrauen, ist ja schon seit längerem nur noch ein Ausweis besonderer Dummheit.

Jetzt werden manche einwenden: Aber ohne einen solchen Haircut hätten die europäischen Steuerzahler ja noch viel tiefer in diese Tasche greifen müssen. Denn ohne deren Hilfe wäre es ja jedenfalls zu einem griechischen Zahlungsausfall gekommen – was ja nichts anderes als ein sofortiger Haircut bei den Gläubigern ist.

Das ist im Prinzip richtig. Nur hätte eine Insolvenz Griechenlands erstens keine Zweiklassengesellschaft unter den Gläubigern bedeutet und wäre damit nicht so provozierend und demotivierend für jeden privaten Sparer gewesen. Sie wäre zweitens zu einem viel höheren Anteil von den Griechen als Urheber des Schuldendebakels selbst zu tragen gewesen. Drittens hätte man – mit vermutlich viel weniger Geldaufwand – den Dominoeffekt sogar in hohem Ausmaß abfedern können, der ausländische Gläubiger bei einer Pleite Griechenlands bedroht hat.

Und der vierte Einwand ist der gewichtigste: Bei einer Insolvenz Griechenlands wäre schon vor eineinhalb Jahren das klare Signal an alle Europäer ausgesandt worden, dass sie selbst ganz allein für ihre Schulden und deren Rückzahlung verantwortlich sind. Dann hätten schon im Mai 2010 von Italien bis Österreich die notwendigen, aber schmerzhaften Sanierungen begonnen. Diese werden statt dessen jetzt erst überall mühsam diskutiert. Und gegen sie richtet sich allerorten naturgemäß der Protest der Schuldenprofiteure, wie etwa der Gewerkschaften, der Bürokratien und der Subventionsempfänger. Denn überhaupt kein Zweifel kann darüber bestehen, dass beispielsweise eine signifikante Hinaufsetzung des österreichischen Pensionsantrittsalters im Jahre 2010 viel schlauer gewesen wäre als wenn das erst 2012 – vielleicht! – beschlossen wird. Um nur aus einem einzigen Land nur eine einzige der Hunderten notwendigen, aber unpopulären Maßnahmen zu nennen.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Fußnote 244: Da waren es nur noch eineinhalb

12. Dezember 2011 00:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Während der letzten Wochen war die Botschaft der Regierungsparteien überraschend einhellig: Österreich muss 2012 das Defizit um zwei Milliarden Euro reduzieren. Und dann jedes Jahr um zwei weitere.

Man wusste zwar noch nie wie. Aber bevor man sich auch nur über eine einzige Spar-Million einig war, hat Werner Faymann nun dekretiert: Es genügen auch eineinhalb Milliarden. Wenn er so weitermacht, wird der wackere Kanzlerdarsteller bald bei Null angelangt sein. Da werden offenbar die Sparziele in altbekannter Manier wieder einmal ständig nach unten relativiert. Aber immerhin: Faymann hat sogar einen (einzigen) konkreten Punkt genannt, wo er sparen wird – nämlich bei den Inseraten des Bundeskanzleramtes. Will uns der Mann jetzt nur noch pflanzen? Oder will er gar zugeben, dass er schon so viel Steuergeld an Bestechungsinseraten ausgibt, dass alleine die Inserate des Bundeskanzleramtes einen relevanten Beitrag ergeben (selbst wenn man "nur" von der von ihm genannten Größenordnung ausgeht)?

PS.: Apropos Inseratenkorruption: Die Gemeinde Wien zeigt wider alle Beteuerungen keinerlei Anzeichen der Sparsamkeit. Ganz im Gegenteil. Neuerdings inserieren sogar die bisher diesbezüglich eher asketischen Wasserwerke. Und sie tun das nicht nur in den üblichen Boulevardmedien, sondern großflächig auch in sogenannten Qualitätsblättern. Wollen sie etwa gar den Wasserkonsum der Wiener ankurbeln? Oder geht es vielleicht in Wahrheit darum, den Zeitungen einen Beuteanteil an der 33prozentigen Erhöhung der Wassergebühren zukommen zu lassen? Als Part of the game gewissermaßen. Anderswo heißt das Schweigegeld.

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Fünf Parteien taktieren - und keine denkt an Österreich

05. Dezember 2011 13:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die österreichische Schuldenbremse bleibt, wie hier mehrfach prophezeit, eine Farce. Die Verhandlungen der Regierung mit dem BZÖ über eine verfassungsrechtliche Verankerung sind gescheitert. Das einfache Gesetz, das die Regierungsparteien nun beschließen wollen, ist völlig sinnlos. Denn es kann übermorgen schon durch ein weiteres einfaches Gesetz ausgehebelt werden. Ein einfaches Gesetz hat auch Null Wirksamkeit für die Bundesländer. Wer aber ist schuld an dem Desaster?

Schuld daran sind vor allem alle jene Politiker, die nicht ernsthaft sparen wollen. Die offenbar wirklich glauben, die internationalen Geldgeber werden sich durch ein papierenes Versprechen ohne jede Bindungswirkung beeindrucken lassen, obwohl es über keine einzige relevante Einsparung Konsens gibt. Was natürlich absurd ist. Weder Ratingagenturen noch die Verwalter chinesischer Staatsfonds oder amerikanischer Pensionsfonds oder europäischer Stiftungsvermögen sind so blöd, wie die heimische Politik sie offenbar einschätzt.

Die skeptisch gewordenen Geldgeber lassen sich auch nicht dadurch beeindrucken, dass man sie regelmäßig als Spekulanten beschimpft. Oder dass man die Ratingagenturen knebeln will, wie es die EU-Kommission gerade versucht. Die potenziellen Geldgeber sind nämlich auch ohne diese Agenturen zu kritischem Denken und Handeln imstande. Daher hat sich ja auch in den letzten Monaten die österreichische Kreditwürdigkeit signifikant verschlechtert.

An oberster Stelle der Schuld stehen zweifellos die Sozialdemokraten, die jeden Kompromiss mit dem BZÖ abgelehnt haben. Dabei sind dessen Forderungen zum Schluss ohnedies nicht mehr sehr gravierend gewesen. Die SPÖ liegt jedoch weiterhin an der Kandare des Gewerkschaftsbundes, der im Grund keinerlei relevanter Sparmaßnahme, sondern nur weiteren Steuererhöhungen zustimmen will. Es ist jedoch eine Farce und Zumutung, wenn man die unfinanzierbare Welle der Frühpensionen nur durch eine Intensivierung der Rehabilitation stoppen will, aber weder die Hacklerpension sofort auslaufen lässt, noch die Privilegienpensionen (Wiener Rathausbeamte usw.) antastet, noch Frühpensionen mit einem Malus bestraft.

Dennoch müsste jede verantwortungsbewusste Oppositionspartei der Schuldenbremse zustimmen. Denn nur eine verfassungsrechtliche Schuldenbremse hätte Gültigkeit für die Verschwender in den Bundesländern (Wien, Niederösterreich, Kärnten als negative Beispiele an der Spitze) und Gemeinden. Denn nur eine solche Schuldenbremse würde die Kreditgeber beeindrucken. Denn nur eine Verfassungsbestimmung würde vor allem Rot und Schwarz selbst unter Druck setzen. Was ja alles im Interesse jeder Oppositionspartei liegen müsste.

Daher müsste natürlich auch das BZÖ über den Schatten springen, wenn es von Verantwortungsbewusstsein geprägt ist. Woran die Tatsache nichts ändert, dass die Regierung dem BZÖ die Zustimmung in provozierender Weise erschwert hat. Dass Blau wie Grün noch viel mehr schuld sind, ist aber wohl ebenfalls klar.

Auch die ÖVP ist nur scheinbar weniger schuld. Sie wäre zwar bereit gewesen, dem BZÖ Zugeständnisse zu machen. Sie hat auch besser als die SPÖ begriffen, wie entscheidend der Verfassungsrang der Bremse ist. Aber allem Anschein nach lässt sie sich jetzt wieder achselzuckend in die Koalitionsdisziplin zwingen.

Gewiss, die ÖVP hat keine Mehrheit im Parlament. Ebensowenig hat dort jeder echte Sparwille eine Mehrheit. Die ÖVP müsste aber im Nationalrat wenigstens für alle Anträge stimmen, die eine solche verfassungsrechtliche Schuldenbremse brächten. Auch wenn sie vom BZÖ kommen.

Das könnte von der SPÖ zwar als Koalitionsbruch denunziert werden. Aber wenn es um nationale Interessen, um die Stabilität des Staates geht, dann müsste eine solche Zustimmung jedenfalls Vorrang vor jedem Koalitionsabkommen haben. Zumindest könnte sich die ÖVP an den September 2008 erinnern, als die SPÖ wider die damaligen Koalitionsregeln mit populistischen Gesetzesanträgen (knapp vor dem Wahltag) Milliardenlöcher in die Staatsfinanzen gerissen hat. Lässt sich die Volkspartei jedoch wieder an die Leine der SPÖ nehmen, dann fördert sie nur die Fortsetzung der eigenen Destruktion. Ohne Nutzen für die Republik.

Und das alles passiert zur gleichen Zeit, da Italien das heftigste Sparpaket fixiert, das ja in einem unserer Nachbarländer beschlossen worden ist. Die Regierung Monti will, ganz ohne lange über eine Schuldenbremse zu debattieren, wirklich sparen: etwa durch eine rapide Erhöhung des Pensionsantrittsalters, durch höhere Steuern auf Jachten und Privatflugzeuge (damit auch Klassenkämpfer einen Grund zur Freude haben), durch eine höhere Immobiliensteuer (unpopulär, aber wirksam) und durch eine höhere Mehrwertsteuer (was als importdämpfende Lenkungsmaßnahme weit sinnvoller ist als die bei uns debattierte standortschädliche Erhöhung der Einkommensteuer für Besserverdienende).

Man darf in Italien übrigens auch mit Spannung beobachten, wieweit die Linksparteien dem Paket zustimmen werden, die ja so heftig über den Wechsel von Berlusconi zu Monti gejubelt haben. Zeigen sie sich wenigstens dort verantwortungsbewusst? Oder folgen sie wieder einmal dem populistischen Neinsage-Reflex der Gewerkschaften?

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SN-Kontroverse: Länger arbeiten?

02. Dezember 2011 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Müssen wir länger als bis 65 arbeiten?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Bitte keine Schlagzeilenreformen!

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Sollen, können und müssen werden im politischen Diskurs oft verwechselt. Müssen und sollen implizieren, dass den Menschen etwas aufgezwungen wird. Dann geht gar nichts mehr. Wenn zum Beispiel der Ex-Bauernbundchef Franz Grillitsch - ein geistiger Verwandter des deutschen Ex-Bundesbankers Thilo Sarrazin - anregt, dass jenen, die aus gesundheitlichen Gründen früher in Pension gehen der Führerschein entzogen werden soll, und ÖVP-Chef Michael Spindelegger diese These willigst apportiert, dann wird's schwierig. Weil in der Folge könnte man Leuten, die in Pension sind - ob zu früh oder spät ist dann schon egal - das Fahren mit den ÖBB, der „Westbahn", der U-Bahn oder den Öffis untersagen, weil die ja schließlich auch von Steuergeldern gebaut wurden bzw. erhalten werden. Schuldenbremsen und Triple A rechtfertigen eben nicht alle Maßnahmen. Dass eine differenzierte Anpassung des Pensionssystems nötig ist, wird kaum bestritten. Doch das Leben der „Ruheständler" kann sehr verschieden sein. Da gibt es Beamte, die mit 35 Dienstjahren (oft gegen ihren Willen) in Pension geschickt werden. Mit Golden Handshakes. Das darf die Finanzministerin ruhig dem Boss der Beamtengewerkschaft von den christlichen Gewerkschaftern weiterflüstern. Dieser könnte ihr dann zurückflüstern, dass es einen Unterschied macht, ob, in welchem körperlichen Zustand und ab wann der Müllmann, die Krankenpflegerin oder die Sektionschefin abgefertigt werden. Ganz zu schweigen von den Unterschieden in den einzelnen KV-Verträgen. So schaut's aus: Das Leben der „Ruheständlerinnen" und sogar der Frühpensionisten kann verdammt hart sein. Fakt ist, dass jene, die im Erwerbsleben wenig hatten, weil sie die „dreckigen" Jobs erledigt haben, oft früher krank werden und in der Pension kaum auf Rosen gebettet sind.


Ahnungslosigkeit oder Zynismus

 

Andreas Unterberger

Länger zu arbeiten ist keine Frage des Sollens oder Wollens mehr, sondern eine des Müssens. Nur für jene kleine Minderheit, die gern länger arbeiten möchte, aber durch steinzeitliche Pensionssysteme und Kollektivverträge (die ältere Mitarbeiter sehr teuer machen) daran gehindert wird, ist es eine Frage des Dürfens.

 Der frühe Pensionsantritt ist die größte Ursache staatlicher Defizite. Deren Finanzierung ist nur zu steigenden Wucherzinsen möglich. Wer glaubt, im Land mit der im Euroraum zweithöchsten Steuerquote noch irgendwo große Steuergeldquellen finden zu können, ist ein Träumer oder zynischer Gewerkschaftsideologe. Die Österreicher gehen im Schnitt(!) um mehr als vier Jahre früher in Pension als die von den Sozialisten einst als Vorbild gelobten Schweden. Dieser Pensionsantritt erfolgt heute auch um mehr als drei Jahre früher als 1970. Die Österreicher fangen gleichzeitig um mehr als vier Jahre später zu arbeiten an. Und sie leben seither um sechs Jahre länger. In diesem Land kann man zwar aus oft nicht beweisbaren psychischen Gründen (die seltsamerweise rapid zugenommen haben) zulasten der Allgemeinheit in eine gut wattierte Frühpension gehen, aber diese Gründe reichen nicht einmal aus, den Führerschein zu verlieren. Was die Lage noch schlimmer macht: Zugleich ist die Geburtenrate weggebrochen. Und der Glaube, diese Lücke mit Zuwanderern füllen zu können, hat sich als Irrglaube erwiesen. Gehen doch die Zuwanderer in viel geringerem Ausmaß als geborene Österreicher arbeiten (zu 65 statt 72 Prozent) und kommen sie doch viel öfter aus bildungsfernen Familien.
 
In Wahrheit ist jede Woche, in der wir das Pensionssystem nicht drastisch ändern, ein Verbrechen an der Zukunft und eine Weichenstellung Richtung Griechenland.

 

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Den Zaster her für Beamte und Politiker!

30. November 2011 01:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Claus Raidl weiß wie immer, wie man sich populär macht. Und ich habe wie immer geradezu masochistische Lust, mich unpopulär zu machen. Der Nationalbank-Präsident hat eine Nulllohnrunde für Beamte gefordert. Ich bin strikt dagegen. Und ich bin auch gegen die neuerliche Nulllohnrunde für Politiker. (mit nachträglicher Korrektur)

Warum denn das, werden nun manche erstaunt fragen? Ist der Unterberger neuerdings ein Beamten-, Politiker- oder gar Gewerkschaftsfetischist geworden? Ganz und gar nicht. Er hat weder als Politiker noch als Beamter jemals einen Cent verdient und er ist auch seit langem nicht mehr Gewerkschaftsmitglied (Zugegeben, das war er eine Zeitlang, als ihn seine Kollegen zum Betriebsrat gewählt hatten – bis er merkte, dass die Gewerkschaft nur in Ideologie macht, aber nichts für die Arbeitsplätze und Einkommen der Journalisten tut, vor allem nichts für die der jungen ohne Kollektivvertrag).

Um bei den Politikern anzufangen: Das Hauptargument, warum ich gegen den ständigen Nulllohn-Populismus bei den Politikergehältern bin, habe ich schon einmal in anderem Zusammenhang hier angeführt: If you pay peanuts, you get monkeys. Das einst von Jörg Haider entwickelte und von manchen Journalen begeistert fortgesetzte Politiker-Bashing ist zwar populär, aber es hat in den Jahren seit Haider genau zu dem Ergebnis geführt, welches uns jenes englische Sprichwort verspricht. Auch die diversen Haider-Erbschaftsparteien beweisen das.

Ich wäre sogar dafür, Politikern doppelt so hohe Gehälter zu zahlen, damit wir dafür im Gegenzug beispielsweise bessere Minister bekämen. Solche, die sinnvolle Politik betreiben und die das auch kommunizieren können.

Die Sicherheitsministerin im Bankräuberjargon

Um nur ein Beispiel zu nennen (und zwar wieder ein neues, das hier bisher noch kaum vorgekommen ist): Haben wir wirklich eine so grenzwertige Innenministerin wie Johanna Mikl-Leitner und ihre beispiellose Demagogie verdient? Ihr Spruch „Her mit der Marie, her mit dem Zaster!" wird wohl dauerhaft in die Geschichte der politischen Geschmacklosigkeiten eingehen. Tiefer geht’s nimmer. Kein Wunder, dass das Video von ihrem ÖAAB-Auftritt schon Failmann-artigen Kult-Status hat.

Damit sie nur ja Obfrau des ÖAAB wird, startete Mikl-Leitner mit solchen Bankräuber-Tönen eine Frontalattacke auf die Besserverdienenden. Dabei wären diese die mehr oder weniger letzte verbliebene Chancengruppe des ÖAAB, nachdem die konservativ motivierten ÖAAB-Sympathisanten ohnedies schon vertrieben worden sind (Stichworte Schwulenehe, Hymnenpfusch, Quoten-Genderismus, Anti-Grillitsch-Kampagne wegen Sarrazin-Einladung).

In mehrfacher Hinsicht erinnert Mikl-Leitner an ihren Vorvorvorgänger Ernst Strasser. Auch der stammt aus der intellektuell nicht gerade fordernden Schule Erwin Prölls (Originalzitat: "I bin wia a Briefmarkn, wanns feucht ist, bleib i pickn"). Und Strasser hat so wie Mikl-Leitner für diesen als Landesparteisekretär die dreckigste Schmutzarbeit gemacht. Auch Strasser hat als Innenminister so wie Mikl-Leitner zwar eine sinnvolle Maßnahme geschafft: Er hat Polizei und Gendarmerie fusioniert; sie hat die blöde Doppel- und Dreifachgleisigkeit Sicherheitsdirektion-Polizeikommandanten aufgelöst. Dafür gebührt zwar Applaus. Aber nach dieser einen einzigen Leistung sind beide ausgerastet und zur schweren Belastung für ihre Partei geworden.

Auch Mikl-Leitner lässt die Polizei wieder so verludern, wie das schon unter Strasser passiert ist. Man nehme nur einige aktuelle Beobachtungen über die Wiener Polizei: Die Polizisten vergnügen sich zwar seit einiger Zeit an allen Ecken der Stadt mit ihren neuen Spielzeugen. Also mit den Alkotestgeräten (unlängst durfte ich eines Abends binnen sieben Minuten auf einer kurzen Strecke gleich zweimal „blasen“) und ihren Radarpistolen (die am liebsten an solchen Stellen eingesetzt werden, wo seit vielen Jahren kein Unfall passiert ist). Beides sind bequeme Tätigkeiten, die weder intellektuelle noch körperliche Belastungen darstellen (Bei Regen treten die vermeintlichen Sicherheits-Schützer interessanterweise nie in Aktion). Beides aber macht die Stadt nicht wirklich sicherer. Streife gehen sieht man die Wiener Polizei hingegen nirgendwo, während dies etwa die New Yorker Polizei seit etlichen Jahren demonstrativ und mit Erfolg tut.

Und die Polizisten sind auch nicht an den Hotspots der Aggressivität zu sehen, wie etwa rund um den Wiener Schwedenplatz und andere U-Bahn-Stationen.

Als am vergangenen Samstag um 7 Uhr früh ein honoriger Wiener Bürger von einem Gewalttäter grundlos attackiert und schwer niedergeschlagen worden ist, dauerte es geschlagene 25 Minuten ab Anruf, bis die Polizei einzutreffen geruhte. Tatort: der Schnellbahnhof Matzleinsdorfer Platz. Offenbar für die Polizei ein total abseitiger Platz, wo noch nie etwas passiert ist. (Dieser Absatz wurde nachträglich korrigiert beziehungsweise präzisiert)

Damit genug von Mikl-Leitner und zurück zu den Politikergehältern. Wenn wir alle Politiker ihres Schlags losbekämen, wäre das schon etlichen "Zaster" wert.

Beamten-Nulllohnrunden sind dumm und ungerecht

Ähnliches gilt für die Beamten. Natürlich weiß ich, dass uns Jahre bevorstehen, in denen die Beamten froh sein werden, wenn ihre Gehälter nicht gekürzt werden. Aber dann wären es auch alle anderen. Es wäre dumm und ungerecht, wenn solche drastischen Maßnahmen wie Nichtabgeltung der Inflation einseitig nur die Beamten treffen, selbst wenn man mit gutem Grund sagen kann, eigentlich ist angesichts der Rezession jetzt schon ein solches Jahr erreicht.

Natürlich stimmt das Raidl-Argument, dass die Beamten einen sicheren Arbeitsplatz haben. Aber er vergisst: Einen sicheren monatlichen Bezug haben auch die Pensionisten. Bei denen besteht jedoch im Gegensatz zu den Beamten keine Gefahr einer Demotivation durch eine Nullrunde. Aber bei den Pensionisten wagen weder ein Raidl noch ein Minister, wie es etwa Claudia Schmied in Hinblick auf die Beamten tut, von Nullohnrunden zu reden. Der Pensionisten gibt es halt zu viele. Da verlässt einen dann der Mut.

Wenn Arbeitergewerkschaften (mit Zustimmung der Industriellen) über vier Prozent mehr an Lohn bekommen, dann wäre es noch aus einem weiteren Grund fatal, würden alle Beamten neuerlich deutlich schlechter oder gar mit Null abschneiden. Dann wird sich nämlich auch bei den Beamten das Monkey-Sprichwort immer stärker konkretisieren. Was wir bei jedem Behördengang, bei jeder behördlichen Maßnahmen bitter zu spüren bekommen.

Freilich sollte es bei der Lohnhöhe überhaupt um ganz etwas anderes als die Demonstration der gewerkschaftlichen Macht oder um das Gießkannenprinzip gehen. Im Grunde sollte es insbesonders bei den Beamten endlich darum gehen, dass auch dort die Regeln eines normalen Arbeitsmarktes Platz greifen dürfen. Das heißt erstens und vor allem: Bund wie Länder sollen sich genauso leicht (oder schwer) wie jeder andere Arbeitgeber von nicht mehr benötigten, von faulen, von überforderten Mitarbeitern trennen können. Die Beamten und Vertragsbediensteten  brauchen lediglich in den – relativ wenigen – parteipolitisch sensiblen Bereichen einen Schutz gegen Willkür.

Auch bei Beamten wirkt Angebot und Nachfrage

Die Prinzipien des normalen Arbeitsmarktes bedeuten aber auch: Wenn man zu wenige Mitarbeiter hat, muss man – ganz unabhängig von jeder gewerkschaftlichen Forderung – mehr zahlen, um welche zu bekommen. Und wir brauchen tatsächlich in den nächsten Jahren dringend vor allem Lehrer, da eine Massenpensionswelle ansteht. Und wir brauchen vor allem gute Lehrer angesichts einer immer schwieriger werdenden Schülergeneration. Das sind zwei gute Gründe für bessere Lehrereinstiegsgehälter.

Wenn man nicht sofort anfängt, junge Lehrer in der Konkurrenz zu vielen anderen Jobangeboten mit attraktiven Einstiegsgehältern zu ködern, wird es in den Schulen bald noch viel schlimmer ausschauen als heute. Dies gilt angesichts des Nachwuchsmangels auch dann, würden dort keine blödsinnigen Experimente wie die Ersetzung der Hauptschule durch die Neue Mittelschule stattfinden, wo dann völlig überflüssigerweise zwei Zeichen- oder zwei Musiklehrer gleichzeitig in der Klasse stehen. Dies gilt auch dann, würden die Ministerin und die sozialistischen Landesschulräte Lehramts-Absolventen nicht zwingen, in den umgemodelten und bei den jungen Damen und Herren Magister sehr unbeliebten Hauptschulen zu unterrichten. Beide ideologisch motivierten Maßnahmen machen den schon spürbaren Mangel an AHS- und insbesondere auch BHS-Lehrern zur echten Katastrophe. Auch wenn sie von einer Claudia Schmied noch weggeleugnet werden.

Also ist die Forderung so zwingend wie dringend: Ja zu höheren Einstiegsgehältern bei den Beamten. Genauso zwingend und dringend ist aber auch ein gleichzeitiges Ja zum weitgehenden Einfrieren der Ausstiegsgehälter – für deren Anstieg es absolut keinen Grund gibt – und zum Abbau des Kündigungsschutzes.

Das neue Dienstrecht kommt eh nie

Denn das ständige Warten auf das große neue Dienstrecht ist sinnlos. Das kommt nämlich nie. Der Bund hat kein Geld und die Gewerkschaft will jede Änderung verhindern, bei der sich jemand auch nur langfristig verschlechtert. Das wird nie zusammenpassen.

Um das zentrale Faktum zu nennen, das die Gewerkschaft nicht gerne hört: Es gibt überhaupt keinen Grund, jemandem nur für die Dauer seines Hierseins etwas zu zahlen. Es sei denn, man würde irgendwo Anzeichen sehen, dass Beamte und Vertragsbedienstete mit mehr Dienstjahren plötzlich mengenweise den Dienst quittieren. Dafür gibt es aber absolut Null Signale. Im Gegenteil: In vielen Bereichen wäre man heilfroh, die Mannschaft reduzieren zu können. Aber unser Gehaltsrecht zwingt den Steuerzahler dazu, auch jenen alljährlich - und zusätzlich allzweijährlich "biennial" - mehr zu zahlen, die gar niemand mehr braucht. Spürbar mehr Geld sollte es nur dann geben, wenn jemand mehr Verantwortung übernimmt oder nachweislich(!) besondere Leistung erbringt.

Da man aber eben die große Dienstrechtsreform ohnedies nie derheben wird, hätte man schon seit langem anfangen sollen, bei jeder neuen Gehaltsrunde ein paar Trippelschritte in die richtige Richtung zu machen. Höhere Gehälter als jetzt beim Einstieg, Gehaltssprünge bei Übernahme neuer Aufgaben, sonst aber weitgehende Konstanz. Das müsste zumindest die Strategie sein – wenn in dieser Regierung irgendjemand oder gar die Beamtenministerin eine Strategie hätte. Aber die redet nur populistisch davon, dass die kleinen Gehälter überproportional steigen sollen. Sie redet überhaupt nicht davon, dass die Gehälter jener besonders wichtig sind, die wir brauchen und an denen ein Mangel besteht. aber nur das wäre klug und ist jedenfalls nowendig, auch wenn das besserverdienende Beamte sind. Aber eines der genetischen Defizite von Sozialisten ist halt, dass sie die Wirkung von Angebot und Nachfrage nicht begreifen können. Diese Wirkung besteht immer, auch wenn man sie verbietet.

Was würde der Fekter-Plan bedeuten?

Last not least: Was halte ich vom Fekter-Vorschlag für die Junglehrer: „Sechs Stunden mehr arbeiten, aber nur für vier Stunden mehr bezahlt werden“? Das geht an sich durchaus in eine interessante Richtung. Denn einerseits scheint das den kommenden Lehrermangel zu reduzieren. Andererseits machen viele  Uni-Absolventen, von denen wir für unsere Kinder ja nicht gerade die schlechtesten in den Schulen haben wollen, ihre Berufswahl in hohem Ausmaß von der Gehaltshöhe des ersten Arbeitsjahres abhängig.

Insbesondere tun das nach allen mir bekannten Studien vor allem die jungen Männer. Es wäre gar nicht so schlecht, wenn wir wieder mehr Männer in die Schulklassen und Gerichtssäle bekämen. Selbst wenn es ganz sicher nicht politisch korrekt ist, ist es doch wahr: Weder der Justiz noch der Schule tut es gut, wenn sie unter dem (nicht ganz unberechtigten) Anschein der Halbtagstätigkeit primär von Frauen als Arbeitsplatz gesucht werden.

Freilich: So etwas wie das „Sechs Stunden mehr“ im Alleingang diktieren zu wollen, spricht nicht unbedingt für das politische Fingerspitzengefühl der sonst durchaus geschätzten Maria Fekter. Vor allem ist eines mehr als fraglich: Bedeuten 30 Prozent mehr Arbeits- und Unterrichtszeit nicht doch eine Überforderung vor allem der jungen Lehrer (auch wenn man die Gesamtarbeitszeit-Berechnungen, wo Lehrer selbst unkontrolliert ihre Arbeitszeiten aufgeschrieben haben, nur als Scherz ansieht)? Und bedeutet eine solche Überforderung nicht doch einen weiteren Niveauverlust an den Schulen? Gibt es für diese Ideen irgendwelche seriöse Studien als Motiv oder nur das Loch in der Kassa?

Und da war doch noch etwas. Haben wir nicht jahrelang davon geredet, dass wir irgendetwas an den Schulen verbessern sollten? Jetzt wollen oder müssen wir statt dessen halt wieder nur etwas einsparen. Zwei Schritte vor, zwei zurück.

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Und jetzt das Elfmeterschießen im letzten Gefecht der Schulden-Junkies

26. November 2011 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie sind süchtig nach unserem Steuergeld wie ein Junkie aus der Wiener U-Bahn nach neuem Stoff. Und sie arbeiten mit jedem Trick, um nur ja nicht sparen zu müssen. Das zeigt sich rund um die Groteske namens Schuldenbremse mit erschreckender Deutlichkeit.

Ich habe mehrfach zu dieser Idee eine klare Ansicht vertreten: Wenn man endlich wirklich sparen wollte, bräuchte man keine langwierig zu beschließende Schuldenbremse. Man könnte und sollte schon morgen mit dem Sparen beginnen. Von der Abschaffung der Hacklerpension über den Verkauf des rollenden ÖBB-Materials bis zur Drittelung aller Subventionen undundund. Das ist seit drei Wochen dringender denn je, da nun auch Österreich mit täglich höheren Zinsforderungen als Zeichen seiner schwindenden Kreditwürdigkeit konfrontiert ist. Niemand borgt mehr gerne und unbesehen einem europäischen Staat sein Geld – nicht einmal mehr den Deutschen.

Inzwischen aber muss ich meine Meinung korrigieren – oder zumindest präzisieren. Wenn sich die Regierungsparteien nun schon öffentlich, also vor den Ohren aller Geldgeber, auf die Einführung einer Schuldenbremse festgelegt haben, wäre es ein absoluter Wahnsinn, diese nicht auch zu beschließen. Und zwar im Verfassungsrang. Alles andere wie ein einfaches Gesetz wäre nur ein verfrühter, aber teurer Aprilscherz. Ein einfaches Gesetz könnte mit jedem neuen Ausgabengesetz wieder ausgehebelt werden. Und es hätte vor allem keinerlei Wirksamkeit für die besonders ausgabenwütigen Bundesländer.

Inzwischen aber ziert sich die Opposition wie ein trotziger Pubertierender, die Stimmen für die nötige Verfassungsmehrheit herzugeben. Die FPÖ, die lange nach dieser Bremse gerufen hatte, will plötzlich nur zustimmen, wenn sich Österreich de facto aus der EU hinausschießt und bei den Stützungskrediten nicht mehr mitmacht. Natürlich sind diese Kredite für Griechenland&Co ein Fehler, aber solange Deutschland dafür ist, bleibt Österreich nichts anderes über, als auch mitzumachen. Es wäre schon viel getan, würde auch nur ein österreichischer Politiker wieder mit Gewicht und Sachverstand in den europäischen Debatten mitreden können. Aber der findet sich weder in der Regierung noch in der Opposition.

Auch die Grünen haben sich selbst aus der Schuldenbrems-Aktion hinausgeschossen. Sie wollen ja keine Sekunde lang sparen (wie etwa unlängst auch ein unglaublich peinliches Interview ihrer Wiener Spitzenfrau demonstriert hat). Sie wollen vielmehr ständig nur noch höhere Steuern, als ob Österreich nicht schon das zweithöchste Steuerniveau unter den Euro-Ländern hätte.

Genau aus diesem Grund ist auch die Forderung des BZÖ für seine Zustimmung durchaus vernünftig (was aus dieser Partei angesichts ihrer sonstigen Untaten noch lange keine sonderlich überzeugende Partei des Ordnungsliberalismus macht). Das BZÖ fordert konkrete Sanktionen für die Verletzung der vorerst rein theoretischen Schuldenbrems-Bestimmungen. Und es will ein Limit für die Abgabenquote einziehen.

Das ist legitim: Denn damit wäre es zwar möglich, beispielsweise höhere Grund- oder Energiesteuern einzuführen, aber gleichzeitig müssten die Einkommenssteuern gesenkt werden.

Ein Limit für die Abgabenquote aber wollen wiederum viele in der SPÖ nicht. Denn dort hassen in Wahrheit die meisten ebenso wie die Grünen jedes Sparen. Sie glauben immer noch an die ominösen Reichen, die sie genüsslich schröpfen könnten.

Dabei ist längst klar: Die meisten Steuererhöhungspläne würden wegen der dadurch vermehrten Steuerflucht und -umgehung kein Plus in die Staatskasse bringen. Das gilt auch für die nun ventilierten Pläne einer höheren Einkommensteuer für „Superreiche“, also für jene Menschen, die mehr als 300.000 Euro (laut SPÖ) oder 500.000 Euro (laut dem linken ÖVP-Flügel) im Jahr verdienen. Zu jenen wenigen Menschen, die überhaupt so viel verdienen, zählen vor allem Künstler und Manager. Gerade diese aber haben es meist in der Hand, den eigenen Wohnsitz oder den Sitz des Unternehmens in andere Länder mit niedrigeren Steuern zu verlegen. Was letztlich nur ein Netto-Minus in der Steuerkasse zurücklässt.

Entlarvend für die Einstellung in der SPÖ ist das totale Njet des ÖGB: Er fürchtet, dass eine Schuldenbremse zu Kürzungen im Sozialsystem führen könnte. In der Tat: Die Schuldenbremse könnte nicht nur zu solchen Kürzungen führen, sondern sie muss sogar dazu führen, wenn sie auch funktionieren soll. Was die Gewerkschafter aber immer noch nicht begreifen: Wenn Österreich nicht noch in diesem Winter freiwillig eine Schuldenbremse SAMT ganz konkreten tiefgreifenden Sparmaßnahmen beschließt, werden ihm in Kürze von außen noch viel drastischere Kürzungen vorgeschrieben werden. So wie Griechenland oder Italien.

Damit aber sind wir wieder im Kern der Koalition angekommen, die diese Bremse anfangs so einträchtig angekündigt hat. Traut sich Werner Faymann trotz des Gewerkschaftswiderstandes eine solche verfassungsrechtliche Schuldenbremse SAMT konkreten Umsetzungen zu beschließen? Das wäre nun freilich das erste Mal, dass der Mann irgendetwas gegen Widerstände durchkämpft. Dass er gar dem von ihm immer besonders hofierten Gewerkschaftsbund eine andere Meinung entgegensetzt. Dass er etwas tut, was nicht nur von Populismus und Opportunismus trieft. Dass er seinem Amt in irgendeiner Weise gerecht würde.

Ob er intelligent genug ist zu erkennen, dass alles andere eine noch viel größere Katastrophe auslösen wird?

Fällt aber Faymann erwartungsgemäß wieder einmal um, dann kommt es zur großen Bewährungsprobe des Michael Spindelegger. Auch dieser hat sich ja bisher in keiner Weise durch Konfliktfähigkeit und Standfestigkeit ausgezeichnet. Aber ÖVP-intern gilt die Schuldenbremse als Reifeprüfung für den jungen Parteiobmann.

Die grenznaiven Christgewerkschafter mit ihrem die christliche Soziallehre fehlinterpretierenden Neokommunismus hat er ja noch relativ leicht austricksen können. Aber wird er es in seiner jovialen Konsenssehnsucht auch wagen, im Parlament notfalls ohne Faymann-Segen die (von der Regierung ja schon beschlossene) Schuldenbremse abstimmen zu lassen? Und zwar im Verfassungsrang SAMT konkreten Umsetzungsmaßnahmen. Das würde zwar möglicherweise mit einer Niederlage enden. Aber damit wäre dann endgültig klar, wo die Schuld an den Dingen liegt, die in Bälde auf Österreich zukommen werden.

Es ist eine Stimmung wie in den Minuten vor dem entscheidenden Elfmeterschießen eines großen Finales.

 

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Die Abwahl von Regierungen macht nur kurze Freude

22. November 2011 00:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Nach Spanien am vergangenen Sonntag in ein paar Tagen wohl auch Slowenien: Sozialdemokratische Regierungen werden reihenweise aus dem Amt gefegt. Das bedeutet zwar ein Ende der Verirrungen, die Europa als Spätfolge der zerstörerischen 68er Ideologie erfasst haben. Was bedeutet das aber jenseits aller nationalen Besonderheiten für die gesamteuropäische Krise?

Das signalisiert primär einen allgemeinen Frust der Wähler angesichts der nicht bewältigten und auch nicht bewältigbaren Euro-Krise. Es bedeutet damit fast automatisch eine Absage an jeden, der in einem Euro-Land regiert. Demnächst werden ja wohl auch einige jener Regierungen stürzen, die rechts der Mitte stehen, wie etwa die französische.

Die österreichische Linksrechts-Koalition hat zwar noch bis 2013 mit den nächsten Wahlen Zeit. Das bisweilen in Zeitungen aufflackernde Gerede von vorzeitigen Neuwahlen ist nicht wirklich ernst zu nehmen. Aber dann werden Rot und Schwarz wahrscheinlich Mühe haben, gemeinsam noch einmal die 50 Prozent zu erreichen. Das sind wohlgemerkt zwei Parteien, die gemeinsam bis in die 80er Jahre 90 Prozent hatten und auch in der Folge noch lange die Zweidrittelmehrheit.

Nur: Die Alternativen sind rar, wenn man die europaweiten Trends zu analysieren versucht: Viele Wähler wenden sich insbesondere frustriert dem Lager der Nichtwähler zu. Womit sie freilich nur eines erreichen: dass die Stimmen aller anderen noch gewichtiger werden. Profitieren können Linksaußenparteien – freilich auf niedrigem Niveau – und insbesondere Parteien mit einem starken nationalen beziehungsweise fremdenfeindlichen Akzent. Die spanischen Wahlsieger sind ja sehr durch den spanischen Nationalismus geprägt, der sich gegen die „Anderen“ im eigenen Staat richtet, die halb oder ganz weg von Madrids Oberhoheit wollen, wie vor allem Basken und Katalanen.

Gewiss gibt es auch einige Erfolge liberale Ordnungsideen, insbesondere in Nicht Euro-Ländern: Siehe Polen, Skandinavien, Baltikum und nicht zuletzt Großbritannien. Im wichtigsten Land Europas hat die FDP aber inzwischen schon wieder jeden Kredit für seriöse Ordnungspolitik verspielt – wohl auch wegen ihrer mangelnder Ernsthaftigkeit – und damit die nächste Linkswende schon vorbereitet.

Man kommt zwar in Europa zunehmend zur Erkenntnis, dass die sozialdemokratische Wohlfahrtsstaats-Illusion die Hauptursache der Schuldenkrise ist. Die gigantischen Fehlinvestitionen vor allem der sozialistischen Ära in Spanien – an denen auch die sinnlose Freigiebigkeit der diversen EU-Struktur- und Kohäsionsfonds für jenes Land gehörig Mitschuld trägt – haben zwar ein kurzes Konjunktur-Strohfeuer entzünden können. Sie haben aber langfristig unzählige Bauruinen hinterlassen samt noch gewaltigeren Schulden. Ansonsten blieb vom Sozialismus in Spanien eine moralische Wüste mit zahllosen feministischen und schwulen Verirrungen.

Von der langfristig tödlichen Wohlfahrtsstaats-Illusion sind viele andere Gruppierungen nicht verschont geblieben. Auch die meisten Konservativen und Christdemokraten haben sich im Lauf der letzten Jahrzehnte voll mit dieser „progressiven“ Krankheit infiziert. Und bei den fremdenfeindlichen Parteien fehlen – neben ihren legitimen migrationsskeptischen Ansätzen – die sozial- und wirtschaftspolitischen Konzepte meist ganz. Oder diese Parteien sind sozialistischer als die Sozialdemokraten, sie ersetzen lediglich die internationalistische Rhetorik durch eine nationalistische.

Freilich: So sehr man den Parteien den Vorwurf machen muss, dass sie mit ihrer fast durchwegs sozialdemokatisch-keynesianischen Schuldenpolitik die Krise verursacht haben, so wenig kann man ihnen heute die Tatsache zum Vorwurf machen, dass sie keine Ahnung haben, wie Europa schnell aus der Krise zu führen ist.

Denn zunehmend setzt sich zumindest bei ehrlichen Analysen die Erkenntnis durch: Es gibt gar keinen schmerzfreien Ausweg mehr. Dazu ist es viel zu spät. Die Länder Europas müssen jetzt in einer viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte langen Periode der Askese die Rechnungen für die letzten 40 Jahre zahlen, in denen die Staatsschulden so sehr zugenommen haben, in denen es sich die Menschen gut gehen haben lassen.

Wer jetzt behauptet, ein funktionierendes Rezept zu haben, der lügt. Die Schuldenkatastrophe ist weder durch die Rückkehr zu den alten Währungen noch durch die Teilung des Euro in zwei Blöcke noch durch Eurobonds-Tricksereien mehr geordnet lösbar. Selbst die eine Zeitlang forcierte „Hebelung“ durch die Aufnahme von Billionen-Krediten funktioniert nicht mehr: China&Co denken aus Eigeninteresse gar nicht daran, Europa Geld zu schenken, pardon: „borgen“.

Europas Staaten stehen praktisch allesamt vor der grauslichen Alternative: Zahlungsunfähigkeit oder Entsorgung der Schulden via Megainflation. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es zur Inflation kommen, also zu einer Entschuldung der Staaten zu Lasten all jener, die etwas gespart, die auf irgendein Pensionssystem (staatlicher oder privater Natur) vertraut oder die Lebensversicherungen abgeschlossen haben. Aber auf dem Weg der Inflation ersparen sich Politik und Bürokratie den Offenbarungseid, dass die Staatsgehälter nicht bezahlt werden können. Selbst die europäische Zentralbank ist ja schon längst von jenen übernommen, die sich im Zweifel für die Inflation entscheiden. Gegen ihren eindeutigen Auftrag.

Man wird wohl schon über eines froh sein müssen: Wenn es in diesen Krisenjahren gelingt, den Rechtsstaat samt den wichtigsten Bürgerrechten (soweit diese nach den gutmenschlichen Zerstörungsaktionen noch vorhanden sind) zu retten; wenn es gelingt, den Weg in die Diktatur zu vermeiden. Die durch Deutschland ziehenden neonazistischen Mörderbanden machen freilich deutlich, wie nahe der totale Absturz schon ist.

 

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Wie Gewerkschafter halt so denken - und Rinnen erst recht

20. November 2011 00:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Kaum gibt es erste Andeutungen, dass über die Anhebung des Frauen-Pensionsalters auch nur nachgedacht werden könnte, erheben sich die Gewerkschaftsfrauen wie ein Mann, pardon wie eine Frau. Mit einer gar köstlichen Begründung.

Dieses ungleiche Pensionsalter ist ja in Zeiten, da die Kreditwürdigkeit des Landes jeden Tag abnimmt, eine gefährliche Skurrilität geworden. Erst 2033 sollen ja nach der geltenden Verfassungslage Frauen so wie Männer mit 65 in Rente gehen können. Ganz abgesehen einmal von den vielen „sozialen“ Errungenschaften auf Schulden, über die ja Menschen ohnedies auch noch vor dem gesetzlichen Pensionsalter reihenweise viel früher in Pension gehen. Wie die Hacklerpension, eine Erfindung des angeblich wirtschaftsliberalen BZÖ. Oder wie die Invaliditätspension, in die man neuerdings besonders häufig unter Vorschützen angeblicher psychischer Erkrankungen geht (oder glaubt jemand, dass diese binnen kurzem wirklich so dramatisch zugenommen haben?).

Ein gegenüber den Männern um volle fünf Jahre niedrigeres Frauenpensionsalter gibt es ja nur noch in fünf EU-Ländern, darunter so berühmten wie Griechenland oder Italien. Aber selbst dort wird der allgemeine Pensionsantritt nun auf 67 Jahre erhöht.

Aber zurück zur Begründung der ÖGB-Frauen, warum sie eine Angleichung vehement bekämpfen. Obwohl selbst der dem ÖGB ja nicht gerade ferne Sozialminister sanft davon gesprochen hat, dass man doch nachdenken müsse, weil sich ja in den letzten Jahrzehnten die Lebenserwartung signifikant erhöht hat. Erstens erklärte ÖGB-Frauenchefin Brigitte Ruprecht: „Für viele Frauen würde es keine finanziellen Vorteile bringen.“ Ein erstaunliches Argument, das die völlig verquere ÖGB-Logik zeigt: Sparmaßnahmen sind offensichtlich nur dann erlaubt, wenn es jedem einzelnen Vorteile bringt. Oder zumindest „jeder einzelnen“.

Noch skurriler ist ihr zweites Argument, warum die Pensionsaltersangleichung nicht gehe: Die Einkommensschere klaffe nach wie vor zwischen Männer und Frauen auseinander. Das ist nun gar köstlich: Denn ein Hauptgrund, warum diese Einkommenschere statistisch scheinbar auseinanderklafft, ist ja eben das ungleiche Pensionsantrittsalter. Wenn Frauen in jenen Jahren schon in Pension sind, da man nach den meisten Gehaltsordnungen am besten verdient, dann verringert sich naturgemäß das statistische Durchschnittsgehalt.

Eine wunderbare Zirkelargumentation: Das Pensionsalter kann wegen der Einkommenschere nicht angeglichen werden. Die Einkommenschere kann sich wegen des ungleichen Pensionsalters nicht schließen.

Das ist eben Logik nach ÖGB-Art. Diese ist dort aber auch bei den Männern sehr verbreitet. Sagte doch soeben der (zum Glück bald abtretende) Eisenbahnerboss Haberzettl im Parlament, dass die Pensionsprivilegien der Eisenbahner ja Schuld von Schwarz-Blau seien. Na dann, schaffen wir sie doch sofort ab – oder?

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AAAA: Jetzt ist die Bremse da

15. November 2011 10:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt hat also die Regierung die Schuldenbremse im Ministerrat beschlossen. Da werden die Ratingagenturen natürlich so beeindruckt sein, dass sie der Republik sofort ein viertes A spendieren. (Mit einer nachträglichen Ergänzung)

Sie werden übersehen, dass es vom Ministerrat bis in die Verfassung noch ein weiter Weg ist, für den es beispielsweise noch die Zustimmung einer weiteren Partei braucht.

Sie werden übersehen, dass Österreichs allergrößte Schuldensorgenkinder, die Bundesländer und Gemeinden noch keineswegs zugestimmt haben, dass auch sie von einer solchen Bremse erfasst werden.

Sie werden übersehen, dass nicht etwa schon heuer oder im Budget für 2012 gespart werden soll, sondern irgendwann. Sie werden übersehen, dass mit diesem Beschluss des Ministerrats erst beschlossen worden ist, dass das Parlament beschließen soll, dass die Regierung später einmal bei Einbringung des Budgets eine Reduktion des Defizits beschließen soll, die dann auch das Parlament beschließen soll.

Sie werden übersehen, dass keine harte unmittelbare Konsequenz droht, wenn diese Schuldenbremsen-Regel nicht eingehalten wird. Sie werden übersehen, dass der Chef dieser Regierung dieselben Blasen voll heißer Luft wie seit drei Jahren absetzt, wenn es darum geht, wo wirklich gespart werden soll.

Sie werden übersehen, dass uns die Politik schon seit langem Verwaltungsreformen verspricht.

Sie werden voll überzeugt sein, dass mit mehr „Rehabilitation“ die Österreicher plötzlich um Jahre später in Pension gehen werden.

Die Ratingagenturen werden übersehen, dass die Regierung Failmann sie für ganz blöd hält.

Nachträgliche Ergänzung: Kaum habe ich diesen Kommentar zu dem Schuldenbremsen-Beschluss des Ministerrats ins Netz gestellt, stoße ich auf einen weiteren Beschluss desselben Ministerrates, der zeigt, dass diese Regierung es absolut noch immer nicht ernst meint: Die Regierung hat auf Vorschlag des Wirtschaftskammerministers Mitterlehner die Verlängerung der sogenannten Vergabegrenzen bis zumindest Ende 2012 beschlossen. Und dieser Beschluss gilt auch sofort, ist also nicht ein bloßer Beschluss, dass man vielleicht einmal etwas zu beschließen beschließen wird. Das heißt: Jede Behörde ist bei ihren Einkäufen bis zu einem Betrag von 100.000 Euro frei von einer Ausschreibung, kann sie mit freier Hand vergeben. Bis zur Regierung Faymann war diese Grenze hingegen 40.000 Euro. Vergabeverfahren haben aber nur einen einzigen Zweck: Möglichst auszuschließen, dass irgendwelche Freunde oder Bestecher zu einem erhöhten Preis zum Zug kommen, wenn ein Beamter oder Politiker oder eine Bundesfirma von unserem Geld etwas einkauft. Das soll ja schon vorgekommen sein.Das heißt also: Diese Regierung verschleudert weiter bewusst und mutwillig Steuergeld im Interesse jener Freunde, Bestecher und Bestochenen. Und diese Regierung soll noch jemand ernst nehmen . . .

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Adriasand in Europas Augen

13. November 2011 02:48 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Und wieder sind alle Europäer erleichtert. Italien hat nun in allen Kammern ein Sparpaket beschlossen und bekommt demnächst einen neuen Premier. Unklar ist nur noch eine Kleinigkeit: Hält die Erleichterung zwei Tage oder gar zwei Wochen?

Denn das Paket ist nett, aber alles andere als die Rettung des Landes. Trotzdem soll man zuerst einmal festhalten, dass viele der Detailbeschlüsse des Sparpakets lobenswert und notwendig sind. Dieses Lob gilt etwa für die Erhöhung des allgemeinen Pensionseintrittsalters von 65 auf 67 Jahre. Bevor man aber vor den Italienern den Hut allzu tief zieht, sollte man auch das Kleingedruckte lesen: Denn erst 2026 soll es soweit sein. Nur keine germanische Hast.

Ansonsten finden sich in dem Paket einige weitere durchaus anerkennenswerte Dinge wie Privatisierungen von Tochterunternehmen der Gemeinden (E-Werke, Wasserwerke, Verkehrsbetriebe usw.) oder der Verkauf von staatlichen Grundstücken und Gebäuden. Ferner sollen öffentliche Arbeitgeber künftig Mitarbeiter leichter an andere Stellen versetzen dürfen. Wohlgemerkt aber: Nichts von dem ist mit dem Gesetzesbeschluss schon Realität. Es ist nur ermöglicht worden. Und am Weg zur Realität lauern noch viele italienische Konfusionen.

Der Rest des Sparpakets sind einige Steuererleichterungen etwa für Firmen, die Lehrlinge aufnehmen oder die sich an Straßenbauprojekten beteiligen. Doch halt, irgendetwas ist auch da missverstanden worden: Eigentlich vergrößern Steuererleichterungen ja zumindest aufs erste Defizite, statt sie zu verkleinern. Sie sind also vorerst das Gegenteil eines Sparpakets.

Was aber vor allem den von Italien so sehr ersehnten Investoren weiterhin die meisten Hoffnungen nehmen wird: Nicht verwirklicht wurden alle tatsächlich wirksamen, jedoch schmerzhaften Maßnahmen. Dies gilt insbesondere für den von den Gewerkschaften abgelehnten Vorschlag einer Aufhebung des landesweit geltenden Verbots, Mitarbeiter zu kündigen.

 

Womit klar ist, dass italiensche Arbeitgeber weiterhin zehnmal nachdenken werden, bevor sie auch nur einen einzigen neuen Mitarbeiter anstellen. Womit die Jugendarbeitslosigkeitszahlen weiterhin zu hoch und die Sozialversicherungs- und Lohnsteuereinnahmen weiterhin zu niedrig bleiben werden. Womit wieder bewiesen ist, dass Italien noch sehr weit weg von einer echten Wende zu neuer wirtschaftlicher Dynamik ist. Womit weiterhin das Wort „Krise“ die zentrale Überschrift Italiens bleiben wird.

PS.: An den positiven Elementen des Italienpakets sollte sich im übrigen auch Österreich ein Vorbild nehmen. Aber hierzulande erhöht man wegen des tapferen Kampfes der Feministinnen gegen das Patriarchat das Frauenpensionsalter gar erst im Jahr 2033, und dann bloß auf 65 Jahre und nicht auf 67, wie es nun immer mehr europäische Länder schon getan haben. Auch Vorschläge, Betriebe der Gemeinde Wien zu privatisieren, lösen bei der SPÖ zehnmal empörtere Emotionen aus als Berichte über Massenvergewaltigungen in städtischen Kinderheimen. In Österreich werden daher selbst so relativ harmlosen Maßnahmen wie in Italien wohl erst dann stattfinden, wenn einmal auch in Wien ein Regierungschef sitzt, der von der EU und nicht den Wählern nominiert worden ist.

 

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Wieviele der Lebensjahre arbeiten die Österreicher?

04. November 2011 19:29 | Autor: Andreas Unterberger

Durchschnittliche Anzahl der Jahre inner- und außerhalb einer Beschäftigung 1970 und 2010

 

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Wie entwickelt sich der Schuldenstand ohne Reformen?

02. November 2011 13:52 | Autor: Andreas Unterberger

Entwicklung des Schuldenstandes in Prozent des BIP ohne strukturelle Veränderungen

 

Quelle: "Quo vadis, Austria?", Industriellenvereinigung

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Schulen, Reformen, Irrwege

02. November 2011 12:12 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wer weiß nicht über die Schule zu jammern? Ob es um eigene Erfahrungen geht oder die der Nachfahren oder die eines Arbeitgebers: Jammern über die Schule ist rundum in – und vielfach berechtigt. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass Österreich die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit hat, dass also der Arbeitsmarkt mit Schulabgängern mehr anfangen kann als irgendwo sonst. Ob das nun die Absolventen einer AHS mit ihrem Akzent auf Sprachen und Kultur sind, ob es um die Berufsbildenden Schulen mit ihrer Mischung aus Allgemeinbildung und technischer, kaufmännischer oder landwirtschaftlicher Spezialisierung geht, oder um das erfolgreiche Mischsystem Hauptschule-Berufsschule-Lehre: Auf keinem dieser Wege landen Schüler in einer Sackgasse.

Dennoch hat sich die Leistung der Schulen als Folge irregeleiteter Reformen und gesellschaftlicher Umbrüche signifikant reduziert. So wurden die Unterrichtsstunden reduziert, der Samstagunterricht abgeschafft und Energie- sowie Herbstferien eingeführt. So wurde es zum Leitprinzip erhoben, dass Schule vor allem „Spaß“ machen müsse, und dass Anstrengungen und Disziplin altmodisch seien. So erhöhte sich ständig der Druck auf die Lehrer, nur wenige negative Noten zu geben. So schreiben etliche Volksschulen schon automatisch lauter Einser ins Zeugnis. So wurden aus Zeugnissen Bescheide, gegen die Juristen gefinkelte Rechtsmittel ergreifen. So wurde der lernintensive Frontalunterricht durch „Projekte“ und „Gruppenarbeit“ ersetzt, worunter viele Schüler nur die Chance verstehen, sich geistig zu absentieren. So wurde jedes Auswendiglernen verpönt. So wurden Kopfrechnen und Rechtschreibung als überflüssige Turnübungen abgetan, weil das ohnedies der Computer alles könne.

Kein Wunder, dass das alles die Qualität vieler Schulen dramatisch verschlechtert hat. Das tut aber auch die gewachsene Bildungs- und Leistungsfeindlichkeit der Gesellschaft. Diese zeigt sich besonders stark in Medien, insbesondere in dem eigentlich zu öffentlich-rechtlicher Qualität verpflichteten ORF. Diese zeigt sich auch darin, dass niemand mehr von „Elite“ zu reden wagt.

Aber auch die Situation in den Familien hat sich total verändert: Doppelte Berufstätigkeit der Eltern und Alleinerzieher-Konstruktionen haben jenes Modell abgelöst, wo sich jahrelang ein Elternteil – meist die Mutter – liebevoll und hauptberuflich um den Nachwuchs gekümmert hat. Nur sehr naive oder sehr ideologisierte Menschen können glauben, dass dieser Umbruch keine Auswirkungen auf die geistige Entwicklung der Kinder hat.

Dennoch setzt die Politik das Zerstörungswerk fort. Soeben beschloss sie den endgültigen Tod der Hauptschule, die auf dem Land bis heute eine ganz ausgezeichnete Erziehung geboten hat. Die mit ihrem ersten und zweiten Klassenzug deutlich bessere Ergebnisse als alle bisherigen Gesamtschulexperimente erzielt.

Dennoch wollen besonders verbissene Gesellschaftszerstörer mit Hilfe vieler Boulevardmedien nun auch die achtjährigen Gymnasien durch eine zwangsweise Einheitsschule bis 15 ersetzen. Obwohl jede Menge Gründe dagegen sprechen:

1.     In sämtlichen Lebensbereichen von der Natur über die Kultur bis zur Wirtschaft ist Vielfalt erfolgreicher als erzwungene Gleichschaltung.

2.     Deutschland bietet als einziges Land echte Vergleichsmöglichkeiten; es hat unter sonst gleichen Rahmenbedingungen Bundesländer mit Gesamtschulen und solche mit einem System der Vielfalt (also auch achtjährigen Gymnasien). Dort sind die Länder der schulischen Vielfalt wie Bayern oder Baden-Württemberg weit voraus: der Qualitätsunterschied beträgt im Schnitt ein volles Schuljahr. Im weit zurückliegenden Berlin hingegen sind die Schulen durch 23 Reformen kaputtgemacht worden.

3.     Die Pisa-Tests zeigen, dass Schüler mit 14 geistig um bis zu drei volle Schuljahre auseinanderliegen. Wer solche Schüler in die gleiche Klasse zwingt, tut beiden Unrecht, den guten wie den schwachen.

4.     Das Unterrichtsministerium verbietet die Veröffentlichung aller Vergleichstests, nur um zu verschleiern, dass Gymnasien und ländliche Hauptschulen allen Gesamtschulvarianten weit überlegen sind.

5.     Dabei bekommen diese „Neuen Mittelschulen“ gesetzwidrig pro Schüler weit mehr finanzielle und personelle Ressourcen als andere Schulen.

6.     Gesamtschulländer wie Spanien und Italien produzieren zwar alljährlich 80 Prozent Maturanten, haben aber eine 40-prozentige Jugendarbeitslosigkeit.

7.     Finnland, das beim Pisa-Test erfolgreichste Land der EU, hat zwar ein Gesamtschulsystem; es ist aber vor allem deshalb erfolgreich, weil es im Gegensatz zu Österreich Leistung und Disziplin in den Schulen konsequent durchzieht, weil dort Lehrer gezielt ausgewählt werden, und weil Finnland nur 2 Prozent Zuwanderer hat, Österreich hingegen 19. Und die kommen in Finnland primär aus Estland oder Russland, also bildungsorientierten und nicht Drittwelt-Regionen.

8.     Der Spruch „Die Bildungsentscheidung solle erst mit 14 fallen“ zeugt von pädagogischer Ahnungslosigkeit. In Wahrheit sind schon mit dem vierten Lebensjahr die meisten Prägungen eines Kindes in hohem Ausmaß erfolgt.

9.     Führende Pädagogik-Professoren wie Hopmann, Heitger oder Neumann sind gegen die Gesamtschule.

10.                      Und last not least ist die Einführung von Gesamtschulen ein schwerer Schlag gegen den Mittelstand. Dieser fand bisher für seine Kinder noch überall halbwegs gute staatliche Gymnasien. In Gesamtschulländern wie England oder Amerika hingegen übersiedeln – genauer: flüchten viele Familien dorthin, wo es die letzten guten Schulen gibt. Oder sie schicken die Kinder in teure Privatschulen. Wie sich das bei uns die Gesamtschul-begeisterten Industriellen und Politiker immer schon problemlos geleistet haben.

Die Schule braucht Reformen, aber sicher nicht die Gesamtschule des Hannes Androsch, der schon als Erfinder der massiven Staatsverschuldung in die Geschichte eingegangen ist.

(Einen ähnlichen Beitrag zu diesem Thema habe ich auch für die „Raiffeisenzeitung“, Österreichs größte Wirtschaftswochenzeitung, geschrieben.)

 

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Sinn und Unsinn: Das neue Dienstrecht

31. Oktober 2011 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hoseck hat ein neues Dienstrecht konzipiert. Darin findet sich neben den bei ihr erwartbaren Unsinnigkeiten auch wenigstens ein überraschend guter Gedanke. Heutzutage ist man über einen solchen aus der Regierung ja schon ganz dankbar, auch wenn man nur mit halben Mitteln halbe Ziele ansteuert.

Richter und Staatsanwälte sollen diesem Vorschlag zufolge ermutigt werden, eine Zeitlang in der Privatwirtschaft Praktika zu absolvieren, sei es in der Ausbildungsphase oder auch später. Dahinter steckt eine absolut richtige Erkenntnis: Verfahren und Gerichtsurteile werden wirklichkeitsnäher, wenn die Akteure eine bessere Ahnung vom Leben draußen haben. Menschen hingegen, die ihr ganzes Leben zuerst nur Schulklassen beziehungsweise Hörsäle, und dann nur Amtsstuben kennengelernt haben, sind absolut ahnungslos von den Lebensbedingungen jener Bürger, über die sie zu urteilen haben. Ganz abgesehen davon, dass diese Bürger die Gehälter von Richtern und anderen Staatsdienern überhaupt erst erwirtschaften müssen.

Mäkeln wir nicht allzusehr herum, dass das nur eine freiwillige Sache ist. Es ist im Prinzip immer richtig, zuerst einmal Erfahrung mit neuen Modellen zu sammeln, zu evaluieren und diskutieren (das hätte man übrigens unbedingt auch bei der Einführung der „Neuen Mittelschule tun sollen). Freilich bin ich sehr sicher, dass solche „Praktika“ den Juristen sehr guttun werden. Die Gefahr ist nur, dass sich die Privatwirtschaft dann die besten herausangelt. Andererseits sind die Gehälter gerade in der Justiz so hoch und die Posten zugleich lebenslänglich abgesichert, dass die meisten doch den sicheren Staatsdienst vorziehen werden.

Was mehr schmerzt, ist, dass solche Ideen nur für die Justiz vorgelegt werden – vermutlich kommen sie auch aus dem dafür zuständigen Ministerium. Mindestens genauso dringlich wären sie aber auch für Lehrer und alle jene Beamten, die Bescheide ausstellen. Überall dort täte mehr Lebensnähe dringend not.

Vor allem aber vermisst man finanzielle Angebote für diese doppelt qualifizierten Menschen. Warum hat der Staatsdienst fein säuberlich durchkonstruierte Gehaltsschemata für Akademiker und Nichtakademiker (zu denen jetzt auch noch eines für die Bachelors als Mittelkategorie kommen soll!), nicht jedoch Anreize für jene Menschen, die mehr vom Leben gelernt haben, als man jemals in einem Hörsaal von Professoren lernt, die meist selbst wiederum nie in der wirklichen Welt aktiv waren?

Der Rest der Heinisch-Hoseck-Ideen ist freilich so dumm, dass die lobenswerte Teilöffnung Richtung Privatwirtschaft wieder einmal mehr als konterkariert wird. So soll nun sogar schon eine verpflichtende 50-prozentige Frauenquote für jede einzelne Verwendungsgruppe im Staatsdienst kommen. Damit verabschiedet sich der öffentliche Dienst noch weiter vom Leistungsprinzip. Damit haben in vielen Beamtenbereichen Männer auf Jahrzehnte überhaupt keine Karriere-Chance, Frauen hingegen eine garantierte. Nur halten die Männer zu all diesen Diskriminierungen noch immer den Mund. Was immer rätselhafter wird.

Etwas seltsam, wenn auch nicht ganz so gravierend ist der Wegfall der Bestimmung, dass Polizisten eine gewisse Körpergröße haben müssen: Bisher waren bei Männern 1,68 Meter, bei Frauen 1,63 vorgeschrieben. Was ist daran eigentlich so übel? Weiß man denn nicht, dass die Menschen in den letzten Jahrzehnten ohnedies um rund 10 Zentimeter größer geworden sind? Ist es nicht so, dass größere Menschen einem Randalierer gegenüber schon durch ihre Ausmaße eine einschüchternde und damit auch gewaltfrei beruhigende Wirkung haben? Welche Gleichberechtigungs-Mini-Selbsthilfegruppe hat sich denn da wieder wichtig gemacht?

Und mehr als fragwürdig ist es auch, dass man künftig auch Polizist werden kann, wenn man schon älter als 30 ist. Haben wir nicht im Gegenteil das Problem, dass man nicht mehr weiß, was man mit zu vielen älteren Polizisten anfängt?

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Euro-Krise: Das Ende des „Austro-Keynesianismus“

30. Oktober 2011 03:42 | Autor: Michael Hörl
Rubrik: Gastkommentar

Jahrzehntelang rechtfertigte man Europas Schuldensucht, um den Lebensstandard zu subventionieren, als „keynesianisch“. Die nach dem britischen Ökonomen John Maynard Keynes benannte Denkrichtung erkannte in der Depression der 1930er Jahre die zu geringe „gesamtwirtschaftliche Nachfrage“. Die Staaten sollten sich deshalb kurzfristig verschulden und mit Staatsaufträgen in die Bresche springen.

War die Konjunktur dann angesprungen, waren die Kredite zu tilgen. Als Lehrbeispiel gilt hier der Hoover-Damm – so die hehre Theorie. Zur Anwendung gelangte in Europa allerdings nur die österreichische Variante, der so genannte „Austro-Keynesianismus“: Kurz vor Wahlen verspricht man neue Sozialleistungen, Pensionserhöhungen und Aufträge für die Staatswirtschaft – nach der Wahl erhöht man Steuern und nimmt neue Schulden auf, ohne die alten aber je zu tilgen.

EU-Schuldenwahnsinn: Eine Tilgung war nie vorgesehen

1971 versprach Kreisky den Österreichern eine Heiratsbeihilfe von sagenhaften 15.000 Schilling, wenn man ihn zum Kanzler machte. Nach der Wahl nahm man dafür Kredite auf, um das Wahlversprechen zu erfüllen. Für eine zehnjährige Anleihe, die man 1972 aufnahm, musste man bis 1982 jährlich fünf Prozent an Zinsen zahlen. 1982 hätte sie getilgt werden müssen.

Hätte. Stattdessen nahm man eine neue Anleihe auf und zahlte damit die alte zurück. Für die neue Anleihe zahlte man nun bis 1992 weitere zehn Jahre wieder jährlich Zinsen. So war es 2002 und so wird es auch 2012 nicht anders sein. Im Jahr 2072 hätte man – bloß für den einen Wahlsieg aus dem Jahre 1972 – 100 Jahre lang jährlich ca. fünf Prozent Zinsen bezahlt. In 100 Jahren 500 Prozent. Und die Schulden bestünden immer noch.

Neue Schulden für den Wahlsieg

Von 1981 an stellte die griechische PASOK-Partei nach jeder Wahl 50.000 neue Staatsdiener mit drei-Jahres-Zeitverträgen an, um ihnen für den Fall des nächsten Wahlsieges die Pragmatisierung zu versprechen. Eine „keynesianische Investition in die Infrastruktur“ nennt die Politik solch Stimmenkauf auf Pump. Jeder vierte Grieche arbeitet heute beim Staat, je nach Schätzung sollte man auch mit vierzig Prozent weniger gut auskommen können.

Einmal versprach man (vor Wahlen) Busfahrern, die pünktlich zur Arbeit kämen, 310 Euro und Eisenbahnern, die sich die Hände wuschen, eine Prämie von 420 Euro monatlich. Nach den Wahlen nahm man dafür dann neue Schulden auf. 200 Millionen Euro Umsatz macht die griechische Eisenbahn, dafür braucht sie jährlich 1.000 Millionen Subventionen auf Pump. Zurückgezahlt wird nicht.

Frankreichs Sozialisten versprachen 1997 eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden. Babyprämien als Wahlgeschenk gab es von Labour (2.500 Euro), den spanischen Genossen (3.500 Euro) und der SPÖ (10.000 Schilling). Putin erhöhte am Wahlvortag die Kleinpensionen um 25 Prozent, um vier Milliarden Euro wird alleine dadurch die Verschuldung Russlands jährlich wachsen.

Europas subventionierter Lebensstandard

Politiker, die sich ab den 70ern dem Schuldenmonopoly verweigerten, die bezichtigt man „sozialer Kälte“. Doch hatte man im Party-Rausch der letzten 40 Jahren einige unschöne Details der Schuldenökonomie übersehen: Die neuen Sozialleistungen hatten im Jahr ihrer Einführung stets die Preise angetrieben, an realer Kaufkraft war immer weniger geblieben als erhofft. Die teils exzessiven Neuverschuldungen der Staaten trieben auch die Kreditzinsen für Private in die Höhe. Die investierten damit entsprechend weniger.

Das Bürgertum wurde von mächtigen Staatsapparaten ausgebremst, volkswirtschaftlich nennt man dies „Crowding Out“. Die Staatskredite waren für Europas Sozial-Politiker ein allzu leicht verdientes Geld. Offiziell flossen sie in (volkswirtschaftlich fragliche) Großprojekte wie Eisenbahntunnels, tatsächlich subventionierte man (in Österreich) das Leben von 250.000 Eisenbahner (-pensionisten).

Unter dem Mäntelchen des Keynesianismus bezahlte man auch die Defizite von Kreiskys Planwirtschaft. Damit erhielt man aber zweitklassige Produkte künstlich am Leben und verhinderte das Wachstum international konkurrenzfähiger Produkte.

Fazit: Österreich blieb lange Jahre in der zweiten Reihe.

Europas ungezügelte Subventionitis

Europas Schuldenberg ist heute außer Rand und Band. Ein Wohlfahrtsstaat hat das BIP zwar künstlich aufgebläht, geringe Reallöhne zeugen jedoch von seinen hohen Kosten. Längst übersteigen die Zinsbelastungen für die Wahlsiege von gestern Österreichs Schulbudgets von heute. Europas Bauern, Eisenbahner, Rentner (und sogar Firmen) sind heute Subventionsempfänger.

Wer besser leben will, der schreit heute nach Staatszuschuss und nicht nach Leistung. Nun sitzt das Staatsgeld heute bekanntermaßen aber nicht mehr so locker wie in der guten alten Zeit und so orten so manche Antragsteller eine Verschwörung von Banken, Spekulanten oder Ratingagenturen. Doch haben die genannten Bösewichte keinen Cent von unseren Schulden aufgenommen. Das waren alles wir Europäer selber.

Außer einem Schuldenfiasko und einer zornigen Jugend wird von Europas „Austro-Keynesianismus“ nicht viel übrigbleiben. Doch hat es den Schuldenkollaps gebraucht, um ein neues Geschäftsmodell für Europas Politik zu entwerfen. Vielleicht ist dies der Startschuss für das Entstehen einer liberalen Zivilgesellschaft. Ähnlich der der Schweiz. Dort wählen die Bürger traditionell die Politiker, die ihnen vor Wahlen am wenigsten versprechen.

MMag. Michael Hörl ist Wirtschaftspublizist und Autor des ersten „Globalisierungskritik-kritischen“ Buches in Europa: „Die Finanzkrise und die Gier der kleinen Leute“.

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Wie viele Schulden haben ausgegliederte Unternehmen?

27. Oktober 2011 12:32 | Autor: Andreas Unterberger

Verbindlichkeiten ausgegliederter Unternehmen in Prozent des BIP im März 2011

 

Quelle: "Quo vadis Austria?" Industriellenvereinigung

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Wie sehr belasten die Zinsen das Budget?

27. Oktober 2011 12:25 | Autor: Andreas Unterberger

Primärüberschüsse Österreichs in Prozent des BIP seit 1970

 

 

Primärüberschüsse: Budgetsaldi abzüglich der Zinszahlungen

Quelle: "Quo vadis Austria?" Industriellenvereinigung

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Unsere niedlichen Landeshauptleute halten sich eine Bundesregierung

22. Oktober 2011 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sind sie nicht süß unsere Landeshauptleute, samt ihrem untergeordneten Amt namens Bundesregierung? Sie haben sich großzügigerweise zu einer ersten Minietappe der Verwaltungsreform bereit erklärt, nämlich der Einführung von Landesverwaltungsgerichtshöfen. Difficile est satiram non scribere, würden dazu freilich die alten Römer sagen.

Denn die Landeshauptleute genehmigten diese „Reform“ nur, nachdem die Bundesregierung untertänig zugesagt hat, ihnen dafür nicht weniger als 20 Millionen Euro zu bezahlen. Jährlich.

Noch ein paar solche „Verwaltungsreformen“ und wir sind endgültig kaputt – pardon, ich meine „saniert“ nach Art einer Regierung Faymann. Der sogenannte Chef dieser Regierung erkühnt sich dennoch, davon zu brabbeln, dass diese „Reform“ Kosten spare. „Auf Sicht“ halt, wie der offenbar sehr weitsichtige Mann in seiner bekannt präzisen Ausdrucksweise einräumen muss.

Und gleich noch eine weitere Reform war wieder einmal Thema zwischen Landes- und Bundesregierung: die Transparenzdatenbank. Diese soll nach neuesten Beschlüssen nicht erst 2017, sondern schon 2014 alle Transfers und Subventionen auflisten, die in Österreich so im Laufe des Jahres von unseren Steuergeldern ausbezahlt werden. Was? Schon 2014? Das setzt ja ein so scharfes Tempo voraus, das zweifellos ein dickes Strafmandat wegen politischer Geschwindigkeitsüberschreitung einbringen wird.

Aber schon hat der gewichtigste Landeshauptmann beide Hände an der Handbremse: Am Datenschutz dürfe man sich dabei aber nicht „vorbeischwindeln“, brummt Michael Häupl. Das heißt mit anderen Worten: Menschen und Institutionen, die von uns viel Geld bekommen (ist doch Österreich Subventionseuropameister!), sollen nach Häupls Verlangen geheim bleiben. Geheim ist aber bekanntlich genau das Gegenteil von „Transparenz“. Woraus klar wird: In Wien wird so viel Steuergeld in so skandalöser Weise verschoben, dass die Rathaus-Genossen alles tun müssen, um das weiter geheim zu halten. So wie sie halt auch jahrzehntelang die Verbrechen in Wiener Kinderheimen geheimgehalten haben.

Aber wir jubeln ja alle immer, wenn die Politik ihre Sauereien und Betrügereien mit „Datenschutz“ verteidigt und bemäntelt.

 

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Die Neuregelung der Antiterrorismusgesetzgebung

19. Oktober 2011 12:29 | Autor: Bürgerinitiative Österreich
Rubrik: Gastkommentar

Die Regierungsparteien haben sich am 22. September 2011 auf ein „Antiterrorismuspaket“ geeinigt, das die Bekämpfung des Terrorismus und die Befugnisse der Polizei in ihm regeln soll [1]. Der Gesetzblock soll die Bekämpfung des Terrorismus erleichtern und damit einen besseren Schutz für die Bevölkerung bieten. Der Schutz der Sicherheit der Bürger ist eine der Kernaufgaben des Staates. Auch wenn man als Liberaler den Standpunkt vertritt, es solle so wenig wie möglich gesetzliche Regelungen geben, rechtfertigt diese außer Frage stehende Kernaufgabe des Staates die Verbesserung des Schutzes der Bürger durch eine solche gesetzliche Regelung. Andererseits muss es Anliegen jedes freiheitsliebenden Bürgers sein, eine missbräuchliche Anwendung der geplanten Gesetze gegen Personen zu verhindern, die der Regierung und den Behörden suspekt sind.

Daraus leitet sich die Notwendigkeit einer genauen Definition des Begriffes „Terrorismus“ ab, die bisher national und international unterblieben ist. Der Text des Gesetzesvorschlages definiert im §278b (1) [2] terroristische Vereinigungen mit der Planung und Durchführung terroristischer Straftaten. Diese werden in §278c (1) des bisherigen Strafgesetzbuches [3] als Straftaten wie Mord, Erpressung usw. unter den besonderen Merkmalen „wenn die Tat geeignet ist, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, und mit dem Vorsatz begangen wird, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören“ definiert. Im Absatz 3 werden Taten, die auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten ausgerichtet sind, ausgenommen. Damit sind aber Sezessionskriege, wie die im ehemaligen Jugoslawien als Terrorismus zu werten. Die Definition ist also noch immer zu breit ausgelegt, wie es der Fall der militanten Tierschützer nachweist.

Ob dabei die Absicht dahintersteht, den Personenkreis, der unter diesen Maßnahmenkatalog fallen soll, möglichst breit zu halten, soll hier nicht näher erörtert werden. Jedenfalls regt sich gerade in liberalen Kreisen Widerstand gegen allzu strikte Regelungen, die aber andererseits dem eigenen Schutz dienen sollen. Dieser Widerstand sollte weniger dem Inhalt der Maßnahmen gelten, sondern der möglichen Breite der Anwendung. Eine präzise Definition des Begriffes „Terrorismus“ könnte also die Wirksamkeit des Gesetzespaketes auf den wirklich gefährlichen Teil des kriminellen Spektrums konzentrieren, daher auch entsprechend schärfere und damit wirkungsvollere Maßnahmen einschließen.

Diese Definition wäre also der Schlüssel zur gezielten und wirkungsvollen Bekämpfung aller Kräfte, die ihre politischen, religiösen und ethnischen Ziele durch massive Gewaltanwendung umsetzen wollen. Ohne diese Definition laufen alle Gruppierungen und Ethnien, die ihre Zielsetzungen lediglich mit außerparlamentarischen Mitteln anstreben, Gefahr, unter die verschärften Gesetzesbestimmungen zu fallen, wie es erst unlängst den militanten Tierschützern ergangen ist.

Die Islamistischen Djihaddisten erklären offen, sie befänden sich in einem heiligen Krieg gegen den Westen und seine Kultur. Nach den im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Definitionen kann man den bewaffneten Kampf der Islamistischen „Gotteskrieger“ durchaus als Krieg einschätzen [4]. Es soll daher hier versucht werden, aus dem Kriegsvölkerrecht eine Definition für Terrorismus abzuleiten, die anschließend auf Allgemeingültigkeit auch außerhalb kriegerischen Geschehens überprüft werden soll.

Das Kriegsvölkerrecht kennt Kombattanten und solche Kämpfer, die nicht unterscheidbar von Zivilpersonen kämpfen, ihre Waffen nicht offen, oder sogar die Uniform des Kriegsgegners tragen. Letztere Kampfweise wird in Österreich meist als „Verdeckter Kampf“ bezeichnet. Die so kämpfenden Kräfte verlieren dabei den Schutz des Kriegsvölkerrechtes. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal soll hier das von der jeweiligen Konfliktpartei vornehmlich bekämpfte Ziel eingeführt werden: Solche Parteien können vornehmlich die Streit- und Sicherheitskräfte, also Kombattanten und ihre materiellen Ressourcen bekämpfen oder aber Teile der Zivilbevölkerung beziehungsweise ihre Gesamtheit.

Daraus ergeben sich folgende Kombinationen:

  1. Kampf von Kombattanten gegen Kombattanten. Dies stellt die traditionelle Form des Krieges dar, in dem Streit- und Sicherheitskräfte oder auch uniformierte paramilitärische Verbände zum Schutz und im Interesse der von ihnen vertretenen Ethnien oder anderer Gruppierungen gegeneinander kämpfen.
  2. Kampf von verdeckt kämpfenden Kräften gegen Kombattanten und umgekehrt. Landläufig als „Partisanenkampf“ bezeichnet, ist diese Kampfweise in den letzten Jahrzehnten auf Seiten der verdeckt Kämpfenden besonders dadurch gekennzeichnet, dass sie sich innerhalb der Bevölkerung verstecken und damit der feindlichen Waffenwirkung entziehen versuchen. Dabei werden Opfer in der eigenen Zivilbevölkerung in Kauf genommen, als Mittel der Propaganda ausgeschlachtet, und in vielen Fällen bewusst herbeigeführt. Der Schutz der Bevölkerung als Kernaufgabe der Streit- und Sicherheitskräfte wird in das genaue Gegenteil, nämlich die Schutzschildfunktion der Zivilbevölkerung gegenüber den bewaffneten Kräften verkehrt.
  3. Verdeckter Kampf vorwiegend gegen die Zivilbevölkerung einer anderen Ethnie, Staats- oder Religionszugehörigkeit.
  4. Kampf von Kombattanten vorwiegend gegen die Zivilbevölkerung. Als Beispiel sei hier der gegen die Bevölkerungszentren des Feindes geführte Bombenkrieg angeführt.

Diese Fälle sollen hier ohne jede moralische Wertung im Hinblick auf die dabei auftretende Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung analysiert werden:

In den Fällen 1 und 2 ist das gezielte Herbeiführen von Verlusten in der Zivilbevölkerung des Gegners für die Konfliktparteien meist taktisch nachteilig, weil es den Kampfwillen des Gegners eher fördert als schwächt. So haben Kräfte der Deutschen Wehrmacht im 2.Weltkrieg an der Front gegen die Rote Armee wegen des durch diese in den von ihr besetzten Räumen an den Tag gelegte Verhalten gegenüber der deutschen Zivilbevölkerung wesentlich nachhaltiger gekämpft, als an der Westfront. Militärische Kommandanten werden also in der Regel gegen Kriegsverbrechen durch die von ihnen geführten Kräfte durchaus aus taktischen, wenn schon nicht aus moralischen Gründen entschieden vorgehen. Verluste in der gegnerischen Zivilbevölkerung werden zwar in Kauf genommen, wenn damit eigene Verluste vermindert werden können, aber nicht maximiert, wenn die Kommandanten einigermaßen rational führen.

Die Fälle 3 und 4 werden nur angewandt, wenn die Wirkung gegen die Zivilbevölkerung einen taktischen/operativen/strategischen Vorteil für die eigene Seite bringt. Der Krieg fordert aber immer die Maximierung des eigenen Vorteils, sonst ist er nicht zu gewinnen. Also werden in diesen Fällen die Verluste der gegnerischen Zivilbevölkerung immer zu maximieren sein, wie der Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung im 2.Weltkrieg nachweist, der schlussendlich in zwei Atombombenabwürfen gegen Städte ohne jede militärische Bedeutung gipfelte, die dann auch zur endgültigen Erreichung der strategischen Zielsetzung führten. Damit ist der Satz von Clausewitz, der Krieg tendiere immer zur maximalen Gewaltanwendung, klar nachgewiesen, wobei nochmals darauf hinzuweisen ist, dass diese Maximierung in Richtung des eigenen Vorteils zu erfolgen hat, also nur dann gegen die Zivilbevölkerung wirksam wird, wenn deren Reduzierung der eigenen Partei Vorteile bringt oder zu bringen scheint.

Der Fall 3 mit der offensichtlichen Absicht der Maximierung der Verluste unter der Zivilbevölkerung ist eindeutig den Djihaddisten aber auch der japanischen AUM-Sekte oder den italienischen Brigate Rosse zuzuordnen; die verübten Anschläge richteten sich fast ausschließlich gegen besondere Ansammlungen von Zivilpersonen und zielten ganz offensichtlich auf maximale Verluste unter ihnen ab. In den durch reguläre Streitkräfte oder zumindest durch Untergrundkräfte in Kombattantenstatus ausgefochtenen Kriegen der letzten Dezennien wurden Opfer unter der gegnerischen Zivilbevölkerung in der Regel in Kauf genommen, kaum jemals absichtlich herbeigeführt und schon gar nicht maximiert.

Daraus leitet sich eine mögliche Definition für den Begriff Terrorismus ab: Terrorismus liegt vor, wenn verdeckt kämpfende Gruppierungen vorwiegend die Zivilbevölkerung angreifen und dabei der Versuch evident wird, die Verluste unter dieser zu maximieren.

Diese Definition setzt keinen Krieg voraus, eine ethnische oder religiöse Gruppierung könnte ohne formales Vorliegen eines Kriegszustandes, bei Vorliegen aller Kriterien als Terroristen eingestuft und bekämpft werden - die Definition erscheint also allgemeingültig. Einzelpersonen fallen nicht unter diese Definition. Im eigenen Land hätte diese Bekämpfung vorwiegend durch Polizeikräfte reaktiv, also prinzipiell erst nach Setzen einer kriminellen Handlung, die die maximale Gewaltanwendung nachweisen kann, und damit defensiv und zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung unter minimaler Gewaltanwendung, im Ausland nach Vorliegen einer völkerrechtlichen Rechtfertigung offensiv mit Streitkräften unter Vermeidung unnötiger Verluste der dortigen Zivilbevölkerung, aber unter Vorrang der Vermeidung eigener Verluste zu geschehen.

Unter dieser Definition könnten islamistische Djihaddisten genauso bekämpft werden, wie Sekten nach dem Muster der AUM, oder besonders radikale politische Gruppierungen, nicht jedoch Gruppierungen oder Einzelpersonen, die nach Ansicht der politischen Eliten dem Staat und ihrer Rolle in ihm lediglich in außerparlamentarischer Form gefährlich werden könnten. Sie schränkt den Kreis der unter diesem Titel zu bekämpfenden Gruppierungen und Personen auf den potentiell gefährlichsten Teil des kriminellen Spektrums ein, kann und soll daher ein entsprechendes „Waffenarsenal“ zugeordnet bekommen, um der Bevölkerung wirkungsvollen Schutz zu bieten.

Gesetzliche Einschränkung der freien Meinungsäußerung, wie sie der §283 der Gesetzesvorlage vorsieht, fallen keineswegs unter diese Kategorie, weil die Strafandrohung sich weder nach der bisherigen, noch nach der hier vorgeschlagenen Definition auf terroristische Gruppierungen beschränkt, sondern viel breiter greift. Unter dem Titel Bekämpfung des Terrorismus darf nur die Werbung für einen Eintritt in eine Organisation, die nachweislich den verdeckten Kampf unter Maximierung ziviler Opfer propagiert, der Eintritt selbst, die Finanzierung und alle Straftaten innerhalb einer derartigen Organisation unter Strafandrohung gestellt werden. Dieser Paragraph und alle übrigen der Vorlage, die Taten von Einzelpersonen oder Gruppierungen betreffen, die nicht der Definition entsprechen, wären jedenfalls in der Gesetzesvorlage zu streichen. Die bisherigen einschlägigen Gesetze gegen Verleumdung, Üble Nachrede und die diversen Anstiftungen zu Straftaten müssen ausreichen. Außerhalb des Terrorismus hat sich die aus diesen Straftaten resultierende Bedrohung der Gesellschaft nicht substanziell verändert.

Wieweit es notwendig ist, die Befugnisse der Sicherheitskräfte für den Kampf gegen solche Organisationen gesetzlich zu erweitern, wäre noch zu hinterfragen. Eine mögliche Erweiterung hätte sich jedenfalls auf Gruppierungen zu beschränken, die im dringenden Verdacht stehen, der angeführten Definition für Terrorismus zu genügen.

 

[1] Siehe hiezu Die Presse vom 21.9.

[2] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_00674/fname_184141.pdf

[3] http://www.internet4jurists.at/gesetze/bg_stgb01.htm#%C2%A7_275.

[4] Die Bundeszentrale für Politische Bildung in Deutschland definiert zum Beispiel: „Krieg bezeichnet einen organisierten, mit Waffen gewaltsam ausgetragenen Konflikt zwischen Staaten bzw. zwischen sozialen Gruppen der Bevölkerung eines Staates“ (http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=GV0OHL).

 

Details zur Bürgerinitiative Österreich finden Sie unter www.buergerinitiative-oesterreich.at
(oder kurz www.biö.at)

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Demokratiebefund 2011

11. Oktober 2011 23:42 | Autor: Heinrich Neisser und andere
Rubrik: Gastkommentar

Die „Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform“ hat einen umfassenden Demokratiebericht vorgestellt. Um ihn den Lesern des Tagebuchs zur Diskussion zu stellen, keineswegs aus Identifikation mit all seinen Folgerungen, wird er hier in voller Länge präsentiert.

An der Erstellung des Demokratiebefundes 2011 der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform haben mitgewirkt: Gerd Bacher, Kurt Bergmann, Alexander Christiani, Hubert Feichtlbauer, Herwig Hösele, Michael Neider, Heinrich Neisser, Theo Öhlinger, Klaus Poier und Günter Voith.

Wir danken dem OGM-Institut, insbesondere Wolfgang Bachmayer und Karin Cvrtila für ihre Unterstützung.

Weiters danken wir David Campbell für die wissenschaftliche Beratung bei der Erstellung des empirischen Demokratiebefundes.

Die Rahmenbedingungen der österreichischen Demokratie nach 1945

Es war eine große historische Stunde, als am 27. April 1945 – wenige Tage vor dem formellen Ende der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges – die Parteiobmänner von drei politischen Parteien die Urkunde unterzeichneten, in der die Wiederherstellung des unabhängigen Österreich proklamiert wurde. Dieses Bekenntnis zum neu erstandenen Österreich machte die besondere Verantwortung der politischen Parteien für den Wiederaufbau und die Stabilität der Zweiten Republik sichtbar. ÖVP und SPÖ haben als Koalitionspartner einer Regierung in den ersten 20 Jahren der wiedererstandenen Republik eine historische Leistung vollbracht. Sie haben aber gleichzeitig auch die Erstarrung und die Innovationsunfähigkeit erkennen lassen, zu der ein Machtkartell zweier Großparteien führen kann.

Die Entwicklung der Zweiten Republik vollzog sich auf der Grundlage einer Verfassungsordnung, die im Jahr 1920 geschaffen und in zahllosen Änderungsschritten weiterentwickelt wurde, die jedoch bis heute keine substantielle Modernisierung erfuhr. Alle Versuche, eine großangelegte Verfassungs- oder Staatsreform herbeizuführen, blieben erfolglos.

Die österreichische Demokratie der Zweiten Republik gewährleistete bisher einen relativen hohen Grad an Stabilität des politischen Systems, sie verschließt sich allerdings den Herausforderungen, die die großen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen Jahre für Österreich gebracht haben. Die Rahmenbedingungen dieser Demokratie sind änderungs- und erneuerungsbedürftig.

Österreich ist ein Parteienstaat. Diese immer wieder artikulierte Feststellung hat demokratiepolitisch eine zweifache Relevanz. Zum einen sind politische Parteien wesentliche Träger des politischen Gestaltungswillens in einer Demokratie und haben demgemäß eine unverzichtbare Aufgabe. Zum anderen kritisiert man mit dieser Aussage die Allmacht politischer Parteien, die diese in Staat und Gesellschaft ausüben. Eine zeitgemäße Demokratiereform hat daher bei der Erneuerung der politischen Parteien als wichtige Akteure in der Demokratie deren Grenzen und Verantwortung klar zu stellen. Politik darf für Parteifunktionäre kein Selbstbedienungsladen sein, sondern muss eine auf das gesamte Wohl der Gesellschaft ausgerichtete Tätigkeit sein.

Die politische Landschaft Österreichs des Jahres 2011 entspricht nicht dem Bild einer lebendigen Demokratie. Sie ist geprägt durch eine Regierung, deren Koalitionsverständnis offensichtlich darin besteht, sich gegenseitig zu blockieren und den wichtigen zukunftsweisenden Fragen aus dem Weg zu gehen. Die politischen Parteien, deren Aufgabe es wäre, der repräsentativen Demokratie kompetentes und engagiertes Personal zur Verfügung zu stellen, haben ein System unerträglicher Mittelmäßigkeit gefördert. Die politischen Machtträger fühlen sich offensichtlich nicht mehr für verantwortungsvolle Leistungen zuständig, sondern haben in einem bisher nie gekannten Ausmaß persönlicher Bereicherung zu einem enormen Vertrauensverlust geführt. Die Bürgerschaft des Landes wendet sich von der Politik ab und resigniert. Sie ist zunehmend mit exzessiven populistischen Verhaltensweisen konfrontiert.

Auf dem Prüfstand einer demokratiepolitischen Erneuerung steht vor allem das System der repräsentativen Demokratie. Die Kernfragen sind:

Gewährleistet unser System die Auswahl geeigneter Repräsentanten? Welchen Einfluss hat die politische mündige Bürgerschaft auf die Auswahl ihrer Vertretung?

Was sind die Kriterien der Verantwortung, und zwar der politischen und der rechtlichen Verantwortung, die für die Beurteilung politischer Tätigkeit maßgeblich sind?

Alle diese Fragen führen zwangsläufig zu einer Reform des Wahlrechtes. Im Konkreten bedeutet dies die Lockerung des starren Listen-Wahlsystems, das den politischen Parteien die ausschließliche Macht gibt, zu bestimmen, wer unsere Demokratie repräsentiert. Eine Personalisierung des Wahlrechtes würde auch zu einer längst fälligen Aufwertung des Parlamentes führen, nämlich zu einer Volksvertretung, deren Mitglieder sich nicht nur als Exekutive eines Parteiwillens verstehen.

Die zunehmende Kritik an den unzureichenden Strukturen der repräsentativen Demokratie hat auch die Instrumente der unmittelbaren Demokratie, das heißt einer Politikgestaltungsmöglichkeit der Bürgerschaft auch außerhalb des Wahltages, in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. In Österreich findet Bürgerpartizipation teilweise auf Landesebene, vor allem aber auf Gemeindeebene eine praktische Anwendung. Auf Bundesebene wird zwar die Republik als repräsentative Demokratie mit plebiszitären Komponenten beschrieben, doch ist die praktische Bedeutung dieser plebiszitären Komponenten gering. Lediglich Volksbegehren treten hin und wieder in Erscheinung (bisher insgesamt 34), Volksabstimmungen sind eine Ausnahme und Volksbefragungen, ein durchaus geeignetes Instrument eines Stimmungsbarometers in grundsatzpolitischen Fragen, wurden bisher überhaupt nicht angewendet. Ein Hauptproblem liegt offensichtlich auch darin, dass der Zustand der direkten Demokratie fest in den Händen der Repräsentanten ist. Volksabstimmungen und Volksbefragungen können nur mit Willen der Regierung bzw. des Parlamentes zum Einsatz kommen. Es wäre an der Zeit, dem Volk Initiativen zu ermöglichen, um die Instrumente der direkten Demokratie zur Anwendung zu bringen.

Partizipation besitzt aber auch zunehmend eine transnationale Ebene, das macht die Teilnahme am europäischen Integrationsprozess sichtbar. Der Fortschritt der europäischen Einigung muss von den Völkern der Mitgliedsstaaten legitimiert werden. Die im Vertrag von Lissabon vorgesehene Europäische Bürgerinitiative ist nur ein erster Schritt einer plebiszitären Demokratie der Europäischen Union. Sie muss durch europäische Volksbefragungen auf nationaler Ebene ergänzt werden.

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger erwarten von der Politik ein Handeln, durch das die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Die österreichische Grundhaltung, Reformen von oben, das heißt von den staatlichen Institutionen und Parteien zu erwarten, ist nicht ausreichend. Es gilt vielmehr die Chancen zu nützen, die die Zivilgesellschaft zur Erneuerung des demokratischen Lebens bietet. Unsere Hoffnung sind alle Bürgerinnen und Bürger, die sich aus einer echten demokratischen Verantwortung heraus um die Zukunft Sorgen machen und bereit sind, einen aktiven Beitrag für eine lebendige, auf Fairness und Verantwortung gegründete Demokratie zu leisten.

Ziele der Initiative und des Demokratiebefundes

„Für eine lebendige Demokratie – gegen Parteienwillkür“ lautet der Titel des Manifests, mit dem die „Initiative Mehrheitswahlrecht“ im April 2008 an die Öffentlichkeit getreten ist.

Die grundlegenden Befunde unseres Manifests aus 2008 sind leider aktueller denn je: Teilweise dramatisch sinkende Wahlbeteiligungen, wachsende Protest-, Verdrossenheits- und Distanzphänomene, Ansehens- und Vertrauensverlust der Politik, mangelnde Problemlösungskapazität beschreiben den immer drängenderen Reformbedarf. Noch nie in den letzten Jahrzehnten hatte eine Bundesregierung so schlechte Umfragewerte wie die gegenwärtige „große Koalition”. Das zeigen die Ergebnisse zahlreicher repräsentativer Befragungen genauso wie die Experten-Befragung der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform (infolge kurz IMWD genannt).

Die IMWD legt am 30.09.2011 erstmals einen Demokratiebefund vor, in dem nunmehr alljährlich über den Zustand der Demokratie und notwendige Reformschritte in Österreich berichtet werden soll. Der Befund des Jahres 2011, auch unterlegt mit Umfragedaten ergibt, dass die Parteien- und Politikerverdrossenheit bereits demokratiebedrohliche Ausmaße anzunehmen beginnt, da sich immer mehr Menschen von der Politik nichts mehr erwarten und von sich von ihr abwenden.

Die IMWD hält eine Neugestaltung des Wahlrechtes für eine Schlüsselfrage zur Verbesserung der politischen Zustände. Denn das Wahlrecht ist das fundamentale Recht der Bürgerinnen und Bürger zur der politischen Mitbestimmung.1

Eine solche Wahlrechtsreform muss mehrere Ziele im Auge haben: Es sind eine stärkere Persönlichkeitsorientierung und damit größere Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Wahlberechtigten anzustreben, womit auch die Bindung der Mandatare an die Wähler gestärkt und ihre Abhängigkeit von Parteiapparaten verringert wird. Das Wahlrecht soll insbesondere auch bei Berücksichtigung der wünschenswerten Vielfalt der parlamentarischen Parteienlandschaft zu einer leichteren Mehrheitsbildung beitragen, um klarere Verantwortungen in der Politik zu ermöglichen und lähmende Zwangskoalitionen mit häufigen wechselseitigen Blockaden und faulen Kompromissen hintanzuhalten.

Gerade die politischen Ereignisse der letzten Jahre zeigen aber über das Wahlrecht hinausgehend auch in weiteren wesentlichen Fragen immer notwendiger werdende Reformschritte in der österreichischen Demokratie.

Daher haben wir im Mai 2010 unsere Initiative programmatisch auch vom Namen „Initiative Mehrheitswahlrecht“ auf „Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform“ erweitert und ein Programm mit 6 demokratiepolitischen Schwerpunkten für das Jahr 2010 vorgelegt:

  1. Enquetekommission für eine Wahlrechtsänderung
  2. Superwahlsonntag, um nicht durch Dauerwahlkämpfe und ängstliches Schielen auf Zwischenwahltermine die notwendige Reformarbeit zu lähmen
  3. Bürgermeisterdirektwahlen in allen 9 Bundesländern
  4. Kandidatenfindung durch stärkere Einbeziehung der Wähler (etwa Vorwahlen)
  5. Sorgfältiger Umgang mit Volksbegehren
  6. Forcierung von Elementen der direkten Demokratie

Darüber hinaus wurde als Zwischenschritt ein sehr konkreter Vorschlag für eine Personalisierung des Wahlrechtes vorgelegt.

Die Ergebnisse nach einjähriger Diskussion sind ernüchternd – nur zwei Beispiele;

Dieser Demokratiebefund wird alljährlich rund um den 1. Oktober, dem Jahrestag des Inkrafttretens der Bundesverfassung am 1. Oktober 1920, veröffentlicht werden und über Fortschritte bzw. Rückschläge, Problemstellungen und Zielvorstellungen für die Demokratie in Österreich berichten.

Auch wenn man berücksichtigt, dass das Unbehagen an der Demokratie in vielen Staaten der Welt besteht, so ist auch ein internationaler Vergleich ernüchternd.

Empirischer Demokratiebefund

Internationaler Rundblick

Weltweit gibt es verschiedene internationale Studien, die versuchen die Demokratiequalität von Staaten zu beschreiben und diese in Form eines „Demokratierankings“ zu klassifizieren. Da es jedoch kein einheitliches konzeptionelles Verständnis von Demokratie gibt, verwenden diese Studien unterschiedliche Dimensionen/Kategorien und Indikatoren, die in weiterer Folge auch zu einer unterschiedlichen Bewertung von Demokratiequalität führen können. In den folgenden Absätzen soll ein Überblick über die Ergebnisse und Untersuchungsdimensionen verschiedener Demokratiemessungen und die sich dabei ergebende Bewertung der österreichischen Demokratie gegeben werden. Die verwendeten Dimension bzw. Kategorien lassen auf ein jeweils engeres oder weiteres Demokratiekonzept schließen.

Das Democracy Ranking misst die Demokratiequalität von Staaten anhand der Kategorien „politisches System“, „Geschlechtergleichstellung“, „Wirtschaftssystem“, „Wissenssystem“, „Gesundheitssystem und “Umwelt“. Für die Bewertung der Demokratiequalität werden die Durchschnittswerte in den Kategorien ermittelt und für die Bewertung gewichtet. Bis auf die Dimension „politisches System“ (50 Prozent) werden alle Dimensionen mit je 10 Prozent gewichtet. Die Freedom House Untersuchung bezieht sich im Wesentlichen auf die Messung von Freiheit, die durch die politischen Rechte und die bürgerlichen Freiheiten in einem Staat bestimmt wird. Es werden für beide Kategorien (mit jeweils vier Unterkategorien) Punkte vergeben. Im Fall der politischen Rechte können von den befragten Experten 0 bis 40 Punkte vergeben werden. Im Hinblick auf die bürgerlichen Rechte können 0 bis 60 Punkte vergeben werden.

Die Grundlage für die Bewertung stellt eine Skala von 1 („Bestnote“) bis 7 Punkte dar. Das Polity IV Ranking bezieht die Kategorien „executive recruitment“, ‚constraints on executive authority“ und „political competition“ in seine Untersuchung mit ein. Die Demokratiequalität wird auf einer Skala von -10 (Autokratie) bis +10 (Demokratie) beschrieben. Der Vanhanen’s Index of Democracy untersucht die Demokratiequalität von Staaten anhand der Dimensionen „Wettbewerb“ und „Partizipation“. Als Demokratien bezeichnet Vanhanen politische Systeme, die in den beiden Dimensionen „Wettbewerb“ und „Partizipation“ mindestens 30 bzw. 10 Prozentpunkte erhalten. Der Democracy Index steht in direktem Bezug zur Freedom House Messung, da er Demokratie anhand der Kategorien „Wahlprozess und Pluralismus (electoral process and pluralism), Funktionieren der Regierung (functioning of government), politische Partizipation (political participation), politische Kultur (political culture) und bürgerliche Freiheiten (civil liberties)“ misst. Die Ergebnisse werden durch die Berechnung der Durchschnittswerte der erzielten Punkte in den Indikatoren und den einzelnen Kategorien ermittelt. Die Skala reicht von 0 bis 10 Punkte.

Österreich erzielt bei diesen „Demokratierankings“ im Vergleich mit China, den EU-27- Staaten, Russland und den Vereinigten Staaten von Amerika grundsätzlich immer noch gute Ergebnisse bezüglich seiner Demokratiequalität. In der Freedom House 2011 und Polity IV Messung erzielt Österreich jeweils die höchste Punktezahl. Im Democracy Index ist Österreich unter den ersten 15 Staaten zu finden. Unterschiede lassen sich vor allem im Vergleich zum Vanhanen’s Index of Democracy erkennen. Österreich liegt nach dem Vanhanen’s Index of Democracy aus dem Jahr 2000 im besseren Mittelfeld. Das schlechte Abschneiden der USA liegt vor allem an der vergleichsweise niedrigen Wahlbeteiligung der Bevölkerung. Im Democracy Ranking nimmt Österreich Platz 11 ein und bleibt damit hinter einer Reihe von europäischen Staaten zurück:

  1. Norwegen
  2. Schweden
  3. Finnland
  4. Schweiz
  5. Dänemark
  6. Neuseeland
  7. Niederlande
  8. Irland
  9. Deutschland
  10. Großbritannien
  11. Österreich

Ansehen der österreichischen Politik(er) am Tiefpunkt

Aktuelle österreichische Umfrageergebnisse der letzten Monate zeigen, dass sich die Situation in weiter verschlechtert hat. OGM hat der IMDW exklusiv Umfrage-Ergebnisse zur Verfügung und auch Spezialfragen gestellt, wonach bei 75 % der Bevölkerung das Vertrauen in die Politik in den letzten 5 Jahren gesunken ist. Es seien aber auch andere signifikante veröffentlichte Umfragebefunde aus 2011 zitiert:

IMAS Juli 2011: 49 % sind der Meinung, dass die Koalitionsregierung aus ÖVP/SPÖ ihre Aufgaben nicht gut genug gelöst hat, während nur 20 % der Meinung sind, dass alles in allen gut gemacht wurde. Eine ähnlich schlechte Beurteilung gab es in der Zeit seit 1987 nur unmittelbar nach dem EU-Beitritt im Jänner 1995 und zu Beginn der blau-schwarzen Koalition 2001.

Am 13.05.2011 wurde in einer OGM-Umfrage, die im FORMAT publiziert ist, folgende Aussage getroffen: „Zwei Drittel, nämlich 66 % der Bevölkerung glauben, dass die Regierung im Stillstand verharren wird, nur 17 % erwarten, dass noch bis 2013 Reformprojekte umgesetzt werden.“

Auf die Frage „Sind Sie verärgert über den Stillstand in Politik und Gesellschaft?“ antworteten 91,6 % einer Euro-Research-Umfrage mit „sehr verärgert“ bzw. „verärgert“, nur 8,4 % sind „nicht verärgert“, wobei mit 47,2 % der Bundesregierung die größte Schuld daran zugemessen wurde. (NEWS 21/2011)

Der Autoritätsverlust der Bundesregierung zeigt sich auch in den schlechten Sympathie- und Kompetenzwerten der Regierungsmitglieder und vor allem auch in der Frage der Kanzlerdirektwahl. Erhielten Kanzler in den 1990er-Jahren noch Werte die weit über die Parteizustimmung hinausgingen, ist dies mittlerweile weit zurückgegangen. Damit korrespondiert auch die schlechte Performance der Koalitionsparteien. Als diese nach den Nationalratswahlen 1986 eine neuerliche Zusammenarbeit eingingen, vereinigten sie noch 84,4 % der Stimmen auf sich. Bei der Nationalratswahl 2008 erreichten sie zusammen nur mehr 55,3 % der Stimmen und die Umfragen vor dem Sommer geben ihnen nur mehr knapp mehr als 50 % der Stimmen gemeinsam.

Der APA/OGM-Vertrauensindex vom Frühjahr 2011 signalisiert im Vergleich zum Frühjahr 2009 einen massiven Vertrauensverlust in die Bundespolitiker, von dem nicht einmal der Bundespräsident verschont blieb – um minus 15 % auf 55 % (Saldo aus Vertrauen – kein Vertrauen).

Peter Filzmaier stellt fest: „Zwischen März 2009 und Juni 2011 hat sich das Verhältnis jener, welche mit der Regierung zufrieden oder unzufrieden sind von circa 50:50 auf 20:80 verschlechtert – mit vier Fünftel Unzufriedenen.“ (Kleine Zeitung, 6. August 2011)

Ähnlich die Headline einer market-Umfrage: „Tiefer Absturz. Die Zufriedenheit mit der Regierung ist auf ein Rekordtief gesunken.“ (Juni 2011)

Laut Gallup in „Österreich“ (4./5. August 2011) halten 71 Prozent Politiker für korrupt, nur 15 Prozent nicht.

Expertenbefragung Demokratiebefund 2011

Für den Demokratiebefund 2011 wurden von uns im August 2011 Expertinnen und Experten aus Österreich mittels eines einheitlichen Fragebogens befragt. Unsere Einladung hierzu erging an jeweils 50 Experten aus den vier Bereichen Wissenschaft, Medien, Wirtschaft/Interessenvertretung sowie Zivilgesellschaft. Bei der Auswahl der Experten wurde auf sachliche Ausgewogenheit in Bezug auf Geschlecht sowie institutionelle und regionale Herkunft geachtet. Insgesamt haben sich 66 Experten an der Befragung beteiligt.

Alles in allem bewerten die befragten Experten die österreichische Demokratie insgesamt in einem Schulnotensystem mit einem guten „Befriedigend“: Als Mittelwert ergibt sich eine Note von 2,83. Aufgegliedert auf die verschiedenen Ebenen schneidet die Gemeindeebene (2,42) am besten ab, Länder- (2,94) und Bundesebene (2,95) liegen gleich auf, am schlechtesten wird die Demokratie auf europäischer Ebene (3,42) bewertet. Im Vergleich der Demokratie in Österreich zur Demokratie in anderen Staaten wird die Demokratie in der Schweiz (1,72), in Deutschland (2,19) und in Großbritannien (2,37) wesentlich besser beurteilt; die Demokratie in den USA (2,91), im EU-Durchschnitt (3,03), in Frankreich (3,13), in Slowenien (3,20) und in Tschechien (3,31) in etwa gleich eingeschätzt; während die Demokratie in der Slowakei (3,63), in Italien (4,22) und in Ungarn (4,38) wesentlich schlechter beurteilt wird. Der Demokratie in Russland (4,79) und China (4,83) wird ein „Nicht genügend“ attestiert. Auffallend ist, dass sich diese Einschätzung der Experten weitgehend mit dem internationalen „Democracy Ranking“ deckt.

Die wenigsten sind der Meinung, dass die Demokratie in Österreich im letzten Jahr (3 Nennungen) bzw. in den letzten 5 Jahren (5 Nennungen) in Österreich besser geworden sei; eine große Zahl sieht Verschlechterungen: im letzten Jahr (29 Nennungen) und noch deutlicher in den letzten 5 Jahren (39 Nennungen). Die überwiegende Mehrheit ist der Meinung, dass sich auf absehbare Zeit auch nur wenig daran ändern wird, mit einem leichten Überhang bei den Pessimisten: 5 (besser) zu 17 (schlechter) bei einer 1-Jahres-Prognose, 10 (besser) zu 16 (schlechter) bei der 5-Jahres-Prognose.

Hinsichtlich der drei „Staatsgewalten“ wird der Bundesregierung die schlechteste Note ausgestellt (3,80), Parlament (3,53) und Justiz (3,50) liegen annähernd gleich auf. In Bezug auf einzelne abgefragte Themenbereiche wird die österreichische Politik in Bezug auf die Bewältigung der Folgen der Wirtschaftskrise (2,37) und Geschlechtergleichstellung (2,80) am besten beurteilt. Es folgen Gesundheit und Pflege (3,14), Maßnahmen zur Vereinbarkeit Beruf und Familie (3,15), Klima- und Umweltschutz (3,17), Migration und Integration (3,36), Budget (3,48), Umgang mit Bürgerinteressen (3,55), Europa (3,70), Korruptionsbekämpfung (3,70), Stärkung der unabhängigen Justiz (3,72) und Wissenschaft und Forschung (3,91). Am schlechtesten beurteilt wird die Politik in Bezug auf Verwaltungsreform (4,56), Föderalismusreform (4,55), Reform der Landesverteidigung (4,46), Pensionsreform (4,33) und Bildung (4,02). Bei der Möglichkeit der freien Nennung von drei Themen, auf die die österreichische Politik im nächsten Jahr einen besonderen Schwerpunkt legen soll, wurde Bildung (36 Nennungen) bei weitem am häufigsten genannt, es folgen Verwaltungsreform (21 Nennungen), Budget (19 Nennungen) und Pensionsreform (17 Nennungen).

Als wichtigste Maßnahmen zur Demokratiereform in Österreich werden die Entpolitisierung des ORF (1,32), eine höhere Transparenz der Parteienfinanzierung (1,50), die Stärkung der unabhängigen Justiz (1,55) und der Ausbau der politischen Bildung (1,57) angesehen. Es folgen die Personalisierung des Wahlrechts (2,20), der Ausbau der direkten Demokratie (2,33), die Direktwahl der Bürgermeister in ganz Österreich (2,51), die Ausdehnung des Wahlrechts auf alle Personen, die bereits mehrere Jahre in Österreich leben (2,62), die terminliche Konzentration der verschiedenen Wahlen in Österreich auf einen „Superwahlsonntag“ (2,67) und die Einführung eines Mehrheitswahlrechts (2,82). Als am wenigsten wichtig wird die Stärkung des Verhältniswahlrechts (3,74), die Direktwahl der Landeshauptleute (3,14) und die Beschränkung der Funktionsperioden von Politiker (3,12) beurteilt.

Hinsichtlich von Regierungskonstellationen, die den Zustand der Demokratie in Österreich verbessern bzw. verschlechtern, werden schließlich Alleinregierungen (2,47) und „Kleine Koalitionen“ aus SPÖ oder ÖVP und einer anderen Partei (2,48) wesentlich besser beurteilt als Allparteienkoalitionen (4,14), die „Große Koalition“ aus SPÖ und ÖVP (3,76) und Drei- oder Mehrparteienkoalitionen (3,42).

Konkrete Themenbereiche des Demokratiebefundes

Föderalismusreform

Seit vielen Jahren wird über eine Reform des österreichischen Bundesstaates diskutiert. Dieses Thema stand auch im Mittelpunkt des Österreich-Konvents, doch wurde bislang kein einziger der dort dazu erarbeiteten Vorschläge verwirklicht. Spätestens seit dem EU-Beitritt ist aber klar, dass die bestehenden bundesstaatlichen Strukturen nicht mehr zeitgemäß sind. Eine höchst komplizierte und detailverliebte Aufteilung der Kompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern behindert nicht nur die Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben (und hat schon zu einigen Vertragsverletzungsverfahren geführt). Sie verursacht auch kostspielige Doppelgleisigkeiten. Vor allem aber hat sie sich als schwer überwindbare Hürde dringend erforderlicher Reformen – im Bildungsbereich ebenso wie im Gesundheitswesen, in der Klimapolitik, der Energiepolitik usw. – erwiesen. Die Vertretung legitimer Länderinteressen erfolgt nicht in dem dazu verfassungsrechtlich vorgesehenen Bundesrat, sondern in der (verfassungs-)rechtlich nicht geregelten und nicht verantwortlichen Landeshauptleutekonferenz.

Im Bereich der Länder selbst haben sich Strukturen entwickelt, denen offensichtliche feudalistische Züge anhaften: eine Machtkonzentration beim Landeshauptmann, dem ein macht- und weitgehend auch funktionsloses Landesparlament gegenübersteht; ein (in der Mehrzahl der Länder auch noch verfassungsrechtlich verankerter) Regierungsproporz, der Machtstrukturen versteinert und Wahlen folgenlos macht. Soweit eine Reformbereitschaft in den Ländern vorhanden ist, wird sie durch ein enges Korsett bundesverfassungs- gesetzlicher Vorgaben behindert, die beispielsweise ein deutlich personalisiertes Landtagswahlrecht verunmöglichen. (Dass es paradoxerweise die Länder selbst sind, die einer praktischen Steuerhoheit ablehnend gegenüberstehen, belegt die Neigung zu mangelnder Verantwortlichkeit.)

Das seit langem intensiv diskutierte und bis in die kleinsten rechtlichen Details ausformulierte Konzept einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit, das den Einfluss der (Partei-)Politik auf den Gesetzesvollzug durch eine kompromisslose Rechtsstaatlichkeit ablösen soll, wird seit eineinhalb Jahrzehnten blockiert. Dadurch wird auch die dringend erforderliche Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs verhindert und deren Funktionsfähigkeit und damit die Rechtsstaatlichkeit zunehmend gefährdet.

Zu fordern ist daher:

  1. Eine sinnvolle und zeitgemäße Verteilung der Aufgaben zwischen dem Bund und den Ländern: Die Gesetzgebung ist weitgehend beim Bund zu konzentrieren; den Ländern könnten aber Spielräume zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten und zur Gewährleistung eines bürgernahen Gesetzesvollzugs in entsprechenden Ausführungsgesetzen überlassen bleiben.
  2. Eine grundlegende Reform der Zusammensetzung und der Aufgaben des Bundesrates. Eine Konzentration der Verwaltung bei den Ämtern der Landesregierung, eine Straffung der Bezirksstrukturen und auch eine Zusammenlegung von Gemeinden, letzteres allerdings nicht mit gesetzlichem Zwang, sondern auf Grund finanzieller Anreize.
  3. Eine Personalisierung des Landtagswahlrechts, das die Landtage zu echten Bürgerforen aufwertet; eine Stärkung der Kontrollbefugnisse der Landtage; insgesamt eine Erweiterung der Verfassungsautonomie der Länder im Sinn größerer Spielräume bei Wahlrechtsreformen und der Schaffung effizienter und zugleich bürgernaher Verwaltungsstrukturen.
  4. Die Abschaffung des Regierungsproporzes in den Landesregierungen.
  5. Eine zumindest ansatzweise Zusammenführung der Einnahmen-, Aufgaben- und
  6. Ausgabenverantwortlichkeit auf der Ebene der Länder und auch der Gemeinden.
  7. Die ehestbaldige Umsetzung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit.

Verwaltung und ihre Aufgaben

Die Verwaltung der Republik Österreich wurde in ihrer Struktur von der Monarchie übernommen und beruht im Wesentlichen noch heute darauf, statt dass längst gefragt hätte, wie man eine effiziente Verwaltung organisiert (von 0 auf 100 gedacht) für ganz andere Größen, gesellschaftliche Gruppen, demokratische Mitsprache, Wirtschafts- und Berufsstrukturen, Flexibilitäts- und Kommunikationsmöglichkeiten, Kostenstrukturen und damit Aufgabenstellungen. Nur als einige Beispiele: Verkehr, elektronische Verbindungen zwischen Behörden und zum Bürger, Umweltschutz, Familienstrukturen, Personalkosten, Wettbewerb überregional und international usw. Was sich an unbedingt notwendigen Veränderungen in der Verwaltung aufdrängte, wurde auf bestehende Behörden aufgepfropft, ohne überholte Aufgaben abzugeben – so auch nicht, als sich mit der EU-Bürokratie eine neue Ebene ergab. Die Gesetzgebung überschüttet die Verwaltung dazu noch mit tausenden Normen, ohne dass überholte eliminiert werden.

In der repräsentativen Demokratie haben sich Parteien als wesentlich für die Gesetzgebung etabliert. Es widerspricht jedoch demokratischen Grundsätzen, wenn Parteien auch andere Lebensbereiche durchdringen und sogar die Verwaltung, die parteiunabhängig agieren soll. Gruppen wie Familienväter, Sportler, Pensionisten, Gewerbetreibende usw. haben ihre Gruppeninteressen, die sich aber nicht mit (ideologischen oder Macht-) Interessen von Parteien decken. Die Durchdringung besonders der Staatsverwaltung mit Parteiinteressen ist typisch für autoritäre Regime, widerspricht aber der Demokratie und oft der Rechtsstaatlichkeit!

Internationale Verglelche zeigen klar, dass die österreichische Verwaltung im Großen und Ganzen gut funktioniert, jedoch vielfach formalistisch, schwerfällig, langsam, und vor allem enorm hohe Kosten verschlingt, die den Wirtschaftsstandort gefährden und schon demokratiebedenklich bedenklich sind. Vergleiche liefern nicht nur die Schweiz (extrem föderal) und Deutschland (ähnlich im föderalen Aufbau), sondern auch Großbritannien und Schweden (zentralistisch); diese und die meisten anderen brauchen für eine zweifellos nicht schlechtere Verwaltung nur 40-70 % am Pro-Kopf-Kosten der österreichischen. Da geht es um Größenordnungen von 10 und mehr Milliarden €. – Was sind die gravierendsten Mängel der Verwaltung?

  1. Es fehlt jede (laufende) Überprüfung, welche Aufgaben des Staates überhaupt noch zeitgemäß und nur von ihm erfüllbar sind; viele werden „gehortet“, da von Ministerm und Landeshauptleuten angefangen viele Entscheidungsträger ihren Erfolg in einem großen Teilbudget für sich statt in kostengünstiger und effektiver Leistung sehen.
  2. Die Gesetzgebung erfolgt oft anlass- und medienbedingt, ohne mögliche Wirksamkeit und ohne Überprüfung der Folgekosten nicht nur das Budget, sondern auch für Bürger und Wirtschaft.
  3. Jahrzehnte lange Erfahrungen, vielleicht auch eine Grundmentalität, führen bei vielen Amtsorganen zu Verantwortungsscheu, Rückdelegierung und Aufschiebung von Entscheidungen.
  4. Die österreichische Mentalität „Sicherheit statt Leistung“ mit entsprechendem Beharrungsvermögen ohne Blick auf die Zukunft – wie bei anderen Großinstitutionen – wirkt sich bei der Verwaltung verheerend aus.

Die am stärksten Steuer fressenden Teile der Verwaltung – Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen – erfordern bei der jetzigen Verschuldungslage die zwei Grundsatzfragen 1. Staatsaufgaben und 2. Kompetenzvereinigung anzupacken. Was soll sich der Steuerzahler denken, wenn z. B. hunderte Schulversuche zu keinem Ergebnis führen, weil Schulversuche zu Bezugszuschlägen der betroffenen Personen führen?

Zu konkreten Forderungen für eine Reform in der Verwaltung gehören:

  1. Durchforstung der Staatsaufgaben
  2. Kostenrechnung und Controlling (Soll und Soll-Ist-Überprüfung für alle Behörden, Leistungskriterien mit positiven und negativen Sanktionen
  3. Kompetenzneuordnung nach Grundsätzen der Effizienz und nicht nach Einzelinteressen
  4. Vereinheitlichung des Dienstrechts im öffentlichen Bereich, Flexibilität beim Beamteneinsatz
  5. Transparenz der Geldflüsse zwischen Gebietskörperschaften, Unternehmen im öffentlichen Bereich, Parteien, und der aller Förderungen.

In einem Staat, in dem der durchschnittliche Steuerzahler bis August jedes Jahres nur für den Transfer, sprich die Steuer, arbeitet und erst dann für sein Einkommen, ist jede weitere Verschuldung eine Gefährdung der Demokratie.

Justizpolitik

Die Justiz, das heißt, die Gerichtsbarkeit in all ihren Ausformungen ist ein – der - unverzichtbare Teil einer funktionierenden Demokratie. Der Verfassungsgerichtshof als Hüter der Gesetzeskonformität ist unbestritten und genießt zu Recht den vollen Respekt aller Staatsorgane und der Bürgerinnen und Bürger. Dies gilt auch für den Verwaltungsgerichtshof, dem aber seit Jahren die nötigen Mittel für eine rasche Erledigung seiner Arbeit vorenthalten werden. Die Gerichte des Zivil- und Strafrechtes, deren Entscheidungen naturgemäß wesentlich mehr im Blickfeld der Öffentlichkeit sind, werden in den letzten Jahren sowohl in der Politik als auch in den Medien kontroversiell diskutiert. Dies trifft insbesondere auf die Strafgerichtsbarkeit und hier wiederum im erhöhten Ausmaß auf die Staatsanwaltschaften zu.

Bei den zahlreichen Strafverfahren wegen Wirtschaftsdelikten, vor allem wenn sie einen Bezug zur Politik haben, wird Unverständnis über die lange Dauer der Verfahren geäußert.

So selbstverständlich alle Politikerinnen und Politiker bei strafrechtlichen Vorwürfen gegen Wirtschaftstreibende und Politiker darauf hinweisen, dass es in einem Rechtsstaat ausschließlich Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und der Strafgerichte ist, diese Vorwürfe zu prüfen und letztlich von einem unabhängigen Gericht beurteilen zu lassen, so wenig ist die Politik bereit, den zuständigen Organen die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Eine in den Augen der Öffentlichkeit nicht lautlos und effizient funktionierende Strafjustiz gefährdet in einem nicht zu überschätzenden Ausmaß den demokratischen Konsens. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger Sicherheit darüber haben können, dass ihre Gerichtsbarkeit Verletzungen der Rechtsordnung verfolgen und ahnden, ist der Rechtsfrieden gewahrt.

Es ist daher unverständlich, dass die zuständigen Politikerinnen und Politiker nicht in der Lage sind, in einem Schulterschluss den Zustand herzustellen (die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen), der diesen Rechtsfrieden gewährleistet.

Korruption

Österreich ist in den letzten Jahren auf der europäischen Korruptions-Skala – trotz des hohen Lebensstandards - vom 10. auf den 15. Rang abgerutscht. Warum?

  1. Allgemeine Untertanenmentalität misstraut den Staatsorganen; „sich’s richten“ geht vor Anständigkeit; „Gefälligkeiten“ gelten als normal;
  2. Sogar politische Spitzen erscheinen zunehmend korrupt anstatt vorbildlich – von Medien geschürt, von der Öffentlichkeit mit Politikverdrossenheit quittiert;
  3. Hohe Durchdringung des Landes und damit Abhängigkeit des Bürgers von Staat und Parteien; Entscheidungsmacht und Verfügungsmacht über fremdes Geld lockt Korruption an und erfordert deshalb persönliche Anständigkeit;
  4. An der Macht sind Vertreter von Partei-, Gruppen- und Einzelinteressen (keineswegs nur offizielle „Lobbyisten“), Staat und Gesamtgesellschaft haben keine Priorität;
  5. Geringe Transparenz der öffentlichen Geldflüsse
  6. Im internationalen Vergleich schwache und löchrige Strafnormen für Korruption, vor allem Ausnahmen für Politiker und geringe Strafhöhe sind kontraproduktiv.

Die Punkte 2 - 4 sind längerfristig, die Punkte 5 und 6 sind kurzfristig zu ändern!

Medien und Bildung

Den Medien kommt in der Demokratie eine zentrale Bedeutung zu. Ihre Vielfalt und Qualität sind das Fundament des demokratischen Diskurses. Dies ist auch ein entscheidendes Element des öffentlich-rechtlichen Auftrages des Rundfunks.

Eine vitale Demokratie braucht informierte Bürger, die sich in ihre Angelegenheiten einmischen. Politische Bildung soll von der Schule beginnend die Urteilsfähigkeit des mündigen Bürgers stärken. Der Schule kommt mittlerweile noch größere Verantwortung in diesem Prozess zu, da das aktive Wahlalter auf 16 gesenkt wurde. Insbesondere sind die Medienkompetenz im Allgemeinen, der Umgang mit den neuen Medien im Besonderen zu stärken.

Eine im September 2011 veröffentlichte IMAS-Untersuchung förderte eine teilweise beängstigende Unwissenheit der österreichischen Bevölkerung über politische basics zu T age.

Generell hat bekanntlich die Kritik am österreichischen Bildungssystem und seinen Ergebnissen auch evidenzbasiert in den letzten Jahren stark zugenommen. Besonders kritisch wird die Reformresistenz gesehen, weshalb sich gerade auch in diesem fundamentalen Bereich unseres gesellschaftlichen und demokratischen Zusammenlebens beachtliche zivilgesellschaftliche Initiativen gebildet haben. Vor allem auch das vom 3. bis 10. November aufliegende Bildungsvolksbegehren ist als ein solches wichtiges Signal gegen den Stillstand zu werten.

Die echten Probleme einer zeitgemäßen Medienpolitik

Das österreichische Medienrecht ist sicher nicht perfekt. Die jüngst verstärkte Forderung nach mehr Transparenz bei Inseraten von Regierungsstellen an einige auflagenstarke Zeitungen besteht zu Recht. In manchen Fällen wird in Österreich noch über die wahren Besitzverhältnisse gerätselt, was freilich angesichts der Feigheit aller bisherigen Regierungen, demokratiegefährdende Zusammenschlüsse verlegerischer Einheiten zu verhindern, keinen großen Sinn mehr macht. Die zumindest angestrebte Bekämpfung medialer Monopole und Oligopole ist in ganz Europa – neben Populismus und Staatszensur - immer noch ein zentrales Thema der Medienpolitik, die dabei allerdings in Gefahr gerät, weltweit noch viel größere neue Herausforderungen zu unterschätzen. Dass der Österreichische Presserat nach jahrelanger Blockade zu neuem Leben erweckt werden konnte, ist erfreulich, aber er macht sich in der Öffentlichkeit viel zu wenig bemerkbar.

In Amerika hat man die jüngste Entwicklung, die auch uns nicht erspart bleiben wird, schon auf einen knappen Nenner gebracht: „Zeitungen verlieren ihre Leser, Journalisten verlieren ihre Jobs und die Presse verliert ihre Freiheit an populistische Regierungen und Medienmogule.“ Tatsache ist, dass die junge Generation immer weniger Nachrichten aus Fernsehen, Radio oder den Zeitungen bezieht und wenn überhaupt, dann nicht zu fixen Zeiten in vorgegebenen Formaten, sondern über Teletext und vor allem Internet und in immer stärkerem Maß über Twitter, You Tube und Blogging. Für den heute von allen Printmedien angestrebten Umstieg auf Online-Journalismus, der sich auch rechnet, ist noch lange nicht geschafft. Angemessen zahlen wollen Internet-Info-User ja nicht übermäßig gern.

Laut einer OECD-Studie ist zwischen 1997 und 2007 die Gesamtzahl der Journalisten in den USA von 56.000 auf 40.000 zurückgegangen; in Deutschland ist sie um 25 Prozent, in den Niederlanden um 41 und in Norwegen um 53 Prozent geschrumpft. Der mitleidlose Konkurrenzkampf drängt die Verlage zu Personalabbau und prekären Beschäftigungsverhältnissen, was den Journalisten wieder weniger Zeit für sorgfältiges Recherchieren und gewissenhafte Weiterbildung lässt. Im Verlauf einer einzigen Minute werden weltweit 320 neue Twitter-Konten eröffnet und 1500 Blog-Eintragungen gepostet.

Die neuen Kommunikationsformen haben viel Gutes gebracht: Laienreporter versorgen die Öffentlichkeit mit Nachrichten über milliardenschweren Finanzbetrug und Korruption, trommeln Hunderttausende zu Demonstrationen zusammen und zwingen Potentaten im arabischen Raum zu Rückzug und Rücktritt. Aber sie eröffnen auch anonym bleibenden Verbrechern Tür und Tor für betrügerische Unterstellungen und verlogene Vernichtungs- feldzüge, denen auch kein internationaler Gerichtshof für Menschenrechte gewachsen ist.

Den Gipfel solchen Treibens liefert das System Wikileaks, das bereits diplomatische Geheimnisse Millionen Menschen zugänglich gemacht hat. „Großartig“ finden das jene, die eine kriminelle Vertuschung von Verbrechen aufdecken möchten. „Unverantwortlich“ kontern die darüber Besorgten, dass legitime Interessen von Intim- und Staatsschutz der von keiner Rechtsinstanz kontrollierten Verbreitung von Millionen gestohlener Informationen zum Opfer fallen könnten. Wer hat Recht? Die UNESCO hat auf ihrer vorjährigen Weltkonferenz in Brisbane von den Staaten Gesetze gefordert, die für alles staatliche Handeln größtmögliche Transparenz bei gleichzeitig größtmöglichem Schutz für wirklich schützenswerte Informationen gewährleisten. Wer hat irgendeine Reaktion österreichischer Medienpolitiker darauf bemerkt? Die werden offenbar nur aktiv, wenn die Bestellung einer neuen ORF- Führung die Chance für parteipolitische Packeleien eröffnet.

ORF-Befund

Der ORF ist die öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehanstalt Österreichs. Er ist das wichtigste Kultur- und Informationsmedium des Landes. Er verfügt über 3 Fernsehprogrammen (ORF eins, ORF 2 , ORF III), 12 Radioprogramme (national: Ö1, Ö3 und FM4; regional: 9 Programme der Landesstudios) und ein umfangreiches Internetangebot Mit 5,2 Millionen Hörer. 3,2 Millionen Zuseher täglich, sowie mit monatlich 270 Millionen Seitenaufrufen Online, sollte er ein wesentlicher Faktor zur Weiterentwicklung der Demokratie sein.

Es galt daher zu prüfen, ob der ORF auf Grund der legistischen Rahmenbedingungen heute seine Aufgaben gegenüber der Gesellschaft unbehindert erfüllen kann.

In Kenntnis der bundesgesetzlichen Bestimmungen (sie wurden seit dem Rundfunkvolksbegehren 1966 von den jeweiligen Alleinregierungen bzw. Koalitionen gravierend verändert) und der daraus abgeleiteten politischen Praxis kommt die IMWD zu dem Schluss:

Die in der Verfassung verbriefte Unabhängigkeit des österreichischen Rundfunks und seiner Organe ist durch die derzeitigen gesetzlichen Regelungen und durch die Handlungsweisen von Regierung und Parteien nicht gewährleistet, wie das Parteiengerangel um die Bestellung der ORF-Geschäftsführung in den letzen Wochen besonders vor Augen führt. (Detaillierte Begründung siehe Anhang)

Forderung an das Parlament: Den ORF frei geben!

Angesichts der immer wiederkehrenden Versuche von Regierungen und Parteien, sowie angesichts der Tatsache, dass nach einer jüngst im „Kurier“ veröffentlichten OGM Umfrage 86% der Bevölkerung den Einfluss der Politik auf den ORF für „zu hoch“ halten, fordert die IMWD das Parlament auf, den Auftrag der Bundesverfassung endlich zu erfüllen und durch konkrete Gesetze die Unabhängigkeit des Österreichischen Rundfunks sowie seiner Organe sicherzustellen!

Dies könnte durch folgende Neuregelungen geschehen:

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Übereinstimmende Ergebnisse aller Umfragen zeigen:

Das Ansehen der Politik in Österreich ist an einem historischen Tiefpunkt angelangt. Insbesondere die Arbeit der Bundesregierung wird außerordentlich negativ bewertet. Auch die Erwartungen in die künftige Regierungspolitik zur Überwindung des gefühlten Stillstandes sind außerordentlich gering. Vor allem folgende 5 Problembereiche und gravierende Kritikpunkte wurden 2010/2011 ausgemacht.

  1. Der lähmende Stillstand in der Politik
  2. Der Verfassungsbruch in Zusammenhang mit der Erstellung des Bundesbudgets 2011, wobei festgestellt werden muss, dass nicht nur die Verfassung gebrochen wurde, sondern dass auch das Budget selbst entgegen aller Ankündigungen von großen Reformanstrengungen kaum Anhaltspunkte für Veränderungsbereitschaft der Bundesregierung gezeigt hat;
  3. Das besorgniserregende Misstrauen gegenüber der Justiz und der Politik, besonders gefördert durch gehäufte Korruptionsvorwürfe und Kritik an langen Verfahrensdauern
  4. Die den Problemstellungen Europas völlig unangemessene Kommunikation der verantwortlichen Player in Österreich zum Thema Europa, Euro und EU, die die Verdrossenheit und das Misstrauen gegenüber Europa weiter nähren, wo hingegen generell eine stärkere gemeinsame europäische Vorgangsweise (EU und Euroländer) notwendig erscheint
  5. Der unverfrorene Griff von Regierung und Parteinen nach dem ORF.

Besonders beunruhigend ist das rapide anwachsende Desinteresse an der österreichischen Politik. Beschäftigten sich laut IMAS vom September 2011 im Jahr 2000 nach eigenen Angaben noch 56 Prozent stark bzw. ziemlich stark mit Politik in Österreich, wurde 2011 der Tiefststand mit 26 Prozent erreicht.Damit einher geht ein geringes Wissen über politische Vorgänge und verfassungsrechtliche Grundlagen. Demokratie aber braucht die Zuwendung des informierten Bürgers. Lethargie, Verdrossenheit und folgenloses Lamento bei Cocktailpartys und Biertischen tragen nicht zur Vitalisierung der Demokratie in Österreich bei, sondern verstärken die Abnützungserscheinungen.

Andererseits sind teilweise auf Länder- und Gemeindeebene Initiativen zu verzeichnen, die demokratiepolitisch positiv zu bewerten sind, seien es die Reformanstrengungen in der Steiermark oder anderen Bundesländern, seien es die Initiativen in der Stadt Salzburg zur Stärkung der direkten Demokratie. Positiv sind vor allem auch eine wachsende Zahl von zivilgesellschaftlichen Initiativen und auch Aktivitäten von Qualitäts-Printmedien hervorzuheben.

Trotz aller Kritikpunkte und der immer bedrohlicher werdenden Vertrauenskrise in die Politik und die Demokratie ist festzustellen, dass die österreichische Demokratie im internationalen Vergleich dennoch immer noch relativ gut dasteht. In einem internationalen Demokratie- Ranking, das allerdings die negativen Entwicklungen des letzten Jahres noch nicht reflektiert, liegt Österreich auf Platz 11, auch im Korruptionsindex ist Österreich noch immer auf Platz 15, allerdings um mehrere Plätze in den letzten Jahren abgesunken, sowie auch beim World-Competitiveness-Index des Weltwirtschaftsforums wo Österreich auf Rang 19 liegt, aber auch gegenüber der Vorjahresbewertung um einen Platz abgesunken ist und im längerfristigen Vergleich um mehrere Plätze. In allen diesen Rankings liegen die Schweiz und die skandinavischen Länder, aber auch die Niederlande deutlich vor Österreich, auch Deutschland und Großbritannien wird eine höhere Demokratie-Qualität zugeschrieben. Dies korreliert auch mit der Eigeneinschätzung der Experten-Umfrage, die die IMWD durchgeführt hat.

Aus diesem Demokratiebefund 2011 ergeben sich eine Reihe von Forderungen, die teilweise schon in den einzelnen Subkapiteln detailliert dargestellt wurden:

  1. Ernsthafte Befassung des Parlaments und der politischen Parteien mit Fragen der Wahlrechts und Demokratiereform durch eine parlamentarische Enquetekommission;
  2. Eine ernsthafte und nachhaltige Europakommunikation der Bundesregierung, aber auch aller verantwortlichen Stellen, um das Vertrauen angesichts der schwierigen Phase in die Europäische Union und ihre Institutionen zu stärken. Appell an den Bundeskanzler resp. den Außenminister und die anderen Mitglieder der Bundesregierung jeweils nach Rückkehr von Tagungen des Europäischen Rates bzw. des Rates für allgemeine Angelegenheiten un der Fachministerräte der Bevökerung über die Medienöffentlichkeit eine offene und schonungslose Aufklärung über die aktuellen Probleme und die dazu vertreten österreichische Haltung zu geben;
  3. Initiativen zur Entpolitisierung des ORF
  4. Förderung des Reformföderalismus und von Reforminitiativen auf Gemeindeebene, insbesondere auch im Zusammenhang mit der direkten Demokratie. Dringender Appell an die Verantwortlichen in Bund und Ländern, endlich die Widerstände gegen eine sinnvolle Föderalismusreform aufzugeben und gemeinsam ohne weiteren Verzug die anstehenden Probleme im Interesse der Republik Österreich einer Lösung zuzuführen;
  5. Ausbau der politischen Bildung und Medienerziehung, wobei im schulischen und außerschulischen Bereich qualifiziertes Personal aus- und weiterzubilden und bereitzustellen ist;
  6. Initiativen zur transparenten Parteienfinanzierung
  7. Initiativen zur Offenlegung von Eigentumsverhältnissen bei österreichischen Medien und der Medienförderung seitens der öffentlichen Hand (Gebietskörperschaften sowie Unternehmen mit maßgeblichen Beteiligungen der öffentliche Hand)
  8. Eine Erleichterung des Zugangs zur direkten Demokratie, insbesondere zu Volksbegehren, durch die neuen digitalen Möglichkeiten, wodurch dem Bürger / der Bürgerin der Weg zum Gemeindeamt bzw. zur notariellen Beglaubigung bei Unterstützung von Volksbegehren erspart werden kann
  9. Stärkung aller Initiativen der Zivilgesellschaft, die gegen Stillstand und für Reform engagiert sind. In diesem Sinn bemüht sich die IMWD, verschiedenste Allianzen mit gleichgesinnten oder ähnlich gelagerten Gruppierungen zu schmieden bzw. diese auch zu unterstützen.

Es ist die feste Überzeugung der IMWD, dass insbesondere durch eine aktive Zivilgesellschaft in Zusammenwirken mit Medien jener notwendige Druck erzeugt werden kann und muss, um Stillstand und Reformmüdigkeit in Österreich zu überwinden, Vertrauen in die Politik wiederzugewinnen und einen Vitaliserungs- und Reformschub für die österreichische Demokratie zu erreichen.

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Sechsfach hält besser: Der Selbstmord der Volkspartei

05. Oktober 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was ist nur los mit der ÖVP? Man hatte ja nach dem Amtswechsel Pröll-Spindelegger auf Grund einiger Indizien hoffen können, dass die Partei wieder besser begreift, wo ihre Wähler sind, wo ihre einzige Chance im Parteispektrum liegt. Allein: Seit dem Sommer passiert ein katastrophaler Fehler nach dem anderen. Die Partei vertreibt wieder wie in ihren schlechtesten Busek/Riegler/Pröll-Zeiten im Expresstempo Stammwähler, sowohl die Wirtschaftsliberalen wie auch die Rechtsstaat-Liberalen wie auch die Konservativen. Und sie gewinnt absolut nichts dazu, nicht einmal jene Streicheleinheiten der Mainstream-Medien, nach denen sie sich so sehnt.

Eine Hauptursache der ÖVP-Krise liegt im Personellen: Spindelegger hat nur zwei Minister in seinem Team, die ihrer Aufgabe wirklich gewachsen scheinen (Fekter und Töchterle); Generalsekretär und Klubobmann sind wenigstens noch engagiert. Der Rest schwimmt hilflos.

Noch viel schwächer ist die zweite Reihe: Weder beim Abgeordneten-Fußvolk noch in den Parteibüros und noch weniger in den Ministerkabinetten hat die Partei heute Menschen, die mit guter geistiger Verankerung auf einem Wertefundament das politische Handwerk beherrschen oder alle wichtigen Sachmaterien abdecken würden. Kleines, aber signifikantes Indiz: Im ÖVP-Parlamentsklub scheint es offenbar nur noch den Werner Amon zu geben, der für jede erdenkliche Aufgabe antanzen muss.

In die Kabinette und Parteisekretariate ist in letzter Zeit anscheinend wahllos jeder (nach solchen Nichtstudien zu Recht) arbeitslose Politologe oder Publizist aufgenommen worden, der einen Bewerbungsbrief zu schreiben imstande war. Die Katholische Jugend ist längst kein Nachwuchsreservoir mehr; dort wird primär eine rot-grüne Schuldenwelt als Wert vermittelt. Die ÖH hat die ÖVP schon lange verloren. Junge CVer haben kaum noch Lust auf eine politische Karriere. Eine solche ist freilich auch für alle sonstigen gescheiten und anständigen jungen Menschen extrem unattraktiv geworden, wird doch jeder Politiker  von den Medien sofort mit Jauche übergossen.

Bei fast jeder einzelnen Entscheidung merkt man, dass der Partei und ihrem Apparat die Griffsicherheit für die Stimmung der Öffentlichkeit und eigenen Wähler wie auch für das Notwendige und Richtige weitgehend abhanden gekommen ist. Zugleich ist man durch die – einst von Pröll verursachte – Grundentscheidung hilflos, nämlich durch die Koalition mit der SPÖ.

Pröll ist unter dem Druck der kurzsichtigen Kammer-, Bundesländer- und Raiffeisen-Interessen in die Koalition gegangen, ohne von den Sozialdemokraten zumindest die Rücknahme der populistischen Milliarden-Verschleuderung des Vorwahl-Septembers 2008 sowie eine echte Sanierung des Pensionssystems verlangt zu haben. Statt dessen hat die Pröll-ÖVP der teuren und schädlichen Umwandlung der Hauptschulen in Gesamtschulen zugestimmt.

Gleichzeitig lässt sie sich von den Boulevard-Kommentatoren immer wieder in einen koalitionären Kuschelkurs treiben. Dieser aber ist mit einem Koalitionspartner völlig absurd, der in keiner Weise Sachpolitik im Auge hat, sondern seit dem ersten Tag schon wieder Wahlkampf macht: von der kriminellen Medienbestechung über die Bedienung des leistungsfeindlichen Feminismus und der radikalen Hochschülerschaft, um nur ja dort keine Stimme an die Grünen zu verlieren, bis zur Hasskampagne gegen die Reichen, mit der die SPÖ die Rückeroberung der XYZ-Schicht von den Freiheitlichen versucht.

Das alles führt dann zu den katastrophalen Fehlern der letzten Monate, von denen jeder einzelne das Potenzial hat, tödlich zu sein:

  1. Die für eine bürgerliche Partei besonders absurde Forderung nach einer Erhöhung der Einkommensteuer für Besserverdienende:
    Statt dass man den Sozialminister täglich wegen des Milliardengrabs des Pensionssystems attackiert; statt dass man die Verkehrsministerin täglich wegen der Milliarden für die Privilegienburg ÖBB unter Druck setzt; statt dass man täglich nach Zugangs-Beschränkungen und Gebühren an den Unis ruft; statt dass man täglich darauf hinweist, dass es in der Nachkriegszeit einzig einer von einem ÖVP-Kanzler geführten Regierung gelungen war, die Staatsschuldenquote zu reduzieren (und das sogar signifikant): Statt all das zu tun, profiliert sich die ÖVP nun ebenfalls als eine Steuererhöhungspartei. Nur weil ihre Landeshauptleute fürchten, dass dann auch sie einmal sparen müssten.
  2. Die Brüskierung jedes rechtsstaatlich Denkenden durch den die Meinungsfreiheit knebelnden neuen Verhetzungsparagraphen.
    Mit diesem noch dazu von ÖVP-Ministerinnen eingebrachten skandalösen und wahrscheinlich sogar verfassungswidrigen Gesetzesentwurf hat sich das Tagebuch ja vorgestern ausführlich auseinandergesetzt.
  3. Die Große-Töchter-Forderung nach einer feministischen Änderung der Bundeshymne.
    Obwohl da 80 Prozent der Österreicher dagegen sind, hat sich die ÖVP nach dem Vorstoß von Maria Rauch-Kallat (die freilich jeden Grund hatte, von eigenen familiären Belastungen abzulenken) durch die üblichen linken Kommentatoren auf die feministische Linie zwingen lassen, die in diesem Punkt ja besonders lächerlich ist.
  4. Die Zustimmung zum Medientransparenzgesetz:
    Das ist eine völlig unzureichende Regelung, welche die von Faymann zum politischen Leitprinzip erhobene Bestechung parteifreundlich schreibender Boulevard-Medien durch Steuergelder nicht einschränkt, nicht einer objektivierten inhaltlichen und Vergabe-Kontrolle unterwirft, sondern dauerhaft weiter ermöglicht. Diese Zustimmung kann entweder nur ins Kapitel Dummheit eingereiht werden oder unter: „Eigentlich wollen wir auch so korrupt werden, nur haben wir uns bis auf Berlakovich noch nicht getraut“.
  5. Die nicht vorhandene Politik zum Thema Migration:
    Hier bekennt sich sogar die neue, sehr weit links stehende dänische Regierung trotz der angekündigten Zertrümmerung der sonstigen Politik der Vorgänger noch immer zu viel stärkeren Immigrationsbremsen, als sie Österreich hat: In Dänemark soll gemäß dem soeben verkündeten rot-grünen Konsens der Zuzug eines Ehepartners auch weiterhin erst nach dem 24. Geburtstag möglich sein; dort soll es auch weiterhin keine Sozialleistungen geben, wenn man nicht die Sprache lernt und sich als arbeitswillig erweist. In der ÖVP diskutiert man hingegen nicht einmal theoretisch über die Notwendigkeit einer Einschränkung der Zuwanderung (die ja leider fast nie die wirklich benötigten Fachkräfte ins Land gebracht hat, sondern primär Sozialstaats-Konsumenten).
  6. Dazu kommen viele Sünden, die auch in Deutschland die CDU zu verantworten hat, und die auch dort viele bürgerliche Wähler in die verärgerte Wahlabstinenz treiben:
    Die Liste reicht vom unkritischen Ja zu einem unfinanzierbar gewordenen und leistungsfeindlichen Wohlfahrtssystem über die perspektivenlose Milliardenverschwendung zur angeblichen Euro-Rettung bis zum Nachbeten des extrem teuren Global-Warming-Schwachsinns.

Man kann auf viele Arten Selbstmord begehen: indem man sich vergiftet, indem man sich erschießt, indem man in eine Hochspannungsleitung greift, indem man sich erhängt. Aber gleich sechs verschiedene Arten des sicheren Selbstmordes gleichzeitig zu begehen, das ist schon eine stolze Leistung.

Nur was folgt daraus für Österreich? Unregierbarkeit? Ein Selbstdarsteller wie Berlusconi? Eine Machtübernahme durch eine zwar in vielem konservativ und damit erfolgreich gewordene, aber wirtschaftspolitisch nach wie vor sozialistische FPÖ?

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Putin zu Medwedew, Medwedew zu Putin

01. Oktober 2011 00:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Diese Überschrift ist ist kein Ausschnitt aus einer Radioübertragung, sondern bittere russische Realität. Diese Realität hat sogar noch viel schlimmere Seiten, als dass Putin nun wie seit langem erwartet bald wieder zum russischen Präsidenten „gewählt“ werden wird.

Viel schlimmer ist, dass bei den bevorstehenden Parlaments- und Präsidentenwahlen keine einzige der Parteien, die eine echte Alternative zu den beiden sich abwechselnden KGB-Agenten wären, kandidieren kann. Alle potentiell gefährlichen Gegner sind mit den übelsten Tricks und fadenscheinigsten Vorwänden am Kandidieren gehindert worden. Oppositionelle landen im Gefängnis. Alle Fernsehanstalten und sonstige wichtige Medien sind wie in schlechten KPdSU-Tagen gleichgeschaltet.

In Russland findet eine Rückkehr zur Volksdemokratie im Eilschritt statt, die ja das Gegenteil von Demokratie ist. Nun würde es gewiss lächerlich klingen, wenn Österreich Russland jetzt Vorschriften zu machen versuchte. Es ist aber dennoch beschämend, dass die Rückkehr des Landes zur Diktatur auch völlig unkommentiert bleibt.

Vor allem ist es skandalös, dass der Europarat dazu schweigt, der sich ja als „die“ Plattform der europäischen Demokratien bezeichnet. Im Europarat haben (österreichische!) Sozialdemokraten einst sogar einem Land wie Liechtenstein Vorschriften in Sachen Demokratie zu machen versucht. Bei dem tausendmal schlimmeren Fall Russland schweigen sie aber alle, statt das Einzige zu sagen, was jetzt am Platz wäre: Russland hat so wie in kommunistischen Zeiten im Europarat nichts verloren . Aber alle schweigen, Rote, Schwarze, Blaue, Grüne. Ziemlich widerlich.

Außerdem ist das ein weiterer Beweis, dass jeder Steuerschilling für den Europarat eine noch viel größere Verschwendung darstellt als etwa die Griechenland-Hilfe.

 

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SN-Kontroverse:Altpolitiker-Aufstand

30. September 2011 02:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist der Aufstand der Altpolitiker gerechtfertigt?

 In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Grauslichkeit des Administrierens

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

"Nichts wäre grauslicher als der Gedanke, nur administriert zu haben". Der legendäre Kanzler Bruno Kreisky hat diesen Satz im Rückblick auf seine Arbeit als Politiker formuliert und ihn gewissermaßen als Richtschnur für politisches Handeln festgelegt. Die derzeitige Politikergeneration hält offenbar nichts von derart hohen Ansprüchen. Bestenfalls Mittelmaß ist das, was Regierung - und im Wesentlichen auch die Opposition - abliefern. Gestaltungswille ist kaum spürbar; Zukunftsfragen werden nicht angegangen. Dies obwohl die rot-schwarze Koalition durch die Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre mehr Zeit zur Verwirklichung ihrer Pläne und Reformen hätte. Knapp zwei Jahre vor der nächsten Nationalratswahl ist die Bilanz der Regierung ziemlich kläglich. Die großen Vorhaben zur Lösung des Reformstaus sind nicht in Sicht. Dies beginnt bei der Bildungsreform, dem zweifellos wichtigsten Anliegen, um zukunftsfähig zu werden. Seit wie viel Jahrzehnten wird eigentlich schon über Gesamt- und Ganztagsschule diskutiert? In wie vielen Regierungsprogrammen ist von der dringend nötigen Verwaltungsreform die Rede? Wie oft schon wurde eine einfachere Steuergesetzgebung versprochen? Wie lange schon wird über eine Pensionsreform geredet, durch die das System langfristig abgesichert werden kann? Abgesehen von den Fragen nach mehr Transparenz in allen öffentlichen Bereichen, nach einer offenen Parteienfinanzierung, nach brauchbaren Gesetzen zur Korruptionsbekämpfung, nach einem modernen Wehrsystem oder einem zeitgemäßen Wahlsystem. Deshalb ist das Demokratiebegehren zu begrüßen, das namhafte Altpolitiker gestartet haben. Ein „letztes Aufgebot" (© Erhard Busek) um die derzeitig herrschende „Grauslichkeit des Administrierens" zu überwinden.


Die Angst vor dem Volk

Andreas Unterberger

Was heutzutage alles schon ein „Aufstand" sein soll! Diese Initiative der 70-Jährigen ist in Wahrheit bloß ein zitterndes Aufsteherl. Ihre Zahnlosigkeit ist aber weniger eine Folge ihres Alters, sondern ihrer tiefen inneren Verwurzelung mit dem System, das durch ihre Vorschläge nicht wirklich geändert würde. Viel Wirbel, damit alles gleich bleibt. Wenn sie etwa vorgeben, „entschlossen gegen Korruption" zu sein, aber nichts zu deren aktuellstem und schlimmstem Exzess sagen, machen sie sich lächerlich. Dabei geht es natürlich um die von Werner Faymann aus dem Korruptionsnest „Wiener Rathaus" in Bundesregierung, ÖBB und Asfinag importierte Bestechung beeinflussbarer Tages- und Wochenzeitungen durch üppige „Kooperationen" und Inseraten-Schaltungen. Diesen höchstwahrscheinlich kriminellen Deal auf Steuerzahlers Kosten praktizieren neben Faymann auch die Minister Schmied, Stöger und Berlakovich besonders intensiv.

Zweitens: Wer reformieren will und weder Schulden noch Hacklerregelung erwähnt, ist keine Sekunde ernst zu nehmen. Und das Ärgerlichste: Wer „mehr direkte Demokratie" verspricht, soll diese auch ernsthaft verfechten, und nicht mit einem so knieweichen Modell wie die Altpolitiker. Die Schweizer Verfassung zeigt vor, wie direkte Demokratie funktioniert – wenn man sie ernst meint. In der Schweiz führen schon 50.000 bzw. 100.000 Unterschriften zu direktdemokratischen Entscheidungen. Unsere Möchtegern-Reformer reden hingegen von 400.000. Noch wichtiger: In der Schweiz führt die durch ein solches Begehren ausgelöste Abstimmung zu sogar verfassungsrechtlich unumstößlichen Entscheidungen. Die alten Herren wollen hingegen nur eine - total unverbindliche! - Volksbefragung.

Offenbar schlottern unsere Politiker auch noch in der Pension aus Angst vor dem Volk.

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Friedhöfe, Hymnen, Genderismus

29. September 2011 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es sind die kleinen Beispiele, die am anschaulichsten zeigen, mit welch absurden Aktionen die politische Klasse ständig weiter unser Geld verbrennt, statt endlich zu sparen. Die Defizite öffentlicher Haushalte setzen wie ein Tsunami die Weltwirtschaft unter Wasser, aber niemand schließt auch nur eine einzige Schleuse. Im Gegenteil: Mindestens 90 Prozent der Politiker sehen nur im ständigen Erfinden neuer Ausgaben ihren Daseinszweck.

Deswegen tut es einem Staatswesen auch durchaus gut, wenn es keine funktionsfähige Regierungsmehrheit hat, wie etwa seit eineinhalb Jahren Belgien. Dennoch ist Belgien keine Sekunde lang ins Visier der Märkte gekommen, obwohl seine Schuldenquote die dritthöchste in der EU hinter Griechenland und Italien ist. Können Regierungen keinen Unsinn machen, fürchtet man sich weniger.

Eines jener kleinen Beispiele ist das Gender budgeting. Dieses ist vom Gesetzgeber unter dem Druck einer Handvoll Feministinnen eingeführt worden. Es sieht vor, dass nun bei jedem Budgetposten untersucht werden muss, wieweit er Männern und wieweit er Frauen zugute kommt. Dass dieses Gender budgeting natürlich einen Rattenschwanz an Bürokratie und Kosten auslöst, war den Gesetzgebern wurscht. Wieder einmal haben die 90 Prozent  Geldausgeber unter den Politikern gesiegt.

Im Zuge dieses Gender budgeting stand etwa ein Wiener Bezirk vor der Frage, wie er die Ausgaben für Friedhöfe den einzelnen Geschlechtern zuschreiben soll. Das Geschlecht der Toten wollte man nicht heranziehen (dort haben die Frauen ein Übergewicht, liegen doch viele Soldaten irgendwo zwischen Frankreich und ukrainischen Sümpfen vergraben). Die rettende Königsidee: Man zählte nicht unter der Erde, sondern über ihr, nämlich das Geschlecht der Friedhofsbesucher. Mit diesen Zahlen konnte man dann endlich beruhigt und seriös die unglaublich wichtige Aufgabe lösen, das Friedhofsbudget zu gendern. Übrigens: Auch bei den überirdischen Besuchern haben die Frauen ein Übergewicht.

Wundert es wen, dass das Kabarett immer langweiliger wird, wenn uns die Realität ständig solche Absurditäten beschert? Solchene Sachen kann man nicht erfinden. Niemand würde sie glauben.

Die Liste ähnlicher Ideen ist lang, auf die vielleicht ihre Erfinder stolz sein mögen, die aber so lebensfremd wie unnötig sind. Und die in der Summe unglaublich viel Geld kosten. Alleine die Rechtschreibreform hat Milliarden verschlungen, obwohl ihr einziger Zweck war, dass einige Beamte sich einmal im Leben wichtig fühlen konnten.

Eine weitere teure wie unnötige Reform steht gerade bevor: die Änderung der Bundeshymne. Diese Änderung wird zwar von der großen Mehrheit der Österreicher abgelehnt, trotzdem werden wir wieder Unsummen für viele neue Schul- und Lehrbücher, für Staatsbroschüren mit Hymnentext, für Notenblätter und Tonträger ausgeben. Hoffentlich sind Frau Rauch-Kallat und ihre grün-roten Spießgesellinnen wenigstens froh, dass sie den Staatshaushalt wieder einmal mit Erfolg schädigen konnten . . .

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Fußnote 220: Die Bahn fährt, wo sie will

27. September 2011 03:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war nur eine Randbemerkung der Finanzministerin, aber sie zeigt das provozierende Desinteresse mancher Imperien in diesem Land am Sparen.

Es geht wieder einmal um die ÖBB. Diese, so enthüllte Fekter, haben praktisch noch nie über die Bundesbeschaffungsgesellschaft eingekauft, obwohl sie das Recht dazu hätten. Diese Gesellschaft verschafft ja durch ihre akkumulierte Marktmacht den einkaufenden Bundesbehörden vom Kanzleipapier bis zum Dienstauto oft 40 Prozent bessere Preise, als jeder andere in Österreich zahlen muss. Aber die ÖBB denken nicht daran, wirklich zu sparen, und kaufen daher lieber alles selber ein. Die Vermutung liegt nahe: Würde man alles zentral einkaufen, könnte man ja keine Steuergelder mehr zu Faymanns Freunden verschieben. Freilich kann man auch Fekter die folgende Frage nicht mehr ersparen: Warum bekommen die Bahnen unser Steuergeld eigentlich noch immer ohne ähnlich harte Auflagen, wie sie derzeit etwa die Griechen treffen? Dabei kommen uns Steuerzahler die ÖBB alljährlich teurer, als diese Griechenland-Hilfe vermutlich am Ende kosten wird. Und diese Hilfe bekommen die Griechen nur unter sehr genauen Bedingungen und Vorgaben. Ihnen wird diktiert, wie Beamtenbezüge und Pensionen zu kürzen sind,  was zu privatisieren ist und wie viele öffentliche Jobs abzubauen sind. Wer bankrott ist, muss ja auch dem Masseverwalter das Steuer überlassen. Nur die ÖBB nicht.

PS.: Der zweite von Fekter getadelte Sünder: Auch die meisten Unis bis auf die Wirtschafts-Universität verzichten weitgehend auf den Vorteil des gemeinsamen Einkaufs. Für die gilt aber ohnedies fast dasselbe wie für die ÖBB.

 

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Noch ist Griechenland nicht verloren

27. September 2011 00:33 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Überschrift mag angesichts der nun wohl unmittelbar bevorstehenden Pleite Griechenlands samt drastischem Schuldenschnitt überraschen. Aber gerade am Tiefpunkt kann es in Wahrheit nur noch aufwärts gehen. Vorerst noch unbemerkt von der ausländischen Öffentlichkeit, gibt es in Griechenland erste – erste! – Spuren einer Besserung. Denn so schlimm die Schulden und die längst unvermeidliche Staatspleite mit ihren gesamteuropäischen Folgen auch sind, so mies die griechischen Betrügereien auch sind: Das noch viel größere zentrale Problem des Landes ist die Mentalität der Menschen.

Diese Mentalität hat das Land ins Unglück gestürzt, und Schulden wie Pleite sind nur die Folge. Aber nun gibt es doch eine Reihe von Hinweisen, dass zumindest bei einem wachsender Teil der Griechen ein erstes Umdenken stattfindet. Sie spüren, dass der Weg der letzten Jahrzehnte an ein Ende angekommen ist.

Dieser Weg war vor allem einer der erfolgreichen Erpressung. Der Westen hat in den Jahren des Kalten Krieges auf Grund der aus Griechenland kommenden Signale immer wieder fürchten müssen, dass die Hellenen in den Kommunismus abgleiten oder zumindest die Nato verlassen und in einen antiwestlichen Neutralismus wechseln. Immerhin gab es in dem Land nach dem Weltkrieg einen blutigen Bürgerkrieg zwischen kommunistischen und prowestlichen Kräften.

Durch diese Erpressung haben die Griechen nicht nur die Aufnahme in die EU erzwungen. Sie haben auch zuerst den Amerikanern und dann den EU-Europäern viel Geld abgepresst. Sie haben dadurch auch ihre militärische Hochrüstung gegen die türkische Bedrohung im Konflikt um die Ägäis-Inseln sicherstellen können. Lassen wir dahingestellt, wie viel davon eine echte und wie viel eine übertriebene Bedrohung war. Tatsache ist jedenfalls, dass die Türken mit ihrer Invasion auf Zypern gezeigt haben, dass sie eine imperialistische Macht sind. Tatsache ist aber auch, dass die türkischen Einwohner Zyperns davor vielfältige Diskriminierung durch die dortigen (und von Athen unterstützten) Griechen erfahren hatten.

Erpressung war aber auch ein beliebtes innenpolitisches Machtinstrument. Mit regelmäßigen Streiks haben sich die Griechen wirtschaftlich nicht finanzierbare Lohnhöhen und soziale Ansprüche erkämpft, und versuchen all das heute noch so zu verteidigen. Knapp vor dem offenen Ausbruch der Schuldenkrise war Athen aber auch monatelang von Straßenunruhen linksradikaler Studenten lahmgelegt, denen die (damals konservative) Regierung und die Polizei unter dem Druck der linken Medien nach einem Todesfall nie energisch entgegenzutreten wagten.

Gleichzeitig haben es die Griechen nie verstanden, eine Industrie aufzubauen. Ausländische Investoren haben nicht nur die hohen Löhne und die vielfältigen sozialen Ansprüche griechischer Arbeitnehmer gescheut, sondern sich überdies immer als eher unerwünscht empfunden.

Das mag wohl auch mit griechischen Überlegenheitsgefühlen gegenüber allen Ausländern zu tun haben. Schließlich war das Land vor zweieinhalbtausend Jahren in der Philosophie, in der Mathematik, in der Architektur, in der bildenden Kunst, in der Dichtkunst, in der Entwicklung von Demokratie auf einem so hohen Stand, den andere Regionen Europas damals nicht einmal annähernd hatten, den diese zum Teil auch Jahrtausende später nicht erreichten. In mancherlei Hinsicht konnten sich die Griechen zu Recht als die Väter Europas ansehen – nicht nur in Hinblick auf die Wurzeln des Wortes Europa.

Diese unglaubliche Leistung der damaligen Griechen wurde aber für die späteren zum Ballast. Die Grundlage war weggefallen, aber das Überlegenheitsgefühl ist geblieben. Es äußerte sich etwa im hohlen Prunk des oströmischen Reiches, welches das römische um ein rundes Jahrtausend mehr schlecht als recht überlebte, bevor es von dem islamisch-osmanischen Vorstoß hinweggefegt wurde. Das nationale Überlegenheitsgefühl äußerte sich auch in der orthodoxen Religion, die in jedem Land mit ziemlichem Nationalismus verbunden ist, der im Fall Griechenlands noch durch den Ehrenvorrang der griechischen Orthodoxie übertroffen wird.

Die Geschichtsbücher sind voll von Beispielen, wie Nationen, die mehr oder weniger lang eine globale Führungsrolle hatten, nachher umso länger und tiefer abgestürzt sind. Portugal, Spanien, Rom sind die klassischen Beispiele. Aber auch Frankreich, Großbritannien und Russland haben bis heute Riesenprobleme beim Abstieg vom Gipfel der globalen Macht.

Dieses kollektivpsychologische Problem tritt naturgemäß bei Ländern nicht auf, die nie groß waren und die auch nie das gefährliche Glück eines Rohstoffreichtumes hatten: Finnland, Singapur, die Schweiz, Hongkong, Südkorea sind Länder, wo es den Menschen im Schnitt heute viel besser geht als im Rest der Welt. Auf diesem Weg sind heute auch Chinesen, Vietnamesen und noch etliche andere Länder unterwegs. Sie alle haben aus der Geschichte gelernt, dass nur der eigene Fleiß, die eigene Leistung dauerhaft entscheidend sind, und dass ihnen heute die globalisierte Weltwirtschaft auch die Chance bietet, die Früchte von Fleiß und Leistung zu konsumieren. Diese beiden Vokabel heißen auf Latein nicht ganz zufällig „industria“.

Zurück nach Griechenland: Die eigenen Unternehmer des Landes haben immer die Seefahrt, den Tourismus und Handel als interessanter empfunden denn die Industrie. Aber ganz ohne industrielle Wertschöpfung kann eine Wirtschaft nicht funktionieren. Vor allem wenn sie zusätzlich geplagt wird durch Nepotismus und Korruption, durch Steuerhinterziehung und Überbürokratisierung.

Vielleicht bin ich überoptimistisch, wenn ich die Signale einer ersten leichten Besserung zu sehen vermeine. Aber es gibt jedenfalls etliche Anzeichen, dass sich die Griechen nun erstmals intensiv und ehrlich um ausländische Investoren bemühen. Dass auch die Privatisierung nun endlich ernsthaft angegangen wird.

Das alles ist gewiss keine Entschuldigung für die griechischen Sünden. Und auch nicht für die vielen Fehler der Miteuropäer im Umgang mit dem Land, im sinnlosen wie teuren Hinauszögern der griechischen Pleite. Aber bei aller Tristesse sollten wir uns doch bewusst machen, dass ein so steiler Absturz auch die Grundlage für eine sehr gute nachfolgende Entwicklung sein kann.

Denken wir nur an Finnland: Das Land hat Anfang der 90er Jahre einen noch viel steileren Absturz erlebt als Griechenland derzeit. Das im BIP gemessene Volkseinkommen der Finnen schrumpfte damals um gewaltige 20 Prozent (Ursache war der Zusammenbruch der Sowjetunion, des bis dahin weitaus wichtigsten Handelspartners der Finnen). Aber genau dieser Schock hat die Finnen stärker gemacht. So wie das bei den Deutschen und Österreichern der Schock des absoluten Nullpunkts des Jahres 1945 nach drei Jahrzehnten voller Kriege, Not und Verbrechen getan hat.

Freilich lehrt die Geschichte auch, dass die Heilwirkung einer starken Krise nicht ewig anhält. Aber von dieser Sorge sind die Griechen ja vorerst noch wirklich sehr weit entfernt.

PS.: Dieser - vielleicht verzweifelt anmutende - Versuch, in der griechischen Krise auch so etwas wie eine positive Katharsis zu sehen, ändert nichts an der Notwendigkeit, die Pleite eindlich auch als solche zu bezeichnen. Und den Druck der internationalen Geldgeber aufrechtzuerhalten, dass die griechischen Spar- und Reform-Ankündigungen auch verlässliche Realität werden.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Fußnote 220: Von Pressburg lernen, heißt siegen lernen

22. September 2011 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was anderswo alles möglich ist! Und weshalb wir wirklich viel öfter nach Osten schauen sollten.

Immer öfter werden nämlich die mittelosteuropäischen Reformstaaten zu Vorbildern. Dinge, die hierzulande keine Partei auch nur laut anzudenken wagt, passieren dort einfach: So haben die slowakischen Bahnen alleine heuer schon mehr als 3000 Mitarbeiter gekündigt. Und nächstes Jahr sollen 2000 weitere folgen. Dennoch dreht sich die Welt samt der Slowakei weiter – obwohl die Gekündigten nicht etwa in eine bequeme Frühpension abgeschoben worden sind, sondern sich zumindest zum größten Teil eine neue Arbeit suchen müssen. Dafür hat die Slowakei eine Staatsschuldenquote, die nur halb so groß ist wie die österreichische. Und dennoch ziert sie sich, ihr Geld bei der Griechenland-Hilfe zu verbrennen.

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Wie Schulden-Junkies Österreich erledigen

17. September 2011 02:42 | Autor: Wolfgang Bauer
Rubrik: Gastkommentar

„Junkie“: zu amerikanisch – Slang „junk“ = Rauschgift: Drogenabhängige(r)

Die Droge der Politiker- und Funktionärsklasse ist unser Geld, mit dem sie um sich werfen wollen. Unser Geld gibt ihnen das politische Gewicht. Damit kaufen sie die Stimmen für ihre Parteien. Das macht süchtig.

Wie es so ist bei Junkies: Der Süchtige braucht immer mehr „Stoff“.

So wurden die Steuern und Abgaben hochgeschraubt auf weit über fünfzig Prozent für jene, die das System hauptsächlich tragen müssen. Die werden dafür als „G’stopfte“ verunglimpft, die man noch mehr schröpfen soll.

Aber es reicht noch immer nicht: Die weitaus eleganteste und beliebteste Geldquelle ist die Schuldenmacherei, eine Erfindung der Siebzigerjahre, die seitdem ihren Siegeszug angetreten hat. Eine feine Sache für die Junkies: Neuer Stoff, kein Aufsehen, keine Proteste. Eine Buchung, nicht mehr.

Denn die zukünftigen Zahler sind noch im Jugend- und Kindesalter oder noch nicht geboren – Schutzlose. Sie können keinen Vertrauensschutz beim Verfassungsgerichtshof geltend machen, sie können nicht protestieren – ideal für die Politiker, die ja nur auf die nächste Wahl schielen. Sie greifen damit auf das, was unsere Kinder und Kindeskinder erst erarbeiten müssen, im internationalen Standortwettbewerb.

Jahr für Jahr – die ‚Halbwertzeit’ für unsere Schulden und ihre Zinsen ist unendlich – werden diese von ihren Steuern gleich einmal einen erklecklichen Teil für die Altzinsen wegzahlen müssen. Für Bildung, Ausbildung und Forschung wird weniger Geld da sein als heute. Und – den „Generationenvertrag“ sollen sie ja auch noch einhalten: Unsere Pensionen und Pflege zahlen…

Unsere Nachfolger werden bei höchsten Abgaben in einem Mangelstaat leben müssen, in dem die Politikerklasse und ihre Günstlinge wie Maden im letzten Speck leben. Je ineffizienter das System ist, desto mehr kann bei den Politeliten hängen bleiben. Wir haben das im Kommunismus schon gesehen. Derzeit wird das Volk schon aufgehetzt: „Die 80.000 Reichsten möchte ich erwischen“ sagt der Bundeskanzler. Sein Staatssekretär und der Bundespräsident warnen vor sozialen Unruhen – und wollen Schutzgeld von jenen Bürgern.

Junkies sind schlaue und brutale Egoisten, wenn es um die Beschaffung von Stoff geht:

Dass die Grundlagen der Demokratie zerstört werden, ist ihnen egal. Die Medien werden korrumpiert, sie erfüllen ihre Kontrollaufgabe nicht mehr. Im Gegenteil: Die Bürger werden durch einseitige Themenauswahl und Berichterstattung aktiv desinformiert; damit kann die Demokratie mangels auch nur einigermaßen informierter Bürger nicht die richtigen Entscheidungen fällen.

Der staatliche Rundfunk wurde völlig gleichgeschaltet und darf ungeahndet täglich in TV und Hörfunk gegen das Gebot der objektiven Berichterstattung verstoßen, journalistisch völlig unprofessionell, aber um unsere Zwangsgebühren.

Die Gunst von Massenblättern wird mit Inseraten gekauft – um unser Geld – und diese  hofieren dann Bundeskanzler und Landeshauptleute.

Gegen Unternehmer und Unternehmen wird permanent Stimmung gemacht, obwohl man weiß, dass nur eine gesunde Wirtschaft Sozialleistungen ermöglicht.

Alles wird nur aus Parteiinteresse gemacht, was für das Land und seine Bürger abfällt, ist Zufall. Die politische Moral ist nicht mehr existent. Taktikberater geben die Inhalte vor.

Dümmliche Arbeiterkammer- und Gewerkschaftsfunktionäre glauben „anything goes“ und lassen verfälschte Studien machen, um parteipolitische Ziele zu untermauern. Der schädlichste Bundeskanzler aller Zeiten freut sich über parteitaktische Erfolge und sieht nicht, wo Österreich hingeht…

Österreich wird bald keine nennenswerte Industrie mehr haben, Sozialleistungen werden nicht mehr finanzierbar sein. Österreich wird erledigt sein. Von den Politikern und ihren Günstlingen.

Von den Schulden-Junkies.

Mag. Wolfgang Bauer, www.verwaltungsreform-jetzt.at, 1180 Wien

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Kauft nichts bei Männern (auch wenn es billiger ist)

12. September 2011 00:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manche Texte machen auf den ersten Blick klar, warum unter dieser Regierung jede Verwaltungsvereinfachung unmöglich ist. Im Gegenteil: Der in weiterer Folge unkommentiert wiedergegebene Wortlaut eines Ministerratsbeschlusses zeigt ein scheinbar kleines, aber überaus signifikantes Beispiel für das ständige Anwachsen von Bürokratie, von Kosten und von überflüssigen, unsinnigen, sprachlich für 95 Prozent der Bürger unverständlichen Regelungen. Die ÖVP aber, deren Wähler zu 99 Prozent mit diesem Gewäsch nichts zu tun haben wollen, muss sich fragen, aus welchem Grund sie immer wieder solchem Schwachsinn zustimmt.

In einer Koalition kann man gegen den Willen des sogenannten „Partners“ nichts durchbringen. Aber man muss umgekehrt auch zu keinem absurden Beschluss Ja sagen. Da ich noch immer nicht annehmen will, dass die ÖVP-Führung den hier folgenden Unsinn innerlich teilt, kann es nur einen – wenn auch absurden – Grund dafür geben, dem zuzustimmen: Man fürchtet sich offensichtlich davor, dass einer von Faymanns Lohnschreibern am Boulevard wieder stänkert: „Die ÖVP soll nicht streiten, sondern arbeiten.“ Mit anderen Worten: jedem Blödsinn zustimmen.

Freilich müssen sich auch Schwarz, Blau und Orange vorhalten lassen, dass sie in den vergangenen Jahren selbst den Vorlauf zur folgenden Orgie an teurem Unsinn zu verantworten haben.

Es ist recht signifikant, dass mich ein Leser (mit der zutreffenden Bemerkung: „Zehennägel vorher festkleben“) ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt auf die Wirklichkeit dieser Regierung aufmerksam macht, da der Internationale Währungsfonds von Österreich massiv einen rascheren Schuldenabbau fordert.

Diese Forderung prallte an den Ohren dieser Regierung freilich ungefähr so ab wie ein Aufruf zur Alkoholabstinenz beim harten Kern der Rapid-Anhänger. Was soll auch die von führenden Finanzexperten geäußerte Sorge, dass im nächsten Jahr auch Österreichs Kreditwürdigkeit herabgestuft wird, gegen die brennende Notwendigkeit, den an die Rote Armee erinnernden Gender-Mainstreaming-Politkommissarinnen weitere bürokratische Macht zukommen zu lassen!

Ich darf noch ein Beispiel aus dem Wortschwall der Kampffeministinnen vorweg herausgreifen, das anschaulich zeigt, wie sehr ständig von irgendwelchen Wichtigmacher-Gruppen weiterer Unsinn mit unserem Steuergeld durchgesetzt wird: Die Regierung hat auf Druck des Radikalfeministinnen-Ministeriums beschlossen, dass bei Staatsausgaben (etwa dem Einkauf von Polizeiautos oder Druckerpapier) nicht mehr nur das zweckmäßigste und sparsamste Angebot in strengen Vergabeverfahren zum Zuge kommt, sondern, dass „soziale Aspekte wie Gleichstellung“ künftig ebenso relevant sein sollen. Mit anderen Worten: Wenn eine von einer Frau geführte Firma liefert, darf das Ganze teurer und/oder schlechter sein. Wir haben‘s ja.

Aber nun der unkommentierte Wortlaut des Regierungsbeschlusses (der ja nur einer von vielen ist, die diesen Staat letztlich ins Grab bringen werden):

„Betrifft: Nachhaltige Umsetzung von Gender Mainstreaming

Vortrag an den Ministerrat

Mit Ministerratsbeschluss vom 11. Juli 2000 wurde eine verbindliche Erklärung zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in allen Politikbereichen gefasst und eine Interministerielle Arbeitsgruppe für Gender Mainstreaming (IMAG GM) eingerichtet, um die Strategie des Gender Mainstreaming auf Bundesebene zu implementieren.

Mit Ministerratsbeschluss vom 3. April 2002 wurde auf Basis der Empfehlungen der IMAG GM ein Arbeitsprogramm verabschiedet und mit einem weiteren Ministerratsbeschluss vom 9. März 2004 wurde ein Zwischenbericht zur Durchführung von Gender Mainstreaming in allen Ressorts zur Kenntnis genommen sowie weiterführende Umsetzungsziele und Maßnahmen festgelegt. Im Ministerratsbeschluss vom 5. März 2008 wurde die Anwendung der erstellten Leitfäden für Gender Budgeting und Gender Mainstreaming in der Legistik bekräftigt.

Eine Bestandsaufnahme anlässlich des zehnjährigen Bestehens der IMAG GM im Jahr 2010 hat gezeigt, dass in einigen Bereichen bereits beachtliche Erfolge in der Verankerung von Gender Mainstreaming erzielt wurden. Die Evaluierungsstudie „Zehn Jahre Gender Mainstreaming in der Bundesverwaltung“ habe ich bereits auf der Website http://www.imag-gendermainstreaming.at zur Verfügung gestellt.

Wesentliche Ergebnisse dieser Studie sind die erfolgreiche Umsetzung von Gender Mainstreaming vor allem in den Bereichen geschlechtergerechte Sprache und Gender Budgeting. Auch wurde Gender Mainstreaming in den letzten Jahren zunehmend als Führungsaufgabe erkannt und von den Führungskräften angewandt. Um Gender Mainstreaming und Gender Budgeting nachhaltig zu etablieren, ist es zunächst erforderlich, in jenen Bereichen, in denen bereits Erfolge erzielt wurden, die Umsetzung konsequent weiterzuführen.

Darüber hinaus wären in jenen Bereichen, in denen noch Handlungsbedarf besteht, weitere Schritte zu setzen, insbesondere bei der Implementierung von Gender Mainstreaming in die Organisationsentwicklung, der Verankerung in der Struktur des Ressorts, der Einbeziehung in Zielvereinbarungen, in die Legistik und sonstige Maßnahmen und die geschlechtsspezifische Datenerhebung.

Neue Handlungsverpflichtungen ergeben sich aus der Staatszielbestimmung betreffend Gender Budgeting in Art. 13 Abs. 3 B-VG und den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Bestimmungen zur Umsetzung der Haushaltsrechtsreform (Art. 51 Abs. 8 B-VG, BHG 2013 u.a.). Die Erfüllung dieser Verpflichtungen erfordert das Vorliegen fundierter Ist-Analysen, die auf geschlechtsspezifischen Daten basieren, daher ist die geschlechtsspezifische Datenerhebung eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Gleichstellung im öffentlichen Haushaltswesen.

Im Einzelnen schlage ich daher folgende Vorgangsweisen vor:

Strukturelle Verankerung

Für eine erfolgreiche Umsetzung von Gleichstellungsmaßnahmen in den Ressorts ist das Zusammenwirken von Führungskräften und Gender Mainstreaming Beauftragten unerlässlich. Es soll daher

- eine jährliche Besprechung der obersten Führungsebene mit den Gender Mainstreaming Beauftragten, z.B. im Rahmen eines SektionsleiterInnen Jour fixe, zur Umsetzung der Gleichstellung und zur Festlegung geeigneter Zielvereinbarungen im Ressort stattfinden.

- ein klarer Aufgabenbereich für Gender Mainstreaming Beauftragte festgelegt und dieser in geeigneter Form, z.B. in der Geschäftseinteilung, im Ressortkundgemacht werden.

Geschlechtsspezifische Datenerhebung

Geschlechtsspezifische Daten und geschlechterdifferenzierte Darstellungen sind Grundlage für zielgruppendifferenzierte Analysen und für wirkungsorientiertes Verwaltungshandeln. Daher sollen

- Daten - sowohl eigene Erhebungen als auch extern in Auftrag gegebene Erhebungen - wo dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand bzw. finanziellem Aufwand möglich ist, kontinuierlich und konsequent geschlechterdifferenziert erhoben, ausgewertet und dargestellt werden.

- Inhalte von Berichten, Studien und Publikationen – wo dies mit vertretbarem Verwaltungsaufwand bzw. finanziellem Aufwand möglich ist, geschlechterdifferenziert und gleichstellungsorientiert vermittelt und dargestellt werden.

Ich werde zudem einen Gender Index, der jährlich einen Überblick über gleichstellungspolitische Daten und Entwicklungen in relevanten Bereichen gibt, zur Verfügung stellen.

Legistik

Die wirkungsorientierte Folgenabschätzung bei Regelungsvorhaben und sonstigen Vorhaben ist Bestandteil der Haushaltsrechtsreform des Bundes. Gemäß den Bestimmungen des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 sind in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Auswirkungen auf die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter zu berücksichtigen. Es sollen daher im Sinne der geltenden Rundschreiben des BKA zur Gestaltung der Erläuterungen von Rechtssetzungsvorhaben und unter Bedachtnahme auf § 17 Abs. 3 Z 3 BHG 2013

- bei der Prüfung der wesentlichen Auswirkungen von Regelungsvorhaben und sonstigen Vorhaben der Ressorts die Auswirkungen auf die Geschlechter besonders beachtet und diese Auswirkungen in aussagekräftiger Form dargestellt werden.

Förderwesen, Beschaffungswesen

Förderungen und Beschaffungswesen stellen wichtige Steuerungsinstrumente dar, um die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Es sollen daher im Bereich der Förderungen auf Gender Aspekte in Förderanträgen bzw. in Förderverträgen Bedacht genommen werden.

- im Sinne des Ministerratsbeschlusses zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung vom 20.7.2010 zukünftig neben den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit, auch soziale Aspekte wie beispielsweise Gleichstellung in das österreichische Beschaffungswesen integriert werden.

Den Ergebnissen der derzeit tagenden begleitenden Steuerungsgruppe wird durch diesen Ministerratsvortrag jedenfalls nicht vorgegriffen.

Schulungen und Information

Die erfolgreiche Umsetzung von Gleichstellung erfordert die Einbeziehung aller Ebenen einer Organisation in die Entwicklung von Gleichstellungszielen und das gemeinsame Erkennen des Nutzens von geschlechtergerechter Politik. Daher sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

- über Gender Mainstreaming Vorhaben verstärkt informiert und in die Umsetzung von Gender Mainstreaming Projekten eingebunden werden.

- befähigt werden, durch Inanspruchnahme von Schulungen verstärkt Kompetenz in Gleichstellungsfragen zu erwerben.

Ich werde weiterhin dafür Sorge tragen, dass Workshops und Schulungen zu Gender Mainstreaming und Gender Budgeting zur Verfügung gestellt werden. Durch den Aufbau einer Gender Mainstreaming Wissensdatenbank werde ich den Wissensaustausch und die Wissensverbreiterung von Gender Mainstreaming und die Implementierung von Gender Budgeting im Rahmen der Haushaltsrechtsreform des Bundes unterstützen. Allfällig anfallende Mehrkosten, die durch die Inanspruchnahme von Schulungen, die Beauftragung von Studien usw. entstehen, sind von den betroffenen Ressorts aus den jeweils zur Verfügung stehenden Ausgabebeträgen zu bedecken.

Ich stelle den

A n t r a g ,

die Mitglieder der Bundesregierung mögen diese Vorschläge zustimmend zur Kenntnis nehmen.

31. August 2011

HEINISCH-HOSEK“

Es gab keinen Widerspruch.

 

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Von der Unmoral der Politik und der der Moral der Krise

31. August 2011 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Selbst kluge Menschen fragen immer wieder verzweifelt nach den Ursachen der Krise der letzten drei Jahre. Selbst wissenschaftlich gebildete Menschen lassen sich leicht durch die Politik in die Irre führen, die mit ihren großen Propagandaapparaten ein Einziges noch immer sehr gut kann: Schuldzuweisungen an andere auszustreuen.Was sie in der Krise intensiv getan hat.

Dabei kann wenig Zweifel bestehen, die Politik selbst – und zwar die vieler Länder – ist einer der ganz großen Ursachen der Krise. Das kann man freilich auch positiver klingend formulieren: Die Weltwirtschaft war in den letzten drei Jahrzehnten in so guter Stimmung, dass man jedes ökonomische Problem für lösbar hielt, dass man nachlässig wurde, dass man sich nicht auf große Krisen vorbereitete, dass man die Staaten hemmungslos verschuldete, dass man glaubte, alles durch Wachstum finanzieren zu können.

Daher heute noch einmal Eindrücke von der großen Tagung der Wirtschafts-Nobelpreisträger in Lindau. Am Montag hatte ich ja von den Therapie-Vorschlägen der wichtigsten Wirtschaftsexperten der Welt berichtet. Heute tue ich das – zugegeben in etwas unüblicher Reihenfolge – von deren Diagnosen.

Über die Komplexität der Ursachen scheint sich der Großteil der Ökonomie-Laureaten weitgehend einig. Freilich wagen etliche von ihnen nicht den geschützten Bereich ihrer Spezialdisziplin zu verlassen (wie es etwa die Spieltheorie oder der Behaviorismus sind, die sich ganz auf das Verhalten einzelner Firmen oder Konsumenten konzentrieren, ohne die großen Probleme anzugehen). Dennoch zeigt sich ein großes Ursachenbündel, das in der Summe von den anderen Preisträgern genannt wird. Wobei gar nicht alle in der Krise eine Katastrophe sehen:

  1. Die amerikanische Notenbank Fed hat nach 2003 falsch reagiert. Damals lief nach Ende der sogenannten dot-com-Krise (also dem Platzen der Blase viel zu hoher Aktienpreise für Hunderte Internet-Firmen, die nie Gewinn gemacht haben) die Wirtschaft wieder auf Touren. Die Fed hat dennoch die Zinsen viel zu lange niedrig gelassen. So etwa wörtlich William White, der Chefökonom der OECD. Gleichzeitig bildeten sich in einigen Bereichen Blasen – ein allzu steiler Preisanstieg. Gleichzeitig haben die amerikanischen Haushalte nichts gespart, sondern sich in den Jahrzehnten des Booms verschuldet.
  2. Die Finanzkrise startete im amerikanischen Immobilienmarkt: Die US-Regierung hatte den Fehler begangen, die Finanz- und Währungspolitik einzusetzen, um mehr soziale Gleichheit zu erzielen, das war ein Fehler. So etwa die Diagnose des deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, mit der auch amerikanische Nobelpreisträger übereinstimmen. Mit den Worten des Nobelpreisträgers Myron Scholes: „Das amerikanische Immobilienfinanzierungssystem hat völlig versagt. Die staatlichen Hypothekenbanken gingen völlig unkontrolliert unkontrollierte Risken ein.“ Auch Robert Mundell, ein weiterer Laureat, sieht in der Hypothekenkrise den „ersten Akt“ der Rezession.
    Alle meinen sie dasselbe: Um auch Minderheiten wie Schwarzen und lateinamerikanischen Zuwanderern ein Eigenheim zu ermöglichen, hat die Regierung erzwungen, dass Banken solchen Familien auch dann einen Hypothekarkredit geben, wenn diese weder Sicherheiten noch ein fixes Einkommen haben. Diese Hypotheken waren oft sogar höher als der Wert des Hauses. Das hat zwar kurzfristig einen Immobilienboom ausgelöst und die Unterschichten politisch befriedet. Das hat aber unweigerlich nach Platzen dieser Blase, also beim Sinken des Wertes der Häuser, reihenweise zum Platzen der Kredite und zu Zwangsversteigerungen führen müssen.
  3. Überaus oft sprachen die Nobelpreisträger vom „Moral hazard“ und seinen schädlichen Folgen. Moral hazard bedeutet, dass man bei Eingehen eines hohen Risiko viel gewinnen – aber praktisch nichts verlieren  kann. Denn der Steuerzahler springt ein. „Moral Hazard ist allein imstande, große Krisen auszulösen.“ So etwa Nobelpreisträger Roger Myerson. Und sein Kollege William Sharpe: „Man konnte ein viel zu hohes Risiko eingehen und trotzdem sicher sein, von anderen gerettet zu werden.“ John Nash, Veteran unter den Preisträgern, nannte das gleiche Phänomen „Ehrlichkeitsfaktor“.
  4. Viele Kontroversen löste hingegen Robert Mundell aus: Er sieht Währungskriege als die Ursache aller Krisen – und will deswegen die großen Währungsblöcke fix aneinanderbinden. Was freilich bei den Europäern Kopfschütteln auslöst. Sind doch ihre Probleme nicht zuletzt dadurch entstanden, dass schon der Euro ein viel zu großer Währungsblock zu sein scheint.
  5. Durch einen künstlich zu niedrigen Kurs der chinesischen Währung ist ein Liquiditäts-Exzess entstanden, so nochmals White. Das heißt: Auch die Chinesen haben dafür gesorgt, dass zu viel Dollar und Euro im Umlauf waren und trotzdem die Industrieprodukte nicht teurer wurden. Was normalerweise bei zu großem Geldumlauf passiert.
  6. In den Boom-Phasen entstanden nationale Blasen. Das sind stark angestiegene Preise für bestimmte Werte. In diese Blasen sind aber auch viele globale Gelder hineingeflossen (Myerson).
  7. Die Geldpolitik der Europäischen Notenbank war für etliche Länder an der europäischen Peripherie „völlig falsch“ (White). Diese Länder kamen im ersten Euro-Jahrzehnt trotz überhöhter Lohn- und Preiszuwächse durch den Euro viel zu leicht zu Krediten, obwohl das Gegenteil richtig gewesen wäre.
  8. Die Regierungen in Europa und Amerika haben zu weitgehende Zusagen in Hinblick auf die Pensions- und Gesundheitsversorgung gegeben; was laut William Sharpe besonders im öffentlichen Dienst der Fall war.
  9. „Alle Länder hatten eine asymmetrische Fiskalpolitik. Sie glaubten an den ewigen Boom.“ (White). Das heißt übersetzt: Sie haben auch in Boom-Phasen Schulden gemacht, obwohl selbst nach dem als Schuldenpapst der Linken geltenden Keynes in diesen Phasen Überschüsse zu erzielen wären. Von diesen Schulden haben damals alle profitiert, aber nach dessen Ende wurden automatisch die Defizite hinaufgetrieben.
  10. Der zypriotische Nobelpreisträger Christopher Pissarides analysiert ein Detailproblem der Vorkrisenpolitik, nämlich die Fehler im Arbeitsmarkt: „In Griechenland ist die Teilzeit überreguliert, daher zu teuer. In den Niederlanden werden die Menschen hingegen zu Teilzeittätigkeit ermutigt.“
  11. Joseph Stiglitz hat seine eigene Erklärung für die Krise: „Die große Depression der 30er Jahre war am Übergang von der Landwirtschaft zur Industrie. Jetzt geht es um den Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Man muss daher die Arbeitskräfte durch Strukturpolitik aus einem sterbenden Sektor herausführen. Dennoch wird es immer eine normale Arbeitslosigkeit geben und daher dürften die Versuche die Wirtschaft zu stimulieren, kontraproduktiv sein.“
  12. Die Eurokrise ist, so macht Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut klar, gar keine Währungskrise, sondern eine Mischung aus anderen Krisen (Bankenkrisen, Staatsschuldenkrise). Die Krisen in Griechenland und Portugal sind ohne Verbindung zur Finanzkrise entstanden (also nur durch ständig zu hohe Regierungsausgaben); jene in Irland und Spanien hingegen stehen in Verbindung mit den Aktionen der dortigen Regierungen, die viel zu großen Banken des Landes zu retten.
  13. Die impliziten Schulden der Staaten übersteigen die expliziten, also die offiziell angegebenen um ein Vielfaches. (Nobelpreisträger Edmund Phelps schätzt sie für die USA auf 70 bis 80 Billionen Dollar). Dabei geht es um versteckte oder ausgelagerte Schulden, Haftungen und Zahlungsverpflichtungen (In Österreich wären das etwa die Pensionszusagen, das Gesundheitssystem, die ÖBB, die Asfinag, die Haftungen der Bundesländer und Gemeinden).
  14. Manche Banken haben, wie wenn sie ein Hedgefonds wären, mit viel zu vielen Krediten gearbeitet (Scholes).
  15. Die Ratingagenturen hatten mit falschen Modellen bewertet (ebenfalls Scholes).
  16. Griechenland macht heute noch ein Primärdefizit. Es gibt also, auch wenn man Zinsen- und Schuldenzahlungen abrechnet, trotz Sparpaketen noch immer mehr aus, als es jedes Jahr einnimmt. Das erinnert an die Weimarer Republik der deutschen Zwischenkriegszeit, wo auch dann, wenn man die oft genannten Reparationszahlungen an die Siegermächte abzieht, jedes Jahr mehr ausgegeben als eingenommen worden ist (Hellwig).
  17. „Die vielfach beklagten hohen Lebensmittelpreise haben auch eine positive Seite“, so James Mirrlees, ein weiterer Preisträger. „Denn sie haben viele Menschen aus der Armut herausgebracht.“ Womit er vor allem die in den Dörfern der Dritten Welt lebenden Lebensmittelproduzenten meint. Unser Blick sei zu stark von den städtischen Protesten gegen teurere Lebensmittel geprägt. Außerdem haben die höheren Preise die Lebensmittelproduktion gesteigert.
  18. Sein Kollege Edward Prescott fand sehr viel Zustimmung, zumindest unter den marktwirtschaftlichen Ökonomen, als er die Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit von Krisen sogar verteidigte. „Die Konjunkturzyklen sind die beste Antwort auf Schocks für das Wirtschaftssystem zu reagieren. Daher gehen alle Versuche, die Wirtschaft zu stabilisieren, in die Irre.“ Das war – für mich – wohl der grundlegendste Analyseansatz. Denn er bedeutet im Klartext: Die Konjunkturpakete helfen nichts, verzerren nur die Entwicklung – und hinterlassen immer größere Schulden.

Fazit: Viele der genannten Punkte haben den giftigen Krisencocktail gemischt. Manche Experten sehen freilich auch durchaus Positives in einer Krise. Andere Ursachenforscher vertreten hingegen wieder eher eine originelle Einzelmeinung. Und wenn man sich Prescotts Sichtweise anschließt, dann lag der wirkliche Fehler gar nicht vor der Krise, sondern in den falschen Reaktionen auf die Krise.

Letztlich gibt es jedenfalls ganz sicher nicht „den“ Hauptschuldigen. Letztlich ist aber auch fast niemand nur ein unschuldiges Opfer der Krise. Zumindest sind die Bürger als Wähler dafür verantwortlich, dass sie die Parteien für ihr verantwortungsloses Verhalten nicht bestraft haben.

Diesen vielen Analysen darf man freilich auch eine Erkenntnis des normalen Lebens hinzufügen. Dort gilt wie in der Wirtschaftswissenschaft das gleiche Prinzip: Nachher ist man immer viel schlauer.

 

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33 Prozent und kein bisschen schuldbewusst

21. August 2011 00:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das einzige, was die Wiener Rathaus-Genossen und ihre grünen Speichellecker noch schaffen, ist ihre Skandale mit allen möglichen Tricks zu verstecken. Das zeigt die jüngste Preislawine, die das Rathaus auf die Wiener loslässt. Aber auch diese Tricks werden den Zorn der Stadtbürger nicht dämpfen. Dazu ist das Vorgehen der rot-grünen Genossen zu unverfroren.

Dennoch ist es mehr als einen nur professionellen Blick wert, wie sie dabei taktiert haben.

  1. Die Erhöhungen werden in einem einzigen Schwall losgelassen, sodass die Opfer gar nicht mehr richtig mitkommen.
  2. Sie werden ausgerechnet am Höhepunkt der Urlaubssaison bekanntgegeben, sodass möglichst wenige Wiener etwas davon mitbekommen.
  3. Sie werden zu einem Zeitpunkt vorgenommen, da sich Rot und Grün weit und breit keiner Wahl stellen müssen.
  4. Diese Erhöhungen – zweifellos der dramatischste kommunalpolitische Schritt des Jahres – werden nicht etwa vom Bürgermeister (der wie immer lieber den Freizeitwert seines hohen Einkommens genießt) oder zumindest einem Stadtrat bekanntgegeben, sondern von einem anonymen Sprecher der untergetauchten Küsschen-Küsschen-Finanzstadträtin. Dabei sind ja durchaus nicht alle Stadträtinnen auf Urlaub, sondern zumindest zwei waren gleichzeitig an der Öffentlichkeitsfront aktiv: Die eine bejubelte, dass in den letzten eineinhalb Jahren 500 schwule Paar geheiratet haben (was in Wahrheit angesichts des großen Trommelwirbels zur Einführung dieser Institution lächerlich wenig sind); und die andere sagte wieder einmal irgendetwas Bedeutendes zur Mülltrennung, was mir nur leider entfallen ist, kaum dass ich es gelesen habe.
  5. Rathauspostillen wie „Heute“ bringen die Preiserhöhungen raffiniert schon im Untertitel gleichsam entschuldigend mit der Inflation in Zusammenhang. Und kommentieren lieber eine neue Fernsehsendung als diesen Raubzug.
  6. Und der SPÖ-hörige ORF versteckt die Wassergebühren hinter einer Meldung über Gaspreiserhöhungen, die primär sicher nicht von österreichischen Tätern verursacht sind.

Nun: Ich bin durchaus der Meinung, dass auch kommunale Betriebe kostendeckend arbeiten müssen. Künstlich niedergehaltene Preise sind langfristig der absolut falsche Weg. Aber sich einfach automatisch an die allgemeine Inflationsrate anzuhängen, ist schlicht ein himmelschreiender Skandal, weil völlig unbegründet.

Denn diese Inflationsrate wird weltweit nur durch zwei Bereiche nach oben gepusht, ohne die sie viel niedriger wäre: durch die steil steigenden Energiepreise und durch die ebenfalls deutlich nach oben gehenden Lebensmittelpreise. Beide Male ist die Ursache klar: die rasch steigende Nachfrage bei naturgemäß limitiertem Angebot. Die Nachfrage steigt, weil die Weltbevölkerung zunimmt und weil Chinesen, Inder und die Einwohner Dutzender anderer auf den kapitalistischen Weg eingeschwenkter Schwellenländer nun reicher und damit starke Konsumenten geworden sind.

Das alles treibt unweigerlich die Preise weltweit in die Höhe. Keine dieser Ursachen gibt es jedoch beim Wiener Wasser, das um nicht weniger als 33 Prozent teurer wird. Die Wassernachfrage in Wien stagniert nämlich (durch Nutzwasseranlagen, durch sparsame Klospülungen usw). Es gibt auch keinen internationalen Wettbewerb um das Wasser. Niemand kann es uns wegtrinken (und wenn es einer könnte, wäre es sogar ein gutes Geschäft, weil genug davon da ist – nicht nur in diesem Regensommer). Es sind auch keine großen neuen Investitionen nötig – denn bei der Wasserversorgung profitiert das rote Wien bis heute von den großen Werken kaiserlicher Beamter sowie liberaler und christlichsozialer Bürgermeister.

Trotzdem wird rotzfrech das Wasser in der Dimension der Inflationsrate verteuert. Das Herumgestottere als Begründung, dass man ja den Schutzwald in den Quellgebieten pflegen müsse, ist nur noch lächerlich. Jeder andere Waldbesitzer kann seinen Wald ja auch ohne teuren Griff in die Wiener Badewannen pflegen.

Die Erhöhung hat zwei andere Ursachen: Erstens braucht die Gemeinde für ihre vielen korrupten Geschäfte immer mehr Geld. Wenn das Rathaus seinen gesamten Bedarf bewusst nicht über die billigsten Einkaufsquellen wie die Bundesbeschaffung bezieht, muss die Differenz am Ende ebenso jemand bezahlen wie die Zig-Millionen Euro, die alljährlich für Bestechungsinserate in Boulevardzeitungen und die sonstige rot-grüne Propaganda aufgewendet werden. Auch die vielen Skandale rund um Wiener Bauprojekte kosten viel Steuergeld.

Und zweitens zeigt sich an Hand der Preisexplosion, die jeden Wiener alljährlich eine dreistellige Euro-Summe kosten wird, dass Betriebe unter der Macht und Kontrolle von Politikern und Beamten in aller Regel immer viel teurer wirtschaften als jeder Privatbetrieb. Man könnte beispielsweise die Wiener Wasserversorgung zu einem guten Preis privatisieren. Das ginge, selbst wenn der Käufer vertraglich garantieren muss, dass der Abnehmerpreis im Gegensatz zur jetzigen Praxis maximal um den halben Inflationssatz steigen darf, und wenn vertraglich fixiert ist, dass die Wasserwerke sofort wieder enteignet werden können, wenn sich am Versorgungsgrad oder der Wasserqualität etwas verschlechtern sollte.

Privatisiert werden Wasserversorgung und andere Infrastrukturbetriebe nur aus einem einzigen Grund nicht: Man weiß nicht, wie man dann die Partei und die rot-grüne Propaganda finanziert; wie man dann die eigenen Parteigänger mit Posten bedient; wie man dann den Wiener Beamten die – trotz einer steil steigenden Verschuldung der Stadt – weit über dem Niveau des Bundes und der anderen Länder liegenden Gehälter zahlen kann. Was aber wichtig ist, sind diese Beamten doch die letzten verlässlichen SPÖ-Wähler in dieser ungetreuen Stadt.

PS: Genau diese politische Hemmungs- und Verantwortungslosigkeit, aber auch die „Erfolge“ der Gewerkschaften sind im übrigen dafür verantwortlich, dass in Österreich die Preise um gefährliche 3,8 Prozent gestiegen sind, während es in Deutschland nur 2,6 Prozent waren. Dieser österreichische Weg in eine Mega-Inflation ist ein neuer, aber sehr wirksamer Faktor, der dafür sorgt, dass Österreich wirtschaftlich wieder weit hinter Deutschland zurückbleiben wird. Denn die Inflation reduziert rasch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, wie es ja schon Griechen, Spanier oder Italiener erleben mussten. Die Inflation tritt als Totengräber des österreichischen Wohlstandes und als Ursache der nächsten – und mit Sicherheit noch viel größeren – Krise an die Seite der Hacklerpensionen, der überflüssigen Budgetdefizite (auch da ist das Land Wien übrigens Spitzenreiter), der Verlustmaschine ÖBB, der viel zu hohen Spitalskosten und der überbordenden Bürokratie.

 

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Vom Nutzen der Ökonomen

18. August 2011 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das IHS erhält mit Christian Keuschnigg einen neuen Chef. Entgegen allen Befürchtungen fiel die Wahl auf einen vernünftigen Mann mit gutem Durchblick. Dennoch ist es schade, dass Österreichs bester Ökonom, Christian Helmenstein, nicht zum Zug kommt, weil er halt das Formalerfordernis einer Fußnotenakkumulierung in Form einer Habilitation nicht erfüllt.

Ein solches Werk ist aber in Wahrheit für den Job völlig irrelevant. Die Plagiatsaffären sollten uns eigentlich lehren, solche formalistischen Fußnotenakkumulierungen nicht mehr allzu ernst zu nehmen. Denn es kann ja nicht sein, dass die Klugheit eines Textes weniger wichtig ist als penible Zitiergenauigkeit.

Zurück zum IHS: Da zumindest unter den vorhandenen Kandidaten der beste für die Leitung des zweitgrößten Wirtschaftsforschungsbetriebs Österreichs genommen worden ist, scheint dort alles in Butter. Das ist es aber ganz und gar nicht. Denn das „Institut für Höhere Studien“ wird genauso wie das noch größere „Wirtschaftsforschungsinstitut“ vom selben Grundübel geplagt: Es hat kein stabiles finanzielles Fundament. Es lebt von jährlich erneut fälligen Subventionen einzelner Ministerien und von Forschungsaufträgen, die wieder überwiegend aus politisch gesteuerten Institutionen kommen.

Da halt überall Menschen agieren, gilt ein kritischer Bericht als nicht sehr förderlich für die Vergabe des nächsten Auftrags. Ganz 'zufällig' ist vom Wifo so gut wie nie eine Kritik an Arbeiterkammer oder Sozialministerium zu hören, und beim IHS keine am Finanzministerium.

Gewiss: Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Aber eigentlich sind ja wir Steuerzahler die Fütterer. Und wir wären sehr wohl dringend an objektiven Studien von wirklich voll unabhängigen Wirtschaftsforschern interessiert. Die bekommen wir aber nicht, zumindest nicht auf einer umfassenden Basis.

Damit ist zwar nicht unterstellt, dass die Forscher bewusst etwas Unrichtiges sagen. Aber manchen Themen nähern sie sich halt nur sehr zögerlich. Das ist umso schmerzhafter, als gleichzeitig an Österreichs Unis in Sachen Volkswirtschaft überhaupt totale Ebbe herrscht. Die wenigen Professoren, die internationalen Rang haben, stellen ihr Wissen lieber privaten Klienten gegen gutes Geld vertraulich zur Verfügung. Der Großteil der übrigen Uni-Ökonomen bewegt sich trotz des idealen Rahmens einer wirklichen Unabhängigkeit auf sehr bescheidenem Niveau. Das darf uns allen nicht gleichgültig sein.

Denn es täte dem Land sehr gut, würden bei uns ähnlich wie in Deutschland Hunderte Professoren kritische Stellungnahmen zur Sinnhaftigkeit der diversen Euro-Rettungsschirme veröffentlichen. Es gibt in Österreich nicht einmal eine offene Debatte dazu. Statt dessen herrscht die Devise: Wir sind ohne Einwände jeweils für das, was gerade europäische Mode ist. Da könnte man sich die Ökonomen aber auch gleich ganz sparen.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

 

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Was Jobs, Kurse und Wachstum wirklich killt

11. August 2011 00:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war eine politische Illusion zu glauben, dass sich die Welt an die ständigen Schreckensmeldungen aus Europa gewöhnt hätte. Kaum waren jeweils die Hunderte Milliarden schweren Rettungspakete geschnürt, war schon klar, dass sie zu klein waren. Was sofort den Ruf nach weiteren Paketen auslöste. Die Börsen schöpfen zwar bei jedem Paket ein paar Tage Hoffnung. Aber immer wieder setzt sich die Depression durch. Der Glaube schwindet, dass mit solchen Paketen, die gigantische Summen scheinbar aus dem Nichts schaffen, irgendetwas zu retten wäre. Die Beschwichtigungsreden von Politikern schaden nur noch deren Glaubwürdigkeit, und können die Stimmung nicht mehr bessern.

Eine der Hauptursachen der Krise findet sich in einem eher unbeachtet gebliebenen EU-Bericht. Ihm zufolge müsste etwa Spanien die Löhne um zweistellige Prozentsätze senken. Ähnlich Portugal und Griechenland. Nur so können sie wieder wettbewerbsfähig werden. Nur dann würde in diesen Ländern wieder investiert. Nur dann gäbe es wieder mehr Jobs für die schon fast zur Hälfte arbeitslosen Jungen. Das heißt aber mit anderen – nicht ausgesprochenen – Worten: Solange das nicht passiert, fließen die Hilfsgelder in ein Fass ohne Boden und können jeweils nur kurze Zeit die Illusion eines vollen Fasses erwecken.

Damit aber zeigt sich, dass das ökonomische Problem der Finanz- und Schuldenkrise in Wahrheit vor allem ein politisches Problem ist. Das macht die Krise aber noch viel schwerer lösbar. Denn in keinem einzigen Land scheint die politische Energie vorhanden, den Menschen einen so hohen Reallohnverlust aufzuzwingen. Dabei geht es gar nicht mehr nur um die Angst der Machthaber vor einer Abwahl – die zuletzt mit Ausnahme der stabilen und sparsamen Länder im Norden ohnedies überall schon zur Regel zu werden scheint. Ein solcher drastischer Gehaltsschnitt könnte aber sogar auch revolutionäre Unruhen auslösen.

Da wird es schon fast verständlich, wenn auch nicht verzeihlich, dass die Politik halt immer doch lieber irgendwie weiterwurstelt. Und dass sie nicht wagt, ihren Bürgern die ganze Wahrheit zu vermitteln.

Verschlimmernd kommt dazu, dass auch heute noch viele Gewerkschaften der These anhängen, „mehr Kaufkraft“ wäre ein Mittel, der Krise zu entkommen. Mit Kaufkraft meinen sie aber nichts anderes als Lohnerhöhungen, die nicht auf Produktivitätsgewinnen, sondern auf weiteren Schulden beruhen. Diese reduzieren automatisch das Angebot an Jobs. Dazu kommen weitere sinnlose Kostenbelastungen für Europas Wirtschaft, an denen zwar die Gewerkschaften nicht schuldig sind, dafür aber die Parlamente: Etwa die die Stromkosten in die Höhe treibenden Förderungen für technisch wenig ergiebige Alternativenergien.

Dennoch ein Hoffnungsschimmer zum Schluss: Italiens Gewerkschaften haben ein Papier unterschrieben, in dem sie zwar (noch) nicht für Lohnsenkungen sind, aber für Privatisierungen, Flexibilität und Liberalisierungen. Das waren bisher ganz ungewohnte Töne.

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Die Panik oder: Wann ist irgendwann?

06. August 2011 00:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Trau niemandem mehr. Der globale Kurssturz an den Börsen war zwar im Zeitpunkt nicht vorherzusagen gewesen. Das ist bei solchen, einer Massenpanik gleichenden Entwicklungen nie der Fall. Aber dass wir im letzten Jahr nur ein kurzes „Zwischenhoch“ erlebt haben, das war bei einiger Nüchternheit von Anfang an klar. Dieser Begriff ist daher auch in diesem Tagebuch im letzten Jahr mehr als ein halbes Dutzend Male verwendet worden. Dennoch ist es nicht wirklich logisch, dass jetzt ausgerechnet Aktien so rapide an Wert verloren haben.

Das ist letztlich nur noch psychologisch erklärbar. Denn Aktien verkörpern immerhin Sachwerte, während Staatsanleihen nur noch auf dem naiven Glauben aufbauen, dass die Regierungen den gigantischen Schuldenberg jemals abbauen können. Dieses noch immer vielerorts vorhandene Vertrauen in Staatspapiere gleicht in Wahrheit der Einstellung eines Lotteriespielers, der im Vertrauen auf eine winzige Chance wöchentlich dem Finanzministerium freiwillig große Beträge abliefert. Denn auch außerhalb der PIIGS-Länder haben die Staatsschulden unbewältigbare Dimensionen angenommen.

Natürlich lassen sich die Börsewerte nicht ganz von den Anleihewerten abkoppeln. Denn die Staaten in ihrer Verzweiflung sind zu allem imstande, also auch dazu, dass sie hemmungslos auf all unsere Sachwerte greifen. Projekte wie eine Kursgewinnsteuer sind da nur ein erster Schritt gewesen. Der nächste sind die von linken Parteien schon vehement geforderten „Vermögenssteuern“, die in Wahrheit wieder ganz überwiegend Unternehmen treffen, die aber die einzige Quelle eines eventuellen Wachstums, von Jobs und Wohlstand sein können. Und bald werden sie auch wieder verstaatlichen und enteignen wollen. So wie die Sowjets einst die Kulaken gejagt haben, also die freien Bauern.

Dass man dem Staat alles zutrauen kann, zeigt sich etwa in Italien. Dort veranstaltete eine süditalienische(!) Staatsanwaltschaft vor wenigen Stunden in Mailand Razzien bei einer Ratingagentur. Diese hätte „unbegründet und unvorsichtig“ gehandelt. Das wagen die Schergen eines Landes zu sagen, das die zweithöchste Verschuldung der Welt hat! Das wagen Beamte aus Apulien von sich zu geben, die seit Jahrhundert sehr gut mit der Mafia und von nordeuropäischem Geld leben!

Es gilt ganz offensichtlich die Devise: Niemand darf mehr die volle Wahrheit sagen! Zertrümmert alle Spiegel, damit niemand mehr sieht, wie hässlich wir Schuldenmachergesellschaften geworden sind.

Aber nicht nur Süditaliener, sondern auch viele Politiker sind mit solchen Dolchstoßlegenden immer sehr rasch bei der Hand (und die ihnen hörigen Journalisten sowieso). Wenn die Menschen massenweise das Vertrauen in den von der Politik angerichtet Scherbenhaufen verlieren, dann sind entweder die Ratingagenturen oder die Banken, die Spekulanten oder die „Profiteure“ (neuester O-Ton SPÖ-Staatssekretär Schieder) schuld, aber niemals jene, die jahrzehntelangen Stimmenkauf mit immer mehr Verschuldung betrieben, also von fremdem Geld „profitiert“ haben. Und niemals jene Wähler, die jene gewählt haben, die am lautesten und am meisten versprochen haben.

Sie alle taten das immer im Glauben, die Rechnung müsse irgendwann viel später ein anderer zahlen. Jetzt ist halt die Stunde „Irgendwann“ gekommen. Und der andere sind wir.

Auch wenn rückwirkende Gesetze jede Rechtsstaatlichkeit verletzen, so bekommt man derzeit fast Verständnis für das ungarische Vorhaben, die exzessiven Schuldenmacher aus der sozialistischen Regierungsperiode strafrechtlich zu verfolgen (nachdem die ungarischen Wähler sie schon mit nassen Fetzen davongejagt haben). Ungarn ist ja jenes Ostland, das schon am weitesten in den südlichen und westlichen Schuldenschlendrian verfallen ist.

Was aber tun? Sicher das Gegenteil von dem, was die Regierungen vermutlich jetzt wieder tun werden: nämlich dem verlorenen Geld noch viel gutes Geld nachzuwerfen, und immer neue Schuldpapiere in Umlauf zu setzen, damit vielleicht doch einmal eine Inflation alle Schulden (und halt auch Ersparnisse) auffrisst.

Wir müssen in Wahrheit die Dauerkrise wie das Jahr 1945 ansehen. Das ist eine Stunde null, wo der Wohlfahrtsstaat drastisch beschnitten werden muss; wo „wohlerworbene Rechte“ intensivst hinterfragt werden müssen, ob sie durch irgendeine echte Leistung oder nur auf dem Papier entstanden sind; wo die Staaten alle protektionistischen Regeln und alle bürokratischen Schikanen abschaffen müssen; und wo die Staaten nur noch auf das Notwendige und Machbare reduziert werden. Wir dürfen vor allem keinem Politiker mehr glauben, der mit irgendwelchen rasch geschnürten Rettungspaketen Abhilfe verspricht.

Der Glaube ist freilich gering, dass Europa zu einer solchen Rosskur bereit ist. Statt dessen wird es im Schlamm einer Dauerkrise steckenbleiben. Und es wird, so wie es die Griechen schon seit mehr als 2000 Jahren tun, von der einstigen Größe nur noch träumen, aber in keiner Weise mehr zu neuer Kraftanstrengung imstande sein. Oder es wird so wie Argentinien auf einen Standard nahe der Dritten Welt absinken – obwohl das Land in der Zwischenkriegszeit eines der wohlhabendsten Länder der Welt gewesen ist.

 

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Dörfler und die Gewerkschaft

02. August 2011 00:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Natürlich sind die jüngsten Ideen des Herrn Dörfler ein belangloser Sommerfüller, über den in wenigen Tagen niemand mehr reden wird. Natürlich wäre die von ihm vorgeschlagene Abschaffung der Gewerkschaft in vielerlei Hinsicht rechtswidrig. Natürlich erinnert der Vorschlag an rote und braune Diktaturen, welche die Gewerkschaften immer sofort durch regimenahe Organisationen ersetzen.

Das ändert freilich nichts an der Verantwortung der Gewerkschaften für die gegenwärtige Finanzkrise. Denn sie haben immer mit all ihrer Macht – und die ist zumindest bei schwachen Regierungen ziemlich groß – auf immer noch mehr Schulden gedrängt, damit die Wünsche ihrer Klientel erfüllt werden. Sie taten dies oft unter dem Vorwand einer kruden ökonomischen These: Durch Defizite würde das Wachstum angekurbelt werden; dieses wieder würde dann erlauben, die Schulden abzubauen.

Diese These ist nur abgrundtief falsch. Aus vielerlei Gründen:

Das Alles ist ein guter Grund, aus der Gewerkschaft austreten. Immerhin ist der ÖGB-Mitgliedsbeitrag ja sehr geschmalzen und niemand weiß so genau, wofür das viele Geld verwendet wird. Das alles kann aber in einem Rechtsstaat niemals Grund sein, einen privaten Verein zu verbieten. Oder das auch nur zu verlangen.

Rechtlich fragwürdig ist freilich auch das sogenannte Streikrecht, also die Tatsache, dass ein Streik nicht – wie sonst jede Arbeitsverweigerung – den Arbeitgeber zu einer fristlosen Entlassung berechtigt.

Gerhard Dörfler hat durch seinen Vorschlag auf Biertischniveau aber auch von der viel wichtigeren Diskussion um die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer abgelenkt. Denn diese Institution kostet jeden österreichischen Arbeitnehmer monatlich 0,5 Prozent seines Gehalts. Ob er ihr angehören will oder nicht. Das ist keineswegs ein niedriger Prozentsatz, hat die Forderung nach 0,5 Prozent mehr doch bei Kollektivvertragsverhandlungen schon Streikdrohungen ausgelöst.

Während die Wirtschaftskammer – deren Existenzberechtigung ebenso fragwürdig ist – die Beiträge ihrer Mitglieder in den letzten Jahren wenigstens deutlich gesenkt hat, schneidet die Arbeiterkammer weiterhin bei jeder Gehaltserhöhung stillschweigend, aber heftig mit. Und sie denkt nicht daran, sich mit einem geringeren Prozentsatz zu begnügen, sondern stößt wilde Drohungen aus, wenn man auch nur von der Möglichkeit einer Beitragskürzung spricht.

Dabei sind die Tätigkeiten der Arbeiterkammer sehr überschaubar. Ihr Hauptzweck ist es, propagandistische Vorfeldorganisation der SPÖ zu sein. Sie ist der Hauptberater des Werner Faymann. Und sie macht in jedem Wahlkampf durch bestellte „Studien“ Stimmung für die SPÖ. Der Rest ist zum Vergessen

In Zeiten, wo die Belastung jedes Gehaltszettels durch Steuern und Abgaben in Österreich deutlich höher ist als in allen Nachbarländern, wäre es das einzig Sinnvolle, diese Zwangsmitgliedschaften überhaupt abzuschaffen. Private Vereine wie die Gewerkschaft dürfen hingegen von der Politik nicht angerührt werden.

 

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Cheers for the Tea Party

01. August 2011 00:27 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der amerikanische Schuldenstreit ist vorüber, meldet uns alle Welt. Man darf jedoch an der Meldung ein wenig zweifeln. Denn erstens stehen uns noch dramatische Stunden bevor, bis der verkündete Kompromiss in Tüchern ist. Und zweitens ist es viel leichter zu sagen, dass man ein bestimmte Summe einspart, als ganz konkret zu sagen, wer aller denn genau von den Einsparungen getroffen sein wird. Das gilt insbesondere bei unvorstellbar hohen Summen im Billionenbereich.

Die genauen Opfer der Einsparungen sollen aber erst in einigen Monaten feststehen. Man kann daher wetten, dass die nächsten Wochen noch voll von unzähligen rührseligen und warnenden Berichten sein werden, in denen soziale, militärische, gewerkschaftliche, landwirtschaftliche, regionale, Entwicklungshilfe- oder Branchen-Lobbies dagegen protestieren, dass ihnen Geld genommen wird. Ich bin noch extrem gespannt, ob sich die amerikanische Politik am Schluss im Herbst auch auf das Kleingedruckte einigen wird können. Dieses wird nämlich noch sehr großen Gegendruck erzeugen.

Vorerst jedenfalls hat sich nach allen vorliegenden Informationen der harte Flügel der Republikaner durchgesetzt. Und das ist gut so: Es kommen massive Einsparungen und keine neuen oder höhere Steuern, wie sie die Demokraten bis zuletzt gewollt haben.

Wer im Gegensatz dazu an das letzte österreichische Sparpaket zurückdenkt, der hat den gegenteiligen Prozess beobachten können: Der damalige ÖVP-Obmann schwor noch am Beginn des Jahres 2010 „Keine neuen Steuern und keine Steuererhöhungen“. Am Schluss sind es dann viel mehr Steuererhöhungen als Einsparungen gewesen, welche die Defizit-Lücke geschlossen – nein: ein wenig kleiner gemacht haben. Man mag nun rätseln, ob Werner Faymann als Exponent der Big-Spender-Partie so viel erfolgreicher ist als Barack Obama – oder ob die ÖVP ein so viel schlechterer Vertreter der „Weniger-Staat-Idee“ ist als es die Republikaner sind. Am Ergebnis ändert der Unterschied nichts.

Die Tea Party hat damit zweifellos einen gewaltigen Erfolg erzielt, während sich Obama schlauerweise blitzschnell anderen Themen, etwa den Auseinandersetzungen in Syrien zuwendet.

Das oberste Ziel der Tea Party war ja: keine Steuererhöhungen und Kampf dem Defizit. Beide Ziele hat die Party nun an die Spitze der amerikanischen Agenda setzen können. Und wenn es in den kommenden Monaten doch keine Einigung auf Einsparungen in der vereinbarten Höhe geben sollte, dann sind Obama und die Demokraten ganz eindeutig die Schuldigen. Während ja jetzt die meisten Medien noch versuchen konnten, die konsequente Sparpolitik der Tea Party zu verteufeln.

Das zeigt, dass konsequenter Einsatz der Bürger zumindest in Amerika doch noch Big Government samt Big Media besiegen kann. Das macht Amerika aber auch wieder zu einem attraktiveren Land für Geldanleger. Denn erstmals seit dem Kampf Gingrich gegen Clinton in den 90er Jahren hat der US-Kongress nicht einfach die regelmäßige Erhöhung der verfassungsrechtlichen Verschuldungsgrenzen abgenickt. Damit gibt es endlich ein ganz starkes Zeichen gegen zu gierige und verschwenderische Regierungen.

Die Drohung mit einer Verschlechterung der amerikanischen Ratings, falls sich die Tea Party durchsetzt, war ein leicht durchschaubarer Trick der Demokraten und der ihnen hörigen Journalisten gewesen. Denn natürlich ist jenes Land ein besserer Schuldner, das wieder mit voller Kraft zur Sparsamkeit zurückzukehren beginnt, als ein Land, das ständig die Schulden in die Höhe schießen lässt. Ein verschlechtertes Rating würde es nur dann geben, wenn die US-Regierung ihre eigenen Schulden nicht bedient. Das aber wäre das absolute Ende der Obama-Administration gewesen. Und das will der Präsident wohl nicht, daher hätte er eher die Beamtengehälter ausgesetzt als die Bedienung der amerikanischen Schulden.

Auf Grund tausendfacher historischer Erfahrungen ist es absolut sicher, dass Sparmaßnahmen das Wirtschaftswachstum viel weniger treffen als Steuererhöhungen. Denn Geld in Händen von Politikern und Beamten wird immer viel ineffizienter ausgegeben als in den Händen der Bürger.

Ganz ignorieren sollte man dabei auch das Gerede „Es soll ja nur die Reichen treffen“. Denn Steuererhöhungen treffen immer alle. So wie bei uns ja auch die letzte Bankensteuererhöhung natürlich jeden Inhaber eines Sparkontos getroffen hat. Obwohl es in der Faymann-Rhetorik nur gegen die reichen Generaldirektoren gegangen ist.

In der Hoffnung, dass dort nicht nur Tee getrunken wird: Three cheers for the tea party.

Warum gibt es bei uns noch immer keine?

 

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Eine Krake namens Staat

31. Juli 2011 01:42 | Autor: Fritz Richter
Rubrik: Gastkommentar

Die Realeinkommen sinken seit Jahren in der gesamten Eurozone. Und das, obwohl die Wertschöpfung andauernd durch Automatisierung und Rationalisierung, Outsourcing und diverse andere „…-ungs“ laufend höher wurde. Der Arbeiter, Angestellte und Selbstständige fragt sich andauernd, wer denn Nutznießer dieser Wertsteigerung sein sollte; denn wenn alle unsere gesamten Lohnkosten (also die Bruttomarge eines Selbstständigen und die Bruttokosten eines Arbeiters oder Angestellten) aus der Wertschöpfung zur Gänze abgedeckt werden (müssen!), dann bleibt ein erträglicher Restbetrag an „Gewinn“ über. Die Linken meinen nun, das gehe in den Hals der gierigen Superreichen, und deshalb müssen diese Leute noch mehr steuerlich belastet werden. Stimmt das?

Und damit sind wir beim Stichwort.

Könnte es sein, dass all unsere Bemühungen „quasi umsonst“ waren, weil der einzige wirklich „Gierige“ hier die „Umverteiungswut“ des Staates war? Dass die Gewinne aus Wertsteigerungen so maximal um die drei bis sieben Prozent, die Gewinne des Staates aber über zwei Drittel (Nettoverdienst etwa 48 Prozent des Bruttoeinkommens (amtlich) plus Arbeitgeberanteile (ca zwanzig Prozent) plus Mehrwertsteuer beim Konsum (zwanzig Prozent) ergibt über alles gerechnet mehr als zwei Drittel der Lohnkosten!) der Wertschöpfung ausmachen?

Also deshalb ist zwar der Neidreflex, der künstlich aufgestachelt und populistisch von allen Parteien genutzt wird, die Basis der staatlichen „Abzockerei“, aber das beeindruckt scheinbar niemanden. Alles das, was jeder Europäer mühsam an Mehrwert produziert, wird in die Tasche der „Solidarität“ gepumpt. Durch kalte Progression, also das nicht vorhandene Inflationsbereinigen der Löhne und Einkommen und die Bindung der Steuersätze an nominelle Fixwerte ergibt sich eine laufende weitere Steigerung der staatlichen Einkünfte.

Die Begründung dazu folgt auf den Fuß: Wir wollen doch ein solidarisch „abgesichertes Leben“; alles, was sozial ist, muss hier finanziert werden. Kindergärten „umsonst“ (den ich als Steuerzahler bezahlen muss, nichts ist umsonst!); Schulen kostenfrei (die ich… usw); Unis umsonst (wer zahlt das jetzt?). Kindergelder, Alleinerziehergelder, Müttergelder, Vätergelder, Krankengelder, … kein Ende abzusehen, der Phantasie sind hier keinerlei Grenzen gesetzt – wenn es nach den Linken geht, wo es um Sicherheit und Gerechtigkeit aus sozialistischer Sicht, im bürgerlichen Lager aus Klientelbefriedigungs- Sicht geht.

Bald behält der Staat unsere gesamte Wertschöpfung zurück und gießt sie nach Gießkannenprinzip als großer „Gönner“ und „Wahlzuckerlverkäufer“ wieder aus! Mehr noch: denn schon jetzt werden nicht wenige Steuern von längst versteuerten Werten eingehoben (es soll eine Erbschaftssteuer, höhere Grundstückssteuer, Steuer auf Steuer, usw kommen). Das hat sich kein Adel, kein Robbin Hood, kein römischer Kaiser je erlaubt.

Sofortiger Volksaufstand wäre die Folge gewesen. Heute gehen die Bürger wie die  Schafe zur Schlachtbank und akzeptieren das Ganze unreflektiert! Und das ist noch nicht alles: Der Staat vergreift sich über Staatsanleihen auch an unserem Ersparten: er greift ungeniert auf das Kapital der Banken zurück, um noch mehr „quasi- Umverteilung“ und „soziales Gefüge“ zu gestalten, wohl wissend, dass diese Beträge nie mehr zurückbezahlt werden können… Er häuft eine Schuldenlast auf den Bürger (der das alles über die Wertsteigerung mittels seiner Arbeit zu bezahlen hat!), die dieser sich privat niemals getraut hätte, aufzunehmen. Und das alles, um Wähler bei Laune und die Partei an der Macht zu erhalten!

Aufwachen und Konsequenzen ziehen

Wann um Himmels Willen wacht denn der Bürger einmal auf? Oder sind alle Bürger im Sozialismus- Pardies- Drogenrausch? Warum ist das so? Weil hier der Staat ein Eigenleben als massivster Abzocker der Weltgeschichte aufgebaut hat?

Natürlich hat der Staat hier einen Moloch Kafkanischen Zuschnitts geschaffen. Ein Drittel der Ertragsarbeit in beinahe allen Staaten der Union ist… Beamtenarbeit. Also jene Leute, deren Mehrwertschöpfung von den Steuern der Allgemeinheit bezahlt werden müssen. Das heißt: Nach Abrechnung ihres an den Staat zu bezahlenden fünfzig Prozent Anteils (den Arbeitgeberanteil bezahlen sie nicht, denn dann würde der Staat sich selbst Geld in die Tasche schieben) müssen sie sich für die Arbeit des Nettogehalts rechtfertigen.

Was haben sie für diese weiteren fünfzig Prozent für die Allgemeinheit geleistet? Dieser Rechenschaftsbericht, der regelmäßig vom Rechnungshof in Österreich und Kontrollfunktionen in der EU eingehoben und veröffentlicht wird, ist meistens vernichtend und zeigt keine Wirkung! Welche Wirkung sollte er denn zeigen? Anzeigen und strafrechtliche Verfolgung von Politikern ist nur im Gesetzesbruch anwendbar. Nicht unter normalen Haushaltsbedingungen – was hier „politisch“ gemeint ist.

Nein, die Konsequenz müsste in einer Demokratie spätestens bei Wahlen zum Ausdruck kommen. Geldverschleudernde Politiker sollten nicht mehr gewählt werden, solchen Parteien sollten Denkzettel verpasst, und sie in der Bedeutungslosigkeit versenkt werden.

Aber die Praxis sieht anders aus: Die staatlichen Gauner und Abzocker werden immer wieder gewählt, weil sie natürlich für ihr Versagen immer andere populistische Feindbilder (böse Reiche, die EU, die USA, die Globalisierung, die Banker, die Börsenmakler, Ratingagenturen, usw..) aufbauen und an die Wähler (um Zustimmung heischend!) appellieren, ihnen doch Freibriefe zur Verfolgung dieser „Feinde“ bei den Wahlen zu geben. Daraus und aus den Dauermandaten lässt sich natürlich locker ein ganzes Netzwerk an Macht (Gewerkschaften, Kammern, usw) aufbauen, die das ganze Leben der Bürger umschließen, unter Frischluftnot ersticken oder im Sozialdrogenrausch dahin vegetieren lassen.

Ein Ausbrechen daraus wäre einer Revolution, dramatischer als der von 1794, würdig. Da wir aber Sicherheit wollen und Blutvergießen schmähen, damit auch den dafür notwenidgen Kampf gegen diese staatliche Ausbeutung massiv ablehnen, akzeptieren wir wie Behinderte diesen Zustand.

Dennoch: wir brauchen eine Europäische Initiative. Jetzt! Denn dieses Politikgebilde zeigt nicht nur Risse, sie ist gerade im Einstürzen. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien sind die Ersten, die den Zusammenbruch des „Sozialistischen- Gerechtigkeits- Paradiesversprechen- Kartenhauses“ erleben. Alle anderen, auch Österreich und Deutschland, werden folgen!

Man kann einem Bürger nicht zwei Drittel seiner Wertschöpfung wegnehmen, im Sinne von „Solidarität“, die dann über Wohlverhaltenskanäle verteilt wird. Irgendwann „überlauert“ der Bürger dann, dass er hier der Verlierer ist. Und wenn noch nicht, dann ist es zehn Minuten nach Zwölf, hier zu starten!

Denn was hat man uns doch vor einem halben Jahrhundert versprochen: Wir werden Nutznießer der Rationalisierung der Wirtschaft werden durch mehr Freizeit, höhere Einkommen bei gleichbleibenden Preisen usw. Das Gegenteil ist eingetreten! Und die Nutznießer waren nicht  die „Reichen“, sondern der Leviathan Staat, der Krake, der seine Abzockerhand in jedem Winkel menschlicher Tätigkeit hat. Es wird allerhöchste Zeit, dieses Ungeheuer aus dem Verkehr zu ziehen…

DI Fritz Richter ist Technischer Physiker, in der Systemtheorie arbeitend, Consultant für Business Process Management und Qualitätssicherung.

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Der Zauberlehrling und das Lohnwunder

28. Juli 2011 00:48 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Also sprach der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts: „Es muss auch wieder Reallohnzuwächse geben.“ Denn der private Konsum wachse nur um rund ein Prozent jährlich. Das sei „eigentlich zuwenig in einem Aufschwung“.

Ein toller Zauberlehrling, dieser Herr Aiginger. Jeder, der einen Lohn oder eine Pension bezieht, kann die Sektkorken knallen lassen. Nur: Der gute Mann irrt heftig.

Denn er sagt nicht dazu, dass insbesondere in Österreich der Konsum und auch die Reallöhne am Höhepunkt der Finanzkrise im Gegensatz zu vielen anderen Ländern besonders stark gewachsen sind – verloren haben damals nur die Sparer, Anleger und Unternehmer. Dass also eine Zurückhaltung bei den Löhnen lediglich das überhöhte Lohnwachstum von 2009 kompensiert.

Denn er sagt nicht dazu, dass sein Wifo in recht hohem Ausmaß von Aufträgen der Arbeiterkammer lebt, die noch in jeder Wirtschaftslage Lohnerhöhungen und Schuldenmacherei als Lösung angepriesen hat.

Denn er sagt nicht dazu, dass sich über höhere Konsumausgaben in Österreich mehrheitlich das Ausland freuen kann. Denn die Mehrheit dieser Ausgaben fließt direkt an ausländische Produzenten – was chinesische, vietnamesische, taiwanesische, malaysische Staatstresore längst vor Euro- und Dollar-Noten überquellen lässt.

Denn er sagt nicht hinzu, dass auf dem Arbeitsmarkt längst die Löhne für die knappen qualifizierten Arbeitskräfte zu steigen begonnen haben und vor allem in den nächsten Jahren noch weiter kräftig steigen werden. Facharbeiter (der richtigen Spezialisierung), Techniker, Programmierer, Manager brauchen sicher in den nächsten Jahren keine kollektivvertraglichen Gehaltsrunden. Sie können sich durch Verhandlungsgeschick oder Jobwechsel satt verbessern – und dementsprechend mehr konsumieren. Wer jedoch völlig unqualifizierte Arbeitskräfte, zunehmend aber auch die Tausenden Absolventen der von Arbeitgebern nicht nachgefragten Studienrichtungen noch teurer macht, der raubt ihnen noch mehr der ohnedies schon knappen Arbeitschancen. Und macht sie zu – von Schulden auf die Zukunft bezahlten – Grundeinkommensbeziehern.

Denn Karl Aiginger sagt letztlich auch nicht dazu, dass über das echte Produktivitätswachstum hinausgehende Lohnerhöhungen zum Zweck der Konsumerhöhung eine planwirtschaftliche Milchmädchenrechnung sind, in deren Folge österreichische Unternehmen im internationalen Wettbewerb zurückfallen werden. Nur Milchmädchen können nämlich glauben, das jüngste Zwischenhoch könne jahrelang weitergehen. Die für die Wirtschaftsforscher überraschenden Wachstumszahlen sind einzig Folge der Tatsache, dass nach den Schockjahren der Finanzkrise derzeit viele betriebliche wie private Investitionen nachgeholt werden, dass die ungehemmte Geldschöpfung durch europäische und amerikanische Notenbanken natürlich kurzfristiges Wachstum nach sich ziehen musste. Nichts davon ist aber nachhaltig und langfristig wirksam.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Von der Einsamkeit eines Liberalen

27. Juli 2011 00:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Er war kein Mann des großen Scheinwerferlichts. Viele werden seinen Namen nie gekannt haben. Und dennoch reißt sein Tod ein größeres Loch in Österreich auf, als auch viele seiner Freunde denken mögen.

Denn Rainer Ernst Schütz war einer der ganz wenigen wirklichen Liberalen in einem Land, wo sich so viele als Liberale ausgeben, es aber nur erschreckend wenige sind. Der verstorbene Präsident des „Clubs unabhängiger Liberaler“ war daher vor allem eines: politisch heimatlos. Er war das, obwohl  in der jahrzehntelangen Tradition seines Klubs fast alles, was es in diesem Land an interessanten Menschen gibt, sein Gast gewesen ist – und der einer zuletzt stark angewachsenen Zuhörerschaft.

Immer wieder hoffte Schütz zwar in seinem ehrenamtlichen und aus eigener Tasche finanzierten liberalen Engagement, dass die eine oder andere Partei ihre liberale Rhetorik endlich doch ein wenig ernster nimmt. Doch immer wieder wurde er beim Blick auf blaue, orange, schwarze, (Heide-Schmidt-)gelbe oder auch bisweilen grün-rote Liberal-Rhetorik bitter enttäuscht. Unbeirrt hat er aber dennoch Zeit seines Lebens immer wieder auf das gesetzt, was einen guten Liberalen notgedrungen prägen muss: auf Hoffnung.

Keine der österreichischen Parteien begreift, dass Liberalismus das absolute Gegenteil von Interessenpolitik einzelner Gruppen ist. Ja, das begreifen nicht einmal viele der liberalen Parteien des Auslandes, wie man etwa an der deutschen FDP ablesen kann.

Liberalismus ist in hohem Ausmaß Ordnungspolitik, die objektive und für alle gleiche Spielregeln setzt. Diese Spielregeln gelten in einem liberalen Utopia – im Interesse aller! – auch dann, wenn es einzelne Gruppen schmerzt. Liberalismus lehnt Gruppenprivilegien ab. Er will einen starken Staat nur dort, wo er wirklich benötigt wird, also primär zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung nach innen wie auch nach außen. Dass es Frauenministerien gibt, ist dem Liberalen daher ebenso unverständlich wie ein Wirtschaftskammer-Ministerium. Und die selbstherrliche wie teure Fürstenherrlichkeit von Bundespräsidenten oder Landeshauptleuten ist ihm erst recht fremd.

Schütz hat aber nicht nur unter dem maßlos aufgeblähten Staatsapparat und unter den Kosten des den Staat an den Rand der Insolvenz führenden Wohlfahrtsstaates gelitten. Es hat ihn auch immer sehr geschmerzt, wie sehr der Liberalismus als Konzept der Regellosigkeit im öffentlichen wie im privaten Bereich missverstanden worden ist. Oder denunziert wird. Er war im besten Sinn des Wortes ein Bürger der Hauptstadt dieses Landes, der immer Haltung und Anständigkeit vorlebte, der Bildung und menschliche Sensibilität verkörperte. Fast rutscht mir da das Uralt-Wort von den Tugenden in die Tastatur.

Er war damit das Gegenteil jener Menschen, die sich als liberal ausgeben, nur weil es gut klingt und zu nichts Konkretem festlegt. Weil man heute so und morgen anders reden kann. Er war natürlich auch das Gegenteil jener, die unter Liberalismus jeweils ihre eigenen ökonomischen Vorteile verstehen. Er lehnte alle jene ab, die einmal – wie Schütz – für niedrige Steuern und eine dramatisch abgeschlankte Verwaltung eintreten, die sich das nächste Mal aber voller Inbrunst um Subventionen anstellen, nach Krisenförderungen für ihre Branche rufen oder ständig nach noch neuen Regulierungen und Gesetzen rufen, mit denen unser Leben noch stärker reguliert werden soll (und das noch dazu durch Politiker und Beamte).

Braucht es da noch eine besondere Erwähnung, dass Schütz in den letzten Wochen – neben seiner Krankheit – am meisten an den Unsinnigkeiten der österreichischen wie europaweiten Schuldeneskalationen litt?

Er hat nun ausgelitten.

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Wien wird und wird nicht anders

24. Juli 2011 09:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Zu Beginn dieses Sommers präsentierte die immer glückliche grüne Planungsstadträtin das geplante Baustellenchaos auf Wiens Straßen. Und sie konnte dem organisierten Wahnsinn auch noch eine umweltschützerische Qualität abringen: „Da werden halt viel mehr Wiener auf die Öffis umsteigen", lächelte sie uns entgegen. Wer das als Zynismus empfunden hat, der wusste noch nicht, dass der große Plan der Stadtgewaltigen auch noch die wochenlange Unterbrechung der U 6 vorgesehen hat. Wahrscheinlich will Frau Vassilakou uns jetzt doch lieber zum Gehen und Radeln animieren.

So weit ist es gekommen mit der „bestverwalteten Stadt“, wie sie Michael Häupl so gerne nennt.
Dabei muss man ihm ja punktuell Recht geben: Die Wiener Müllabfuhr funktioniert besser als die in Neapel.
Und das muss uns schon etwas wert sein. Wien darf schließlich nicht Neapel werden.
Demnächst werden wir unsere Wertschätzung sogar noch stärker ausdrücken müssen: Der Herr Bürgermeister denkt nämlich gar nicht daran, das Valorisierungsgesetz außer Kraft zu setzen (dieser Gedanke kommt ihm immer nur vor Wahlen). Wenn die Erhöhung des Verbraucherpreisindex bis zur Jahresmitte um drei Prozent steigt, dann gibt’s in der bestverwalteten Stadt nämlich einen automatischen Anstieg der Tarife und Preise. Diesmal trifft es Wasser, Parkscheine und Müllabfuhr, für die wir noch tiefer in die Tasche greifen müssen. Und Zyniker Häupl warnt alle, die dagegen sind: Wer so denkt, der tritt nämlich für „eine Destabilisierung des Wiener Haushalts und der Wiener Betriebe“ ein.
Den Wiener Haushalt hat freilich die allmächtige Rathaus-SPÖ selber destabilisiert. Etwa die Finanzstadträtin Brauner mit spekulativen Frankenkrediten, die uns 200 Millionen Euro unnötiger Verluste einbringen – und das bei einem Schuldenstand der Stadt von fünf Miliiarden (inkl. der Schulden von „Wiener Wohnen“). Oder der Herr Bürgermeister selbst, der sich seit Jahr und Tag weigert, die Beamten-Pensionsreform für die Gemeindebediensteten nachzuvollziehen (könnte ja Stammwähler vertreiben). Nicht angetastet wird auch der aufgeblähte Verwaltungsapparat - Wien leistet sich 65.000 Beamte. Da könnte man dreistellige Millionenbeträge einsparen, sagt kein Geringerer als der frühere Rechnungshofpräsident Fiedler.
Der meint auch, dass man bei der Zahl der Gemeinde- und Bezirksräte einsparen könnte. Doch dazu fällt Rot-Grün nur die Ausschaltung der Opposition ein: Wenn schon jemanden abschaffen, dann sollen es die (oppositionellen) Nichtamtsführenden Stadträte sein. Fremdes Unglück ist immer leicht zu ertragen. Und auch wenn diese Funktion ein Kuriosum ist: Schafft man sie ab, dann haben alle nicht an der Stadtregierung beteiligten Parteien überhaupt keine Möglichkeit mehr, auch nur die geringste substantielle Information über die Rathauspolitik zu erlangen.
Einen weiteren Vorschlag hat Franz Fiedler gemacht, wie man in Wien sparen könnte: Der Herr Bürgermeister sollte ein Ressort übernehmen, dadurch könnte ein Stadtratsposten wegfallen. Übersetzt heißt das nichts anderes als: Michael Häupl soll endlich für seine stolze Gage auch arbeiten. Und zwar über die wöchentliche Pressekonferenz mit Kreml-Qualität und die diversen Schanigarten-Eröffnungen mit obligatem Achterl hinaus.
Die Liste möglicher Budget-Stabilisierungsmaßnahmen in Wien ist ellenlang. Aber der Bürgermeister kennt nur den einen, seinen Königsweg: Die Bürger weiter schröpfen.
Und sollte sich jemand wundern, warum wir immer draufzahlen müssen, dann muss er sich das nur von den Grünen erklären lassen. Die waren nämlich früher immer gegen die automatische Tarifanhebung. Jetzt, wo sie Herrn Häupl seine absolute Macht sichern dürfen, sind sie freilich dafür. Sie sind aber keine Umfaller. Denn sie haben gute Gründe für ihren Meinungswechsel. Also sprach nämlich der Klubchef der Rathaus-Grünen, David Ellensohn: „Solange Österreich ein Steuerparadies für Millionäre ist, haben alle neun Bundesländer finanzielle Kraftakte vor sich.“
Bei dieser Logik greifen wir doch alle gerne noch tiefer in die Tasche für den nächsten Parkschein!

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Studiengebühren: Der Aufreger verdeckt die wirklichen Probleme

23. Juli 2011 12:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Spindelmann haben gesprochen: Die beiden Regierungsspitzen haben ein erstes gemeinsames Interview gegeben. Und dabei einfach ihre alt gewohnten Plattitüden wiederholt. Nur dort, wo Michael Spindelegger vorführen will, dass er voller neuer Ideen steckt, wünscht man sich die Plattitüde zurück. Etwa bei seinem Königsweg für die Universitäten: Studiengebühren dort, wo es „wahnsinnig viele“ Studenten mit schlechten Berufsaussichten gibt. Gratisstudium dort, wo es keine studentische Nachfrage gibt. Das nennt man dann dynamische Studiengebühren.

Da werden die jungen Menschen ganz sicher scharenweise in die anspruchsvollen naturwissenschaftlichen Studienrichtungen laufen, weil sie sich dafür 350 Euro im Semester sparen! Und wenn das von der rot-grünen ÖH postulierte Menschenrecht auf Bildung in Form eines Gratisstudiums nicht mehr für die Publizistik gilt, studieren alle plötzlich technische Physik?
Der Vorschlag hinkt in einer Weise, dass es beim Zuhören weh tut.
Aber auch der Zugang des siamesischen Regierungszwillings zeugt nicht gerade von großem Verständnis des Universitätssektors (wie auch?) - dass die Unis einfach mehr Geld vom Staat kriegen und die Studien-Plätze nicht mehr in den „philosophischen oder ähnlichen“, sondern nur in den technischen Fächern vervielfacht werden sollen. Mit einer wunderbaren Geldvermehrung geht wirklich alles. Aber ganz abgesehen davon, dass es dieses Geld nicht gibt: Ist das alles, was es zur Universitätspolitik zu sagen gibt?
Eigentlich sollten die Ereignisse der letzten Monate Nachdenklichkeit erzeugt haben. Man könnte sich an die Spanische Protestbewegung vor den Maiwahlen erinnern. Viele dieser jungen Menschen auf dem Platz Puerta del Sol hatten ihr Studium hinter sich – aber keinerlei Job in Aussicht. Und zwar nicht nur wegen der Wirtschaftskrise.
Dieser Jung-Akademiker-Frust kommt auch auf uns zu, wenn wir weiter den Österreichischen Weg der Politik mit Schlag- und Flachworten gehen.
Flachwort Nr. 1: Unis müssen aus sozialen Gründen gratis sein.
Was hehr und jugendfreundlich klingen soil, ist schlicht Unsinn. Erstens haben wir ein exzellent ausgebautes Stipendiensystem. Und zweitens hält nicht die vergleichsweise minimale Gebühr junge Menschen mit schwachem finanziellen Hintergrund vom Studieren ab. Da geht es eher um die Schwierigkeit, bis zum 22., 23. Lebensjahr von den Eltern erhalten werden zu müssen. Vielen fehlen auch die Vorbilder in der eigenen Umgebung, die den Gedanken erstrebenswert machen, sich bis ins frühe Erwachsenenalter ohne eigenes Einkommen durch ein Studium zu kämpfen. Früher bedeutete Bildung den Weg zum gesellschaftlichem Aufstieg und Ansehen. Immer mit dem Blick auf Erfolg in ferner Zukunft. Heute ist es das schnelle Geld, das als Erfolg gilt. Auch das ist eine Folge unserer Seitenblicke-Gesellschaft. Und da soll man sich durch ein jahrelanges Technik-Studium quälten?
Flachwort Nr. 2: Österreich hat eine zu niedrige Akademiker-Quote. Sie muss radikal angehoben werden.
Und wenn wir mit tausenden akademisch gebildeten Publizisten, Psychologen und Politologen endlich eine hohe Quote haben – werden wir dann eine leistungsstärkere Gesellschaft sein, aus der die Nobelpreisträger nur so hervorsprudeln? Es geht, wie so oft, nicht um Quantität, sondern um Qualität. Alles andere ist ein Verbrechen an unserer Jugend und ihrer wie unserer Zukunft.
Darum gilt es, die untragbare Situation der Universitäten mit ihrer Personal- und Raumnot, mit Studentenfluten in ein paar leichten und gähnender Leere in vielen schwierigen Fächern zu verbessern.
Es gibt jetzt ein Fenster, ernsthaft über die Universitäten und nicht nur über den Nebenschauplatz Studiengebühren zu diskutieren, auch wenn diese der Auslöser (und der einfache Aufreger) sind: Als Rot, Blau, Grün sie in der historischen Vorwahl-„Sternstunde“ 2008 abschafften, waren sie im Überschwang zu wenig präzise. Also hat der Verwaltungsgerichtshof dieses Wahlzuckerl wieder eingepackt. De facto gibt es also die Studiengebühr wieder. Darum die neu aufgeflammte Diskussion.
Die Fronten innerhalb der Koalition aber sind nach Jahr und Tag klar, verhärtet und keinerlei Argumenten zugänglich.
Das Resultat wird einmal mehr Stillstand heißen.
Wir haben aber eine Hoffnung: Der neue Wissenschaftsminister kommt aus der Universität. Er weiß, dass er handeln muss. Und er weiß, dass die Studiengebührenfrage sehr vordergründig ist.
1. Ausgerechnet die wissenschaftlichen Hohen Schulen des Landes sind gratis und können mit „Eingangsphasen“ in manchen Fächern gerade einmal die allerärgste zahlenmäßige Überforderung abwenden. Die Ausbildungsqualität leidet daher am Verhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden, vor allem aber auch an der Anonymität der Studentenmassen. Besondere Talente fallen erst gar nicht auf und werden daher zu unser aller Schaden weder gefordert noch gefördert. Die künstlerischen Hochschulen sind zwar ebenso gratis wie die wissenschaftlichen, haben aber rigorose Aufnahmsprüfungen für die selbst festgesetzte Zahl der Studienplätze. Und die Fachhochschulen, die exzellente Ausbildung bieten und deren Absolventen auf dem Arbeitsmarkt umworben sind, verlangen hohe Studiengebühren und suchen sich ihre Studenten aus. Genau so viele, wie sie hervorragend ausbilden können. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft werden die Absolventen der traditionsreichen Hohen Schulen also nur mehr die Schwachspur-Akademiker sein.
2. Es ist viel Geld im Hochschulsektor. Die Frage ist: Wird es effizient eingesetzt? Das ist sicher nicht so. Aber dieses Problem kann man nicht, wie unsere Regierungsspitzen glauben, durch noch mehr Geld und durch Bevorzugung der schwierigen, weniger nachgefragten Fächer lösen. Da muss man schon grundsätzlicher vorgehen. Es hat schon mehrere Anläufe gegeben, teure Doppelgleisigkeiten in unserer Universitätslandschaft zu beseitigen. Sie sind bisher alle gescheitert. Aber die Fragen bleiben: Warum muss jede Uni alles anbieten? Warum muss man allein in Wien Betriebswirtschaftslehre an drei verschiedenen Unis studieren können? Warum muss in einem kleinen Land wie Österreich jeder Universitätsstandort für sich allein ein Vollprogramm hochfahren? Da werden durch Universitätseitelkeiten („Wir müssen eine Volluni bleiben“) Synergien vernachlässigt, die Stärke der universitären Spezialisierung übersehen (warum ist gerade die Montanuniversität Leoben so gut?), da wird die falsche Nachfrage auch durch ein Überangebot gezüchtet.
3. Hinterfragt gehört endlich die heilige Kuh der Einheit von Forschung und Lehre. Nur so könnte man auch die zeitliche Organisation eines Studienbetriebs neu aufrollen: Mehr als die Hälfte des Jahres stehen unsere Unis still. Die dreimonatige Sommerpause wird nicht kritisiert, weil sie ja der Forschung dient. Vielleicht könnte man einmal den Output dieses fröhlichen Ferienforschens bewerten? Dann wird sich wahrscheinlich bald der Schluss aufdrängen, dass sich mit etwas weniger Forscherfreizeit das Studienjahr in Trimester teilen ließe. Und das würde das Lehrangebot erhöhen und die Studentenströme kanalisieren.
4. Hinterfragt gehört schließlich auch die Hochschul-Demokratie. Paritätische Mitsprache gehört dort, wo sie sinnvoll ist. Aber: Wie kann es sein, dass eine Studentin Vorsitzende eines Universitätssenats ist? Und: Wie sinnvoll ist es, dass die Studentenvertreter über Berufungen nicht nur mit-, sondern oft als Zünglein an der Waage zwischen Professoren und Mittelbau end-entscheiden? Da hängt dann das qualitative Schicksal einer Universität von Studierenden ab. Dabei sind sie sozusagen „auf der Durchreise“, verlassen die Uni und hinterlassen so manches bleibende Chaos. Das ist zu viel Macht für eine Gruppe, der naturgemäß der Überblick fehlt.
Karl-Heinz Töcherle hat viele offene Baustellen, die dringend saniert werden müssen. Man kann ihm nur wünschen, dass er trotz des wilden Zeterns, das beim Aufreger-Thema Studiengebühren vorhersehbar ist, nicht gleich abgeschreckt wird, die wirklichen heißen Eisen anzupacken. Aber als Lateiner wird er seinen Vergil schon kennen: „Nunc animis opus, Aenea, nunc pectore firmo – Jetzt ist Mut, Aeneas, jetzt ist ein starkes Herz gefragt.“

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Fekter und der Golden Handshake: Kleine Ursache - große Wirkung?

20. Juli 2011 10:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Maria Fekter ist eine mutige Frau. Sie will erstmals einen Anreiz abschaffen, früher als gesetzlich vorgesehen in Pension zu gehen. Weg mit den Steuervorteilen für „Golden Handshakes“ – das wird das Problem des Frühpensionisten-Paradieses Österreich nicht lösen, aber es ist ein Anfang.

Besser gesagt: wäre ein Anfang.
Denn unsere vereinigten Besitzstand-Wahrer in Gewerkschaft, Arbeiterkammer und – wieder einmal im Gleichschritt – Wirtschaftskammer heulen schon auf - unter der Devise „Wehret den Anfängen“. Sie haben auch Sozialminister Hundstorfer wieder auf Linie gebracht, der kurzfristig seine Gewerkschafterseele dem Ministerverstand untergeordnet hatte, als ihn Fekter mit überraschendem Geschick auf ihre Seite gezogen hat. Er musste schnell seiner Gesprächsbereitschaft abschwören.
Also wird es wieder keinen ersten Schritt geben dürfen, unhaltbare Zustände zu reformieren? Dabei sollte jeder wissen, dass unterlassene Handlungen eine Lawine unangenehmer Folgen auslösen. Besonders in einem Land, das jede Stunde eine Million Euro an Zinsen für seine Staatschulden zahlen muss. Und dem jede internationale Expertise bescheinigt, dass die laschen Pensionsregelungen ins Desaster führen werden. Es führen viele Wege nach Griechenland.
Die Emotionen rund um den Fekter-Vorstoß legen aber ein prinzipielles Problem in unserem Land offen.
Es gibt viele, allzu viele Bereiche, die von Grund auf reformiert werden müssen, will man nicht einen Kollaps des jeweiligen Systems riskieren. Die Liste ist zur Genüge bekannt – Pensionen, Verwaltung, Spitäler, ÖBB und so weiter. Kommissionen tagen, Vorschläge werden gemacht, Ergebnisse werden angekündigt, verschoben, ihre Präsentation vergessen. Das Warten auf den großen Wurf findet kein Ende. Die Problemzonen bleiben, wachsen, steuern auf die Unlösbarkeit zu.
Die Mutlosigkeit der Verantwortlichen wächst. Der Stillstand wird bleiern. Und so wursteln wir weiter. Nicht bis zum St. Nimmerleins-Tag, nur bis nichts mehr geht.
Maria Fekter versucht es jetzt anders herum: Sie will einen ersten Schritt setzen. Einen kleinen Schritt. Aber er könnte einen Dammbruch auslösen. Viele kleine Schritte können auch ans Ziel führen – wenn dahinter ein Masterplan steht. Wenn man vorher kalkuliert hat, wohin der Weg führen soll.
Die reflexartige Ablehnung der Handshake-Reform (des Reformerls, sozusagen) ist auszuhalten. Sie kann wegargumentiert werden, weil das Problem zu erklären und für die meisten zu durchschauen ist. Bei allen großen Reformen wäre das nicht möglich: Da tun sich die populistischen und die von Partikularinteressen gesteuerten Gegner viel leichter, alles abzuschmettern. Sie wissen ja, dass große Änderungen auf viele bedrohlich wirken, weil sie schwer zu durchschauen und zu verstehen sind – und dann bei Wahlen abgestraft werden. Wie damals bei der letzten Reform, die diesen Namen verdient hat, der Pensionsreform der Regierung Schüssel.
Hoffen wir, dass Maria Fekter unbeugsam bleibt. Hoffen wir, dass sie einen größeren Plan verfolgt. Und hoffen wir, dass sich so notwendige Änderungen auf Samtpfoten einschleichen.
Wenn ihr das gelingt, dann wissen wir wenigstens, warum wir fortan die Töchter-Söhne besingen sollen.

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Jeden Sonntag Kindergarten

19. Juli 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eigentlich ist es ein typisches Sommerthema, mit dem Politiker halt irgendwie versuchen, auch in mageren Zeiten in die Zeitungsspalten zu kommen. Aber es zeigt doch paradigmatisch die Doppelbödigkeit der Politik.

Gabriele Heinisch-Hosek, ihres Zeichens Frauenministerin, fordert kürzere Ferien der Kindergärten. Eine Forderung, die man nur unterstützen kann – sofern man sie nicht bezahlen muss. Wozu auch die Ministerin nichts sagt. Sie konkretisierte ihre Forderung in Interviews aber auch noch durch den Zusatz: Die Öffnungszeiten der Kindergärten sollten unabhängig von der Arbeitszeit und Urlaubslänge der Kindergärtnerinnen gesehen werden. Auch da natürlich volle Zustimmung.

Nur bitte: Warum gilt das gleiche logische Prinzip nicht auch für den Handel? Dort wird vor allem von SPÖ-Seite so getan, als ob längere Öffnungszeiten auch zum Oktroi längerer Arbeitszeiten und zu Ausbeutung führen müsste. Was natürlich ein absoluter Unsinn ist. Das nicht nur deshalb, weil gleichzeitig recht widersprüchlich immer wieder behauptet wird, die Frauen würden im Handel in Teilzeitjobs gedrängt, weil ihnen zu wenige Vollzeitangebote gemacht werden. Funktionärinnen wie Heinisch-Hosek können einfach nicht begreifen, dass fast jeder Mensch andere Bedürfnisse hat. Viele Handelsangestellte wollen gar nicht mehr Stunden arbeiten und dadurch mehr verdienen. Für andere hingegen wäre bisweilen ein Sonntag ein schöner Zusatzverdienst. Aber die Partei weiß es offenbar immer besser als die Menschen selber.

Dabei gäbe es in so manchen Handelsgeschäften zum Unterschied von den Kindergärten sogar jemanden, der sich darum drängt, die Mehrkosten zu bezahlen: nämlich so manche Unternehmer, die sich etwa am Sonntag zusätzliche Umsätze erwarten. Im Handel wäre das Problem also signifikant kleiner als bei den Kindergärten.

Im übrigen ist Heinisch-Hosek auch für den öffentlichen Dienst zuständig. Auch da wäre es mehr als verdienstvoll, wenn die Ämter viel länger offen hielten, als die reine Arbeitszeit ermöglicht. Aber auch da macht die Ministerin – natürlich – nichts.

Glaubt sie etwa wirklich, für die Bürger seien die den Bedarf ignorierenden Öffnungszeiten nur im Kindergarten ein Problem? Dann lebt sie halt wie viele Politiker auf dem Mond und nicht in diesem Land.

 

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Unsere Wohlstandsgesellschaft: Generation „Z“ wie „Zukunftsdiebstahl“

13. Juli 2011 21:08 | Autor: Wolfgang Bauer
Rubrik: Gastkommentar

Kindern und Ungeborenen hohe öffentliche Schulden zu überlassen, nur damit es uns heute besser geht und wir der Realität nicht ins Auge blicken müssen, zeigt ungeheure Verantwortungslosigkeit und maximale Unmoral. Unsere Nachkommen können diese Schulden nie mehr loswerden. Schon im Jahr 2015 werden es – inklusive der jetzt noch „versteckten“ – etwa 300 Milliarden Euro sein. Sie müssen auf ewig verzinst werden.

Warum haben wir die Gewohnheitspolitiker, die seit Jahrzehnten ihre Sucht nach jährlichen Neuschulden ausleben, nicht längst aus ihren Ämtern gejagt?

Offensichtlich beruhigen wir uns mit dem Gedanken, dass wir den nachfolgenden Generationen auch Werte hinterlassen, die wir als „Aufbaugeneration“ geschaffen haben.

Die Vorstellung ist als Rechtfertigung verlockend:

  1. Unsere Kinder und Kindeskinder werden von der Infrastruktur, die sie von uns übernehmen, massiv zehren können.
  2. Demgegenüber stehen „halt“ die Schulden, die die öffentliche Hand zur Finanzierung dieser „Zukunftsinvestitionen“ in den letzten Jahrzehnten  aufgenommen hat.
  3. Durch Nutzung der Infrastruktur können unsere Nachfahren das schaffen, was wir als Aufbaugeneration „naturgemäß“ noch nicht konnten: die laufenden Zinsen verdienen und zahlen – und die öffentlichen Altschulden abbauen …

Das entspricht leider aus folgenden Gründen nicht der Realität:.

Jede Generation ist eine „Aufbaugeneration“: Der übernommene Standard taugt ja nur als sogenannter ‚Hygienefaktor’: Sein Fehlen würde schaden, aber sein Vorhandensein bringt keinen Wettbewerbsvorteil. Alle Hochlohnländer gehen in etwa vom gleichen Infrastrukturstandard aus – und schreiten von dieser Basis aus weiter voran.

Darüber hinaus ist vieles, was übernommen wird, eher Belastung. Besonders die Inflexibilität im System, die bürokratischen Apparate, aber auch ineffiziente Gebäude, überalterte Technik etc. Neue Technologien führen zu Umbrüchen, die Produktzyklen werden immer kürzer.

Und die aufstrebenden Staaten haben immer mehr gut- bis bestausgebildete, nach Wohlstand hungrige Menschen, weit niedrigere Lohnkosten, Sozial- und Umweltstandards, enorme Möglichkeiten durch die neuen Medien, offene Märkte, niedrige Steuerbelastungen, zum Großteil weniger Bürokratie, ein positives Technik- und Unternehmerbild etc.

Unser relatives Hochlohnniveau geht auf kein Naturgesetz zurück, sondern muss im weltweiten Wettbewerb laufend neu erarbeitet werden. Vor allem muss auch die produzierende Wirtschaft im Land gehalten werden. Da werden es unsere Nachkommen weit schwieriger haben als wir bisher. Wenn alles – weil billiger – importiert wird und die Exporte zurückgehen, ist der Abstieg programmiert. Durch den Rückgang der Arbeitsplätze sind auch unsere Sozialstandards nicht zu halten.

Unser jetziges Wohlstandsniveau findet seine Ursache darüber hinaus leider zu einem Teil in den Vorgriffen auf die Zukunft: der Schuldenmacherei der letzten Jahrzehnte.

Unsere Nachfolger werden also beim Versuch, ihren Lebensstandard zu erhalten, mehrfach belastet sein:

Unsere Aufbauleistungen werden dabei nur wenig Entlastung bringen.

Wollen wir unseren Nachkommen wirklich und bewusst den hausgemachten Teil dieser Handicaps aufhalsen?

Warum beginnen wir nicht endlich ernsthaft mit der Sanierung? Indem wir wenigstens nicht weiter dauernd neue Schulden anhäufen, sondern durch nachhaltige Budgetüberschüsse Schulden abbauen – und damit wenigstens Reserven für neue Krisen schaffen?

Wie wollen wir gegenüber den Kindern und den noch Ungeborenen rechtfertigen, dass wir – nach 60 Jahren Bürokratieaufbau und Klientelpolitik – nicht spätestens JETZT  alle öffentlich finanzierten Bereiche massiv effizient machen und eklatante Privilegien wieder abschaffen, um damit die dauernden Defizite wegzubringen?

Ich empfehle das Argument: „Es muss ja nicht allen Generationen so gut gehen wie uns!!“

Mag Wolfgang Bauer, www.verwaltungsreform-jetzt.at

Mag. Wolfgang Bauer war beruflich Effizienzmanager und betreibt seit 2011 die nunmehr größte private und parteifreie Internet-Bürgerinitiative zum Thema Effizienz und Privilegienabbau in allen öffentlich finanzierten Bereichen:

www.verwaltungsreform-jetzt.at  (bald 10.000 namentlich deklarierte Unterstützer).

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Die erste österreichische Wissenschafts-Plattform „Science-Blog“

03. Juli 2011 11:06 | Autor: Inge Schuster
Rubrik: Gastkommentar

Österreich hat eine erste Plattform für Naturwissenschaften. Der Science-Blog wird wichtige Themen der verschiedensten naturwissenschaftlichen Gebiete behandeln, über aktuelle Standpunkte informieren und soll das zur Zeit leider sehr geringe, allgemeine Interesse an Naturwissenschaften steigern.

Wir laden das Forum herzlichst ein, mit gewohnter Freude an Diskussion und Kontroverse Fragen, Kommentare und Anregungen zu posten. Bitte, helfen Sie mit, dieses Projekt zum Erfolg zu führen, innerhalb wie außerhalb des Tagebuchs. Eine genauso große und wichtige Hilfe ist es, wenn Sie auf anderen Internet-Adressen Links setzen.

 

Warum haben wir den Science-Blog eingerichtet?

Wissen über Naturwissenschaften und Mathematik und die Anwendung dieses Wissens auf nahezu alle Bereiche des Lebens sind von fundamentaler Bedeutung für die Qualität des modernen Lebens. Sie sind aber auch für den Wohlstand künftiger Generationen entscheidend. Dennoch fehlen vielen Menschen die notwendigen Basiskenntnisse und daraus resultierend das Verständnis für die außerordentlichen Möglichkeiten, die uns diese Fächer bieten – ebenso wie für deren Grenzen.

Es ist besorgniserregend, welch niedrigen Stellenwert Naturwissenschaften in Österreich haben: „Wir leben in einem Land, in dem sogar Vorbilder wie Politiker stolz darauf sind, in der Schule schlecht in Physik gewesen zu sein“ (Josef Lucyshyn, Direktor des Bundesinstituts für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens, bifie). Zu diesem bedauernswerten Umstand tragen die Medien bei, indem sie vergleichsweise sehr wenig und zum Teil in unseriöser Weise über Naturwissenschaften berichten, wohingegen sie dubiosen Parawissenschaften mit unhaltbaren Behauptungen und esoterischem Hokuspokus breitesten Raum einräumen – selbst Horoskope haben dort oft mehr Gewicht. 

Es schmerzt, dass pseudowissenschaftliches Machwerk und Voodoo-Technik sogar hohe Auszeichnungen erhalten. Ich nenne hier nur zwei Beispiele: i) die Prämierung des sogenannten Dokumentarfilms über Lichtnahrung „Am Anfang war das Licht“ (P.A.Straubinger) mit dem Prädikat „Besonders Wertvoll“ und ii) die Auszeichnung des Tiroler Unternehmers Johann Grander für das von ihm vertriebene „belebte“ Leitungswasser mit dem österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und – als ob dies noch nicht schon genug gewesen wäre – mit dem Ehrendiplom der Wirtschaftskammer Tirol vor zwei Jahren.

Desinteresse an Naturwissenschaften, Unwissenheit, aber auch fehlende Kenntnis seriöser Quellen sind selbst bei gebildeten und ansonsten äußerst kritischen Mitbürgern zu finden. Die Flut an populistischen, reißerisch aufgemachten pseudowissenschaftlichen Heilsversprechungen führt zur Verunsicherung. Immer mehr Menschen fragen sich: „Wem soll, wem kann man trauen?“ Andererseits rufen trockene, da wissenschaftlich fundierte Berichte oft Aversion hervor. Die Konsequenz ist ein boomender Esoterik-Markt, der (vage Schätzungen aus Deutschland auf Österreich übertragen) bereits mehr als eine Milliarde Euro im Jahr einbringt. Dessen Produkte erzielen jedoch bestenfalls Placebo-Wirkung.

Besonders bestürzend ist das offensichtliche Desinteresse junger Menschen an Naturwissenschaften. Die Fragebogenauswertung von Pisa 2006 zeigt „eine relative Geringschätzung des allgemeinen sowie des persönlichen Nutzens der Naturwissenschaften“. In Österreich meinen weniger Schüler als anderswo, dass die Naturwissenschaften„wertvoll für die Gesellschaft“, oder „für ihr Erwachsenenleben nützlich“sein könnten.

Auch der Anteil der Jugendlichen, die Freude an der Beschäftigung mit Naturwissenschaften äußern, ist in Österreich niedriger als in den meisten anderen Ländern (OECD, 2007). Dementsprechend ist in Österreich die Motivation, Naturwissenschaften auch in Hinblick auf ein darauf aufbauendes Studium und spätere Berufschancen zu lernen, viel geringer als in allen anderen Ländern.

Was ist der Science-Blog?

Dieser Blog soll interessierte Laien in allgemein verständlicher Sprache über wichtige naturwissenschaftliche Fragen und Standpunkte informieren, deren Grenzen in kritischer Weise abstecken und Vorurteilen fundiert entgegentreten. Als Autoren des Blogs fungieren in erster Linie international ausgewiesene, renommierte Wissenschafter aus Grundlagenforschung und angewandter Forschung.

Ihre Kompetenzbereiche decken ein weites Fächerspektrum ab – von Mathematik, Physik und Chemie über Biowissenschaften bis hin zur molekularen Medizin. Die meisten dieser Wissenschafter sind der Öffentlichkeit bekannt. Sie sind oder waren auch in maßgeblichen Funktionen an der Mitgestaltung der Wissenschaftslandschaft in Österreich beteiligt. Dementsprechend werden sich einige Beiträge auch mit aktuellen wissenschaftspolitischen Themen auseinandersetzen.

Der Science-Blog bietet Wissenschaftskommentare aus Erster Hand. Er unterscheidet sich damit bewusst von ähnlichen Blogs im Ausland, die Beiträge von Autoren unterschiedlicher Qualifikation inhaltlich unredigiert ins Netz stellen. Er unterscheidet sich auch darin, dass er kein Science-News Portal darstellt.

Der Science-Blog ist eine unabhängige Initiative. Er ist von mir, Dr. Andreas Unterberger und Matthias Wolf, cert.nat.sci. & cert.physics, ohne jede externe Unterstützung mit eigenen Mitteln und eigener Arbeitskraft in die Welt gesetzt worden. Sie sind auch für den laufenden Betrieb verantwortlich. Den wichtigsten Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten die hochrangigen Autoren, die ihr Wissen unentgeltlich und im größtmöglichen Bemühen um allgemein verständliche Darstellung zur Verfügung stellen.

Ziele des Science-Blogs

Das vorrangige Ziel des Blogs ist ein breiter Dialog zwischen Öffentlichkeit, Bildungseinrichtungen, Forschung und Politik. Es gilt ein Klima gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens aufzubauen und das Interesse an Naturwissenschaften und den aus ihnen resultierenden faszinierenden Möglichkeiten für Gesellschaft, persönliche Entfaltung und berufliche Chancen zu erwecken. Gleichzeitig sollen neuartige Kooperationen von Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit Schulen gefördert werden. Dabei sollen durch Peer-Review ausgewählte Projekte präsentiert werden.

(Dr. Inge. Schuster, PhD, ist Chemikerin und Physikerin mit langjähriger Forschungserfahrung. Sie lehrt an einer Fachhochschule und ist wissenschaftliche Koordinatorin der Tagebuch-Tochter Science-Blog.at, die sie zusammen mit Andreas Unterberger und Matthias Wolf entwickelt hat und betreut).

 

 

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Fußnote 207: Das sind ja ganz neue steirische Bräuch

30. Juni 2011 14:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man soll die Politik nicht nur immer kritisieren, sondern auch loben, wenn sie einmal einen Schritt in die richtige Richtung geht. Wenn es auch nur ein kleiner ist.

Das gilt heute für die steirische Ankündigung, den Proporz abzuschaffen und Landtag wie Landesregierung zu verkleinern. Zumindest in diesem Punkt kann man die Steirer den anderen Ländern – aber vor allem der bei Einspar-Reformen in totalen Tiefschlaf verfallenen Bundesregierung – nur als Vorbild vorhalten. Immerhin werden dadurch künftig auch etliche Mandatare von Rot und Schwarz ihre Sitze verlieren. Der Protest der ums Überleben kämpfenden Kleinparteien ist logisch, aber irrelevant. Besonders lobenswert ist aber auch, dass die Grazer Regierung in den letzten Wochen den Protesten der üblichen Lobbies gegen ihr Sparpaket standgehalten hat. Anderswo fällt man ja schon beim ersten Protestlüfterl um. Aber offenbar muss Politikern – ob in Graz oder Athen – der Schuldensee schon bei den Nasenlöchern stehen, bis sie erst den Mut zu Vernünftigem finden.

PS: Dass die Steirer ihren Spar-Mut gleich durch (teure) schulpolitische Nivellierungs-Ideen konterkarieren, ist allerdings ein Beweis, dass die Summe des Unsinns in der Politik immer eine konstante bleibt.

PPS: In die Lobesliste der Vernunft gehört übrigens auch die Salzburgerin Burgstaller, die im Gegensatz zu den meisten ihrer Kollegen nicht glaubt, dass die Verteidigung aller föderalistischen Geldverschwendung der Haupt-Lebenszweck eines Landeshauptmannes ist. Die Hauptübeltäter diesbezüglich sitzen vielmehr im Wiener Rathaus, in St. Pölten und in Klagenfurt.

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Nicht die Lehrer, sondern Richter, Beamte und Politiker am Pranger

27. Juni 2011 16:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine neue Imas-Umfrage zeigt wieder einmal, wie sehr das Bild der Medien von der Wirklichkeit von dem abweicht, das die Österreicher sehen. Ein besonderes Opfer dieser Verzerrung sind die Schulen.

Vor allem die halbgebildeten Journalisten in Boulevard-Medien und ORF können sich seit Jahr und Tag nicht genug tun an regelmäßigen Attacken auf Lehrer, Schulen und Bildungssystem. Die Österreicher wissen es aber besser.

Das zeigt eine neue Imas-Umfrage, die an die Österreicher zusammen mit einer langen Themenliste folgende Frage gestellt hat: „Wenn Sie Vergleiche zwischen Österreich und den übrigen westeuropäischen Ländern ziehen: Was von dieser Liste ist Ihrem Gefühl nach bei uns besser als in den meisten anderen EU-Staaten?“

Da gibt es ein eindeutiges Ergebnis: Weitaus am schlechtesten wegkommt „Der Umgang des Staates mit den Steuergeldern“: Da glauben nur 7 Prozent, dass dieser Umgang bei uns besser als anderswo wäre, hingegen 23, dass er schlechter ist (Die Mehrheit entschied sich bei fast allen Fragen für ein Weder-Noch). Gleich an zweitschlechtester Stelle steht eine relativ ähnliche Frage: „Die Sauberkeit und Anständigkeit in Politik und öffentlichem Leben“ (Besser sagen 8 Prozent, schlechter 16).

Wenig Begeisterung löst auch „Das Verhalten der Beamten und Behörden gegenüber den Bürgern“ aus (Besser: 14, schlechter: 14). Besonders erstaunlich sind die schlechten Noten für die „Gerechtigkeit bei den Gerichten (Gleichheit vor dem Gesetz)“. Auch da sehen nur 16 Prozent Österreich als besser dastehend an und 13 als schlechter.

In diesem Vergleich hat überraschenderweise die vielgescholtene „Ausbildung an den Schulen“ ein viel besseres Image (Besser: 24, schlechter: 13). Spitzenreiter sind freilich die Ärzte – was aber zu erwarten war (Besser: 64, schlechter: 2) – und „Die Altersversorgung (Besser: 51, schlechter 6).

 

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Countdown auf tirolerisch: Zwei Berge, ein Bürgermeister, Null Vernunft

17. Juni 2011 00:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es gibt in Österreich keinen einzigen Berg, dessen Begehung und Besteigung untersagt wäre. Egal, wem er gehört. Privaten, Adeligen, Stiften, den Bundesforsten, dem Alpenverein. Niemand darf Bürger und Touristen von den Anhöhen fernhalten. In Tirol stürzt jedoch der Himmel ein, wenn zwei völlig unbedeutende Berge verkauft werden sollen.

Zumindest in der Phantasiewelt eines Bürgermeisters einer Kleingemeinde ist diese Verkaufsabsicht trotz der gesetzlich abgesicherten Freiheit der Berg-Nutzung für jedermann die absolute Katastrophe. Dieser Bürgermeister treibt wiederum seinen Landeshauptmann auf die Barrikaden, als gelte es, wie einst Andreas Hofer Bayern und Franzosen aus dem Heiligen Land zu vertreiben. Und der Landeshauptmann treibt wiederum den Wirtschaftsminister auf noch höhere Barrikaden. Ein Verkauf komme ja überhaupt nicht in Frage, donnert der Minister, der sich bekanntlich (ob seiner Schönheit) sogar zu Höherem berufen fühlt.

Was war geschehen? Der verkaufswillige Bösewicht ist die Bundesimmobilien-Gesellschaft BIG, an die (bis auf einige Schätze wie die Hofburg) alle Gebäude der Republik samt Grundstücken übertragen worden sind. Damit sollten nach der jahrzehntelangen, korruptionsfreudigen Misswirtschaft der diversen Bundesgebäudeverwaltungen die Häuser und Grundstücke so effizient verwaltet werden, wie das auch private Grundeigentümer schaffen.  Das ist jahrelang auch durchaus geglückt. Das hat dem Steuerzahler etlichen Gewinn gebracht. – und es gab keinerlei Hinweis auf Korruption. Ihrem Auftrag entsprechend wollte die BIG nun zwei Tiroler Berge verkaufen, mit denen sie absolut nichts anfangen konnte, die auch absolut nicht zu den sonstigen Tätigkeiten der Gesellschaft passen.

Das hat genügt, um eine Tiroler Komödie ausbrechen zu lassen. Anlass war aber nicht die sich logischerweise aufdrängende Frage: Wer mag überhaupt Geld für ein paar Berge ohne irgendwelche bekannte Schätze in die Hand nehmen? Nein, in Tirol ist vielmehr deshalb die Panik ausgebrochen, weil die Heimat ausverkauft werde. So als ob ein Amerikaner jene Berge abtragen würde, um sie in Disneyland wieder aufzustellen. Und niemand dachte daran, in einem Verkauf auch eine Chance zu sehen: Na, vielleicht kann man einen neuen Eigentümer dazu motivieren, beispielsweise durch Bau einer Hütte etwas in den Tourismus auf diesen Bergen zu investieren.

Dümmer geht’s nimmer. Oder doch? Denn ein Wirtschaftsminister, der als Eigentümervertreter dieser BIG sofort mit ins Horn des Montan-Populismus bläst, ist wahrscheinlich noch ärger als ein paar Tiroler Lokalpolitiker nach dem vierten Schnaps.

Wo bleibt da die Wirtschaftskompetenz der Volkspartei? Dabei geht es natürlich nicht nur um die erhofften Einnahmen für die Berge. Es geht darum, dass in dieser Regierung nicht einmal mehr ein Wirtschaftsminister an den Effizienzsteigerungen durch die diversen Ausgliederungen interessiert ist. Der Steuerzahler ist dieser Regierung absolut wurscht geworden. Und offensichtlich auch der einstigen – und letzten – Wirtschaftspartei ÖVP (zu der ja alle Akteure zählen). Denn was einem Tiroler Bürgermeister zugestanden worden ist, wird man nun auch Hunderten anderen lautstarken Interessenten zugestehen müssen.

Es hat ja auch schon vor den Bergen angefangen: nämlich als die Unterrichtsministerin Schmied von der Noch-Nie-Wirtschaftspartei SPÖ beschlossen hat, der BIG nicht mehr (oder zumindest erst zu Sankt Nimmerlein) die Mieten für die Schulen zu zahlen. Da ging es sogar um viel größere Beträge. Und auch da hat niemand die Stimme zugunsten des Steuerzahlers erhoben.

Ähnliches passierte, als der Bund die Grenzen für die Pflicht zur Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen gewaltig in die Höhe schnellen ließ. Das sorgt natürlich dafür, dass nun wieder viel öfter, Freunde – nennen wir sie halt so – einzelner Politiker und Beamter zum Zug kommen. Und nicht jene Firma, die es am billigsten und besten macht.

Wir haben ja offenbar eh genug Geld, dass wir uns all das leisten können. Auch das Geld für Griechenland oder die Hypo Alpe-Adria ist ja eh alles nur verborgt und wird auf Heller und Pfennig zurückgezahlt . . .

 

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Ausgerechnet dort, wo die EU goldrichtig liegt, ist sie zu schüchtern

14. Juni 2011 00:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Schade, dass ausgerechnet die besten, wichtigsten und klügsten Aussagen der EU-Kommission nur in Form zarter Empfehlungen daherkommen. Die EU ist ja bei anderen, viel problematischeren Themen durchaus mit voller Härte der rechtlichen Verbindlichkeit von Verordnungen, Richtlinien oder Gerichtserkenntnissen unterwegs. Das reicht vom Glühbirnenverbot über die Rechte der deutschen Medizinstudenten in Österreich bis zur Umsetzung von Basel 3. (Mit einer nachträglichen Ergänzung am Ende)

Die jüngsten Empfehlungen der EU an Österreich haben jedoch leider keine rechtliche Qualität. Sondern sie haben nur die Qualität der Vernunft. Sie werden daher von der Regierung so unbeachtet bleiben, wie sie auch von den meisten Medien weitgehend ignoriert worden sind. Was – im Interesse Österreichs! – sehr traurig ist. Dabei sind die Empfehlungen aus Brüssel ohnedies schon viel zu schwach gegenüber dem, was wirklich nottäte. Und möglich ist.

Die EU rät der Republik völlig zu Recht, die Budgetkonsolidierung zu verstärken. Die jährlichen Einsparungen sollten der Kommission zufolge in den nächsten zwei Jahren jeweils ein dreiviertel Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. In der österreichischen Budgetplanung ist jedoch nicht einmal ein halb so schnelles Tempo vorgesehen.

Brüssel sieht sogar das von der Wiener Regierung selbst gesetzte Ziel gefährdet, das Defizit von 4,6 Prozent des BIP (im Jahr 2010) auf 2,4 Prozent im Jahr 2014 zu reduzieren. Die Maßnahmen zur Reduktion des „übermäßigen Defizits“ Österreichs seien „zu unspezifisch“. 

Ins Allgemeinverständliche übersetzt heißt das: Die Regierung produziert nur heiße Luft und wird wahrscheinlich nicht einmal die eigenen ohnedies völlig unzureichenden Einsparvorhaben schaffen. Die groß propagierte Antisteuerhinterziehungs-Kampagne wird nach Überzeugung Brüssels ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg bringen. Was ähnliche Kampagnen ja auch in anderen Ländern nicht geschafft haben.

Gleichzeitig kritisiert die Kommission die hohe Abgabenquote in Österreich (das ist im wesentlichen der Anteil unserer Einkommen, den uns Steuern plus Pflichtversicherungen gleich wieder wegnehmen). Diese Abgabenquote zählt zu den höchsten in der ganzen EU, bestätigt die Kommission. Zugleich haben die sehr hohen Sozialversicherungsabgaben auch einen negativen Effekt auf die Beschäftigung im Niedriglohnbereich. Sie machen Arbeit unqualifizierter Arbeiter zu teuer.

Diese Erkenntnisse sind zwar an sich nicht neu. Aber dennoch wünsche ich mir, dass die sonst so freigiebige EU auch in diesem Zusammenhang einmal ein bisschen Geld in die Hand nimmt und diese Erkenntnisse und Empfehlungen landauf, landab plakatiert. Denn ganz offensichtlich denkt die österreichische Politik nicht daran, den als „Einladung“ umschriebenen Ratschlägen der EU nachzukommen. Die Regierung beschloss zuletzt sogar wieder lauter neue Ausgaben. Und Bundeskanzler wie Bundespräsident haben nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der europäischen Empfehlungen sogar ungeniert schon wieder nach weiteren Steuererhöhungen gerufen.

Natürlich sollen diese laut der ewig gleichen Rhetorik der Politik wie immer nur die „Reichen“ treffen. Und nie wird zugegeben, dass eine solche Unterscheidung nicht funktionieren kann. Erstens wachsen auch die Nicht-so-Reichen auf Grund der Inflation oder ihres beruflichen Aufstiegs immer rasch in jene Einkommensbereiche beziehungsweise „Vermögen“ hinein, die kurz davor noch als Reservat der „Reichen“ gegolten haben. Zweitens vertreibt man damit immer extrem rasch alle jene Menschen aus dem Land, die wirklich Geld haben. Und die anderen Arbeit geben könnten.

Steuererhöhungen leeren die Kassen und Börsen

Ein neues dramatisches Beispiel für die negativen Konsequenzen von Steuererhöhungen ist die seit heuer geltende Ausdehnung der Kursgewinnsteuer (man muss der Neuregelung zufolge nun Kursgewinne immer versteuern, früher war das nur während des ersten Jahres nach Aktienkauf notwendig). Diese Steuerausdehnung war zwar damals auch von einem vermeintlichen Wirtschaftsspezialisten wie dem Spitzenmanager Claus Raidl gefordert worden. In der wirklichen Welt hat diese Steuererhöhung aber eine Katastrophe für den Finanzplatz Wien ausgelöst.

Im vergangen Monat, also im Mai 2011, hat sich nämlich das Handelsvolumen an der Wiener Börse um 42 – in Worten: zweiundvierzig! – Prozent reduziert. Das lässt befürchten, dass die Steuererhöhung am Schluss ein Minus in der Staatskasse auslösen wird. Was ja wohl nicht ganz der Zweck der Übung war. Ganz besonders schnell haben sich ausgerechnet die österreichischen Anleger von ihrer Börse abgewendet. Sie trauen dieser Regierung alles Üble zu. Das alles demoliert nebstbei natürlich auch die langfristige Überlebenschance der Börse.

Der von der Politik total ignorierte Kollaps der Börse bedeutet logischerweise auch, dass künftig weniger Investitionskapital für österreichische Betriebe zur Verfügung steht. Und dass derzeit schon viel Geld über die Landesgrenzen hinausfließt. Wenns nicht anders gegangen ist, halt im Koffer.

Nicht mit Zahlen belegbar, aber in gewichtigen Einzelfällen nachweisbar ist auch eine weitere massiv negative Wirkung der Steuerpolitik der letzten zwei Jahre: Sowohl die Verschlechterung der Stiftungsbesteuerung wie das Gerede über weitere Steuerattacken auf Stiftungen und Banken vertreiben Kapital aus Österreich. Man sollte sich für die Zukunft auch bewusst sein: Selbst die großen Banken sind nicht dauerhaft gezwungen, in Österreich zu bleiben, sind sie doch längst schon internationale Akteure. Und Bratislava oder Prag sind wunderschöne Städte mit einer sich rasch verbessernden Infrastruktur.

Mit Sicherheit die gleiche negative Wirkung, wie sie schon die Kursgewinnsteuer hatte, würde auch eine Einführung der von allen österreichischen Politikern geforderten europaweiten Finanztransaktionssteuer haben. Derzeit scheitert diese ja zum Glück noch am Widerstand klügerer Regierungen wie etwa der britischen. Diese Finanztransaktionssteuer (die jede simple Geldüberweisung verteuert) würde nämlich massiv Investoren und Geldgeschäfte aus dem EU-Raum vertreiben. Und außerdem würden viele komplizierte Umgehungskonstruktionen zur Vermeidung der Steuer entstehen, die nur Steuerberatern etwas nützen.

Die goldenen Worte der EU-Kommission haben nur einen Fehler (abgesehen davon, dass sie sowieso von der Regierung ignoriert werden): Sie sind noch viel zu wenig ambitioniert. Denn es gibt in Wahrheit im gegenwärtigen Konjunkturboom keinerlei Grund, überhaupt ein Defizit zu machen. In Wahrheit sollte und müsste Österreich heuer oder spätestens im kommenden Jahr sein Defizit komplett abbauen. Die Schulden werden ja sowieso gewaltig bleiben. Ein solcher Defizitabbau würde halt eine Einsparungsanstrengung von 2 bis 3 Prozent des BIP bedeuten und nicht nur von 0,75 Prozent (EU-Empfehlung) oder 0,35 Prozent (das erwähnte Ziel der Regierung).

Ein solches Sparprogramm wäre gewiss nicht schmerzfrei oder gar populär. Nur ein physisch schon schwer angeschlagener Hannes Androsch kann behaupten, der Staat könne 20 bis 30 Milliarden einsparen, „ohne dass Leistungen gekürzt werden müssen“. Selbstverständlich müssen viele überflüssige oder luxuriöse Leistungen, Subventionen und Programme radikal gekürzt werden. Was immer laute Schmerzensschreie der derzeitigen Nutznießer auslösen wird. Aber andererseits sind die 2 bis 3 Prozent Einsparung nur die Hälfte der 5 Prozent Einsparung, die Griechenland in den letzten zwölf Monaten geschafft hat – obwohl das Land ringsum ob seiner viel zu geringen Einsparbereitschaft getadelt wird.

Es ist wohl so: Ein EU-Land, das zu Konjunkturzeiten nicht einmal einen Bruchteil der griechischen Anstrengungen auf sich zu nehmen bereit ist, wird selbst einmal ein Griechenland werden.

PS. Bestürzend ist auch der Vergleich mit Italien, einem weiteren notorischen Krisenkandidaten: Italien hat sich in seiner Budgetplanung fest vorgenommen, 2014 ein Nulldefizit zu haben. Österreich hingegen will in jenem Jahr noch immer ein Defizit von 2,4 Prozent produzieren. Und wenn eine neue Krise kommt, wird man dieses Ziel halt leider, leider auch nicht erreichen.

PPS. Nur zur technischen Information: Das oft zitierte BIP Österreichs wird heuer über 290 Milliarden Euro ausmachen.

(Nachträgliche Ergänzung: Wenige Tage danach fordert jetzt auch der Währungsfonds Österreich zu den gleichen Maßnahmen wie die EU auf: Schulden sollten "ehrgeiziger" abgebaut werden. Dabei solle sich Österreich vor allem auf Pensionen, Gesundheitsvorsorge und Subventionen konzentrieren, etwa durch eine schnellere Reform der Hacklerregelung. Bei den Subventionen wird insbesondere auf die ÖBB und die Wohnbauförderung verwiesen. Alles altbekannt - aber immer wichtig!)

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

 

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Wie lange kann sich Österreich die Leistungsfeindlichkeit noch leisten?

04. Juni 2011 00:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manches Mal sind es nur kleine Notizen, die nachdenklich machen, wie etwa diese in einer Schweizer Zeitung: Die fünf Prozent ärmsten Schweizer sind noch immer besser gestellt als die fünf Prozent reichsten Inder – trotz des indischen Wirtschaftsbooms. Das wird für die ärmsten Österreicher angesichts des hier noch viel stärkeren Wohlfahrtssystems nicht viel anders sein.

Solche Meldungen veranlassen Ideologen dazu, nach einer globalen Umverteilung zu rufen. Dagegen würden sich aber 90 Prozent der Schweizer (wie der Österreicher) heftig wehren. Das macht überdies in Summe nur alle ärmer, wie die Geschichte zeigt. Viel wichtiger ist es nachzudenken: Was sind eigentlich die Wurzeln des mitteleuropäischen Wohlstands? Und wird er sich – mit oder ohne Vorsprung gegenüber anderen – halten lassen?

Mit Bodenschätzen, Kolonialismus oder ererbtem Reichtum lässt sich da gar nichts erklären. Die Schweiz ist eines der bodenschatzärmsten Länder der Welt; sie hatte noch weniger Kolonien als Österreich; und dieses war 1945 das ärmste Land Europas – ärmer als manche Länder, die sich heute in der Schublade „Dritte Welt“ finden.

Auch genetische Erklärungen helfen nicht weiter. Denn breite Studien aus den USA zeigen, dass die Asiaten (dort vor allem Vietnamesen und Chinesen) sowohl bei Intelligenztests wie auch an den Unis weit besser abschneiden als die Weißen.

Die einzige valide Erklärung für den sich nicht nur im Konsum, sondern auch bei Lebenserwartung und Kultur auswirkenden Wohlstand ist das europäische Wertesystem. Dessen Basis lautet: Freiheit und Leistung im Rahmen einer liberalen Rechtsordnung.

Freiheit und Leistungsbereitschaft wurzeln in Europas kollektiven Erfahrungen wie auch im Christentum, auch wenn sich manche Theologen schwer damit tun. Das Rechtssystem wiederum ist ein Erbe der alten Römer. Insofern ist die Basis der heute stabilsten, friedlichsten, gesündesten und wohlhabendsten Gesellschaften der Menschheitsgeschichte also schon auf eine Erbschaft zurückzuführen, jedoch auf eine immaterielle.

Die große Frage ist heute freilich: Sind wir uns noch immer dieses Fundaments bewusst? Ist den Europäern klar, dass Freiheit, Leistung und Rechtsstaat ständig verteidigt und neu erkämpft werden müssen? Ich fürchte: Nein.

Der Wert der Freiheit – von der Meinungs- bis zur Erwerbsfreiheit – war für die Europäer nach den beiden mörderischen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts offenkundig. Jedoch sind heute die allermeisten dahingestorben, die noch eine eigene Erfahrung mit diesen Systemen hatten. Eine der Folgen: Die Freiheit wird immer mehr durch Regeln und Gesetze, aber auch die einengende Herrschaft einer Politischen Korrektheit reduziert.

Noch rascher schwindet das Bewusstsein der Notwendigkeit von Leistung. Jahrzehntelange Gehirnwäsche hat uns suggeriert: Wir müssten nur die Partei X wählen, dann verdienen wir mehr, dann gehen wir immer früher in Pension, dann gibt es immer mehr gratis. Jahrzehntelang hat der öffentlich-rechtliche(!) Rundfunk nach derselben Masche Witzchen gemacht: „Furchtbar, heute ist Montag! Wann kommt endlich das Wochenende?“

Der Traum von der Leistungslosigkeit schlägt sich auch in harten Daten nieder: 1970 dauerte ein durchschnittliches Arbeitsleben 42 Jahre, heute nur noch 35 Jahre – trotz der um rund ein Jahrzehnt gestiegenen Lebenserwartung. 1970 betrug die Staatsverschuldung 12 Prozent des (damals noch dazu viel niedrigeren) Bruttoinlandsprodukts, heute liegt sie über 70 Prozent. Wobei die steil gestiegenen Pensionszusagen, für die nichts zurückgelegt worden ist, noch gar nicht einberechnet sind.

Nur ein immer kleiner werdender Teil der Bürger trägt noch die Leistungsanstrengungen. Der Rest ruht sich im morschen Wohlfahrtsstaat auf welken Lorbeeren einer verblichenen Vergangenheit aus. Das erinnert lebhaft an die Griechen, die seit mehr als 2000 Jahre nur von der Erinnerung an ihre große Vergangenheit leben. Mehr schlecht als recht.

Inder, Chinesen, Vietnamesen, Koreaner, Thais wollen hingegen das Match der Zukunft gewinnen, und zwar durch eine unglaubliche Leistungsorientierung. In ihren Schulen wird gebüffelt und gestrebert, dass sich die Balken biegen. Wettbewerb und beinharte Auslese regieren vom Kindergarten bis zum Berufsende. Arbeitszeitregelungen, Umweltschutz, Pensionssystem, Urlaubsansprüche, Gesundheitsversorgung: Überall stößt man in Asien auf eine total andere Welt.

Manche Leser werden jetzt denken: Will der Autor bei uns asiatische Verhältnisse haben? Natürlich will er das nicht. Es gibt aber keine angenehme Alternative zu einer starken Wiederbelebung des dahinsterbenden Leistungsprinzips. Wer glaubt, aus lauter Mitleid mit den wenig gewordenen Kindern (auch deren Zeugung gilt ja schon vielen als unzumutbare Mühe) und aus Angst vor den Wählern den Österreichern Anstrengungen und Wettbewerb ersparen zu können, der begeht in Wahrheit ein historisches Verbrechen. Nur über das Leistungsprinzip auf allen Feldern vom Beruf bis zum Sozialsystem können wir – zusammen mit Freiheit und Recht – unsere Zukunft sichern.

Die Geschichte ist erbarmungslos: Sie ist nämlich voll von untergegangenen, verarmten oder marginalisierten Kulturen.

(Dieser Text erscheint in ähnlicher Form auch in den ÖPU-Nachrichten der Österreichischen Professoren-Union.)

 

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Alles schon einmal dagewesen - oder doch nicht

01. Juni 2011 01:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wie sich die Bilder gleichen: Vor zwei Jahren hat sich eine kriselnde große Koalition auf ein umfangreiches Paket geeinigt und neuen Optimismus verkündet. Ähnliches geschah nun auf dem Semmering. Beide Male aber war das von den Schöpfern bejubelte Paket in Wahrheit teuer und total verfehlt. Der einzige Unterschied: Damals lag die SPÖ total am Boden (nicht zuletzt, weil die heutigen Faymann-Jubelmedien wie ORF und die drei Boulevard-Zeitungen Alfred Gusenbauer heruntergemacht haben - mit oder ohne Auftrag); heute liegt dort die ÖVP. So weit so offenkundig. Aber warum ist das Paket total verfehlt?

Dass die herbeigeredete Aufbruchsstimmung des Jahres 2008 nur wenige Monate später in Neuwahlen geendet hat, ist bekannt. Viel zu wenig bewusst sind sich die Österreicher hingegen des wirklich historischen Fehlers von Gusenbauer und Molterer. Was schade ist – denn dieser Fehler wird derzeit offenbar eins zu eins von Faymann-Spindelegger wiederholt.

Der Fehler auf den Punkt gebracht: Im Frühjahr 2008 herrscht noch die Abendsonne einer Hochkonjunktur; im Frühjahr 2011 herrscht ein plötzliches strahlendes Zwischenhoch am Konjunkturhimmel . Das sind die idealen Zeitpunkte, zu denen Staaten sparen sollten, um ein wenig Fett für die unweigerlich bald wieder kommenden mageren Jahre anzusetzen. Aber beide Male tut die Regierung so, als ob von nun an Österreich zum Schlaraffenland würde.

Aus Blödheit? Aus Feigheit? Das mag Andreas Treichl entscheiden. Tatsache ist, dass dieses Verhalten sowohl jedem gesunden Menschenverstand wie auch jedem ökonomischen Lehrbuch widerspricht (außer dem 50bändigen Arbeiterkammer-Werk „Fröhliches Schuldenmachen bis zum bitteren Ende“).

2011 ist diese Leichtfertigkeit aber noch schlimmer als damals. Beim letzten Mal hatten die Staatsschulden dank der eisernen (und von den Wählern nicht bedankten) Sparpolitik Schüssels und Grassers einen Tiefpunkt erzielt. Heute sind sie am absoluten historischen Höhepunkt.

Und da geht diese Regierung her und verkündet 90 (ausgeschrieben: neunzig) Punkte, die allesamt den Staatshaushalt Geld kosten und keinen einzigen Spar-Punkt, keine einzige kurz-, mittel- oder langfristige Strukturvereinfachung. Dass das jemand als Erfolg darstellen kann, hätte bis vor kurzem meine Vorstellungskraft überstiegen.

Natürlich sei es jedem gegönnt, der solcherart aus der Staatskasse bedient wird. Was aber nichts daran ändert, dass der Kurs ein völlig falscher ist.

Dass Faymann unter Politik nur populistisches Verschleudern gepumpten Geldes versteht, ist ja seit seiner furchtbaren Milliardenvernichtung vom 24. September 2008 allgemein bekannt. Und daher nicht weiter überraschend. Dass der neue ÖVP-Chef etwas für Kinder und Kirche herausschlägt, liegt auf ähnlicher Linie. Auch wenn Kinder ja noch irgendwie als Zukunftsinvestition zu verstehen sind. Auch wenn Spindelegger erkennen lässt, dass die Partei wenigstens wieder erkannt hat, wo ihre traditionelle Klientel eigentlich daheim ist (war). Dass es ihr wenig hilft – und dem Land schon gar nicht –, wenn ständig die Bauern bedient werden wie unter Pröll.

Trotzdem ist es erschütternd, dass die neue Finanzministerin keinen Hauch eines Widerstandes gegen die Ausgabenwut der neualten Regierung gezeigt hat. Maria Fekter scheint einem grundlegenden Missverständnis über die Aufgaben eines Finanzministers zu unterliegen. Die Bürger wollen in diesem Job nicht jemanden haben, der sich bemüht, nach harten Zeiten Everybody‘s Darling zu werden. Fekter hätte statt dessen wie eine Löwin für ein einziges Ziel kämpfen müssen: Nulldefizit sofort!

Denn wenn auf jeden Österreicher Schulden von 24.000 Euro entfallen, ist der Abstand zu den 29.000 auf den Schultern jedes Griechen nicht mehr allzu groß. Und die 15.000 Euro, die jeder Portugiese schuldet, kaum dass er die Welt erblickt hat, sind dagegen geradezu harmlos.

Aber die historisch unbeleckte Faymann-Truppe glaubt ja möglicherweise wirklich, die plötzlich sehr guten Wachstumszahlen blieben dauerhaft. Und die rasch wachsende Inflation, die Blasen im Immobilien- und im Rohstoffmarkt seien mit den üblichen Beschimpfungen der Wirtschaft (des Lebensmittelhandels, der Molkereien, der Benzinfirmen) wieder wegzukriegen, ohne dass sich auch der Absturz des Herbstes 2008 wiederholen würde.

Die Regierung übersieht dabei vor allem eines: Der jetzige Aufschwung hat einen einzigen Vater – das ist der erstaunliche Boom in Deutschland, von dem die wirtschaftlich eng verflochtene Alpenrepublik prima profitiert. Aber wenn man das übersieht, dann bekommt man auch nicht mit, dass die Deutschen soeben selber ein baldiges Ende des Booms beschlossen haben. Denn der totale Ausstieg aus der Kernenergie wird das Land (und seine Satrapen) mit absoluter Sicherheit in eine noch viel tiefere Krise stürzen, als sie im Herbst 2008 ausgebrochen ist.

Österreich sieht die geringe Belastbarkeit der Ursache des Aufschwungs nicht. Österreich macht ganz im Gegenteil den Unsinn mit. Und gibt daher Unsummen für die Wunschträume des (in SPÖ-Manier heftig inserierenden und daher nirgendwo kritisierten) Nikolaus Berlakovich aus. Dieser will nämlich gleichzeitig Österreich von importiertem Atomstrom unabhängig machen und die angeblich so gefährlichen CO2-Emissionen drastisch zurückfahren.

Das ist ohne eine schwere Wirtschaftskrise aber absolut unmöglich. Dennoch lächelt Berlakovich weiter das Lächeln des Ahnungslosen. In dieser Regierung gibt es nämlich niemanden, der von Volkswirtschaft eine marginale Ahnung hätte. Und dass die Voest künftig nur noch außerhalb Europas investieren will, braucht Berlakovich ja schon gar nicht zu stören. Die Voest steht nämlich nicht im Burgenland.

Zur Lösung dieser Absurdität kann man es sich auch so einfach machen wie die „Presse“, die einfach eine Greenpeace(!)-Graphik auf die Seite 1 druckt. Diese Graphik zeigt einen dramatisch zurückgehenden Energieverbrauch für die nächsten Jahre. Womit  das Dilemma der Energieknappheit spielend gelöst ist, zumindest auf dem Papier. Womit auch tollkühn ignoriert wird, dass in der Ökonomie keine Korrelation so eng und so gut bewiesen ist wie jene zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch. Oder ist es ohnedies der Zweck der Übung, dass ganz Europa durch diese Maßnahmen in eine bittere Depression hineingetrieben werden soll?

 

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Zurück ins Jahr 1945

24. Mai 2011 00:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Problem mit Griechenland, Portugal & Co lässt sich auf zwei Sätze konzentrieren. Erstens: Solange es einen Ausweg zu geben scheint, werden viele Regierungen nicht ernsthaft mit der Sanierung beginnen. Zweitens: Die nötige Ernsthaftigkeit besteht in einem Gesinnungswandel der gesamten Bevölkerung, der vom Forderungs- und Wohlfahrtsstaat abgeht und eine gemeinsame Kraftanstrengung startet, die der Energie der Wiederaufbaujahre nach 1945 gleicht.

Je früher und stärker dieser Gesinnungswandel eintritt, umso weniger ist er auch mit dem äußeren Elend jener Jahre, mit Hunger und Not verbunden. Ich finde jedenfalls in keiner Aufzeichnung aus dem Jahr 1945 Berichte über Demonstrationen und Streiks, mit denen die Bevölkerung irgendwo geglaubt hätte, ihr arges Los verbessern zu können (Erst 1950 haben etwa in Österreich die Kommunisten das versucht, sie wurden aber von den sozialdemokratischen Arbeitern in die Schranken gewiesen). Ich finde auch nirgendwo in jener Zeit das selbsttäuschende Argument, dass ja jemand anderer schuld an der Krise sei, weshalb man selber nicht sparen müsse. Obwohl das damals viel richtiger war als heute. Stattdessen hat jeder – auch ohne staatliche Subventionen – angepackt, wo auch immer Not am Mann (und damals ganz besonders: an der Frau) war.

Von dieser Gesinnung sind vor allem die Südeuropäer heute weit entfernt. Der spanische Ministerpräsident Zapatero etwa hat vor den Wahlen vom vergangenen Sonntag ganz offiziell angekündigt (er „garantierte“ das sogar), dass es keine weiteren Einsparungen mehr geben wird. Er hat sich zu dieser wahnwitzigen Zusage hinreißen lassen, weil ein paar Tausend Studenten dagegen protestiert haben.

In Portugal wiederum fand das Sparpaket der Regierung keine parlamentarische Mehrheit. Und in Griechenland vertreiben ständige Streiks insbesondere bei Fähren und im Luftverkehr viele Touristen, sodass der Fremdenverkehr als wichtigster Wirtschaftszweig ein zehnprozentiges Minus hinnehmen musste.

Dabei wären viele Nord- und Westeuropäer prinzipiell durchaus bereit, aus Solidarität jetzt sogar ganz bewusst nach Griechenland zu kommen. Sie haben aber verständlicherweise keinerlei Lust, während des Urlaubs tagelang in Luft- und Seehäfen herumzuhängen.

Der Streik der griechischen Luftlotsen erinnert übrigens an Amerikas Ronald Reagan, der einst streikende Fluglotsen gefeuert und durch Armeeangehörige ersetzt hat. Das war in der Folge für den sozialen und wirtschaftlichen Frieden der USA sehr dienlich – bis dann Bush und Obama die große Schuldenkrise ausgelöst haben.

Schuld an dieser Malaise in Südeuropa sind aber auch die falschen und verwirrenden Signale aus den anderen Ländern Europas. Denn die diversen Hilfspakete haben zwar einen kurzfristig harten und in seinen Konsequenzen schwer abschätzbaren Schock vermieden, sie haben aber den Einwohnern der bankrotten Länder eine völlig falsche Botschaft vermittelt: Man müsse zwar jetzt so tun, als ob man ein bisschen spart und heftig darüber wehklagen, aber wirklich wehtun dürfe und werde das Sparen nicht, gibt es doch die reichen Onkel in Deutschland und Umgebung. Die müsse man nur ein wenig unter Druck setzen, dann zahlen sie schon weiter.

Daher glauben die Griechen auch nicht wirklich den Drohungen Angela Merkels, dass erst die üppigen Urlaubs- und Frühpensionsregeln in Südeuropa abgeschafft werden müssen, bevor es neues deutsches Geld gibt. Denn ganz offensichtlich denken viele Menschen im Süden: Wer einmal umgefallen ist, so wie die Deutschen im Frühjahr 2010, der wird auch ein zweites Mal umfallen.

Freilich steht Merkel heute daheim unter einem stark gewachsenen Druck: Die schlechten Wahlergebnisse und Umfragewerte der Regierungsparteien haben ihr eine deutliche Botschaft geschickt, wie unbeliebt die Griechenland-Hilfe ist. Vor allem drohen schon Dutzende Koalitionsabgeordnete mit einem Nein, wenn es bald um weitere Griechenland-Milliarden gehen soll. Ganz abgesehen von der Gefahr, dass diese Hilfen demnächst vom deutschen Verfassungsgericht als Rechtsbruch gegeißelt werden könnten.

Peinlich ist jedenfalls das Verhalten der Gewerkschaften: Denn diese haben sowohl auf österreichischer wie europäischer Ebene gegen „exzessive Sparvorgaben“ für Griechenland zu protestieren begonnen. Glauben sie damit wirklich, ihre zahlenden Mitglieder hinter sich zu haben? Das wäre mehr als erstaunlich. Wie kann man vom „Totsparen“ Griechenlands reden, wenn dort die im letzten Jahrzehnt erzielten Gehaltszuwächse der Beamten jene in Deutschland übertreffen?

Aber die Gewerkschaften kämpfen natürlich gar nicht so sehr für die Griechen, sondern verzweifelt um ihren eigenen Existenzsinn: Wenn einmal klar wird, dass viele der von ihnen erkämpften „Errungenschaften“ absolut unfinanzierbar sind und auch in Ländern wie Deutschland oder Österreich zurückgeschraubt werden müssen, dann werden auch die Gewerkschaften für ihre Mitglieder zu unnötigem Ballast. Daher sind sie gegen jede konsequente Politik gegen Griechenland.

Dabei gibt es in Europa durchaus Beispiele für gelungene Sanierungen, ohne dass Not und Elend ausgebrochen ist. Musterbeispiel sind die nordischen Länder wie Finnland, Dänemark oder Schweden, die alle in den letzten zwei Jahrzehnten auf Grund der Kosten für ihren viel zu teuren Wohlfahrtsstaat in Wirtschaftskrisen geraten waren. Sie haben jedoch alle drei mit großem Erfolg Sozialleistungen abgebaut und ihre Länder wieder auf gesunde Beine gestellt. Seither wird allerdings Schweden von Gewerkschaftsseite nicht mehr wie in den Jahrzehnten vorher als Musterland propagiert, sondern total ignoriert. Dafür ist dort die bürgerliche Regierung triumphal wiedergewählt worden, während anderswo die Regierungsmehrheiten zerbröckeln.

Nur ein paar Fakten aus Schweden: Dort gehen die Menschen heute im Schnitt um vier Jahre später in Pension als in Österreich – und zwar nicht nur auf dem Papier. Schweden hat die Schulden auf den niedrigsten Stand seit 35 Jahren gesenkt; diese werden im kommenden Jahr nur noch 27 Prozent des BIP betragen – Österreich hingegen hat seine Schuldenquote, also den Anteil der Staatsschulden am BIP, gleichzeitig versechsfacht! Schwedens Wirtschaft wuchs trotzdem im Vorjahr mit 5,5 Prozent so stark wie noch nie seit 40 Jahren. Was die bei Politikern beliebte Mär widerlegt, man müsse für das Wirtschaftswachstum und die Arbeitsplätze Schulden machen: Schulden sind in Wahrheit der Tod jedes langfristigen Wachstums. Schweden wird heuer auch einen saftigen Budgetüberschuss schaffen.

Ein anderes Beispiel ist Belgien. Das schaffte es, zwischen 1993 und 2007 seine Staatsverschuldung von brandgefährlichen 135 auf (freilich noch immer zu hohe) 84 Prozent zu drücken; es brachte auch mehrmals einen Budgetüberschuss zusammen. Zusätzliche Steuereinnahmen wurden strikt für die Schuldentilgung gebunden und nicht zur Befriedigung neuer Ausgabenideen. Bei der Budgetplanung wurde auch die wachsende Überalterung einkalkuliert. Unabhängige Institutionen überwachten die Einhaltung der Sparziele. Marode Staatsbetriebe wie die Sabena wurden verkauft.

Freilich ist Belgien auch ein Beweis, dass Sparanstrengungen rasch wieder verebben können: Denn in den letzten Jahren hat die Ausgabendisziplin stark nachgelassen. Und die Verschuldung nähert sich wieder der 100-Prozent-Grenze. Die Belgier leisten sich freilich zweierlei Luxus: Erstens haben sie seit über einem Jahr keine handlungsfähige Regierung. Und zweitens finden sie über die grundlegende Frage jedes Staates keinen Konsens, ob die zwei tragenden Nationalitäten, also Flamen und Wallonen, überhaupt noch in einem gemeinsamen Staat bleiben werden.

Die Beispiele zeigen: Sanierungen sind durchaus möglich. Es braucht aber immer erst eine Krise, dann einen langen und mutigen Atem und vor allem den Konsens zwischen Politik und Bürgern. So wie es auch in Mitteleuropa nach 1945 auf noch unvergleichlich niedrigerem Niveau der Fall war.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Was alles plötzlich möglich ist, wenn die Politik Nachwuchs-Sorgen hat

21. Mai 2011 02:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Ruhensbestimmungen sind eine der dümmsten Regelungen in diesem Lande. Sie sind ökonomisch falsch, sie sind sozialpolitisch schädlich, sie sind demographisch ein Aberwitz und sie sind zutiefst ungerecht. Jetzt endlich will die Koalition Hand an sie legen – aber in Wahrheit nur die eine Ungerechtigkeit durch eine andere, noch mehr provozierende ersetzen.

Ruhensbestimmungen bedeuten: Jeder, der vor dem Vollpensionsalter mehr als eine Geringfügigkeit von 374 Euro im Monat verdient, wird mit dem Wegfall der Pension bestraft.

Das ist gleich aus mehreren Gründen zutiefst ungerecht und falsch. Erstens, weil die gleiche Regelung nicht für Beamte gilt, die dazuverdienen dürfen, soviel sie wollen. Das ist zweitens auch deshalb ungerecht, weil die Regelung ob des ungleichen gesetzlichen Pensionsalters vor allem Männer trifft.

Das ist drittens angesichts der demographischen Katastrophe schwachsinnig: Die Regierung öffnet gerade mit der Rot-Weiß-Rot-Card neue Schleusen für auf dem Arbeitsmarkt benötigte Zuwanderer (samt dem Recht auf Familienzusammenführung mit ihren unabsehbaren sozialen Konsequenzen), während absolut arbeitsfähige Jahrgänge, die unsere Wirtschaft auf Grund ihrer Erfahrungen dringend benötigen würde, aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden.

Das schadet viertens auch dem Pensionssystem: Denn arbeitende Jungpensionisten würden auch wieder Beiträge einzahlen; außerdem könnte man ihnen durchaus eine leichte Kürzung ihrer Pension zumuten, etwa um zehn bis zwanzig Prozent des dazuverdienten Betrags. Oder eine Kürzung der Pension auf jene Höhe, den ihre in den Jahrzehnten davor eingezahlten Beiträge versicherungsmathematisch wert sind (die man ja berechnen kann, auch wenn der Staat das eingezahlte Geld längst verprasst hat). Es muss dabei der mittelweg gefunden werden, sodass sowohl die Motivation des potentiell Arbeitswilligen erhalten bleibt wie auch das Pensionssystem davon finanziell profitiert.

Parallel zu einer solchen Änderung des Pensionssystems wäre es sinnvoll, wenn auch die Kollektivverträge flexibler würden. Dabei müsste vor allem das absurde Anciennitätsprinzip (Biennien, Quinquennien, Dienstalterszulagen usw.) wegfallen, das einen Sechzigjährigen für Arbeitgeber massiv teurer macht als einen Dreißigjährigen an einem gleichen Arbeitsplatz. Obwohl es nur wenige Arbeitsplätze gibt, wo die Erfahrung und Verlässlichkeit des Älteren wirklich mehr wert ist als die Kraft und Dynamik des Jüngeren.

Nun will die Koalition diese Ruhensbestimmungen ändern. Aber jeder Hurra-Ruf bleibt einem sofort in neuer, noch gesteigerter Empörung stecken. Denn die Politik will diesen Skandal nur für sich selbst abstellen, genauer gesagt für die Bürgermeister. Der Grund: Es finden sich in immer mehr Gemeinden Österreichs keine halbwegs fähigen Persönlichkeiten mehr, die noch bereit sind, die schlecht bezahlte und oft viel Schimpf eintragende Rolle eines Gemeindeoberhaupts zu übernehmen.

Kaum haben das die Großparteien bemerkt, kaum entdecken sie, dass in der Altersklasse zwischen 55 und 65 viele fähige Männer und Frauen nur wegen der Ruhensbestimmungen auf die Übernahme solcher Aufgaben verzichten: Schon wird flugs das Gesetz geändert. Aber eben nur für Bürgermeister. Dass in Zehntausenden anderen Fällen genauso Handlungsbedarf bestünde, interessiert die Politik nicht. Dort geht es ja „nur“ um die steuerzahlende Wirtschaft. Und um den Lebenssinn vieler Menschen.

Die größte Reformbremse sind da natürlich wieder Gewerkschaft und Arbeiterkammer. Diese argumentieren immer noch mit der angeblichen Notwendigkeit, durch zwangsweise Abschiebung der Alten Arbeitsplätze für die Jungen zu schaffen. Dabei haben sie aber absurderweise gleichzeitig die Rot-Weiß-Rot-Card akzeptiert, die eine neue Immigrationswelle nach Österreich hereinholen wird. Weil eben in immer mehr Bereichen die qualifizierten Arbeitskräfte ausgehen (und weil die unqualifizierten für unqualifizierte Arbeiten zu teuer sind).

PS: Am schlauesten wäre es natürlich, wenn (auch) die Hacklerregelung abgeschafft würde. Denn dann würden plötzlich viel mehr Menschen wieder für den Arbeitsmarkt – also auch für Bürgermeister-Jobs – zur Verfügung stehen. Manche werden die Notwendigkeit, länger zu arbeiten, zwar nur mit unglücklichem Gesicht hinnehmen. Aber es haben ja nur neomarxistische Rattenfänger vorgegaukelt, dass Arbeit immer das reinste Vergnügen sein müsste.

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Die Verschwenderrepublik und ihre Filialen

18. Mai 2011 12:30 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Würde so etwas in einer Aktiengesellschaft passieren, müssten alle Vorstandsmitglieder, oder zumindest der Vorsitzende und der Finanzvorstand zurücktreten. Es müssten auch reihenweise Chefs von Filialbetrieben den Hut nehmen. Wir reden aber nicht von einer AG, sondern von der Republik Österreich, ihren Ländern und Gemeinden. Daher wird natürlich niemand die Verantwortung übernehmen.

Anlass der Rücktrittsnotwendigkeit ist der neue Rechnungshofbericht über Österreichs Fiskalpolitik. Dieser Bericht macht eindringlich klar, dass Österreich viel stärker verschuldet ist, als es die offiziellen Statistiken zugeben. Und es sündigen keineswegs nur der Bund und die Länder. So waren bei Österreichs Gemeinden schon 2009 die Finanzschulden um rund 117 Prozent höher als der zugegebene öffentliche Schuldenstand! Aber das ist noch keineswegs alles: Dazu kommt noch eine riesige, freilich niemandem genau bekannte Menge an „Haftungen und Garantien der Gebietskörperschaften“.

Dieser öffentliche Schuldenstand ist jedoch das wichtigste der Maastricht-Kriterien. Dieser Schuldenstand wird auch ganz intensiv von den internationalen Geldverleihern angeschaut. Wenn sich dort einmal die Wahrheit über Österreichs Finanzen herumspricht, dann sollten wir uns alle gut anschnallen.

Und was ebenfalls nicht in den offiziellen Schulden-Angaben enthalten ist, ist die „Nachhaltigkeitslücke“. Der Rechnungshof meint mit diesem Wort die Folgen der rapiden Überalterung der österreichischen Gesellschaft. Wenn ein immer größerer Teil der Bevölkerung die vermeintlich wohlverdienten Früchte ihres Lebens genießen will, müsste der Staat dafür etwas zurückgelegt haben. Laut Rechnungshof hätte er eigentlich schon 2009 rund 13 Milliarden auf die Seite zu legen gehabt. Zurückgelegt wurde jedoch kein Cent.

Das einzige, was Bund, Länder und Gemeinden (womit also Rot, Schwarz und Blau/Orange voll in der Verantwortung sind, nur die Grünen waren kaum noch in einem Gelegenheitsverhältnis) statt dessen jedoch geschafft haben: Sie haben zwischen 2005 und 2010 allein den öffentlichen Schuldenstand um rund 30 Prozent auf 205 Milliarden erhöht. Das ist ein um mehr als 47 Milliarden Euro höherer Schuldenstand. Das ist aber eben nur der Maastricht-Schuldenstand, die geheimen Haftungen usw. sind da noch gar nicht erfasst.

Wenn jetzt wahrscheinlich wieder einmal die dümmliche Kräuter-Faymann-Rudas-Propagandawalze aufgelegt werden sollte: „Ja, das ist deshalb, weil wir die bösen gierigen Banken retten mussten“, dann sollte man ihnen diese freche Lüge sofort zurückschmeißen: Die Banken haben nicht einmal ein Zehntel der neuen Schulden bekommen und werden zum Unterschied von anderen Empfängern wohl alles zurückzahlen – sofern sie nicht dem Staat gehören. Nur bei jenen Banken, bei denen wiederum Politiker (Schmied bis Jörg Haider) ihr Unwesen getrieben haben, wird der Steuerzahler bluten müssen. Das ist aber immer noch eine Bagatelle gegen die alleine von der Politik verschuldeten Schulden.

Jedes Mal, wenn ein Politiker (es waren meistens, aber keineswegs nur Sozialdemokraten) gesagt hat: „Das muss sich doch der dritt-/fünft-/zehntreichste Staat doch noch leisten können“, sollte man ihm nachträglich ein Jahresgehalt pfänden.

Aber es gibt ja die Stabilitätsprogramme, werden die Politiker nun japsen. Ja freilich. Nur wurden deren Ziele nie erreicht, wie der Rechnungshof trocken feststellte. Gibt es doch Sanktionen gegen Sünder nur bei Einstimmigkeit zwischen Bund und Ländern – also logischerweise nie. Und außerdem sind auch die Ziele dieser Programme viel zu wenig ambitioniert. Zumindest wenn man einmal auch Schulden abbauen wollen und die Alterung der Bevölkerung zur Kenntnis nehmen würde.

Die Länder sind da besonders üble Geheimhalter. So sind laut Rechnungshof bei Fünfen nicht einmal die Personalstände ihrer Mitarbeiter bekannt. Es gibt – natürlich – auch keinerlei gemeinsame Grundlagen oder Methoden für Finanzplanungen oder -berichte. Und wo es ein Berichtspflicht gibt, wird die nicht eingehalten: Laut Rechnungshof sind nicht weniger als 560 staatliche Einrichtungen ihren Informationspflichten nicht nachgekommen.

Das Ergebnis: Finanzministerium und Statistik müssen vielfach auf Schätzungen zurückgreifen. Die dann leider, leider nicht stimmen.

Noch kleine Information am Rande: Österreich muss selbst bei Einhaltung der Finanzplanung in den nächsten Jahren rund 100 Milliarden Euro auf den sogenannten Märkten ausborgen (bei den bösen Sparern, Kapitalisten und anderen, die man dann gerne als „Spekulanten“ denunziert, wenn sie gelegentlich auch ihr Geld zurückwollen). Für seine neuen Defizite und für die Umschuldung auslaufender Anleihen.

Hand aufs Herz: Würden Sie dieser Republik Geld borgen? Von einem Gebrauchtwagenkauf wollen wir ja gar nicht reden ...

 

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Fußnote 197: So eine Volkspartei hat's nicht leicht

11. Mai 2011 12:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die ÖVP hat in den letzten Tagen bewiesen, dass sie die Posten keineswegs nach sturem Bünde-, Bundesländer- und Geschlechterproporz vergibt, wie ihr vielfach von Medien vorgehalten worden ist. Das ist anerkennenswert. Die ÖVP hat damit aber auch bewiesen, dass eine Abgehen von einem dümmlich-formalistischen Proporz noch keineswegs eindrucksvolle Personal-Ergebnisse produziert. (Mit drei späteren Ergänzungen am Ende)

Das zeigt insbesondere der im Eiltempo erfolgte Aufstieg von Johanna Mikl-Leitner. Binnen weniger Tage wird sie nicht nur Innenministerin, sondern auch Chefin des ÖVP-intern nicht ganz unwichtigen ÖAAB. Aber niemand weiß, was sie in ihrem bisherigen Lebenslauf eigentlich dazu prädestiniert – außer große persönliche Loyalität zu Erwin Pröll. Ihr Avancement ist umso schwerer nachvollziehbar, als sie im Innenministerium in Sachen Trittsicherheit das absolute Kontrastprogramm zu Vorgängerin Maria Fekter darstellt. Oder hat da zwar nicht der Bundesländer-Proporz, aber das Geschlecht eine Rolle gespielt? Das wäre genauso blöd (wenn auch bei den Medien sehr modisch). Mit Reinhard Lopatka wäre jedenfalls eine Alternative bereitgestanden, die wohl interessanter gewesen wäre, obwohl (und nicht: weil) er als Steirer auch gut in ein etwas ausgeglicheneres Verhältnis der Länder gepasst hätte. Aber immerhin muss man Mikl zugute halten, dass sie in der neuen Funktion schon einen mutigen wie wichtigen Satz zustandegebracht hat: nämlich eine Absage an die noch von Vorvorgänger Neugebauer heftig verteidigte Hacklerregelung. Also ist sie vielleicht nur als Innenministerin überfordert, wo sie indirekt der Vorgängerin unmenschliches Verhalten vorwirft.

(Nachträgliche Ergänzung: Dass Schluss-Lob für Mikl-Leitner war verfrüht. Denn schon nach Stunden hat sie ihre Kritik an der Hacklerregelung widerrufen und sich peinlicherweise wieder zu dieser bekannt. Die Dame ist offenbar doch in keiner Materie sattelfest).

PS.: Auch die Wiener Marek-ÖVP ist weiterhin recht amüsant zu beobachten, weil sie noch immer glaubt, auf Grün-Kurs wieder punkten zu können. So lässt sie sich jetzt von der ideologisch sehr weit weg stehenden Sybille Hamann Ratschläge geben. Aber vielleicht irre ich mich und es steht die Wiener ÖVP ohnedies gar nicht weit weg von der forschen Feministin. Na dann, weiterhin viel Erfolg.

(Nachträgliche Ergänzung zum PS: Jetzt bin ich noch auf einen weiteren Ratgeber der Marek-ÖVP gestoßen, einen Schwulen-Aktivisten, der sich für die "Liberalisierung intergenerativer sexueller Beziehungen mit Personen unter 14" eingesetzt hat. Mit der tollen Einschränkung: nur dort wo sie "zwefelsfrei harmlos sind und auf gegenseitigen Konsens gegründet" seien. Der Mann ist wirklich eine weitere tolle Bereicherung auf dem Weg zur Selbstzerstörung einer Partei, die sich von einer konservativ-wirtschaftsliberal-christlichen Gruppierung zu einer Minderheitenschutzorganisation der von Journalisten so geliebten "urban-liberalen" Gruppen. Gute Reise.)

(Nachträgliche Ergänzung zur nachträglichen Ergänzung: Die Information, dass der "kinderfreundliche" Schwulenaktivist und Jurist von der Wiener ÖVP eingeladen wurde, war ein Irrtum, auch wenn er von zwei Quellen bestätigt worden ist. Ich bedaure!)

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Woher kommt das Loch im Pensionssystem?

08. Mai 2011 14:45 | Autor: Andreas Unterberger

Einige Kenndaten des Pensionssystems 1970 und 2010:
jeweils Männer durchschnittlich in Jahren

 

 

1970

2010

Pensionsantrittsalter

61,3

58,9

Durchschnittlicher Arbeitsbeginn

19

23

Lebensarbeitsdauer

42

35

Pensionsdauer

14

22

Quelle: Denkwerkstatt St. Lambrecht

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Was man von den Briten lernen könnte

07. Mai 2011 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein solches Referendum hätte in Österreich mit Sicherheit den wahlrechtlichen Istzustand nicht bestätigt. Jedenfalls nicht mit so großer Mehrheit wie jene, mit der die Briten ihr Mehrheitswahlrecht verteidigt haben. Deswegen lassen ja unsere Politiker sicherheitshalber gleich gar nicht zu, dass das Volk über das Wahlrecht abstimmt.

Die Briten haben sich ganz klar für das Mehrheitswahlrecht ausgesprochen. Und sie haben gleichzeitig ein überzeugendes Beispiel für das Funktionieren der direkten Demokratie abgelegt. Das sollte auch in Österreich die diesbezügliche Diskussion wieder beleben. Freilich ist klar, dass die Wiener Koalition ein diesbezügliches Gesetz beziehungsweise Referendum nur noch viel schwerer durchbrächte, seit sie keine Zweidrittelmehrheit mehr hat.

Außerdem war ja die SPÖ nie ein sonderlicher Freund von Mehrheitssystemen. Und auch in der ÖVP haben dessen Freunde immer nur eine Minderheit gebildet. Diese sind seit dem Absturz der Volkspartei auf den dritten Platz bei etlichen Umfragen zweifellos noch viel zaghafter geworden. Aber auch in der aufstrebenden FPÖ ist niemand als Anhänger eines Mehrheitswahlrechts bekannt. Und die beiden Kleinparteien sind sowieso und naturgemäß dessen erbitterte Gegner. Sie würden ja dann aus dem Parlament fliegen (höchstens die Grünen könnten in westlichen Studenten- und Künstler-Bezirken innerhalb des Gürtels auf ein Mandat hoffen). Mit anderen Worten: Viele Wähler sind dafür - aber keine einzige Partei.

Die Briten sind jedoch ganz eindeutig für das Mehrheitswahlrecht. Denn sie wissen aus jahrelanger Erfahrung: Ein solches Wahlrecht führt in der Regel zum wichtigsten Ergebnis einer Wahl, nämlich zu einer handlungsfähigen Regierung – auch wenn gerade jetzt in London erstmals notgedrungen eine Koalitionsregierung amtiert. Gerade deren erstes Jahr hat den Wählern aber so viel an regierungsinternen Reibereien und Eifersüchteleien gezeigt, dass sie nun noch weniger Lust denn je auf ein Wahlrecht haben, das mit hoher Wahrscheinlichkeit ständig zu Koalitionen führen würde.

Die Briten gelten zwar als die Erfinder von Prinzipien wie Fairness oder Gerechtigkeit. Sie sehen es aber keineswegs als ungerecht an, dass sie auch noch ein weiteres Prinzip anwenden: The winner takes it all. Das ist durchaus gerecht, solange alle Parteien die gleichen Startchancen haben. Und ein solches Wahlrecht kann ja über Nacht die Parteienlandschaft sehr dramatisch verändern, wie wir knapp davor in Kanada gesehen haben. Dort wurden ja die traditionsreichen und lange machtverwöhnten (Links-)Liberalen wie auch die Quebec-Separatisten fast ausradiert.

Auch das britische Ergebnis ist für die dortigen Liberalen sehr bitter. Sie hatten ihre Regierungsteilnahme ja genutzt, um die Durchführung dieses Referendums zu erzwingen. Das Ergebnis ist umso bitterer, als die Partei bei den diversen regionalen Wahlgängen am gleichen Tag ebenfalls eine deftige Rechnung für ihre Regierungs-Tätigkeit bekommen hat, während die konservativen Koalitionspartner ungeschoren davongekommen sind.

Die Liberaldemokraten haben damit nicht nur den für die kleinere Partei einer Koalitionsregierung häufigen Rückschlag erlitten. Sie sind auch ein Beispiel für eine Partei, die in langen Oppositionsjahren zwar immer mehr unzufriedene Stimmen sammeln kann, diese aber ab dem Tag der Verantwortungsteilhabe rasch wieder verliert.

Das passierte ja gerade der deutschen FDP ebenso, wie es den österreichischen Freiheitlichen nach 2000 gegangen ist. In solchen Oppositions-Gruppierungen sammeln sich offensichtlich allzu heterogene Wählergruppen, die allesamt nur das Nein zu den machthabenden Parteien, aber kein taugliches Regierungsprogramm gemein haben.

Großbritannien zeigt in Hinblick auf die Mehrheitswahlrechts-Diskussion aber noch etwas: Die – auch von mir immer wieder geäußerte – Sorge, dass sich in einem solchen System jeder Wahlkreis-Abgeordnete nur noch um seinen Kirchturmshorizont kümmert, trifft dort nicht wirklich zu. Offenbar ist doch jedem Abgeordneten klar, dass er nur gemeinsam mit der eigenen Gesamtpartei und vor allem dem jeweiligen Spitzenmann siegen kann. Oder dass er untergehen wird, auch wenn er sich noch so populistisch von der eigenen Regierung oder Partei zu distanzieren versucht und auf rein lokale Interessenvertretung macht.

Die Briten zeigen es zumindest regelmäßig vor, wie ein Mehrheitswahlrecht funktionieren kann und soll: Sie wählen immer primär mit dem Blick auf die nationalen Fragen, und sekundär erst mit dem auf die lokalen Themen.

Die Briten haben ebenso vorgezeigt, dass direkte Demokratie auch dann funktioniert, wenn sie nicht so wie in der Schweiz alle 14 Tage trainiert wird. Das ist ja bei uns ein oft gehörtes Gegenargument gegen die direkte Demokratie – es übersieht aber, dass auch die Schweizer damit erst einmal anfangen mussten.

Jetzt müssen die Untertanen von Königin Elizabeth freilich noch etwas viel Schwierigeres zeigen: dass sie auch imstande sind, sich mit ihren scharfen Sparmaßnahmen wieder auf die wirtschaftliche Überholspur zu setzen.

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Post, wo die Arbeit noch nicht erfunden ist

01. Mai 2011 02:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Post hat viel Geld in die Hand genommen, um mit anonymen Mystery Shoppern die Probleme der Kunden in den Postämtern zu analysieren. Und Überraschung, Überraschung: Die Menschen sind extrem unzufrieden. Das hätten die Postobermeister freilich von mir auch gratis erfahren können. Das Problem in einem Satz: Die Postämter sind nach wie vor Ämter im wahrsten Sinn des Wortes. Also Plätze, wo nicht nur am Tag der Arbeit nicht ordentlich gearbeitet wird.

Mitschuld daran ist auch das Postmanagement, das sind nicht nur die Beamten. Das zeigt etwa das aktuelle Beispiel der Portoerhöhungen, die an diesem Wochenende in Kraft treten. Diese Erhöhungen sind natürlich nur deshalb möglich, weil es der Post in Tateinheit mit der Verkehrsministerin gelungen ist, die private Konkurrenz so sehr zu schikanieren, bis diese entnervt aufgegeben hat. Dabei haben viele darauf gehofft, dass dank der EU eigentlich ab heuer völlige Konkurrenz auch bei der Zustellung von Briefen herrscht.

Die Tarife hinaufzuschnalzen wäre der Post bei einer funktionierenden Konkurrenz natürlich viel schwerer gefallen. Eine solche Konkurrenz würde es aber nur geben, wenn ihr die zuständige Verkehrsministerin durch einen effizienten Regulator wie einst beim Telephon das Überleben ermöglicht hätte. Aber Konkurrenz ist ja nicht gerade das, was Gewerkschaft und damit SPÖ wollen.

Aber sei‘s drum: Irgendwie wird alles teurer. Völlig unverständlich ist aber, dass die Post außerstande war, die Filialen noch vor dem 1. Mai auch mit den nötigen Briefmarken zu den neuen Tarifen zu versorgen. Gleichzeitig waren aber vielerorts schon seit Wochen die alten Marken ausgegangen.

Umso logischer wie notwendiger wäre es gewesen, schon längst die neuen Marken anzubieten. Warum fürchten sich die Postbürokraten davor? Dass jemand schon vorzeitig ein paar Cent zuviel auf einen Brief klebt? Das Ganze ist ein post-typischer Planungs-Schwachsinn, der lebhaft an den real existierenden Sozialismus des einstigen Ostblocks erinnert.

Das Ergebnis war klar: Viele Tausende Kunden mussten frustriert wieder abziehen. Und ab nun werden deshalb die Schlangen auf den Postämtern noch viel ärger sein, als sie ohnedies immer sind.

Aber es ist ohnedies geradezu heiliges Prinzip der Post, dass in einem Postamt die Kunden Schlange stehen müssen, weil lediglich ein Schalter geöffnet ist. Was noch viel ärger ist: Man muss während seines Schlange-Daseins vor einem einzigen umständlich hantierenden Postbeamten voll geballtem Zorn den anderen Postlern beim gelangweilten Ausfüllen irgendwelcher Listen zuschauen. Diese anderen Postler positionieren sich mit Vorliebe geradezu demonstrativ im Blickfeld der Kunden, pardon Bittsteller. Offenbar um diesen die ganze Verachtung eines Pragmatisierten für normale Werktätige zu zeigen.

Bei einem anderen meiner Besuche auf einem Postamt waren am einzigen offenen Schalter sogar drei Beamte damit beschäftigt, voll Staunen ein Bawag-Sparbuch zu begutachten. Ein solches kann ja seit der Fusion auch auf einem Postamt eingelöst werden. Nur überfordert es ganz offensichtlich die völlig ungeschulten Postmenschen. Denn sie haben wirklich gezählte 17 Minuten über dieses interessante Objekt konferiert.

Staunenswert sind aber auch die Aufschriften in allen Ämtern, dass die Post neuerdings weder Kreditkarten noch Bankomat-Zahlungen akzeptiert. So etwas sieht man heutzutage schon sehr selten. Ein Vorschlag an die Marketing-Abteilung der Post (falls es so etwas gibt): Vielleicht könnte man noch ein wenig mehr retro werden, indem man nur noch Zahlungen in Münzen akzeptiert und das neumodische Papiergeld ablehnt. Das wäre dann wenigstens wirklich konsequent.

Während er da so wartet, stellt sich der kleine Kunde vor, was los wäre, wenn ähnliche Kundenfeindlichkeit in einem Supermarkt passieren würde. Dort würde der Filialleiter mit Garantie sofort und mit lauter Stimme seine Mitarbeiter darauf hinweisen, wer in einem solchen Unternehmen der eigentliche König ist.

Aber wer ist bei der Post der König? Die Betriebsräte, die Ministerin, der Vorstand? Jede Antwort mag richtig sein. Nur einer ist dort sicher nicht König, nämlich der Störenfriede Kunde.

 

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Wie entwickeln sich die Geburtenzahlen in Europa?

30. April 2011 15:51 | Autor: Andreas Unterberger

Kinder je Frau 2003 und 2009

 

Staat

2003

2009

Irland

1,96

2,07

Frankreich

1,89

2,00

Ver. Königreich

1,71

1,96

EU-Schnitt

1,47

1,60

Italien

1,29

1,42

Österreich

1,38

1,39

Deutschland

1,34

1,36

Quelle: WKO

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Fußnote 189: Amerika macht es klüger

29. April 2011 00:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Amerika hat einen 72-Jährigen mit einem der schwierigsten Ministerämter betraut.

Dennoch wird in amerikanischen Zeitungen das Alter des neuen Verteidigungsminister Leon Panetta nicht zum Problem erhoben. Nicht einmal in Zeiten von zweieinhalb Kriegen. Der bisherige CIA-Chef – auch das übrigens ein mehr als tagesfüllendes Programm – wird vielmehr an Hand seiner Verdienste und Fehler an der Spitze des Geheimdienstes analysiert, nicht an Hand seines Geburtsdatums. Diese Ernennung ist ein Symbol, wie viel besser die Amerikaner aufgestellt sind, um mit den Herausforderungen einer rapide alternden Gesellschaft fertig zu werden. In Österreich hingegen werden Menschen dieses Alters primär als Fall für den Rollstuhl oder bestenfalls als Kostenfaktor für das Pensionssystem angesehen. Hier sehen Gewerkschaft und Sozialminister ja sogar schon Über-50-Jährige als vom bösen Kapitalismus viel zu ausgelaugt an, um noch neue Jobs übernehmen zu können.

PS: Noch in einem zweiten Punkt zeigt Panetta, dass Amerika besser aufgestellt ist: Er durfte nach seiner Zeit als Stabschef von Bill Clinton ein Institut an einer Universität leiten. Bei uns hingegen mauert das pragmatisierte universitäre Mittelmaß mit großer – ebenfalls gewerkschaftlicher – Energie alle Türen gegen Konkurrenten von außen zu. Selbst wenn diese den Studenten zehn Mal mehr vermitteln könnten als die dortigen Fußnoten-Weltmeister und Dienstrechts-Tüftler.

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Gelingt der Neustart der Regierungsparteien in Deutschland und Österreich?

25. April 2011 10:13 | Autor: Herwig Hösele
Rubrik: Gastkommentar

In Deutschland und Österreich sind die Parteivorsitzenden und Vizekanzler der jeweils kleineren Partei der Regierungskoalition aus je unterschiedlichen Motiven zurückgetreten: Guido Westerwelle wegen der katastrophalen Wahlergebnisse und Umfragewerte der FDP seit seinem Regierungseintritt, Josef Pröll aus gesundheitlichen Gründen, wobei auch die ÖVP gegenwärtig mit historisch schlechten Umfragewerten zu kämpfen hat.

Von dieser Schwäche profitieren aber weder in Deutschland noch in Österreich die Sozialdemokraten in der Wählergunst, sondern die Grünen bzw. die Freiheitlichen in Österreich.

In Deutschland schwächeln sowohl die Unionsparteien als auch die SPD auf Bundesebene, die FDP muss nach einer rapiden Talfahrt überhaupt um ihre Existenz als Parlamentspartei bangen, während die Grünen in einem Hoch sind. So sieht jedenfalls die Umfragesituation im April 2011 aus (erste Spalte Allensbach in FAZ am 20. April, zweite Spalte Forsa in Süddeutsche Zeitung am 7. April, dritte Spalte das Ergebnis bei der Bundestagswahl im September 2009):

CDU/CSU

32

30

33,8

SPD

28

23

23,0

Grüne

23

28

10,7

Linke

7

9

11,9

FDP

5

3

14,6

Sonstige

5

7

6,0

Schwarz-Gelb ist also weit entfernt von einer potentiellen Regierungsmehrheit. Dieser Trend zeigt sich auch in den drei Landtagswahlen vom März, bei denen die CDU erstmals seit über 50 Jahren den Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg verlor – ihm folgt allerdings nicht ein SPDler, sondern der erste grüne Landeschef Deutschlands. Die Grünen sind im Gefolge von Fukushima und Stuttgart 21 zur zweitstärksten Partei avanciert, während ihr künftiger Koalitionspartner SPD auf Platz 3 absank und die CDU den ersten Platz behauptete, aber keinen Koalitionspartner hat.

In Rheinland-Pfalz verlor der amtierende Ministerpräsident und frühere SPD-Bundesvorsitzende Beck massiv und kann sich nur mit einer rot-grünen Koalition an der Regierung halten. CDU-Herausforderin Julia Klöckner erzielte einen Achtungserfolg und gewann gegen den Trend Stimmen dazu.

In Sachsen-Anhalt gibt es, nachdem CDU- Ministerpräsident Böhmer nicht mehr kandidierte, einen neuen Landeschef – es ist der CDU-Mann Reiner Haseloff, der die Koalition mit einer schwachen SPD fortsetzt. Die postkommunistischen Linken sind – wie in allen „neuen“ deutschen Bundesländern – stark, während sie im deutschen Westen im März wiederum den Einzug in die Landtage versäumten.

Ein Trend war bei allen drei Landtagswahlen durchgängig – die Wahlbeteiligung ist durchwegs gestiegen.

Die drei Landtagswahlergebnisse (in der zweiten Spalte die Veränderungen zu den letzten Landtagswahlen):

Sachsen-Anhalt

CDU

32,5

-3,7)

Linke

23,7

(-0,4)

SPD

21,5

(+0,1)

FDP

3,8

(-2,8)

Grüne

7,1

(+3,6)

NPD

4,6

(+4,6)

Sonstige

6,8

(-1,3)

Wahlbeteiligung 51,2 (2006: 44,4)

Rheinland-Pfalz

SPD

35,7

-9,9

CDU

35,2

+2,4

FDP

4,2

-3,8

Grüne

15,4

+10,8

Linke

3,0

+0,4

Sonstige

6,5

+0,1

Wahlbeteiligung 61,8 (2006: 58,2)

Baden-Württemberg

CDU

39,0

-5,2

SPD

23,1

-2,1

Grüne

24,2

+12,5

FDP

5,3

-5,4

Linke

2,8

-0,3

Sonstige

5,6

+0,5

Wahlbeteiligung 66,2 (2006: 53,4)

Spannend wird es bei der Berliner Wahl am 18. September, bei der die Grünen hoffen, den SPD-Bürgermeister Wowereit zu entthronen.

Österreich: Stillstand auflösen und Anstand leben wie zeigen

In Österreich sind die beiden die Bundesregierung bildenden Parteien bisher nicht aus ihrem Dauertief herausgekommen.

Josef Pröll hat in seiner Abschiedserklärung die Ursache dieser Situation treffend beschrieben:

„Zwei große Fragen belasten aus meiner Sicht die Politik und die öffentliche Diskussion: Es sind die Fragen nach Anstand und Stillstand in der Politik unseres Landes. Ein Mangel an Anstand einzelner Politiker, auch aus der Österreichischen Volkspartei, hat das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik insgesamt massiv beschädigt. Das Verhalten dieser Politiker war und bleibt zutiefst beschämend. Keine Partei – und erst recht nicht die Österreichische Volkspartei – kann derartiges Verhalten in ihren Reihen tolerieren. Gleichzeitig stellt der zunehmende Stillstand in wesentlichen Zukunftsfragen unseres Landes den Glauben der Bevölkerung an die Lösungskompetenz und den Lösungswillen der Politik massiv infrage. Wir alle wissen, was eigentlich notwendig wäre: Abbau der Schulden, um uns zu entlasten für die Zukunft, Gesundheitsreform, langfristige Sicherung der Pensionen, die Frage der Bildungszukunft unserer Kinder und der Jugend und auch die Fragen des Zuzugs und der Integration. Und obwohl wir das alle wissen, verharren wesentliche Teile der Politik in bequemem Opportunismus und auch kurzfristigem Populismus.“

Es gilt also, den Stillstand aufzulösen und Anstand zu zeigen und zu leben, wenn SPÖ und ÖVP, die 1987 beim Start der damals tatsächlich „großen Koalition“ noch über 84,4 Prozent der Stimmen verfügten, jetzt wenigstens gemeinsam deutlich über die notwendige 50 Prozent Hürde kommen sollen. Ansonsten könnte das Umfrage-Szenario der letzten Monate, das die FPÖ als stärkste oder zweitstärkste Partei oder zumindest drei annähernd gleichstarke Parteien sieht, Realität werden.

Österreich steht aber mit dem Erstarken des populistischen Protests nicht allein, wie die letzte finnische Parlamentswahl zeigte, bei der die „wahren Finnen“ ihren Stimmenanteil auf 19 Prozent rund vervierfachten. In der Schweiz ist die SVP Blochers mit 28,9 Prozent überhaupt stärkste Kraft, in Norwegen kam die „Fortschrittspartei“ auf 22,9 Prozent, um nur einige Beispiele zu nennen.

Sympathieplus für Michael Spindelegger

Der neue VP-Spitzenmann Michael Spindelegger musste die VP am historischen Tiefststand übernehmen. Eine erste Gallup-Umfrage, die „Österreich“ knapp nach seiner Designierung veröffentlichte, brachte ihm aber das deutlichste Sympathieplus unter den amtierenden Bundespolitikern (in der rechten Spalte die Veränderung zur letzten Umfrage):

Heinz Fischer

45

 +6

Michael Spindelegger

30

+21

Reinhold Mitterlehner

18

 +3

Werner Faymann

6

+6

Rudolf Hundstorfer

2

+/-0

Alle anderen bisherigen Regierungspolitiker waren im Minus.

In der Kanzlerfrage sieht es folgendermaßen aus:

Datum

Institut/Medium

Faymann

Spindelegger bzw. bis 14.4.11 Pröll

Strache

Glawischnig

Sonstige

11.1.10

Gallup/Österreich

36

38

 

 

 

1.1.11

Gallup/Österreich

30

24

 

 

 

6.3.11

Gallup/Österreich

24

19

14

 

 

11.3.11

OGM/Kurier

19

18

14

 

29 andere

20.3.11

Gallup/Österreich

26

20

13

 

 

21.3.11

Karmasin/profil

19

10

10

5

 

23.3.11

Market/Standard

15

12

10

4

0 Bucher

10.4.11

Gallup/Österreich

27

17

14

10

 

14.4.11

ATV/News

19

15

17

8

3 Bucher

17.4.11

Gallup/Österreich

26

19

14

 

 

18.4.11

Karmasin/profil

22

13

12

6

 

 Bei den Parteipräferenzen ergibt sich folgendes Bild:

Datum

Institut/Medium

SPÖ

ÖVP

FPÖ

BZÖ

Grüne

6.3.11

Gallup/Österreich

27

25

24

4

14

11.3.11

OGM/Kurier

27

28

27

5

11

20.3.11

Gallup/Österreich

28

25

25

4

14

21.3.11

Karmasin/profil

27

26

26

5

13

23.3.11

Market/Standard

27

27

26

5

12

10.4.11

Gallup/Österreich

27

23

26

5

15

14.4.11

ATV/News

26

25

29

4

14

15.4.11

Market/Standard

28

22

25

6

14

15.4.11

IMAS/Krone

25-27

21-23

21-23

11-13

14-15

17.4.11

Gallup/Österreich

27

21

26

6

16

18.4.11

Karmasin/profil

27

23

26

6

15

Die Situation für die ÖVP war also spätestens ab Herbst 2010 immer prekärer geworden, wobei bewusst sein muss, dass sich die ÖVP als Juniorpartner in einer SPÖ-geführten Regierung immer sehr schwer getan hat. Startete sie 1987 noch unter Alois Mock mit 41,29 Prozent in die damals große Koalition, waren es unter Josef Riegler 1990 nur mehr 32,06 Prozent, unter Erhard Busek 1994 nur mehr 27,67 Prozent, unter Wolfgang Schüssel 1999 26,91 Prozent und unter Willi Molterer 2008 25,98 Prozent. Allein als Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler die VP in die Wahlen 2002 führte, war das Ergebnis mit 42,30 Prozent deutlich besser. Bei der Wahlniederlage 2006 wurden immerhin noch 34,33 Prozent mit Wolfgang Schüssel erzielt. Diese Zahlen zeigen neben dem allgemeinen Erosionsprozess der traditionellen Parteien das besondere Dilemma der ÖVP auf. Sie zeigen aber zugleich, dass Verluste kein Naturgesetz sind.

(Professor Herwig Hösele war Präsident des Bundesrates (ÖVP) und ist als Geschäftsführer der "Dreischritt GmbH" und der "public opinion GmbH" publizistisch tätig. Er erstellt vor allem politische und strategische Analysen.

Mehr unter www.dreischritt.at). 

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Die positive Überraschung heißt Erwin, die negative Johanna

22. April 2011 02:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ich habe Erwin Pröll selten gelobt. Aber heute ist er mehr als lobenswert. Dafür hat sich seine Ex-Mitarbeiterin, die neue Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, gleich am ersten Amtstag in einer wichtigen Frage bedenklich unsicher gezeigt (und nicht ihr vielgescholtener junger Staatssekretär).

Erwin Pröll will jedenfalls neuerdings den Flughafen Wien privatisieren, an dem das Land Niederösterreich noch 20 Prozent hält. Dazu kann man nur dreimal Bravo rufen – und tut das angesichts all der Stümpereien der dortigen Manager in den letzten Jahren gleich noch ein viertes Mal. Natürlich weiß ich, dass Prölls Bekehrung auch damit zusammenhängt, dass er seit einigen Tagen einen personalpolitischen Disput mit seinem Syndikatspartner, der Gemeinde Wien, hat. Dennoch: Was auch immer der Auslöser, das Endergebnis ist richtig und gut.

Freilich ist Pröll noch durch einen Syndikatsvertrag an Wien gebunden, das ebenfalls 20 Prozent am Flughafen hält, und das mit einer gewerkschaftsnahen Mitarbeiterstiftung (die zehn Prozent hält) die entscheidenden Flughafen-Gremien zu dominieren versucht. Und bevor Wien das Wort Privatisierung auch nur ausspricht, beschließt sie noch eher ein Atomkraftwerk auf dem Kahlenberg. Klar ist aber auch: Jeder Syndikatsvertrag kann gekündigt werden. Und nach einem Verkauf des niederösterreichischen Pakets sind dann immerhin 70 Prozent der Flughafen-Aktien im freien Umlauf. Was die Chance zumindest eröffnet, dass dann die Rathaus-Politruks überstimmt werden und dass endlich auf dem Flughafen Professionalität und Sparsamkeit einkehrt.

Weniger Lob verdient die neue Innenministerin. Diese war zu keiner klaren Antwort auf die Frage imstande, ob Österreich nordafrikanische Migranten (oder im ORF-Neusprech: Flüchtlingen) aufnehmen soll. Frau Mikl-Leitner will da auf europäische Beschlüsse warten. Ihre Vorgängerin hätte da hingegen eine sehr klare Antwort gewusst. Hat sie diese - ein klares Nein - doch auch schon in den vergangenen Tagen mehrmals deutlich kommuniziert.

Und wenn Mikl-Leitner schon nicht die Aussagen ihrer Vorgängerin kennt, dann sollte sie sich bei Europol nach den Festnahmen islamistischer Terrorverdächtiger in Europa erkundigen. Denn deren Zahl hat sich allein in einem Jahr um 50 Prozent vergrößert. Dabei könnte Mikl auch erfahren, dass diese Islamisten schon rund zur Hälfte Anschläge in Europa vorbereitet haben, während für Islamisten Europa früher als Ziel noch zweitrangig war. Und wer Gaddafi kennt, der braucht gar keine Interpol, sondern weiß, dass der Libyer mit Sicherheit unter diese angeblichen Flüchtlinge einige Agenten mit Rache-Aufträgen einzuschleusen versucht.

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Bitte um Notbremsung

21. April 2011 00:22 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In den letzten Tagen hat ganz Österreich intensiv über die Kandidaten für den Job des Finanzministers diskutiert. Viel wichtiger wäre aber eine Debatte über die Aufgaben der neuen Ministerin. Denn die gleichen einem Herkules-Job.

Sie sollte vor allem anderen täglich vom ersten bis zum letzten Zähneputzen folgende zwei Schlüsselsätze memorieren: Der eine stammt von Josef Pröll, dem einmal unvorsichtiger-, aber ehrlicherweise der Satz entschlüpft war, dass Österreich nur noch zwei Jahre von Griechenland entfernt sei. Der zweite stammt vom Erste-Bank-Chef Andreas Treichl, der eine Abstufung des österreichischen Ratings prophezeit hatte, sollte nichts Gravierendes passieren. Und das könnte schon 2012 passieren, wenn es bis dahin keine signifikanten Reformen gibt. Im kommenden Jahr ist ein viel größeres Paket der österreichischen Staatsschuld als zuletzt auf den Märkten zu refinanzieren. Gleichzeitig wird bis dahin die Europäische Zentralbank wohl noch ein- oder zweimal die ganz normalen Zinssätze erhöhen.

Werden aber 2012 die Märkte deutlich höhere Zinsen von Österreich verlangen, dann kommt eine unheilvolle Spirale in Gang. Dann werden automatisch Defizit und Staatsschuld noch größer. Was wieder die Zinsen weiter zu erhöhen droht. Wie das dann weitergeht, hat man in den letzten 18 Monaten an den Ufern von Mittelmeer und Atlantik genau studieren können.

Was vielen gar nicht bewusst ist: Verschlechtert sich das Rating der Republik und erhöhen sich ihre Zinsen, dann müssen fast automatisch auch die gesamte Finanz- und Realwirtschaft des Landes höhere Zinsen zahlen, Gemeinden und Länder sowieso. Eine spürbare Kreditverteuerung wird daher auch sehr schnell den Konjunkturboom wieder abwürgen.

Selbst wenn die neue Ministerin die großen liberalen Ökonomen wie Friedman, Hayek oder Mises geringschätzen, sondern eher den von der Linken adoptierten Keynes respektieren sollte, muss sie eines erkennen: Das heurige Defizit von weit über drei, wahrscheinlich sogar vier Prozent ist angesichts der Hochkonjunktur absolut verantwortungslos. Denn sogar nach Keynes müsste es heuer einen Budgetüberschuss geben. Auch wenn die, die sich auf ihn berufen, dieses Wort wohl nicht einmal buchstabieren können.

Die neue Finanzministerin müsste daher ringsum die Notbremsen ziehen. Sie müsste enormen Druck auf die ÖBB ausüben. Sie müsste sich gegen Koralm- und Brenner-Tunnel stellen. Sie müsste – trotz aller Versprechungen von Josef Pröll – Nein zu den Wünschen der Unterrichtsministerin sagen (die ohnedies durch schrumpfende Schülerzahlen Spielraum gewinnt). Sie müsste viel ernsthafter die Konfrontation mit den ausgabenwütigen Bundesländern suchen als ihre roten, blauen und schwarzen Vorgänger. Sie müsste in den europäischen Gremien gegen die Hilfspakete für die bankrotten EU-Staaten auftreten.

Alles unrealistisch? Wahrscheinlich – aber dennoch absolut notwendig.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wo unser Steuergeld wirklich versickert

20. April 2011 12:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Bundespressedienst ist die absolute Verkörperung absolut unnötiger Bürokratie. Er sollte besser heute als morgen aufgelassen werden. Das ist die einzig mögliche Konklusion, die man nun auch aus dem neuen und vernichtenden Rechnungshofbericht ablesen kann.

Niemand weiß mehr, wozu es diesen Dienst braucht – aber er hat die Personalkosten binnen fünf Jahren um volle 44 Prozent steigern können! Allein im Jahr 2009 hat Werner Faymann über diesen Dienst 4,9 Millionen Euro für Inserate ausgegeben. Deren Wirkung sei aber nie evaluiert worden, merkt der Rechnungshof trocken an.

Eine Wirkung dieser Inserate hat es freilich sehr wohl gegeben. Sie bestand darin, dass kassierende Zeitungsherausgeber dem Bundeskanzler gegenüber positiv gestimmt wurden.

Dem ganzen Bundespressedienst fehlen „Wirkungsziele für die Aufgabenerfüllung“, schreibt der Rechnungshof. Gegen diesen Vorwurf muss man den Bundespressedienst sogar verteidigen. Denn die einzigen Aufgaben, die er noch hat, kann man ja nicht gut öffentlich bekanntgeben: Unterbringung von politischen Protektionskindern und Durchschleusung von Steuergeldern an zu bestechende Medien.

Schon vor Jahren gab mir der damalige, inzwischen längst in Pension gegangene Chef des Bundespressedienstes in einem privaten Gespräch zu, dass der Personalstand seiner Sektion sofort um ein Drittel gekürzt werden könnte. Aber auch beim Rest sind die Aufgaben völlig unklar. Die einstige Aufgabe, deretwegen der Dienst vor Jahrzehnten sehr wichtig war, ist ja längst verschwunden: nämlich über die Arbeit der Regierung zu informieren. Das war bis 1970 relevant, aber unter Bruno Kreisky haben alle Minister begonnen, sich eigene Pressesprecher zu halten – manche von ihnen haben sogar drei. Daher ruft seit Jahrzehnten kein recherchierender Journalist mehr beim Bundespressedienst an. Er würde von den dort tätigen Menschen auch absolut null Information erlangen.

Wolfgang Schüssel hat dann den einzig richtigen Schluss gezogen: Er hat den Bundespressedienst als Sektion einfach aufgelöst und nichts mehr nachbesetzt. Das kam dann den roten Kanzlern wie gerufen. Sie besetzten nicht nur den Sektionschef wieder, sondern versorgten auch jede Menge anderer gut bezahlter Nichtstuer. Trotzdem haben sie eine der wenigen Rest-Funktionen auch noch eingestellt, nämlich die Herstellung einer täglichen Auslandspresseschau, in der viele Berichte über Österreich zusammengefasst wurden. Aber ein Werner Faymann interessiert sich ja eh nicht für das Ausland.

Die Beamten des Bundespressedienstes haben laut Rechnungshof weder Arbeitszeitaufzeichnungen noch präzise Leistungsanforderungen. Sie haben, so darf man ergänzen, überhaupt nur noch ein einziges Arbeitsleid: Sie müssen halt ein paar Wochen lang die Köpfe einziehen, wenn wieder einmal der Rechnungshof vorbeikommt (und sie ausnahmsweise an ihren Schreibtischen sitzen sollten). Aber der Wirbel wird wohl auch diesmal nicht allzugroß. Schließlich werden die meisten Zeitungen über den neuen Bericht ohnedies nur sehr dezent berichten …

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Wo Abgeordnete noch das Volk vertreten

14. April 2011 00:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die USA sind für die Weltwirtschaft noch immer der entscheidende Schauplatz. Daher bringt der seit Wochen tobende – und nur scheinbar entschiedene – Kampf zwischen Präsident und Kongress um Budgeteinsparungen besondere Spannung.

Im Kongress konnten die Republikaner mit einigem Erfolg Barack Obama kontra geben. Obamas 14 Billionen Dollar Schulden und das jährliche Defizit von über zehn Prozent gaben den Republikanern viele Angriffsflächen. Sie zwangen ihn in den vergangenen Tagen schon weiter in die Knie, als das einst ein ebenfalls republikanisch geprägter Kongress bei Bill Clinton konnte. Damals wurde dem Präsidenten von den Republikanern so lange das Geld verweigert, bis Botschaften und andere Regierungseinrichtungen tagelang schließen mussten. Jetzt hat Obama schon vor einer solchen Blockade die größten Einsparungen in der Geschichte Amerikas akzeptiert. Und er wird weiter unter Druck bleiben.

Der Rückblick macht sicher, dass das nicht den Untergang der USA bedeutet. Der damalige Budgetkrieg hat dem Land vielmehr sehr geholfen: Die Regierung musste so hart sparen und so viele Big-Spender-Programme streichen, dass das Land erstmals wieder Jahre mit Budgetüberschuss erleben konnte. Zwar ging das in die Geschichtsbücher als Erfolg Bill Clintons ein. Aber in Wahrheit hat er damals nur unter der Peitsche des republikanischen Führers Newt Gingrich die Sparsamkeit entdeckt.

Die Vaterschaftssuche ist freilich irrelevant. Denn die Republikaner können sich gar nicht laut der Einsparungen berühmen. War es doch auch ein republikanischer Präsident namens George W., der dann das Land – insbesondere nur durch zwei teure Kriege – wieder in hohe Schulden geführt hat. Und zwar in katastrophal hohe, die freilich sein Nachfolger Barack Obama noch weit übertraf.

Die viel wichtigere Lehre ist aber: Regierungsapparate werden erst unter immensem Druck halbwegs sparsam. Daher ist der Druck des heutigen Kongresses jedenfalls positiv. Auch wenn natürlich viele Nutznießer protestieren und den Sparefrohs schlechtes Gewissen einjagen wollen.

An den USA sollten sich vor allem Europas Abgeordnete ein Vorbild nehmen. Denn hier ist es gerade umgekehrt: Da sind es sowohl im EU- wie im österreichischen Parlament meist die Abgeordneten, denen alle möglichen Forderungen einfallen, wo man noch eine Gruppe begünstigen, wo man noch mehr ausgeben kann. Hingegen sind es die Finanzminister, die gegenzuhalten versuchen. Dass ein europäisches Parlament einer Regierung den Budgetentwurf wegen zu hoher Ausgaben zurückgeschickt hätte, ist mir jedenfalls nicht in Erinnerung.

Dabei stand genau das an der Wurzel der modernen Demokratie: Die Steuer zahlenden Bürger erkämpften sich die Kontrolle über die Ausgaben ihres Geldes und die Höhe der Steuern. Inzwischen ist das Wissen um diese zentrale Wurzel der Demokratie aber verloren gegangen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Wenn Regierungen vernünftiger sind als ihre Wähler

11. April 2011 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Oft genug sind hier Regierungen getadelt worden, weil sie unvernünftig agieren. Aber es mehren sich die Beispiele, bei denen die Wähler oft noch viel unvernünftiger sind. Was die Unvernunft der Regierungen zumindest teilweise erklärt. Was aber die Zukunftsaussichten der Alten Welt besonders alt aussehen lässt.

Die jüngsten Beispiele waren zwei Referenden am vergangenen Wochenende sowie ein diesmal an sich vernünftiger Vorschlag  des österreichischen Sozialministers, der aber nur recht geringe Verwirklichungs-Chancen hat.

Slowenien: Die Laibacher Regierung – obwohl eigentlich Mitte-links – hat ein durchaus kluges Gesetz vorgeschlagen. Und damit furchtbar Schiffbruch erlitten: 80 Prozent der Slowenen lehnten ein Gesetz über die Schaffung von Mini-Jobs ab, das in etwa mit Österreichs geringfügiger Beschäftigung verglichen werden kann. Durch dieses Gesetz sollten Studenten, Arbeitslose oder Pensionisten ohne große Abschläge bis zu 14 Wochenstunden dazuverdienen dürfen.

Aber die Slowenen wollen das nicht. Sie wollen nur Jobs mit Vollkasko-Wohlfahrt und Kündigungsschutz im Lande haben. Und es schert sie nicht, dass immer weniger Landsleute solche Jobs finden, weil sie vielen – potentiellen – Arbeitgebern einfach zu teuer sind, und weil diese große Scheu haben, einen kündigungsgeschützten Arbeitsplatz zu vergeben.

Die slowenische Regierung wollte mit ihrem Reform-Projekt die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Sie wollte zugleich vor dem Hintergrund des griechisch-portugiesisch-irischen Dramas die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhöhen. Jedoch die Gewerkschaften wollen das nicht. Die Studentenvertreter sind dagegen, weil sie um ihre Vermittlungsprovisionen für Studentenjobs fürchten. Und die rechte Opposition wittert (ähnlich der portugiesischen Rechten) die Chance auf einen Machtwechsel.

Ein ähnliches Drama droht im gleichen Land demnächst bei einem Referendum über die Erhöhung des Pensionsalters von 63 auf 65. Die – sichere – Konsequenz eines wahrscheinlichen neuerlichen Neins: Sloweniens Regierung und Wirtschaft werden bald von den Ratingagenturen heruntergestuft werden. Sie alle werden deutlich höhere Zinsen für jeden Kredit zahlen müssen. Das wird zusammen mit den ohnedies schon europaweit steigenden Zinsen die Zahl der Arbeitsplätze noch weiter reduzieren. Die nächsten Konsequenzen sollten europäischen Staaten seit einem Jahr eigentlich schon gut bekannt sein.

Island: Die Isländer haben zum zweiten Mal in einem Referendum abgelehnt, dass Island seine Haftungsverpflichtungen für eine bankrott gegangene isländische Bank einhält. Der einzige Fortschritt: Sie haben es diesmal „nur“ noch mit einer Mehrheit von rund 58 Prozent getan. Die Folge: Nachdem damit die Vergleichsgespräche mit den Gläubigern über eine Umschuldung gescheitert sind, drohen Island nun erstens internationale Gerichtsverfahren, zweitens die Beschlagnahme allen isländischen Eigentums im Ausland, und drittens das Ende der Chancen, sich unter den Schutz des Euro flüchten zu können.

Österreich: Der sonst ja nicht gerade für seine Reformkraft berüchtigte Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat vorgeschlagen, dass allen Jugendlichen die Familienbeihilfe gestrichen wird, die nach Ende der Schulpflicht keine weitere Ausbildung beginnen. Das sind immerhin rund 10.000 pro Jahr. Auch der Koalitionspartner ist dafür.

Aber ich traue mich zu wetten, dass auch dieser an sich grundvernünftige Vorschlag bald auf Widerstand stoßen wird. Insbesondere von Seiten der Gewerkschaft, der linken Verfassungsrechtler,der Gutmenschen und der Feministinnen: Denn die einen werden bald entdecken, dass das ja als Sozialabbau denunziert werden kann und dass ja auch jugendliche Hilfsarbeiter Gewerkschaftsbeiträge zahlen. Die zweiten werden wie bei jeder Veränderung vor die Fernsehkameras drängen und irgendeine subtile Verfassungswidrigkeit verkünden. Die dritten anderen werden draufkommen, dass bei den jugendlichen Ausbildungs-Muffeln überdurchschnittlich viele Migrantenkinder aus der Dritten Welt zu finden sind. Und die vierten werden Widerstand leisten, weil unter diesen wieder besonders viele islamische Mädchen sind. Sie werden bei ihrem Widerstand ignorieren, dass solche strengere Konsequenzen die Mädchen eigentlich schützen, für die von den Familien-Kommandanten eine Ausbildung als völlig überflüssig angesehen wird, und die mit 15 Jahren statt dessen allzu oft einem Ehe-„Partner“ vermittelt werden, den sie gefälligst bedienen und mit vielen Kindern beglücken sollen.

Wäre der Vorschlag – über den ich übrigens schon vor mehr als einem Jahr einmal mit Hundstorfer in einer ATV-Diskussion debattiert habe – ernst gemeint, dann läge ja schon längst ein Gesetzesvorschlag vor. Dann würde gleichzeitig auch jenen Familien, die ihre Kinder nicht zu einem ordentlichen Schulbesuch anhalten, die Familienbeihilfe gestrichen (weil sie ja schon in diesem frühen Stadium den Kindern ihre Zukunft rauben). Dann würde Österreich auch den Familiennachzug zwischen dem 4. und dem 25. Lebensjahr verbieten, womit ein Gutteil der Problemfälle und lebenslangen Wohlfahrtsempfänger verhindert würde.

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Zwischen Verursacherprinzip und Schnatterpolitik

03. April 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein interessanter Vorstoß: Der US-Bundesstaat Arizona will künftig schwer Übergewichtige, Raucher und alle anderen, die sich nachweislich nicht an ärztliche Ratschläge halten, mit finanziellen Bußen belegen. Nachahmenswert.

Logischerweise gilt das geplante Bußensystem nur für jene, die sich auf Kosten der staatlichen Gesundheitsbetreuung behandeln lassen. Was ja in Amerika keineswegs alle sind. Überdies haben die Gesetzgeber des Wüstenstaates alle jene ausgenommen, die für Kinder zu sorgen haben. Zwar wird Präsident Obama trotz der Schuldenlast über Land und Staat in seinem linken Populismus das Gesetz mit Veto belegen. Aber dennoch fällt mir keinerlei Grund ein, warum das nicht ein logisches und angesichts explodierender Gesundheitskosten geradezu zwingendes System sein sollte.

Es gilt ja etwa auch bei unseren Autoversicherungen: Unfallfreudige Risikofahrer zahlen höhere Prämien. Warum soll dann nicht auch bei Trittbrettfahrern des Gesundheitssystems das gleiche gelten?

Da fällt mir eine kleine Begebenheit ein, als ich mich bei meiner letzten Durchuntersuchung am Schalter angemeldet habe. Da in einem Wiener Gemeindespital kein sonderlicher Wert auf Diskretion gelegt wird, konnte ich jedes Wort der am Nachbarschalter betreuten Frau hören: „Frau X., Sie sind ja schon wieder da!“ – „Ja, mir geht’s nicht gut.“ – „Haben Sie die Tabletten genommen?“ – „Nein.“ – „Haben Sie abgenommen?“ – „Nein.“ – „Waren Sie beim Hausarzt?“ – Nein.“ Keines dieser Nein hatte einen Hauch von Schuld-, sondern strotzte vor Selbstbewusstsein. Der Unterton war klar: Ich bin doch nicht blöd, mich da zu quälen. Und ich ergänzte insgeheim: Zahlen tut’s ja eh die Allgemeinheit.

Ob nicht auf dieser Ebene viel mehr Handlungsbedarf bei unserem Gesundheitssystem besteht als bei den großen Reformplänen und Kompetenzstreitigkeiten, die da wieder einmal unter viel Gerede von der hohen Politik verhandelt werden? Aber in Wahrheit wäre es die allergrößte und wichtigste Reform, wenn sich am Ende die Menschen wieder deutlich stärker für ihr eigenes Leben und ihre eigene Gesundheit verantwortlich fühlen würden. Denn kaum spricht man diesen an sich total logischen Zusammenhang an, wird von sozialer Ungerechtigkeit und dergleichen geschnattert. Bloß: Schnattern und reden wird man nur noch so lange können, bis das System gegen die Wand gefahren ist.

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Sie lügen und betrügen auch bei der Schuldenstatistik

31. März 2011 16:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„De facto kein Cent mehr an Schulden“; es gebe nur eine „Verschiebung der Zurechnung“: Mit dieser miesen Argumentation will Doris Bures darüber hinwegschwindeln, dass die Republik – und vor allem die von Bures und davor Werner Faymann zu verantwortenden ÖBB – schon wieder beim Lügen und Betrügen erwischt worden sind. Was nun EU-amtlich ist.

Die Politik arbeitet immer mit dem gleichen Schmäh: Wochenlang wurden alle einschlägigen Informationen zuerst mit dem Argument dementiert, dass noch gar nichts fix sei. Also dass noch gar nicht klar sei, ob die EU-Statistiker den Schuldenstand der Republik viel höher berechnen, als diese selber es getan hat. Dass also Österreich keineswegs mit den Betrügern aus Griechenland zu vergleichen sei.

Nun ist es doch passiert. Nun hat sich – Überraschung, Überraschung – doch herausgestellt, dass es am Schluss niemand anderer als der Steuerzahler ist, der die vor allem von der Gewerkschaft verschuldeten ÖBB-Schulden zu zahlen haben wird. Dabei waren wir doch so überzeugt, dass es der Weihnachtsmann sein wird.

Der Gesamt-Schuldenstand von Bund und Ländern am Jahresende wird nunmehr von der EU nicht mehr mit 68,9, sondern plötzlich mit 72,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angegeben. Und das Budget des Vorjahres hat nicht mehr 3,6, sondern 4,6 Prozent Defizit ergeben. Gleichzeitig weiß die ganze EU, nur nicht die österreichische Regierung, dass in den nächsten Jahren weitere Neuberechnungen noch weitere dramatische Verschlechterungen des Schuldenstandes ergeben werden. In den – weniger politisch beeinflussbaren – Daten der OECD finden sich diese schon längst. Dazu kommt noch die noch gar nicht einberechnete Kleinigkeit von zehn Milliarden Euro an Haftungen für die einst von einer Claudia Schmied geleitete Kommunalkredit.

Diese Zahlen müssten Österreich längst schon in den Schuldturm bringen, gäbe es nicht einige Länder, die es noch wilder getrieben haben. Womit nicht nur die schon am Finanztropf der deutschen und österreichischen Steuerzahler hängenden Länder gemeint sind. Bezeichnend ist etwa auch das sich selbst noch für stabil haltende Frankreich: Dort jubelt man sogar, weil das staatliche Defizit im Vorjahr „nur“ bei 7 Prozent gelegen ist. Da kann man sich offenbar schon rasch wieder einen neuen kleinen Krieg leisten.

In Österreich sind es die ÖBB, die nicht weniger als die Hälfte der neu „zugerechneten“ Schulden der Republik zu verantworten haben. Bei der Bahn werden Schulden gemacht, als würden alte Dampflokomotiven mit neuen Euro-Noten angeheizt werden. Dabei würden die vielen Redemanuskripte der diversen ÖBB-Manager reichen, in denen immer wieder Besserung versprochen worden ist.

Die neuen Zahlen sind alles andere als Kleinigkeiten und sollten eigentlich eine Schockwelle durchs Land schicken. Dennoch beharrt die Regierung auf dem Bau von Koralm- und Brennertunnel. Dennoch weigert sich die SPÖ, die Hacklerregelung abzuschaffen oder die Studiengebühren wiedereinzuführen. Dennoch leisten wir uns neun Landeshauptleute, die zum Teil Hof halten, als wäre hierzulande gerade der Goldrausch ausgebrochen. Die unsinnige Dinge wie überdimensionierte Straßen, wie die Luxusgehälter der Wiener Rathaus-Beamten, wie die Flut niederösterreichischer Sommerfestivals, wie überflüssige Spitäler finanzieren. Natürlich finanzieren sie das nicht selber, sondern sie tun es mit unserem Geld, aber ohne uns zu fragen.

 

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30 Mal das japanische Erdbeben

29. März 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels haben sich zwar schon seit Tagen und Wochen abgezeichnet. Sie sind aber dennoch bedrückend. Denn sie bedeuten, auf den Punkt gebracht: Wenn all die Haftungen schlagend werden, welche die noch stabilen Länder Europas nun eingehen, wenn auch von dem nunmehr bar aufzubringenden Geld nichts zurückfließt, was viele Experten prophezeien, dann wird das Österreich und Deutschland in eine ganz schwere Wirtschaftskrise stürzen. Gegen die dann ausbrechende Krise wird sich die letzte der Jahre 2008/09 geradezu harmlos ausnehmen.

Um nur die Zahlen für Österreich zu nennen: Das Land muss nicht weniger als 17,3 Milliarden an Haftungen für den sogenannten Euro-Stabilisierungsfonds übernehmen. Dazu kommen weitere 2,2 Milliarden Euro an Bargeld. Denn offenbar halten die Finanzmärkte nicht einmal mehr die gemeinsame Haftung selbst der stärksten europäischen Länder für glaubwürdig, sie wollen statt dessen lieber zunehmend Bares sehen. Die Geldgeber wissen nämlich, auch diese „stärksten“ Europäer sind alle selbst nur im Vergleich zu den meistverschuldeten Staaten stark. Unter objektiven Gesichtspunkten müssten auch sie als schwer krank gelten.

Insgesamt geht es um einen 700-Milliarden-Euro-Fonds. Zum Vergleich der Größenordnungen: Die Folgen des japanischen Erdbebens und Tsunamis für alle Versicherungen werden derzeit auf 20 bis 25 Milliarden geschätzt. Mit anderen Worten: Europa geht Risiken für rund 30 Mega-Katastrophen ein.

Skurrilerweise hat die EU zugleich beschlossen, dass die zur Finanzierung (zumindest) des Bargelds notwendigen neuen Schulden nicht auf die Schuldenquote der einzelnen Länder angerechnet werden. Das wird die Glaubwürdigkeit der diversen europäischen Statistiken wieder einmal ungemein erhöhen – so wie das ja schon die Betrügereien Griechenlands geschafft haben. Die Märkte – das sind alle jene, die den EU-Staaten weiteres Geld borgen sollen, – werden offenbar für eine Ansammlung von Dummköpfen gehalten. Was sie aber nicht sind.

Daher werden die Österreicher, die Deutschen und alle anderen künftig für die Finanzierung ihrer Staatsdefizite deutlich höhere Zinsen zahlen müssen. Denn sie liegen ja in Sachen Schuldenmacherei nur um wenige Jahre hinter den Griechen. Die Kosten dieser höheren Zinsen kommen jedenfalls noch zu den Kosten der Haftungen und Kreditaufnahmen hinzu.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen gehen alle internationalen Analysen davon aus, dass Griechen und Iren (und in Zukunft auch die Portugiesen und Spanier) niemals die Kredite zurückzahlen werden, die sie jetzt auf Grund der Haftung der Miteuropäer jetzt wieder aufnehmen können.

In den Stunden seit dem Gipfel werden wir mit einer Flut von Propaganda eingedeckt, dass es parallel zu diesen unpopulären Haftungen und Krediten ja auch positive Beschlüsse gäbe. So drohen den Defizitsündern künftig harte Strafen. So werde die Sozial-, Wirtschafts- und Haushaltspolitik viel enger abgestimmt werden.

Beides kostet den gelernten Europäer aber nur einen Lacher. Diese politische Abstimmung ist eine fromme Absichtserklärung ohne jede Konsequenz, wenn sie nicht stattfindet. So hat der österreichische Bundeskanzler typischerweise sofort die Forderung von Angela Merkel abgelehnt, dass das Pensionsalter (die Schuldenlasten durch das Pensionssystem wachsen ja am raschesten) automatisch angehoben werden muss, oder dass zu hohe Lohnsteigerungen (die für den Standort Europa schädlich sind) verboten werden. Mit dem Njet Werner Faymanns und einiger anderer ist bereits klar bewiesen, was von diesen Absichtserklärungen zu halten ist.

Noch unglaubwürdiger sind die angekündigten Strafen für Defizitsünder. Denn so wie bisher werden die Strafen erst fällig, wenn die Minister der Mitgliedsländer zugestimmt haben. Und diese Minister haben schon in der Vergangenheit immer gegen Strafen gestimmt. Eine Schulden-Krähe kratzt bekanntlich der anderen kein Auge aus. Sonst hätten ja schon fast alle EU-Länder längst Strafen zahlen müssen und in Zukunft müssten sie erst recht alle zahlen. Sind doch die Kriterien gleich streng geblieben, aber inzwischen noch viel realitätsferner geworden: drei Prozent maximale Neuverschuldung, 60 Prozent maximale Gesamtverschuldung.

Außerdem: Wenn es einem Land finanziell schlecht geht, dann erhöht eine Geldstrafe ja nur die Finanzprobleme dieses Staates. Sie ist daher nicht wirklich sehr logisch. Vor allem aber ist es unlogisch, wenn man durch Haftungen und Kredite diesem Schuldenland Geld zuschiebt, das man ihm gleichzeitig über solche Strafen wieder abzunehmen droht. Irgendwer muss da die Menschen für sehr dumm halten. Nein, nicht irgendwer, sondern die europäischen Regierungschefs sind es, die vor uns diese Luftburg aufgebaut haben. Die sie aber als eine funktionierende europäische Architektur bezeichnen.

Wie ernst es den Schuldenländern mit dem Sparen ist, sieht man nach dem Scheitern des portugiesischen Sparpakets etwa auch ganz aktuell an Spanien: Dort haben die Mitarbeiter der Flughäfen in den vergangenen Stunden mit Streik gedroht, und prompt haben sie von der Regierung eine Garantie bekommen, dass ihre Tarifverträge nicht angetastet werden, und dass es auch keine Entlassungen gibt, selbst wenn die Flughäfen aus Geldnot verkauft werden sollten. Was die spanische Politik offenbar nicht begreift: Erstens, wer sich einmal erpressen lässt, wird noch viel öfter erpresst. Zweitens, Spanien wird natürlich nun bei einem Verkauf der Flughäfen deutlich weniger Geld bekommen. Denn jeder Käufer zieht diese teuren Garantien vom Kaufpreis ab. Das ist nur ein kleines von vielen Beispielen, dass die politische Klasse Europas noch immer nichts verstanden hat.

Hätten die Regierungschefs die angekündigten Strafen für die Defizitsünder ernst genommen, dann hätten sie diese ja auch gleich der natürlichen Strafe überlassen können. Dann ist es auch absolut unverständlich, warum die Regierungschefs solche gewaltigen Risiken eingehen, nur um die Sünderländer vor der gleichsam automatischen Strafe bewahren. Denn die Marktwirtschaft hat ja längst klare Konsequenzen entwickelt, wenn jemand seine Schulden nicht mehr bezahlen kann: nämlich Konkurs, Ausgleich, Umschuldung.

Das sind gewiss auch für deren Gläubiger unangenehme  Konsequenzen. Sie sind aber tausend Mal klüger und besser als der nun in Europa angesagte Schrecken ohne Ende, der noch viel mehr Opfer fordern wird als eine solche Umschuldung.

Was würde denn bei einer so gefürchteten Umschuldung, einem „Haircut“ eines Landes nun wirklich passieren? Dem Euro würde trotz aller Schreckensmeldungen nichts passieren; das Land müsste sich mit den Gläubigern an einen Tisch setzen und einen genauen Plan einer Umschuldung aushandeln, der meist in Fristerstreckungen und einem teilweisen Forderungsverzicht besteht; das wiederum würde etliche Banken und Fonds in den Gläubigerländern treffen – aber die haben in den letzten Jahren ohnedies schon durch hohe Zinsen viel von dem verborgten Geld zurückbekommen; außerdem wäre selbst eine eventuelle neue Bankenhilfe weit billiger als der 700-Milliarden-Fonds; die Regierungen der Schuldnerländer bekämen eine sehr gute Argumentationsbasis gegenüber den Gewerkschaften, und könnten all die angeblich wohlerworbenen Rechte und Privilegien in Frage stellen, die unsere Zukunft bedrohen.

Das wichtigste an einem solchen Staatsbankrott (oder mehreren) wäre die Vorwirkung auf andere Staaten. Denn dann müssten alle sofort viel sparsamer agieren. Dann würde sich jeder Gläubiger seine Kreditnehmer viel genauer anschauen. Dann müssten Banken auch Kredite an Staaten als Risikopapiere behandeln und zum Unterschied von heute so wie jeden anderen Kredit mit Eigenkapital unterlegen. Dann würden auch die Menschen spüren, dass die Lage weiterhin, trotz Zwischenkonjunktur, eine ernste ist.

Aber die europäischen Regierungschefs haben diesen konsequenten Weg vermieden. Sie gleichen einem an Lungenkrebs Erkrankten, der weiter raucht – oder an die Heilung durch eine Diät glaubt, aber auf die (vielleicht) lebensrettende Operation oder Chemotherapie verzichtet. Sie sind damit kurzfristig Unangenehmem ausgewichen, haben aber langfristig ein umso größeres Risiko eingegangen.

Freilich: Noch ist der Beschluss der Regierungschefs rechtlich nicht Realität. Vorher muss es noch eine – scheinbar kleine – Änderung der EU-Verträge geben. Denn bisher ist ja ein Bailout, also die Übernahme der Schulden eines anderen EU-Landes, europarechtlich verboten. Das dürfte auch der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe vermutlich bald der Berliner Regierung klarmachen.

Diese Vertragsänderung muss daher noch durch die Parlamente. Sie braucht etwa in Österreich sogar eine Zweidrittelmehrheit. Daher darf man gespannt sein, ob diese Änderung in allen EU-Ländern wirklich zustandekommt. Welche Oppositionspartei wird in Österreich die Hand zum 30fachen Erdbeben reichen? Am ehesten stehen die Grünen im Verdachtsverhältnis. Aber auch sie werden sich die Zustimmung teuer abkaufen lassen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

 

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Der Anti-Lügen-Pakt

24. März 2011 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Regierung scheint taktisch nicht gut beraten. Sonst hätte sie die überraschende Einigung mit den Bundesländer über die heikle Pflegefinanzierung und den Stabilitätspakt nicht ausgerechnet am Höhepunkt der Japan-Aufregung bekanntgegeben. Immerhin klingt das ja nach einem Erfolg einer nicht gerade Erfolg-reichen Regierung. Und den verkünden Politiker in der Regel dann, wenn sie das erreichen können, was ihnen am wichtigsten ist: Publicity.

Freilich müssen auch Bund und Ländern zugeben, dass es ihnen nur zur Hälfte gelungen ist, das Glas der Notwendigkeiten und Erwartungen zu füllen. Manche mäkeln auch, dass der Finanzausgleich um ein Jahr bis 2014 verlängert worden ist, also jener Pakt über die Verteilung des Steuergeldes auf Bund und Länder, auf dem viele Reformhoffnungen ruhen. Andererseits: 2013 sind Parlamentswahlen fällig. Und in deren Sog wäre auch eine stärkere Regierung nicht imstande, mit den Ländern Klartext zu reden. Also ist die Verschiebung gar nicht so blöd.

Ignorieren kann man auch die Klagen von Caritas & Co, dass das zusätzliche Geld für Pflege noch immer zuwenig sei. Denn ich habe noch nie gehört, dass man dort einmal sagt: Danke lieber Steuerzahler, das ist reichlich und genug.

Das Spannendste ist jedoch der Stabilitätspakt, der sich als ein Antilügenpakt erweist. Er soll die Bundesländer endlich zur Disziplin anhalten. Bei seiner Lektüre kommt der Staatsbürger freilich ordentlich ins Staunen. Denn darin werden – als große Errungenschaft! – Dinge untersagt, die man bisher nur für griechische Nationalbräuche gehalten hatte:

Vielleicht also hat sich die Politik mit ihrer Diskretion doch etwas Gutes getan.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Verwaltungsreform: Die Regierung hat es geschafft

21. März 2011 00:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Regierung vereinfacht die Verwaltung – und schaltet dabei aber vor allem das Hirn aus. Sie hat zwar jetzt mit großem Stolz ein Paket von 44 Verwaltungsreform-Maßnahmen verkündet. Diese sind freilich bei näherem Hinsehen nicht den Eigenbeifall der Minister wert. Für dieses Urteil genügt es, sich die am lautesten bejubelte „Reform“ anzusehen.

Bei Eheschließungen soll es künftig nämlich eine pauschale Gebühr geben. Das ist freilich das Gegenteil von dem, was jeder sparsam wirtschaftende Unternehmer unter Kostenwahrheit versteht. Denn eine pauschale Gebühr für sehr unterschiedlich komplizierte Vorgänge ist ungefähr so, wie wenn jeder Supermarkt-Kunde bei der Kassa den gleichen pauschalen Betrag zahlen muss. Wer glaubt ernstlich, dass sich der Supermarkt durch Wegfall der Kassiererinnen trotzdem etwas erspart?

Zugleich ist der pauschale Ehetarif eine Quersubvention erstens von Inländern für Ausländer, die vor ein hiesiges Standesamt treten wollen; diese mussten nämlich bisher für jede vorgelegte ausländische Urkunde und Übersetzung etwas zahlen, weil deren Kontrolle ja auch mehr Arbeit macht. Und zweitens ist die Pauschalierung eine Subvention für alle jene Ehepaare, die sich extravagante Termine oder Orte außerhalb von Amtszeit und Amtsstuben für die Eheschließung aussuchen.

Das alles wird jetzt offenbar pauschaliert. Das ist wirklich eine „Reform“, die der Qualität dieser Regierung entspricht. Eine echte Verwaltungsvereinfachung würde natürlich auch bei der Eheschließung etwas anderes vereinfachen: Dass man die Trauungsgebühren oft noch in bar an einem Schalter einzahlen muss – so wie in Zeiten, da man den Lohn noch im Papiersäckchen bekommen hat. Oder dass man Unterlagen und Dokumente extra beantragen und vorlegen muss, die ohnedies im Computer einer anderen österreichischen Behörde vorhanden sind, auf die es jedoch keinen Zugriff gibt, weil irgendwelche Ideologie-geladenen Datenschützer gegen eine Vernetzung dieser Computer agitieren.

Die wirklichen Verwaltungsreformen wurden aber natürlich – natürlich? – auch diesmal nicht angegangen. Wie etwa die Abschaffung der Landesschulräte, der Landes-Sicherheitsbehörden, der Agrarbezirksbehörden, oder gar der Gesetzgebungsfunktion der Landtage. Dafür hat man in einem einzigen Jahr das Bankwesengesetz gezählte zehn Mal novelliert – bis sich kein Mensch mehr auskennt (aber trotzdem glauben manche, dass die Banken zu wenig reguliert seien).

Verwaltungsreform ist wie der Kampf gegen Übergewicht: Jeder weiß, dass er notwendig ist. Aber kaum einer nimmt ihn ernstlich auf. Beim Abnehmen muss man dabei „nur“ den inneren Schweinehund überwinden, bei einer echten Verwaltungsreform hingegen den Widerstand all jener, die sich für absolut unersetzlich halten. Und jedenfalls sind dafür nicht nur Ankündigungen und Pseudomaßnahmen notwendig, sondern Konsequenz und Willensstärke.

Aber immerhin: In der Vorwoche hat nach längerer Zeit wieder die regierungsoffizielle Arbeitsgruppe zur Verwaltungsreform getagt. Und sie nimmt‘s jetzt offensichtlich wirklich ernst: Denn schon im Mai will sie wieder tagen. Sofern es sich halt ausgeht.

 

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Antreten zur Generalwäsche

20. März 2011 17:18 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Spät, aber doch hat die ÖVP-Führung erkannt, dass die Funktion eines Lobbyisten mit der eines Abgeordneten unvereinbar ist. Das ist freilich auch dann der Fall, wenn ein Lobbyist nicht so plump in eine Falle torkelt wie der EU-Gruppenchef der ÖVP, Ernst Strasser. Wir sollten aber darüber hinaus über Korruption in der Politik sehr grundsätzlich diskutieren. Denn wenn wir die Demokratie noch retten wollen, dann braucht es eine Generalwäsche, die wieder ein Stück mehr Sauberkeit herstellt.

Es ist ja schon diskutierenswert, weshalb ein Mann, der nicht nur einfacher Abgeordneter, sondern auch Delegationsleiter seiner Partei im EU-Parlament ist, überhaupt einen Nebenberuf braucht (der von den nun bekanntgewordenen Umsätzen her sogar der eigentliche Hauptberuf Strassers gewesen sein dürfte).

Jedoch: Bei einem generellen Berufsverbot für Abgeordnete (europäische wie nationale) entsteht sofort die Frage, wer dann überhaupt noch in die Politik geht. Niemand kann es nämlich wünschen, dass dann – neben ganz reichen Menschen – fast nur noch Beamte Politiker werden, weil diese als einzige Gruppe ein garantiertes Rückkehrrecht in ihren Beruf haben (oder sogar schon während der Mandatszeit pro forma als Teilzeit-Beamte weiterarbeiten und kassieren). Das würde die Weltfremdheit der Gesetzesbeschlüsse und die unerträgliche Überreglementierung des produktiven Teils der Menschheit durch eine präpotente Klasse an privilegierten Mandarinen nur noch mehr erhöhen.

Im Prinzip wäre eine proportionale Vertretung aller Interessen im Parlament ein durchaus spannendes Ideal. Nur gibt es leider kaum Mechanismen, diese herzustellen. Denn selbst die zuletzt vielzitierte Frauenquote brächte nicht mehr Gerechtigkeit, sondern in Wahrheit nur noch mehr Verzerrung zugunsten einer sehr spezifischen Minderheit unter den Frauen. Ist doch die politisch-feministische Aktivistinnenklasse alles andere als repräsentativ für ihr Geschlecht. Die primär für die eigenen Interessen (siehe Aufsichtsratsposten, siehe Förderungen für feministisch-politische Vereinchen usw.) kämpfenden Politikerinnen sind zum Beispiel viel öfter kinderlos, als es Frauen im Durchschnitt sind. Was aber die Perspektiven total ändert.

Aber auch jenseits der Geschlechterfrage sind die repräsentativen Parlamente keineswegs repräsentativ. In diesen sind nämlich neben den Beamten vor allem Kammermitarbeiter und -funktionäre massiv übervertreten. Es gibt weit mehr Bauernfunktionäre und Gewerkschafter in den diversen Parlamenten als normale Angestellte und kleine Unternehmer. Daher hat im Parlament auch nie eine Initiative eine Chance, bei der die Privilegien von Kammern und Gewerkschaften angegriffen würden. Etwa die Pflichtmitgliedschaften, etwa die skandalöse Geheimhaltung des Abzugs der mehr als saftigen Arbeiterkammer-Pflichtbeiträge von jedem Lohn (nur damit die Menschen glauben, die Leistungen der fürstlich bezahlten Arbeiterkämmerer wären gratis).

Milizparlament als Lösung?

Im Grund gibt es nur zwei Modelle, die diesen strukturellen Missstand der repräsentativen Systeme beheben oder zumindest mildern. Das eine ist die direkte Demokratie, mit der die Bürger die Macht wieder an sich reißen. Das andere wären nicht gewählte, sondern durch einen Zufallsgenerator bestellte Milizparlamente.

Das zweite Modell wäre zwar hoch repräsentativ – ist aber nirgendwo ausgeprobt worden. Wohl nicht grundlos.

Denn es öffnet viele unbeantwortete Fragen: Was ist, wenn ein solcherart durch Los bestellter Abgeordneter um keinen Preis die Aufgabe übernehmen will? Wie kann man sicherstellen, dass sich da nicht erst recht viele kleine Leute als korrumpierbar erweisen, wenn sie plötzlich die Macht eines Gesetzgebers haben? Wo findet dann die politische Diskussion im Vorfeld statt, die derzeit von vielen Vereinen und Organisationen geleistet wird? Wird dann etwa die Willensbildung noch mehr durch die extrem einseitigen Hetzkampagnen in Kronenzeitung und ORF beeinflusst werden?

Das heißt: Wenn wir uns nicht einem in der Regel erst recht raffgierigen Diktator samt seiner Entourage ausliefern wollen, wird es wohl niemals eine ganz korruptionsfreie Politik geben.

Dennoch ist der Kampf gegen die Korruption keineswegs sinnlos. Denn es gibt ja Länder mit einem sehr schlimmen Ausmaß an Korruption (etwa im Südosten Europas) und solche mit einem sehr geringen Ausmaß (etwa jene im Norden). Also muss schon der Unterschied das Engagement wert sein.

Österreich befindet sich aber sicher auf einem absteigenden Pfad. Das beweist nicht nur der Fall Ernst Strasser, das beweist nicht nur die skandalöse Verankerung der Sozialpartner in der Bundesverfassung, sondern auch die seit dem Wechsel Werner Faymanns in die Regierung unglaublich angewachsene Bestechung von Zeitungen aus Steuergeldern. Mit diesem Modell liegt Österreich ja weltweit in einem negativen Spitzenfeld. Und die Behebung dieser Korruptionsmühle durch eine gerade geplante Gesetzesnovelle ist ja nur ein Scherz, um nicht zu sagen, eine Einbetonierung dieser Korrumpierungsmethode.

Österreich sollte auch noch etwas weiteres ernsthaft diskutieren: nämlich die Berufsperspektiven von Abgeordneten nach der Mandatszeit. Denn da gibt es für Nicht-Beamte kaum andere interessante Möglichkeiten als die Tätigkeit eines Lobbyisten, wie sie nicht nur Strasser nach seiner Ministerzeit (und dann durch das Versagen der ÖVP-Führung auch während seiner Abgeordnetenzeit) ausgeübt hat, sondern etwa auch die ehemaligen sozialdemokratischen Regierungschefs Gusenbauer und Schröder. Die ziehen dann heftig hinter den Kulissen die Drähte.

Das Drängen der Ex-Politiker in die Berater/Lobbyisten-Karriere hängt freilich auch damit zusammen, dass sich zwei wichtige Bereiche, in denen sie eine große Bereicherung wären, durch formalistische, aber inhaltliche bedeutungslose Qualifikationshürden komplett abgemauert und in geschützte Werkstätten verwandelt haben: die Diplomatie und die Wissenschaft. Es gibt keinen Zweifel, dass die meisten Ex-Abgeordneten bessere Botschafter und bessere Professoren wären als das dort heute überwiegend dominierende graue Mittelmaß.

Um etwa im Bereich der Linken zu bleiben: Um wieviel mehr könnte ein Alfred Gusenbauer jungen Politologiestudenten beibringen als eine Eva Kreisky, deren einzige auffallende Leistung vor ein paar Jahrzehnten die Eheschließung mit dem Sohn eines damals amtierenden Bundeskanzlers gewesen ist!

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Die Inflation ist wieder da

16. März 2011 11:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist ein paar Dutzend anderer Panikwellen her (deren Liste vom Ende des Flugverkehrs durch die Aschenwolke, über die globale Erwärmungskatastrophe, über die furchtbare Diskriminierung der Frauen in Aufsichtsräten, bis zum jüngsten Sturm vieler Österreicher auf Jodtabletten reicht). Aber es ist trotzdem nur einige Monate her: Da haben uns zahlreiche Politiker vor einer tödlichen Deflationsgefahr gewarnt und diese zum Vorwand genommen, die Wirtschaft vieler Länder mit frischem Schulden-Geld zu überschwemmen. Jetzt ist genau das passiert, wovor die damals belächelten Skeptiker gewarnt haben.

Die Inflation steigt raketenartig an. Und zwar binnen weniger Wochen von zwei auf drei Prozent. Man kann keineswegs die ganze Schuld an der raschen Preissteigerung darauf schieben, dass der Erdölexport aus Libyen derzeit weitgehend unterbrochen ist. Oder dass allzu viele Anbauflächen jetzt der Energieproduktion statt dem Anbau von Lebensmitteln gewidmet worden sind. So problematisch das auch ist. Sondern die Hauptschuld liegt am heftigen Gelddrucken von Europa bis Amerika.

Die drei Prozent Inflation wären an sich noch keine Katastrophe, wenn nüchterne Politik von Regierungen und Notenbanken nun umgehend das macht, was im Grund schon seit Monaten fällig ist: Geld zu verknappen, Zinsen hinaufzusetzen, Defizite herunterzufahren. Wenn das nicht geschieht, steigt die Inflationsspirale weiter an.

Nüchterne Politik wüsste also zweifellos, was zu tun ist. Die Österreicher sollten freilich nicht unbedingt damit rechnen, dass sie das auch hierzulande weiß. Hat die heimische Politik doch im September 2008, als die Inflation zuletzt so hoch war wie jetzt, genau das Gegenteil, genau das Falsche gemacht. Sie hat versucht, die Menschen ob der Preissteigerungen durch eine Geldgießkanne zu beruhigen. Sie hat zusätzliche Schulden gemacht. An diesen Schulden und zusätzlichen Ausgaben (von der Hacklerregelung bis zur Abschaffung der Studiengebühren) würgt Österreich heute noch. Unabhängig davon, dass das Land dann in den folgenden eineinhalb Jahren wegen das Absinkens der Steuereinnahmen und (ebenfalls problematischen) Konjunkturmaßnahmen weitere Schulden angehäuft hat.

An den Fehlern des September 2008 trägt Werner Faymann mit seiner Kronenzeitungs-Politik die Hauptschuld. Aber auch Blau und Schwarz haben bei den Abstimmungen großteils mitgezogen. Zwar kann sich die ÖVP zugute halten, dass sie das sehr widerstrebend getan hat. So wie sie halt auch jetzt offensichtlich widerstrebend, aber letztlich immer doch jeden SPÖ-Blödsinn zumindest teilweise mitträgt. Von der Verlängerung der teuren Hacklerregelung, über die Ersetzung der Hauptschule durch die teure und leistungsverschlechternde Gesamtschule bis zur weiteren Verschlechterung der Aufsichtsräte in staatsnahen Betrieben durch einen Quotenzwang als jüngste Fehlleistung der Regierung.

Diese Erfahrungen machen den Österreicher ziemlich unruhig. Denn wie das Amen im Gebet wird in den nächsten Wochen zum Kampf gegen die Inflation geblasen werden. Gewerkschaft und Arbeiterkammer werden unter Beifall des Boulevards die Regierung und die Wirtschaft mit Forderungen zuschütten. Und am Schluss werden sie wohl wieder einen Teil erfüllt bekommen.

Denn Politik und Sozialpartner scheinen nicht zu begreifen, dass steigende Preise vor allem anderen eine zentrale Information transportieren: Die teurer werdenden Güter sind knapper geworden (oder stehen kurz vor einer solchen Verknappung); wenn man mit zusätzlichem Geld die Nachfrage nach diesen Gütern weiter erhöht, werden deren Preise nur noch mehr und rascher steigen – und die aller anderen Güter auch, die zuerst eigentlich nicht knapp gewesen waren. Und diese zusätzlichen Gelder werden überdies vor allem ins Ausland fließen, aus dem wir ja einen Großteil unserer Güter beziehen.

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Mag. Kindergartentante

14. März 2011 19:22 | Autor: Florian Unterberger
Rubrik: Gastkommentar

Das Leben als Politikkonsument in diesem Land ist ernüchternd - die wirklich dringenden Probleme (Budgetdefizit, Bürokratie, Föderalismus, Gesundheit, ...) greift diese Regierung nicht einmal an, aber dafür schafft man zusätzliche Probleme in Bereichen, in denen es bisher keine gab.

Angeblich wurde heute beschlossen, allen Pädagogen - vom Kindergarten bis zur AHS - eine einheitliche Ausbildung zukommen zu lassen. Dahinter steckt zweifellos das Ansinnen der SPÖ, den Lehreraustausch zwischen Hauptschulen und Gymnasien zu erleichtern und damit einen weiteren Schritt in Richtung Einheitsschule zu machen. Aber hier lassen sich ja zumindest drei sinnvolle Aspekte erahnen:

  1. Es ist zweifellos richtig, den AHS-Lehrern eine bessere pädagogische Ausbildung zugute kommen zu lassen als bisher.
  2. Es ist auch sinnvoll, die AHS-Lehrer schon früher und intensiver mit der Praxis des Unterrichts vertraut zu machen. Im vierten Jahr des Studiums ist das aber immer noch viel zu spät.
  3. Vielleicht wird im Zuge der Reform auch die unsägliche Praxis abgestellt, dass Hauptschul- (und AHS-Unterstufen-)Lehrer ohne spezifische Fachausbildung sämtliche(!) Fächer unterrichten dürfen.

Schildbürgerstreich Kindergarten

Das wirklich Bedrohliche der Reform-Ankündigung steckt aber in der Ankündigung, dass künftig auch Kindergärtnerinnen einen Universitätsabschluss brauchen - und zwar sicherheitshalber gleich den Master und nicht nur den Bachelor.

a) Die Verlagerung der Ausbildung zur Kindergärtnerin (neudeutsch 'Kindergartenpädagogin') von einer Berufsbildenden Höheren Schule auf eine Universität/Fachhochschule bringt eine furchteinflößende Verkopfung mit sich. In Zukunft wird man bei jeder angepinkelten Hose gleich nach Freud rufen.

b) Der Wechsel der Ausbildung wird aber auch zu Selektionsprozessen führen. Gstandene, kinderliebende junge Frauen aus oft kinderreichen Familien werden sich von der jahrelangen universitären Ausbildung abschrecken lassen. Als Ersatz rücken vermutlich verstärkt die überzähligen Psychologie-Absolventen nach ...

c) Wer derzeit einen Kindergartenplatz sucht, kennt den dramatischen Mangel an Kindergärtnerinnen. Wer sein Kind nicht unmittelbar nach der Geburt schon wo angemeldet hat, sollte sich nicht mehr viele Hoffnungen machen. Ausgerechnet in dieser Phase vier Jahre lang(!) österreichweit auf alle Absolventen zu verzichten, kann man nur mehr als Schildbürgerstreich bezeichnen.

d) Mit der Steiermark hat das erste Bundesland schon den Abschied vom teuren Gratiskindergarten beschlossen. Sobald man universitär ausgebildete Kindergärtnerinnen entlohnen muss, werden wohl weitere Bundesländer folgen.

e) Ausgerechnet in einer Berufsgruppe, die überdurchschnittlich viele Kinder bekommt, den Eintritt ins Erwerbsleben um vier Jahre nach hinten zu verschieben, ist ein weiterer Beitrag zum demographischen Selbstmord dieses Landes.

f) Da es mit dem vierjährigen Bachelorstudium nicht getan ist, müssen die Kindergärtnerinnen von morgen in den anschließenden fünf Jahren auch noch berufsbegleitend den Master anschließen. Dass Kindergärtnerinnen (und auch Lehrer) in den ersten Jahren ihres Berufslebens (meist im Unterschied zu späteren Jahren) wirklich sehr viel Zeit in Vorbereitungen stecken, dürfte auch eine Überraschung sein.

Bei der Einbeziehung der Kindergärtnerinnen in die allgemeine Pädagogenausbildung fällt es einem sogar schwer, eine "hidden agenda" auszumachen. Aber vielleicht besteht sie wirklich nur darin, einige zusätzliche Professuren für die Visionäre zu schaffen, die derzeit mit der Arbeit in den zahlreichen Reformkommissionen nicht ausgelastet sind ...

Florian Unterberger ist Pressesprecher bei einem staatsnahen Unternehmen. Er ist mit einer Kindergärtnerin verheiratet und hat zwei Kinder (wovon eines den Kindergarten besucht).

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Fußnote 180: Die EU wird zur Fußnote der Geschichte

12. März 2011 00:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt gibts den "Pakt für den Euro". Die Märkte erzittern beeindruckt und werden, sobald sie den Pakt durchgelesen haben, das Geld kübelweise zu den alten Niedrigzinsen nach Griechenland, Spanien, Portugal und Irland tragen.

Nach einem Nullpapier zu Libyen machen sich die  europäischen Regierungschefs mit diesem Pakt endgültig lächerlich. Denn er erreicht das Gegenteil von der beabsichtigten Stärkung der Glaubwürdigkeit der eigenen Währung. Europa ist nur noch bei Frauenquoten, Rauchverboten, Windmühlen, Abtreibungsförderung und Schwulenehen präsent. Hingegen hat der Gipfel alles, was die EU-Mitglieder wirklich zu Sparsamkeit und Verantwortungsbewusstsein zwingen würde, in Unverbindlichkeit verschwinden lassen. Da unterschreibt ein Herrn Faymann folgenden Satz: "Die Euro-Länder sollen das Pensionseintrittsalter an die demografische Entwicklung anpassen." Dabei hat seine Partei schon eine ganze Regierung daran scheitern lassen, weil sie nicht daran denkt, das zu tun. Da könnte ja die den Kern der SPÖ bildende Abcashgeneration und deren Zentralorgan, die Krone, unzufrieden sein. Daher wird Faymann mit Garantie alles verhindern, was dem von ihm selbst unterschriebenen "sollen" entsprechen würde. Ignoriert er doch auch alle Experten, die dasselbe sagen. Ähnliches gilt auch für die restlichen Punkte dieses Pakts. Nirgendwo haben sich die Euro-Länder über das Wünschen und Sollen hinaus zu irgendetwas wirklich Greifbarem verpflichtet. Angela Merkel, die mehr als ein zahnloses Gebrabbel wollte, ist an der Mehrheit der Big Spender gescheitert und wird daher bei den nächsten deutschen Regionalwahlen wohl die Zeche zahlen müssen. Denn die Deutschen spüren: Sie müssen also jetzt weiter in ein Fass ohne Boden hinein zahlen. Europa ist wirklich nur noch eine Fußnote wert (auch wenn ich mich in den nächsten Tagen noch einmal mit dem ganzen Scheitern in Sachen Libyen befassen möchte).

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Josef Pröll, Schon wieder Umfallkaiser

11. März 2011 18:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Und neuerlich ist die ÖVP ein weiteres Stück umgefallen: Jetzt vergisst sie auch wieder auf die „Mittlere Reife“, die sie erst vor wenigen Wochen von allen 14-Jährigen verlangen wollte. Und wieder begründet Umfallkaiser Josef Pröll sein Verhalten damit, dass er auf den Koalitionspartner zugehen wollte. In den Annalen ist hingegen seit langem nichts verzeichnet, wo im Gegenzug die SPÖ auf die ÖVP, auf eine konservative, auf eine wirtschaftsliberale oder auf eine christliche Position zugegangen wäre

Die Vermutungen werden immer dichter, dass es Prölls emotionales Gleichgewicht und Konsensbedürfnis stört, wenn er im Konflikt mit der SPÖ liegt. Denn wenn die ÖVP-Wähler ständig noch näher auf die SPÖ zugehen wollten, dann hätten sie wohl gleich diese gewählt. Dieses ständige Zugehen mag vielleicht die Weltsicht von Prölls Paten Christian Konrad und seinen Medien sein, es ist aber ganz sicher nicht der Grund, warum bei der letzten Wahl (noch) 26 Prozent die ÖVP gewählt haben.  Oder warum einst jahrzehntelang deutlich über 40 Prozent hinter der großen konservativ-christlich-liberalen Sammelpartei gestanden sind.

Das neuerliche Nachgeben in Sachen Schule – nach der Sprengung der Hauptschule, obwohl diese erfolgreicher ist als alle Gesamtschulen, – ist dadurch doppelt bestürzend, dass die ÖVP gleichzeitig auch beim Thema Bundesheer die eigenen Positionen räumt, wo es nur noch der Klubobmann wagt, den SPÖ-Vorgaben zu widersprechen. Und dass sie nun auch beim Thema Frauenquote in die Knie geht.

Gewiss: Die nun zu einer freiwillig-unverbindlichen Übung degradierte Mittlere Reife war bisher eine eher unausgegorene Idee. Vor allem bestand die Gefahr, dass das dabei verlangte Niveau unter jenem liegen wird, das einst von 10-Jährigen vor der Aufnahme in eine AHS verlangt worden war. Dass die Leistung der Unterstufe auf drei Gegenstände reduziert wird, dass der Rest uninteressant wird, dass auch in diesen drei Gegenständen die Latte extrem tief gelegt wird.

Der Verdacht ist wohl begründet: Denn das Unterrichtsministerium und seine Helfershelfer – die ja diese Mittlere Reife definieren hätten müssen – sind seit vielen Jahren heftig bemüht, die Anspruchs- und Leistungsniveaus zu senken. Das hat nicht erst unter Claudia Schmied begonnen.

Aber trotz dieser Sorge klang das Konzept der obligatorischen Mittleren Reife noch irgendwie nach einer Leistungsmessung. Nun aber ist die Partei wieder dem Konzept der Frau Karl nähergerückt: Matura für alle.

Nur Sadisten kann es freuen, einer einst für Österreich so wichtigen Partei beim Selbstmord mit Anlauf zusehen zu müssen.

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Wie buchstabiert man Privatisierung?

10. März 2011 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Soll die ÖIAG künftig alle Staatsbeteiligungen der Republik halten? Über dieser Frage liegt sich die Koalition in den Haaren. Der gelernte Österreicher weiß: Da geht es letztlich nur um parteipolitische Machtfragen. Die ÖIAG ist zwar per Gesetz vom Eigentümervertreter, also dem Finanzminister, unabhängig, und der Aufsichtsrat erneuert sich aus sich selber heraus – hat aber eine klare Schlagseite zur Industriellenvereinigung. Der Verbund untersteht hingegen dem ÖVP-Wirtschaftsminister – dort gibt es noch wenigstens private Miteigentümer, die dem totalen Machtdurchgriff im Wege stehen. Die ÖBB und die Asfinag gehören überhaupt ungeschützt dem SPÖ-Verkehrsminister.

Angesichts dieser Machtinteressen droht nun eine ÖIAG-neu. Diese wird in schlechtem altem Proporz die Unternehmen wieder schön nach Parteifarben aufteilen. Die Parteien werden wieder die Posten vergeben. Und die Marketingbudgets werden jeweils ganz nach parteipolitischen Interessen missbraucht werden.

Ein besonders übles Beispiel einer Renaissance des politischen Missbrauchs von Staatsbetrieben ist die aktuelle Quotendebatte, also ein verordneter Anteil von Frauen in Aufsichtsräten. Da es schon ohne Quote schwierig genug ist, halbwegs qualifizierte Aufsichtsräte zu finden, will man der Privatwirtschaft vorerst keinen Quotenzwang antun (es sei denn, eine radikalfeministische EU-Kommissarin setzt sich diesbezüglich noch durch). Aber die in gesellschaftspolitischen Fragen besonders feige Politik will halt doch irgendwie irgendwas in Sachen Quote tun: Und beschließt daher eine solche für staatsnahe Betriebe.

Dort ist die Qualifikation offenbar wurscht. Dort kommt primär die Partei, sekundär künftig das Geschlecht, tertiär der Betriebsrat und bestenfalls quartär die Fähigkeit einer Person. Aber meistens nimmt diese letzte Stelle in der Hackordnung sowieso schon der Steuerzahler ein. Quasi als Quartalszahler.

Über das, was viel wichtiger ist als Quoten und Parteien, wird überhaupt nicht debattiert: nämlich über die Notwendigkeit von Privatisierungen. Zwar zeigen Wirtschaftsexperten wie Wifo-Chef Aiginger, IHS-Chef Felderer oder Claus Raidl beharrlich deren Notwendigkeit auf. Aber die Politik weiß nicht einmal, wie man Privatisierung buchstabiert.

Dabei wären sie in vielfacher Hinsicht (außer für die Macht von Politikern und Gewerkschaftern) eine Win-Win-Situation: In 90 Prozent der Fälle agieren privatisierte Unternehmen nachher erfolgreicher, machen mehr Gewinne und sichern die Arbeitsplätze besser. Gleichzeitig könnten Bund und Länder mit den Privatisierungserlösen ihre Schulden reduzieren und sich für die nächste Krise wappnen. Das täte insbesondere auch den Bundesländern gut, die dauernd über zu wenig Geld jammern, aber wie etwa die Gemeinde Wien statt zu privatisieren sogar Unternehmungen aufkaufen.

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Der Fasching geht weiter

08. März 2011 06:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sooft man die täglichen Bemerkungen aus der Spitze von Politik oder Wissenschaft hört, stellt sich die immer gleiche Frage: Haben sie ein intellektuelles oder ein charakterliches Problem? Also: Sind sie primär feig oder dumm? Oder glauben sie an den ewigen Fasching?

Da wagt es Sozialminister Hundstorfer doch tatsächlich zu sagen: Eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters über 65 Jahre hinaus sei „der falsche Zugang“. Zwar erhöht ein europäischer Staat nach dem anderen das Pensionsalter, aber Hundstorfer weiß es halt besser. Und er begründet diese Behauptung, wie wenn er von einem anderen Stern käme, mit der Arbeitslosigkeit. Als ob nicht in vielen Fällen ganz gezielt die Arbeitslosigkeit als Vorstufe für einen frühen Pensionsantritt gewählt wird. Als ob nicht von den Lehrern angefangen längst schon in vielen qualifizierten Bereichen ein wachsender Mangel eingesetzt hätte. Als ob sich in den Arbeitslosenzahlen nicht in hohem Ausmaß Arbeitsunwillige oder Arbeitsunfähige verbergen. Als ob es heute noch in irgendeiner Weise verantwortungsvoll wäre, Politik auf Zuruf der Gewerkschaft zu machen. Als ob nicht Österreichs sogar um weitere fünf Jahre niedriges Frauenpensionsalter heute schon ein unternationales Unikum wäre (auch wenn darüber nie und in der unfassbaren Gehirnwäsche eines Weltfrauentages schon gar nicht geredet wird).

Ähnlich ist offenbar der neue Rektor der Universität Wien willens, Politik auf Zuruf der Hochschülerschaft zu machen. Wagt er es doch glatt zu sagen: „Wir haben nicht zu viele Studenten.“ Solchen Schwachsinn hat man zuletzt nur noch von der ÖH gehört. Statt sich dieser Frage zu stellen, fordert Heinz Engl gleich eine Vervierfachung der Budgetzuschüsse – ausgerechnet – für jeden Publizistik-Studenten von 2000 auf 7000 bis 8000 Euro. Die Universität Wien wird nun wohl endgültig abzuschreiben sein, glaubte man doch, dass schon mit seinem Vorgänger, der die Audimax-Besetzern in ihrem Rechtsbruch noch mit privaten Spenden bestärkt hat, der absolute Tiefpunkt erreicht war.

Aber auch die Lehrergewerkschaft an den berufsbildenden Schulen lässt die gleiche Frage aufkommen. Fordert sie doch eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Was naturgemäß nur noch als Provokation empfunden werden kann. Woran auch die gegenläufigen Provokationen der zuständigen Ministerin nichts ändern. Woran auch der Umstand nichts ändert, dass Ministerium und Stadt- bzw. Landesschulräte die Lehrer ständig durch bürokratische Dummheiten und überflüssige Gutmenschaktionen mit zusätzlicher Arbeit eindecken.

Zusätzliche Arbeit für uns alle denkt sich auch gerade der EU-Energiekommissar Günther Oettinger aus: Er will, dass die Energieversorger den Strom nicht mehr einmal pro Jahr, sondern monatlich abrechnen. Wie auch immer das organisiert werden soll: Es schafft sinnlose Bürokratie. Aber wieder wird ein EU-Mensch behaupten, dass er etwas für die Konsumenten getan habe. Was auch immer die davon haben sollen, außer überflüssige Arbeit.

Wer glaubt, dass die Dummheit mit dem Faschingsende ein Ende findet, dürfte sich also gewaltig täuschen.

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Offener Brief an Bundeskanzler und Vizekanzler

07. März 2011 21:32 | Autor: Wolfgang Bauer
Rubrik: Gastkommentar

Unter dem Titel „Internet – Initiative Verwaltungsreform und Privilegienabbau jetzt“ hat die Bürgerinitiative „Verwaltungsreform Jetzt“ folgenden Offenen Brief an Werner Faymann und Josef Pröll geschickt:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrter Herr Vizekanzler und Finanzminister!

Die Zeit drängt: Bis Ende April muss dem Parlament ein neuer Finanzrahmen bis 2015 übermittelt werden.

Wir ersuchen Sie dringend, dabei zu berücksichtigen, dass unser Land nur dann eine gute Zukunft haben kann, wenn jetzt die Weichen mit Realitätssinn, Mut zur Wahrheit und höchster Konsequenz hin zum dauerhaften Ende der Defizitpolitik gestellt werden – mit Budgetüberschüssen als Sicherheitsreserve. Jede Verzögerung verschlechtert unsere Situation einschneidend.

Die unheilvolle Schulden- und Zinsendynamik im öffentlichen Bereich nimmt der Zukunftsgestaltung jeden Spielraum. Wer Kredite nicht rückführt, erntet Jahr für Jahr steigende Zinsbelastungen. Derzeit gehen zum Beispiel schon etwa dreimal soviel an Budgetmitteln für Zinsen auf, als für die Hochschulen ausgegeben wird. Dabei haben wir im Moment noch den Vorteil historisch niedriger Zinssätze; es besteht kein Zweifel, dass die Zinsen wieder steigen werden.

Dazu kommt enormer Nachholbedarf aus Bildung und Ausbildung, Forschung, Pflege etc. Wie soll das alles finanziert werden? Neuerlich mit Schuldenzuwachs und Belastungen der Bevölkerung, wie zuletzt beim sogenannten Sparpaket?

In einer solchen Situation nicht zumindest unverzüglich alles zu tun, um endlich jedes, wirklich jedes Effizienzpotential und alle Privilegien im öffentlichen Bereich aufzuspüren und durch umfassende Strukturreformen (inklusive der zugehörigen gesetzlichen Regelungen) und Reorganisationsmaßnahmen große Budgetmittel freizubekommen, ist grob fahrlässig, man kann es nicht anders nennen.

Unsere Initiative www.verwaltungsreform-jetzt.at ersucht Sie dringend, Ihre von Parteiinteressen und Parteitaktik bestimmte Politik aufzugeben und stattdessen die einmalige Handlungschance zu nutzen, die in der wahlfreien Periode bis 2013 liegt. So, wie Sie es vor den letzten Landtagswahlen versprochen haben.

Über 5.000 äußerst besorgte Bürgerinnen und Bürger haben seit Jahresbeginn namentlich auf unserer Webseite zusammengefunden, um in dieser Situation zumindest die unverzügliche Einlösung des seit Jahren offenen Versprechens bezüglich Verwaltungsreform und Privilegienabbau zu fordern:

„Die Bundesregierung möge eine massive Erhöhung der Verwaltungseffizienz sowie den umfassenden Abbau von Privilegien mit höchster Priorität in einem 5-Jahres-Plan festlegen, bis April 2011 einen Gesetzesentwurf dieses Inhalts im Parlament einbringen, in der Folge einen Beschluss möglichst mit Verfassungsmehrheit erwirken und den daraus resultierenden detaillierten, quantifizierten Aktionsplan zügig abarbeiten.

Die daraus resultierende budgetwirksame, echte und dauerhafte Ersparnis soll mindestens fünf Milliarden Euro pro Jahr betragen und ab dem Jahr 2015 erreicht sein. In den Jahren bis dahin sollen stufig entsprechende Teilersparnisse realisiert werden, sowie für die Phase über 2015 hinaus weitergeplant und -gearbeitet werden.

Die Bundesregierung möge dafür die bereits ausgearbeiteten und beauftragten Analysen und Konzepte des von ihr selbst schon vor 2 Jahren eingerichteten Arbeitskreises „Konsolidierung“  (bestehend aus Vertretern von Rechnungshof, WIFO, IHS, Staatsschuldenausschuss, Zentrum für Verwaltungsforschung) verwenden, ebenso die Ergebnisse des Verfassungskonvents nutzen und ausbauen. Die bevorstehende Sitzung des Arbeitskreises Konsolidierung im März bietet die Möglichkeit, die nötigen Beschlüsse für die rasche Ausarbeitung der noch offenen Punkte festzumachen.

Hemmnisse aus der sogenannten „Realverfassung“ müssen gemeinsam mit den Ländern, Sozialpartnern, Selbstverwaltungskörpern und anderen überwunden werden. Daran darf Österreich nicht scheitern!“

Bitte erkennen Sie, dass bereits sehr vielen Menschen das ständige Erleben der von Ihnen – und auch von der Opposition – praktizierten „Gewohnheitspolitik“ im Innersten zuwider geworden ist. Viele in Österreich wollen den Filz nicht mehr, der das Land erstickt. Österreich will frei aufatmen und die Zukunft positiv bewältigen.

Grundvoraussetzung ist das Brechen mit der Schulden- und Belastungspolitik. Seien Sie entsprechend Ihrer Funktion in vorderster Reihe dabei. Österreichs Effizienzaktion kann ein Modell für andere Staaten werden.

Die Internet-Initiative www.verwaltungsreform-jetzt.at bittet Bürgerinnen und Bürger, sich massiv auf unserer Webseite einzutragen, damit Sie, sehr geehrte Herren, und Ihre Regierungsmitglieder noch mehr Rückenstärkung aus dem Volk für die Umsetzung dieses sehr schwierigen Unterfangens bekommen.

Unsere Initiative ist völlig überparteilich und dient allen Gruppen der Bevölkerung, hängen doch die Möglichkeiten der Sozialpolitik, Pensionen, Bildung, Ausbildung, Kunst- und Kulturförderung, Gesundheit, Pflege etc. letztlich von der Frage ab, wie wettbewerbsfähig Österreich bleibt.

Wir verbleiben mit freundlichen Grüßen

VERWALTUNGSREFORM – JETZT

Verantwortlicher:

Mag. Wolfgang Bauer

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Der Tag, an dem die Regierung zu regieren aufhörte

06. März 2011 01:00 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ist wohl der bezeichnendste Tag im Leben dieser Bundesregierung. Ganz versteckt am Faschings-Wochenende, an dem die Menschen nicht sehr intensiv an die Politik denken, ist er plötzlich da. Gezielt sang- und klanglos.

Es ist nämlich der Tag gekommen, an dem die Bemühungen um ein neues Beamtendienstrecht  regierungsoffiziell beendet worden sind. Man tut nicht einmal mehr so, als ob man sich um eine Reform bemühen würde. Wir haben also nicht einmal mehr theoretisch die Chance auf einen frischen Wind, auf ein stärkere Berücksichtigung von Leistung im öffentlichen Dienst, auf eine Erleichterung der Möglichkeiten für Bund und Länder, sich so so wie private Arbeitgeber von faulen, unfähigen, korrupten oder subversiven Mitarbeitern zu trennen, auf eine Neuregelung, durch die man Beamte und Vertragsbedienstete, die man im Bereich A absolut nicht mehr braucht, ohne Probleme künftig in einem zumutbaren Bereich B einsetzen kann.

Diese Dienstrechtsreform wäre zum Unterschied von der zumindest von der SPÖ betriebenen endgültigen Zerstörung des Bildungssystems und des Bundesheeres wichtig und notwendig gewesen.

Das ist absolut deprimierend. Aber fast noch schlimmer ist: Keine einzige unserer Parteien – ob in Regierung oder Opposition – hat ein genaues Konzept, wie man diesen Mühlstein Öffentlicher Dienst auf die Dimensionen des 21. Jahrhunderts redimensioniert. Dabei wird in der Stunde Griechenland – also wenn es bei uns so weit ist – über Nacht ein solches Konzept dringend notwendig sein.

Österreich braucht gute und motivierte Beamte. Aber es braucht keine Mandarinenklasse, die sich über das gewöhnliche Volk erhaben dünkt, die überwiegend nur an sich denkt.

Mit wachsender Nostalgie muss man da an die schwarz-blauen Zeiten zurückdenken, als noch mit Zähigkeit und Energie wider alle Widerstände auch in den eigenen Reihen um Reformen gekämpft worden ist, von denen letztlich sehr viele dann doch umgesetzt worden sind – wenn auch noch immer viel zu wenige und manches nur mit faulen Kompromissen. Mit Reformen sind natürlich nicht Beschlüsse jener Art gemeint, die sich die jetzige Regierung als einziges an den Hut heften kann, nämlich Beschlüsse, durch die noch mehr des nicht vorhandenen Geldes ausgegeben wird.

Aber Schwarz-Blau/Orange war für die sogenannten Intellektuellen des Landes ja sowieso abgrundtief schlecht, was für diese die Medien beherrschenden Menschen schon dadurch endgültig bewiesen ist, dass Karl-Heinz Grasser 18.000 Euro zu wenig Steuern bezahlt hat. Das sind übrigens die gleichen "Intellektuellen" unter Führung eines Robert Menasse, die derzeit reihum Unterschriften für den Museumsdirektor Noever sammeln, den man doch nicht gleich feuern solle, nur weil er ein bisschen in die Kassa gegriffen hat. Dass bei Noever die Schadenssummen eine Null mehr als der von Grasser zurückgezahlte Betrag haben, tut doch nichts zur Sache. War Noever doch einer der tapfersten Vorkämpfer gegen Schwarz-Blau.

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Vor den Vorhang: Universität Klagenfurt

28. Februar 2011 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Alle anderen Universitäten, Rektoren, Dekane, Uni-Räte bekommen schon beim bloßen Gedanken daran das Zähneklappern. In Klagenfurt hingegen tut man es sogar. Und ignoriert (bisher) den auf Knopfdruck bestellten internationalen Proteststurm.

Klagenfurt will nämlich das Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft schließen. Und das war „noch nie“ da, wie die Protestierenden schäumend verkünden. Die – zumindest vorerst – mutige Uni-Leitung hatte hingegen mit zehn gegen eine Stimme ein Strategiepapier beschlossen, das die Schließung von Medien- und auch Musikwissenschaft empfiehlt. Da das vom Staat zur Verfügung gestellte Budget nicht wachse, müsse sich die Universität Schwerpunkte suchen und schlanker werden.

Gewiss ist es noch keineswegs sicher, ob nicht der Universitätsrat oder sonst jemand umfällt oder ob sich gar die Wissenschaftsministerin unter Druck setzen lässt. Sollte es aber bei dem Beschluss bleiben, dann ist den Klagenfurtern nur zu ihrem Mut zu gratulieren.

Erstens einmal müssen Universitäten künftig Schwerpunkte zeigen und können nicht alles und jedes anbieten. Zweitens werden ähnliche Dinge wie an der Klagenfurter Publizistik nicht nur in Klagenfurt, sondern auch in Wien, Salzburg und Graz sowie an zahllosen Fachhochschulen angeboten. In Wien gleich mehrmals, aber auch in St. Pölten, Krems oder Eisenstadt, um nur die mir ohne Nachzuschlagen bekannten Publizistik-Baumschulen anzuführen. Und die Gemeinde Wien gründet gerade eine weitere (seit dort Rot und Grün gemeinsam regieren, spielt ja in Wien Geld überhaupt keine Rolle mehr).  Die nun mit Sicherheit einlangenden Hinweise, dass all diese Publizistenschulen ganz einmalige Schwerpunkte haben, dürfen als reine Semantik und Rosstäuscherei ignoriert werden.

Die Publizistik-Ausbildungen nennen sich zwar fast überall anders, auch ist das akademische Profil unterschiedlich. Auch sind manche nur schlecht (wie etwa seit Jahrzehnten jene an der Wiener Uni), manche weniger. Gut und von internationalem Rang ist jedoch keine einzige.

Eine bezeichnende Anekdote am Rande: Am Wiener Gürtel wurde vor einigen Jahren eine Wirtschaftskammer-nahe Publizistik-FH geschaffen, vor deren Gründung ich zu einer ausführlichen Stellungnahme eingeladen worden war. Monate später bekam ich dann noch einen Dankesbrief, dass nicht zuletzt auf Grund meiner Empfehlungen nun die Fachhochschule endgültig gegründet werde. Muss ich extra betonen, dass ich in Wahrheit vehement vor einer weiteren solchen Journalisten-Ausbildung als Geldverschwendung gewarnt hatte?

Aber das Spiel ist immer dasselbe (und läuft in anderen Studienrichtungen, von der Politologie über die Geschichte und Germanistik bis zur Pädagogik genauso): Da viel zu viele Publizisten ausgebildet werden, gibt es viele Absolventen, die sich zumindest in neuen akademischen Arbeitsplätzen einen Job als Professor erhoffen. Worauf sie so lange lobbyieren, bis ein ahnungsloser Politiker eine solche Ausbildungsstätte genehmigt. Dort werden dann wieder noch mehr Publizisten ausgebildet. Und um ja mit großen Zahlen protzen zu können, wird das Studium extrem leicht gestaltet. So leicht, dass dort nicht einmal ein Herr von und zu Guttenberg seine Dissertation fremdarbeiten lassen müsste. Eine prominente Absolventin der Wiener Publizistik hat mir einmal gestanden, dass sie nie länger als zwei Tage für irgendeine Prüfung gelernt hat.

Die Publizistik-Ausbildung ist inhaltlich so schlecht, dass vor einigen Jahren bei einer Zusammenkunft mehrerer Chefredakteure alle einig waren, dass ihnen für den Redaktionsnachwuchs alles lieber ist als Publizistik-Absolventen. Aber öffentlich äußern die meisten ihre Kritik eher nicht, weil so manche durch Lehraufträge an irgendwelchen Publizistik-Instituten ihr kärgliches Salär aufbessern.

Woran auch die Tatsache nichts ändert, dass sich die Klagenfurter Publizisten nun bei ihren Kollegen im ganzen deutschen Sprachraum Atteste bestellt haben, wie toll, einzigartig und unersetzlich sie wären.

Aber zugegeben: Wem es nur darum geht, leicht und schnell zum Magister zu werden, der ist bei den Publizisten noch immer am richtigen Platz. Etwa wenn er über einige Parteizwischenstationen ÖBB-Generaldirektor werden will.

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Wie hilft man Sozialhilfe-Empfängern wirklich?

27. Februar 2011 00:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

„Weltfremd“ sei es, so der oberösterreichische Sozialdemokrat Josef Ackerl, wenn der Rechnungshof „ausgabendämpfende Maßnahmen“ im Bereich Mindestsicherung und Sozialhilfe verlangt. Für seine Welt hat Ackerl zweifellos recht, wenn er diese Forderung für Welt-fremd erklärt. In anderen Welten ist man hingegen mit solchen Maßnahmen sehr erfolgreich.

In Ackerls Welt gibt es immer nur eines: ständig mehr Sozialausgaben, ständig mehr Schulden. Und viele Experten prophezeien ja auch schon, wenn auch noch hinter vorgehaltener Hand, dass am Ende des Jahres die Ausgaben für die neueingeführte Mindestsicherung alle Schätzungen weit übertroffen haben werden.

Von der Schweiz bis Amerika gibt es hingegen Beispiele, wie man die explodierenden Wohlfahrtskosten sehr wohl und auf eine sehr humane Weise wieder in den Griff bekommt. Dazu muss man freilich erst den Mut haben, ein paar Wahrheiten einzugestehen. Wider das in steinerne Hirne gemeißelte linke Weltbild.

So fällt es linken Sozialdemokraten wie Ackerl unsagbar schwer zuzugeben, dass allzu großzügige Sozialsysteme immer zu allzu intensivem Missbrauch verleiten. Gleichzeitig zeigt sich: Wenn man den Menschen allzu leicht den Aufenthalt in einer sozialem Hängematte ermöglicht,  dann verlernen sie es, sich außerhalb solcher „Sicherungssysteme“ zu bewegen. Wer jahrelang von Sozialhilfe lebt, der ist nachher weniger denn am Beginn imstande, in der Früh aufzustehen, um sich rechtzeitig an seinem Arbeitsplatz einzufinden. Er verlernt es, übernommene (und an sich durchaus zumutbare) Aufgaben auch zu erfüllen. Auch Tugenden wie Grüßen, Kundenfreundlichkeit und Höflichkeit gehen vielfach verloren, unabhängig davon, wie weit sie einst vorhanden waren. Das Schlimmste aber: Die Menschen verlieren den Respekt vor sich selbst.

Längst haben auch die Sozialtechnokraten solches entdeckt – und sich einen riesigen Markt entwickelt, in dem sie in staatlich bezahlten Kursen Sozialhilfeempfängern solche Tugenden wieder beizubringen versuchen. Ihre Erfolge halten sich aber in engen Grenzen (außer dass es halt wieder jede Menge Arbeitsplätze für Absolventen progressiver Studienrichtungen gibt).

Denn solche Tugenden erwirbt man sich nur in der realen Welt, weil manches halt nur unter Zwang und Druck gelernt wird. Dieses Wissen ist in vielen Familien verloren gegangen. Gleichzeitig hat man aber auch den Lehrern fast alle Möglichkeiten genommen, Kindern Disziplin zu vermitteln; und wer es dennoch versucht, bekommt oft Probleme mit seinen Vorgesetzten, mit ideologietrunkenen linken Direktoren, mit Stadt- und Landesschulräten sowie den diversen Schul-Inspektoren.

Die USA haben daher noch im vorigen Jahrhundert mit großem Erfolg beschlossen, dass niemand mehr (außer nachweislich körperlich Behinderte) länger als fünf Jahre von der Wohlfahrt leben darf. Der allergrößte Erfolg zeigt sich bei den Betroffenen selbst: Die alleinerziehenden schwarzen Mütter – eine der größten Gruppen unter den Wohlfahrtsempfängern – zeigen einen ungeahnten Zuwachs an Selbstbewusstsein, seit sie nun an Supermarktkassen oder sonstwo ihr eigenes Geld verdienen (müssen), statt lebenslang von Wohlfahrtsschecks leben zu können. Und fast keine klagte in der Manier unserer Linken über einen menschenunwürdigen Arbeitszwang.

Ähnliches hat vor rund zehn Jahren die Schweizer Stadt Winterthur eingeführt. Alle Sozialhilfeempfänger wurden zu einem Arbeitseinsatz verpflichtet; es sei denn, sie sind krank oder müssen nachweislich ihre Kinder betreuen. Die Ergebnisse sind eindrucksvoll: Von 300 Antragstellern landeten am Ende nur 131 beim Sozialhilfebezug. Vom Rest fanden manche auf diesem Weg rasch wieder einen normalen Job; über Fünfzig der ursprüngliche Antragsteller kamen aber gar nicht zum Arbeitseinsatz und verzichteten solcherart auf die Unterstützung.

Und deren Verhalten hängt wohl in hohem Ausmaß mit einer anderem Folge des Arbeitseinsatzes zusammen. Er verhindert jedenfalls eine nicht ganz so seltene Form des Missbrauchs: die Verbindung von Sozialhilfe und ertragreicher Schwarzarbeit. Daher wurde auch in etlichen anderen Schweizer Städten ein ähnliches Modell eingeführt. Was übrigens auch die großen Vorteile des Föderalismus zeigt: Man kann sich immer anschauen, welches Muster funktioniert, und dieses dann nachmachen. Geht aber einmal eine Reform schief, dann ist nicht gleich das ganze Land auf eine schiefe Bahn geraten. Aber das ist heute ein anderes Thema.

Zurück zur Arbeitspflicht: Abgesehen davon, dass diese Modelle von der Linken gefürchtet werden wie die Meinungsfreiheit von Gaddafi, sollten Arbeitspflicht-Modelle auch in Österreich intensiv erprobt werden. Anstelle immer breiter und unkontrollierter die soziale Gießkanne einzusetzen. Das Arbeitspflicht-Modell ist angesichts schuldenschwerer Staatsbudgets sparsamer, es ist aber vor allem menschenwürdiger. Denn allen Bürgern wird gezeigt, dass sie von der Gesellschaft gebraucht werden, dass sie nicht Almosen-Empänger sein müssen, sondern einen bezahlten Beitrag für das Allgemeinwohl leisten können. Ob der nun im Rasenmähen, im Betreuen alter Menschen, im Waldsäubern oder im Renovieren der desolaten Wiener Spitäler besteht.

 

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Fußnote 174: Reisen sollte bilden

23. Februar 2011 12:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Trio infernale Fischer, Karl, Leitl war in Singapur. Was sie dort wirklich lernen hätten können.

Singapur ist nicht nur eines der erfolgreichsten Länder der Welt, sondern hat auch eines der (unter anderem bei den Pisa-Tests) erfolgreichsten Schulsysteme. Dieses hätten sich die Drei sehr genau anschauen sollen, sind sie doch alle Anhänger der Gesamtschule. Singapur wird zwar formal als Beispiel eines Gesamtschul-Landes angeführt, weil es kein zweigliedriges Schulsystem (Gymnasium und Hauptschule bzw. Neue Mittelschule) hat. Es hat aber in Wahrheit kein zweigliedriges, sondern ein vielgliedriges Schulsystem, bei dem ein enormer Wettbewerb zwischen den einzelnen Schulen stattfindet, und ein noch größerer zwischen den Kindern beziehungsweise Eltern, in möglichst gute Schulen zu kommen. Dort setzt die berühmte "Selektion" noch viel früher ein. Die guten Schulen haben beinharte Aufnahmetests und setzen die aufgenommenen Kinder auch danach ständig großem Leistungsdruck aus. Während man bei uns die Aufnahmsprüfungen abgeschafft hat, während unsere Gesamtschulfanatiker alle Kinder acht Jahre lang in gleichwertige Schulen hinunternivellieren wollen, während nun bei uns das Durchfallen endgültig abgeschafft werden soll (also jede Anstrengung völlig überflüssig wird), während bei uns Schulstunden und Schulwochen ständig reduziert wurden, während die Gesamtschulfanatiker alle Nebengegenstände völlig irrelevant machen wollen, während bei uns Schulschwänzen und Nichtbringen von Hausübungen keine Konsequenzen mehr hat. Aber ich fürchte: Die drei sind lernunfähig, so wie sie ja auch unsere Kinder durch die Gesamtschule lernunfähig machen wollen. Herr Leitl ist ja überhaupt berühmt dafür, von seinen Reisen noch dümmer zurückzukommen. So hat die „Presse“ dieser Tage mit köstlicher Süffisanz daran erinnert, wie dieser Alt-68er Leitl bei einem Libyen-Besuch Herrn Gadhafi und sein System begeistert angestrudelt hat . . .

PS: Zur Erinnerung: Das Schulsystem Singapurs hat ein in jenem Stadtstaat arbeitender Österreicher in einem Gastkommentar auf diesem Tagebuch präzise und objektiv präsentiert.

 

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Vaclav Klaus und seine europäischen Wahrheiten

22. Februar 2011 01:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vaclav Klaus hat dieser Tage fundamentale Kritik an der EU geübt. Diese ist jedenfalls ernstzunehmen, ist der tschechische Präsident doch einer der ganz wenigen europäischen Spitzenpolitiker mit einer fundierten ökonomischen Bildung – und gleichzeitig mit dem Mut, seine Meinung ohne die sonst üblichen Rücksichten und diplomatischen Floskeln brutal und pointiert zu formulieren. Davon können wir alle nur profitieren, selbst wenn wir dem Mann auf dem Hradschin nicht in Allem zustimmen sollten.

Was hat er nun gesagt? Erstens hat er darauf verwiesen, dass es ein grober Fehler sei, die EU und Europa gleichzusetzen. Damit hat er zweifellos recht. Haben doch auch wir Österreicher bis 1995 sehr unter dieser Gleichsetzung gelitten, als wir eben noch nicht Teil der EG beziehungsweise EWG waren, wie die EU früher hieß.

Europa ist nicht nur größer, sondern auch viel älter als die EU. Und es wird auch wohl dann weiterbestehen, wenn die EU einmal als Folge von allzuvielen Fehlern ihrer Akteure zerbrechen sollte. Auch wenn wir uns das nicht wünschen, so ist es doch sicher gut, sich der potenziellen Endlichkeit der Union endlich wieder bewusst zu werden. Dieses Bewusstsein ist ja auch eine Warnung, allzu leichtfertig die EU zu missbrauchen.

Zweitens macht Klaus ein strengen Unterschied zwischen Integration und „Unifikation“. Er bekennt sich voll zur Integration, womit er die Liberalisierung des Lebens und der Wirtschaft sowie insbesondere die Beseitigung der Barrieren zwischen den einzelnen Ländern und ehemaligen Blöcken meint. Dieses Lob von Klaus wird wohl von fast allen Europäern geteilt. Die Integration hat uns alle wohlhabender, freier, mobiler gemacht.

Unter Unifikation versteht Klaus hingegen den Versuch, Europa künstlich in eine harmonisierte und zentralisierte Nation zu verwandeln. Diesen Versuch lehnt er ab; und prophezeit ihm ein Scheitern.

Der Tscheche hat damit den wunden Punkt Europas angesprochen: Wollen die Menschen das überhaupt? Hat das unausgesprochen von vielen europäischen Akteuren angestrebte Ziel, die EU zu Vereinigten Staaten von Europa weiterzuentwickeln, eine demokratische Legitimation? Man darf zweifeln. Schon die großen sprachlichen Unterschiede, aber auch die völlig unterschiedliche historische und kulturelle Identität machen eine Überwindung des nationalen Denkens und Handelns so gut wie unmöglich.

Man sehe sich nur an, mit welch großer Intensität die Österreicher nach wie vor das Handeln ihrer Bundesregierung und ihres Parlaments diskutieren, wie wenig emotionale Aufmerksamkeit hingegen das europäische Parlament oder die diversen EU-Ministerräte beziehungsweise Kommissions-Sitzungen hierzulande erregen.

Es gibt nicht einmal funktionierende gesamteuropäische Medien. Lediglich das Eliteblatt „Financial Times“ widmet Europa mehr Raum und Gewicht als nationalen Vorgängen. Das ist natürlich schade, aber doch ein Faktum, das ich selber bei meinen eigenen Vorträgen beobachten kann: bei österreichischen oder weltanschaulichen Themen ist der Saal meist recht gut besucht, Europa-Themen leeren ihn hingegen.

Diese Unifikation ist in Wahrheit ein reines Projekt der Brüsseler Eliten, aus welchem Land immer sie kommen mögen. Medien, Politiker, EU-Beamte, Lobbyisten denken europäisch, der Rest des Kontinents tut das nicht. Deshalb wird den Europäern auch regelmäßig mehr Subsidiarität versprochen – also dass die einzelnen Nationen wieder mehr Rechte und Macht bekommen. Geschehen tut aber leider oft das Gegenteil.

Freilich sollte man dafür nicht allzusehr die anonyme Institution EU geißeln. Denn im Rat, dem noch immer mächtigsten Gremium Europas, sitzen lauter nationale Minister oder Regierungschefs. Ohne ihre Beschlüsse könnte das Subsidiaritätsprinzip auch nie verletzt werden. Aber in Wahrheit tun die versammelten Minister das sehr gerne. Denn in einer Ratssitzung kann man unter lauter meist gleichgesinnten Kollegen viele Dinge durchbringen, mit denen man daheim im Ministerrat, am Finanzminister, im Parlament oder in der Öffentlichkeit scheitern würde. Und das Ergebnis kann man dann scheinheilig wieder der EU in die Schuhe schieben.

In den einzelnen Fachministerräten beschließen die versammelten Umwelt- oder Frauen- oder Landwirtschaftsminister in nichtöffentlichen Sitzungen Vieles, was nur im ganz spezifischen Interesse einer Lobby liegt. Die Gesamtsicht, für die etwa in Österreich die Einstimmigkeitspflicht im Ministerrat sorgt, geht dabei hingegen verloren. Das ist aber ein gravierender Fehler.

Problematisch wird Klaus freilich in einem weiteren Punkt, nämlich wenn er die „Soziale Marktwirtschaft“ weitgehend mit dem Kommunismus gleichsetzt. Da wird seine pointierte Vereinfachung allzu holzschnittartig und damit falsch. Da ja in der EU keineswegs die Wirkung der Marktmechanismen abgeschafft ist.

Und vor allem vergisst Klaus eines: Noch immer gibt es neben den schädlichen Unifizierern in der EU-Kommission auch viele erfolgreiche Kämpfer für den Markt, gegen Monopole und Kartelle. Ohne sie stünden wir, stünden vor allem die Konsumenten viel schlechter da.

Aber dennoch ist es sehr schade, dass die interessanteste Rede eines europäischen Politikers seit Jahren so wenig diskutiert wird.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das neue unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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Staatssportler, Privatkapellen und Sklavenkellner

19. Februar 2011 01:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es braucht keine Abschaffung der Wehrpflicht, keine Volksbefragung, um die ärgsten Skandale im Bundesheer abzuschaffen. Es würden einfache Weisungen von Norbert Darabos genügen – und den Mut des Burgenländers, das Aufheulen von Landeshauptleuten, Sportfunktionären, Offizieren und Unteroffizieren total zu ignorieren.

Denn 2100 von 24.000 Rekruten werden als Gratis-Kellner in Offiziers- und Unteroffiziers-Casinos verwendet. Was den Herren (und neuerdings auch einigen Damen) in Uniform den Aufenthalt in ihren exklusiven Aufenthaltsräumen viel angenehmer und billiger macht. Eine unglaublich große Zahl von Privatdienern, die sofort auf Null reduziert gehört.

Denn für persönliche Dienstleistungen ist die Wehrpflicht nicht mehr zu rechtfertigen – auch wenn solche Ordonnanz-Dienste in vielen Armeen eine lange Tradition bis tief in feudale Zeiten zurück haben. Übrigens nicht in jeder: als ich einmal in einer israelischen Kaserne war, saßen dort die Offiziere im gleichen Speisesaal wie die Mannschaft – dort natürlich auch sehr viel junge Frauschaft. Und alle mussten sich um ihr Essen anstellen. Ich will jetzt nicht lange analysieren müssen, ob die israelische oder die österreichische Armee effizienter ist.

Aber es geht nicht nur um die persönlichen Kellner der Herrn mit goldenen und silbernen Sternen am Kragen. Fraglich ist auch, weshalb allein im Vorjahr 307 Präsenzdiener als Militärmusiker gearbeitet haben (sowie eine Anzahl von Berufssoldaten). Gewiss: Militärmusik gehört etwa bei Staatsbesuchen zum Pflichtelement. Sie ist auch eine kulturell wertvolle Tradition. Aber es ist absolut nicht einzusehen, dass jeder Landeshauptmann auf Bundeskosten quasi eine private Militärmusik hat. Nur um seine provinzielle Repräsentation imposant gestalten zu können.

Aber nicht nur die Landeshauptleute werden via Bundesheer subventioniert. Das gilt auch für den Spitzensport. Denn zahlreiche österreichische Sportler sind beim Bundesheer fest angestellt, aber fast das ganze Jahr über als Profis bei Training oder Wettkämpfen unterwegs. Das Staatssportlertum war schon im Kommunismus eine der übelsten Erscheinungen. Und angesichts der Gesundheitsschäden bei vielen Spitzensportlern gibt es schon längst kein Argument mehr, diesen irgendwie zu fördern – was Darabos dennoch nicht nur über die Anstellung beim Bundesheer, sondern auch in sehr direkter Form über zahllose Förderungen macht. So wie all seine Vorgänger als Sportminister.

Diese Sportförderungen sind zumindest moralisch nicht mehr zu rechtfertigen. Nicht nur dann nicht, wenn man einen Oppositionspolitiker wegen deren Verwendung vor Gericht bringen will.

 

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Die Kultur steckt bis zum Hals im Fördersumpf

10. Februar 2011 12:08 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Warum fördert der österreichische Steuerzahler die Filmindustrie? Niemand weiß es. Denn bei fast keiner fördernden Stelle gibt es irgendwelche nachvollziehbare Förderrichtlinien. Dennoch sind die Förderungen allein von 2006 auf 2008 um 25 Prozent auf stolze 58 Millionen gestiegen. Der wahre Grund der Förderungen ist jedoch ziemlich klar.

Der liegt darin, dass die Filmindustrie zusammen mit den Kulturjournalisten eine besonders starke Lobby bildet, der niemand entgegenzutreten wagt. Überdies trifft es sich gut, dass die meisten österreichischen Filme auch ideologisch richtig positioniert sind. Ob die geförderten Filme dann am Ende auch ein Publikum finden, oder ob sie in irgendeiner Weise für Österreich – etwa als Tourismusland – Werbung machen, ist ganz offensichtlich völlig uninteressant.

Der neueste Rechnungshofbericht enthält jedenfalls viele Schmankerln zur Illustration des Steuerzahler-Frustes. Da fördern etwa in der Stadt Wien gleich mehrere Stellen die Filmwirtschaft – koordiniert wird da aber nichts. In der Steiermark sind es sogar fünf Institutionen. 65 Prozent der Filme werden mehrfach gefördert. Mancherorts entscheiden Menschen über die Fördervergabe, die dann am Film praktischerweise gleich mitverdienen. Der ORF fördert Filme, ohne aber bei – eventuell – erfolgreichen Produktionen an Einspielergebnissen des Filmes beteiligt zu sein. Die Einhaltung der an sich oft komplizierten Förderungsbedingungen wird oft nicht kontrolliert. Im Burgenland und der Steiermark werden absurderweise sogar bereits fertiggestellte Produkte gefördert.

Das alles erreicht jedenfalls ein Ziel sehr klar: Ich werde meine nächste Steuerüberweisung wieder mit ganz besonderer Freude abfertigen.

PS: Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin natürlich auch nicht für eine Förderung von Internetblogs , obwohl etwa dieses Tagebuch weit mehr Besucher hat als die meisten geförderten österreichischen Filme . . .

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Die Bürger wehren sich – endlich

06. Februar 2011 01:38 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Von der Schuldenpolitik bis zur Schulpolitik: Dieses Land kommt immer mehr auf die schiefe Bahn. Und es wird von ahnungslosen oder böswilligen Politikern und Altpolitikern wie Hannes Androsch immer tiefer hinuntergestoßen. Das ist hier schon oft genug getadelt worden. Heute darf ich als Kontrast einmal zwei lobenswerte wie mutige Initiativen vor den Vorhang holen.

Ich möchte auch gleichzeitig die Leser des Blogs zur Unterstützung einladen, sofern sie ähnlicher Meinung sind. Immer mehr Bürger zeigen nämlich solcherart, dass sie beginnen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Dass sie die getarnten Parteiaktionen wie ein Androsch-Volksbegehren durchschauen und verachten. Das alles ist gut so, und längst fällig.

Um mit dem Schulthema zu beginnen: Die Notwendigkeit solcher Initiativen ist gerade in den letzten Tagen nicht nur durch Androsch, sondern auch durch das skurrile Papier der Sozialpartner zur Bildungspolitik bewiesen worden. Und noch mehr durch die jämmerliche Vorstellung eines Wirtschaftskammerchefs Leitl, der in dieser Frage wie in vielen anderen der SPÖ die Räuberleiter macht. Er hat ja ganz im Sinn der SPÖ ein gemeinsames „Bildungs“-Papier mit der Gewerkschaft und den beiden furchtbaren Bildungsministerinnen produziert, in dem weder von Studiengebühren noch von einer Zugangsbeschränkung die Rede ist, dafür aber von einer „gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen“.

Es bleibt rätselhaft, warum auch nur ein einziger Wirtschaftstreibender, der endlich wieder gut ausgebildete Mitarbeiter braucht, der auch für seine eigenen Kinder eine gute Schule haben will, einen Mann als seinen Interessenvertreter wählen soll, der Österreichs Schulsystem noch mehr kaputt machen will. Der vor lauter Krampflächeln längst jeden Bezug zur Realität verloren hat – oder diese im ständigen Anbiedern ausgerechnet an die Gewerkschaft wiederzufinden sucht. Zum Glück wagt wenigstens noch die Industriellenvereinigung da gegenzusteuern. Zum Glück tut dies neuerdings auch der voestalpine-Chef Wolfgang Eder, der dieser Tage in einem brillanten Auftritt vehement gegen die Schulnivellierung nach Leitl-Androsch-Art Stellung bezogen hat.

Aber ein noch größeres Glück ist, dass sich jetzt die Jugendlichen selbst zu organisieren beginnen. Sie erkennen, dass auf die Parteien oder gar Verbände mit ihren miesen Tauschgeschäften längst kein Verlass mehr ist. Dass auch keine Oppositionspartei eine glaubwürdige Alternative darstellt. Weder in Sachen Schuldenabbau – da fällt auch Blau-Orange-Grün ständig nur ein, wo man noch mehr ausgeben soll, – noch in Sachen Schule, wo selbst die FPÖ außerstande war, eine rasche und klare Antwort auf die teure wie leistungsfeindliche Parteiaktion Androschs zu geben.

Da freut es ganz besonders, dass sich die Betroffenen selbst zu organisieren beginnen. In einem Fall sind das die Bürger und Steuerzahler, im anderen die Schüler (die Lehrer trauen sich ja kaum mehr öffentlich aufzutreten).

Eine Gruppe junger Österreicher tut das mit einem schülerbegehren.at, das insbesondere der von Androsch, Leitl und Rot-Grün gewünschten Gesamtschule voller Begeisterung den Kampf ansagt. Die Jugendlichen haben binnen weniger Tage viel rascher Zulauf bekommen, als das von allen Linksmedien und dem ORF an der Spitze so vehement unterstützte Altersbegehren des von jeder Schulahnung freien Steuerhinterziehers Hannes Androsch nach einer ähnlichen Zeitspanne hatte.

Besucht man ihre Webseite, dann zeigt sich dort nicht nur hohe Web-Professionalität, sondern auch viel Wissen rund um alle Schulprobleme. Empfehlenswert ist etwa ein brillanter Artikel über das von vielen Gesamtschulfanatikern zitierte Beispiel Finnland und die wahren Ursachen, warum jenes Land bei den Pisa-Tests so gut abschneidet. Einer der Initiatoren begründet auch mit eigenen Erfahrungen, warum er gegen die Gesamtschule ist. Er hat eine solche selbst fünf Jahre lang in Spanien als absolutes Negativbeispiel erlebt.

Meine Empfehlung: Anschauen und bei Zustimmung den jungen Leuten bei ihrem Notruf gegen die Funktionärsklasse helfen (sie nehmen auch gerne die Hilfe von Älteren an).

Die gleiche Empfehlung gilt für eine Bürgergruppe, die elektronisch den mindestens ebenso wichtigen Kampf um eine Verwaltungsreform aufgenommen hat. Auch ihre Initiative www.verwaltungsreform-jetzt.at ist mehr als unterstützenswert: www-verwaltungsreform-jetzt.at ist überdies eine Initiative, die geradezu unmittelbar den Debatten auf diesem Blog entsprungen ist (und wohl auch ein wenig den Tagebucheinträgen).

Die Initiatoren wollen einen verbindlichen Fünfjahresplan zum Abbau von Defizit und Schulden. Sie rufen nach Privilegienabbau, Einsparungen und Verwaltungsreform. Sie fordern, dass die Politik endlich das Notwendige beschließt und umsetzt. Und nichts wäre dringender als das.

Manche mögen blasiert über diese Initiativen und Aufrufe lächeln. Aber es kann kein Zweifel sein, dass sich auch in Österreich zunehmend tiefer Hass gegen die von Politik und Verbänden gesteuerte Politik aufbaut – insbesondere da auch die meisten Medien in die falsche Richtung zerren. Da hilft es auch längst nicht mehr, wenn sich die SPÖ jetzt bei einem Androsch (der in vielerlei Hinsicht moralisch viel bedenklicher ist als ein Karl-Heinz Grasser) ein von der Partei scheinunabhängiges Volksbegehren bestellt hat. Die Zeit für Tarnen und Täuschen ist abgelaufen.

Noch ist alles gewiss im Anfangsstadium. aber vielleicht haben die beiden hier genannten Initiativen das Potential, die Politik eines Landes so zu beeinflussen, wie es – bei anderen Rahmenbedingungen – etwa die amerikanischen Tea Parties geschafft haben. Diese sind ja auch nur von einer einzelnen Studentin gestartet worden. Und sie sind von Medien und Mächtigen lange belächelt oder heruntergemacht worden. Aber sie sind längst zur treibenden Kraft der amerikanischen Politik geworden und zwingen die Regierung nun zu kräftigen Einsparungen. Und kümmern sich nicht mehr um die Schmutzkampagnen vieler Medien.

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Fußnote 168: Der Staatsbankrott naht

04. Februar 2011 14:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Lange wurde beschwichtigt, wenn man die ausgabenfreudigen Politiker davor gewarnt hat. Jetzt ist er offiziell Thema – zumindest in den USA: der Staatsbankrott.

Es muss um die USA viel schlimmer bestellt sein, als wir gemeinhin glauben, wenn es nun sogar der Chef der Notenbank Fed selbst ist, der das Wort in den Mund nimmt. Wobei doch stets jede Äußerung eines Notenbankchefs extrem vorsichtig und im Wissen um die Folgen jeder Aussage formuliert wird. Ben Bernanke verlangt einen straffen Sparkurs, denn: „Ab einem gewissen Punkt wären die Vereinigten Staaten in einer Position, in der sie nur noch den Staatsbankrott erklären könnten.“ Denn irgendwann werde niemand mehr den USA Geld borgen. Die Folgen wären „katastrophal“. Es wäre schön gewesen, wenn sich auch der österreichische Finanzminister getraut hätte, seine Worte aus dem vergangenen Frühjahr des öfteren zu wiederholen, in denen er davon gewarnt hat, dass Österreich auf den griechischen Weg zu kommen drohe. Denn man sollte nicht vergessen, dass Österreichs Schuldenquote noch vor drei Jahren höher als die amerikanische war. Es geht schneller als man denkt.

 

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Die knallroten Fäden in Androschs Phrasensumpf

03. Februar 2011 14:16 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das, was Hannes Androsch nun als Text seines „Volks“-Begehrens präsentiert hat, ist noch schlimmer als erwartet. Es ist ein reines Partei-Begehren geworden, oder genauer gesagt: eines für den ganz linken Schmied-Flügel. Darin findet sich nicht einmal eine Andeutung der mutigen und klugen Ansätze, die einige SPÖ-Landeshauptleute vorgeschlagen haben.

Das wird natürlich die von unseren Zwangsbeiträgen und korruptionär verschobenen Steuergeldern lebenden SPÖ-Medien nicht hindern, wie verrückt die Trommel dafür zu schlagen. Wie immer, wenn die Partei pfeift, marschiert das Zentralorgan ORF an der Spitze. Der ORF hat ja schon, bevor die Malaise schriftlich vorgelegen ist, für Androsch mehr Propaganda gemacht als jemals bisher für ein anderes Volksbegehren während dessen gesamter Laufzeit. Öffentlich-rechtlich ist halt wie im Ostblock immer das, was der Partei nutzt. Genauso laut werden aber zweifellos auch alle Freimaurer-Freunde Androsch Beifall klatschen.

Aber gehen wir in die Details seines Papiers. Der dickste Rote Faden, der es von Anfang bis Ende durchzieht, ist die Forderung nach unglaublich viel mehr Geld für zahllose Dinge. Damit will man offenbar in bekannter sozialistischer Manier viele Gruppen bestechen, dem Papier zuzustimmen. Dabei würde eine Erfüllung all seiner Forderungen Österreich noch teurer kommen als das gesamte ÖBB-Defizit. Daher würde auch eine rein rot-grüne Regierung nicht einmal einen Bruchteil davon verwirklichen können. Denn dann würde längst niemand mehr Österreich Geld borgen.

Was Androsch natürlich verschweigt: Im internationalen Vergleich gibt Österreich ja durchaus respektable Summen für das Bildungssystem aus. Interessant und mutig wäre es etwa aufzuzeigen, wo das Geld sinnlos und verschwenderisch ausgegeben wird (etwa im Wiener Schulsystem, wo nur die Hälfte der Lehrer auch wirklich in Klassen steht). Daher kommen solche Hinweise natürlich bei Androsch nicht vor.

Die Forderung nach noch mehr Geld ist aber auch für jenen Ex-Finanzminister mehr als kühn, unter dem einst – nach den stabilen 50er und 60er Jahren – die Spirale der ständig steigenden Staatsverschuldung mit voller Kraft eingesetzt hatte. Diese nimmt heute Österreich jeden finanziellen Bewegungsspielraum. Noch kühner ist es, dass ausgerechnet ein Mann nach mehr Steuermilliarden ruft, der massenweise Arbeitsplätze und damit Steuereinnahmen nach China exportiert hat, und der höchstpersönlich als Steuerhinterzieher verurteilt worden ist. Der Kern des Androsch-Konzepts: Der blöde Mittelstand soll noch mehr zugunsten der linken Träume bluten – sowie alle jene, die so blöd sind, der Republik auch künftig langfristigen Kredit einzuräumen.

Der zweite Rote Faden ist eine inhaltsarme Phrasendrescherei, die jedes Parteiprogramm und auch die meisten Wahlkampagnen übertrifft. Da wimmelt es nur so von schwammigen Formulierungen wie: „Wir fordern ein modernes, unbürokratisches und weitgehend autonomes Schulsystem“ (was heißt „weitgehend“?), „ohne parteipolitische Einflussnahme“ (in Wahrheit will Androsch die Macht seiner Parteifreundin Schmied gewaltig aufwerten, der er sogar die Kindergärten unterstellen will!), „Wir fordern ein sozial faires, inklusives Bildungssystem“, „Jedes Kind in Österreich hat Anspruch auf alle gebotenen Chancen“, „Wir fordern die Aufwertung des Lehrerberufs“ (dass sich ein „Bildungs“-Volksbegehren nicht an den Duden hält, fällt in dem Phrasensumpf kaum noch auf), „Wir fordern ein weltoffenes Bildungssystem“ und immer wieder  „faire Bildungs- und Berufschancen“.

Der dritte Rote Faden ist die absolute Leistungsfeindlichkeit des Androsch-Konzepts. Begabtenförderung kennt es nicht. Es will vor allem das Durchfallen verbieten. Dass Lernen auch mit Anstrengung zu tun hat, wird in der linken Traumwelt natürlich absolut verschwiegen. Lernen kommt höchstens mit einer weiteren Leer-Phrase vor, als „kreatives Lernen“ vor.

In Parteipropagandisten-Lyrik wird statt Leistung postuliert: „Die Schule muss eine faszinierende Welt werden“. Theaterspielen, Sport, soziale Fertigkeit, Freizeit, soziale Inklusion sind die Lieblingsvokabel der Konzeptschreiber. Sie erheben an vielen Stellen die Forderung, dass sozial Benachteiligte, „Kinder mit besonderen Bedürfnissen“ (also offensichtlich auch geistig Behinderte, aber das ist in der Androsch-Schule auch schon wurscht), und Migranten „bis zum Hochschulabschluss dieselben Bildungs- und Berufschancen haben wie alle“.

Das heißt natürlich, dass man nie irgendwelche Konsequenzen daraus ziehen darf, ob ein Schüler, ein Student auch etwas kann, etwas leistet. Weder mit 10, noch mit 14, noch mit 18, noch mit 27 Jahren. Sonst hätten sie ja nicht mehr alle dieselben Berufschancen. Denn bei jeder noch so milden Auslese würden ja die sozial Benachteiligten automatisch wieder ins Hintertreffen geraten. Daher müssen zwangsläufig alle Selektionen unterbleiben. Was sich ja auch an weiteren Androsch-Phrasen zeigt wie: „Es darf kein Kind zurückgelassen werden.“

Völlig inhaltsleer ist auch der Satz: „Die Schnittstelle zwischen Kindergarten und Volksschule muss optimiert werden.“ Kein Wort findet sich jedoch davon, dass ein Kind wenigstens Deutsch können muss, bevor es in die Schule gehen darf.

Dementsprechend fehlt auch jeder Hinweis auf Zugangstests und Ähnliches für die Hochschulen. Von Studiengebühren ist natürlich schon gar keine Rede.

Der vierte Rote Faden ist die Forderung nach umfassender Verstaatlichung der Kinder. Für die Eltern und Familien gibt es bei Androsch natürlich überhaupt keine Rolle (schließlich hat er zwei, also in Wahrheit gar keine); statt dessen will er das Land mit „Krabbelstuben“ überziehen; auch will er die Ganztagsschule zur Regelschule machen (also für alle verpflichtend).

Das Papier scheut auch nicht vor offener Lüge zurück: „In anderen Pisa-Ländern kennt man Nachhilfe so gut wie nicht.“ Vielleicht setzen sich die Autoren einmal in ein Flugzeug ins aufstrebende Asien, um (neben den von Androsch exportierten Arbeitsplätzen) zu sehen, wie in den dortigen – extrem erfolgreichen – Pisa-Ländern die Eltern noch so teure Zusatz-Lernangebote wahrnehmen, damit ihre Kinder in die besten Schulen kommen.

Natürlich wird auch die Gesamtschule gefordert. Aber auch dies geschieht mit einem unwahren und (noch dazu grammatikalisch wie vieles an dem „Bildungs“-Papier total verunglückten) Satz. Nämlich „dass man erst mit 14 oder 15 Jahren die eigentlichen beruflichen Begabungen und Interessen eines jungen Menschen erkennen kann“. Auch das, was Androsch vermutlich gemeint hat, also dass man bei 14-Jährigen „berufliche Begabungen“ erkennt, ist schlicht gelogen. Viele Begabungen erkennt man viel früher, viele andere deutlich später. Gerade Jugendliche wechseln oft auch alljährlich ihre Interessen. Und sie sind vor allem mit 14/15 in einem extrem schwierigen Entwicklungsalter. „Berufliche“ Begabungen erkennt man leider überhaupt erst am Arbeitsplatz.

Wahr ist also, dass jedes Jahr vor dem 14. Lebensjahr, in dem man Kinder dem SPÖ-Konzept zufolge nicht ihren Begabungen entsprechend schulisch fordert, sondern in Einheitsschulen verkümmern lässt, ein verlorenes, ein gestohlenes Jahr ist. Und ebenso wäre es ein Verbrechen, wenn man Kindern nicht auch nach der von der Linken so hochstilisierten Entscheidung mit 14 die Möglichkeit gibt, die Ausbildungsrichtung zu ändern.

Androsch hat trotz der Macht seiner Netzwerke und Parteiverbindungen erstaunlich wenig qualifizierte Unterstützer für seine Initiative gefunden. Diesbezüglich aufgefallen sind lediglich die Herren Taschner und Liessmann. Werden Sie ihre guten Namen weiter für so ein Machwerk hergeben? Nur um sich in den Strahlen der Mächtigen zu sonnen?

Eine Realisierung des Konzepts würde die Staatskassen ruinieren und einen gewaltigen Run auf die Privatschulen auslösen. Dorthin werden viele jener Eltern vor der Schulnivellierung flüchten, die ihren Kindern noch eine ambitionierte und disziplinierte Ausbildung verschaffen wollen. Während die Superreichen (wie Androsch selbst!!!) ihre Kinder längst in Privatschulen haben, wird diese „Reform“ vor allem den Mittelstand treffen, der bisher noch staatliche AHS benutzen konnte. Im Grunde geht es nämlich um nichts anderes als einen Klassenkampf gegen den den linken Apparatschiks so verhassten Mittelstand.

Wird die ÖVP diesmal klug genug sein, zu erkennen, dass ihr jeder Millimeter Konzession an Androsch und den roten Zwischenwahlkampf noch weitere Wähler kosten wird? Strache waits for them.

PS: Einen positiven Punkt des Konzepts habe ich schließlich doch gefunden: die Forderung nach mehr Personalautonomie für die Schulen. Freilich auch das ohne nähere Definition. Aber immerhin geht wenigstens ein Punkt in die richtige Richtung.

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Die Wiege der Direkten Demokratie - Die Gemeinde

26. Januar 2011 00:42 | Autor: Capricorn
Rubrik: Gastkommentar

Meiner Erfahrung (lebend in der Schweiz) und meiner Meinung nach wird ein Staatswesen am besten von unten her verändert. Die Bürger können noch viele Jahrzehnte hoffen, dass eine geeignete politische Partei Mehrheiten bei Nationalratswahlen gewinnen wird, um stärkere und damit leichter herbeizuführende direktdemokratische Elemente in der Bundesverfassung zu verankern. Das Warten würde vermutlich enttäuscht werden.

Deshalb müssen die Bürger beginnen, das Zepter in den kleinsten Organisationseinheiten des Staates selbst in die Hand zu nehmen. Wie eben in der Schweiz, wo die Wiege der direkten Demokratie in den Gemeinden angesiedelt ist.

Direkte Demokratie auf Gemeindeebene mag vielen Österreichern auf den ersten Blick als nicht staatsentscheidend erscheinen. Doch erlebe ich immer wieder, wie unzufrieden Gemeindebürger in Österreich mit gemeindeeigenen Entscheidungen sind. Kaum jemand macht sich die Mühe, von direktdemokratischen Elementen in den Gemeinden Gebrauch zu machen. Gerade in kleinen und mittelgroßen Gemeinden wäre es relativ leicht, diese Instrumente zu benutzen, um den politischen Entscheidungsträgern immer wieder mit Nadelstichen auf den richtigen Weg zu verhelfen.

Und wenn eine Gemeinde einmal konsequent von diesen Instrumenten Gebrauch macht, dann könnte dadurch eine Art „Flächenbrand“ der direkten Demokratie auf Ebene der Gemeinden entstehen. Stellen Sie sich vor, in einer Ihrer Nachbargemeinden würden regelmäßig Volksabstimmungen/Volksbefragungen durchgeführt: Was glauben Sie würde passieren? Die Bürger der umliegenden Gemeinden würden durch diese Vorbildwirkung bald dasselbe tun wollen. Sie würden neidisch auf in die Nachbargemeinde hinüberschielen. Denn Unzufriedenheit über mangelnde Bürgerbeteiligung gibt es zu Hauf.

Man könnte in einem weiteren Schritt sogar daran denken, Bürgerlisten zur Gemeinderatswahl aufzustellen, deren einziger Zweck und einziger Programmpunkt es wäre, alle Gemeindeentscheidungen konsequent einer Volksabstimmung/Volksbefragung (je nach Gemeindeordnung) zuzuführen.

Was glauben Sie würde passieren, wenn zahlreiche Gemeinden über Jahre von diesen Instrumenten Gebrauch machen würden? Richtig! Diese regelmäßige Bürgerbeteiligung hätte über die Zeit einen massiven demokratiepädagogischen Effekt auf die Wahlbürger. Und die gleichen Wahl- und Gemeindebürger sind es doch, die auch Wahlberechtigte sind bei Landtags- und bei Nationalratswahlen. An einem gewissen Punkt könnten die politischen Verantwortlichen der oberen Verwaltungseinheiten (Länder, Bund) nicht mehr umhin, über mehr und erleichterte direktdemokratische Bürgerbeteiligung nachzudenken und solche Elemente auch einzuführen. Das klingt zwar visionär, aber jeder Anfang muss an der Basis gemacht werden. Also in den kleinen Organisationseinheiten des Staates, nämlich den Gemeinden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht einige Gemeinden unter den tausenden in Österreich gibt, in welchen engagierte Bürger dieses Zepter erfolgreich in die Hand nehmen könnten. Vergessen wir dabei die etablierten politischen Parteien (egal welche). Diese sind nur ein Hemmschuh der direkten Demokratie. Die Bürger müssen sich unabhängig von Parteien und ideologischen Gräben mit einzelnen Sachfragen auseinandersetzen lernen. Über Parteigrenzen hinweg. Das wäre Freiheit, wie ich sie mir vorstelle und wie ich sie hier in der Schweiz erlebe.

Nach mehreren Gesprächen mit einem sehr hilfreichen und kompetenten Beamten einer mir nahestehenden österreichischen Gemeinde habe ich mir kurz die Mühe gemacht zu recherchieren, was denn an direkter Demokratie in österreichischen Gemeinden möglich ist. Er hat mich auf die wesentlichen Paragraphen verschiedener Gemeindeordnungen hingestoßen, merkte aber an, dass viele Gemeindebürger nicht einmal wüssten, was denn ihre Rechte seien. Geschweige denn, dass sie davon Gebrauch machen würden. Und dies ist äußerst schade. Es ist eine Verschwendung politischer Gestaltungsmöglichkeiten.

Ausgerechnet das Burgenland ist ein Vorreiter der direkten Demokratie in den Gemeinden. Zumindest den Möglichkeiten nach.

§ 54 der Burgenländischen Gemeindeordnung ermöglicht den Gemeindebürgern nicht nur eine unverbindliche Volksbefragung, sondern eine Volksabstimmung zu erzwingen. 25 % der zum Gemeinderat Wahlberechtigten können sich zusammentun, um eine Volksabstimmung zu erzwingen. Und visionär gedacht: Sollte es eine parteiunabhängige Wahlliste schaffen, mehr als 50 % der Gemeinderatsmandate zu erlangen, könnte diese (wie oben angemerkt) als einziges Wahlziel die Volksabstimmung zu jedem Sachthema für die gesamte Legislaturperiode anordnen. Denn der Gemeinderat kann mit Mehrheit einen Beschluss für Volksabstimmungen fassen. Eine Seitenbemerkung für alle, denen das zu viel an Aufwand erscheint: In der Schweiz wird in den einzelnen Gemeinden jedes Wochenende zu eigentlich fast jedem Sachthema abgestimmt. Ohne Mühe gibt es keine Belohnung. Von Nichts kommt Nichts.

AUSZUG aus der Burgenländischen Gemeindeordnung:

§ 54 Volksabstimmung

(1) Das Recht der Volksabstimmung ist das Recht der Gemeindemitglieder zu entscheiden, ob ein Beschluss des Gemeinderats in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde Geltung erlangen soll. § 26 Abs. 1 und 2 bleibt unberührt.

(2) Eine Volksabstimmung ist durchzuführen, wenn sie

1. anlässlich der Beschlussfassung vom Gemeinderat oder

2. schriftlich vom Bürgermeister oder

3. schriftlich von 25 % der zum Gemeinderat Wahlberechtigten verlangt wird. Die Volksabstimmung ist mit Verordnung des Gemeinderats anzuordnen.

(3) Haben an der Volksabstimmung mindestens 40 % der zum Gemeinderat Wahlberechtigten teilgenommen und lautet mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen auf „Nein", wird der der Volksabstimmung unterzogene Beschluss des Gemeinderats nicht wirksam.

Die oberösterreichische Gemeindeordnung enthält leider nur die Möglichkeit einer Volksbefragung. § 38 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung ermöglicht es, wenn 25 % der wahlberechtigten Gemeindemitglieder es verlangen, eine Volksbefragung zu einem bestimmten Thema abzuhalten. Auch der Gemeinderat kann beschließen, die Behandlung einer bestimmten in seinen Aufgabenbereich (§ 43) fallenden Angelegenheit vom Vorliegen des Ergebnisses einer Volksbefragung in der Gemeinde abhängig zu machen.

Obwohl das Gemeindevolk in Oberösterreich nur Volksbefragungen erzwingen kann, so kann in oberösterreichischen Gemeinden zumindest der Gemeinderat mit Mehrheit beschließen, Entscheidungen von einer Volksbefragung abhängig zu machen.

Hier wären wir wieder bei dem Thema Bürgerlisten. Wenn Bürgerlisten (die Bürger sind wir alle!) mit dem einzigen Wahlziel der größtmöglichen Ausschöpfung der direktdemokratischen Elemente 50 % oder mehr der Gemeinderatssitze erlangen würden, so könnten diese Bürgerlisten auch in Oberösterreich für die gesamte Legislaturperiode Entscheidungen der Gemeinden von Volksbefragungen abhängig machen. Und von einer Sache bin ich überzeugt. Eine Bürgerliste, die alle wichtigen Entscheidungen dem unzufriedenen Wahlvolk über die gesamte Legislaturperiode vorlegen würde, würde vermutlich wieder gewählt werden.

Revolutionen beginnen unten, nicht oben. Erkundigen Sie sich in Ihrem Bundesland und lesen Sie die relevanten Bestimmungen der Gemeindeordnungen. Wenn ein paar Gemeinden konsequent all diese Mittel ausschöpfen würden, so wäre der Vorbildeffekt nicht zu überschätzen.

Capricorn ist Pseudonym eines aus Österreich stammenden Wirtschaftsexperten, der nach Stationen in New York, London und Frankfurt heute in der Zürcher Bankenbranche tätig ist.

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Die Demokratie reparieren - aber wie?

23. Januar 2011 00:49 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich leidet an wachsender Unzufriedenheit mit der Demokratie. Das führt zu einer erfreulichen Intensivierung der Debatte über Verbesserungen der demokratischen Mechanismen und zu vielen Vorschlägen in Richtung Mehrheitswahlrecht. Wirklich durchdacht ist da aber vieles noch nicht.

Zuvor ein kleiner Rückblick: Als ich mich in den neunziger Jahren erstmals in Kommentaren für das Mehrheitswahlrecht aussprach, wurde mir von Spitzenvertretern der großen Koalition entgegengehalten, dass es dann im Parlament keine roten Abgeordneten aus Tirol und keine schwarzen aus Wien geben würde.

Dieses Argument ist in keiner Weise überzeugend. Bedeutet es doch eine Bestätigung der Inbesitznahme des Staates durch die Parteien. Wenn der Souverän, der Wähler, etwa in Tirol keinen Sozialdemokraten wählt, dann ist das sein gutes Recht, und ein Anspruch der SPÖ auf einen Abgeordneten aus Tirol ist ein völlig grundloser. Gleichzeitig zeigt die Erfahrung, dass die Wähler irgendwann immer für einen Wechsel stimmen – zumindest dort, wo es um wichtige Gremien wie das Parlament geht.

Heute sprechen sich sowohl der rote wie der schwarze Parteichef viel positiver über das Mehrheitswahlrecht aus. Sie tun das freilich viel zu spät. Denn die Chance der beiden inzwischen halbierten Großparteien, die für eine solche gravierende Änderung notwendige Zweidrittelmehrheit zu erringen, ist wohl unwiederbringlich dahin. Sie müssen in ihrem derzeitigen Zustand ja froh sein, wenn sie zusammen die 50-Prozent-Grenze schaffen.

Was die beiden Parteien viel zu spät begriffen haben: Demokratie bedeutet vor allem anderen die Möglichkeit der Bürger, in Abständen Regierungen abzuwählen. Wenn aber die rot-schwarze Koalition gleichsam das ewige Regierungssystem Österreichs zu sein scheint, werden die Wähler die beiden Parteien als Einheit ansehen und bei Unzufriedenheit nicht zwischen Rot und Schwarz wechseln wie etwa in Amerika zwischen Republikanern und Demokraten. Sie werden vielmehr zur stärksten Alternative wechseln, also in Österreich zur FPÖ. Was viele tun – und zwar nicht wegen toller FPÖ-Programme, sondern weil das die einzige Möglichkeit ist, der Regierung zu sagen: „Wir haben genug von Euch!“

Mit der rechtzeitigen Einführung des Mehrheitswahlrechtes hätten Rot und Schwarz wohl das fast ewige Monopol gehabt, sich an der Macht abzuwechseln. Mit ihrem Nein zum Mehrheitswahlrecht hingegen haben sie sich selbst beschädigt.

Aber unabhängig von diesem historischen Exkurs: Welche Konsequenzen hätte ein Mehrheitswahlrecht?

1.     Es erhöht die Chance auf regierungsfähige Mehrheiten. Die Regierungsfähigkeit ist dann am größten, wenn nur eine einzige Partei regiert. Diese Partei hat dann einige Jahre die Chance, die Republik zu gestalten, ohne dass es die Lähmungen, faulen Kompromisse und Blockaden gäbe, die für eine Koalition umso prägender sind, je ähnlicher die Stärke der Regierungsparteien ist. Gegen einen Machtmissbrauch schützen dabei die Verfassung, die Unabhängigkeit der Gerichte, die Angst der Regierenden vor dem nächsten Wahltag und zunehmend die Einengung der nationalen Souveränität durch die Institutionen der EU und den Menschenrechtsgerichtshof.

2.     Ein Mehrheitswahlrecht erhöht die Chance auf eine größere Effizienz der Regierung. Das ist sein allergrößter Vorteil. Denn an nichts leiden die demokratischen Systeme mehr als an Phasen der Lähmung.

3.     In den meisten Varianten eines Mehrheitswahlrechts, wie insbesondere dem von Einerwahlkreisen, kann es aber auch zu einer Personalisierung des Parlaments kommen. Jeder Abgeordnete muss sich dann viel stärker für seinen Wahlkreis positionieren und wird dadurch primär zu dessen Lobbyisten. Dieser Aspekt ist in den letzten Tagen insbesondere von der Gruppe um den Ex-Minister Heinrich Neisser als sehr positiv herausgehoben worden. Die Idee einer Personalisierung erfreut sich auch darüber hinaus großer Popularität. Wird sie doch als Entmachtung der unpopulär gewordenen Parteien verstanden.

Was die meisten dabei jedoch übersehen: Zwischen dem letztgenannten Ziel und den ersten beiden gibt es gewaltige Differenzen. Denn je stärker sich die Abgeordneten als Lobbyisten ihres Wahlkreises, also als Vertreter von Partikularinteressen sehen und dementsprechend handeln, umso geringer wird die Regierungsfähigkeit und Effizienz der Staatsführung.

Der amerikanische Kongress bietet zahllose Beispiele für diese Fehlentwicklung. Da müssen die Präsidenten bei jedem wichtigeren Gesetz, bei jedem Budget mit einzelnen Abgeordneten feilschen. Diese bemühen sich dann, mit erpresserischen Methoden für ihren Wahlkreis das Beste herauszuholen. Da wird dann in völlig falschen Zusammenhängen der Bau eines großen Bauwerkes herausgepresst, die Schließung einer Rüstungsfabrik verhindert, Subventionen für ein großes Autowerk erzwungen, Sozialprogramme für in bestimmten Wahlkreisen wichtige Minderheiten herausgeholt und so weiter.

Der Blick auf das Staatsganze, die Umsetzung einer verantwortungsbewussten und gerechten Ordnungspolitik wird dadurch hingegen massiv erschwert. Diese Regionalisierung durch Wahlkreis-Kaiser ist ja auch nicht das, was die Wähler bei der Wahl eines Parlamentes im Auge haben: Sie wollen primär darüber bestimmen, wer künftig Regierungschef, also der Mächtigste im Lande wird.

Gewiss sind auch im jetzigen österreichischen System solche Erpressungen häufig. Sie erfolgen durch Bundesländer, durch Gewerkschaften und Kammern, durch lautstarke Aktivisten etwa mit feministischem oder schwulem Anstrich. Dabei sind die wirklichen Nutznießer der Erpressung sehr häufig nur die jeweiligen Funktionsträger und ihre unmittelbare Umgebung.

Weder das eine noch das andere ist gut für Land und Menschen.

In der Summe überwiegen dennoch die Vorteile des Mehrheitswahlrechtes. Aber eben deshalb, weil es die Chance auf effizientes Regieren erhöht. Was sich auch an der österreichischen Zeitgeschichte zeigen lässt. Die weitaus wichtigsten und erfolgreichsten Bundeskanzler waren jene, die mit absoluter Mehrheit oder zumindest ohne große Koalition agieren konnten: Figl, Klaus, Kreisky, Schüssel. Gewiss hat auch von ihnen jeder am Ende nach einem Misserfolg gehen müssen. Aber alle Vier haben zumindest sehr effiziente Perioden lang regieren und gestalten können.

Reformen hingegen, die nur das Persönlichkeitselement stärken, aber nicht die Chancen auf größere Effizienz des Regierens, werden Österreich nicht weiterbringen. Sie bedeuten entweder die skizzierte Gefahr einer Lizitations-Eskalation durch Lokalkaiser – oder sie sind ohnedies völlig bedeutungslos. Man denke nur, dass etwa ein Josef Cap einst mit Hilfe persönlicher Vorzugsstimmen unter großem Aufsehen ins Parlament gekommen ist, dann jedoch kein einziges Mal gegen seine Partei gestimmt hat. Man denke an Niederösterreich, wo die ÖVP ein scheinbar starkes Persönlichkeitselement praktiziert (wer mehr Vorzugsstimmen hat, kommt in den Landtag) – und doch ist fast keine Landespartei so autoritär geführt wie die niederösterreichische ÖVP.

Mir erscheint ein ganz anderer Reformmechanismus viel wichtiger und sinnvoller: nämlich die direkte Demokratie. Nur diese kann die Blockaden überwinden und das Staatsganze über Einzelinteressen stellen. Was übrigens die Grünen am deutlichsten sehen. Wofür sie zu loben sind, auch wenn sie dabei vielleicht dem Irrtum unterliegen, dass die breite Unterstützung für ihre Thesen in den meisten Medien auch von der Bevölkerungsmehrheit geteilt würde.

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Die unpädagogischen Umwege um das Prinzip Selektion

19. Januar 2011 00:37 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist halt ein Kompromiss, wie er so typisch ist für diese Koalition. Und wieder einmal kann sich die Opposition freuen, ohne auch nur einen einzigen besseren Vorschlag präsentiert zu haben.

Die SPÖ hat ihr aberwitziges Dogma durchgesetzt, dass es auch künftig bis auf die wenigen schon derzeit geltenden Ausnahmen keine quantitativen Limitierungen für Hochschulstudien geben darf. Damit bleibt die durch viele formale Kriterien entwertete Matura die einzige Zugangshürde.

Dabei wird mit dem skurrilen Argument gearbeitet, dass alles andere eine soziale Diskriminierung bildungsferner Schichten wäre. Dieses Argument wird zwar auch von vielen Journalisten nachgebetet, es führt aber in eine Sackgasse: Irgendwann gibt es im Leben immer eine Selektion. Auch wenn dieses Wort von Berufslinken bewusst mit dem Unterton verwendet wird, als ob jede Selektion eine Ähnlichkeit mit der tödlichen Selektion in NS-Vernichtungslagern hätte.

Selektion ist nicht nur unvermeidlich, sondern auch gut und legitim. Zumindest solange nicht alle bildungsfernen Österreicher Bundeskanzler werden können (derzeit kann das ja nur einer), oder Universitätsprofessor, oder Nobelpreisträger. Je länger man aber jungen Menschen die Illusion einer selektionsfreien und damit anstrengungsfreien Karriere gibt, umso härter wird sie dann die Realität des Lebens treffen, umso mehr Lebenszeit stiehlt man ihnen.

Die beiden wackeren Bildungsministerinnen haben einen anderen Weg versucht: Sie reduzieren statt einer ehrlich deklarierten Selektion die Prüfungswiederholungen am Studieneingang. Künftig sollen die in dieser Phase angesetzten Prüfungen nur einmal (bei Zustimmung der jeweiligen Uni zweimal) wiederholt werden dürfen.

Außerdem soll man sich lange vor Semesterbeginn für ein Studium anmelden müssen. Was offenbar viele Deutsche fernhalten soll. Mit diesen beiden kleinen Hürden hat sich wiederum die ÖVP ein wenig durchgesetzt.

Der Kompromiss ist zweifellos besser als der Istzustand, in dem manche Studienrichtungen zu einer unauffälligen Warte- und Wärmestube für die Absolventen der oft zum Billigsttarif absolvierbaren AHS geworden sind. Damit sind aber diese Studienrichtungen zu Massenbetrieben und in zwingender Folge völlig kaputt gemacht worden. Tatkräftig haben an diesem Ergebnis aber auch viele linke Professoren mitgewirkt, die alle Studenten positiv benotet haben, damit nur ja niemand sozial diskriminiert werde. Daher sind heute beispielsweise Publizistik-, Politologie- oder Geschichts-Abschlüsse völlig wertlos geworden.

Diese Regierung hat zwar schon üblere Kompromisse geliefert – siehe Budgetdefizit, Steuererhöhungen und Vermeidung aller Einsparungen –, aber gut ist dieser Kompromiss deswegen noch keineswegs. Er ist viel zu bürokratisch strukturiert, gibt den Unis nicht die notwendige Freiheit und schafft andererseits keine wirklich sinnvolle Steuerung der knappen Ressourcen. Das Thema Studienzugang wird daher mit Sicherheit auf der Tagesordnung bleiben.

Solange die Politik sich nicht Entscheidendes zu sagen traut, wird der chaotische Massenbetrieb weitergehen. Wie aber sollte eine solche Aussage der Politik aussehen? Sie müsste etwa aus folgenden Elementen bestehen:

Sollte eine Reform in diese Richtung nicht möglich sein, wird in spätestens 20 Jahren ein sehr unsoziales Ergebnis eintreten: Junge Österreicher werden nur noch im Ausland oder an privaten Unis ein gutes Studium absolvieren können.

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Fußnote 161: Der Weihnachtsmann Erwin

17. Januar 2011 16:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn eine einzige Mini-Meldung zum Paradigma all unserer Probleme wird.

Acht niederösterreichischen Ski-Gebieten geht es wirtschaftlich schlecht. Und prompt verhandelt das Land Niederösterreich über einen Ankauf. Natürlich gibt es solche Beispiele österreichweit hundert-, ja tausendfach. Aber jedes einzelne zeigt dasselbe: Solange sich Politiker - und insbesondere die Landeshauptleute - als Weihnachtsmänner gerieren, die jeden pleitegefährdeten Arbeitsplatz auffangen wollen, jeden Skilift, jede Nebenbahn, jedes Sommertheater, solange wird die Schuldenlast unweigerlich immer größer werden, die auf jedem einzelnen Österreicher lastet. Und wenn dann das Pyramidenspiel einmal kollabiert, werden halt wieder einmal irgendwelche düsteren, nie genannten Spekulanten schuld gewesen sein. Aber nie die Politiker. Die haben nämlich nur eines gelernt: Anderen die Schuld zuschieben. Sonst aber haben sie rein gar nichts begriffen, und die Wirtschaft erst recht nicht.
PS: Niederösterreich zählt mit Kärnten und Wien zu den meistverschuldeten Bundesländern.

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Der invalide Gewalttäter

17. Januar 2011 00:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Ärger über unser Sozialsystem hat sich in den vergangenen Tagen an einem ganz konkreten Beispiel dramatisch entzündet. Und vielleicht öffnet dieses „Einzelbeispiel“ all jenen die Augen, die mit den großen Zahlen nichts anfangen können oder wollen.

Der 25-jährige Serbe, der in Vorarlberg ein Kleinkind zu Tode malträtiert hat, ist nämlich ein österreichischer Frühpensionist (was die meisten politisch korrekten Medien schön übergangen oder nur am Rande erwähnt haben). Das ist absolut unfassbar. Denn nichts deutet daraufhin, dass das wirklich nur ein Einzelfall wäre. Nur haben halt die vielen anderen Einzelfälle nicht auch ein Kind umgebracht.

Das wird in Summe dieser Einzelfälle auch sehr bald diese Republik zu Tode malträtieren. Welche Leiden auch immer der Täter gehabt haben soll (das steht natürlich alles unter strengem Datenschutz, was immer der Fall ist, wenn Organe dieser Republik Skandalöses tun): Er konnte tagelang mit dem Auto herumfahren und war kräftig genug, zwei Kinder monatelang zu quälen. Warum kann da einem 25-Jährigen nicht zugemutet werden, auch entgeltlich zu arbeiten, wenn auch unter Berücksichtigung seiner angeblichen oder wirklichen Leiden?

Ich warte auf die sofortigen Vorschläge des verantwortlichen Sozialministers zu Gesetzesnovellen. Die nicht kommen werden.

Mir ist jetzt schon übel, wenn sich Gewerkschaft und SPÖ wieder dagegen aussprechen werden, dass an den Invaliditätspensionen – oder an den viel zu frühen sonstigen Pensionen – Dramatisches geändert wird, weil das ja „sozial ungerecht“ wäre. Sozial ungerecht ist aber nur eines: Von allen anderen hart arbeitenden Menschen zu verlangen, hunderttausende Arbeitsfähige durchzufüttern.

Was übrigens etwa auch die viele Firmen, wie insbesondere die Banken betrifft: Die zahlen tausenden ehemaligen Mitarbeitern, die sie knapp nach dem 50er nicht mehr gebraucht haben, fette Pensionen. Sie müssen aber dann im Krisenfall die Hilfe der Republik anrufen, weil sie einen zu dünnen Eigenkapitalpolster haben.

Und auch wenn diese Anmerkung an einem üblen Gewalttäter angeknüpft ist, richtet sich die Kritik nicht gegen die Nutznießer, sondern die Gesetzgeber, die diese Geldverschwendung verantworten müssen. Und die sich dabei noch als „sozial“ besonders gut vorgekommen sind. Verantwortlich sind aber auch Beamte und Ärzte, die diese Gesetze noch zusätzlich akzentuiert "sozial" umsetzen. Weil man solcherart ja viel weniger Scherereien hat.

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Fußnote 160: Faymann reist, das kann nur lehrreich sein

14. Januar 2011 19:04 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er etwas lernen. Wenn er lernen kann.

Werner Faymann hat sich – selten genug – wieder einmal ins Ausland gewagt. Das ist durchaus lobenswert. Die "Krone" kann er sich ja nachschicken lassen. Und Dolmetscher für Sprachenunkundige gibt es ja zweifellos überall, auch in dem fast bankrotten Portugal. Entscheidend ist, ob diese Dolmetscher ihm auch wirklich langsam und deutlich genug übersetzt haben, was mit einem Land passiert, welches die sozialistische Schuldenpolitik konsequent umgesetzt hat: Portugal muss gerade die öffentlichen Gehälter um fünf Prozent kürzen, die Pensionen einfrieren, die Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent erhöhen und zahllose Sozialleistungen kürzen. Faymann hingegen steht einer Regierung vor, die auch in der Krise zahlreiche weitere Sozialausgaben beschlossen hat, und die schon wieder über neue Ausgaben für den roten Liebling Neue Mittelschule und für die Einführung von Berufsheer und -sozialdienst diskutiert. Wer jetzt sagt, Österreich stünde doch viel besser da als Portugal, sollte sich die Staatsverschuldung anschauen. Die lag 2009 (im letzten fertig abgerechneten Jahr) in Portugal bei 76 Prozent und in Österreich bei 67 Prozent des Inlandseinkommens. Ein solcher Unterschied ist mit der Politik der Regierung Faymann rasch übertroffen.

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Fußnote 159: Die Operetten-Armee

12. Januar 2011 17:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der SPÖ-„Mehrheits“-Beschluss zur Abschaffung der Wehrpflicht ist vage und lässt mehr Fragen offen, als er beantwortet. Das einzige, was eindeutig ist, ist die Reaktion der Caritas.

Deren Präsident hat nämlich sofort in einer Erklärung – wie wenn er mit in den Parteigremien gesessen wäre – den SPÖ-Vorschlag begrüßt, obwohl dieser die Zahl der Zivildiener (das sollen künftig Ableistende eines sozialen Jahres sein) halbiert. Während sich das Rote Kreuz zu Recht mehr als skeptisch zeigt, beweist sich die Caritas – natürlich nur deren führende Politruks – neuerlich als Vorfeldorganisation der SPÖ. Noch köstlicher sind aber einige SPÖ-Landeshauptleute. Für sie ist überhaupt das Unwichtigste am Bundesheer das Wichtigste: Die Beibehaltung der Landes-Militärkommanden und der jeweiligen Militärmusik. Überdies dürfe es keine Schließung von Kasernen in den jeweils eigenen Bundesländern geben. Wir werden also noch viel lachen können. Aber das Militär hat man hierzulande ja immer schon am besten zu Operetten verwursten können. Nähme man das alles ernst, dann müsste man nämlich überhaupt verzweifeln.

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Notwehr gegen das Mittelalter

12. Januar 2011 02:27 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine wissenschaftliche Kommission im Auftrag des türkischen Parlaments hat Beklemmendes zutage gefördert. Was jedenfalls einmal sehr mutig ist. Ob jemals auch das österreichische Parlament, das Innen-, das Justiz-, das Frauen- oder das Familienministerium oder die eigentlich zuständigen Bundesländer ähnlich mutige Studien beauftragen werden? Bei uns schaut man vermutlich aus Prinzip weg, wenn etwas beunruhigend sein könnte.

Dabei gelten die beklemmenden Daten und Prozentsätze über das Sozialverhalten der Türken mit großer Wahrscheinlichkeit auch für Österreich. Die hierher migrierten Türken stammen nur ganz selten aus der türkischen Oberschicht, die sich von den in der Untersuchung nachgewiesenen archaiischen und religiösen Steinzeit-Usancen schon voll emanzipiert hat. Wofür auch der Mut dieser Studie spricht.

Was fanden die Wissenschaftler nun für die Türkei heraus? 5,5 Millionen Mädchen haben vor dem 18. Geburtstag geheiratet. Jede fünfte Ehe ist von den Eltern arrangiert worden. Bei 2,1 Millionen wurde ein Brautgeld ausgehandelt. 1,7 Millionen Ehen wurden zwischen engen Verwandten geschlossen – meist Cousins –, was nach vielen Statistiken alles andere als gesund ist. Eine halbe Million Türkinnen sind nur nach islamischem Ritus verheiratet, was ihnen alle Rechte nimmt. 187.000 davon sind überhaupt nur Zweitfrauen – was auch nach türkischem Recht verboten ist.

Das alles ist auch unter der Viertelmillion Menschen türkischer Abstammung, die in Österreich leben, verbreitet. Und es hat absolut nichts mit Respekt vor einer Religion oder fremden Kultur zu tun, wenn die Republik da tatenlos zusieht oder besser gesagt wegsieht. Aus Wurschtigkeit oder Verdrängung.

Es braucht strengere Ehegesetze und strengere Kontrollen. Im Interesse der Frauen. Im Interesse der unabdingbaren Grundsätze von Freiheit und Selbstbestimmung. Im Interesse der österreichischen Gesellschaft, damit sie nicht von mittelalterlichen Gebräuchen überrollt wird, die dem Land in der Summe mehr Schaden zufügen als es die gesamte Bildungsdebatte kann (und die ist schlimm genug).

Plakate gegen Zwangsheiraten in Wiener Standesämtern sind hingegen zu wenig. Wenn auch ein zarter erster Anfang eines Problembewusstseins.

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Die Bürgerinitiative www.verwaltungsreform-jetzt.at

05. Januar 2011 12:15 | Autor: Wolfgang Bauer
Rubrik: Gastkommentar

Wir sind Bürger in mittelreifem Alter, parteifrei. Wir möchten wie Sie alle nicht zusehen müssen, wie eine in den letzten Jahren leider ins Kraut geschossene Politikerklasse - die zwar die Gehälter kassiert, aber ihre damit verbundenen Aufgaben unzureichend erfüllt - kraft ihrer Ämter Position um Position dieses Landes und seiner Bevölkerung verspielt. Der Schaden ist schon jetzt gewaltig.

Unsere Reaktion darauf: Wir und unsere Familien wollen weiter hier leben, wir geben nicht auf, sondern wir zeigen unseren verantwortlichen Politikern deutlich, dass sie so wie derzeit betrieben nicht durchkommen werden – Populismus und Massenmedien hin oder her! Die verantwortlich denkenden und das System finanzierenden Leute sind auch noch da – und wählen! Manche Politiker werden uns später dankbar sein, dass sie aufgerüttelt wurden, zu ihrem eigenen Wohl. Sie sollen einen Motivationsschub bekommen, der sie aus dem gedanklichen Trott&Filz reißt!

Für diesen Zweck haben wir vor einigen Tagen die Webseite
www.verwaltungsreform-jetzt.at
 aus der Taufe gehoben.

Dort besteht die Möglichkeit, sich für eine rasche, umfassende Verwaltungsreform und massiven Privilegienabbau namentlich auszusprechen. Gefordertes Sparergebnis: 5 Mrd. Euro p.a., stufig ansteigend zu erreichen im Jahr 2015, Aktionsplan zu beschließen bis Mai 2011.

Die Reform soll alle aus Steuergeld, Gebühren und Beiträgen der Bürger finanzierten Bereiche betreffen.

Unser Staat ist in der Situation eines Unternehmens, das sich aufgrund hoher Zinsbelastungen schwer tut. Ein solches Unternehmen hat nur dann langfristig Chancen, wenn es alle nur möglichen Effizienzreserven hebt und keine Pfründe mehr zulässt. Daran wird die Unternehmensführung gemessen. Daran sind auch unsere Politiker zu messen.

Die zentrale Forderung der Bürgerinitiative „verwaltungsreform-jetzt“ lautet somit (Zitat aus der Webseite): 

„Wir fordern von den verantwortlichen Politikern, dass sie endlich

Die Bürgerinitiative fordert in ernsthafter Weise Erreichbares, übertreibt nicht nach Art der Unternehmensberater („man muss das Dreifache verlangen, damit etwas herauskommt“) und bindet das Parlament und mindestens Teile der Opposition ein. Das ist wichtig, glauben wir, geht doch der Aktionszeitraum über die nächste Nationalratswahl hinaus – also Verfassungsbestimmungen wie eine Schuldenbremse.

Näheres siehe www.verwaltungsreform-jetzt.at

Wenn sich viele Bürger und Bürgerinnen auf der Webseite eintragen, wird auf die Politiker zugegangen.

Bitte mitmachen und weiterempfehlen!

(Wolfgang Bauer hat lange in der Volksbank AG Karriere gemacht, verantwortete dort u.a. die Organisations- und Effizienzentwicklung und verließ die Bank 2005 aus Protest gegen die "Höhenflüge" des damaligen Vorstandvorsitzenden Franz Pinkl.)

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Aber schuld werden die Spekulanten sein

05. Januar 2011 00:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Bundespräsident hat zum Jahresbeginn noch behauptet, Österreich habe die Finanzkrise gut übertaucht. Nun, dass Heinz Fischer von Wirtschaft nichts versteht – und dass diese ihn auch nicht interessiert –, ist bekannt. Aber das, was potentielle Geldverleiher über Österreich und seine Finanzen denken, sollte doch auch Fischer, Faymann & Co zu denken geben.

Denn die Republik hat knapp nach Jahresbeginn eine für kommenden Dienstag geplante Bundesanleihe heimlich, still und leise abgesagt. Grund wurde keiner genannt. Allzu große Nachfrage, derentwegen sich die Republik nicht entscheiden hätte können, bei welchem der vielen Möchtegern-Kreditoren sie das Geld borgt, dürfte es aber wohl nicht gewesen sein.

Was feststeht, ist, dass österreichische Anleihen derzeit rapide an Wert verlieren. Konnte man im September noch eine (alte) Anleihe auf dem sogenannten Sekundärmarkt um einen so hohen Preis verkaufen, dass der Käufer eine Verzinsung von 2,63 Prozent erhielt, so müssen Verkäufer die Papiere heute schon deutlich billiger abgeben: Käufer kaufen österreichische Anleihen nur noch, wenn der gesenkte Preis eine Rendite von 3,37 Prozent ergibt.

Das heißt natürlich auch, dass die Republik bei Begebung von neuen Anleihen künftig deutlich höhere Zinsen anbieten muss. Zumindest, wenn sie auch Käufer finden will. Und das in einem Land, das jetzt schon an die neun Milliarden für die Zinsen (damit ist noch kein Cent rückbezahlt!) der alten Schulden zahlen muss.

Der rasch gestiegene Zinssatz für österreichische Papiere – der die Republik so überhaupt nicht zu interessieren scheint – zeigt, dass niemand den Jubeltönen der Regierungsparteien über die seit September erfolgte Budgeterstellung Glauben schenkt. Nichts wurde saniert, die Hacklerregelung wurde ad infinitum verlängert, im Gesundheitssystem gibt weiter jeder gegen jeden Geld aus, die Bundesländer verbrennen weiter Steuergeld bei Feuerwerken, Donauinselfesten und Kreisverkehr-Eröffnungen.

Ja, ganz im Gegenteil: Die Wünsche diverser Lobbies – die sich alle ihre Politiker halten – nach neuen Ausgaben ist unendlich lang. Ständig werden neue verarmte Massen entdeckt, die unbedingt noch mehr Unterstützung und Umverteilung brauchen; ständig wird nach extrem teuren (Gesamtschul- und anderen) Bildungsreformen gerufen; ständig rufen Bundesländer und Gemeinden nach weiterem Geld; ständig ist die Republik bereit, weitere von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Euro-Länder zu retten.

Gewiss, Österreich hat sein Triple-A behalten. Aber immer deutlicher muss man dieser Aussage ein „noch“ und ein „vorerst“ hinzusetzen. Denn eigentlich müsste Österreich auf Grund der derzeit überraschend aufgeblühten (Zwischen-?)Konjunktur für 2010 mit Budgetüberschüssen operieren, um sich für die nächste Krise wappnen zu können. Aber wer solches in die Diskussion wirft, sollte davor bangen, nicht zwangspsychiatriert zu werden.

Und wenn dann die Zinsen noch weiter steigen – was sie mit absoluter Gewissheit tun werden –, dann wird die Politik wieder einig sein: Schuld sind nicht die Schulden, sondern die bösen Spekulanten. Also jene Geldverleiher, die Österreich als zunehmend unsicheren Schuldner ansehen. So wie an Griechenlands Pleite nicht die Schuldenwirtschaft, sondern die Spekulanten schuld waren. Nachzulesen in zahllosen Politikeraussagen und Zeitungskommentaren von regierungsfinanzierten Medien.

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Sinn und Unsinn in der Agrarförderung

02. Januar 2011 01:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Verdienen die Bauern zu viel oder zu wenig? Regelmäßig taucht das Thema auf – am liebsten in Wahlzeiten und wenn größere Verteilungskämpfe stattfinden. In eine besonders tiefe Schublade hat ein Buchautor gegriffen, der schon einmal eine erfundene Pflegerin in der Familie Wolfgang Schüssels präsentiert hat. Dennoch ist die Agrarförderung diskutabel, mehr als diskutabel.

Denn warum wird überhaupt landwirtschaftliche Produktion in Österreich, in der ganzen EU so heftig gefördert, dass für den Großteil die Hauptquelle der Einkünfte in Förderungen besteht? Industrie und Gewerbe werden ja auch nicht gefördert, höchstens in Ausnahmesituationen.

Manche, vor allem Sozialdemokraten, tun nun so, als ob Bauern nur aus sozialen Gründen gefördert werden dürfen. Ein absurder Gedanke. Denn es wäre weit billiger, wenn die Bauern einfach das neue Grundeinkommen bekommen, aber nicht über den teuren Umweg ihrer Produktion gefördert würden. Noch viel sinnvoller wäre es, würden sie ihren Beruf ganz wechseln.

Es ist aber auch ein absoluter Unsinn, die Landwirtschaft deshalb für förderungswürdig zu halten, damit der Strukturwandel abgebremst wird, damit Kleinbauern überleben können, wie es von schwarzer Seite oft zu hören ist. Denn warum sollte man das tun? Hätten wir schon in den letzten 150 Jahren den Strukturwandel verhindert, dann hätten wir heute noch 80 Prozent Bauern. Dann gäbe es noch zigtausende Greißler und Schuster, die alle von Förderungen lebten. Das kann kein Staat, keine EU finanzieren, das würde unseren Lebensstandard atomisieren.

Daher sind auch alle Neidargumentationen falsch, die lustvoll die Förderungen für Großbauern oder für Prominente auflisten. Kleinheit soll und darf kein Förderungsgrund mehr sein. Sonst müsste man ja auch den großen ÖBB, dem weitaus meistgeförderten Betrieb Österreichs, alle Gelder streichen und nur ein paar kleine Privatbahnen subventionieren.

Ökonomisch wäre es viel sinnvoller, wenn wir viel weniger, dafür große, schlagkräftige und unternehmerisch geführte Betriebe hätten.

Was wirklich förderwürdig ist, hängt nicht mit der Größe zusammen. Und hier sind ausnahmsweise einmal die Motive der Grünen berechtigt. Legitim sind umweltbezogenen Fördermotive: der Verzicht auf besonders wasserverschmutzenden Dünger oder der gesunde Mischwald anstelle von Monokulturen. Logischerweise dient es der Umwelt nicht, wenn das nur bei Kleinen gefördert würde.

Dasselbe gilt für die touristischen Fördermotive: Die Landschaft ist attraktiver, wenn auch entlegene Bauernhöfe bewohnt sind, wenn in den alpinen Regionen weiterhin Wiesen und Felder kultiviert werden und nicht alles dem sich ohnedies ständig ausbreitenden Wald geopfert wird.

Alles andere an der Agrarförderung ist unsinnig, belastet nur schwer die europäischen Budgets, verhindert Strukturwandel und schädigt die Dritte Welt, die gegen die künstlich verbilligten europäischen Lebensmittel nicht konkurrenzfähig ist.

Ob sich diese Erkenntnis gegen Europas – vor allem Frankreichs – mächtige Bauernverbände jemals durchsetzen wird? Klassenkämpferische Neidargumente unseriöser Autoren helfen da aber sicher nicht weiter.

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Was war wirklich wichtig?

31. Dezember 2010 00:34 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Bilanz eines Jahres wird von vielen Medien durch ein Flächenbombardement mit Daten gezogen. Viel spannender aber ist es, sich aus einer gewissen Distanz mit der Frage zu befassen, was über Todestage, Skandale und Wahlergebnisse, über Sportresultate, Katastrophen und Politikererklärungen hinaus wirklich wichtig dauerhaft bedeutend war, und wo der Lauf der Geschichte eine neue Richtung genommen hat.

2010 war – insbesondere, aber keineswegs nur – für Österreich so wie das Jahr davor ganz von den Herausforderungen durch Finanzen und Wirtschaft dominiert. Auf der Positivseite steht ganz eindeutig der am Jahresbeginn von niemandem in diesem Ausmaß erwartete Wirtschaftsaufschwung, der vor allem Schweden, Deutschland und auch Österreich erfasst hat. Zwölf Monate davor hatten viele Ökonomen und Politiker ja noch düster von Deflationsgefahren phantasiert, derentwegen es legitim und sogar notwendig wäre, hemmungslos weitere Schulden zu machen. Seither hat sich von Monat zu Monat die Stimmung verbessert.

Hauptursache der Aufhellung war der Aufschwung in Asien, wo man nach einem unerwartet kurzen Konjunkturknick wieder zu eindrucksvollen Wachstumszahlen zurückgekehrt ist. Davon konnten und können jene Länder wie die Genannten kräftig profitieren, die – noch – eine lebendige und qualitätsbewusste Exportindustrie haben. Asien füllte die Auftragsbücher und reduzierte die Arbeitslosenzahlen.

Manche Experten zeigen sind überdies auch überzeugt, dass das Schuldenmachen der Regierungen und die leichte Hand der Europäischen Zentralbank beim Drucken neuer Euro-Noten den Aufschwung mitbewirkt haben. Freilich: Selbst wenn das der Fall wäre, was ja etliche andere Ökonomen mit Hilfe von gutem Zahlenmaterial bezweifeln, sollte jedem klar sein: Auch nützliche Schulden bedeuten morgen Arbeitslosigkeit und Steuererhöhungen, die wieder weitere Arbeitslosigkeit auslösen; unmäßige Geldproduktion wie derzeit fördert eher die Bildung von Blasen als industrielle Investitionen.

Diese Blasengefahr sollte neben dem wachsenden Schuldenberg wohl die meisten Sorgen machen: Die Preise von Gold, vielen anderen Rohstoffen, Eigentumswohnungen, aber auch Aktien sind im Gegensatz zu den Investitionen unverhältnismäßig steil angestiegen. Die Ursache war die steigende Inflationsangst der Menschen. Sie sehen mit wachsendem Unbehagen, wie Europas Regierungen (und die amerikanische noch viel mehr) die Milliarden in satten dreistelligen Mengen aus dem Nichts zu zaubern versuchten.

Da haben die Menschen lieber etwas Reales in der Hand (auch eine Aktie ist immerhin ein Miteigentum an einem real existierenden Unternehmen). Die Menschen haben – zu Recht – schon zuvor dem Deflationsgerede nicht geglaubt. Und sie glauben erst recht nicht den Beteuerungen von EZB und Regierungen, dass all diese künstlich geschaffenen Milliarden auf sichere Weise finanzierbar wären.

Die Menschen fürchten  zunehmend, dass die europäischen Regierungen – neben exorbitanten Steuererhöhungen – vor allem zum Instrument der bewussten Inflationierung des Geldes greifen müssen, um die Schulden loszuwerden. Auch wenn die Politik das natürlich nie zugeben, sondern in bekannter Art  Handel, Banken oder Industrie beschimpfen wird. Wenn man wie in den 20er Jahren für eine Milliarde nicht einmal den Supermarkteinkauf decken kann, dann können Regierungen ihre Schulden problemlos zurückzahlen.

Damit sind wir auch schon beim großen europäischen Minus des ablaufenden Jahres angekommen: Beim schweren Fehler, europäische Staaten, die sich durch leichtfertiges Schuldenmachen oder durch die Rettung maroder Banken übernommen haben, mittels kollektiver Haftungen und Kredite (kurzfristig!) zu retten.

Dieser Fehler lässt sich trotz aller nunmehrigen Versuche der EU-Regierungen nicht mehr aus der Welt schaffen. Auch wenn wir nicht die vielen vertraulichen Telephonate und Gespräche kennen – seit Wikileaks erstellen kluge Politiker kaum noch schriftliche Aktenvermerke –, so ist doch klar: Vor allem Frankreich hat die deutsche Bundeskanzlerin so unter Druck gesetzt, dass diese in Verletzung der europäischen und deutschen Verfassungen nach einigen Wochen des Zögerns umgefallen ist und diesen Haftungen zugestimmt hat.

Dass infolge der Schuldenmacherei der Wechselkurs des Euro schwächer wird, ist zwar ziemlich irrelevant – obwohl viele Medien ständig davon schreiben. Die viel wichtigeren Fragen sind: Wie viele europäische Länder werden noch ihre Kreditfähigkeit verlieren? Und werden nicht die kranken Länder die gesunden mit in den Strudel reißen?

Und Österreich?

Wechseln wir zu einem unbedeutenden EU-Land: zuÖsterreich. Aus Wien war in all diesen Monaten kein einziger eigenständiger finanzstrategischer Gedanke zu Euro und EU zu hören. Und schon gar kein Gegendruck gegen den halsbrecherischen Kurs der Euroländer. Österreich selbst war auf der europäischen Bühne auch sonst weitestgehend absent. Was man aber relativ wertfrei festhalten kann. Denn dass derzeit ausgerechnet Luxemburger Politiker den restlichen Kontinent ständig zu belehren versuchen, grenzt ja schon ans Lächerliche.

Die Regierung in Wien war aber nicht nur europapolitisch weggetreten. Ähnliches geschah auch rund ums eigene Budget. Und das kann man keineswegs emotionslos kommentieren.

Da empören sich Juristen zu Recht über den eklatanten Verfassungsbruch bei der Einbringung des Budgets. Da empören sich Ökonomen zu Recht darüber, dass die Regierung trotz der dadurch eigentlich ermöglichten langen Diskussionsphase und der vor uns liegenden wahlfreien Zeit keine substanziellen Reform- und Sanierungspläne zustandegebracht hat. Statt dessen wurde absurderweise die Steuerlast noch weiter erhöht – obwohl gleichzeitig zwei der bloß drei EU-Länder, die eine noch höhere Steuerlast als Österreich haben, diese signifikant zurückgeschraubt haben. Obwohl dadurch beispielsweise Österreichs Tourismus (via Ticketsteuer) oder sein Finanzplatz (Wertpapiersteuer) nachhaltig geschädigt werden.

Ja, noch schlimmer: Die SPÖ denkt sogar laut über weitere Steuererhöhungen nach, Was noch mehr Menschen abhalten wird, so wie im letzten Jahrzehnt auch künftig in Österreich zu investieren. Die SPÖ aber ist heute vor die stärkste Partei des Landes.

Alles in allem bietet die Finanzlage trotz der gegenwärtig wieder recht guten Stimmung mittelfristig keinerlei Grund zum Optimismus.

Migration

Neben der Wirtschaft waren die Folgen der Massenzuwanderung vor allem aus islamischen Ländern das dominierende Thema. In Deutschland haben ein Buch von Thilo Sarrazin und die völlig falsche Reaktion der Parteien darauf die Debatte völlig umgedreht: Immer mehr CDU/-CSU Politiker folgen nach dem schweren Anti-Sarrazin-Patzer von Angela Merkel den Grunderkenntnissen Sarrazins: Die Zuwanderung aus islamischen Kulturen ist für die Zukunft Deutschlands schädlich. Statt der erhofften Blutauffrischung durch Leistungsträger erfolgte eine massive Zuwanderung in das üppige deutsche Wohlfahrtssystem. Überdies haben sich die Kinder der islamischen Zuwanderer sehr desinteressiert an Bildungsanstrengungen gezeigt. Beides ist für Deutschland wahrscheinlich bedrohlicher als der direkte Terrorismus extremer Gruppen – obwohl auch da die besorgniserregenden Aktivitäten signifikant zugenommen haben.

Das alles gilt für Österreich genauso. Nur wird das Thema hier viel weniger diskutiert. Was schade ist. Gleichzeitig hat in Österreich der Kampf gegen den Asylmissbrauch nachgelassen. Die Innenministerin musste auf Geheiß ihres Parteichefs – und damit indirekt unter Druck der fast geschlossen migrationsfreundlichen Medienlandschaft – in mehreren Fällen schon angeordneter Abschiebungen nachgeben. Was naturgemäß Österreich wieder für Schlepper und deren Kunden interessanter als Zielland macht.

Also haben wir: Migrantenimporte statt Kapitalimporte.

Parteien

In der Parteienlandschaft hat die SPÖ 2010 überraschend souverän den Angriff der ÖVP auf die Position der Nummer eins abgewehrt. Hat vor einem Jahr Josef Pröll als Strahlemann Werner Faymann bei vielen Umfragen überholt, so steht der ÖVP-Chef heute wie der Kaiser ohne Kleider da. Niemand sieht in Pröll noch eine Führungsfigur; er lässt sich von recht problematischen PR-Agenten  wie Wolfgang Rosam beraten, der einst von Wolfgang Schüssel in hohem Bogen hinausgeworfen worden war; und er hat sich im Budget/Verfassungsbruch/Steuererhöhungs-Thema wie in einem Irrgarten verirrt.

Gleichzeitig ist seine Partei in Wien, dem größten Bundesland der Republik, durch schwache Politikerpersönlichkeiten fast völlig ruiniert worden. Grabenkämpfe, die bis in die Zeit Erhard Buseks zurückgehen (und die auch bis heute gutteils von Busek selbst ausgelöst worden sind), haben die Wiener ÖVP in die politische Wüste geschickt. Was die Reihe der völligen Aussetzer der großen bürgerlichen Partei in den letzten beiden Jahren weiter verlängert: die ÖVP ist kultur-, medien-, justiz- wie bildungspolitisch völlig weggetreten (Lediglich in der Schuldebatte findet sie langsam wieder Boden unter den Füßen).

Am meisten aber schadet der ÖVP, dass sie sich unter Pröll alternativlos an die SPÖ gebunden hat. Diese kann dadurch alle Forderungen der ÖVP problemlos abschmettern. Weshalb Pröll immer öfter wie ein begossener Pudel dasteht, der nicht mehr weiß wohin. Obwohl er im Herbst 2009 noch sehr große Töne gespuckt hat.

Die SPÖ kann neuerdings ihre eigene Schwindsucht durch den hemmungslosen Populismus Faymanns bremsen (aber keineswegs stoppen!). Der SP-Chef hat in seiner ganzen Karriere noch nie ein Ziel verfolgt, dass über den reinen Machterhalt hinausginge.

Daher setzt sie den Kurs des Panem et Circenses fort. Sanierung, Reform, Verantwortung, Verfassungskonvent, Zukunftsorientierung sind für Faymann absolute Fremdworte. Bestechung von Medien mit fremdem (Steuer-)Geld, beinharte Personalpolitik und substanzloses Schönreden bestimmen hingegen die Faymann-Politik.

In einem einzigen Punkt hat Faymann ohne viel Aufsehen den SPÖ-Kurs signifikant geändert: Die Partei hat sich zu guten Teilen von linken Gutmenschen verabschiedet. Dennoch können die Grünen nichts dazugewinnen – mit ihrem heutigen Führungs-Personal werden sie aber auch weiterhin nicht wachsen können.

Arge Schwindsucht beutelt das BZÖ – auch wenn die Partei mit Umfragen herumwachelt, die BZÖ-Zuwächse behaupten. Das BZÖ ist in vielen Fragen wie der Gesamtschule auf Linkskurs gegangen, was ihr das Heide-Schmidt-Schicksal garantiert.

Der große Gewinner der meisten Wahlen und Umfragen ist die FPÖ. Sie profitiert interessanterweise als einzige von der Schwäche der Regierung. Sie hat eine schlichte, aber klare Botschaft – und nicht so wie Grün und Orange täglich eine neue. Dennoch wissen auch die FPÖ-Wähler, dass diese Partei – derzeit? – nicht regierungsfähig ist. Vor allem im Bereich Wirtschaft und Finanzen findet sich bei der FPÖ-Spitze absolut nichts Greifbares.

Die FPÖ profitiert vor allem deshalb, weil die zwei Linksparteien, aber auch fast alle Medien immer wieder heftig eine braune Gefahr in Form der FPÖ an die Wand malen. Das aber ist längst so unglaubwürdig, dass die gegenteilige Wirkung erzielt wird: Da die FPÖ so heftig attackiert wird, wird sie im Gefühl der Wähler zur einzig vorhandenen Alternative. Und nach der suchen die Menschen vor allem dann mit Inbrunst, wenn die amtierende Regierung Blässe und Perspektivlosigkeit ausstrahlt.

Und sonst hat . . .

in England eine vorerst eindrucksvoll tatkräftige liberal-konservative Regierung die Macht übernommen;

in Brasilien eine verbal linke Regierung mit den klar marktwirtschaftlichen Rezepten des vorletzten Präsidenten sensationelle Wirtschaftserfolge erzielt;

in den USA die Wähler allen linken Träumen Barack Obamas ein Ende bereitet, die er mit der teuren Gesundheitsreform begonnen hat;

in Russland jede Hoffnung auf Rechtsstaatlichkeit ein Ende gefunden – und die dringend notwendige Diversifizierung der Wirtschaft weg vom reinen Rohstoffexport hat auch 2010 keinen Anfang gefunden;

in China das Regime in Sachen Rechtsstaat ebenfalls brutal agiert, aber gleichzeitig hat es die Wirtschaft wieder heftig wachsen lassen und das Land zum weltweit größten Exporteur entwickelt – jedoch keinen Anfang für einen Ausstieg aus der alles lähmenden Korruption gefunden;

noch in vielen anderen Ländern die Hoffnung auf Recht und Demokratie einen Rückschlag erlitten: in Belarus und Thailand; in Venezuela und Iran; in Nordkorea und Palästina. Mit anderen Worten: Die zwei schönen Jahrzehnte sanfter, aber erfolgreicher Revolutionen sind endgültig zu Ende;

und zum guten Ende das Tagebuch das Jahr 2010 dank vieler treuer Partner gut überleben können. Weshalb diesen besonders zu danken ist. Möge das neue Jahr für Partner, Leser und Tagebuch ohne allzu schlechte Nachrichten ablaufen.

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In der Jauchengrube und an deren Rand

22. Dezember 2010 00:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es stinkt gewaltig. Die nun veröffentlichten Überwachungsprotokolle der Telefonate von Walter Meischberger zeigen eine ganze Reihe von politischen und wirtschaftlichen Akteuren dieses Landes, besonders aus dem Umkreis der (früheren) FPÖ, tief in der Jauchegrube. Daneben gehen aber auch Rot und Grün alles andere als geruchsfrei aus diesen Veröffentlichungen heraus.

Die Kenntnis der Gesprächsprotokolle der Herren Meischberger, Grasser und Plech darf als bekannt vorausgesetzt werden. Auszüge daraus finden sich jedenfalls in einer grünen Anfrage auch auf der Parlaments-Homepage. Hier sei statt dessen eine analytische Bewertung der handelnden Personen unternommen.

Walter Meischberger: Er hat sich mit jenen Telefonaten wohl endgültig um Kopf und Kragen geredet. Ein Lobbyist, der sechsstellige Summen kassiert, sich aber in Hinblick auf das „Wofür eigentlich? “, „supernackt“ zeigt, der spricht sich selbst schuldig. Wenn das nicht Korruption ist, dann sind wahrscheinlich auch die Regierungsinserate in bestimmten Boulevard-Zeitungen unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Überdies hat sich Meischberger endgültig auch höchstpersönlich der wirtschaftlichen und rechtlichen Ahnungslosigkeit wie auch der abgrundtiefen Dummheit überführt. Das wirft wieder ein mehr als düsteres Licht auf all jene, die ihn politisch oder auch privat gefördert haben, von Jörg Haider bis Karl-Heinz Grasser. Und natürlich auf alle jene, die mit ihm Geschäfte welcher Art immer gemacht haben.

Ernst Karl Plech: Er hat fast immer dann die Hände im Spiel gehabt, wenn FPÖ-Minister – insbesondere aus dem Justiz- und Finanzressort – völlig überflüssige und teure Übersiedlungen von Ämtern in neue Gebäude angeordnet haben. Diese Übersiedlungen haben schon vor zehn Jahren heftig nach Korruption gerochen.

Horst Pöchhacker: Er ist zweifellos der durch die Protokolle am drittmeisten Belastete, auch wenn er nun auf Tauchstation zu gehen versucht, und auch wenn viele SPÖ-nahe Medien seinen Namen nicht erwähnen. Denn Meischberger müsste ja nicht krampfhaft darüber nachdenken, wofür er eigentlich von der Baugesellschaft Porr Geld bekommen hat, hätte es da nicht dubiose Zahlungen der Porr mit unsauberen Zusammenhängen geben. Pöchhacker ist deshalb besonders pikant, weil er als einziger noch in sehr hohen Würden für die Republik steht. Denn nach der 25 Jahre dauernden Leitung der ziemlich roten Baufirma Porr leitet er nun den Aufsichtsrat der knallroten ÖBB – und hat dort im Aufsichtsrat Äußerungen in Hinblick auf Schmiergelder gemacht, die ebenfalls so skandalös sind wie die Meischberger-Telefonate. Die aber in den SPÖ-nahen und ÖBB-finanzierten Medien im Gegensatz zu den Meischberger-Äußerungen total hinuntergespielt werden.

Gabriele Moser: Die grüne Abgeordnete – durch ihre Verkehrskompetenz eigentlich eine der wenigen sachseriösen Grünen – hat durch die Veröffentlichung des Abhörprotokolls einen schamlosen Missbrauch der Abgeordneten-Privilegien begangen. Denn wenn das Parlament mit gutem Grund die Veröffentlichung von Abhörprotokollen gesetzlich verboten hat, ist es eigentlich unfassbar, dass ein Abgeordneter desselben Parlaments seine Immunität ganz gezielt benutzt, um solche Protokolle dann sehr wohl zu veröffentlichen. Nach dem provozierenden OGH-Urteil, das sogar einen Journalisten, der einer Straftat verdächtig ist, die Unterdrückung von Beweismaterial erlaubt, zeigt damit eine zweite Bevölkerungsgruppe dem Rest der Menschheit voll Hohn, dass sie viel gleicher als alle anderen ist. Niemand solle sagen, dass das Delikt der Frau Moser notwendig war, um die unfassbaren Dialoge Meischbergers vor die Justiz zu bringen: Denn dort waren sie längst. Und nur dort gehören sie hin. Es ist auch nicht Aufgabe des Parlaments mitzubestimmen, ob jemand in U-Haft kommt oder nicht. Noch gilt in Österreich die verfassungsrechtliche Gewaltentrennung.

Karl-Heinz Grasser: Für den Ex-Minister gilt nach diesen Dialogen der Satz „Es stinkt“ ganz besonders. Das für viele seiner Feinde – und derer hat er sich mit seiner überheblichen Art wie auch mit seinen politischen Erfolgen viele gemacht – besonders Ärgerliche dabei ist jedoch: Nach allem, was bekannt ist, ist Grasser auch diesmal offenbar noch nicht selbst so tief in die Jauche gefallen, dass eine Anklage oder Verurteilung wahrscheinlich wäre. Er ist ihr nur so nahe gekommen, dass er den Gestank wohl nie mehr loswerden wird.

Claudia Bandion-Ortner: Eine guter Justizminister müsste jetzt ganz anders agieren. Aber die amtierende Ministerin hängt selbst schwer angeschlagen in den Seilen – und zwar weil sie vom ersten Tag an aus vielen Gründen eine peinliche Fehlbesetzung war, nicht aber weil ihr Elsner-Urteil teilweise revidiert wird; letzteres ist ein ganz normaler Vorgang, auch wenn nun reihum juristisch ahnungslose Journalisten (die sie anfange bejubelt haben) aus dem Elsner-Prozess einen gegen Bandion-Ortner zu machen versuchen. Ein starker Justizminister würde jetzt jedenfalls zum Kampf gegen diese parlamentarischen Tricks zur Umgehung der rechtlich zwingenden Vertraulichkeit antreten – und sei es durch den Vorschlag einer Gesetzesnovelle –, er würde auch energische Maßnahmen gegen das ständige Hinausdringen vertraulicher Akteninhalte aus der Staatsanwaltschaft setzen. Und er würde die dortigen Missstände nicht jeweils so lange ignorieren, bis ein früherer Gerichtspräsident das Parlament auf die zahllosen dortigen Missstände aufmerksam macht.

ORF: Der hat sich zwar nicht schuldig gemacht, aber es ist geradezu unfassbar, wie dort praktisch täglich derselbe grünlastige Kampfjurist interviewt wird. Offenbar hat im ganzen ORF niemand so viel juristisches Grundwissen, um zu begreifen, dass ein (noch dazu mittelmäßiger, wenn auch fescher) Verfassungsjurist mit dem Strafrecht ungefähr so viel zu tun hat wie ein Schickeria-Zahnarzt mit dem Herzinfarkt.

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Wenn der Exekutor dreimal klingelt

16. Dezember 2010 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Linke „Intellektuelle“ können zwar nicht definieren, was „neoliberal“ ist, aber sie können dieses Wort rund um die Uhr voll Verachtung aussprechen. Und wenn sie es doch irgendwie beschreiben müssen, dann zählen sie einfach die Beschlüsse der schwarz-blauen Ära auf. Für junge Leser: Das war jene ferne Zeit, als in Österreich noch regiert wurde.

Jetzt können sich jene Antineoliberalen endlich wieder über neue Munition freuen: Sie können ihren Katalog angeblich neoliberaler Sünden deutlich erweitern.

Denn die spanische Regierung hat nun eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen, gegen welche sich die von Rot und Grün in Österreich so hasserfüllt bekämpften Maßnahmen unter Wolfgang Schüssel wie ein kuscheliges Wohlfahrts-Programm ausnehmen.

Freilich haben die Antineoliberalen ein Problem: In Spanien regiert eine stramm sozialistische Regierung. Dennoch können nur Optimisten glauben, dass das jene „Intellektuellen“ endlich zur Vernunft bringen wird und zur Einsicht, dass das, was sie als neoliberal denunzieren, in Wahrheit nur zwingende Folgen der Grundrechnungsarten sind. Die skandalöser Weise auch für Sozialisten gelten.

Auf die Unbelehrbarkeit der Linken deuten Veranstaltungen in Renner- und Kreisky-Institut hin, die noch immer „neokeynesianisch“ von noch mehr Schulden und noch mehr Wohlfahrtsausgaben träumen. Darauf deutet auch die brüsk negative Reaktion Werner Faymanns auf die überraschend mutigen Vorstöße einiger SPÖ-Politiker in Sachen Studiengebühren hin. Und darauf deutet letztlich auch die spanische Politik hin: Sozialisten sind immer erst dann zu Sparsamkeit bereit, wenn der Exekutor schon sein Auto verlassen hat und am Haustor der jeweiligen Regierung klingelt. Und wenn auf dieser Straße Unmengen Jugendliche herumlungern, weil wie in Spanien unvorstellbare 40 Prozent der jungen Menschen arbeitslos sind.

Man sollte sich jedenfalls im Detail auf der Zunge zergehen lassen, was eine sozialistische Regierung so alles für die Spanier beschlossen hat (und diese Beschlüsse mit Österreich vergleichen):

Die Beamtengehälter werden um fünf Prozent gesenkt (eher akzeptiert Israel einen Palästinenserstaat als der ÖGB solche Gehaltskürzungen);

alle Pensionen werden eingefroren (in Österreich passiert das nur jenen, die brav und viel ins Pensionssystem einbezahlt haben);

die Umsatzsteuer wird von 16 auf 18 Prozent angehoben (hierzulande wird jede Veränderung der Umsatzsteuer als extremistischer Ausbund sozialer Kälte verurteilt, obwohl sie neben der Grundsteuer die einzige Steuer ist, die man ohne schwere Nebenwirkungen erhöhen könnte);

das Pensionsantrittsalter wird von 65 auf 67 erhöht (als die ÖVP in der Ära Gusenbauer eine – automatische – Anpassung des Pensionsalters an die Lebenserwartung um wenige Monate verlangte, revoltierte die SPÖ und putschte unter Faymanns Regie gegen Gusenbauer);

die Durchrechnungszeiträume für die Pensionserhöhung werden erhöht (in Österreich gab es monatelange Gewerkschaftsproteste, als Schwarz-Blau dasselbe taten);

die Kapitalertragssteuer wird von 18 auf 21 Prozent erhöht (sie beträgt in Österreich schon 25 Prozent);

die Abfertigungen werden reduziert (das hat in Österreich noch niemand auch nur zu denken gewagt);

Beamte müssen in die allgemeine Sozialversicherung wechseln (fast die einzige Maßnahmen, die Schüssel der Beamtengewerkschaft problemlos aufzwingen konnte);

und Lotterien und Flughäfen werden teilprivatisiert (wieder so eine verbrecherische Grasser-Idee).

Werden Österreichs Sozialdemokraten jemals so ehrlich sein zuzugeben, dass Schüssels Maßnahmen Österreich zwar nicht saniert haben, es aber doch bis heute deutlich besser dastehen lassen als Spanien&Co, auf das Europas Linke vor kurzem noch so stolz waren?

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Warum Berlusconis Sieg gut ist

14. Dezember 2010 14:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn man ausländische Medien verfolgt, dann kann man überhaupt nicht begreifen, warum Silvio Berlusconi nicht nur bei Wahlen, sondern auch bei Misstrauensabstimmungen alle Leichenreden putzmunter überlebt hat, ohne dass in Italien eine kollektive Geisteskrankheit ausgebrochen wäre. So triumphierte er auch am Dienstag zu Recht und wider alle medialen Hoffnungen. Denn diese Medien verschweigen die zwei Hauptgründe seiner Erfolge.

Dabei stimmt im Wesentlichen alles, was gegen Berlusconi vorgebracht wird. Und es mag auch stimmen, dass er sich einige Oppositionsabgeordnete gekauft hat, damit er in beiden Kammern des italienischen Parlaments wieder einmal überleben konnte, wenn auch in der zweiten Kammer nur mit drei Stimmen Vorsprung. Freilich könnten auch einige für ihn gestimmt haben, die spüren, dass sie auf der Liste seines neuen Opponenten Fini rasche Neuwahlen nicht überleben werden.

Es stimmt sicher auch, dass Berlusconi trotz seiner 74 Jahre vor allem deshalb so sehr an seinem Amt klammert, weil er sonst noch mehr Prozesse wegen unsauberer Geschäfte in seiner Vergangenheit am Hals hätte. Berlusconi ist auch alles andere als ein Anhänger der innerparteilichen Demokratie. Und seine diversen privaten Affären sind zwar privat, aber dennoch vor allem unappetitlich.

Es wäre nun falsch zu sagen, dass den Italienern das gleichgültig ist. Auch wenn sie ein viel unverkrampfteres persönliches Verhältnis zur Korruption haben, ärgern sie sich über die Korruption an der Staatsspitze.

Mehr Verständnis haben sie schon für Berlusconis Attacken auf die Justiz. Denn diese ist in Italien noch viel mehr politisiert als etwa in Österreich. Manche der Verfahren gegen Berlusconi scheinen mehr von parteipolitischem Eifer vorangetrieben als von objektiven Bestrebungen um Gerechtigkeit. Manche, wenn auch nicht alle.

Mehr Verständnis als ausländische Medien haben die Italiener zweifellos auch für Berlusconis lockere bis geschmacklose Scherzleins. Gerade die unpolitische Hälfte des Landes empfindet tiefe Sympathie dafür, dass da einer relativ normal kommuniziert und nicht in der ganzen juristisch-eitlen Gespreiztheit der sonstigen Führungsschicht Italiens, die bei jedem Auftritt Cicero zum rhetorischen Analphabeten stempeln will. Und schon gar nicht in der Verkrampftheit der politischen oder frömmelnden Korrektheit.

Entscheidend für Berlusconis Dauererfolg sind jedoch zwei ganz andere Faktoren. Der eine sind die Oppositionsparteien. Sie verkörpern weiterhin das alte Italien der in Dutzende Einzelmeinungen zerstrittenen politischen Klasse. Die oppositionellen Linksparteien haben zum Teil so radikale Ideen, dass mit ihnen ein verantwortungsbewusstes Regieren nicht möglich ist, wie sich in den Phasen zwischen Berlusconis Regierungszeiten immer wieder gezeigt hat. Sie haben weder klare Führungspersönlichkeiten noch ein gemeinsames, geschweige denn überzeugendes Programm.

Und der zweite Grund liegt darin, dass Berlusconi sehr wohl einen vernünftigen wirtschaftspolitischen Kurs gefahren ist. Auch wenn das viele Medien verschweigen, die jeweils nur über die aufgeregten Gewerkschaftsproteste dagegen geschrieben haben.

Berlusconi hat den überbordenden italienischen Wohlfahrtsstaat ein wenig beschneiden können, sodass das Budgetdefizit in den letzten Jahren sehr kontrolliert blieb. Während der letzten vier Jahre einschließlich des Krisenjahres 2009 betrug es: 3,4; 1,5; 2,7; und 5,3 Prozent – im Vergleich zu den anderen Krisenländern ist das durchaus harmlos. Und bisher sind keine statistischen Manipulationen nach griechischer Art bekannt geworden.

Wohl ist die Staatsverschuldung mit 116 Prozent (Ende 2009, am Tiefpunkt der Krise) exorbitant; sie betrug aber Ende 1999 (also am Gipfel einer Hochkonjunktur!)  auch schon 114 Prozent. Die Verbrechen an der italienischen Wirtschaft und Zukunft sind also schon lange vorher begangen worden.

Es ist traurig, aber wahr: Berlusconi ist eine zutiefst unsympathische Figur. Ohne ihn und seine cäsarischen Attitüden, aber auch ohne seine mutige Gestaltungskraft stünde jedoch das Land noch viel schlechter da. Und das sollte man auch im Ausland begreifen und nicht nur blind hetzen. Denn Linkschaoten und gutmenschliche Romantiker haben in Italien bis heute keinerlei Alternative geboten.

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Vorweihnachtliche Bildungswunder

13. Dezember 2010 15:12 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Positiv Denken hilft. Plötzlich wird uns gezeigt, dass der Föderalstaat vielleicht doch nicht so schlecht ist, wie wir gedacht haben. Aus den Bundesländern kann man nämlich neuerdings durchaus Erfreuliches hören. Dort nutzt man offenbar die wahlfreie Periode wirklich, um alte Schwachsinnigkeiten zu entsorgen. Jetzt wäre es schön, wenngleich utopisch, könnte auch in der Bundesregierung das Denken einsetzen.

Gleich alle vier SPÖ-Landeshauptleute haben in den letzten Tagen das Parteitabu gebrochen: Studiengebühren seien durchaus denkbar, heißt es plötzlich; sie sollten nur durch Stipendien sozial abgefedert werden (was nie bestritten war). Dass alle drei in den Wahlkämpfen des ablaufenden Jahres ziemlich genau das Gegenteil gesagt haben, war wahrscheinlich nur ein Alptraum.

Heute freuen wir uns einfach, dass Fortschritt in die richtige Richtung (nicht nur um seiner selbst willen) doch immer noch möglich ist. Freilich fällt es schwer, die letzten zehn Jahre ganz zu vergessen, in denen die SPÖ eine aberwitzige Kampagne gegen die – noch dazu im ganzen Land mit Ausnahme der Studenten durchaus populären – Studiengebühren geführt hat. Denn der Schaden an den hohen Schulen dieses Landes ist gewaltig, der inzwischen durch deren Degradierung zur unentgeltlichen Wärmestube eingetreten ist.

Freuen können wir uns aber auch, dass zur gleichen Zeit bei der ÖVP-Steiermark die Vernunft ausgebrochen ist. Denn die schwarzen Steirer haben in den letzten Jahren wie Geisterfahren für die unpopuläre, teure und elitenfeindliche Gesamtschule gekämpft. Nun verkündet der schwarze Obersteirer Schützenhöfer einen deutlichen Richtungswechsel und nimmt Abschied vom Gesamtschul-Fimmel. Offenbar hat er die Pisa-Studie gebraucht, um zu erkennen, dass man nicht deshalb die Gymnasien verbieten muss, weil Eltern, Volksschule und sonstige Schulen nicht imstande gewesen sind, 15-Jährigen das sinnerfassende Lesen beizubringen.

Das alles stimmt richtig vorweihnachtlich fröhlich. Jetzt warten wir nur noch auf Erwin Pröll, dass er ebenfalls zur Vernunft findet und verkündet, dass er sich in Sachen Lehrerkompetenz geirrt hat: Denn das durch die Personalpolitik eines verparteipolitisierten Unterrichtsministeriums verursachte Problem wird nicht durch die die Übertragung der Oberhoheit über die Lehrer an die verparteipolitisierten Bundesländer gelöst. Pröll sollte vielmehr das sagen, was immer mehr Menschen in diesem Land sagen: Gebt den Schulen, den Direktoren und Eltern die Kompetenzen, um die sich Bund und Länder streiten. Sie sind am nächsten an der Schulfront und an den Kindern. Und am weitesten von der Parteipolitik. Der Bund hingegen soll den Schulen nur noch – ambitionierte – Ziele vorgeben, was die Kinder zu lernen haben, und deren Erreichung in regelmäßigen Abständen messen und belohnen.

Erwin P., Österreich wartet auf Sie! Nehmen Sie sich an Ihren Kollegen ein Beispiel und widerlegen Sie das Vorurteil, dass Sie ein cholerischer und altgewordener Dickschädel sind, der keinen Argumenten zuhört! Fassen Sie es als Kompliment auf, dass man Ihnen das noch zutraut. Denn die Bundesregierung selbst hat ja längst das Denken eingestellt. Der traut man gar nichts mehr zu . . .

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Ein Brief aus der Schweiz

13. Dezember 2010 13:27 | Autor: Capricorn
Rubrik: Gastkommentar

Nachdem ich als gelernter Österreicher, der seit elf Jahren im Ausland wohnt (davon fünf Jahre in der Schweiz), die letzten Wochen wieder die Gelegenheit hatte, die Dummheit der politischen Kaste und die „Sklerosis“ des politischen Systems in meinem Heimatland online erlesen zu dürfen, muss ich mich mit einem grundsätzlichen Systemvergleich zu Wort melden.

Ich werde versuchen, diesen so kurz wie möglich zu halten, aber einige wichtige Punkte klar herausstellen. Eine Fortsetzung dieses Vergleiches wird folgen.

Gesamtschule

In der politischen Diskussion in Österreich wedelt der Schwanz mit dem Hund. Doch die angesprochenen Punkte sind meiner Ansicht nach alle eine Themenverfehlung. Die schwarze Reichshälfte predigt Föderalismus und Landeshoheit, die linke Reichshälfte möchte alles nivellieren, möglichst wenig Wettbewerb zulassen und alles zentralistisch steuern.

Bildungserfolg hängt weder von Gesamtschule noch von Personalhoheit der Landeshauptleute ab. Das Argument, dass alle erfolgreichen Pisa-Länder eine Gesamtschule hätten, geht ins Leere. Denn in der Gruppe der erfolgreichsten Länder befindet sich die Schweiz. Und die Schweiz hat ein außerordentlich differenziertes Schulsystem ab dem 12. Lebensjahr (in manchen Kantonen ab dem 10. Lebensjahr) und dem 16. Lebensjahr. Weiters herrscht in diesem System (vor allem um den Zürichsee) ein fast brutaler Verdrängungswettbewerb um die Plätze in den weiterführenden Schulstufen. Schon nach der Volksschule wird differenziert (nach dem 12. bzw. 10. Lebensjahr) In der Sekundarstufe I (ab dem 15. bzw. 16. Lebensjahr) wird noch einmal differenziert.

Links:

http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/1261562

http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_informatik/smt/dil/ib/laendervergleich/schweiz/schweiz

Unterschiedliche Modelle

Der Unterricht auf der Sekundarstufe I erfolgt leistungsdifferenziert nach unterschiedlichen Modellen. Je nach Kanton wird flächendeckend ein Modell geführt oder der Kanton überlässt den Gemeinden die Wahl zwischen verschiedenen Modellen (Modellvielfalt): http://www.educa.ch/dyn/43963.asp

Trotzdem besteht eine gewisse Durchlässigkeit des Systems mittels Aufnahmeprüfungen. Das heißt, man kann nach wie vor das Ruder herumreißen, wenn man später mittels Aufnahmeprüfung in einen „höherwertigen“ Ausbildungsweg eintreten möchte.

Man kann aus den vorhergegangenen Informationen also eindeutig ersehen, dass das Schweizer System nichts mit einer Gesamtschule zu tun hat, sondern es sich um Modellvielfalt, also Wettbewerb handelt.

Das Schweizer System hat aber auch nichts mit dem von der Österreichischen Volkspartei geforderten System gemein. Die Schulautonomie und die Personalhoheit der Schulen (vor allem in der Personalselektion) erlaubt es dezentralen Schuleinheiten und verschiedenen Schultypen, miteinander in Wettbewerb zu treten. Parteipolitische Einmischung, wie man es in Österreich von stümperhaft agierenden Politikern gewohnt ist, würde vom Stimm- und Steuerbürger auf das vehementeste zurückgewiesen werden.

Der folgende Link beschreibt die Thematik in kurzen Worten:

http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/106855/

Der nächste Link enthält (für Interessierte) wesentlich mehr Information:

http://edudoc.ch/record/4196/files/Materialien%201%20PHTG.pdf

Die Schweizer dürften einiges richtig machen. Immerhin ist die ETH Zürich eine Hochschule von Weltrang, die immer unter den Top 20 der Welt auftaucht, in welche Rangliste man auch schauen mag. Sie kann sich mit Größen wie Harvard, Yale und Stanford ohne Probleme messen.

Die Wettbewerbsthematik bringt mich zum nächsten Punkt, nämlich den Lehrergehältern. Anhand des folgenden NZZ-Artikels kann man ersehen, dass Lehrergehälter regional unterschiedlich hoch sind.

http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/schweiz/geldpraemie_fuer_lehrer_1.8633823.html

Was aber noch viel wichtiger ist, ist die absolute Höhe der Lehrerlöhne. Da staunt der gelernte Österreicher nicht schlecht, wenn man sich die des Kantons Zürich vor Augen führt.

Link: Lehrergehälter im Kanton Zürich (pdfs können heruntergeladen werden).

http://www.vsa.zh.ch/content/internet/bi/vsa/de/personelles/Bedingungen/Grundlohn.html

Ja, Sie haben richtig gelesen. Zwischen 68,000 (Einstiegsgehälter) und 167,000 Franken (erfahrene Lehrer und Schulleiter) Jahresgehalt.

Kürzlich ist einer meiner Kunden aus Deutschland mitsamt Familie und seinen drei Kindern auch in den Kanton Zürich übersiedelt. Er erzählte mir von den Erfahrungen mit den Zürcher Lehrern und er war schlichtweg begeistert. „Wie engagiert die sind, wie sich die Zeit nehmen für die Kinder.“ Warum wohl?

Für 1,700 Euro Bruttogehalt und 4 Monate bezahlten Urlaub wird man wohl im Regelfall (ich möchte Generalisierungen vermeiden) nicht die motiviertesten Studenten für das Lehramtsstudium im glückseligen Österreich begeistern können.

Wenn ich Ihnen jetzt noch die Einkommenssteuertabelle für Ausländer (ist aber ähnlich der Einkommenssteuertabelle für  Schweizer Staatsbürger) des Kantons Zürich zu lesen gebe, kommen Ihnen beim Lesen wahrscheinlich die Tränen. Die Tabelle beginnt ab Seite 6 des folgenden Links: http://www.steueramt.zh.ch/html/steuerfuesse/tarif_a_QSt11.pdf

Sie lesen richtig! 9.000 Franken Monatsgehalt bei zwei unterhaltspflichtigen Kindern wird mit etwas mehr als 7 Prozent besteuert. Dazu kommen noch etwa 6,1 Prozent Sozialabgaben. Das war’s. Die höchste Progressionsstufe im Kanton Zürich erreicht man übrigens erst mit 100.000 Franken Monatsgehalt! Dann sind ca. 31 Prozent Einkommenssteuer fällig.

Dabei ist der Kanton Zürich weit weg davon, ein Niedrigsteuerkanton innerhalb der Schweiz zu sein. Die Spitzenverdiener subventionieren die Kleinverdiener mit der Folge, dass die niedrigen Gehälter möglichst wenig mit Steuern belastet werden. Zusätzlich erfordert dies allerdings auch eine maßhaltende und von der Bevölkerung kontrollierbare öffentliche Verwaltung und Politik. Aber in Österreich gelten 9,000 Franken pro Monat ja schon als unverschämt und man kann sich fröhlich als Feind der transferleistungsempfangenden Klasse fühlen.

Dies würde mich zum nächsten Thema bringen, nämlich der kalten Progression in Österreich und dem damit verbundenen politischen Diebstahl an der Kaufkraft der Mittelklasse über die letzten 23 Jahre. Dieses Thema werde ich ausführlich in einem meiner nächsten Kommentare behandeln, denn es wird in den österreichischen Medien viel zu wenig beachtet, obwohl es wahrscheinlich das wichtigste Thema in Bezug auf Kaufkraft überhaupt ist.

Capricorn ist Pseudonym eines aus Österreich stammenden Wirtschaftsexperten, der nach Stationen in New York, London und Frankfurt heute in der Zürcher Bankenbranche tätig ist.

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Fußnote 153: Fernsehen macht blöd

11. Dezember 2010 01:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ist wohl die spannendste und hilfreichste Erkenntnis aus den Pisa-Tests: Fernsehen macht unsere Kinder blöd. Mütter, die nachmittags daheim sind, machen sie hingegen gescheiter.

Denn jene Kinder, in deren Heim kein einziger TV-Apparat steht, schnitten am besten ab; bei den schlechtesten Test-Kindern gab es hingegen sogar drei Fernseher. Ob sich der ORF mit diesem wichtigen Aspekt ausführlich auseinandersetzen wird, der uns im Auftrag der SPÖ ständig einzureden versucht, dass die Gesamtschule die Schulergebnisse verbessern würde (was Pisa in keiner Weise beweist)? Ist das eigentlich der öffentlich-rechtliche Auftrag, für den wir Gebühren zahlen müssen, dass unsere Kinder immer blöder werden? Wohlgemerkt: Jene Familien, bei denen es keinen Fernseher gibt, verzichten aus Klugheit, nicht aus Armut auf den Fernseher. Die österreichischen Pisa-Sieger haben nämlich im Schnitt akademisch gebildete Eltern, zwei Autos und sehr viele Bücher daheim. Und was noch peinlicher für alle linken Gesellschaftsveränder ist: Die Mütter der erfolgreichsten Kinder arbeiten nur Teilzeit, obwohl die getesteten Kinder schon 15 Jahre alt sind. Viel schöner kann man das gute alte konservativ-bürgerliche Familienbild gar nicht preisen, als es Pisa tut: Lieber Bücher und eine zumindest halbtags verfügbare Mutter als eine Flimmerkiste. Wenn irgend ein Politiker aus Pisa also wirklich lernen wollte, müsste er erstens eine Kampagne gegen das Fernsehen lancieren und es zweitens Müttern auch bis zum 15. Lebensjahr erleichtern, Teilzeit zu arbeiten. Aber Schmied und Co machen ja nur auf dem Rücken der Kinder Politik, nicht für die Kinder.

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Sie regulieren uns zu Tod - als ob es keine Krise gäbe

10. Dezember 2010 01:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Schon wieder bastelt die Koalition an einer neuen Beschneidung der Freiheit der Bürger. Und schon wieder bringt ein neues Gesetz Lasten für die Wirtschaft und zusätzliche Verwaltungsausgaben – kaum dass der berühmte Ökonom Werner Faymann Verwaltungsreformen als „Unsinn und Illusion“ dargestellt hat. Eine öffentlich zugängliche Podiumsdiskussion des Hayek-Instituts wird sich am Montag mit dem neuesten Anschlag auf unsere Freiheit befassen, nämlich dem neuen Gleichbehandlungsgesetz.

Die Veranstaltung beginnt um 15,30 Uhr im Hayek-Saal in der Wiener Grünangergasse 1 und trägt den Titel „Gleichbehandlungsgesetz: Unzumutbarer Eingriff in die Freiheit der Bürger oder angemessener Schutz?“

Diese Gesetzesnovelle wird trotz vieler problematischer Bestimmungen wahrscheinlich vom Parlament angenommen werden, weil sie schon von der Geheimregierung der Sozialpartner abgesegnet worden ist. Und gegen die Sozialpartner hat noch kein Parlament zu entscheiden gewagt.

Daher werden wohl auch die kritischen Stimmen der Begutachtungsphase ungehört bleiben. Diese stammen interessanterweise vor allem aus dem Wiener Rathaus und dem Finanzministerium, einer eher ungewöhnlichen Paarung. Während sich viele andere Länder, Institutionen und Ministerien offensichtlich keine große Mühe gemacht haben, das 14-seitige Gesetzesmonster auch nur ordentlich durchzulesen.

Skurril ist hingegen die Stellungnahme der WKO. Sie führt auf sieben Seiten mehr Gründe als jeder andere Begutachter gegen das Gesetz und seine „unzumutbaren Belastungen“ an – um es dann am Schluss plötzlich als „gerade noch“ vertretbar zu bezeichnen. Angesichts der vielen Kosten, der bürokratischen Auflagen und der die Freiheit nicht nur der Unternehmen einschränkenden Regelungswut ist das eine erstaunliche Haltung. Jedoch unter einem Christoph Leitl sollten die heimischen Unternehmen absolut nichts an wirtschaftsfeindlichen Aktionen der WKO überraschen.

Die größte Frechheit sind die Erläuterungen zu dem Gesetz: „Dem Bund erwachsen unmittelbar keine Kosten, da Arbeitsverhältnisse zum Bund vom Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes ausgenommen sind.“ Die blöde Wirtschaft soll nur blechen und unter der Bürokratie stöhnen, der Staat selbst braucht sich um all die angeblich so furchtbaren Ungleichbehandlungen nicht zu scheren.

Diese Frechheit wird aber noch durch die Dummheit der gleichen Erläuterungen übertroffen: Da wird einfach dialektisch das Gegenteil von dem behauptet, was wahr ist. Dieses Gesetz komme „dem Wirtschaftsraum unmittelbar zugute“, es führe zu einer „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen“ und einem „höheren Beschäftigungsniveau“.

Man fasst es nicht: Wenn man Unternehmen noch und noch Bürokratie und Kosten aufladet, wenn man ihnen die Vertragsfreiheit einschränkt, sich die besten Mitarbeiter vom Arbeitsmarkt auszusuchen, oder sich jene Mieter und Kunden auszusuchen, mit denen man am besten zu harmonieren glaubt, dann nützt das den Unternehmen!

Alleine diese Absurdität sollte für jeden Abgeordneten mit Hirn und Charakter Grund genug sein, gegen das Gesetz zu stimmen. Ein weiterer Grund wäre der Blick nach Deutschland: Dort hat man gerade fixiert, wie man die Unternehmen durch Bürokratieabbau um vier Milliarden weniger belastet. Hingegen bei uns in Österreich . . .

Die einzige Hoffnung, dass das Gesetz wenigstens nicht gleich Wirklichkeit wird, bietet das ja in der ÖVP nicht ganz unwichtige Finanzministerium. Dieses empfiehlt zu warten, bis eine EU-Richtlinie zum gleichen Bereich, die in Brüssel debattiert wird, fixiert ist. Denn diesmal ist Brüssel (noch) nicht schuld. Unsere regulierungswütigen Sozialtechnokraten schlagen schon vorher im Alleingang zu.

Die Sozialtechnokraten aus Sozialministerium (welches das für Durchschnittsleser unleserliche Konvolut ausgearbeitet hat) und Gewerkschaft werden wohl nicht mehr nachgeben, nur weil das Finanzministerium es sagt, wenn sie schon die Kammer über den Tisch gezogen haben.

Die wichtigsten Regelungen der geplanten Novelle:

Unternehmen müssen künftig ab einer bestimmten Größe alljährlich einen detaillierten Einkommensbericht für den Betriebsrat erstellen, der bis zu den kleinsten Untergruppen – die nur drei Kopf groß sein müssen! – die durchschnittlichen oder(!) Medianeinkommen von Männern und Frauen aufsplittert. Das kostet jedes Unternehmen nach den Schätzungen des Sozialressorts 264 Euro im Jahr. Abgesehen davon, dass das in der Realität angesichts eines sehr komplizierten Gesetzes wohl weit mehr sein wird: Wo bleibt da das Verwaltungsabbau-Gerede des Herrn Leitl, das er in jedem Interview bis zum Erbrechen wiederholt? Gewiss: Mit einem Faymann ist eine Verwaltungsreform nicht machbar. Aber was zwingt Leitl und die ÖVP, einer weiteren bürokratischen Last zuzustimmen?

Immerhin hat ja jetzt schon jeder Betriebsrat Einblick in die Gehaltslisten. Und das ständige Gerede von Frauendiskriminierung bei der Gehaltshöhe hat sich noch nie konkret beweisen lassen. Die statistischen Gehaltsunterschiede sind nämlich nicht Folge von Diskriminierung, sondern des früheren Pensionsantritts der Frauen – verdient man doch zum Schluss der Karriere am meisten –, ihrer einseitigen Berufswahl, der viel geringeren Bereitschaft zu Überstunden und den oft krankhaft wirkenden Ehrgeiz- und Leistungs-Genen der Männer. Frauen haben einfach mehr und andere Prioritäten im Leben, was sich naturgemäß im Durchschnittsverdienst niederschlägt.

Statt dass man den Feministinnen mutig mit der Wahrheit entgegentritt, belasten unsere Wirtschafts-Politiker lieber die Unternehmen mit einer neuen Last.

Daneben entstehen aber auch in der staatlichen Bürokratie spürbare Neukosten. Auch diese werden von den Legisten viel zu gering geschätzt. Oder überhaupt ignoriert: So muss jedes Bundesland eine unabhängige Gleichbehandlungsstelle schaffen oder benennen. So warnt das Justizministerium, dass die ohnedies schon überlasteten Gerichte durch das Gesetzeswerk zusätzliche Bürden auferlegt bekommen.

Teuer wird es auch, wenn man in jedem Stellenangebot nun auch das Gehalt angeben muss, weil Frauen es sonst angeblich billiger geben. Dabei ist völlig unklar, wieweit da auch eventuelle variable Leistungs- und Überstundenzulagen genannt werden müssen. Daran werden nur die Inseratenabteilungen der Zeitungen verdienen.

Fast selbstverständlich ist da schon, dass auch alle möglichen Strafen deutlich hinaufgesetzt werden. So wird – wie die WKO bemängelt – ein Blondinenwitz mit 1000 Euro Mindeststrafe verfolgt.

Aber es geht längst nicht mehr nur um den feministischen Furor einiger Funktionärinnen, der da teuer befriedigt wird. Auch alle möglichen Formen von angeblicher oder wirklicher Diskriminierung etwa aus Gründen des Alters, der Religion, der Weltanschauung oder – natürlich – der sexuellen Orientierung werden künftig streng verfolgt.

Und zwar nicht im öffentlichen, sondern vor allem im privaten Bereich: etwa bei der Vermietung von Wohnungen oder beim Restaurantbesuch.  Das wird einen unglaublichen Rattenschwanz von Prozessen nach sich ziehen: Schwule Vereine, die gegen den Papst hetzen, werden klagen, wenn ihnen eine kirchliche Stelle nicht die gewünschte Wohnung vermietet. Ein Wohnungsvermieter wird einen kahlköpfigen Russen, der kilometerweit nach Mafia riecht, nicht abweisen können, auch wenn die anderen Hausparteien sich darob empören. Ein Schwulenlokal wird einen Trupp junger Türken nicht mehr abweisen können, die dort wahrscheinlich Stunk machen werden.

Was das Ganze noch schlimmer macht: Es gibt eine weitgehende Umkehr der Beweislast! Also der Vermieter, der Restaurant-Geschäftsführer muss beweisen, dass er aus ganz anderen Gründen die Wohnung anderwärtig vergeben, jemanden nicht ins Lokal lässt. Das wird natürlich zu jeder Art von Lügen und Schmähs führen: Wohnungen werden prinzipiell schon beim Anruf nur noch via Warteliste angeschaut werden können, weil sie eigentlich schon vergeben sind. In Lokalen werden prinzipiell alle Tische schon vergeben sein und es wird wie in Amerika heißen: „Please wait to be seated“.

Eine exzellente Stellungnahme zum Werk Rudolf Hundstorfers kommt überraschenderweise aus dem Rathaus. Dort ärgert man sich über sehr vieles, zu Recht auch darüber, dass der Bund den Ländern schon wieder Kosten verursacht, ohne die Länder zu fragen. Die Rathausjuristen haben noch eine weitere besondere Feinheit des Gesetzesentwurfs entdeckt: Es sind nämlich auch Personen geschützt, die in einem Naheverhältnis – was auch immer das sein mag – zu einer Person mit einem geschützten Merkmal (also schwul usw.) stehen. „Diesbezüglich erscheint es fraglich, ob es sachlich gerechtfertigt ist, dass für eine Diskriminierung beispielsweise 30mal Schadenersatz zu zahlen ist.“

Weniger exzellent ist die Stellungnahme des Rechtsanwaltskammertages: Dieser stößt sich einzig an der Tatsache, dass in dem ansonsten penibel doppelgeschlechtlich durchformulierten – und dementsprechend schwer verständlichen – Gesetzestext zweimal nur das Wort „Anwältin“ steht.

Und auch die niederösterreichische Landesregierung hat einen Superjuristen eingesetzt, der lediglich tadelnswert fand, dass das Gesetz von der Möglichkeit einer „Verwarnung“ spricht, die im Gegensatz zu „Ermahnungen“ dem Verwaltungsrecht bisher fremd gewesen sind.

Wenn das nur die größten Probleme an diesem Machwerk wären . . .

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Privatisierungen: Das vergessene Zauberrezept

06. Dezember 2010 00:03 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man wird sich dessen erst bewusst, wenn man darauf hingewiesen wird: Seit Monaten kommt die AUA in den Medien kaum noch vor – ganz im Gegensatz zu früheren Jahren.

Dabei gäbe es viel Interessantes zu melden: Jeden Monat steigt dort die Zahl der Passagiere um zweistellige Prozentgrößen. Das AUA-Personal schrumpft trotzdem gerade von 8000 auf 5000. Das gesamte mittlere und höhere Personal muss sich nun neu um seine künftigen Aufgaben bewerben. Die AUA hat einen spürbaren Preisnachlass des Wiener Flughafens erkämpft. Alle AUA-Piloten und Flugbegleiter müssen bei gleichem Gehalt mehr fliegen. Der Swiss-Chef gibt Interviews, in denen er eine Abwanderung von Luftverkehr von Zürich nach Wien befürchtet („Zürich verkommt zum Provinzflughafen“). Die AUA steht unmittelbar an der Schwelle zu schwarzen Zahlen.

Kurz gesagt: Bei der AUA findet eine positive Revolution statt, die das schon totgesagte Unternehmen überlebensfähig macht.

Was für Kriege waren das doch früher rund um die AUA! Ganz Österreich stand regelmäßig im Bann der dortigen Arbeitskonflikte. Jede kleinste Einschränkung der Belegschafts-Privilegien ließ die Betriebsräte zur öffentlichen Mobilmachung blasen. Der Chef der Wirtschaftskammer verteidigte aus Angst, die AUA könnte streiken, die Privilegien der Piloten. Die Politiker hatten einst die AUA sogar gezwungen, die marode „Lauda Air“ zu schlucken – und sich daran zu verschlucken.

Der Unterschied zwischen vorher und nachher liegt in einem kurzen Satz: Die AUA wurde privatisiert.

Die Privatisierung nahm den Politikern den Einfluss auf das Unternehmen. Sie nahm den Betriebsräten das vorher durchaus zutreffende Gefühl, im Kampf mit der Geschäftsführung immer am längeren Hebel zu sitzen. Früher brauchten sie sich ja nur an die Öffentlichkeit zu wenden und schon entstand Druck, dem der AUA-Vorstand am Ende immer nachzugeben hatte, weil die politischen Eigentümervertreter einen Wirbel in der Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser fürchten. Daher hat die Politik (aller Parteien) überdies die für Experten längst unvermeidliche Privatisierung viel zu lange hinausgezögert, was die Steuerzahler um die ganze AUA und zusätzlich eine halbe Milliarde Euro gebracht hat. Jetzt hingegen wissen die Betriebsräte, dass politische Interventionen bei den neuen Eigentümern kontraproduktiv sind. Seither sind sie lammfromm und konstruktiv.

Ähnliche Erfolgsgeschichten wie die der AUA lassen sich über fast alle privatisierten Unternehmen schreiben. Etwa über die Voest, wo früher von SPÖ-Parteisekretariaten direkt Posten vergeben worden sind. Diese sind heute ein politikfreies Vorzeige-Unternehmen geworden, nachdem sie in den 80er Jahren mit ihren Verlusten noch eine schwere Staatskrise ausgelöst hatten. Auch hier wieder gab es bis zur Privatisierung – und erst recht rund um diese – unglaublich viel schädliche wie sinnlose Aufregung, Panik und Interventionen.

Fast jedes Mal gelingt es den Profiteuren der Verstaatlichung, also Politikern und Betriebsräten, den Menschen einzureden, eine Privatisierung wäre schädlich. Denn die große Mehrheit der Journalisten in diesem Land steht weit links und ist daher begeisterter Transporteur solcher Botschaften.

Daher finden auch die längst fälligen weiteren Privatisierungen nicht statt. Die wären etwa dringend fällig:

-         Beim Wiener Flughafen, bei dem gerade wieder hunderte Millionen wegen der Unfähigkeit des parteipolitisch besetzten Vorstandes verschwendet werden, in dem die Bundesländer Wien und Niederösterreich ihre Pfründe heftig verteidigen;

-         Bei allen Energieversorgungsunternehmen, die eine unglaublich große Selbstbedienungskasse für alle Landesfürsten darstellen, bei denen zahllose politische Günstlinge versorgt werden, bei denen maßlos überhöhte Gehälter gezahlt werden, wo bis heute mit großem Erfolg echter Wettbewerb verhindert wird, obwohl dieser für die Konsumenten, aber auch für die Wirtschaft (und damit die Arbeitsplätze) überaus hilfreich wäre;

-         Bei den Banken, wo es staatsnahe Unternehmen wie die Hypo Alpe-Adria und nicht die privaten Institute waren, die in der Krise den großen Schaden verursacht haben. Das zeigt sich noch deutlicher in Deutschland, wo die großen Katastrophen bei den diversen Landesbanken passiert sind, während die private Deutsche Bank zwar von allen Linken ständig als Inbegriff des bösen Kapitalismus gegeißelt wird, aber die Krise ohne Staatshilfe überstanden hat.

-         Bei den ÖBB, dem mehrfachen österreichweiten Rekordhalter: an verschwendeten Steuermilliarden, an schlechtem Service und an Parteipolitisierung eines Unternehmens;

-         Bei der Post, wo zwar eine Teilprivatisierung schon erste Erfolge gebracht hat, wo aber der in Kürze geltende europaweite Wettbewerb bis hin zum einfachen Brief noch für viel Erschütterung sorgen wird, wo noch immer Ministerinnen glauben, ganze Postämter am Leben halten zu müssen, auf denen nur wenige Hundert Euro pro Tag umgesetzt (keineswegs verdient) werden;

-         Beim Bus, wo die diversen staatlichen Kollektivverträge für die Chauffeure viel teurer sind als die privaten Firmen – was ebenfalls das Defizit in der Staatskasse erhöht;

-         Bei der Telekom Austria, die trotz ihrer großen strukturellen Startvorteile bis heute im Wettbewerb nicht so flexibel agiert wie die Privaten.

-         Und last but not least beim Privilegienstadel ORF. Dieser verschafft zahllosen linken Altachtundsechzigern an der Leine von Rot und Grün eine bequeme Wärmestube.  Er lässt sich auch durch rapide zurückgehende Seher- und Hörerzahlen auf dem Kurs des Terrors der Political Correctness gegen alle Andersdenkenden nicht irritieren.

Privatisierungen bringen immer eine Fülle von Vorteilen:

1.     Privatisierte Betriebe sind im internationalen Schnitt jedenfalls um 10 bis 15 Prozent billiger – selbst wenn man den Gewinn einberechnet, den private Unternehmer natürlich immer erzielen wollen. Denn in privatisierten Unternehmen wird bei jedem einzelnen Ablauf viel stärker auf die Kosten geschaut. Dort hat man auch den Mut, sich von unfähigen Mitarbeitern zu trennen. Dort  gibt es am Erfolg interessierte Unternehmer und keine Politiker, die sich beispielsweise vor notwendigen Kündigungen fürchten, weil ja alle Gekündigten auch Wähler sind.

2.     Privatisierte Betriebe sind auch umweltfreundlicher: Die größte Umweltverschmutzung in Europa gab es immer rund um die osteuropäischen Staatsbetriebe. Typischerweise ist die große ungarische Umweltkatastrophe in einem sehr schmutzig scheinprivatisierten Aluminiumwerk passiert: Anstelle des Staates übernahmen Angehörige der sozialistischen Nomenklatura das Eigentum und die konnten auf Grund ihrer Staatsnähe mit Erfolg alle Umweltauflagen abwenden.

3.     Sie sind dann noch viel effizienter, wenn es auf dem jeweiligen Markt einen funktionierenden Wettbewerb gibt (wie etwa bei der Mobiltelephonie).

4.     In privatisierten Betrieben hat die Parteipolitik intern nichts mehr mitzureden, die immer nur Schaden angerichtet hat. Privatisierte Betriebe werden in der Tagespolitik auch nicht mehr als Spielbälle verwendet, was extern den staatlichen oft sehr schadet.

5.     In privatisierten Betrieben tragen in der Regel die Eigentümer den Schaden, wenn es zu einer Pleite kommt, nicht der Steuerzahler (mit der großen wie problematischen Ausnahme des Finanzbereichs und jener Firmen, die – leider – unter den Druck der Medien Staatshilfe bekommen haben).

6.     Und: Gerade in der gegenwärtigen Schuldenkrise würden zumindest teilweise Privatisierungen enorm helfen: Sie könnten, so schätzt das Wifo, der Republik Österreich zwischen 8 und 25 Milliarden Euro bringen. Das wären zwar „nur“ Einmaleffekte – aber wenn man damit Schulden zurückzahlt, wäre das Budget alljährlich um mindestens 300 Millionen dauerhaft entlastet.

Das alles heißt nun nicht, dass Privatisierungen immer problemlos abliefen. Wenn man nicht über die Börse privatisiert, sondern auf anderen Wegen, wird es wohl immer Diskussionen über den Preis geben.

Auch sorgen einige aktuelle Fälle mutmaßlicher Bestechungen und Durchstechereien für Debatten. Aber diese Delikte hängen ja fast immer damit zusammen, dass bis zum Abschluss der Privatisierung noch die Politik mitzureden hat. Sie sind also in Wahrheit nur ein Beweis dafür, dass man möglichst rasch privatisieren muss, damit es keine Möglichkeiten mehr für Verbrechen zum Schaden der Allgemeinheit gibt.

Manche werden sich auch sorgen, dass nach einer Privatisierung des ORF österreichische und Qualitätsinhalte in Fernsehen und Radio zu kurz kämen. Abgesehen von der Frage, wo man die im ORF noch sieht und hört, könnten solche Inhalte  künftig sogar viel gezielter und besser forciert werden: Indem eine unabhängige Medienbehörde die Gebühren an alle jene in Österreich aktiven Sender verteilt, die nachprüfbar Qualität, Ausgewogenheit, Seriosität und österreichische Inhalte bringen – und sei es zumindest zu einem Teil der Sendezeit.

Schwieriger sind Privatisierungen dort, wo aus technischen Gründen Konkurrenz nicht leicht hergestellt werden kann. Dabei geht es etwa um die berühmten letzten Meilen von Strom-, Telefon- oder Gasleitungen zu den Konsumenten, dabei geht es um Eisenbahnschienen. Es wäre ja wenig sinnvoll, einen zweiten Tunnel durch den Semmering zu bohren (gar nicht zu reden davon, dass schon der erste von kurzsichtigen Politikern so sehr behindert worden ist).

Hier war zweifellos die Einrichtung von Regulatoren eine gute wie notwendige Idee. Diese setzen nach objektiven Kriterien die Tarife für die Durchleitung und Benutzung fest. Insbesondere der Energieregulator Boltz war dabei als Verbündeter von Konsumenten und Wirtschaft so erfolgreich, dass ihn die staatlichen Monopolisten nun wieder zu entmachten versuchen.

Auch sonst ist der Partisanenkampf einiger Ewiggestriger gegen die Privatisierung dort sehr erfolgreich, wo es technische Monopole gibt. Hier ist man daher auf halbem Weg steckengeblieben. Denn eine zwingende Voraussetzung des Funktionierens der Marktwirtschaft wurde ignoriert, die da lautet: Ein Monopolist, der die Eisenbahnschienen besitzt, der die Strom- und Gasleitungen zu den Haushalten kontrolliert, sollte keinerlei Verbindung zu den Betreibern der Züge, den Erzeugern von Strom oder den Verteilern von Gas haben. Nur dann steht er im Interesse der Kunden – die ihn ja bezahlen! – allen Lieferanten gleichmäßig gegenüber. Solange aber beispielsweise die ÖBB nicht nur Eigentümer von Bahnhöfen und Schienen sind, sondern auch der größte Betreiber von Zügen, werden sich alle Privaten sehr schwer tun, die künftig mit bequemeren und/oder billigeren Zügen den ÖBB Konkurrenz machen  wollen. Denn die schwer subventionierten Bundesbahnen werden immer Wege finden, Quersubventionen vom Infrastruktur-Bereich zum eigenen rollenden Betrieb fließen zu lassen, um die Konkurrenz niederzumachen.

So kann der Wettbewerb nicht funktionieren. Das wissen natürlich alle.  Dennoch haben sich bisher die Eigeninteressen von Gewerkschaften, Betriebsräten und Parteipolitik immer gegen die Vernunft durchgesetzt. So fehlt im jetzigen Regierungsprogramm im Gegensatz zu früheren bezeichnenderweise jeder Hinweis auf weitere Privatisierungen.

Daher wird eine sinnvolle Reform bei Bahn, Post und Energie wohl erst dann stattfinden, wenn es einen ähnlichen Crash wie bei der AUA gibt. Und nachher werden alle Verantwortlichen ganz unschuldig tun und fragen: Wieso hat uns niemand gesagt, dass die Marktwirtschaft so viel besser funktioniert, und dass wir völlig überflüssigerweise so viel Geld verschleudert haben, das uns nun bitter fehlt?

(Dieser Text erscheint gleichzeitig in der Zeitschrift „Academia“. Probeexemplare bitte unter academia@oecv.at zu bestellen)

 

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Wie man Herrn Hundstorfer künftig einzuladen hat

05. Dezember 2010 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Sozialminister kürzt Ehepaaren die Pensionen und reduziert den Zugang zum Pflegegeld. Er schmeißt aber gleichzeitig das Geld für ärgerliche Broschüren hinaus. Die man nur sofort ins Altpapier werfen kann. Würde man sie nämlich ernst nehmen, dann würde ihr Inhalt eine wohl noch schlimmere Einengung der Rede- und Ausdrucksfreiheit bedeuten, als sie unter totalitären Regimen der Fall war.

Herr Hundstorfer mag es ja als sozial empfinden, linksradikale Feministinnen („Sozialwissenschaftlerinnen“) mit fetten Aufträgen zu bedienen. Schließlich ist dieser Output unserer heftig subventionierten Universitäten auf dem Arbeitsmarkt nicht nachgefragt. In Zeiten heftiger Einschnitte in das Pflege- und Pensionssystem sind solche Aufträge aber dennoch eine skandalöse Provokation, wenn jemand für eine an George Orwell erinnernde Ansammlung von Sprech- und Schreibverboten hoch subventioniert wird.

Das neueste Produkt aus der linken Subventionsproduktion heißt „Leitfaden für diskriminierungsfreie Sprache, Handlungen, Bilddarstellungen“. Der teuer gestaltete Leitfaden für das neueste Diktat der politischen Korrektheit ist nicht weniger als 94 Seiten lang. Er ist komplett vom Hundstorfer-Ministerium finanziert worden. Und er kommt fast gleichzeitig mit einem ähnlichen Mist aus dem Hause der Unterrichtsministerin heraus, mit dem sich das Tagebuch vor kurzem befasst hatte.

Zunehmend wächst damit aber auch der ÖVP die Mitverantwortung als Koalitionspartnerin zu, wenn sie weiterhin mit dieser SPÖ regiert (oder besser: zu regieren versucht). Da macht uns der Finanzminister – zu Recht – in dramatischen Worten klar, wie schlecht es um die Staatsfinanzen steht, und wie sehr gespart werden muss. Und dann werfen die SPÖ-Minister das Geld für solche Indoktrinierungsbroschüren heraus. Was zunehmend zeigt: Die ÖVP sollte dieses Bündnis schon aus Selbsterhaltungstrieb heraus dringend überdenken.

Zu den unglaublichen Details, welche Formulierungen man alle gemäß der Broschüre des Sozialministers  künftig nicht mehr sagen und schreiben (und denken?) darf: „muslimische Attentäter“, „Familientragödie“, „Muslime werden ausgewiesen wegen Terrorverdacht“, „Ost-Mädchen“, „Fußballerfrauen“, „Sekte“, „Schwulenehe“, „Gewalt in der Familie“, „Ausländer haben eine andere Kultur“, „schwarze Drogendealer“, „an einer Behinderung leiden“, „Überalterung“, „an den Rollstuhl gefesselt“ und und und.

Die Begründung für all diese Verbote läuft immer auf dieselbe linke Denke hinaus: Wenn man ein Problem nicht mehr beim Namen nennen darf, dann ist es auch nicht mehr vorhanden. So versuchen ja auch kleine Kinder mit der Realität umzugehen.

Daher sollen Zeitungen auch keine Photos von muslimischen Frauen mit Kopftüchern bringen. Daher soll man nicht mehr „Einladungen an den Gatten beziehungsweise die Gattin ergehen“ lassen, weil dadurch „gleichgeschlechtliche Lebenszusammenhänge in vielen Lebenslagen ignoriert werden“. (Dass das Wort "Gatte" überhaupt nur noch im Hausmeister-Sprachgebrauch üblich ist, wollen wir nicht weiter thematisieren, sonst bekomme ich ja noch eine Strafverfahren wegen Verhetzung gegen Hausmeister).

Daher also: Wer Herrn Hundstorfer einladen will, darf künftig nur noch folgende Formulierung verwenden: „Rudolf Hundstorfer mit Gattin beziehungsweise Freundin beziehungsweise schwulem Lebensgefährten beziehungsweise sonstiger Begleitperson welcher Orientierung immer“. Sonst beleidigen Sie ihn. Und er gibt gleich noch eine weitere Broschüre um unser Geld in Auftrag, um die extremistische Gehirnwäsche zu intensivieren.

 

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Politischer Hörsturz

04. Dezember 2010 23:00 | Autor: Andreas Kirschhofer-Bozenhardt
Rubrik: Gastkommentar

Politik ist unter anderem dadurch erkennbar, dass sie den wirklich relevanten Problemen hinterher keucht. Viele Vorboten von gesellschaftlichen Entwicklungen werden entweder gar nicht erkannt, zu spät erkannt, oder zwar erkannt, aber nicht zur Kenntnis genommen. Beispiele dafür, dass Frühsignale für manches, was uns heute plagt, im Grunde vorhanden waren, liefern die Titel von IMAS-Reports aus vergangenen Jahren mit klaren Bezügen auf die Zukunft.

In allen Berichten wurden die Probleme, mit denen sich Parteien, Sozialpolitiker, aber auch Kirche gegenwärtig herumschlagen, auf der Basis empirischer Untersuchungen klar beschrieben. Es ist bezeichnend für den Umgang mit der Demoskopie, dass erst mit zeitlicher Verzögerung über Dinge diskutiert wird, die man bereits viel früher hätte anpacken oder politisch "erlernen" können. Zum Beispiel das Altern der Gesellschaft in den verschiedensten Ausformungen oder die diversen Begleitentwicklungen der Zuwanderung.

 Reaktion auf den sozialen Wandel muss rasch erfolgen

Die verspätete Diskussion über zentrale Zukunftsprobleme hat nachteilige Folgen für diese und kommende Generationen. Fazit: Es geht in der Politik nicht mehr allein darum, gesellschaftsadäquate Maßnahmen zu treffen; die Reaktion auf den sozialen Wandel muss auch rasch erfolgen.

Die heutige Politikergeneration wird dieser Erfordernis nur sehr unvollkommen gerecht. Ihr eigentlicher Makel besteht nicht in fehlender Moral, die ihr üblicherweise vorgeworfen wird, sondern in einer merkwürdigen Schwerfälligkeit und einem mangelnden Verständnis für Entwicklungen – allerdings auch in der Unlust, von den ausgetretenen Trampelpfaden des Denkens abzuweichen. Probleme, auf die man keine Antwort weiß, werden von den Parteizentralen allzu gern ausgegrenzt oder gar tabuisiert, bis sie (siehe demografische Wende oder Zuwanderung) umso härter auf den Alltag zurückschlagen.

Man tut also gut daran, die vielzitierte Politikverdrossenheit nicht so sehr unter dem Aspekt eines vermeintlich moralischen Versagens der Mandatare, als vielmehr unter dem ihrer Sprach- und Orientierungslosigkeit zu betrachten.

Heilsuche in der direkten Demokratie

An der inneren Entfremdung zwischen Wählern und Gewählten sowie der geringen Überzeugung der Bevölkerung vom politischen Durchblick der Regierenden gibt es keinen Zweifel. Die Parteizentralen spüren das und sprechen von der Notwendigkeit einer verbesserten Kommunikation, ohne recht zu wissen, welche Botschaften sie eigentlich vermitteln möchten.

Als weiteres Rezept gegen die Politikverdrossenheit gilt neuerdings die verstärkte Einbindung der Wähler in politische Entscheidungsprozesse mithilfe von Volksbefragungen. Der Schlüsselbegriff heißt "direkte Demokratie". Die Hoffnung, daraus politischen Profit zu ziehen, ist groß. Manchmal ist sie (man denke an die Wiener Abstimmungen über den Einsatz von Hausbesorgern oder verpflichtende Hundeführerscheine) sogar größer als die Furcht vor Lächerlichkeit.

Der Wert von Volksbefragungen und -entscheiden ist dann gegeben, wenn sich komplexe Vorgänge von überdies fundamentaler Bedeutung auf Grundpositionen und einfachste Formeln reduzieren lassen. Das ist selten genug der Fall. Abgesehen von der Schwierigkeit, verzweigte Probleme in eine einzige simple Frage zu pressen, besteht ein weiterer sehr entscheidender Nachteil dieser Art von Plebisziten in der zumeist unbefriedigend geringen Wahlbeteiligung und, damit einhergehend, in einer groben Verzerrung der Ergebnisse zugunsten engagierter Minderheiten.

Im Übrigen stellt sich die Frage, wie viele Volksbefragungen unter dem Gesichtspunkt ihrer hohen Kosten, aber auch der Unbequemlichkeiten für den Wähler überhaupt durchgeführt werden können. Die Beteiligung ist schließlich mit erheblichen Mühen verbunden.

Die demoskopische Alternative

Derartige Nachteile und Schwächen sind bei statistisch-repräsentativen Umfragen nicht gegeben. Sauber durchgeführte Erhebungen sind in der Lage, sowohl komplizierte Sachverhalte zu klären als auch die Motivhintergründe von politischen Einstellungen erkennbar zu machen. Repräsentativbefragungen stellen somit weiterhin die mit Abstand beste Methode der Massendiagnose dar, wenngleich sie rund hundert Jahre nach ihrer Entdeckung durch den Engländer Sir Arthur Bowley im politischen Bereich immer noch auf Vorbehalte stoßen.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass der vielfältige Nutzen der Demoskopie für die Wirtschaft längst außer Zweifel ist. Kein größeres Unternehmen würde es heutzutage noch wagen, ein Produkt auf den Markt zu bringen, ohne sich zuvor eine gesicherte Kenntnis von Bedarf, Verbraucherwünschen, Preisvorstellungen, Einkaufsquellen, der bestmöglichen werblichen Ansprache und der optimalen Kommunikationsträger verschafft zu haben.

Anders ist das bei Politikern und Parteien. Sie steuern, in der Hoffnung, es werde schon nicht blitzen, oft recht unbekümmert Gewitterwolken entgegen, obwohl sie ein gut funktionierender demoskopischer Wetterdienst vor Absturzgefahren bewahren könnte. Als Richtschnur dient den Parteizentralen ganz allgemein eher die veröffentlichte als die öffentliche Meinung. Und das ist ein Fehler.

Die klassischen Vorbehalte gegen Umfragen

Im Gegensatz zu ihrer unbestrittenen Orientierungsfunktion in der Wirtschaft wird die Demoskopie in der Politik freilich oft als ein gefährliches Einflussinstrument wahrgenommen. Die klassischen Vorwürfe lauten:

Keines der genannten Vorurteile hält einer empirischen Überprüfung stand. Aber selbst dann, wenn Menschen tatsächlich Schlüsse aus der Veröffentlichung von Umfragedaten ziehen sollten, stellt sich immer noch die Frage, warum sich die Wähler in einer Demokratie nicht eine Meinung bilden sollten in voller Kenntnis dessen, wie andere denken.

Kritik am Umgang mit Politumfragen

Was aus unserer Sicht weit mehr Gewicht hat als die beschriebenen Phantomgefahren, ist die Art und Weise, wie demoskopische Befunde von der Politik genutzt werden. Hier besteht ein Hauptübel darin, dass die Umfrageforschung zu viel zur vordergründigen Ermittlung von Parteipräferenzen oder Positionsbestimmungen der Politiker in der öffentlichen Meinung herangezogen wird und zu wenig zur Entdeckung sozialer oder wirtschaftlicher Lebenswelten, sowie der politischen Denkmuster der Bevölkerung. Zur Nutzfunktion der Demoskopie gehört auch die Ermittlung von Wissenslücken oder Fehlvorstellungen der Wähler, die nicht selten politisch sinnvollen Lösungen im Wege stehen.

Es geht also keineswegs nur um die Frage: "Was möchte das Volk?", sondern darum, wie weit sich ein Politiker auf der Basis seines besseren Sachwissens von der öffentlichen Meinung entfernen darf, ohne in Kauf nehmen zu müssen, abgewählt zu werden.

Die Rolle der Demoskopie

Demoskopie ist ihrem Wesen nach kein Denkautomat, bei dem man oben das Geld hinein wirft und unten die fertige Lösung herauszieht. Sie hat nicht den Ehrgeiz, den Politikern das Privileg kreativer Überlegungen zu entreißen, oder sie von ihrer historischen Verantwortung zu entbinden – sie versteht sich als Orientierungsinstrument für das Erkennen gesellschaftlicher Zusammenhänge, zugleich aber auch als eine Art Telefon, mit der sich die breite Bevölkerung in Form von Umfragebefunden den politischen Entscheidern erkennbar machen kann.

Das Nachdenken über die Umfrageforschung führt letztlich zu der noch ungelösten, allerdings auch undiskutierten Frage, wie sie sich in das moderne Staatsdenken einordnen lässt. Der Züricher Sozialpsychologe Gerhard Schmidtchen schrieb einmal, allein die Existenz der Demoskopie decke eine staatstheoretische Schwäche auf.

Andreas Kirschhofer-Bozenhardt ist der langjährige Leiter des renommierten Meinungsforschungsinstituts Imas.

 

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Der trickreiche Wunderrahmen des Finanzministers

01. Dezember 2010 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das ganze Jahr 2010 über hat sich die Regierung berühmt und hat uns beruhigt: Da es schon seit dem letzten Winter einen fix beschlossenen Finanzrahmen gibt, war in Beton gegossen, dass die einzelnen Minister im kommenden Jahr nicht mehr ausgeben können, als schon am Jahresbeginn geplant. Wenn’s nur wahr wäre!

Denn die Regierung gibt nun gut eine Milliarde mehr aus, als sie in diesem angeblich fixen Finanzrahmen festgehalten hatte. Und, welch Wunder, der Finanzrahmen musste dennoch nicht geändert werden. Das alles erfuhr man aus der Budgetrede des Finanzministers. Dieser Wunderrahmen gleicht offenbar einem Kleidungsstück, das immer passt, egal ob man Gewicht zugelegt oder verloren hat. So etwas sollte sich unsere glorreiche Regierung unbedingt patentieren lassen.

Der Trick dahinter: Der Rahmen hat einen doppelten Boden. Für die rapide explodierten Pensionsausgaben gilt er nämlich gar nicht, wie wir jetzt so en passant erfahren. Daher konnte der Sozialminister bei der Erstellung des Budgets unbesorgt die Hände untätig im Schoß liegen lassen – statt gerade dort, wo es am dringendsten wäre, endlich handeln zu müssen, nämlich bei den (Hackler- und Invaliditäts- und Witwen/Witwer-)Pensionen.

Die Lehre daraus ist klar. Zumindest die Sozialminister dürfen sich also weiterhin binnen einiger Monate krass verschätzen – sowohl in Hinblick auf die Menge wie auch die Höhe der Pensionsanträge! – und es gibt dennoch keinen Handlungsbedarf.

Daneben gibt die Regierung aber auch noch mehr als 300 Millionen Euro fürs Kantenabschleifen im letzten Moment aus – auch das löst keine Einsparungsnotwendigkeiten an anderer Stelle aus. Und dennoch passt auch hier der Rahmen.

Und schließlich hat auch die Zusage nicht gehalten, dass die (ohnedies nach wie vor zu groß gebliebene) Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu 60 Prozent durch Einsparungen gedeckt werden soll (was ohnedies um 40 Prozent zu wenig sind). Am Ende sind es jetzt doch nur 54 Prozent. Und der Rest kommt durch Steuererhöhungen herein.

Rahmen, Rahmen an der Wand, wer kennt die Tricks in diesem Land?

Ob die Regierung wirklich glaubt, dass sie und Österreich mit solchen Mätzchen straflos durchkommen? Oder gibt es vielleicht gar einen Zusammenhang zwischen dieser missglückten Budgeterstellung und der Tatsache, dass sowohl der Verbund-Konzern als auch die großen Banken sowie die Wiener Städtische mit ihren Plänen gescheitert sind, sich über die Börsen frisches Geld zu holen? Obwohl doch die Wirtschaft boomt und obwohl doch an den europäischen Märkten viel Kapital nach Anlagemöglichkeiten sucht. Ist das vielleicht gar schon ein Vorzeichen, dass Österreich bald nicht mehr als erste Adresse für Geldanleger gelten wird? Um es harmlos zu formulieren. 

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Rettet die Kinder: Claudia Schmied reitet wieder

30. November 2010 00:45 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Österreich steht in den nächsten Tagen ein besonders katastrophales Ergebnis der internationalen Pisa-Vergleichstests über die Lese- und Rechen-Fähigkeiten der Jugendlichen ins Haus. Und was tut da die seit Ende 2006 zuständige Unterrichtsministerin? Claudia Schmied überzeugt uns nicht nur, dass alle anderen schuld sind außer ihr. Sie hat in der vergangenen Woche auch schon kräftig gegengesteuert – freilich mit dem überflüssigsten wie dümmsten Erlass ihrer ganzen Dienstzeit.

Während also eine Diskussion dringend nötig wäre, wie wir wieder mehr Leistung und Disziplin in all unsere Schulen bringen, wie wir den Lehrern wieder mehr Rechte geben, wie wir den Direktoren mehr Rechte bei der Lehreraus- und abwahl geben, wie wir die immer zahlreicher werdenden Zuwanderer aus Südosten zum Lesen und zum Schreiben der deutschen Sprache veranlassen können, in dieser Stunde wagt es Schmied, die Schulen mit einem seitenweisen Gewäsch über den „Geschlechtergerechten Sprachgebrauch in Texten“ zu belästigen.

Das kann man nicht einmal mehr damit rechtfertigen, dass Frau Schmied halt von Natur aus nur Frauen im Sinn hat. Das ist einfach ein Skandal. Und in vieler Hinsicht überdies noch inhaltlich falsch beziehungsweise duden-widrig.

Aber wahrscheinlich liegt genau darin ein Hauptproblem unserer Schulen: Statt dass dort unsere Kinder auf die Herausforderungen der „Hochleistungsgesellschaft“ (© Alfred Gusenbauer - Ehre wem Ehre gebührt) vorbereitet werden, werden sie von dieser knalllinken Unterrichtsministerin mit immer mehr ideologischem Müll zugeschüttet. Wie etwa dem Global-Warming-Propagandafilm Al Gores, der mehr faktische Fehler enthält als Walt Disney Produkte, oder wie das Klassenkampf-Pamphlet „Let‘s make money“. In beide Unsinns-Filme wurden auf Schmieds Anordnung die Schüler geschickt.

Die von ihr so forcierte „Geschlechtergerechte Sprache“ verschwendet nicht nur wertvolle Unterrichtszeit, sondern sie macht naturgemäß jeden Text viel schlechter lesbar. So wie es ja einst auch schon der Wegfall vieler Beistriche durch die ähnlich schwachsinnige Rechtschreibreform bewirkt hat (die Elisabeth Gehrer zu verantworten hatte).  Lesen hat nämlich primär den Zweck, einen Sinn zu erfassen. Und wenn kein Beistrich mehr Orientierung über Satzstrukturen wie etwa eine Infinitivgruppe gibt, dann liest man halt mit mehr Problemen. Denselben Effekt haben Texte, die gespickt sind mit lauter der/die, –er/innen, Lernende, „Schüler und Schülerinnen“ oder MitgliederInnen (auch die letzteren wurden schon gesichtet).

Genau die schlechten Lesefähigkeiten stehen aber im Zentrum des Pisa-Debakels, und daher trägt die Genderei kräftig Mitschuld daran (auch wenn die Pisa-Ergebnisse natürlich noch viele andere Ursachen haben, über die wir uns in den nächsten Tagen unterhalten sollten).

Seit nicht mehr eindeutig klar ist – wie es das bis zum Beginn der feministischen Sprachzerstörung vor rund 20 Jahren noch war –, ob mit „Schülern“ alle oder nur die Hälfte der „Lernenden“ gemeint ist, seit nun gar einige Radikallinke (und ein paar besonders dumme Bürgerliche) von „Schülerinnen“ reden, obwohl sie eigentlich alle Schüler meinen, seit das grammatikalische Geschlecht mit dem biologischen verwechselt wird (also ob "das Genie" eine Sache wäre) , kommt es „immer wieder zu unstimmigen Aussagen und logischen Widersprüchen“. Wie das Schmied-Papier selbst  zugibt. Freilich will die Ministerin in ihrer eigenen Logik diese Widersprüche mit noch mehr Sprachzerstörung bekämpfen. Was irgendwie dem alten sozialistischen Rezept gleicht, eine Schuldenkrise mit noch mehr Schulden zu bekämpfen.

Aber zurück zur Schmied-Groteske und einigen Kostenproben aus dem, was diese Frau allen Ernstes unseren Kindern eintrichtern lassen will.

So sollen Lehrer künftig kranke Kinder in folgender Form wegschicken: „Geh zur Schulärztin oder zum Schularzt!“

Lehrer sollte man nach Schmieds Wünschen zu „Lehrenden“ machen.

Ein weiteres Schmankerl: „Ein Schulteam besteht aus 12 SchülerInnen und einer BegleitlererIn.“ Anmerkung: Das „h“ habe nicht ich gestohlen, aber vor lauter feministischer Artistik kann das hohe (oder hoe?) Ministerium halt nicht auf jede Kleinigkeit Rücksicht nehmen.

Oder „LehrerInnen für den pflegerischen Fachunterricht“. Wenn schon Genderwahn, dann bitte konsequent, dann müsste es ja auch „pflegerInisch“ heißen.

An anderer Stelle empfiehlt die Unglücksministerin, weil sie dann irgendwie doch spürt, dass der ganze Schrägstrich- und Binnen-I-Krampf „problematisch“ ist, Menschen einfach als Institution anzusprechen. Also: „Rektorat statt Rektor/in“. Das ist aber nicht nur juristisch ein heilloser Schwachsinn, denn der Organträger ist etwas ganz anderes als das Organ, die Institution. Das ist auch entwürdigend, wenn der Mensch nicht mehr vorkommen darf.

Absurd ist auch, dass Schmied für die Sekundarstufe I (also Hauptschulen und Unterstufen) und die Sekundarstufe II unterschiedliche Geschlechtergerechtigkeitsregeln vorschreibt. Die einen sollen keine Sparschreibungen verwenden, bei den anderen sollen sie hingegen thematisiert werden. Und in anderen Fächern ist dann überhaupt alles erlaubt; dort können „die in der Öffentlichkeit üblichen Formen der geschlechtergerechten Schreibweise verwendet werden“.

Statt Lesen soll den Kindern und Kinderinnen damit Chaos pur beigebracht, ihnen die Sprache bis zum Brechreiz verleidet werden. Nur weil man noch immer nicht bereit ist zuzugeben, dass die "Geschlechtergerechte Sprache" der größte Flop seit Esperanto ist.

Wenn man das alles so liest, dann kann man eigentlich nur zu einem einzigen Schluss kommen: Jede andere Organisationsform, auch die einer Verländerung der Schule, wäre besser für unsere Kinder, als eine, in der diese Frau weiter ihren Unfug treiben darf. Selbst wenn es die Länder nicht, wie sie behaupten, billiger machen sollten.

Freilich werde ich im nächsten Augenblick schon wieder skeptisch: Der dümmliche Neusprech wird nämlich von sprachunkundigen Bürokraten auch schon in so manchen anderen Bundesländern verbreitet.

PS.: siehe dazu auch einen hochinteressanten und gleichzeitig erscheinenden Gastkommentar über das Schulsystem eines Landes, das sowohl bei Pisa wie auch beim Wirtschaftswachstum Österreich weit übertrifft.

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Freche Dummheit demonstriert gegen unverfrorene Dummheit

28. November 2010 00:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was für ein Wochenende der Peinlichkeit war das nur wieder! Sowohl die Regierung wie auch jene, die gegen sie demonstriert haben, zeigen, dass sie absolut nichts begriffen haben.

Die linken Demonstranten und ein paar Helfer von anderswo haben europaweit bewiesen, dass sie erstens keine wirklichen Massen bewegen, und dass sie zweitens nur zu demonstrieren und protestieren, aber nicht zum Aufzeigen von Alternativen imstande sind.

Nur ringsum „Geld her!“ zu rufen, hat längst jede Glaubwürdigkeit verloren. Auch wenn in vielen Details die Kritik am Sparpaket richtig ist, so sollten sich die Demonstranten doch wie die meisten anderen bewusst werden: Auch auf Österreich werden in den nächsten Jahren noch viel unerquicklichere Dinge zukommen, welche die jetzigen Maßnahmen als unbedeutende Randnoten erscheinen lassen. Und dann wird es beinhart und schmerzhaft ehrlich um die wenigen echten Prioritäten gehen müssen, auf die Österreich nicht ganz verzichten wird müssen.

Und nun zur Kanten abschleifenden Regierung. Da wagt es ein Herr Faymann tatsächlich davon zu reden, dass 120.000 Menschen von der Entfernung irgendwelcher Kanten „profitieren“ würden. Mit solchem blöden Herumgeschwafel nimmt man naturgemäß den Österreichern jede Motivation, das Sparen zu begreifen. Wenn sich Politiker immer nur als Weihnachtsmänner präsentieren wollen, dann sind sie einfach in Zeiten wie diesen am falschen Platz.

Der Finanzminister wiederum hat sich in die Kategorie der Taschenspieler eingeordnet. Er finanziert die Kantenabschleifungen wieder einmal durch die berühmten „Umschichtungen“. Was schlicht eine Lüge ist: Vielmehr wird nur anderswo ein Loch aufgerissen. Konkreter: Das allergrößte Loch in diesem Land, nämlich jenes bei der Finanzierung der Pensionen, wird noch mehr vergrößert.

Pröll zahlt einfach weniger Geld von den Familien- in die Pensionskassen. Und tut so, als ob das eine Lösung wäre. Der Familienfonds hat bisher zum Teil die Leistungen der Pensionskassa für Familien, etwa die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, kompensiert. Ohnedies versicherungsmathematisch nie auch nur annähernd ausreichend. Dieser Anteil wird nun reduziert und schon gibt es mehr Geld für die Familien.

Was Pröll verschweigt: Die Pensionsversicherung kann heute schon die Pensionen nur noch zu drei Vierteln aus den Beiträgen und Kompensationen finanzieren. Der Rest kommt aus – dem Budget.  So etwas als Umschichtung zu bezeichnen ist ziemlich mies.

Das alles aber wird übertroffen durch die Unverfrorenheit des Sozialministers. Er teilt uns eiskalt mit, dass die Hacklerregelung überhaupt nie auslaufen wird, also keineswegs im Jahre 2013, wie man wenigstens bis zu diesem Wochenende hoffen hat können. Denn bis dahin war sie vom Faymannschen Wählerbestechungspaket des Jahres 2008 verlängert worden.  

Und das Ganze nennt sich Sparpaket. Diese Regierung ist nichts anderes als ein Pleitier, der am Vorabend vor der Konkursanmeldung sich noch einmal im Casino und Bordell vergnügt. Und überdies auch noch großzügig andere Pleitiers griechischer und irischer Nationalität zu retten verspricht. Was ihm sogar manche glauben, weil der wahre Zustand seiner Finanzen erst nach dem Gang zum Handelsgericht bekannt sein wird.

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Pensionisten werden lernfähig

27. November 2010 00:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Im Tagebuch sind die Pensionistenverbände oft als hemmungslos egoistisch gegeißelt worden, weil sie ständig auf Kosten der Jugend verantwortungslose Forderungen stellen, die langfristig nur in einer Zahlungsunfähigkeit der Republik enden können. Und die überdies eine durch keinerlei Leistungsgerechtigkeit legitimierte Umverteilung zu jenen Pensionisten forcieren, die fast nie Beiträge einbezahlt haben. Nun muss man das Urteil revidieren. Zumindest im ersten Punkt, und zumindest für einen der Verbände.

Denn beim schwarzen Seniorenbund scheint in letzter Zeit wieder Vernunft eingekehrt zu sein, zumindest in wichtigen Teilbereichen. Offenbar hat man dort erkannt, dass hemmungslose Leistungslizitation nicht unbedingt das ist, was – gerade auch ältere Menschen – unter bürgerlich verstehen.

Der Bund hat sich in den letzten Tagen immerhin in drei wichtigen Punkten überraschend mutig und deutlicher denn je neupositioniert:

Erstens verlangt er laut ein rasches Ende des Frauenprivilegs, schon mit 60 Jahren in Vollpension gehen zu können. Dabei übergeht man freilich elegant, dass dieses Privileg 1991 auch mit der Stimme des heutigen Seniorenbund-Obmannes Andreas Khol per Verfassungssondergesetz eingeführt worden ist, weil es ja eigentlich der Gleichheitsregel der Bundesverfassung massiv widerspricht.

Zweitens ist der Seniorenbund nun auch deutlich gegen die Hacklerregelung, die ja durchaus arbeitsfähige Menschen in eine gut dotierte Frühpension lockt. Nicht zuletzt infolge solcher Frühpensionsmöglichkeiten hat sich seit 1970 die durchschnittliche Pensionsbezugszeit der Männer von 14 auf 22 Jahre erhöht (bei Frauen ist sie noch länger), während sich das durchschnittliche Arbeitsleben von 42 auf 35 Jahre reduziert hat.

Und drittens wenden sich die schwarzen Pensionisten gegen die roten Pläne, das Institut der Altersteilzeit noch mehr zu erleichtern, die ja ebenfalls eine versteckte Frühpension ist. Und die vor allem im öffentlichen Bereich konsumiert wird.

Würde solche Vernunft endlich auch bei den roten Pensionisten-Politruks einkehren, dann könnte man ja viel mehr Verständnis für die Wünsche der Pensionisten haben. So lange dort ein Karl Blecha mit seinem autoritären Auftreten agiert, ist freilich jede Hoffnung vergebens. Obwohl Blecha letztlich den Pensionisten sehr schadet.

Wären alle Pensionistenverbände vernünftiger, würde nämlich ihr Verlangen nach einer Inflationssicherung der Pensionen (die umso wichtiger ist, je intensiver Europa und Österreich durch Schulden und Gelddrucken eine heftige Inflation vorbereiten) auf viel mehr Verständnis treffen; Pensionisten stehen einer Inflation ja besonders hilflos gegenüber. Ebenso wäre der Seniorenkampf gegen die Streichung des Alleinverdienerfreibetrags auch bei jenen Ehepaaren, die mehrere Kinder großgezogen haben – und wo die Frauen daher nicht lange genug arbeiten konnten –, dann viel verständlicher.

Aber es ist nicht nur der rote Pensionistenverband, der sich mit einer an die 70er Jahre gemahnenden Lizitationsmentalität der bei der Konkurrenz langsam einkehrenden Vernunft in den Weg stellt. Auch der eigene Parteiobmann der ÖVP hat sich ja ausweglos und anscheinend völlig unkritisch an einen Werner Faymann gebunden, obwohl dieser immer stärker und beinahe krankhaft totale Realitätsverweigerung betreibt.

Bei allem Lob: In einem Punkt fehlt bei den schwarzen Pensionisten auch weiterhin jedes Gefühl für Gerechtigkeit: Sie haben kein Problem damit, dass im letzten Jahrzehnt – also auch während der schwarz-blauen Zeit – unter den Pensionisten immer jene benachteiligt wurden, die ihre Pensionen zum weitaus höchsten Prozentsatz selbst durch Beiträge finanziert haben.

Statt dessen fallen auch die schwarzen Pensionistenvertreter nach wie vor auf den alten Sozialschmäh hinein, mit dem die Bevorzugung von Kleinpensionisten und Ausgleichszulagenbeziehern verteidigt wird. Aber in Wahrheit sind Kleinpensionen in hohem Ausmaß Zweit- und Drittpensionen, also keineswegs Bezüge besonders armer Menschen. Und Ausgleichszulagen wiederum werden besonders häufig von jenen kassiert, die ihr zum Teil stolzes Lebenseinkommen an der Sozialversicherung vorbei finanziert haben, etwa durch Pfusch. Warum die alljährlich privilegiert behandelt werden, hat mir noch kein Pensionistenpolitiker erklären können.

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Fußnote 149: Wien gibt aus, aber zahlen müssen alle

25. November 2010 00:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Rot-Grün in Wien kommt schon im ersten Jahr teuer, und zwar alle Österreicher.

Das erfuhr man am Rand der Landeshauptleutekonferenz so quasi im Vorbeigehen. Während nach außen lautstark der Streit tobte, ob nun der Bund oder die Länder die Lehrer anstellen, musste der Wiener Bürgermeister in einer viel wichtigeren Frage zugeben, dass Wien im kommenden Jahr die nach den Maastricht-Kriterien einzuhaltende Defizit-Quote überschreiten wird. Wien plant nach der Steiermark das größte Defizit aller Bundesländer. Kann der Bund die Ausgabenfreude von Häupl, Voves & Co bremsen (denen als positive Gegenbeispiele immerhin Oberösterreich und Vorarlberg gegenüberstehen)? In keiner Weise. Österreich kann hingegen von der EU wegen Verletzung der Maastricht-Kriterien bestraft werden. Was zwar vorerst eher Theorie ist. Umso brutaler ist die Strafe der Märkte für Staaten, die ihre Ziele nicht einhalten: Diese müssen höhere Zinsen zahlen, wenn sie sich Geld ausborgen wollen. Die der gesamtösterreichische Steuerzahler zu blechen hat. Auch wenn er absolut nichts für die giftige Wiener Mischung kann: Wo die Grünen die zum Teil Korruption darstellenden rote Verschwendung nicht einbremsen wollen; und wo die Roten den Grünen Geldverschwendung für Radfahrer & Co genehmigen. Für die Märkte gibt es bei der Einschätzung der Kreditwürdigkeit nämlich nur ein Österreich. Und das zu Recht, seit der Bund Kärnten aus der Hypo-Alpen-Adria-Pleite gerettet hat. Da wird er gegebenfalls auch die Steiermark oder Wien retten müssen.

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Sind Werner Faymann und Josef Pröll Großbetrüger?

22. November 2010 14:02 | Autor: Friedrich Romig
Rubrik: Gastkommentar

Jetzt ist der dauerhafte Bruch des Lissabonvertrags beschlossene Sache: Mit ein paar Zeilen wird die Europäische Union real in einen Bundesstaat und eine Fiskal-, Haftungs- und Transfergemeinschaft umgewandelt.  Die spärlichen Reste an Souveränität, die Österreich noch hat, werden an die Union abgetreten. Österreich hört als Staat praktisch zu existieren auf, alle wesentlichen Kompetenzen sind auf die EU übertragen. Nur die Sozialnetze darf es noch zerreißen.

Und das alles geschieht „im verkürzten Verfahren“ nach Artikel 48 EUV  oder was immer. Ja kein Wirbel durch Referenden oder Volksvertretungen!

Artikel 125 AEUV (im Volksmund werden beide Verträge, EUV und AEUV, als „Lissabonvertrag“ bezeichnet)  schließt die Haftung eines Mitgliedsstaaten für die Verbindlichkeiten eines anderen Mitgliedsstaates ausdrücklich aus. Und auch die Union selbst darf laut Vertrag nicht Haftungen für ein Mitglied übernehmen. Jetzt haben Faymann und Pröll der Haftung für Irland zugestimmt und damit neuerlich eine prinzipielle Voraussetzung für die Währungsunion, eben diese No-Bail-out-Klausel,  unterlaufen.  Österreich haftet nun nicht mehr nur für seine eigenen Schulden, sondern auch noch für die Irlands und Griechenlands. Nur Verrückte übernehmen Bürgschaften für Pleitiers.

Rechtlich kaschiert wird dieser unerhörte Souveränitätsverlust  Österreichs durch eine Ergänzung des Naturkatastophen-Artikels (Artikel 122 AEUV). Der sieht Hilfen bei Naturkatastrophen oder bei der Unterbrechung der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern vor.  Jetzt wird der Artikel durch ein paar Zeilen ergänzt: „Finanzielle Hilfen können auch gewährt werden, wenn Gefahr für die Währungsunion besteht“. Das Tor wird aufgemacht für Mitgliedsstaaten, die auf Kosten Österreichs und anderer leben wollen! Wir müssen bluten. 

Und für diese einschneidenden Vertragsänderungen, die den Charakter der EU völlig verändern, will Faymann keine Volksabstimmung, die er vor der Wahl in einem Brief an die Kronen-Zeitung im Juni 2008 hoch und heilig versprochen hat. Ist das nicht Großbetrug am Wähler von  Werner Faymann unter Beihilfe von Josef Pröll?

„Es fließt ja kein Geld“, versucht Pröll im Morgen-Journal das Volk zu beruhigen. Doch Herr Pröll, es fließt! Die EZB erhöht die Geschwindigkeit ihrer Gelddruckmaschinen, und was das bedeutet, haben wir nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gesehen. Währungszusammenbruch, Umtausch, Inflation. Zimbabwe lässt grüßen, doch so schlimm wie dort wird’s wohl nicht werden (Anm.: in Zimbabwe gab es Inflationsraten von 10% pro Tag!). Der Gouverneur der Nationalbank, Ewald Novotny, hält  Narkotika zur Ruhigstellung der Bevölkerung bereit. Die nämlich revoltierte in Zimbabwe.

Univ.-Dozent Dr. Friedrich Romig lehrte Politische Ökonomie in Wien, Graz und Aachen. Er war Mitglied der Europakommission der Österreichischen Bischofskonferenz.

 

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SN-Kontroverse: Rücktritt der ORF-Führung?

19. November 2010 00:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll die ORF-Führung zurücktreten?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

 

Nachtigall, ich hör dir trapsen!

 

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Politik hat ihn fest im (Würge-)Griff. Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunk kämpft seit vielen Jahren vergeblich um seine Unabhängigkeit. Es gab zahllose Initiativen, um ihn aus der Geiselhaft der Parteien zu befreien. Nun geht es in der Anstalt wieder einmal drunter und drüber.

Nach der Abwahl von Informationsdirektor Elmar Oberhauser ist unter der übrigen Führungsriege ein Hauen und Stechen im Gange, das seinesgleichen sucht. Jeder misstraut jedem. Höhepunkt ist die „Bespitzelung" von ORF-Direktoren im Auftrag des  ORF-Kommunikationschefs. So weit, so schlecht.

Prompt wird nun nach einem Rücktritt der gesamten ORF-Führungsriege gerufen.  Naturgemäß am vehementesten von der Gruppierung rund um Finanzchef Richard Grasl, der von der ÖVP Niederösterreich auf den Direktorenposten gehievt wurde und sich jetzt die besten Chancen für die Nachfolge von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz ausrechnet.
Nachtigall, ich hör' dir trapsen -  zumal eine Neuwahl nichts an den derzeitigen Verhältnissen im ORF ändern würde. Lediglich die Farbenlehre an der Spitze des Unternehmens wäre anders. Der strukturelle Missstand im ORF bliebe gleich.

Das erst vor einem Jahr beschlossene ORF-Gesetz hat den  öffentlich-rechtlichen Mehrwert des ORF nicht gestärkt. Der Programmauftrag ist unpräzise und unzeitgemäß. Um die EU-Kommission zufriedenzustellen, wurden lediglich „besondere Aufträge" für Spartenprogramme und das Onlineangebot ergänzt. Außerdem bleiben im neuen ORF-Gesetz die Gremien unangetastet.

Der Stiftungsrat ist das was er immer war. Ein Bazar der ungenierten Freunderlwirtschaft. Nicht der Rücktritt der Führungsriege, sondern die Änderung der Strukturen bringt daher mehr Unabhängigkeit für den ORF und seine Mitarbeiter und hoffentlich bessere Programme. 


 

Radikallösung oder Konkurs

 

Andreas Unterberger

Längst ist der Wrabetz-ORF so kaputt, dass nichts zu retten ist.Da ordnet etwa die SPÖ-Handlangerin Laura Rudas ungeniert an, wer Chefredakteur wird. Da zeigt der Grüne Pius Strobl als übermächtig-präpotenter ORF-Sprecher, zu welchen Stasi-Methoden Grüne greifen, wenn sie einmal einen Teil der Macht erobert haben.

Da hat die gesamte ORF-Information eine so schwere linke Schlagseite, dass man oft eine televisionäre Wiederauferstehung der alten Volksstimme vor sich zu haben glaubt. Da wird so intensiv an den Sehern vorbei Programm gemacht, dass diese im Eilschritt vom ORF weggehen, wie die steil fallenden Quoten beweisen.

Da werden aus dem Budget auf Kosten von Mehrkinderfamilien, Universitäten oder des freien Zugangs zum Recht dem an pragmatisierte Mitarbeiter fette Gehälter zahlenden ORF 160 Millionen zugeschoben.

Da wird in fast jedem Bundesland (besonders jenen im Osten) auf unsere Kosten pures PR-Fernsehen für den örtlichen Landeshauptmann gemacht. Da agiert die Belegschaft so, als ob der ORF ihnen gehörte.

Freilich: Ein bloßer Austausch von Alexander Wrabetz durch einen anderen Partei-Apparatschik nutzt gar nichts. Denn die Abhängigkeit von den Parteien - derzeit von einer allen Wahlergebnissen widersprechenden absoluten Rot-Grün-Mehrheit - kann nur den gleichen Mist produzieren. Sinnvoll sind nur noch radikale Lösungen: Eine wäre die proportionale Publikumswahl aller Stiftungsräte (ohne Beteiligung der Politik). Eine andere wäre die Privatisierung. Eine dritte wäre die Aufteilung der Hörer- und Seher-Gebühren unter allen österreichischen Sendern durch eine wirklich unabhängige Institution je nach Qualität und Ausgewogenheit.

Gelingt nichts davon, bliebe nur noch der Konkurs. Der ja oft der beste Neuanfang ist.

 

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Der ORF braucht ein neues Gesetz

18. November 2010 17:53 | Autor: Herwig Hösele
Rubrik: Gastkommentar

Die demokratiepolitisch im höchsten Maße besorgniserregenden Vorgänge im ORF, insbesondere im Zusammenhang mit der Abwahl des Informationsdirektors Elmar Oberhauser und die das Unternehmen schädigenden und wohl auch lähmenden parteipolitischen Dauerdiskussionen verlangen nach einem Neubeginn im ORF. Eigentlich müsste es jetzt eine breite SOS-ORF bzw. Rettet-den-ORF-Bewegung der Zivilgesellschaft geben.

Nachdem die letzte ORF-Novelle nicht das Fundament für einen auch künftig starken, qualitätvollen, unabhängigen und unverwechselbaren öffentlich-rechtlichen ORF gebracht hat, ist rasch ein neues Gesetz notwendig (nach dem gegenwärtig gültigen Gesetz kann ja nicht einmal die Neuwahl der Geschäftsführung ohne Gesetzesänderung durchgeführt werden).

Die dauernden personellen Umfärbungs- und parteipolitischen Einmischungsversuche sind ein Krebsübel, die die Kontinuität einer gesunden Zukunftsentwicklung des ORF gefährden. Um dem wirksam den Riegel vorzuschieben, habe ich bereits im Frühjahr 2009 angesichts der damaligen Debatte einen Diskussionsvorschlag vorgelegt, dessen zentraler Punkt in diesem Zusammenhang lautet:

Die Politik verzichtet nach der Erstnominierung des Aufsichtsgremiums für die unabhängige Medienbehörde und eines schlagkräftigen und sachkundigen ORF-Aufsichtsrates dauerhaft auf personelle Einflussnahme. Nachdem mit Zweidrittelmehrheit acht bis zehn ausgewiesene Medienfachleute jeweils für Medienbehörde und ORF bestellt werden, wird durch Verfassungsgesetz abgesichert, dass sich dieses Aufsichtsratsgremium künftig selbst ergänzt und erneuert. Im ORF ist dieser Aufsichtsrat das entscheidende Kontrollgremium – ungeachtet dessen, ob Stiftungs- und/oder Publikumsrat in welcher Zusammensetzung auch immer weiter bestehen.

Über diesen Schwerpunkt hinaus wurden 10 weitere Diskussionsvorschläge skizziert:

1. Die ORF-Gebühr wird in eine allgemeine Rundfunkgebühr umgewandelt, die auf die Haushalte abzielt und nicht auf den ORF-Empfang, vor allem auch nicht allein auf ein TV-Gerät, da ja viele Videoinhalte mittlerweile über PCs und Smartphones empfangen werden. Dies ist eine logische Folge der immer wieder beschworenen Medienkonvergenz. Von dieser allgemeinen Gebühr erhält der ORF – sofern er seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllt – den Hauptanteil, mit dem wesentlich kleineren Rest wird Public Value bei Privatanbietern gefördert – qualitätvolle Information, Kultur und Unterhaltung mit österreichischer Wertschöpfung.

2. Der vielzitierte „Public Value“ und die Gebührenlegitimation bzw. die Förderung öffentlich-rechtlichen „Contents“ sind auch einem Monitoring durch eine weisungsunabhängige Medienbehörde bzw. Kommission zu unterziehen. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Medienförderung – also inklusive Printmedien und eventuell Online-Medien – in Richtung Qualität und Pluralität anzustreben.

3. Es ist dem ORF natürlich auch eine Entwicklungsmöglichkeit im Internet einzuräumen, da es zunehmend – im Gegensatz zum klassischen Fernsehen – von der Jugend genützt wird, wobei es insbesondere um genuin öffentlich-rechtliche Inhalte geht.

4. Der Staat gilt die Gebührenbefreiungen ab und stellt die in den Budgets versickernden Teile der eingehobenen Gebühren der Public-Value-Förderung zur Verfügung. Unter Public-Value-Förderung sollten auch Präsentationsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Initiativen und für zu Wahlen kandidierenden Personen im Sinne einer demokratiepolitischen Chancengerechtigkeit und Vielfalt fallen.

5. Weitgehender Verzicht auf TV-Werbung – entweder vollständig auf ORF 2 oder zumindest nach 20 Uhr.

6. Garantie der Erhaltung der ORF-Landesstudios als Ausdruck der geistig-kulturellen Vielfalt und des lebendigen Föderalismus Österreichs, wobei diese verstärkt Teile des Gesamtprogramms je nach Profil produzieren – eventuell in Kooperation mit regionalen Medienhäusern.

7. ORF-Programmreform im Sinne der Schärfung des öffentlich-rechtlichen Profils (z. B. anspruchsvolle Sendungen zwischen 19.00 und 22.00 Uhr, verstärkt österreichische Produktionen – auch mit Partnern, Frühstücksfernsehen, Nachrichten -, Kultur-, Doku-Kanäle etc).

8. Aus für die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Wahl der ORF-Geschäftsführung.

9. Überlegungen, ob ORF 1 und/oder Ö3 öffentlich-rechtlich repositioniert oder unter dem ORF-Dach (teil-)privatisiert werden – eventuell in einem Holdingmodell, nachdem beide Programme klar kommerziell ausgerichtet sind – Kooperationen mit bestehenden Privatanbietern und Medienhäusern.

10. Flachere Hierarchien und neue Kollektivverträge im ORF: Je weniger der ORF von Werbung abhängig ist, umso mehr und besser kann er seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen und Qualität mit Quote verbinden. Vor allem angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung und Boulevardisierung ist eine wirkungsvolle Förderung des Public Value aller Mediengattungen eine demokratie- und kulturpolitische Notwendigkeit.

Siehe auch diverse Kommentare April 2009 (www.dreischritt.at – News – Archiv) bzw. Kapitel „Medien sind für die Demokratie systemrelevant“ in Hösele: „Was ist faul im Staate Österreich? Eine Reformagenda“, S. 176 ff.

(Professor Herwig Hösele war Präsident des Bundesrates (ÖVP) und ist als Geschäftsführer der "Dreischritt GmbH" und der "public opinion GmbH" publizistisch tätig. Er erstellt vor allem politische und strategische Analysen.

Mehr unter www.dreischritt.at).

 

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Jeder gegen jeden: Ein Staat oder viele Staaten?

15. November 2010 00:05 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eines der großen Probleme dieser Republik besteht darin, dass viele staatliche Behörden ihren Lebenszweck vor allem darin sehen, gegen andere Behörden zu arbeiten. Wir aber müssen sie alle finanzieren.

Ein besonders schlimmes Beispiel ist der Gesundheitssektor. Da arbeiten die Sozialversicherungen vehement daran, den vor allem von Ländern und Gemeinden finanzierten Spitälern Kosten zuzuschieben, und die Spitalsbetreiber arbeiten daran, Kosten zu den von der Sozialversicherung finanzierten Strukturen nach außen zu verlagern. Das ist weder Konkurrenz im Sinne der Marktwirtschaft noch eine planwirtschaftliche Regelung (die ja noch immer erstaunlich viele für eine funktionsfähige Alternative halten). Das ist nur unsinnige Verbrennung jener Gelder, die uns der Gesetzgeber abnimmt.

Ein anderes Beispiel sind die vielen aus Steuergeldern bezahlten Frauenbeauftragten etwa an den Universitäten, die Tag und Nacht nachdenken, wie sie zusätzlich Sand ins Getriebe unserer ohnedies knapp vor dem Totalschaden stehenden Hohen Schulen werfen können. Nicht besonders erwähnt werden muss wohl, dass auch die Unis  natürlich ebenfalls von Steuergeldern leben. So sind die Frauenbeauftragten etwa dafür verantwortlich, dass dringend notwendige Ausschreibungen von Professuren wiederholt werden müssen, weil sich keine Frau beworben hat. Was Kosten verursacht, was den Lehr- und Forschungsbetrieb oft auf ein Jahr lähmen kann.

Ein ganz aktuelles Beispiel ist die neue Würde eines „Bachelor“: Mit gewaltigem Kraftaufwand wurden die meisten Studienrichtungen auf Grund der recht realitätsfernen Vorgaben des europäischen Bologna-Prozesses gezwungen, diesen Titel samt eigenem Ausbildungsweg einzuführen. Damit werden Studien, die früher in acht oder zehn Semestern zu absolvieren waren, nun schon dreigeteilt und damit deutlich länger. Zuerst hat man – fast überall – das Magisterium vom Doktoratsstudium getrennt. Und nun wird diesen beiden Studien noch ein sechs- bis acht-semestriges Bakkalaureats-Studium vorgeschaltet. Ebenfalls schon fast überall

Das widerspricht zum einen dem demographisch, steuerpolitisch und fürs Pensionssystem wichtigen Ziel des gleichen Staates, die jungen Menschen ein wenig früher ins Wirtschaftsleben einzugliedern. Das widerspricht zum zweiten der Logik der soeben beschlossenen Verkürzung der Zeitspanne, in der man Familienbeihilfe beziehen kann.

Und das widerspricht drittens dem Beamtendienstrecht. Denn die Bachelor werden vom Staat nicht als A-Beamte anerkannt beziehungsweise bezahlt. Die Beamtenministerin Heinisch-Hosek weigert sich aus Geldmangel auch bei den gerade laufenden Verhandlungen über ein neues Beamtendienstrecht, die Bachelor als Akademiker zu behandeln. Eine andere Abteilung der gleichen Republik, nämlich das Wissenschaftsministerium, kämpft hingegen vehement dafür, dass die Bachelor als Vollakademiker angesehen werden. Aber dieser Staat war eben nicht imstande, sich mit allen Konsequenzen festzulegen, ob er nun dieses Studium will oder nicht. Was den Opfern nur noch als Schikane oder totale Unfähigkeit erscheinen muss.

In diesem Land kämpft die Linke gegen die Rechte der Republik und die Rechte gegen die Linke – ausnahmsweise ist das nicht ideologisch gemeint –, beide tun das aber frischfröhlich auf Kosten des gleichen zwangsverpflichteten Geldgebers.

Allein die hier aufgezählten Unsinnigkeiten sind damit ein gutes Argument für ein Mehrheitswahlrecht, bei dem man zumindest auf einen einheitlichen Willen des Gesetzgebers hoffen kann, der sich nicht ständig selber widerspricht. Und dabei haben wir hier nur Beispiele aufgezählt, die weder mit den teuren Kosten der im gleichen Staatsgebilde gegeneinander agierenden Ideologien noch jenen des eitelkeitsgetriebenen Kampfes Bund versus Länder zu tun haben.

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Positives und Heiteres

14. November 2010 01:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wo bleibt das Positive? Die von vielen Lesern verlangte Suche nach selbigem war wieder einmal überaus erfolgreich. Das gilt vor allem dann, wenn man auch die (unfreiwillig) komischen Dinge ins Positive einbezieht, aus fröhlicher Dankbarkeit, dass sie einen zumindest laut auflachen lassen.

Aber beginnen wir mit dem echt Erfreulichen:

Da hat ein kritischer Beitrag im Tagebuch einige Wochen später tatsächlich den Plan für eine Gesetzesnovelle ausgelöst. Diese würde bei einer Annahme durch das Parlament das aufgezeigte Problem tatsächlich lösen. Es geht um die Möglichkeit, dass EU-Bürger in der Pension ungehindert nach Österreich übersiedeln und dort vollen Anspruch auf Ausgleichszulage haben. Da in manchen osteuropäischen Ländern Pensionen vielfach nur ein Zehntel unserer üppigen Ausgleichszulage (=Mindestpension) ausmachen, ist das natürlich eine großzügige Einladung zum Sozialtourismus. Selbst dem normalerweise sehr ausgabenfreudigen Sozialministerium kamen da nun Bedenken. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht am Ende wieder die juristischen Bedenkenträger („Darf man EU-Ausländer diskriminieren?“) die Oberhand behalten.

Lobenswert ist auch der Pensionistenbund, der es wagt, sich für ein rascheres Hinaufsetzen des Frauenpensionsalters einzusetzen.

Positiv klingt noch etwas in all dem Ärger über die vielen Steuer- und Gebührenerhöhungen. Nämlich die Wissenschaftsministerin will 50 außeruniversitären Forschungsinstitutionen die Subvention streichen. Dieses Lob heißt nun nicht, dass die universitäre Forschung hierzulande so toll unterwegs wäre, oder dass es nicht noch viel ärgere Subventions-Sümpfe gäbe. Aber immerhin, ein wichtriger Anfang ist gemacht. Viele der nun beschnittenen Institutionen leben nämlich nur noch von der eigenen Vergangenheit vulgo den einstigen Beziehungen zu längst abgetretenen Politikern. Das trifft vor allem bei den nicht-naturwissenschaftlichen Institutionen zu, die – wenn sie es überhaupt jemals taten – schon lange keinen positiven Beitrag zur Gesellschaft geleistet haben (außer ein paar Politologen, Philosophen, Soziologen einen Job verschafft zu haben). Ob das nun die Kreisky-Erfindung des Österreichischen Instituts für Internationale Politik ist, ob das die Busek-Gratz-Erfindung des Instituts für die Wissenschaft vom Menschen ist; ob das die Busek-Erfindung des „Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften“ ist; ob das die diversen Kreisky-Gedenkvereine sind (um die nun ausgerechnet ein H.C.Strache Krokodilstränen vergießt!). Freilich: Diesen Mut hat nur das Wissenschaftsministerium. Subventions-Institute, die am Tropf der Gemeinde Wien oder anderer Ministerien hängen, können munter weiter unser Geld verprassen.

Erfreuliches hört man auch aus anderen Weltgegenden. Da mussten die spanischen Sozialisten ein geplantes neues Kampfgesetz gegen die Kirche wieder zurückziehen, weil ihre Partner von diversen Regionalparteien nicht mehr mitziehen wollen. Die Sozialisten wollten im katholischen Spanien alle Kreuze aus öffentlichen Institutionen (einschließlich der Spitäler) eliminieren; sie wollten bei Staatsbegräbnissen religiöse Zeremonien verbieten; sie wollten Funktionsträger, die an einer katholischen Zeremonie teilnehmen, zwingen, im gleichen Maße auch andere Religionen wie etwa den Islam zu beehren. Und vieles andere mehr. Auch das zeigt, dass Widerstand gegen die islamophile und christophobe radikale Linke durchaus erfolgreich sein kann.

Weil auch Lachen – selbst verzweifeltes – zu den guten Dingen im Leben zählt, darf ich auch dazu ein wenig in der Fundkiste kramen.

Da kündigt der neue Chef des staatlichen türkischen Religionsamtes mit seinen rund 70.000 Mitarbeitern – also des Amtes eines Staates, der vorgibt, laizistisch zu sein! – an, dass er künftig für „Muslime in der ganzen Welt“ zuständig sein werde. Das heißt natürlich auch für Österreich. Da kündigen sich wirklich lustige Fortsetzungen der Interviews des türkischen Botschafters zu Wien an, in denen den Österreichern beigebracht wird, wo Allah wohnt.

Da suchte die ÖVP einen Nachfolger für die Absteigerin des Jahres Christine Marek, und zwar wochenlang in aller Öffentlichkeit. Statt dass die beste Frau oder der beste Mann gesucht würden, wurde zuerst festgelegt, welches Geschlecht, dann welcher Bund, und dann welches Bundesland zum Zug kommen werden. Womit erstens die nunmehr gefundene Nachfolgerin automatisch im Geruch einer schlichten Quotenlösung steht. Womit zweitens von vornherein mit Sicherheit verhindert wird, dass der Beste zum Zug kommt. Ein schönes Kapitel aus dem heiteren Lehrbuch: Wie vermurkse ich jede noch so unbedeutende Personalentscheidung.

Da kann man über die brillant inszenierte Heuchelei der diversen Bankgeneraldirektoren herzlich lachen, die nun so tun, als ob die Kosten von Basel III und Finanzsteuer von irgendeinem Goldesel getragen würden. Und nicht von den Konsumenten, den Sparern, den Kontobesitzern und Kreditnehmern, wie das der Raiffeisen-Boss Rothensteiner zu Recht als einzig möglichen logischen Schluss angekündigt hat. Noch heiterer ist freilich, dass Werner Faymann – wohl weil er sich selbst vor den Grundrechnungsarten fürchtet – ausgerechnet Laura Rudas zur Beschimpfung der Banken ausgesandt hat. Am heitersten ist aber, dass ihr dann ausgerechnet der Arbeiterkammer-Tumpel – einer der Hauptverantwortlichen an der Bawag-Krise! – beispringt und den Bankern erklärt, was sie zu tun hätten.

Nur noch ein Lachen der Verzweiflung ist es auch, wenn sogar in Zeiten wie diesen, wo zum Teil bei wesentlichen Aufgaben des Staates das Geld drastisch gekürzt wird, die Beamtenministerin ein kostenaufwendiges Ideologieprojekt umsetzen will. Es geht um den sogenannten „Papa-Monat“, also um zusätzliche vier freie Wochen für Väter nach der Geburt. Noch skurriler: Wieder einmal soll eine Sozialregelung nur für die Beamten gelten. Die ja ohnedies jede einzelne soziale Wohltat viel intensiver konsumieren als die Menschen in der echten Wirtschaft.

Etwas älter, aber trotzdem ein Juwel ist auch das Zitat von Erwin Pröll, der einen Plan Frank Stronachs (welcher schon wieder einmal ein Stadion bauen will) auf folgende Weise unterstützen will: „Wir sind bereit für eine Haftung, nur darf sie nicht schlagend werden.“ Was es in Niederösterreich nicht alles gibt: Haftungen, die nicht schlagend werden können! Wenn das so ist, dann hafte natürlich auch ich gerne für Stronachs neueste Idee.

Den lautesten Lacher hat sich aber wieder einmal eine Aktion unserer deutschen Nachbarn verdient: Dort findet doch tatsächlich eine Tagung unter dem absurden Motto „Klimaschutz braucht Geschlechtergerechtigkeit“ statt. Irgendwie ist es unfair, wenn die abgrundtief dumme politische Korrektheit alle Satiriker und Kabarettisten (und dem feministischen Neusprech gemäß wohlgemerkt auch alle Satirikerinnen und Kabarettistinnen) arbeitslos macht. Wenn also jetzt das gute weibliche CO2 gegen das böse männliche CO2 antritt, dann ist das Realsatire in Reinkultur. Was den ernsten Nachsatz verdient: Auch in Deutschland wäre ein flächendeckender Subventions-Stopp sehr hilfreich für eine intellektuelle Regeneration. 

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Wirtschaftszentren? Klagenfurt, nicht Linz!

14. November 2010 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Keine Frage: Auch im Verkehrsbereich muss Österreich dringend sparen. Die bisher erträumte Wunschliste an neuen Projekten ist nie und nimmer realisierbar. Dennoch ist das, was die Verkehrsministerin und der ÖBB-Chef da nun präsentiert haben, an der Grenze des Absurden.

Denn die beiden Genossen wollen uns einreden, dass es ein wichtiges, notwendiges und zukunftsweisendes Projekt ist, die Städte Graz und Klagenfurt durch eine komplett neue Eisenbahn zu verbinden – einschließlich eines 33, in Worten: dreiunddreißig Kilometer langen Tunnels. Dass aber die Nordostumfahrung Wiens und die Westumfahrung von Linz nicht wichtig seien. Obwohl diese Straßenprojekte dringend notwendig und viel billiger sind.

Die verkehrspolitische Absurdität des Koralm-Tunnels wird auch dadurch unterstrichen, dass die ÖBB gleichzeitig die letzte direkte Zugsverbindung zwischen Graz und Linz streichen. Dabei sind diese beiden Städte größenmäßig Nummer zwei und Nummer drei in Österreich.

Und niemand kann auch nur eine Sekunde zweifeln dass Linz weit wichtiger ist als Klagenfurt. Hier die große Industriestadt, dort die große Universitäts-Stadt. Dennoch sind offenbar die beiden Städte nicht einmal für einen einzigen Zug auf einer längst vorhandenen Strecke(!) verkehrsbringend genug. Von den Verlängerungsmöglichkeiten nach Marburg, Zagreb und Belgrad im Süden sowie Prag und Berlin im Norden gar nicht zu reden, einer fast kerzengeraden kontinentalen Nord-Süd-Verbindung.

Aber Linz und Graz seien eben keine Wirtschaftszentren, erklärt uns der köstliche neue ÖBB-Chef; Graz und das kleine Beamtenzentrum Klagenfurt hingegen schon. Sollte man nicht endlich Intelligenztests für Vorstände einführen?

Graz und Klagenfurt bringen mit Sicherheit nicht einmal ein Viertel des direkten Verkehrs wie Linz und Graz zusammen. Alles, was westlich Klagenfurts liegt – Villach ff. – ist aber längst durch die alte Südbahn aufgeschlossen und östlich von Graz gibt’s nur noch Waldheimat. Daher ist das einzige Argument für den Bahnbau sehr knieweich, dass sich an der beschaulich-menschenleeren Graz-Klagenfurter Koralm-Route vielleicht einmal Industrie niederlassen wird.

Aber in Wahrheit geht es ja gar nicht um Argumente, sondern um ganz anderes: Um Subventionen der Tunnelbau-Industrie und um pure Parteipolitik. Denn in der Steiermark hat die SPÖ die Mehrheit (so wie bei den ersten Koralm-Entscheidungen ausschlaggebend war, dass in Kärnten Blau regiert), in Oberösterreich hingegen die ÖVP. Und die wird nun bestraft. Auf Kosten der Oberösterreicher.

Dass die Bundes-ÖVP diese ganz offensichtlich rein parteipolitisch gedeckte Verkehrspolitik mitträgt, bleibt eines der großen Rätsel dieser Wochen. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass der schwarze Oberösterreicher Mitterlehner im Wirtschaftsministerium zwar ein brutal provinzlerische Personalpolitik betreibt (Egal wie unqualifiziert, Hauptsache: unbedingt Oberösterreicher und wenn geht schwarz); dass er aber wirtschaftspolitisch ein Leichtgewicht ist.

Selbst eine angebliche Autonomie jedes Ministers in einer Koalitionsregierung kann da kein Argument sein. Blockiert doch die SPÖ mit großem Erfolg die dringend notwendigen Studiengebühren und Aufnahmsprüfungen der Unis, obwohl diese zum „schwarzen“ Wissenschaftsministerium zählen.

Fast folgerichtig ist auch der Brennertunnel im schwarzen Tirol auf der langen Bank gelandet. Denn er wurde an de facto unerfüllbare Bedingungen Richtung EU geknüpft. Freilich ist das abgesehen vom stinkenden parteipolitischen Aspekt verkehrspolitisch durchaus sinnvoll.

Die Verkehrspläne sind aber auch sonst eine Ansammlung an Absurditäten: Laut dem ÖBB-Chef stehen 720 Kilometer Nebenbahnen „auf dem Prüfstand“. Er vergisst nur zu erwähnen, dass sie dort schon seit Jahrzehnten stehen und eine enorme Standprämie verschlingen, ohne dass jemals Entscheidungen gegen den Widerstand von Bürgermeistern und Landeshauptleuten gefallen wären. Es wäre längst höchste Zeit gewesen zu handeln, statt zu prüfen. So wie die privatisierte AUA nun Provinzwünsche zu ignorieren beginnt.

Statt einer Einstellung jener 720 Kilometer wird mit der Koralmbahn nun eine neue Nebenbahn gebaut, die noch dazu die teuerste aller Zeiten ist. Dennoch wird sie nach Fertigstellung – und nachdem die Bauindustrie sich erkenntlich gezeigt hat – sehr bald ebenfalls auf dem Prüfstand als zu schließende Nebenbahn stehen.

Aber dann wird niemand mehr von der Verantwortung einer Frau Bures, eines Herrn Kern, eines Herrn Voves oder eines Herrn Dörflers reden. Wir werden jedoch noch immer die Rechnung zahlen. Und in Linz und Wien wird der Verkehr kollabieren.

 

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Fußnote 146: Ein Hoch dem Kardinal

05. November 2010 18:56 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Manches Mal muss man den auch hier vielgescholtenen Christoph Schönborn doch wieder richtig liebhaben und schätzen.

Der Kardinal wagte es am Freitagabend immerhin, neben der nachvollziehbaren Forderung eines Bischofs nach Beibehaltung der gesamten Familienförderung und der Verteidigung der Entwicklungshilfe (Naja), ganz mutig für die Einführung von Studiengebühren einzutreten und gegen den Koralmtunnel zu protestieren. Da kann man jetzt sogar hoffen, dass er beim nächsten Mal auch den Mut haben wird, die skurrile Hacklerregelung zu kritisieren oder den Missbrauch von Steuergeldern zur Bestechung willfähriger Zeitungen. Oder das größte Verbrechen an der kommenden Generation in Form von nicht mehr bewältigbaren Schulden. Oder die teuren föderalistischen Spielchen. Kurzfristig muss man aber hoffen, dass Schönborn beim Heimfahren vom Termin mit der Regierung von seinem Caritas-Direktor Landau nicht allzusehr gescholten worden ist. Der ja bekanntlich der beste Öffentlichkeitsarbeiter der SPÖ (und vom Wiener Rathaus in vielerlei Hinsicht abhängig) ist.

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Sieben Milchmädchenrechnungen

05. November 2010 02:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt haben wir es den Reichen aber gezeigt! Endlich werden ihre horrenden Gewinne durch Anleihen- und Aktienspekulationen bestraft.

So ungefähr wird derzeit in den Köpfen vieler Politiker gedacht. Aktienbesitzer sind für sie (und etliche Medien) so ziemlich das Letzte. Und wenn es ums Schröpfen geht, die Ersten. Zugunsten der Milliarden für jugendfrische Hacklerpensionisten und verschwenderische Landeshauptleute.

Die Politik unterliegt freilich einer ganzen Reihe von Irrtümern.

Erstens waren Österreichs Aktien- und Anleihekäufer nicht Schuld an der Finanzkrise; das waren primär Notenbanken und Regierungen, vor allem jene der USA, die mit billigem Geld das Wohlwollen der Wähler erkaufen wollten.

Zweitens gibt es natürlich längst Steuern auf Dividenden und Zinsen, was aber gerne verschwiegen wird. Lediglich über einen längeren Zeitraum erzielte Kursgewinne waren steuerfrei.

Drittens haben frühere Regierungen noch gewusst, dass eine Veranlagung von Geldern in Aktien der Wiener Börse gesamtwirtschaftlich gut und nützlich ist, weil sich dadurch österreichische Firmen Eigenkapital beschaffen können – statt von Bank- oder gar Steuergeldern abhängig zu sein. Jetzt wird hingegen Schuldenmachen doppelt begünstigt (können Schuldner doch Kreditzinsen absetzen).

Viertens ist die Besteuerung von Kursgewinnen höchstwahrscheinlich verfassungswidrig, solange nicht auch der Gewinn durch die Wertsteigerung eines Grundstückes oder eines Kunstwerkes genauso besteuert wird.

Fünftens sind Investitionen in Aktien sozialer als etwa die in Gold, weil sie Arbeitsplätze schaffen.

Sechstens irrt die Regierung bei den erwarteten Einnahmenzuwächsen: Denn ab 2011 wird nach einem letzten Börsen-Strohfeuer die Zahl der privaten Investoren an der Wiener Börse zweifellos rapide abnehmen. Diese werden lieber und noch mehr als zuletzt Gold und Eigentumswohnungen kaufen. Was volkswirtschaftlich absolut unsinnig ist – und was zur Bildung neuer Blasen führt, aus denen künftige Crashes entstehen können (die der Propaganda-Apparat der Regierung dann wiederum dem Markt und nicht der eigenen Dummheit in die Schuhe schieben wird).

Und siebtens wird allen Leistungsträgern eine weitere Möglichkeit einer legalen Alters- und Familienvorsorge genommen. Und das noch dazu gleichzeitig mit Pensionserhöhungen, die nun schon das fünfte Jahr hintereinander Leistungsträger diskriminieren und bestrafen. Denn jene, die sich durch jahrzehntelange hohe Einzahlungen ins ASVG-System einen zumindest leicht gehobenen Alters-Wohlstand sichern wollten, werden heuer erneut betrogen: durch Einfrieren ihrer Pensionen. Irgendwann werden die Opfer einer so leistungsfeindlichen Regierung aber auch ihrerseits ihre Leistungen einschränken, zumindest die versteuerten. Worauf dann das ganze Wohlfahrtssystem kollabieren wird.

Denkt da noch irgendjemand?

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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Streissler diskutiert mit "Tagebuch"-Partnern über den Euro

04. November 2010 14:19 | Autor: Elisabeth Hennefeld
Rubrik: Gastkommentar

Wie wirkt sich die exzessiv beschleunigte Dollar-Produktion auf den Euro aus? Wird der Euro zur wichtigsten Währung der Welt? Oder reißen Griechenland, Portugal & Co die gemeinsame Währung in den Abgrund? Und wie kann der Euroraum krass unterschiedliche Produktivitätsentwicklungen in den einzelnen Ländern überleben? Über all diese existenziellen Fragen wird Erich Streissler, Österreichs bedeutendster Ökonom, in einer exklusiven Veranstaltung, zu der alle Partner des Blogs herzlich eingeladen sind, referieren und diskutieren.

Die  Diskussion findet am 18. November um 19,30 Uhr in Wien statt.  Jeder Partner, der (unentgeltlich) daran teilnehmen will, ist gebeten, sich in angemeldetem Zustand im Tagebuch unter „Kontakte“ anzumelden. Er bekommt dann ein Mail mit dem genauen Ort der Veranstaltung. Diese wird von einer Studentengruppe und dem Tagebuch organisiert. Andreas Unterberger wird die Veranstaltung moderieren und mit Streissler diskutieren.

Streissler ist ein marktwirtschaftlich orientierter Wissenschaftler mit klaren christlichen Wurzeln. Er steht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie sehr nahe, ohne jemals dogmatisch zu sein. Er ist durch seine messerscharfen Analysen und mutigen Schlussfolgerungen auch weit außerhalb der engeren Ökonomen-Gilde bekannt.

So hat er den Amerikanern zu einem Zeitpunkt, da in den USA der Wirtschaftsboom noch auf dem Höhepunkt war, eine 40-jährige depressive Phase prophezeit. Inzwischen meinen viele, die ihn damals kritisiert haben, dass er recht behalten könnte. Dasselbe trifft auf seine Analyse zu, dass das Pensionsantrittsalter auf 80 Jahre erhöht werden soll. Obwohl er damals diesen Vorschlag sehr präzise mit demographischen Daten und der Notwendigkeit der Sicherung der zukünftigen Pensionen begründete, löste er damit  heftige Proteste aus – inzwischen haben viele Länder bis auf Österreich begonnen,  das Pensionsantrittsalter zu erhöhen.

Streisslers Forschungsschwerpunkte lagen unter anderem im Bereich der Finanzwirtschaft und dem der Wirtschaftsgeschichte. Der Wiener war 1961 als Professor für Wirtschaftswissenschaften und Ökonometrie an die Universität Freiburg berufen worden. Dort hatte er engen Kontakt mit dem ebenfalls österreichischen Nationalökonomen und späteren Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek. 1968 kehrte Streissler an die Universität Wien zurück (während die Wiener Wirtschaftsuniversität in Sachen Volkswirtschaft unter dem Einfluss von Neokeynesianern und Neomarxisten jede internationale Bedeutung verlor). Wiederholt war er auch als Gastprofessor in Oxford und Stanford tätig.

Von ganz besonders aktueller Relevanz ist sein Zitat aus der Ära Ronald Reagans, als er diesen einen finanzpolitischen Keynesianisten nannte, weil die Amerikaner unter Reagans Regierung die ungute Angewohnheit entwickelten, mehr Geld auszugeben, als sie einnehmen. Diese Angewohnheit ist heute Amerikas größtes wirtschaftliches Problem geworden. Inzwischen ist es aber auch eines der Europäer, die  jahrzehntelang diesen Spaß mit finanziert haben.

Und damit ist auch der vor fast neun Jahren mit Münzen und Noten eingeführte Euro wieder ein zentrales Thema. Für die einen symbolisiert der Euro eine Sternstunde europäischer Einigung, für andere ist er der Totengräber der Vision Europa. Der Traum des vereinten Europa droht an der wirtschafts- und finanzpolitischen Heterogenität seiner Mitgliedsländer zu scheitern. Die Zukunft Europas hängt maßgeblich davon ab, ob die wirtschaftliche Integration durch den Euro gelingt und er sich als internationale Leitwährung behaupten kann.

Das vereinte Europa war die Antwort auf die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Der Nationalismus hatte den Kontinent an den Rand der Selbstzerstörung getrieben. Die Segnungen des Realsozialismus, der sich jenseits des Eisernen Vorhangs einige Jahrzehnte ungestört vom angeblich alles korrumpierenden Kapitalismus frei entfalten konnte, hatten zu erschreckenden Ergebnissen geführt. Auf die Auslieferung eines Autos musste man zehn bis fünfzehn Jahre warten; und falls ein Volk einmal  über sein Schicksal selber entscheiden wollte, kamen prompt die Liebesgrüße aus Moskau in Form eines Panzerbataillons.

Den Gründervätern des Neuen Europa schwebte eine andere Version des Arbeiter- und Angestelltenparadieses vor. Der freie Handel in einem gemeinsamen Binnenmarkt sollte Wohlstand fördern. Und gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten sollten Kriege zunehmend uninteressant machen.

Der Euro ist vielleicht das sichtbarste Element des Neuen Europa. Bei der Einführung hatte man hohe Erwartungen. Der Euro sollte die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Euro-Zone fördern, vor bösen Spekulanten schützen und der europäischen Stimme im Wettbewerb mit den USA und China mehr Gewicht verleihen. (Die USA und China sind nebenbei bemerkt unter anderem deshalb wirtschaftliche Großmächte, weil sie einen Binnenmarkt und eine gemeinsame Währung haben, trotz der ökonomischen und strukturellen Unterschiede zwischen einer pulsierenden Metropole wie Shanghai und einem Reisfeld im Himalaya.)

Ein weiterer positiver Nebeneffekt der Gemeinschaftswährung wäre zumindest theoretisch noch folgender: Eine gemeinsame Währung macht es einzelnen Regierungen unmöglich, angehäufte Haushaltsdefizite mit Überstunden der Druckerpresse auszugleichen. Damit gibt es weniger Inflation (gut für Konsumenten von heute), weniger Staatsschulden (gut für Konsumenten von morgen) und kein Schummeln mehr beim Exportwettbewerb.

Die Inflationsrate ist jedenfalls bedeutend niedriger als zu Zeiten der nationalen Währungen. Der Euro ist stabiler als der Dollar und hat ihn schon als führende internationale Bargeldwährung abgelöst (auch weil man in den USA jeden Kaugummi mit Kreditkarte bezahlen kann). Manche OPEC-Staaten spielen auch mit dem Gedanken, Rohöl künftig in Euro zu handeln. Was vermutlich verheerende Auswirkungen auf die US-Wirtschaft hätte.

Jedoch am Höhepunkt des Erfolgskurses der europäischen Währung brach scheinbar aus heiterem Himmel die griechische Tragödie über Europa herein. Griechenland hatte sich bei der Wahl zwischen „Budgetdisziplin“ und „Die eigene Wirtschaft an die Wand fahren und die europäische Partner massiv gefährden“ offenbar für Letzteres entschieden.  In der Europäischen Zentralbank  in Frankfurt warf man daraufhin geltendes EU-Recht über Bord, das solche Aktionen eigentlich verbietet, und half den Griechen aus der Patsche. Mit unabsehbaren Folgen. Wir setzen darauf, dass uns Erich Streissler am 18. November diese Folgen klarer machen wird.

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Fußnote 145: Zynische rote Chuzpe

02. November 2010 10:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie haben rein gar nichts verstanden. Das zeigt das Verhalten – vor allem – der SPÖ-Minister eine Woche nach der Blamage von Loipersdorf.

Während die Regierung mit ihren Maßnahmen den Wirtschaftsstandort Österreich schädigt und Mehrkinderfamilien straft, denken rote Minister weiterhin nicht daran zu sparen. Und zeigen das in frecher Ungeniertheit noch in aller Öffentlichkeit. Anders wäre es nicht denkbar, dass die Minister Stöger und Bures eine Woche nach Loipersdorf  in einer einzigen Nummer der Fellner-Zeitung drei Inseraten-Seiten zahlen. Die einerseits den Zweck haben, die Minister in Schönpose zu präsentieren, und andererseits das Blatt weiter extrem SPÖ-freundlich zu halten (dass in der Werbung der SPÖ-Minister auch noch der gerne vom ORF als unabhängig präsentierte Politologe Filzmaier in die Kamera blickt, ist da nur noch eine zusätzliche Pointe am Rande). Das ist aber noch nicht alles. Dazu kommen noch zwei Seiten ÖBB-Inserate, also ausgerechnet vom größten Defizit-Unternehmen Österreichs (in dessen Aufsichtsrat freilich ganz offen über die Notwendigkeit korrupter Methoden gesprochen wird). Wer ob all dieser zynischen Chuzpe keinen Blutstau vor Zorn bekommt, liegt wahrscheinlich schon selbst in der Intensivstation.

 

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Die Talfahrt der Wohlfahrt

02. November 2010 00:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die meisten Bürger wissen: Die Republik wird nur zu retten sein, wenn sie kräftig Hand an den Wohlfahrtsstaat legt. Nur ist sich dessen noch immer keine Partei bewusst – oder traut es sich nicht laut zu sagen. Weil ja überall blauäugige Gutmenschen unterwegs sind.

Besonders explosiv wird dieser Wohlfahrtsstaat, wo er auch die direkte Einladung zur Sozialmigration nach Österreich darstellt. Wie im Tagebuch schon an mehreren Beispielen dargestellt worden ist.

Heute sei daher ein weiteres Exempel untersucht, obwohl diese lukrative Methode, das rot-weiß-rote Wohlfahrts-Schlaraffenland zu plündern, zum Glück bisher noch gar nicht wirklich in großer Zahl ausgenutzt worden ist. Aber warten wir nur, es wird schon werden.

Es geht dabei um die Kombination aus Niederlassungsfreiheit und dem hiesigen Ausgleichszulagensystem. In der EU kann sich jeder EU-Bürger niederlassen, wo er will. Dies gilt insbesondere auch für Pensionisten. So weit so harmlos.

Gefährlich wird die Sache nur in Verbindung mit dem zweiten Schritt: Laut europäischem Recht hat jeder Bürger nach der Niederlassung auch Anspruch auf sozialrechtliche Gleichbehandlung. Und zwar mit den Bürgern jenes Landes, wo er sein anderes europäisches Recht wahrnimmt, also sich niederzulassen, wo er will. Das bedeutet im österreichischen Pensionssystem einen Anspruch auf Ausgleichszulagen, also auf eine Zusatzzahlung zu seiner Pension, damit der zugewanderte Pensionist zumindest 788 Euro pro Monat bekommt – wenn er für Kinder oder Ehepartner zu sorgen hat, natürlich noch mehr.

Was die naiven EU-Gesetzgeber (und insbesondere die besonders spendierfreudigen EU-Abgeordneten) dabei rund um die EU-Erweiterungen der letzten Jahre ignoriert haben: In manchen der neuen Ländern ist das Rentensystem so gering dotiert, dass viele Menschen eine Pension von weniger als 100 Euro bekommen. Kann man es da den Menschen verübeln, wenn es sie bald in großer Zahl an die vollen Töpfe Österreichs ziehen wird, wo die Ausgleichszulage nach der bevorstehenden Pensionserhöhung wohl über der 800-Euro-Grenze liegen wird?

Bisher haben die Bezieher solcher ausländischen Teilpensionen nicht einmal den (ohnedies unzureichenden) Anteil von 5,1 Prozent für die Krankenversicherung zahlen, obwohl sie in Österreich – natürlich, wir haben´s ja – vollen Krankenversicherungsschutz haben. Das wird nun endlich geändert. Das viel gravierendere Pensionsproblem wird hingegen weiterhin nicht angetastet.

Alle österreichischen Parteien haben sich bisher immer für die armen Ausgleichszulagenbezieher engagiert, aber nie für jene, die ihre Pension mit Beiträgen zumindest weitgehend selbst erwirtschaftet haben. Und diese populistisch-soziale Ungerechtigkeit kommt eben auch allen EU-Pensionisten in Österreich zugute.

Angesichts dieser politisch-gutmenschlichen Dummheiten sollte man sich die nächste Frage gar nicht mehr stellen: Wer kann denn überhaupt kontrollieren, ob diese bulgarischen oder rumänischen Rentner überhaupt in Österreich leben (und dadurch wenigstens einen Teil des hier kassierten Geldes auch in Österreich ausgeben)? Im Grunde genügen ja ein Bankkonto und eine Meldeadresse bei einem wohlwollenden Freund, der einen von eventuellen, ohnedies so gut wie nie stattfindenden Kontrollen informiert. Es hat ja jeder Pensionist das Recht, gerade auf Mallorca oder sonstwo zu urlauben, wenn eines Tages doch ein Kontrollor vorbeikommen sollte.

Und warum greift niemand dieses Problem auf, das nur deshalb noch keine riesigen Größenordnungen angenommen hat, weil zum Unterschied vom Asylbereich noch keine kriminellen bis gutmenschlichen Schlepper die Ausnutzung dieser Regelungen organisieren?

Es wird aber auch deshalb nicht aufgegriffen, weil das Problem nur durch Eingriffe in bisher als tabu behandelte Bereiche lösbar ist. Weil dieser Missbrauch nur eingebremst werden kann, wenn man den Wohlfahrtsstaat kräftig redimensioniert, und wenn man die vielen gutgemeinten, aber total weltfremden Beschlüsse der EU neu aufrollt. Aber auch, weil man ja gleich von Grünen, ORF und Caritas der Verhetzung (darauf steht zwei Jahre Haft) oder zumindest der neoliberalen sozialen Kälte beschuldigt wird, wenn man diesen Missbrauch aufzeigt.

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Zeitumstellung: Sinn und Unsinn

31. Oktober 2010 20:15 | Autor: Susanne Pascher
Rubrik: Gastkommentar

Wenn man die zweimal jährlich stattfindende Zeitumstellung betrachtet, dann gibt es eigentlich fast nur Nachteile.

Die Zeitumstellung war in den Kriegs- und Nachkriegsjahren (1916-20, und 1940-48) durchaus sinnvoll – ein großer Teil der Energie wurde für Beleuchtung verwendet („Kohlenklau“-Schilder bei allen Lichtschaltern!). Heute wird damit in der Energiebilanz ähnlich wie in den sogenannten Energieferien das Gegenteil erreicht: Im Herbst entstehen am Morgen mehr Heizkosten und im Hochsommer ein höherer Energieverbrauch durch Klimaanlagen in den Abendstunden.

Wieder eingeführt wurde sie bei uns nach der ersten Ölkrise 1980, nachdem die Oststaaten schon früher umgestellt hatten und dadurch die Bundesrepublik durch die DDR unter Zugzwang geraten ist. Die Schweiz hat sich anfangs dagegen gewehrt, mit etwas Verzögerung dann aber doch nachgegeben. Ab 1996 mussten alle mitteleuropäischen Länder dem Wunsch von Großbritannien und Irland nachgeben und die Herbstumstellung sogar von Ende September auf Ende Oktober verschieben.

Für Mensch und Tier (Melk- und Fütterungstermine bei Kühen) entstehen immer wieder Umstellungsschwierigkeiten. Auch technisch gibt es trotz Funkuhren viele zusätzliche manuelle Arbeiten. Im Herbst werden sogar internationale Züge zwangsweise für eine Stunde angehalten.

Während vor der Zeitzoneneinteilung immer der ungefähre Höchststand der Sonne als 12 Uhr Mittag bezeichnet wurde, so wurde später für jeweils 15 Längengrade eine generelle Zeitzone bestimmt. Tatsächlich erstreckt sich diese in Mitteleuropa aber über eine wesentlich größere Fläche, nämlich von Ostungarn bis Galizien in Nordwestspanien, was eine Sonnenstanddifferenz von fast zwei Stunden ergibt.

In Russland gibt es immer noch die sogenannte Dekretzeit, wo auch in Sibirien als Bahnzeit die von Moskau gilt, also ein Arbeiter seinen Zug zur Arbeit am Morgen zum Beispiel um 12,50 Uhr benützen muss. International betrachtet gibt es auch bei den Umstellungen kein einheitliches Vorgehen, so haben die USA, Kanada und Mexiko auch eigene Termine. Auch in den nordeuropäischen Staaten hat die Sommerzeit durch die generelle Nachthelligkeit ("Weiße Nächte") wenig Sinn.

Viele Menschen klagen über körperliche und seelische Probleme im Zusammenhang mit der Zeitumstellung, auch wenn diese nicht so dramatisch wie beim Jetlag durch Fernreisen verlaufen. Oft sind mehrere Tage erforderlich, damit sich die innere Uhr und der Zeitrhythmus wieder stabilisiert haben. Im Winter braucht der Körper ohnehin etwas mehr Schlaf.

Viele Leute fragen auch nach 20 Jahren immer noch, muss ich jetzt vor- oder zurückstellen. Da hilft eventuell auch Merksatz aus den USA: „Spring forward, fall back“, was man in diesem Fall mit „Frühling: vor(stellen), Herbst: zurück(stellen)“ übersetzen kann.

Es gab in den letzten Jahren schon mehrfach Initiativen, diesen Zirkus abzuschaffen (oder zumindest immer bei der Sommerzeit zu bleiben!), so z.B. kürzlich von Yvette Estermann (SVP Schweiz) und Herbert Reul (CDU Deutschland), welcher eben ausführte: „Man muss bereit sein, Dinge, die sich nicht bewährt haben, wieder abzuschaffen“.
Die Chancen, da etwas zu ändern, sind aber sehr gering. Leider!

Susanne Pascher hat langjährige Marketingerfahrung. Sie definiert sich heute als kritische Beobachterin der österreichischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.

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Mut und Hirn kann man nicht kaufen

31. Oktober 2010 01:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie haben gepatzt, geschludert, unsensibel agiert und gleichzeitig fast alle sinnvollen Einsparungsmaßnahmen auf der Straße liegen gelassen. Dieses Urteil lässt sich eine Woche nach den Budgetbeschlüssen der Regierungsmitglieder fällen – auch wenn jetzt noch immer täglich weitere Details bekannt werden. Die nur dazu führen, dass sie nun nach der Reihe in Einzelpunkten in die Knie gehen, was natürlich nur noch weitere Begehrlichkeiten weckt.

Bei aller Kritik muss ja eines klar sein: Das alleroberste Gebot für die Regierung hat ein drastischer Abbau des Defizits zu sein, denn sonst droht der Republik eine absolute Katastrophe. Daher sind auch alle jene nicht ernst zu nehmen, die nur jammern, aber nicht genau sagen, wo statt dessen gespart werden sollte, wie die Wirtschaftskammer. Oder die gar nach noch mehr Steuern rufen, wie Gewerk- oder Hochschülerschaft.

Die Katastrophe eines Rückgangs der österreichischen Kreditwürdigkeit ist wahrscheinlich ohnedies nicht aufzuhalten. Denn abgesehen vom trotz Sparpakets ohnedies einprogrammierten weiteren Anwachsen der offiziellen Staatsschuld wird die EU demnächst die seit den 90er Jahren durch Tricks ausgelagerten Schulden von ÖBB und Asfinag nun wohl doch dieser Staatsschuld zurechnen. Was diese vor den Augen der ganzen Welt schlagartig um 8 Prozent erhöhen dürfte.

Dabei scheut die EU ohnedies vor der Anrechnung auch aller Verpflichtungen, also Schulden, unseres üppigen Pensionssystems zurück – zum Glück für die Budgettrickser aller Länder. Die Kreditgeber tun das hingegen immer weniger, weil Schulden ja Schulden sind, egal welches Mascherl sie haben, egal wie gut sie versteckt sind. Daher muss Österreich jetzt schon höhere Zinsen als Deutschland zahlen. Und dieses muss wiederum schon höhere Zinsen als die Begeber seriöser Industrieanleihen bezahlen. Was es alles noch nie gegeben hat.

Wo man wirklich sparen hätte können

Damit wir hier ehrlicher sind, seien einige Punkte ausgelassener Sparmöglichkeiten aufgezählt (viele andere sind schon in den letzten Tagen und Wochen hier aufgezählt worden):

  1. Die Länder könnten auf ihre für Bürger wie Budget teure Gesetzgebungskompetenz ebenso wie auf den Bundesrat komplett verzichten – und dafür die gesamte Kompetenz über die Lehrer bekommen (mit einem präzisen Kopfgeld pro Kind, das nicht in eine Privatschule geht). Dadurch könnten die Landesfürsten ihr Gesicht voll bewahren, was für politische Lösungen immer wichtig ist.
  2. Besonders absurd und reif für den Mistkübel ist das bürokratieaufwendige Projekt „Gender budgeting“. In Nachplappern einer grotesken Modetorheit muss bei jedem einzelnen Budgetposten neuerdings erklärt werden, wie sich dieser Posten jeweils auf Männer und Frauen auswirkt. Was letztlich zu völlig abwegigen Fragen führen wird wie:
    - Wieviel Prozent der ÖBB- oder der Autobahnnutzung entfällt auf Frauen und wieviel auf Männer?
    - Dient die Landesverteidigung mehr den Männern, weil sie die Mehrzahl der Soldaten stellen, oder mehr den Frauen, weil sie die Mehrzahl der geschützten Gesamtbevölkerung stellen und überdies keine Präsenzdienstpflicht haben?
    - Sind Panzer oder Granatwerfer frauenfreundlicher?
    Am Rande sei vermerkt, dass der Gender-Budgeting-Schwachsinn das einzige(!) Ziel ist, dass nicht nur für den Bund, sondern auch für die Länder und Gemeinden gilt. Allein mit dem, was sich da einsparen ließe, könnte man alle Mehrkinderfamilien von den Kürzungen ausnehmen. Was auch viel frauenfreundlicher wäre als das blöde Gender budgeting.
  3. Das gilt natürlich auch für die Inflation an überflüssigen Gleichbehandlungsstellen, Frauenbeauftragten und wie die Konstruktionen und Kommissionen sonst noch heißen mögen, die nicht nur viel Geld für ihr Personal an kampfbereiten Feministinnen verschlingen, sondern auch massive indirekte Kosten verursachen. So kann beispielsweise ein Universitätsposten nicht vergeben werden, wenn sich dort keine Frau bewirbt und eine dieser Beauftragtinnen Einspruch erhebt.
  4. Schon mehrfach sind hier die Mega-Verschwendungsprojekte zur Befriedigung einiger Lokalpolitiker und der Bauwirtschaft im Bereich der ÖBB aufgezählt worden: Das reicht vom Koralm- und Brenner-Tunnel bis zum (neuerlichen) Totalneubau fast aller größeren Bahnhöfe des Landes, deretwegen aber kein einziger Mensch zusätzlich Bahn fahren wird.
  5. Ebenfalls aus lauter Angst vor den Landeshauptleuten hat die Regierung auf die Schließung Dutzender Bezirksgerichte und Polizeiwachstuben verzichtet.
  6. Auch im Gesundheitssystem ist keine einzige der möglichen Einsparungsreformen bekannt.
  7. Weder Länder noch Gemeinden noch ausgegliederte Gesellschaften wurden gezwungen, künftig ihre Einkäufe über die Bundesbeschaffungsgesellschaft zu poolen, obwohl das gewaltige Einsparungen brächte. Alleine bei den Spitälern wären das mehrere hundert Millionen (angefangen vom gerade aktuellen Reinigungsdienst des AKH, den das Wiener Rathaus wie alles in Wien im teuren Alleingang  vergeben hat). Aber bekanntlich sind Einkäufe der öffentlichen Hand der beste Weg der Partei- wie auch privaten Finanzierung . . .
  8. Die Regierung schenkt ungezwungen den Landeshauptleuten Anteile an den neuen Steuern – sie hat aber bisher keine einzige Sparmaßnahme der Länder erreicht. Dort wird also weiterhin fürstliche Hofhaltung herrschen. Was man etwa in diesen Stunden daran ablesen kann, wie in Wien ein teures rot-grünes Neuprojekt nach dem anderen bekanntgegeben wird. Wo also überhaupt nicht gespart wird, nur um einige sozialistische Weltveränderungsprojekte auf kosten der Zukunft durchziehen zu können.
  9. Nirgendwo hat man bisher auch etwas davon gelesen, dass die unter Faymann vervierfachten Summen für Bestechungs-Inserate in den Zeitungen – oder gar die diesbezüglichen Ausgaben der Länder – reduziert werden würden. Dafür kürzt man die legale und völlig korruptionsfreie Presseförderung um drei Millionen, was abgrundtief dumm ist – auch wenn ich bekanntlich als einer von ganz wenigen Journalisten Österreichs nicht davon profitiere.
  10. Und natürlich gehört in diese Liste der Versäumnisse schließlich auch die sofortige Abschaffung der Hacklerregelung – notfalls mit Verfassungsgesetz. Ebenso wie andere Maßnahmen zur Hinaufsetzung des realen Pensionsantrittsalters. Dabei könnte man im Gegenzug den Pensionisten eine Garantie geben, dass ihre Pensionen künftig auch wirklich wertgesichert bleiben – zumindest in dem Ausmaß, in dem die Pensionen versicherungsmathematisch durch Einzahlungen gedeckt sind.
    Das wäre für die ältere Generation zweifellos wichtiger als die Möglichkeit, allzu früh aus dem Berufsleben vertrieben zu werden. Heftige Maßnahmen gegen die Frühpensionen wären umso dringender, als der Bundeszuschuss zu den Pensionen 2011 voraussichtlich um 500 Millionen (und 2014 um 2000 Millionen) höher ausfallen dürfte, als „Experten“ noch im Frühjahr berechnet hatten! Da spielt nicht zuletzt der üble Trick der Gemeinde Wien mit, mit dem zahlreiche Wiener Beamtinnen durch Wechsel ins ASVG-System umgehend die Möglichkeit einer Hacklerpension erhalten haben.

Wo falsch gespart wird

Absolut schädlich sind dafür viele der nun bekannten Einsparungs-Details:

  1. So wird die Halbierung des sogenannten Gerichtsjahres die Ausbildung der österreichischen Juristen verschlechtern – und bei den Gerichten wohl zu noch langsameren Prozessen führen.
  2. So wird es eine massive Abwanderung österreichischer Flugreisender nach Zürich, Pressburg, Marburg und in andere Nachbarstädte geben. Was bei der privatisierten AUA weitere Jobs kosten wird. Und eine neue AUA-Krise, falls auch Transitreisende diese Steuer zahlen müssen.
  3. So wird der Asylgerichtshof um ein Viertel verkleinert. Offenbar weiß eine  hellseherische Regierung, dass es nie wieder neue „Flüchtlings“-Wellen geben wird, die dann neuerlich zu jahrelangen Verfahrens-Verzögerungen führen würden. Dabei bringen ohnedies Konjunkturerholung, seltsame Gerichtsurteile und politische Feigheit schon jetzt ein neues Anwachsen der „Asyl“-Zuwanderer.
  4. So wird der für die Schaffung von Eigenkapital wichtige heimische Kapitalmarkt schwer beschädigt.
  5. So werden die Banken veranlasst, nach vorzeitiger Zurückzahlung der Staatshilfe möglichst rasch möglichst viel Geschäft – oder gar die eigenen Unternehmens-Zentralen – in ein billigeres Ausland zu verlagern.
  6. So will sich die Regierung zwar die Familienbeihilfe zwischen dem 25. und dem 27. Geburtstag ersparen: Die Unterhaltspflicht (in den meisten Fällen) der Väter wird aber nicht parallel gekürzt. Was zeigt, dass die Regierung den Spruch: In dieser Zeit kann man ja locker fertigstudieren, selbst nicht ernst nimmt. Denn sie unternimmt ja auch nichts, um die effektive Studiendauer zu verkürzen (weil sich die SPÖ vor den linksradikalen Dummmädchen der Hochschülerschaft und deren Demonstranten fürchtet).

Andere Länder haben sehr wohl regierende Regierungen

Apropos Ausland: Dort finden sich etliche Regierungen, die nicht nur bei den Sparmaßnahmen großen Mut zeigen.

Eine traurige Bilanz

Die Bilanz ist deprimierend:
Wir haben die Regierung, die wir verdient haben.
Wir haben den feigsten Regierungschef Europas, der alles verludert, was Österreich unter Schüssel noch zum international anerkannten Vorbild gemacht hat.
Die ÖVP hat sich alternativlos auf einen solchen Partner eingelassen (Die Hauptschuldigen daran heißen Leitl, zweimal Pröll und einmal Konrad); sie hat zugleich ihre Familien-, Europa- und Wirtschaftskompetenz verspielt, lediglich die Bauernkompetenz bewahrt.
Und weit und breit gibt es kein Substitut.

Was zur philosophischen Erkenntnis führt: Mut kann man halt nicht kaufen, genauso wenig wie politische Intelligenz.

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Fußnote 144: Wo das Sparen leicht wäre

29. Oktober 2010 12:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sparen wäre nicht schwer. Dazu müsste die Regierung nur Rechnungshofberichte lesen. Und dazu hätte sie so wie alle anderen Länder im Frühjahr mit den Detailarbeiten beginnen müssen (ohne Rücksicht auf Herrn Häupl). Und nicht erst huschpfusch Ende Oktober.

Ein kleines, aber signifikantes Beispiel: Im jüngsten Rechnungshofbericht erfährt man, dass Wien 96 „Polizeiinspektionen“ hat (einst Wachzimmer oder Kommissariate). Die Stadt München hat hingegen nur 25; sie hat zwar rund 20 Prozent weniger Einwohner, aber eine doppelt so große Fläche wie Wien. Da von den 96 Wiener Inspektionen mehr als zwei Drittel sanierungsbedürftig sind (auch wegen des großzügigen Behindertengleichstellungsgesetzes), wird der Wiener Spaß in den nächsten Jahren besonders teuer. Noch teurer kommt der in diesen vielen Inspektionen notwendige hohe Anteil an „dienstführenden“ Vorgesetzten. Diese verdienen nicht nur mehr, sondern fehlen auch im Streifendienst: In München sind Polizisten nämlich zu 69 Prozent im Außendienst – also dort, wo die Bürger sie haben wollen – in Wien hingegen nur zu 43 Prozent. Es wäre also mehr Sicherheit und Einsparung möglich – wenn man sich nur über Bezirksvorsteher und Bürgermeister hinwegsetzen könnte, die in ihrem dumpfen Provinzialismus (den es auch in einer Millionenstadt geben kann) jedes Wachzimmer wie einen Goldschatz verteidigen. Auch wenn man dort am helllichten Tag minutenlang läuten kann, ohne dass irgendwer reagiert.

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Der Sieg der Gutmenschen

29. Oktober 2010 11:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der österreichische Verfassungsgerichtshof, zuletzt wieder durch drei stramme Linke auf Linie gebracht, gibt Griechenland einen Intelligenztest auf: Wie schaffe ich es, möglichst viele der unerwünschten illegalen Immigranten aus Asien dauerhaft nach Österreich weiterzureichen?

Die Antwort ist einfach. Sie bräuchte gar nicht die ganz Schlitzohrigkeit der Griechen (mit der diese etwa durch ein paar statistische Fälschungen den Euro an den Rand des Kollapses gebracht haben).

Erstens muss Athen alle unerwünschten Zuwanderer sofort aus den Lagern freilassen (in denen diese festgehalten werden, weil ja in Griechenland offensichtlich eine ganz andere Europäische Menschenrechtskonvention als in Österreich gilt); zweitens muss Athen durch ein bisschen Mundpropaganda dafür sorgen, dass unter den illegalen Einwanderern Österreich als jenes Land bekannt wird, wo ihnen am meisten geholfen wird, sobald sie das Zauberwort „Asyl“ aussprechen; und drittens muss sich Athen taub stellen, wenn Österreich die Einwanderungswilligen dann wieder nach Griechenland zurückschieben will, das eigentlich für deren Asylansuchen zuständig wäre.

Vor allem werden die Griechen gar nicht verstehen – weder wollen noch können –, was der Wiener VfGH mit dem Verlangen einer „fallbezogenen individuellen Zusicherung“ künftiger Betreuung meint, das nach seiner neuen Rechtsansicht von Griechenland offenbar als Dank für die Rückschiebung in jedem einzelnen Fall formell auszustellen wäre. Im Gegenteil: Athen jubelt innerlich und wird einen Teufel unterschreiben. Denn endlich eröffnet  sich für die Griechen ein Weg, die unangenehme Rechtslage zu umgehen, dass Asylverfahren dort abzuwickeln sind, wo die Antragsteller erstmals europäischen Boden betreten haben. Und dass ist zum Leidwesen der Hellenen in vielen Fällen eben Griechenland, nachdem die Italiener durch ein teures Arrangement mit Libyen den Weg Hunderttausender Schwarzafrikaner übers Meer gestoppt haben.

Dass da wieder einmal Richter und nicht etwa die Parlamentarier neues Recht schaffen, wollen wir nur am Rande erwähnen. Obwohl in meinen Ausgaben der Bundesverfassung kein Wort davon steht. aber die ist wohl längst durch das gutmenschenrecht überholt worden.

Freilich muss man zugeben: Unsere Volksvertretung ist immer weniger imstande, die wirklich notwendigen Gesetze zu erlassen. So ist die Koalition daran gescheitert, das seit langem fällige, aber für Linke offenbar unmenschliche Gesetz zu beschließen, dass sich Asylbegehrende wenigstens fünf Tage lang zur Prüfung ihres Antrags in einem Lager aufhalten müssen. Obwohl man das der Bevölkerung noch vor kurzem versprochen hatte. Aber jetzt sind halt die Wiener Wahlen vorbei und die SPÖ kann wieder frisch und munter ihren Kurs fortsetzen, die Türen für Zuwanderer möglichst weit zu öffnen.

Aber zurück zum VfGH-Urteil: Wieder hat es die Zuwanderungsindustrie verstanden, durch Hochspielen eines Einzelfalls, in dem wie immer nur Frauen und Kinder im Blickpunkt stehen, ein riesiges Loch in das österreichische Fremdenrecht zu reißen. Dass die meisten „Asyl“-Zuwanderer eigentlich alleinstehende Männer sind, wird von der geschickten PR-Strategie dabei raffiniert ausgeblendet. Ideologisch geprägte (oder nur blauäugige?) Richter fallen darauf herein. Und die Medien sowieso, von denen es kein einziges meines Überblicks bisher gewagt hat, den VfGH in dieser Frage zu tadeln.

Nun, was soll aber wirklich an einem solchen Einzelfall so problematisch sein? Sind das nicht tatsächlich harte Schicksale?

In der Tat, das sind sie. Jeder, der aus der Armut islamischer und/oder postkommunistischer Länder nach Europa auswandern will, und wieder zurückgeschickt wird, erleidet ein hartes Schicksal. Nur: Wenn Europa, wenn Österreich (und dazu gehören auch die feinen Damen und Herren im Hermelin) nicht die Kraft zu dieser Härte hat, dann ist die Konsequenz unabwendbar. Dann spricht sich das sofort herum, und weitere Millionen Zuwanderer versuchen genau durch diese Lücke zu strömen. Wer daran zweifelt, hat keine Ahnung, wie es in der Welt wirklich zugeht. Dann hat Österreich sein souveränes Recht endgültig aufgegeben zu bestimmen, wer auf seinem Territorium lebt. Durch den Handstreich einiger Richter.

Die Wette ist leicht zu gewinnen: Österreich wird binnen kurzem nicht nur ein paar harmlose Frauen mit Kindern behalten müssen, wie uns Gericht und Medien suggerieren, sondern die angeblich nur ein paar Hundert  betroffenen Fälle werden sich rasch vervielfachen. Wobei die Herkunft der meisten Migranten aus den islamistisch und kriminell verseuchten Regionen Mittelasiens, die Probleme noch viel explosiver machen wird. Denn dort haben die Menschen seit Ewigkeiten nur Gewalt, Diktatoren und eine mittelalterliche Religion kennengelernt.

Das alles dank des Handstreichs einiger Richter. Aber auch dank einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Rechtskultur, die nicht begreift, dass jener Schutz, der bei den Flüchtlingen vor nationalsozialistischem oder kommunistischem Terror mehr als berechtigt war – beziehungsweise gewesen wäre –, und der auch nie missbraucht worden ist, heute unter total geänderten Rahmenbedingungen nicht mehr aufrecht erhaltbar ist, sondern in eine Katastrophe führt.

Wer wirklich ehrlich ist, müsste eine komplette Überarbeitung der Flüchtlingskonvention angehen. Aber vorher müssen die Dinge noch viel schlimmer werden, bevor die Politik den Mut dazu hat.

Auf österreichischer Ebene trägt die Hauptschuld an dieser Entwicklung natürlich die SPÖ, nicht nur, weil sie immer noch die größte, und wie die Budgettage gezeigt haben, mächtigste Partei im Lande ist. Sie hat darüber hinaus sowohl die ohnedies knappen fünf Tage Aufenthaltspflicht im Asyllager verhindert, wie auch den VfGH mit sehr ideologischen Richtern (samt dem neuen Präsidenten) besetzt. Was juristisch Culpa in eligendo heißt.

Und die ÖVP hat wieder einmal nichtsahnend zugeschaut. Die Volkspartei hat leider bis auf die zunehmend isolierte Innenministerin keinen einzigen Juristen mit Format  in Klub oder Regierung, um zu erkennen, welch massive gesellschaftszerstörende Kraft linke Juristen ausüben. Die Justizministerin mit ihrem Gesetzesentwurf einer totalen Einschränkung der Meinungs- und Redefreiheit wollen wir lieber gar nicht erwähnen.

Die ÖVP hat darüber hinaus erst vor wenigen Tagen davor die eigene Innenministerin gezwungen, durch neue Verfahrensschritte die Abschiebung abgewiesener Asylwerber deutlich zu verlängern. Und nun das Budget für das Bundesasylamt deutlich zu kürzen.

Was mit großer Wahrscheinlichkeit wieder für eine zusätzliche Verlängerung der Asylverfahren sorgen wird. Wer etwa wird all die Fälle bearbeiten, die nun der VfGH dem Land eingebrockt hat? Wir werden daher rasch wieder in jene Zeiten zurückfallen, als der ebenfalls stramm links geführte Verwaltungsgerichtshof Asylakten viele Jahre liegengelassen hat. Und der dann noch über seine diesbezügliche Entmachtung zu jammern gewagt hatte. Die zweifellos eine der letzten mutigen Taten der Politik gewesen ist.

 

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Der Abwertungswettlauf

28. Oktober 2010 00:11 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Früher lief in vielen Ländern Europas das Spiel folgendermaßen: Regierungen und Arbeitgeber gaben regelmäßig auch exorbitanten Forderungen der Gewerkschaft nach; der Wert der erkämpften Gehaltserhöhungen und Sozialleistungen wurde aber ebenso regelmäßig durch Abwertungen der Währung entwertet. Dadurch wurden Einkäufe aus dem Ausland teurer, die eigenen Exporte billiger.

Mit dem Euro sind nationale Abwertungen aber unmöglich geworden. Das hat jedoch die Gewerkschaften zwischen Griechenland und Portugal nicht gemäßigt, die weiterhin Forderungen weit über der Inflationsrate durchgesetzt haben. Was sowohl Staatsfinanzen wie auch Wirtschaft  gewaltig ins Schleudern bringt. Die keynesianische Behauptung der Gewerkschafter, überhöhte Lohnforderungen würden die Nachfrage und damit die Wirtschaft ankurbeln, ist längst als Milchmädchenrechnung entlarvt, weil sie den Außenhandel ignoriert: Das überschüssige Geld fließt nämlich gutteils in Importe, kurbelt also primär das Ausland an; und die Exporte schrumpfen, weil die Löhne zu hoch sind.

Daher triumphieren jetzt in Europa vor allem die disziplinierten (und fleißigen) Deutschen. Und ein wenig auch Österreicher, Niederländer und Skandinavier.

Nun wiederholt sich der Abwertungswettlauf auf weltweitem Niveau. Die USA werfen so viele frische Dollar in den Markt, dass der Wert des Dollar rasch sinkt. Gleichzeitig hält aber auch Peking seine schwer unterbewertete Währung niedrig. Sein Kalkül: Dadurch fließt nicht allzu viel Geld in ausländische Luxuswaren; dadurch kann China weiterhin zu günstigen Preisen exportieren. Denn es glaubt, nur so sein exorbitantes Wirtschafts- und Arbeitsplatz-Wachstum halten zu können. Der asiatische Riese fürchtet trotz seiner repressiven Polizei nichts mehr als soziale Unruhen von Arbeitslosen. Das, was etwa in Frankreich Routine ist, könnte in China den Funken an ein gefährliches Benzinfass legen.

Aber auch Europa druckt heftig Euro. Was diesen normalerweise entwerten müsste – täten nicht alle dasselbe. In den Schwellenländern wiederum führt man steuerliche Schranken gegen das Hereinströmen ausländischen Kapitals ein, um die Währung niederzuhalten. Denn der von der Regierung Obama und der Fed rauschartig produzierte Dollarsegen sucht überall verzweifelt neue Anlaufhäfen. Sogar China stapelt heute lieber andere Währungen in den Tresor als noch mehr Dollar. Ein Teil des Dollar(un)segens hat zwar die Aktienkurse getrieben, ein Teil geht schon wieder in den Konsum, aber gerade ins erhoffte Wirtschaftswachstum Amerikas fließt relativ wenig. Und in Immobilien wie beim letzten Boom investiert schon gar niemand. Verständlicherweise.

Wir haben also ein doppeltes Problem: Einerseits führt die Dollarproduktion zu neuen (gutteils noch unbekannten) Blasen. Andererseits schadet der Abwertungswettlauf allen: Denn er ist ein klassischer Handelskrieg.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“, die hier wiedergegeben wird.

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Freiheit, Liberal, Liberalismus

27. Oktober 2010 01:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Liberales Denken ist unter den Österreichern weiter verbreitet, als Intellektuelle und vor allem Politiker annehmen. Das gilt zumindest, wenn man darunter nicht etwas Dogmatisches versteht, was aber eigentlich automatisch schon Illiberalität bedeutet.

Dazu einige zentrale Thesen:

1.    Als Beweis sei eine von Erich Reiter in Auftrag gegebene IMAS-Studie zitiert. Den Befragten wurde folgende Frage bestellt: „Zu welchen Gruppen würden Sie sich selbst zählen?“ Dabei wurden mehr als zwei Dutzend ideologische Gruppen vorgegeben. „Leute mit starker Linksorientierung“ landeten am letzten Platz, knapp davor kamen „Linksliberale“ auf vier Prozent, „Rechtsliberale“ auf fünf Prozent. Es scheint also recht mager bestellt zu sein um den Liberalismus, fast genauso schlecht wie um die Linken.
Jedoch: Schaut man aufs andere Ende der Skala, zum absoluten Spitzenwert jenseits des Mittelfelds von (jeweils selbstdeklarierten) Konservativen, Bürgerlichen, Angehörigen der Arbeiterklasse, Heimatverbundenen oder Ordnungsliebenden, kommen an zweiter Stelle mit 47 Prozent die „Weltoffenen“ und an der Spitze mit 63 Prozent die „Menschen, denen Freiheit und Unabhängigkeit viel bedeuten.“
Und das sind nun wirklich urliberale Positionen. Ein klareres Bekenntnis zu liberalem Denken kann es eigentlich nicht geben. Aber zugleich auch keine klarere Absage an Liberalismus.

2.    Liberalem Denken, liberalen Einstellungen muss a priori jeder -ismus, daher auch ein „Liberalismus“ wesenfremd sein. Politiker, die wie weiland eine Heide Schmidt aus einem Obersatz, aus einem Grundaxiom heraus die Antworten auf alle wichtigen politischen Fragen herunterzudeklinieren versuchen, sind Dogmatiker und nicht liberal.

3.    In Österreich wurde aber in der Politik der Liberalismus immer genauso verstanden und praktiziert. Im Grund haben seit Josef II. viele Möchtegern-Liberale in Wahrheit einen wohlfahrtsstaatlichen Sozialdemokratismus vertreten. Der aber die Freiheit, Unabhängigkeit und Weltoffenheit der Menschen stets eingeschränkt hat.

4.    Da liberales Denken nicht dogmatisch sein kann, kann auch kein liberaler Autor wie etwa ein Friedrich August Hayek eine Bibel sein, in der man nur nachzuschlagen braucht, um die Antworten auf alle heutigen Fragen zu finden. Auch wenn er in meinen Augen ziemlich der klügste Denker des 20. Jahrhunderts gewesen ist. (Freilich ist die Gefahr ohnedies nicht sehr groß, dass ein Angehöriger der österreichischen politischen oder journalistischen Szene bei Hayek nachzuschlagen beginnt.)

5.    In einer klugen liberalen Politik sollte es vielmehr immer nur um die recht pragmatische Suche nach den bestmöglichen Antworten gehen, wobei folgende Aspekte besonders wichtig sind:

6.    In diesem Sinn kann man als Liberaler durchaus argumentieren, dass die allgemeine Abgabe von Fingerabdrücken zur Abwehr einiger Krimineller und Terroristen gerechtfertigt ist. Nicht mehr akzeptabel ist es hingegen, wenn Meinungsdelikte wie das Verächtlichmachen anderer Weltanschauungen mit zwei Jahren Haft bestraft werden soll, wie es die österreichische Regierung und die europäischen Justizminister planen. Hier haben die abzuwehrende Gefahr und das eingesetzte Instrumentarium völlig die Proportionen verloren.
Dieses Vorhaben ist ein echter Lackmustest dafür gewesen, wer in diesem Land halbwegs liberal denkt und wer nicht. In der sogenannten politischen Elite waren das erschreckend wenige. Alle jene, die sich zwar furchtbar über Fingerabdruckdaten erregen – obwohl diese niemandem einen echten Nachteil zufügen –, jedoch keinen Ton gegen die Haftandrohung für Meinungsdelikte von sich geben, sind Linke, die sich als liberal bezeichnen, weil das heute halt viel besser klingt. Oder gar getarnte Helfershelfer von Terroristen. Oder zumindest dumme Trittbrettfahrer des Zeitgeistes.

7.    In einer politologischen Analyse lässt sich zeigen, dass es in jeder Partei dieses Landes gewisse liberale Elemente gibt. Politikgestaltend und prägend waren diese aber in den letzten hundert Jahren fast nie, mit Ausnahmen der Perioden Raab-Kamitz und Schüssel-Grasser-Riess-Bartenstein in wirtschaftspolitischer Hinsicht. Was unabhängig davon stimmt, ob Grasser sich nun in irgendeinem Zusammenhang vielleicht doch strafrechtlich schuldig gemacht hat oder nicht. Die ersten Kreisky-Jahre waren zumindest in einigen gesellschaftspolitischen Fragen liberal. Was festzuhalten ist, selbst wenn man in Sachen Abtreibung eher den kritischen Standpunkt der Konservativen und Christen teilen sollte.

8.    Auch in Deutschland war es seit den Neoliberalen um Ludwig Erhard und den Sozialliberalen um Schiller-Schmidt sehr ähnlich. Dort wurden in den letzten Jahren alle großen liberalen Persönlichkeiten an den Rand gespült, obwohl ihnen Umfragen plötzlich ein Wählerpotential von rund 20 Prozent für eine ordnungsliberal-konservative Politik einräumen. Und obwohl es dort eine Reihe spannender Exponenten gibt: Kirchhoff, Merz, Clement oder Gauck.

9.    FDP wie BZÖ haben hingegen dieses Potenzial in hohem Ausmaß verspielt. Sie missverstehen liberales Denken als Interessenvertretung. Für Hoteliers, für die Produzenten von Solaranlagen und andere Gruppen.

10.Die genannten Namen aus der historischen und gegenwärtigen Politik in Deutschland und Österreich zeigen natürlich auch die große Spannweite liberalen Denkens.

11.Fast einziges Modell eines verwirklichten liberalen Staats- und Wirtschaftsdenkens ist die Schweiz, die neben Wirtschaftsliberalismus auch eine Verknüpfung von Weltoffenheit mit der überzeugten Bewahrung nationaler und regionaler Identität verkörpert.

12.Für Österreich ist aktuell keine große Renaissance liberalen Denkens zu erwarten. Dazu ist schon das Wort Liberalismus durch die unheilvolle Tätigkeit von Heide Schmidt viel zu verbrannt und beschädigt. Dazu ist in den Parteien der Staatsinterventionismus viel zu sehr verankert.

13.Dazu gibt es auch viel zu wenige Medien mit liberaler Orientierung. Man denke beispielsweise an die Berichte mehrerer Zeitungen in den letzten Wochen, in denen ausgerechnet jene Minister als fleißig bezeichnet wurden, welche die meisten Gesetzesentwürfe eingebracht haben. Man denke nur an die eigentlich unglaubliche Tatsache, dass sich die österreichischen Regierungsparteien noch vor der ernsthaften Diskussion einer einzigen Sparmaßnahme in einem einzigen Punkt einig waren: Dass 40 Prozent der Budgetlücke über Steuererhöhungen und nicht über Einsparungen geschlossen werden sollen. Man denke nur daran, welch massive Unterstützung jede Lobby in der veröffentlichten Meinung erhält, die um neue Staatsausgaben für ein angeblich wichtiges soziales oder ökologisches Anliegen kämpft.

14.Ähnliches spielt sich auch weltweit ab: Man denke, wie leicht sich die Propaganda der Staaten und Parteien weltweit ausbreiten konnte, dass die Wirtschaftskrise der letzten beiden Jahre Schuld der Marktwirtschaft wäre. Obwohl eindeutig die wichtigsten Ursachen der Krise die Staatsverschuldung, die Politik des billigen Geldes, die von Politikern beschlossenen Rettungsaktionen für bankrotte Unternehmen auf Steuerzahlerkosten, und die skurrilen amerikanischen Gesetze waren, dass jeder Amerikaner ein Eigenheim haben müsse. Das waren alles staatliche Entscheidungen und Fehler. Ohne all diese staatlichen Fehler gäbe es natürlich weiterhin Konjunkturwellen und schlimme Bankrotte. Aber keinesfalls die verheerende Krise der letzten Jahre, die ja nur für sehr naive Analysten vorüber ist, deren zweiter Teil mit großer Wahrscheinlichkeit noch aussteht.

15.Die Bürger haben hingegen weltweit in hohem Ausmaß erkannt, dass jetzt nur noch liberale Rezepte helfen. Das scheinen zumindest die Wahlresultate von den Niederlanden bis zu den Tschechen und Slowaken zu zeigen. Aber da liberales Denken eben ein Widerspruch zur Bildung straff organisierter Parteien und zu jedem -ismus sind, werden sich letztlich wohl die staatsinterventionistischen Parteien und Bürokratien noch einmal durchsetzen.

16.Für die nächsten Jahrzehnte hat liberales Denken nur in Verbindung mit den Konservativen eine realistische Perspektive. Erstens weil es ohne Verbündete nicht geht. Zweitens weil die großen Bedrohungen der Freiheit seit einigen Jahrzehnten von links kommen: durch die illiberalen und teuren Illusionen des linken Wohlfahrtsstaats und Keynesianismus und nun durch die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Zuge der Political correctness. Daher muss sich liberales Denken heute nach rechts verschieben. So wie es im 19. Jahrhundert angesichts von Feudalismus und überbordendem Einfluss der Kirche links gestanden ist und stehen musste.

(Dieser Text ist eine komplette Überarbeitung eines Referats vor dem Internationalen Institut für Liberale Politik).

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Zeit für eine Party

25. Oktober 2010 00:12 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die freiheitsliebenden Amerikaner haben den britischen Kolonialherren 1773 den Kampf angesagt. Sie haben sie insbesondere dadurch getan, dass sie den Briten gehörende Ladungen Tee ins Meer geschmissen haben. In Österreich ist es mittlerweile höchste Zeit für eine Koralm-Hackler-Party geworden, um nur zwei Dinge zu nennen, die dringend entsorgt gehören, die diese Regierung aber nicht zu entsorgen imstande ist.

Denn während das angebliche „Spar“-Paket dieser Koalition den schwachsinnigen Koralm-Tunnel mit einer Garantie versehen haben, während die mindestens ebenso schwachsinnige Hacklerpension gerettet worden ist, während die Bauern offenbar unantastbar sind, während die Gewerkschaft sogar eine Erhöhung des umweltschädlichen Pendlerpauschales durchdrucken konnten, werden rundum Steuern erhöht. Und es wird insbesondere den Familien und Sparern Geld weggenommen.

Obwohl Kinder erziehungswilliger Eltern (also nicht jene bloß abkassierwilliger Zuwanderer aus Ostanatolien)  die wichtigste Investition in die Zukunft sind – viel wichtiger als etwa die ständig verlangten Milliarden für die Forschungs- und Universitäts-Lobby. Damit ist natürlich nicht die Beendigung der Familienbeihilfe für Über-24-Jährige gemeint (das ärgert nur die Vertretung der nichtstudierenden Studenten namens ÖH), sondern die Kürzung der Unterstützung auch für alle anderen Kinder. Aber auch für die Vertreibung von Sparern und Banken aus Österreich tut diese Regierung viel.

 Dieses Land gibt seine Zukunft auf, wenn es stillschweigend das hinnimmt, was die Koalition da zusammengeschludert hat. Es ist weniger interessant, ob da die ÖVP oder die SPÖ mehr nachgegeben hat – auch wenn klar ist, dass rein parteitaktisch die ÖVP die Verliererin ist, und dass Pensionisten, die Eisenbahner, die Über-50-Jährigen und die Gewerkschaft die Sieger sind, und damit die SPÖ als deren Lobby. Viel wichtiger ist, was gut für Österreich wäre. Und da war nicht viel Gutes dabei.

In Amerika hat in den letzten zwei Jahren eine mächtige Basisbewegung vor allem junger Menschen, die sich in Anklang an das Jahr 1773 „Tea Party“ nennen, einen machtvollen Protest gegen die Schuldenpolitik und einen begeisterten Kampf für „Small government“ unternommen. Sie haben zuerst die schwach und knieweich gewordene republikanische Partei von außen völlig umgekrempelt. Und sie dürften nun in den nächsten Tagen auch die wichtigen Midterm-Wahlen gewinnen und damit auch den Kongress erobern. Die Amerikaner wollen nicht ständig noch mehr Steuern, noch mehr Staat, noch mehr Schulden.

Und dabei ist die teure amerikanische Gesundheitsreform, die ein zentraler Anlass der Proteste ist, noch der Inbegriff an Sinnhaftigkeit im Vergleich zu den Milliarden, die Österreich für ÖBB, Tunnels, das teuerste Pensionssystem der Welt, den unsinnigsten Föderalismus Europas, und eines der freigiebigsten Wohlfahrtssysteme verschwendet.

Da ist es – gerade zum Nationalfeiertag – Zeit, all jenen Mut zu machen, die zu so etwas wie einer Koralm-Hackler-Party rufen. Als Zeichen des Protestes gegen die Misswirtschaft dieser Regierung.

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WWW: Wir wursteln weiter

23. Oktober 2010 18:57 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Und deswegen musste die Verfassung gebrochen werden, deswegen hat die Koalition zehn Monate gebrütet! Was das sogenannte Sanierungspaket der Regierung wert ist, ist am besten der Reaktion des ÖGB zu entnehmen: Er ist „nicht unzufrieden“. Damit sind die österreichischen Gewerkschaften die einzigen Europas, die mit einem in allen anderen Ländern längst schon beschlossenen Sparpaket glücklich sein können.

Denn in der Tat: Die Regierung hat länger gekreißt, als das sonst unter Menschen üblich ist, aber keine einzige echte strukturelle Reform zur Redimensionierung des explodierenden Wohlfahrtsstaat, zur Zurückstutzung der föderalistischen Geldverschwendungen zusammengebracht, sondern nur ein bunt zusammengewürfeltes Abkassierpaket.

Über dieses könnte man ja im Detail reden, wenn es irgendeinen Grund gegeben hätte, dass Bund, Länder und Gemeinden statt wirklich zu sparen ihre Einnahmen noch einmal erhöhen. Aber Österreich ist das Land mit der vierthöchsten Abgabenquote. Da muss man die Zukunft des Landes schon sehr hassen, wenn man so unbesorgt wie diese Regierung einen dicken Strauß neuer Belastungen verschnürt. Denn zumindest ein Teil davon wird dem Standort Österreich eindeutig schaden.

Aber selbst darüber hätte man reden können, wenn bei den Ausgaben auch nur eine einzige Sinnlosigkeit gestrichen worden wäre.

Die Regierung hat sogar dem aberwitzigen Koralm-Tunnel eine Finanzierungsgarantie gegeben. Sie hat auch die sogenannte Hacklerregelung bis auf kleine kosmetische Veränderungen völlig unberührt gelassen, ebenso die Invaliditätspension. Sie hat sich auch nicht an die Studiengebühren gewagt – und gibt dafür den Unis ungefähr die Hälfte dessen dazu, was die Gebühren bringen würden. Und sie ist schon vor dem Wochenende in Sachen Verwaltungsreform und Ausgabendisziplin der Länder an der geldverschwendenden Betonfront Michael Häupl/Erwin Pröll gescheitert.

Also hat sich wirklich all das Gerede, dass wir jetzt mehr als zwei Jahren keine Wahlen haben, und dass wir in dieser Frist unter dem Druck der Krisenbewältigung jetzt wirklich spürbare Struktur- und Verwaltungsreformen sehen würden, als Schall und Rauch entpuppt. Wie befürchtet. Aber recht gehabt zu haben, ist da wirklich kein Trost.

Angesichts all dessen kann der Gewerkschaftsbund, der ja noch nie zukunftsorientiert gedacht hat, tatsächlich durchaus zufrieden sein. Warum allerdings die ÖVP in dieser Regierung sitzt, kann niemand mehr beantworten.

Hinter dieser akkumulierten Katastrophe kann man natürlich auch zu der Ansicht kommen, dass winzige Details positiv sind: etwa die Kürzung der Auszahlung der Familienbeihilfe vom 27. auf das 24. Lebensjahr, die Langzeitstudenten treffen wird. Was also im Grund ein Versuch ist, die fehlenden Studiengebühren teilweise wieder zu kompensieren. Man kann es auch positiv finden, dass die Studieneingangsphase von zwei auf ein Semester verkürzt worden ist. Was aber allen jenen, die sie nicht überstehen, und auch der Volkswirtschaft noch immer wertvolle Lebenszeit stiehlt – nur weil man sich nicht auf eintägige Aufnahmetests oder eine Aufwertung der in den letzten Jahren zum Billigtarif verschleuderten Maturazeugnisse einigen konnte, was letztlich genauso gerecht oder ungerecht wäre wie jede Eingangsphasen-Prüfung, was dafür aber rasch klare Verhältnisse schafft.

Positiv klingt auch, dass es Geld für mehr Ganztagsschulen geben soll – nur wird das angesichts der Methoden dieser Unterrichtsministerin mit Sicherheit gutteils so umgelenkt werden, dass es primär den von ihr geliebten Gesamtschulen zugutekommen wird, die ja unbedingt als Erfolg dargestellt werden sollen.

Positiv könnte man auch noch einstufen, dass der Brennertunnel offenbar noch keine Baugarantie bekommen hat – freilich ist der noch um ein paar Prozentpunkte weniger sinnlos ist als das Koralm-Loch (aber es sitzen ja in dieser Regierung keine Minister aus Tirol).  Man kann sich auch freuen, dass die arbeitsplatzvernichtende Gruppenbesteuerung und die Vermögenssteuer nicht wieder eingeführt worden sind. Aber wenn das alles schon Grund zur Freude sein soll, dann freuen wir uns halt auch, dass Folter, Pranger und Todesstrafe noch nicht wieder eingeführt werden.

Bei fast allen anderen Details – und dabei können wir ja ohnedies nur von dem reden, was jetzt schon bekanntgegeben worden ist – überwiegen aber die Negativa. So werden sowohl Benzin-, wie auch Tabak-, wie auch Flugticket-Steuern (die man umwelt- und gesundheitspolitisch alle an sich durchaus begrüßen kann) zu einer massiven Abwanderung von Umsätzen ins Ausland führen. Die Aktiengewinnsteuer wird natürlich langfristig dem Börseplatz Wien schaden. Noch mehr wird der Bankenplatz Wien leiden, der mit seinen internationalen Geschäften Zehntausende Arbeitsplätze bindet (man denke nur an die bekannten Überlegungen der Bank-Austria-Mutter, das Ostgeschäft von Wien nach Mailand zu verlagern).

Statt dessen hat man aus populistischer Angst auf die einzige wirtschaftlich halbwegs sinnvolle Möglichkeit verzichtet, wo man noch Steuern erhöhen hätte können, nämlich auf eine Erhöhung der Einheitswerte. Aber weder Bauern noch Häuslbauer wagt man zu treffen, obwohl vor allem die Verhüttelung der österreichischen Täler längst ein Riesenproblem geworden ist.

Aber noch einmal: Entscheidend ist, dass auf der Ausgabenseite fast nichts Relevantes geschieht. So kann die Frauenministerin sogar jubeln, dass die teuren Exzesse an diversen (fast immer parteipolitisch kontrollierten) Frauenprojekten weitergehen, von denen 95 Prozent der Frauen natürlich nichts haben, sondern nur die Projekt-Mitarbeiterinnen. Ebenso können wieder einmal auch die Bauern zufrieden sein. Und auch die Pensionisten und Beamten werden im Gegensatz fast zum ganzen Rest Europas noch mehr vom nicht vorhandenen Steuergeld bekommen.

Das Urteil ist klar: Wir wursteln weiter. Und wir werden es noch viel schwerer haben, wenn uns dann in wenigen Jahren nichts anderes mehr als wirklich schmerzhafte Maßnahmen möglich sind, wie sie jetzt etwa die Griechen so erschüttern.

Dieses Land muss aber offenbar erst in die Katastrophe schlittern, bevor die Vernunft wieder eine Chance bekommt.

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Schulden machen ist nicht schwer

21. Oktober 2010 00:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jetzt also wird es ernst. Die Regierung spart. Man weiß zwar noch immer nicht genau wie. Aber schon wird allerorten heftig protestiert: „Überall kann gespart werden, aber doch nicht in unserem Bereich.“ Und manche, wie etwa die Universitäten, wollen sogar viel mehr Geld, obwohl sie große Summen für unglaubliche Sinnlosigkeiten ausgeben. Freiwillig wie gezwungenermaßen.

In Wahrheit begreift noch immer niemand den Ernst der Situation.

Jene, die lieber Steuern erhöhen, als zu sparen, übersehen, dass Österreich heute in Europa mit über 43 Prozent (Anteil am Bruttoinlandseinkommen) schon die vierthöchste Abgabenquote hat, was aus jeder Steuererhöhung eine Selbstbeschädigung macht. Sie übersehen überdies, dass zwei jener drei Länder, die eine noch höhere Abgabenquote haben, diese gerade drastisch zurückführen. Schweden senkt sie von 2009 auf 2010 um 1,7 Prozentpunkte, und Dänemark gar um 2,3. Österreich hingegen nur um 0,6 Punkte. Die Dänen haben sogar die Spitzeneinkommensteuer reduziert. Lediglich in Belgien ist die Entwicklung noch übler – aber Belgien hat seit Juni keine Regierung und ist durch den Sprachenstreit tief gespalten, ja handlungsunfähig.

Die Anhänger von Steuererhöhungen ignorieren auch, dass die Steuerlast einer der wichtigsten Faktoren im Wettbewerb um Investitionen ist, die ja als einzige Arbeitsplätze sowie Gewinne und damit künftige Steuereinnahmen schaffen.

Vor allem aber ist sich kaum jemand bewusst, wie rapide die Staatsverschuldung gewachsen ist: Zwischen 2007 und 2010 ist sie von 59 auf 70 Prozent des Bruttoinlandseinkommens gestiegen. Und sie wird im kommenden Jahr noch weiter kräftig steigen, selbst wenn die bisher nur aus vagen Ankündigungen bestehende Defizitreduktions-Strategie greifen sollte.

Österreich ist aber verpflichtet, seine Staatsschuld auf 60 Prozent zurückzufahren: Die widrigenfalls drohenden Strafzahlungen mögen vielleicht  nur Theorie sein, aber die Strafe durch die Märkte wird sehr real und brutal werden: Wenn die Staatsschuld weiter steigt, wird Österreich in absehbarer Zeit genauso mit würgenden Zinsaufschlägen konfrontiert sein wie derzeit Griechenland. Wir würden es uns ja auch im Privatleben teuer bezahlen lassen, wenn wir einem notorischen Schuldenmacher weiteres Geld borgen.

Wie schmerzhaft der Schuldenabbau sein wird, zeigt eine kaum bekannte Studie des IHS. Angenommen das nominelle Wachstum beträgt im Schnitt 2 Prozent und der Staat macht ab sofort kein Defizit mehr, dann würde die Schuldenquote dennoch erst 2026 den vorgeschriebenen Wert erreichen. Macht der Staat – was im Vergleich zur Vergangenheit noch immer eine Leistung wäre – ein Defizit von 1 Prozent, dann würde es gar erst 2064 so weit sein! Ist das Defizit noch größer, dann erreichen wir das Ziel überhaupt nie.

 Dann gäbe es nur noch Pest oder Cholera: also Griechenland oder Entschuldung via Mega-Inflation.

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Die letzten Chancen sind verspielt

20. Oktober 2010 02:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein guter Rat für die Leser dieses Blogs: Tun Sie das, was seit einigen Monaten immer mehr Menschen tun. Bringen Sie Ihr Geld in Sicherheit. Die letzten Tage haben nämlich deutlich gezeigt, dass alle Versprechungen der Politik, jetzt endlich wieder an die Stabilität von Geld und Staatshaushalten zu denken, Schall und Rauch sind.

Und zwar hat sich das in einem signifikanten Zusammenfall binnen weniger Stunden sowohl auf österreichischer wie auch europäischer Ebene abgespielt: In Europa sind die Vorschläge der Kommission abgeschmettert worden, dass Defizit- und Schuldensünder künftig automatisch bestraft würden. Statt dessen wird es für solche Strafen auch in Zukunft eine Zweidrittelmehrheit geben müssen. Es wird also de facto wohl weiterhin nie Strafen oder Konsequenzen für undisziplinierte Länder geben. Hat sich doch nicht einmal für die betrügerischen Griechen eine strafende Mehrheit gefunden.

Also werden die vor allem am Mittelmeer und auf Inseln angesiedelten Defizitsünder weiterhin recht ungestraft (miss)wirtschaften können. Die Deutschen haben ja im Mai den unverzeihlichen Fehler gemacht, den Griechen mit verantwortungslosen Maßnahmen zu helfen, ohne dass Zug um Zug die verlangten konsequenten Strafen wenigstens für die Zukunft beschlossen worden wären. Damals hat man die Gefahr einer sofortigen Panik gefürchtet, der man damals mit langfristig jedoch für die Währung noch viel verderblicheren Folgen entgegengetreten  ist. 

Und jetzt ist Berlin wieder einmal vor Paris in die Knie gegangen. Wahrscheinlich muss es ja noch immer für die Untaten der Nazis büßen.

Praktisch gleichzeitig sind hierzulande Bundes- und Vizekanzler vor den Bundesländern in die Knie gegangen: Denn auch künftig wird es keinen echten Zwang für die österreichischen Bundesländer geben, sich an Verschuldens- oder Defizitgrenzen zu halten. Wenn Erwin Pröll und Michael Häupl (samt sieben anderen) etwas nicht wollen, haben weder die Vernunft noch Werner Faymann oder Josef Pröll eine Chance. Wobei man bei Faymann ohnedies nie wusste, ob er auch nur irgendein politisches Ziel hat, außer in der „Krone“ gut vorzukommen.

Beschämend ist nur, dass die Bundesregierung gleich bei der ersten Sitzung nachgegeben hat, während der viel unwichtigeren Frage, wer nun die Lehrer anstellt, noch weitere Termine gewidmet werden.

Daher werden die Bundesländer weiterhin das Geld mit vollen Händen beim Fenster hinauswerfen dürfen. Für Brot und ständige Spiele, zur Bestechung von Zeitungen und für überflüssige Kreisverkehre, für zu hohe Landesbeamtengehälter und für Subventionen an eine unüberschaubare Menge von Vereinen, die vor allem den Interessen der Parteien nahestehenden Vereinsfunktionäre dienen.

Realpolitisch war zwar von Anfang an klar, wie dieses beiden Kämpfe ausgehen. Der Glaubwürdigkeit des Euro und der EU-Staaten als Schuldner wird das aber alles andere als guttun. Daher wird sich ein Trend der letzten Krisenmonate wohl umgehend weiter verstärken: Gut geführte Industriekonzerne können sich auf den Finanzmärkten billiger finanzieren als die Staaten. Mit anderen Worten: Selbst die deutschen Steuerzahler müssen schon heute den Gläubigern höhere Zinsen für die Anleihen zahlen als solche Unternehmen. Und alle anderen Europäer noch viel mehr.  Weil man der Wirtschaft halt viel mehr vertraut, seit die Politik mit der Währung so leichtfertig umgeht. Freilich wird auch die europäische Wirtschaft einen Kollaps der Staaten nicht überstehen.

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Die Ministerin von der traurigen Gestalt

19. Oktober 2010 13:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Wann ist es eigentlich so weit, dass Ministerinnen zurücktreten müssen? Claudia Bandion-Ortner wäre mehr als reif dafür. Die Tatsache, dass nun sogar die Generalprokuratur – also die Parallelinstitution zur Staatsanwaltschaft auf Ebene des Oberstgerichts – die Neuaustragung fast des gesamten Elsner-Prozesses fordert, ist da nur das letzte Nichtgenügend im Zeugnis für die Justizministerin.

Immerhin haben ja die mehr agrarisch als juristisch gebildeten ÖVP-Granden Frau Bandion-Ortner gerade wegen jenes publicityträchtigen Monsterprozesses zur Ministerin gemacht (dass es ihre Seitenblicke-Auftritte und ihre Brillensammlung waren, wollen wir ja doch nicht annehmen). Und nun wird gerade ihr Urteil in diesem Prozess in der Luft zerrissen. Auch wenn man korrekterweise sagen muss, dass der OGH selbst noch nicht geurteilt, aber immerhin schon eine exzeptionelle lange Verhandlung anberaumt hat. Also stehen Bandion noch ein paar Wochen Überlebensfrist zu, bis das vorliegt.

Es ist jedenfalls ungeheuerlich, was alles in diesem Prozess schiefgelaufen ist, wofür Bandion-Ortner als öffentlichkeitsorientierte Richterin, aber auch die Staatsanwaltschaft die Verantwortung tragen. Was auch mehr oder weniger alle Juristen rund um das Wiener Landesgericht – und selbst dessen inzwischen leider verstorbene Präsidentin – kritisiert haben.

Die Liste der Bawag-Justizskandale:

1.     Die Tatsache, dass die Richterin Wolfgang Flöttl die Behauptung abgenommen hat, er wüsste wegen eines Computerabsturzes leider nicht, was mit Hunderten namens der Bawag angelegten Millionen geschehen sei, ist geradezu kabarettreif. Allerdings hat in diesem Punkt auch die Generalprokuratur das Urteil der ersten Instanz unterstützt. Extrem seltsam.

2.     Bandion-Ortner ist auch nie der Tatsache nachgegangen, dass die Hinweise auf illegale Parteifinanzierung buchstäblich handgreiflich waren (nämlich im Keller von Flöttl).

3.     Für kaum jemanden nachvollziehbar war die überlange Untersuchungshaft für Elsner, selbst wenn eine strenge Strafe für Elsner auch nach allen Rechtszügen zu erwarten ist.

4.     Völlig unverständlich ist, dass die Staatsanwaltschaft nicht den ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch auf die Anklagebank gesetzt hat, der über den Aufsichtsrat hinweg zusammen mit Elsner die wichtigsten Bawag-Entscheidungen getragen hat.

5.     Umgekehrt ist die Bestrafung von relativ machtlosen Personen aus dem Bawag-Bereich ebenso merkwürdig.

Kann man nach einem solchen juristischen Mega-Pfusch noch Justizministerin bleiben? Wenn sich die ÖVP wirklich dazu entschließen sollte, dann ist das nicht nur ein weiteres Signal der Führungsschwäche und des Verlustes der einst bei den Schwarzen vorhandenen juristischen Kompetenz (von Graff bis Schüssel). Dann wird man auch ein weiteres Indiz haben, dass hinter dem Verlauf des Bawag-Prozesses und der Bestellung der Ministerin offenbar wirklich eine üble Mauschelei steckt. Deren Inhalt: Die einflussreiche (und bankenschwere) Großkoalitions-Lobby in der ÖVP habe diesem in Wien kursierenden Vorwurf zufolge geglaubt, sich die SPÖ verpflichten zu können, indem die ganze Schuld an der Bawag auf den Ungustl Elsner geschoben wird und sonst keine blöden Fragen gestellt werden. Die SPÖ hat ja bis heute nicht klargelegt, wie sie binnen kurzem den riesigen Schuldenberg abgebaut hat, den Viktor Klima zurückgelassen hat. Aber dass Dankbarkeit keine politische Kategorie ist – und bei der SPÖ schon gar nicht – wird in der ÖVP erst langsam begriffen.

Was spricht sonst noch gegen Bandion? Zur Erinnerung:

-         Sie ging nicht effizient gegen die extrem bedenkliche Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft in Sachen Zweittäter im Falle Kampusch vor.

-         Sie brachte einen skandalösen Gesetzesentwurf („Antiterrorismus-Gesetz“) ein, der im Gegensatz zur Überschrift eine gravierende Einschränkung der Meinungsfreiheit für Gegner terroristischer Gruppen gebracht hätte.

-         Sie fährt in Sachen Neugestaltung der Korruptions-Staatsanwaltschaft einen wirren Zickzack-Kurs.

-         Sie hat außer Kinderpornographie noch keine einzige justizpolitische Vision erkennen lassen.

-         Sie hat es zumindest indirekt zu verantworten, wenn in Gerichten und Staatsanwaltschaft die aus blanker Ahnungslosigkeit begangenen Fehler zunehmen (Einvernahme von Journalisten auf deutschen Wunsch, obwohl der Vorwurf in Österreich gar nicht strafbar ist; vom Staatsanwalt vergessene Anzeigen gegen einen Minister; mehrere Urteile stehen vor der Aufhebung, weil Verwandte sowohl auf Seite  der Staatsanwaltschaft wie auch auf der Richterbank aktiv sind, usw.).

-         Sie schafft es nicht, den ständigen Bruch von Amtsgeheimnissen aus dem Bereich der Staatsanwaltschaft zu unterbinden.

-         Sie greift im Familienrecht zwar zu Recht die Frage der gemeinsamen Obsorge auf, übersieht aber die viel wichtigere Frage der beharrlichen Verweigerung eines Besuchsrechts.

Das alles ist in der Summe für die SPÖ (wegen der Bawag) genauso peinlich wie für die ÖVP, die Bandion-Ortner nominiert hat. Freilich sollte auch die FPÖ ein schlechtes Justiz-Gewissen haben: Den ihr einstiger Justizminister Böhmdorfer ist für die neue Strafprozessordnung verantwortlich, welche die schwer überforderte Staatsanwaltschaft so übermächtig gemacht hat. 

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Josef Prölls trauriges Erwachen

19. Oktober 2010 03:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Josef Pröll war 2008 fast der einzige, der geglaubt hat, mit einem Werner Faymann könne man einen Staat machen. Alles deutet mittlerweile darauf hin, dass er – und Österreich – in den nächsten Wochen  ziemlich ausweglos vor den Trümmern dieser Illusion stehen wird. Und zwar wegen des Scheiterns eines echten Sparbudgets.

Das Zustandebringen eines solchen Budgets wird derzeit von Tag zu Tag unwahrscheinlicher, obwohl Pröll naiver Weise geglaubt hatte, wenn er bis nach die Wiener Wahlen wartet, dass dann die SPÖ die Notwendigkeiten einsehen wird. Damit hat er sich lediglich selbst den Vorwurf eines Verfassungsbruchs eingehandelt.

Denn die letzten Stunden machen zunehmend deutlich, dass mit einem Faymann eine Sanierung des schwer verschuldeten Staatsschiffs prinzipiell unmöglich ist. Er versteht wie einst schon im Wiener Rathaus unter Politik nur populistische Demagogie auf Vorstadtniveau, auch wenn er manchmal charmant aufzutreten versucht. Auf diesen Schmäh ist der treuherzig-biedere Bauernsohn Pröll voll hereingefallen.

Die Faymann- Aussagen der letzten Stunden machen es jedenfalls deutlich, dass der sogenannte Bundeskanzler nicht nur in Wahlkämpfen völlig verantwortungslos ist. Wagt er es doch in dieser Situation Österreichs in aller Öffentlichkeit zu sagen: Bei den Jungen dürfe genauso wenig gespart werden wie bei den Alten.

Das heißt letztlich: Nirgendwo darf gespart werden. Denn selbst wenn man zwischen der Jugend und dem Alter noch von einer (ohnedies immer kürzer werdenden) Phase eines mittelalterlichen Erwerbslebens ausgeht, darf ja laut SPÖ dort erst recht nicht gespart werden: Schickt die Arbeiterkammer doch gerade allen Haushalten – natürlich auf deren Kosten – eine Broschüre in die Briefkästen, mit der knalligen Überschrift „Wir (gemeint sind die Arbeitnehmer) haben schon gezahlt“.

Was ja eine glatte Lüge ist: Die Einkommen und Konsumausgaben der Arbeitnehmer sind in der Krise als einzige nicht gesunken; die Einkommen jener Menschen, die im Lebensabend von ihrem Ersparten leben wollten, hingegen sehr. Dasselbe geschah mit den großen wie kleinen Unternehmereinkommen. Und die Schulden, die es jetzt mit absoluter Dringlichkeit abzubauen gilt, wurden nicht zuletzt zur Sicherung der Arbeitsplätze gemacht. Daher hat Österreich heute auch die niedrigste Arbeitslosenquote – aber als fast einziges Land noch keine einzige Sparmaßnahme unter Dach und Fach.

Daher kann auch gar kein Zweifel bestehen, dass Österreich kräftig und dringend sparen muss, will es nicht Griechenland werden. Und die Strafe durch die Märkte kann sogar viel früher als befürchtet erfolgen, wenn es kein Budget mit einer kräftigen Defizitreduktion gibt.

Aber gleichzeitig wird von Stunde zu Stunde klarer: Die SPÖ ist nicht sparwillig. Viele Teile der ÖVP übrigens auch nicht – aber diesen Widerstand kann Pröll wahrscheinlich überwinden. Den der SPÖ wohl nicht mehr.

Das bringt ihn in eine ziemlich aussichtslose Situation. An der Pröll aber selber schuld ist. Denn er hat ja 2008 ernsthaft geglaubt, mit einem unseriösen Typen wie einem Faymann eine tragfähige Koalition eingehen zu können. Gewiss haben ihn auch etliche Onkeln und Leitls in diese Richtung gedrängt. Aber letztlich war natürlich Pröll selbst der Mann, der blauäugig das entscheidende Ja zu einem Faymann gesagt hat.

Hätte er Alternativen gehabt? Ja, natürlich. Denn eben dieser Faymann hatte wenige Wochen vor Abschluss der neuen Koalition die alte mit einem Milliarden-Verschwendungs-Paket (nebst einer populistischen Kehrtwende in der österreichischen EU-Politik) brutal gebrochen. Eine seriöse und strategisch denkende ÖVP-Führung hätte daher nie und nimmer eine Koalition mit einem Faymann eingehen dürfen, ohne dass dieser einer Rücknahme der verheerenden Beschlüsse des 24. September 2008 zustimmt.

Das wäre nicht nur zur Gesichtswahrung nötig gewesen, sondern auch aus staats- (und finanz-)politischer Verantwortung. Wie man schon damals sehen konnte, und wie heute jeder Wirtschaftsforscher weiß.

Aber wäre Österreich dadurch nicht unregierbar geworden? Warum hätte das so sein sollen? Der Koalitionsbruch der SPÖ ist – wenn er nicht wieder zurückgenommen wird – ein logisches Kooperationsangebot an jene Parteien, die ihr damals beim Ausräumen der Staatskassen geholfen haben (wenngleich festzuhalten ist, dass die schwer desorientierte ÖVP nach Wochen des Widerstandes im letzten Augenblick selbst einem Teil der Maßnahmen zugestimmt hat). Es kann ja wohl nicht sein, dass Faymann die FPÖ als wichtigsten Helfershelfer beim Griff in die Kasse akzeptiert, aber dann nicht bereit ist, mit dieser auch die Verantwortung für die Konsequenzen zu teilen.

Jedoch: Pröll war damals nicht zu diesem logischen und zwingenden Schritt bereit. Ob er – trotz lebhafter Proteste der damals noch vorhandenen Parteibasis – wirklich so naiv war, einem schon einmal wortbrüchigen Faymann zu glauben, werden wir wohl nie wirklich erfahren. Oder ob ihn der Glanz der scheinbar halben Macht gelockt hat. Oder ob er wirklich geglaubt hat, die am Schluss weltweit geradezu bejubelte Schüssel-Politik sei total falsch gewesen, wie seine Umgebung streut. Oder ob er dem Druck der auf ihre Pfründe gierigen Landeshauptleute und Leitls nicht gewachsen gewesen ist.

Am Ergebnis ändert das nichts. Und an der Ausweglosigkeit der Lage Prölls auch nicht. Ein Mädel vom Land, das einmal auf halbseidene Schmähs vom  Wiener Gürtel hereingefallen ist, hat ja meist auch keine zweite Chance.

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Hurra, es geht uns wieder gut

14. Oktober 2010 01:35 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Österreich ist Spitze: Kein Land der EU hat sich so lange Zeit gelassen wie die Alpenrepublik, um konkrete Maßnahmen gegen das explodierende Budgetdefizit auch nur zu diskutieren. Offenbar geht es Österreich so gut. Und offenbar hat es wirklich weise Politiker, die den Vorteil des Nichtstuns erkannt haben, weil man doch nun die neuesten Konjunktur- und Budgetprognosen kennt. Nach dieser Logik wäre es freilich noch weiser, würden sie auch die nächste Prognose abwarten. Und dann die übernächste . . .

Jedenfalls wird derzeit prophezeit, dass die Wirtschaft wieder wächst. Freilich nur um durchschnittlich 1,6 Prozent im Jahr. Das ist in Wahrheit ein sehr magerer Wert, der deutlich unter der Dynamik Deutschlands liegt, von dem Österreich immer in hohem Ausmaß abhängig ist. Also ist der Grund zum Jubeln sehr klein, auch wenn heuer eineinhalb Milliarden Euro mehr als erwartet in die Staatskasse gespült worden sind.

Es ist abenteuerlich, mit welchem Tempo sofort manche Politiker diese eineinhalb Milliarden verteilen wollen. Obwohl sie nur eine kleine Reduktion des Defizits bedeuten, keineswegs einen Einnahmenüberschuss. Diese vor allem im Export erzielten Erfolge waren vor allem Folge des zeitweise recht niedrigen Euro-Kurses. Dieser ist aber inzwischen schon wieder deutlich gestiegen. Denn derzeit werden alle anderen großen Währungen der Welt nach unten manipuliert, was automatisch den Euro in die Höhe treibt und Europas Exporte schädigt.

Noch gefährlicher ist die Tatsache, dass in wenigen Monaten in vielen Ländern die Defizitreduktionsmaßnahmen zu greifen beginnen. Diese sind zwar unverzichtbar, wenn man nicht wie Griechenland enden will. Dennoch werden sie wohl die kleine gegenwärtige Zwischenkonjunktur Europas beenden. Das wird auch eine zunehmend wahrscheinliche Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank tun.

Einziger echter Lichtblick ist, dass diese kleine Zwischenkonjunktur in Europa von einer weltweiten Hochkonjunktur begleitet wird – die vor allem von den asiatischen Riesen getrieben wird.

Aber selbst wenn die Rezessionsjahre wirklich längerfristig vorbei sind, darf das kein grünes Licht für die jetzt rundum eskalierenden Wünsche bedeuten. Wünsche nach mehr Geld für die Schulen, die Unis, die Forschung, die Pflege, die Gemeinden, das Gesundheitssystem, die Alternativenergien, usw.

Denn unter Ökonomen ist heute völlig unbestritten: Konjunkturpolitisch sollte eine Phase der (wenn auch vielleicht nur kurzen) Erholung unbedingt zum Ansammeln neuer Reserven genutzt werden. Damit man in schlechten Zeiten widerstandsfähiger ist. Das Dumme ist nur: Fast kein Politiker – außer er hätte alemannische Gene – ist imstande, dann zu sparen, solange er noch irgendwo Geld bekommt. Daher werden wir mit einem noch größeren Schuldenberg in die nächste Krise gehen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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Die Krisenproteste: Schein und Wirklichkeit

02. Oktober 2010 01:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fernsehzuschauer bekommen wie immer ein völlig falsches Bild. Ihnen werden derzeit fast täglich aus irgendeiner Stadt Europas ein paar aufgeregt mit Fahnen und Transparenten, Gebrüll und Lärmmaschinen demonstrierende Menschen gezeigt. Und Kommentatoren jenseits aller Objektivität zeigen ihre Begeisterung über die (endlich!) stattfindenden Generalstreiks und vermitteln den Eindruck, ganz Europa stehe still.

Die Wahrheit ist aber eine völlig andere: Sämtliche Proteste und Streiks in Europa haben im heurigen Jahr viel weniger Teilnehmer gehabt als von den Gewerkschaften erhofft. Ein paar Tausend aufgeregte Demonstranten bedeuten überhaupt nichts, die bringt selbst die bedeutungslose Österreichische Hochschülerschaft außerhalb von Ferienzeiten jederzeit zusammen.

Von Griechenland über Spanien bis Frankreich haben sich die Arbeitnehmer jedenfalls viel weiser gezeigt als die um ihre eigene Existenzberechtigung bangenden Gewerkschafts- und Parteifunktionäre. Sie sind überwiegend an ihren Arbeitsplätzen geblieben und haben die Funktionäre alleine demonstrieren lassen.

Natürlich sind die Arbeitnehmer nirgendwo begeistert über Lohnbremsen, erleichterte Kündigungsmöglichkeiten oder spätere Pensionierungs-Zeitpunkte. Nur erkennen sie zunehmend die Unvermeidbarkeit solcher Maßnahmen. Nur bangen sie vor allem anderen um ihren Job. Und sie erkennen immer mehr in den überspitzten (und häufig erfolgreichen) Forderungen der Gewerkschaften während der letzten Jahre eine Hauptursache der Krise, der Schuldenexplosion und der Arbeitsplatzgefährdung.

Daher gehen auch europaweit die Mitgliederzahlen in den Gewerkschaften zurück. Diese haben nur noch innerhalb der diversen sozialistischen Parteien einen relevanten Einfluss, wie sich etwa jetzt beim Machtwechsel in der britischen Labour-Partei gezeigt hat.

Solch gute Nachrichten enthält uns aber das Fernsehen vor.

 

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Das schlechte Personal und die große Herausforderung

01. Oktober 2010 03:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Noch sollte man nicht alle Hoffnungen für dieses Land fahren lassen. Diese erfreuliche Perspektive eröffnet zumindest ein neues Buch. Es jammert nicht nur, sondern zeigt ganz konkrete Maßnahmen auf, wie Österreich wieder besser funktionieren könnte.

Diese Möglichkeiten zeigte Herwig Hösele, der aus der Steiermark stammende Politikberater, als Herausgeber schon bei der Präsentation (Herwig Hösele: „Was ist faul im Staate Österreich?“ Molden-Verlag). Auch wenn er durch den zungenbrecherischen Versuch, politisch korrekt das Binnen-I zu verwenden und auszusprechen, seine Glaubwürdigkeit stark reduzierte. Dennoch ist fast jeder seiner Vorschläge ernst zu nehmen – nicht nur, weil ihm weise alte Männer wie Gerd Bacher oder Heinrich Neisser sekundierten. Hier eine kleine, aber besonders relevant scheinende Auswahl an Reformnotwendigkeiten:

-         Mehrheitswahlrecht zur Erhöhung der Chance auf handlungsfähige Mehrheiten;

-         Einführung eines Supersonntages nach amerikanischem Muster, an den alle Wahlen zusammengelegt werden, um die lange Lähmung der Politik durch Wahlkämpfe zu reduzieren;

-         Mehr direkte Demokratie;

-         Volksbegehren auch via Internet;

-         Sanktionierung einer Schubladisierung von Volksbegehren;

-         Stärkung des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF;

-         Ersetzung des teuren Bund-Länder-Wirrwarrs durch einen echten neuen Föderalismus;

-         Gesetzgebung weg von den Ländern, weil von dieser ohnedies nichts übrig geblieben ist;

-         Mitwirkung der Länder an den Zielvorgaben des Bundes;

-         Verfassungsrechtliche Defizit- und Schuldenbremse;

-         Zusammenlegung von Ausgaben und Aufgaben in eine Hand;

-         Abbau der Verschwendung im Sozial- und Gesundheitsbereich, wo am meisten Geld versickert;

-         Abschied von der Lebenslüge Neutralität und Ersetzung durch eine europäische Sicherheitspolitik;

-         Ein Konklave von Bundes- und Vizekanzler sowie der Landeshauptleute aus Wien und Niederösterreich über eine solche neue Verfassung, wobei die vier tagen müssten, bis sie sich auf einen großen Wurf geeinigt haben, der dann einer Volksabstimmung zu unterziehen ist.

Freilich macht gerade der letzte Punkt bange, eben der Blick auf jene Menschen, die all das in die Wege leiten müssten. Denn wie Bacher anmerkte: „Wir haben das schlechteste politische Personal seit langem. Und der Souverän, das Volk, lässt sich alles gefallen.“ Als besonders schlimmes Beispiel nannte Bacher die schlechte Vertretung Österreichs in der EU-Kommission, wo von den Namen Schüssel bis Gusenbauer, von Molterer bis Plassnik viele offenbar zu gut gewesen seien.

Den leichtfertigen Umgang mit der Verfassung zeigte Neisser etwa an den ständigen anlassbetonten Debatten auf: So sei etwa die – sekundäre – Frage der Art der Bundespräsidentenwahl wenige Tage nach der letzten Wahl wieder völlig eingeschlafen. Ähnliches sehe man beim Thema Grundrechte: „Das Land verweigert sich der Diskussion über Meinungsfreiheit und journalistische Freiheit.“

Wie wird es also weitergehen? Wird Höseles Veränderungs-Dynamik obsiegen? Oder der realistische Pessimismus von Bacher und Neisser? Der Tagebuchautor wäre gern ein Optimist, findet es aber wahrscheinlich, dass diese beiden recht behalten werden. Zumindest kurzfristig.

Denn irgendwann wird unweigerlich der große Crash kommen, etwa durch einen wirtschaftlichen Kollaps, wo plötzlich Vieles möglich wird, was jetzt noch unmöglich erscheint. Was dann freilich viel schmerzhafter sein wird, als wenn man Hösele schon jetzt folgte.

 

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Kommission impossible

30. September 2010 01:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Da hat wohl jemand eine Realsatire auf die österreichische Liebe zu den Kommissionen verfasst: Die einst mit viel Trommelwirbel gegründete 30köpfige Pensionskommission verschiebt ihre dringend erwarteten Empfehlungen einfach um ein Jahr. Heuer sagt sie einmal gar nichts. Deutlicher kann man gar nicht demonstrieren, wie überflüssig ein Gremium ist.

Dabei muss die Politik unmittelbar nach dem 10. Oktober schwierigste Entscheidungen treffen: Erhöht man die Pensionen? Und wann bereitet man endlich der unsäglichen Hacklerpension ein Ende?

Noch nie hätte die Regierung wahrscheinlich klare Empfehlungen dringender gebraucht als in dieser Lage. Aber die Kommission empfiehlt eben gar nichts. Nur nichts verantworten, nur an nichts schuld sein.

Dabei ist inzwischen sogar in der Sozialdemokratie zumindest jene Handvoll, die der Grundrechnungsarten fähig ist, zur Überzeugung gekommen, dass im Pensionssystem dringender Handlungsbedarf gegeben ist.

Fast könnte einem die Politik ob des Versagens leid tun, hätte sie nicht selbst diese Kommission eingesetzt (so wie hunderte andere). Die Demokratie kann aber in Wahrheit nur so funktionieren, dass die gewählten Volksvertreter und die für das Staatsganze Verantwortlichen Entscheidungen treffen und nicht sogenannte Experten, die in Wahrheit fast durchwegs simple Vertreter sehr spezifischer Interessen sind. Daher kann man sich weder von den seit Jahren auf allen Ebenen – außer jener der eigenen Machtabsicherung – versagenden Sozialpartnern und schon gar nicht von den diversen Pensionistenvereinigungen volkswirtschaftlich vernünftige Entscheidungen erwarten. Sie sind Lobbyisten und keine Minister.

Neben der Unfähigkeit solcher Experten spielt bei der Selbstkastration der Pensionskommission natürlich auch die Wiener Wahl eine große Rolle. Es darf nirgendwo etwas gesagt werden, was die Wahlchancen Michael Häupls noch weiter verschlechtern könnte. Obwohl jedermann weiß, dass nach dem 10. Oktober Heulen und Zähneknirschen ausbrechen wird.

Wenigstens, so kann man den Experten fast zugute halten, haben sie sich nicht zu der Lüge aufraffen können – oder zwingen lassen, dass bei den Pensionen ohnedies alles zum Besten bestellt wäre. Als überflüssig entpuppt hat sich die Kommission aber in jedem Fall. Bitte abschaffen.

Im Hintergrund war aber auch noch ein weiterer Effekt relevant: Die absurde Zersplitterung der Ministerkompetenzen. Für die Beamtenpensionen ist das Finanzministerium zuständig, für die normalen hingegen das Sozialministerium. Was natürlich sofort die üblichen Rangeleien ausgelöst hat.

Alles was ein Unsinn ist, kommt selten alleine.

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Datenschutz ist Verbrecherhilfe

29. September 2010 01:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Der Eindruck verfestigt sich zusehends: Die scheinbar so menschenfreundlich auftretenden Datenschützer sind in Wahrheit die effizienteste Verbrecher-Hilfstruppe, die es gibt. Und die Zweifel, ob sie das vielleicht nur unabsichtlich tun, sind klein.

Sie zählen jedoch zu den Liebkindern der linken Political Correctness und werden daher vom ORF kräftig unterstützt. Jüngstes Beispiel für ihr einschlägiges Wirken: Die österreichischen Datenschützer kämpfen dagegen, dass die Polizei gestohlene Autos mit Hilfe der Überwachungskameras auf den Autobahnen abfangen darf.

Man könne doch nicht Millionen beobachten, um einige Diebe zu erwischen, lautet das Argument. Wenn diese Logik stimmen sollte, dann müsste man überhaupt alle Polizisten von den Straßen abziehen. Denn auch sie beobachten Millionen Menschen, um ein paar Übeltäter zu finden oder abzuschrecken.

Dasselbe gilt für alle möglichen anderen Kontrollen: Ob das die Krankenkassen-Kontrolleure sind, die gemeldeten Krankenstände überprüfen, ob das die Steuerprüfer sind oder die amtlichen Sucher nach Schwarzarbeit. Alle treffen zum Glück primär auf rechtskonform Agierende. Trotzdem sind Kontrollen notwendig und richtig. Schon zur Abschreckung.

Dümmer geht’s nimmer als dieser Hilfe für Autodiebe. Und dass es angeblich im Ausland irgendwelche Richter gibt, welche diese Argumentation teilen, ändert schon gar nichts am Ausmaß der Dummheit.

Eines ist jedenfalls sicher: Der Großteil der kontrollierten Autofahrer hat null Bedenken gegen die Überprüfung, wenn dadurch die Chance zumindest minimal steigt, dass auch ihr Auto gefunden wird, bevor es ein Unbefugter außer Landes bringt.

Genauso eine Beihilfe zum Betrug ist der Kampf von Datenschützern (und Ärzten) gegen die Identitäts-Kontrolle von Patienten (durch einen elektronischen Fingerabdruck), die mittels E-Card eine Behandlung in Anspruch nehmen. Obwohl jedermann um den Missbrauch der Karte weiß, die ein Sesam-öffne-Dich in unser hochentwickeltes, aber schwer defizitäres Gesundheitssystem ist. Wobei schon die Einführung einer bloßen Ausweispflicht in Spitälern die Zahl der Ambulanz-Gäste mancherorts um bis zu 40 Prozent reduziert hat.

Darüber hinaus dürfen auch viele medizinische Daten nicht auf der E-Card festgehalten werden. Das hat zweifellos schon dazu geführt, dass Menschen gestorben oder falsch behandelt worden sind. Aber zugegeben: Ein paar Kollateralschäden muss uns die Political Correctness schon wert sein.

Enge Verbündete haben die Datenschützer neben den Ärzten auch in vielen Beamten gefunden, die nun ein neues Zauberwort zur Tarnung von Faulheit, Indolenz und Korruption gefunden haben. Mit „Geht leider nicht, Sie wissen ja: Datenschutz!“ kann man ganz freundlich jede unangenehme Anfrage abschmettern. Und unangenehm ist vielen Staatsdienern ja jede Frage, die über „Was gibt es heute in der Kantine?“ hinausgeht.

Dafür fällt umso seltsamer das Desinteresse der sonst so lautstark auftretenden Datenschützer an dem Projekt „Google Street View“ auf, bei dem alle Straßen und Häuser mit einer Kamera abgefilmt werden. Das mag bei historischen Gebäuden ja noch einen Sinn haben, das ist aber in Hinblick auf Einfamilienhäuser und Geschäftslokale nichts anderes eine Speisekarte zur Planung von Einbruchsdiebstählen.

Einbrecher müssen das Objekt der Begierde nicht mehr mühevoll ausspähen, sondern können gemütlich in Patschen vor einem Bildschirm gustieren, wo es was zu holen geben könnte und wo man am leichtesten hineinkommt.

Steckt da gar Klassenkampf dahinter, der die „Reichen“ zum Abstieren freigeben will?

Der Gipfel der Groteske: Passanten, die bei Street View ungewollte ins Bild geraten sind, können sich nachträglich(!) hinausreklamieren. Inzwischen hat der gegnerische Scheidungsanwalt aber in der Regel längst eine entsprechende Kopie in Händen. Häuser oder Geschäfte können sich hingegen überhaupt nicht hinausreklamieren.

Dennoch hat das Google-Projekt nach einigem Hin und her genauso grünes Licht bekommen wie nun ein Nachfolgeprojekt von Nokia, das noch viel, viel detailliertere Bilder zeigen soll. Diese Projekte werden von einer Armada von Anwälten ermöglicht, während die Aufstellung von Überwachungskameras in Stiegenhäusern oft nicht genehmigt wird, selbst wenn alle Mieter dafür sein sollten.

Auch bei den Verteilern von Werbung gibt es seltsame Differenzierungen. Obwohl die im verschlossenen Briefkasten liegende Werbebroschüren nicht wirklich störend sind, gibt es hier genaue rechtliche Regelungen, wie man sich dagegen "schützen" kann. Völlig hilflos ist man jedoch gegen die illegalen Zettelverteiler, die einen Prospekt für irgendeinen Essens-Zustelldienst in die Tür klemmen. Mit Hilfe dieser Prospekte kann sehr genau kontrolliert werden, ob da etwa jemand auf Urlaub ist. Was wieder eine sehr hilfreiche Information für Einbrecher ist. Aber gegen diese illegalen Zettelverteiler könne man leider nichts machen, wird rundum beteuert. Gegen die haben ja die Datenschützer nichts. Sondern nur gegen korrekt werbende Firmen.

Wer schützt uns nur vor den Datenschützern?

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Zwei Ministerinnen und die Scheidung

21. September 2010 00:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Da hat die Frauenministerin sicher recht: Noch wichtiger als ein gemeinsames Sorgerecht für Scheidungskinder, wie es der Justizministerin am Herzen liegt, ist die Festlegung eines gesetzlichen Mindest-Besuchsrechts. Aber auch da werden wieder einmal nur halbe Maßnahmen zu halben Zielen diskutiert.

Hier soll gar nicht lange debattiert werden, ob die vorgeschlagenen vier Tage ausreichend sind. Viel spannender ist die nicht beantwortete Frage: Und was sind die Konsequenzen, wenn jemand (meistens die Mütter) das Besuchsrecht ständig hintertreibt? Bleibt das weiterhin so folgenlos wie bisher, wenn einmal das Kind angeblich krank ist, wenn ein andermal beim Abholtermin niemand zu Hause ist, und wenn ein drittes Mal ein ganz, ganz unaufschiebbarer anderer Termin wahrzunehmen ist? Solange sich die Ministerinnen nicht wirklich der Realität stellen, sind ihre Reformversuche nichts wert.

Und geradezu lachhaft ist es, wenn die beiden Damen nun streiten, ob man vom Gericht eine Entscheidung binnen eines Jahres verlangen kann oder nicht. Man würde es noch verstehen, wenn der Streit darum ginge, ob eine Entscheidung binnen eines Monats fallen muss. Aber ein Jahr ist ja schon als Zielvorgabe eine Schande. Immerhin geht es da um Kinder, die man nicht solcherart schikanieren darf. Zermürbte Eltern übrigens auch nicht.

Was Frau Heinisch-Hoseck und Frau Bandion-Ortner genauso wenig ansprechen, ist der Grund von Verfahrensverzögerungen: Das sind nämlich die überwiegend weiblichen Jungrichterinnen, die seltsamerweise meist beim Familienrecht ihre Karriere starte dürfen, und die überraschenderweise des öfteren schwanger werden. Was gut für den Kampf gegen die Demographie-Katastrophe, aber ganz schlecht für die Beilegung eines Rosenkrieges ist.

Wir wollen ja gar nicht davon reden, dass die Hälfte der Familienrichter Männer sein könnten, aber noch wichtiger wäre es, wenn nur lebenserfahrene Menschen (welchen Geschlechts immer) ans Familienrecht herandürfen, und sich die richterlichen Anfänger erst bei Miet-, Verkehrs- oder Konsumentenrecht austoben müssen. Wo menschliche Ahnungslosigkeit lange nicht so folgenschwer ist.

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Fußnote 134: Die Vereins-Kassiere

20. September 2010 00:29 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ohne den Rechnungshofpräsidenten würden wir noch immer glauben, dass die Transparenzdatenbank in der vorgeschlagenen Form etwas Sinnvolles bedeutet.

Denn erst Josef Moser hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass Vereine bisher nicht von diesem – erhofften – Instrument gegen Abkassierer erfasst sind. Was ziemlich absurd ist. Denn gerade Vereine sind die Drehscheibe, über die ideologische Stimmungsmacher und parteipolitische Vorfeldorganisationen von den Steuerzahlern finanziert werden. Die ÖVP hat nun ziemlichen Erklärungsbedarf bei ihren Wählern, die sich fragen, wer eine so löchrige Sozialmissbrauchskontrolle noch ernstnehmen soll. Und warum die ÖVP für dieses Löcherwerk der Einführung der teuren Mindestsicherung zugestimmt hat, die sie nun selbst knapp nach Einführung wieder redimensionieren will. Das wird ihr angesichts ihres ausgabenwütigen und kontrollscheuen Koalitionspartners genauso wenig gelingen wie offensichtlich die Einführung einer wirklich funktionierenden Transparenzdatenbank.

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Die Freiheit und ihre Feinde oder: Die Macht der Eliten

19. September 2010 01:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn es ein oberstes gemeinsames Grundmotiv im Denken aller Exponenten der Österreichischen Schule gibt, dann ist es ein hoher, fast demütiger Respekt für die Freiheit jedes Einzelnen. Ohne Freiheit kann kein funktionierendes Wirtschaftssystem entstehen, so haben sie nachgewiesen. Ohne Freiheit kann auch – was mindestens ebenso wichtig ist – kein menschenwürdiges Gesellschaftssystem funktionieren, wie etwa Friedrich August Hayek in „Verfassung der Freiheit“ sehr überzeugend gezeigt hat.

Während sich manche andere Autoren der Österreichischen Schule primär mit theoretischen Fragen befassen, hat Hayek schon vor mehr als 50 Jahren geradezu hellseherisch die Vorzüge des Schweizer Systems der direkten Demokratie herausgearbeitet. Inzwischen hat die Schweiz nämlich besser als jeder andere europäische Staat die Wirtschaftskrise überlebt. Das hängt zweifellos damit zusammen, dass die Schweiz sowohl der direkten Demokratie wie auch einem den Ideen der „Austrians“ relativ nahen liberalen Wirtschaftssystem treu geblieben ist. Während man in den Nachkriegsjahren, in denen Hayek schrieb, die Schweiz noch als glücklichen Sonderfall abtun konnte, ist sie heute ein Beweis der Praktikabilität der „Österreichischen“ Ideen (mit denen die österreichische Politik selber bekanntlich recht wenig zu tun hat).

Inzwischen zeigt sich aber noch etwas viel deutlicher: Dass die Freiheits-Ideen der Österreichischen Schule in Kontrast zu einem konträren Leitmotiv fast der gesamten Geschichte stehen. Denn die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte ist in hohem Ausmaß vom ständigen Kampf von Eliten um mehr Macht auf Kosten jedes Einzelnen geprägt. An dieser Konstante ändert es nichts, ob diese Eliten nun in der jeweiligen Epoche durch Stand, Klassenzugehörigkeit, Beruf oder Ideologie definiert werden.

Dieses Muster machtgieriger Eliten findet sich sowohl bei den chinesischen Mandarinen wie auch bei der europäischen Aristokratie, sowohl bei den iranischen Imamen wie auch den kommunistischen Apparatschiks. Stets hat eine Schicht um die Macht gerungen und sie meistens auch errungen. Wobei man ihren Exponenten durchaus zubilligen muss: Sie hatten in der Anfangsphase meist sehr humanitäre Motive. Sie wollten ja nur das Beste für die ungebildeten Menschen gäbe es Ordnung anstelle von Chaos.

So ist der europäische Adel im frühen Mittelalter oft durch das explizite oder implizite Versprechen an die Macht gekommen, den Bauern Law and Order zu verschaffen; im Gegenzug bekämen sie das Recht zur Herrschaft über die Bauern. Recht und Ordnung waren nach den dunklen Jahren der Gesetzlosigkeit der Völkerwanderung besonders attraktive Angebote. Aber in Wahrheit zahlten die Bauern für ein oft nicht eingehaltenes Versprechen mit Jahrhunderten der Leibeigenschaft, in denen sie und ihre Arbeitsleistung durch Zehent und Fron, durch Münzprivilegien (samt dem damit verbundenen Betrug) und Unfreiheit ausgebeutet wurden.

Zugleich war das Ordnungs-Versprechen eine bedeutungslose Finte: Denn in jenen Regionen, wo die Bauern ihre Freiheit bewahren oder sehr früh zurückerobern konnten, wie etwa in Tirol und der Schweiz, herrschte alles andere als Unrecht, Chaos und Unordnung. Kultureller Gleichklang sorgte dort sogar für besonders vorbildliche Gemeinwesen. Ebenso blühten von Flandern bis Oberitalien jene Städte besonders stark auf und gewannen einen anderswo damals unbekannten Wohlstand, in denen sich das durch Handel und Gewerbe aktive Bürgertum feudalen Souveränitätsansprüchen weitgehend entziehen konnte.

Zwar muss man ehrlicherweise darauf hinweisen, dass dieser Zugewinn an Freiheit und Selbstbewusstsein, an Wohlstand und Mitsprache für Bauern und Bürger keineswegs automatisch auch das Los des Gesindes, der Mägde und Knechte verbessert hat. Jedoch gibt es keine Indizien, dass es dieser in der sozialen Hackordnung ärmsten Gruppe in Regionen mit einer starken Feudalherrschaft besser gegangen wäre. Sie gewann erst durch Aufklärung und liberale Revolutionen ihren Freiheitsanspruch. Dieser Anspruch konnte letztlich erst durch die Unabhängigkeit der Justiz und den technischen wie wirtschaftlichen Fortschritt des 19. und 20. Jahrhunderts auch für die Masse Wirklichkeit werden.

Ihre Freiheit errangen diese lange im Schatten stehenden Schichten übrigens nicht durch die Gewerkschaften. Denn auch diese stellen nach idealistischen Anfängen nur eine moderne Form elitären Machtanspruchs dar. Langfristig gibt es keinen Beweis, dass in Ländern mit starken Gewerkschaften ein größerer Anteil von Menschen einen guten Arbeitsplatz hätte als in anderen. Im Gegenteil: Wenn die Gewerkschaften erfolgreich sind, verschafft das zwar einem Teil der Arbeitenden attraktive Bedingungen, vergrößert aber die Zahl der Arbeitslosen und prekären Situationen für die Nicht-Besitzer eines Arbeitsplatzes, und führt volkswirtschaftlich zu Schulden und Inflation.

Das Scheitern der Versprechungen jedes elitären Machtanspruchs lässt sich in ähnlicher Weise in der ganzen Menschheitsgeschichte durchdeklinieren. Und sei er anfangs noch so gut gemeint gewesen. Ab dem Zeitpunkt der Machterringung wächst immer sofort die Versuchung zu zynischem Missbrauch der Macht. Ohne Mitsprache der ganzen Bevölkerung und ohne selbstverantwortete Freiheit jedes Einzelnen kann kein Gesellschaftsmodell funktionieren.

Besonders gefährlich ist das Scheitern derzeit im Fall der an Atombomben bastelnden iranischen Imame. Bei ihnen ist der einst wohl durchaus wohlgemeinte Anspruch, einen funktionierenden Gottesstaat mit breiter Unterstützung der Menschen errichten zu können, längst zu einem Folter- und Unterdrückungssystem degeneriert.

Besonders spektakulär war das Scheitern einer sich als Avantgarde der Bauern und Arbeiter ausgebenden Elite im Falle des Kommunismus. Der Glaube war geradezu absurd, mit einem von Bürokraten ausgearbeiteten Fünfjahresplan zu funktionierenden Ergebnissen einer ganzen Volkswirtschaft zu kommen. Und natürlich waren die Ergebnisse einer solchen Planwirtschaft für die Menschen viel unattraktiver, als es die Resultate einer freien Wirtschaft sind. In einer solchen entscheiden ja die Menschen selbst über ihre materiellen wie immateriellen Prioritäten. Sie können ihre Entscheidungen auf all ihrem individuellen Wissen und auf Aber-Millionen Erfahrungen aufbauen.

Kaum ist aber der Kommunismus in einer gigantischen Implosion untergegangen, so sind die Eliten schon wieder mit neuen Tricks und Strategien zum Kampf um die Macht angetreten. Während die freie Welt in der Polarisierung gegen den Kommunismus noch stolz auf ihre Freiheit war, wird seither von vielen elitären Machtkämpfern ununterbrochen, wenn auch ohne Beweise, behauptet, dass der Kapitalismus genauso gescheitert sei wie der Kommunismus. Wobei sie unter „Kapitalismus“ die Freiheit und die Marktwirtschaft verstehen, der Ludwig Erhard und seine Mitdenker – die Gründer des Neoliberalismus – einst das Adjektiv „sozial“ verliehen haben. Worunter Erhard&Co damals nicht eine Einschränkung der Marktfreiheit verstanden haben, sondern eine nähere Beschreibung der Ergebnisse des freien Wirkens der Marktkräfte.

Zu dieser heute um ihre Macht kämpfenden Elite zählen heute alle Parteien, die „Sozialisten in allen Parteien“, wie Hayek sie einst pointiert genannt hat. Fast überall wird heute diffus von einem Dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus geschwärmt, der nur in einem Punkt klar ist: in der wichtigen Rolle, die Eliten auf diesem Weg haben.

Es gibt in Europa keine ernsthafte Bewegung, die etwa wie Amerikas populäre Tea Parties für weniger Staatsmacht, für Small government kämpfen würde. Das Ausmaß der Regulierung und die Einschränkung der Bürger haben seit Hayeks Zeiten im Gegenteil ungeahnte Ausmaße angenommen. Das kann man an der kilometerlangen Länge der Gesetze und Verordnungen genauso ablesen wie an der tendenziell ständig steigenden Abgabenquote (dem Anteil der öffentlichen Hand an allem, was die Menschen erarbeiten), die in Österreich weit über 40 Prozent liegt, und an der Staatsquote (dem Anteil des Staates an allen Ausgaben), der dank sonstiger Staatseinkünfte und Schulden sogar mehr als 50 Prozent beträgt. All diese Werte sind in den westlichen Industrieländern fast jedes Jahr gestiegen.

Die Abgabenquote liegt heute weit über jedem Prozentsatz, den jemals eine Obrigkeit ihren Untertanen abgeknöpft hat. Man erinnere sich nur an die diversen historischen Konflikte um die Ablieferung eines Zehents, also von bloßen zehn Prozent. Man erinnere sich daran, dass noch vor hundert Jahren der Prozentsatz der höchsten Einkommensteuer überall nur eine einstellige Zahl betragen hat.

Trotz dieser unglaublichen Einkassier-Gier der neuen „demokratischen“ Herrscher machen sie höhere Schulden, als jemals von Staaten gemacht worden sind. Trotz dieser Gier erwecken die Propagandisten der herrschenden Elite den Eindruck, dass Hunger und Elend drohten, wenn nicht der Staatsanteil ständig noch weiter ausgedehnt wird. Und sie attackieren mit Effizienz den Kapitalismus, also Freiheit und Marktwirtschaft.

Diese Propaganda gelingt vor allem deshalb so gut, weil die Journalisten trotz mancher Scheinkritik selbst Teil der elitären Machtstruktur geworden sind, ohne aber elitär qualifiziert zu sein – was ja auch die Politiker nicht sind. Wenn in Österreich ein Berufsstand so heftig von den Staatsbudgets profitiert wie die Journalisten (über alljährlich hunderte Millionen an Inseraten, Kooperationen, Förderungen von Bund, Ländern und politisch kontrollierten Unternehmungen), dann hat er jedes Interesse daran, dass all diese verteilenden (bestechenden) Institutionen selbst gut wattiert bleiben.

Heute ist die repräsentative Demokratie ein Eckstein der elitären Strukturen geworden. Sie wird vor allem mit dem Argument gegen alle Ideen von mehr direkter Demokratie verteidigt, dass es ohne die Herrschaft einer repräsentativen Elite zu „falschen“ Entscheidungen kommen würde. Was ist aber richtig und falsch? Darüber entscheidet in dieser Argumentationskette natürlich wieder die Elite selbst. Diese bildet soziologisch einen politisch-medial-juristisch-bürokratisch-professoralen Komplex (während beispielsweise das einst wichtige Militär heute ebenso bedeutungslos geworden ist wie Aristokratie oder Bischöfe). Dieser Komplex wird trotz aller in Details ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten von einem grundlegenden Konsens getragen: Dass eben dem Volk keine zusätzlichen Kompetenzen übertragen werden dürfen.

Der aktuelle Anspruch der Eliten auf ständig noch mehr Macht lässt sich an vielen Beispielen nachweisen. Er beginnt mit dem zunehmend lauter werdenden Wunsch nach Abschaffung der – einst hart erkämpften – Geschwornen- und Schöffen-Judikatur.

Er zeigt sich im geldverschlingenden Gesundheitssystem. Wohl wird dieses rhetorisch mit den Interessen des Patienten gerechtfertigt. In Wahrheit aber geht es dort um eliten-interne Machtspiele von Ärzten, Bürgermeistern, Landeshauptleuten, um Führungsposten in den Pflicht-Versicherungen für Gewerkschafter und Kammer-Funktionäre. Die sich trotz ihrer Vielzahl vor jedem Wettbewerb fürchten und ihre Monopolbereiche heftig verteidigen.

Der Machtanspruch der Eliten setzt sich fort im Schulsystem. Er hat dort eine klare ideologische Tendenz: verpflichtende Einheitsschule, Reformen um ihrer selbst willen a la Rechtschreibreform, Ablehnung von familiärem Home Schooling, keine Mitbestimmungsrechte der Eltern bei der Direktorenbestellung, immer stärkere juristische Regulierung des Erziehungsprozesses und weitgehende Entmachtung der Lehrer und Direktoren zugunsten bürokratischer und juristischer Machtansprüche. Die dadurch (und einige andere Faktoren) verursachte Verschlechterung der Bildungsergebnisse wird nun sogar zynisch als Argument verwendet, die schulische Vielfalt, die Eltern- und Lehrerrechte noch mehr zu reduzieren.

Die gleiche Elitendiktatur zeigt sich auch rund um die rapide Zuwanderung der letzten Jahrzehnte. Die in einer utopischen Welt lebenden Juristen und Politiker haben ein Zuwanderungsmodell durchgesetzt, das jedem in einem fremden Land Beschäftigten im Gegensatz zu allen früheren Epochen das Recht gibt, seine ganze Familie mitziehen zu lassen. Die Zahl der arabischen und türkischen Immigranten  vermehrt sich zusätzlich durch eine weitere Zuwanderung aus der alten Heimat via arrangierter Eheschließungen. Die Konsequenzen dieser forcierten Zuwanderung müssen die Eliten in ihren Nobelghettos freilich am allerwenigsten selbst tragen. Übt dann ein mutiger Dissident aus der Elite wie Thilo Sarrazin fundierte, wenn auch pointierte Kritik, wird er sofort als Rassist denunziert und nach totalitärer Methode sogar um seinen Arbeitsplatz gebracht. In den deutschsprachigen Ländern wird man überdies durch willkürlich vergebenen Stempel wie etwa: „Rassist“ auch noch mitschuldig am Holocaust.

Kein Wunder, dass bei Umfragen schon über 50 Prozent der Österreicher sagen, dass sie in einem Land leben, in dem man nicht mehr frei seine Meinung sagen kann. Weil es der herrschende Elitenkonsens verbietet. Mit der Meinungsfreiheit ist eines der zentralsten Menschenrechte atomisiert worden. Dies ist ein erschütterndes Ergebnis nach einem Vierteljahrtausend der Aufklärung und der demokratisch-liberalen Verfassungen. Die Political Correctness hat nicht zu mehr Rücksichtnahme auf wirklich Benachteiligte geführt, sondern sie ist zu einem universalen Maulkorb der Eliten gegen jede aufmüpfige Meinung geworden.

Nun werden manche die ehrlich gemeinte Sorge äußern, dass mehr direkte Demokratie ja auch zu einer Diktatur der 51 Prozent über Minderheiten führen könnte. Jedoch gibt es kein einziges Land, indem das wirklich der Fall wäre. In der Schweiz etwa ist heute mit der direkten Demokratie und dem eine delikate Machtbalance herstellenden Föderalismus nach Epochen des Konflikts die Toleranz gegenüber den traditionellen sprachlichen und religiösen Minderheiten stärker und besser fundiert als in jedem anderen Land der Erde. Es sind ganz im Gegenteil oft repräsentativ gewählte oder gar autokratische Herrscher, die mit Schüren von Emotionen gegen Minderheiten ihren eigenen Machterhalt sichern.

Die repräsentative Demokratie hat noch ein weiteres Defizit. Sie ist meist mit dem Verhältniswahlrecht verbunden. Dieses produziert in den meisten Fälle Koalitionsregierungen, weil nur selten eine Partei eine ausreichende Mehrheit erzielt. Koalitionsregierungen aber sind die teuerste inner-elitäre Allianz: Denn die dabei notwendigen Kompromisse werden meist mit Steuergeld beziehungsweise Schulden erkauft.

Jede Partei versucht in einer Koalition, ihre eigenen Anhänger-Gruppen zu bedienen. Das läuft etwa so: Hier sinnlose Milliarden für die Bundesbahn; dort sinnlose Milliarden für die Bauern. Da werden sinnlose Monster-Tunnels in den Berg gebaut, weil irgendwann einmal ein Mini-Grüppchen gerade die Regierung erpressen konnte; dort bekommen schwarze Länder so viel Geld, weil auch die roten und blau-orangen Länder so viel kassieren und umgekehrt.

„Gibst Du mir, so geb ich Dir“ ist wohl die übelste Form, mit den Staatsfinanzen umzugehen. Daran ändert es auch nichts, dass die Profiteure dieses System propagandistisch als Konsensdemokratie rühmen.

Wir sollten uns aber im Klaren sein: Noch ist in den Menschen der meisten westlichen Länder das Bewusstsein nicht entscheidend gereift, dass das Gaukelbild einer totalen Wohlfahrt und soziale Rundum-Absicherung nicht funktionieren kann. Sie glauben noch mehrheitlich an die Schimäre der durch eine Obrigkeit hergestellten Sicherheit. Sie begreifen nicht, dass ohne eine entscheidende Rolle der Eigenverantwortung das Leben nicht funktionieren kann. Sie wollen nicht akzeptieren, dass der Staat nur in wirklichen Notfällen eine Antwort auf die Probleme unseres Lebens sein kann.

Das wissen die Schweizer, das weiß ein guter Teil der Amerikaner, und das haben die Osteuropäer in bitteren Lektionen gelernt. Uns stehen die noch bevor.

(Dieser Text wurde für den am 1. und 2. Oktober von "GoAhead " im Palais Niederösterreich veranstalteten „Kongress zur Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ und eine dazu erscheinende Publikation verfasst. Der kostenpflichtige Kongress umfasst eine lange Liste prominenter Redner vom US-Abgeordneten Ron Paul über den Vermögensforscher Thomas Druyen bis zum deutschen Abgeordneten Frank Schäffler.)

 

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Von Reichen und Armen. Und Statistiken

18. September 2010 00:12 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 In Tschechien und der Slowakei geht es den Menschen am besten. Dort gibt es am wenigsten Arme. Zu diesem Urteil muss man zumindest kommen, wenn man den von diversen linken Organisationen ständig zitierten Armutsstatistiken Glauben schenken würde.

Alle paar Wochen hetzen jedenfalls linke Medien (also der ORF an der Spitze) gegen die angebliche neoliberale und unsoziale Kälte in Österreich. Das Argument: Nicht weniger als erschreckende 12 Prozent seien armutsgefährdet. Dabei wird in bekannt linker Großzügigkeit  bei der Berichterstattung meist noch auf den Wortteil „gefährdet“ verwiesen. Und dann sind die zwölf Prozent „arm“. Obwohl sie über Auto, Wohnung, Fernseher, Computer und durchaus ausreichend Kleidung und Essen verfügen.

Das Gerede von ständig wachsender Armut ist für die Ideologen des linken Mainstreams aber ein guter Mechanismus, um bei den Bürgern schlechtes Gewissen auszulösen. Die Berichte werden dann regelmäßig zum Anlass genommen, um den Ruf nach Steuererhöhungen zu begründen. Natürlich nur  bei den „Reichen“. Wobei freilich viele Österreicher inzwischen erschreckt draufgekommen sind, dass sie möglicherweise selbst die Reichtumsgrenze überschritten haben.

Wenn man etwa eine ordentliche Eigentumswohnung, ein neues Auto, ein Wochenendhäuschen, etwas Schmuck und ein bisschen an Rücklagen fürs Alter hat, dann hat man höchstwahrscheinlich bereits die Vermögensgrenze von einer Million überschritten, bei der für etliche SPÖ-Politiker der zu konfiszierende Reichtum beginnt. Selbst die SPÖ hat nicht weniger als 70.000 von ihren Steuerplänen betroffene Österreicher (wozu noch deren Familien kommen) gezählt.

Wahrscheinlich sind es jetzt schon viel mehr als 70.000 – und mit Sicherheit wird die in Kürze erwartete Inflation die Zahl der Vermögenssteuerzahler noch weiter erhöhen. Ganz automatisch, ohne dass man weitere Gesetzesänderungen braucht. Diese Reichen hätten, so wird nun ohne jeden Beweis behauptet, ihren Reichtum allesamt durch Spekulation erworben. Was ja jedenfalls böse ist (unabhängig davon, was überhaupt Spekulation sein soll), während die Selbstbedienung der Wiener SPÖ durch Korruption – also den Griff in öffentliche Kassen – ja offenbar lobenswert ist.

Aber in Wahrheit sind diese Armutsgefährdungs-Angaben extrem unseriös und manipulativ. Erstens wird dabei nie angegeben, wie viel Prozent davon (Sozial-)Migranten sind. Denen die österreichische Armutsgefährdung tausendmal lieber ist als das, was sie daheim zurückgelassen haben.

Und zweitens: Schaut man die internationalen Statistiken an, dann sind ausgerechnet Tschechien und die Slowakei die Länder mit der geringsten Armutsgefährdungsquote.

Wer kann da diese dramatischen Angaben, mit denen etwa eine sogenannte Armutskonferenz ständig operiert, noch ernstnehmen? Weiß doch jeder Österreicher über die Lebensverhältnisse in den Reformländern – trotz des dortigen schönen Wirtschaftswachstums – Bescheid. Auch hier gilt (noch immer) mit Sicherheit: Lieber in Österreich armutsgefährdet als ein durchschnittliches Einkommen in jenen Ländern.

Aber selbst wenn man diese Diskrepanz außer Acht lässt, stößt man auf ein merkwürdiges Phänomen: Dass ausgerechnet in Ländern mit Flat tax die Armutsgefährdung geringer ist als in Österreich mit seiner gewaltigen Progression bei der Steuer (Zur Erinnerung: Flat tax bedeutet, dass von jedem Einkommen nach Abrechnung eines Freibetrags der gleiche Prozentsatz zu versteuern ist und nicht wie bei uns ein mit der Höhe des Einkommens steigender Prozentsatz).

Wären also die Armutsstatistiken ernst zu nehmen, dann müssten SPÖ&Co lieber heute als morgen für die Flat tax auf die Barrikaden steigen, statt gebetsmühlenartig zu behaupten, eine solche Flat tax würde die Unterschiede von Reich und Arm vergrößern.

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Für Geld auch noch arbeiten müssen?

14. September 2010 12:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die ÖVP hat recht mit ihrem Vorstoß für eine Arbeitspflicht für Grundeinkommensempfänger. Und die prompte Reaktion der SPÖ reduziert diese immer mehr auf die Zielgruppe der (in hohem Ausmaß zugewanderten) Empfänger von Sozialtransfers, welche häufig mit jenen Pflanzen und Tieren verglichen werden, die komplett auf Kosten anderer ein angenehmes Leben führen. Nur: Glaubwürdig ist die ÖVP nicht mit diesem Vorstoß.

Denn erstens hat die Volkspartei erst vor wenigen Monaten dem Grundeinkommen zugestimmt, ohne für dessen Bezug eine so klare Konsequenz zu verlangen, wie sie jetzt gefordert wird. Und zweitens wird der Vorstoß ausgerechnet von der im Wahlkampf verzweifelt schlecht liegenden Wiener Spitzenkandidatin gemacht, die nun offensichtlich Fünf vor Zwölf krampfhaft bei den bürgerlichen Wählern Profil zu gewinnen versucht, nachdem sie sich als Häupl-Plakatiererin ziemlich lächerlich gemacht hat.

Noch lachhafter ist jedoch der Hinweis der SPÖ (und natürlich der Grünen, welche ja stets die Sozialdemokraten als noch hemmungslosere Soziallizitierer zu übertreffen versuchen), dass es diese Arbeitspflicht ohnedies schon gäbe. Wäre dem wirklich so – und nicht nur auf einem geduldigen Stück Papier –, dann würden nicht allen Experten übereinstimmen, dass die Umwandlung von Sozialhilfe in Grundeinkommen einen dreistelligen Millionenbetrag teurer wird.

Ernster ist hingegen die Frage zu nehmen, ob durch eine solche Arbeitspflicht nicht jene Firmen samt den dazugehörigen Arbeitsplätzen leiden würden, die derzeit solche Arbeiten wie Parkpflege und Straßenreinigung vornehmen. Freilich: Die Lage der meisten Kommunen ist schon so schlecht, dass viele von ihnen in jedem Fall in diesem Bereich Kürzungen vornehmen werden. Dennoch sollte intensiv über Modelle nachgedacht werden, bei denen die Arbeitspflicht über jene bisher beauftragten Firmen organisiert wird, ohne dass diese Mitarbeiter abbauen dürften.

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Der kubanische Verrat oder: nur noch Häupl kann uns retten

14. September 2010 00:52 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Bald drohen Nordkorea und die österreichischen Gewerkschaften wirklich ganz alleine dazustehen. Denn jetzt ist auch noch Kuba umgefallen!

Innerhalb von drei Monaten will die bisher von allen Gutmenschen so gerühmte kommunistische Regierung Kubas nämlich nicht weniger als 500.000 Beschäftigte aus Staatsbetrieben und Ministerien entlassen. „Unser Staat kann und darf Produktionseinheiten mit aufgeblähten Belegschaften und Verlusten, die die Wirtschaft belasten, nicht weiter aufrechterhalten,“ erklärt – ausgerechnet – die Zentrale Gewerkschaft Kubas. „Sie sind kontraproduktiv, erzeugen schlechte Gewohnheiten und deformieren das Verhalten der Arbeiter.“

Hierzulande würden ÖGB, ORF und SPÖ hingegen ob sozialer Kälte empört aufschreien, auch wenn es nicht 500.000, sondern nur 50.000 wären. Selbst wenn sie die Überpointe noch gar nicht mitbekommen haben: Denn laut Kubas Gewerkschaft sollen die Gefeuerten nun Jobs ausgerechnet in den neuerdings erlaubten privaten Kleinbetrieben bekommen. Also bei jenen Ausbeutern, für welche die österreichische Linke sich derzeit Tag und Nacht neue Steuern ausdenkt. Etwa weil Betrieb, Einfamilienhaus und Auto des Chefs mehr als eine Million Euro wert sind, will man sie ihm in alljährlichen Scheiben wegnehmen.

Jetzt darf man Wetten abschließen, welche der beiden verbliebenen Säulen des real existierenden Sozialismus als letzte vom wahren Weg der Verstaatlichung abkommen wird: Nordkorea oder das Wiener Rathaus als Inbegriff der letzten noch total verstaatlichten Stadt Europas.

 

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Fußnote 132: Werners Offenbarungseid

07. September 2010 00:55 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Erfrischender ehrlich konnte Werner Faymann bei seinem Fernsehauftritt gar nicht sein: 

Denn keine Wortfolge verwendete er öfter als "Wir wollen nicht sparen . . ." Zugleich verkündete er dem staunenden Volk mehrfach, dass die SPÖ nicht weniger als acht Steuern erhöhen oder einführen will. Dazu wagte er es, mit großem Stolz das Ergebnis der Verwaltungsreformen von fast zwei Faymann-Jahren hinauszuposaunen: Irgendwelche Garagen wurden zusammengelegt. Deutlicher hätte er es gar nicht sagen können, was die SPÖ ist: eine Partei, die immer nur Steuern erhöhen und nie sparen will. Auch in Zeiten wie diesen. Danke, jetzt ists uns klar.

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Es ist doch noch möglich: der ORF kann noch röter werden

05. September 2010 00:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Einparteiendiktatur im ORF wird immer brutaler. Das zeigen die jüngsten Personalentscheidungen, die schon gefallenen und die mit Sicherheit noch bevorstehenden.

Und man kann wetten: Bei der bevorstehenden Kür eines neuen Hörfunkdirektors wird mit Sicherheit jener Mann auch die (direkte oder indirekte) Hilfe des Kirchenvertreters im Stiftungsrat bekommen, der hauptverantwortlich für die Antikirchen-Kampagne des Fernsehens während der letzten Monate gewesen ist. Aber bei der knieweichen Kirchenführung in Österreich  wundert ohnedies schon lange nichts mehr.

Begonnen hat es damit, dass der Hörfunkdirektor Willi Mitsche schon fast eineinhalb Jahre krank war und nun endgültig aufgeben muss. Was für den netten Kärntner tragisch ist. Aber halt: Ganz aufgeben muss Mitsche nicht. Er bekommt einen Vertrag mit einem Gehalt in der Höhe eines Landesdirektors! Ohne dass damit irgendeine nennenswerte Aufgabe verbunden wäre. Ja, Mitsche soll nicht einmal eine Anwesenheitspflicht haben. In der politischen Zoologie nennt man das einen Weißen Elefanten.

Na, ist das nicht sozial? Für Mitsche schon, für die vielen anderen ORF-Mitarbeiter, die vorzeitig in Pension gedrängt werden, obwohl sie noch voll arbeitsfähig sind, kann sich das Unternehmen solche sozialen Gesten freilich nicht leisten.

Nun ist Mitsche nicht wirklich abgegangen: Der Kärntner hatte – schon auf Grund seines als BZÖ-nahe geltenden Hintergrunds – auch in seiner gesunden Zeit nicht viel zu reden. Während seiner Krankheit sind die Werbeeinnahmen des Hörfunks sogar gestiegen. Was auch die Überflüssigkeit des Postens zeigt. Dennoch wird er nachbesetzt.

Einer Nachbesetzung stünde nach allen Gesetzen der Logik auch die Tatsache entgegen, dass laut ORF-Gesetz bei der nächsten Direktion ohnedies zwei Posten eingespart werden müssen. Da wäre es ja geradezu zwingend, gleich mit dem von Mitsche anzufangen.

Aber für die Bestellung eines zukunftsträchtigen Genossen muss allemal noch Geld in den leeren Kassen sein, wie wir am kommenden Donnerstag erfahren werden. Insbesondere wenn der Nachfolger Karl Amon sich in extremem Ausmaß für die SPÖ verdient gemacht hat. Zuerst schon als Informationsverantwortlicher im Landesstudio Wien, das er in eine reine Außenstelle der Wiener SPÖ verwandelt hat, und dann als mächtiger Fernseh-Chefredakteur, der Zeit im Bild & Co zu reinen SPÖ-Belangsendungen (mit grünen Einsprengseln) gemacht hat, in der Schwarz, Blau und Orange nur mit kritischem Unterton, Rot und Grün hingegen fast immer nur positiv vorkommen. In der vor allem die Bewertung, das Agenda setting, von einer rein linken Perspektive geprägt ist. Von der einseitigen Zusammensetzung zahlreicher Diskussionsrunden wollen wir gar nicht reden . . .

Noch viel wichtiger ist aber, dass ein anderer Karrierist aus der Wiener SPÖ schon mehrfach geplant hat, den obersten ORF-Chef Alexander Wrabetz durch Amon zu ersetzen: nämlich Werner Faymann. Der hat das Projekt dann zwar abgebrochen, weil zu mühsam, es aber im Grunde wohl nur aufgeschoben.

Da bietet sich nun die perfekte Chance, Amon auf eine noch höhere Ebene zu heben, wo er dann umso leichter den Sprung auf den höchsten ORF-Sessel machen kann. Wrabetz selbst, der ja seit Amtsantritt Tag und Nacht um seine Wiederwahl zittert, hat ohnedies keine Alternative, als jeden Wunsch der Partei zu erfüllen, und er hat daher Amon nominiert. Vielleicht hofft Wrabetz in seiner naiven Art auch, solcherart einen gefährlichen Rivalen auf ein Abstellgeleise zu bringen.

Die Herrschaften agieren mittlerweile schon völlig ungeniert. Was sich daran zeigt, dass sie bereits in der abgelaufenen Woche eine weitere ORF-Schlüsselstelle ganz im Sinn der SPÖ besetzt haben: Stefan Ströbitzer, seit vielen Jahren treuer Adlatus Amons und als dessen Stellvertreter Mitschuldiger am Linksdrall und am schweren Seherverlust der ZiB wurde zum Hörfunk-Chefredakteur bestellt. Dabei hatte sich dort bei einer Abstimmung die Redaktion – Wunder über Wunder –  für einen bürgerlichen Kandidaten ausgesprochen, der noch dazu direkt aus den Hörfunkjournalen kommt. Und nicht wie Ströbitzer seine Hörfunkerfahrung ausgerechnet bei Ö3 gemacht hat. Was für die Nachrichtensendungen (das einzige, was in Ö1 gehört wird) eine deprimierende Perspektive ist.

Wetten, dass natürlich auch im Fernsehen die Nachbesetzung der beiden nun freiwerdenden Posten im Fernsehen zu stramm linken Ergebnissen führen wird? Das System kann durchaus noch etliche Jahre funktionieren, hat doch die geniale Medienpolitik der ÖVP vor kurzem dem ORF 160 Millionen zugeschoben. Offenbar nur damit die SPÖ dort ungeniert ihre Spielchen spielen kann.

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Die Rückkehr von Proporz und Misswirtschaft

04. September 2010 01:13 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Fast kann man es nicht glauben, wie ungeniert Proporz und parteipolitischer Machtanspruch in Österreich um sich greifen. Jetzt soll der heimische Energieregulator E-Control eine Doppelführung bekommen. Nach strengem Parteiproporz. So wie wir ihn seit Jahr und Tag beim Wiener Flughafen gesehen und unter anderem mit dem Untergang der leidtragenden AUA teuer bezahlt haben.

Und leider ebenso natürlich ist offenbar, dass der neue Mann aus dem Dunstkreis der Wiener SPÖ kommen wird. Und dass er künftig die Interessen der Landesenergieversorger in der E-Control wahrnehmen wird.

Das ist so, wie wenn man einen Mafiaboss zum Chef der Staatsanwaltschaft macht. Denn diese Landesenergieversorger sind genau jener Bereich, der von der E-Control zu kontrollieren ist. Sie sind mehrfach zu einer Senkung der exorbitanten Stromtarife gezwungen worden. Mit denen sich die Landeshauptleute trotzdem immer noch ein sattes Körberlgeld für ihre Landes- und Parteibudgets verdienen konnten.

Die Länder sollen überdies, so ein undementiert gebliebener Bericht des „Standard“, viel mehr Rechte gegen Festlegungen der Preise durch die E-Control bekommen. Was sie aber wohl nicht mehr brauchen werden, da sie ja künftig ohnedies schon von der Spitze her die E-Control Politik mitbestimmen können.

Hui, werden da die Zeitungen kritisch berichten – würden nicht blitzschnell einige Inserate von Wienstrom und EVN geschaltet, was bekanntlich heilsam gegen jede Kritik ist.

Die Schaffung der E-Control war zweifellos eine der besten und wichtigsten Reformen der letzten zehn Jahre. Endlich stand da eine Institution mit Biss auf der Seite der Konsumenten und nicht auf jener der Strombosse oder der Politik. Endlich hat jemand den Wettbewerb zu fördern versucht.

Eigentlich müssten die Österreicher dem bisherigen Chef Walter Boltz dicke Dankessträuße flechten. Aber der Dank des Hauses Österreich war schon immer eine Schimäre, und seit die Genossen – mit ein paar schwarzen Schleppenträgern wie dem völlig versagenden Energie- und Wirtschaftsminister Mitterlehner an der Seite – das Sagen haben, ist aus dieser Schimäre blanker Machtzynismus geworden

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SN-Kontroverse: Sarrazin für Österreich?

03. September 2010 09:54 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.
Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Fehlt in Österreich ein Thilo Sarrazin?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Gefährlicher Blödsinn

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Die Thesen dieses Mannes sind abenteuerlich, absurd und von derart übersteigerten Ängsten gesteuert, dass sie unter normalen Umständen als die Ergüsse eines nicht ganz Dichten eingestuft würden. Dennoch diskutiert die deutsche Öffentlichkeit seit Tagen die Ansichten von Thilo Sarrazin, die er in seinem Wälzer „Deutschland schafft sich ab" zusammengefasst hat. Immerhin ist der Mann Vorstandsmitglied der deutschen Bundesbank und war einst SPD-Finanzsenator in Berlin.  
In seinem Buch vertritt er die These, dass die deutsche Bevölkerung schrumpfe und verdumme, ihr Potenzial verloren gehe und sie deshalb untergehe. Hauptursache dafür seien bildungsferne Migranten, ausschließlich Moslems - denn die seien absolut nicht lern- und integrationsfähig.
In seiner Abschaffungspanik  tut der Mann so, als wäre Deutschlands muslimische Gemeinde eine Clique aus Ehrenmördern und sexuell frustrierten Zeitbomben. Dem Islam spricht er  Veränderungs- und Entwicklungsfähigkeit ab. Vor einem Jahr faselte der Banker von  „neuen kleinen Kopftuchmädchen" und gestand Deutschtürken „keine produktive Funktion außer für den Obst- und Gemüsehandel" zu.  Von den Juden behauptet er nun, sie hätten ein „bestimmtes Gen" und auch die Basken hätten ein „bestimmtes Gen".
Nun will die deutsche Bundesbank ihr Vorstandsmitglied loswerden und die SPD ihn aus der Partei hinausbefördern. So viel geballten Blödsinn von Spitzenrepräsentanten will man sich verständlicherweise nicht weiter anhören. Besonders ungut ist aber, dass Sarrazin mit seinen Thesen dumpfe Vorurteile in der Bevölkerung schürt, die auch hierzulande die Lösung von Problemen, die es im Zusammenhang mit Migration gibt, erschweren oder verhindern. Weder Deutschland und schon gar nicht Österreich brauchen daher einen Thilo Sarrazin.

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Ein Fanal auf dem Weg zur Wahrheit

Andreas Unterberger

Thilo Sarrazin ist ein Fanal für die Krise der politisch-journalistischen Klasse: Jahrelang konnte sie ihr Deutungsmonopol in allen relevanten Fragen bewahren, und jetzt kommt einer, dem man nun wirklich nicht mit dem üblichen Faschismus-/Rassismus-/Verhetzungs-Geheul ankann. Ist Sarrazin doch als SPD-Mitglied, Bundesbank-Vorstand und einstiger Berliner Finanzsenator (ohne Defizite) nur schwer angreifbar.
Dieser Mann spricht nun in einem Buch ganz nüchtern eine ganze Reihe von Wahrheiten aus, die - je nach Umfragen - 60 bis 90 Prozent der Deutschen teilen. Umso selbstbeschädigender für die SPD, dass sie ihn nun ausschließen will. Umso dümmer, dass auch Angela Merkel über Sarrazin herfällt.
Es täte auch Österreich gut, hätte es einen Sarrazin, der den gleichen derzeit teilweise verschwiegenen Fakten nachgeht und zum Nachdenken oder auch Handeln zwingt: über den 1970 begonnenen Geburtenrückgang, der die Nachfahren der damaligen Bevölkerung am Ende des Jahrhunderts auf 20 Prozent schrumpfen lässt; die Bildung einer explosiven Parallelgesellschaft vor allem der Türken; die katastrophalen Schulergebnisse der Zuwanderer aus afrikanischen und islamischen Ländern (mit Ausnahme des Iran); die Tatsache, dass die Zuwanderer aus diesen Regionen dauerhaft in weit überdurchschnittlichem Ausmaß von den Geldern des Wohlfahrtsstaates leben; und hundert andere Fakten mehr.
Aber niemand sollte mir glauben, sondern einfach das Buch lesen - und ebenso die brandneuen Bände von Kirsten Heisig oder Udo Ulfkotte. Oder jene der brillanten Deutschtürkin Necla Kelek. Denn kein einziges der darin (über Deutschland) festgehaltenen Fakten konnte bisher als unrichtig widerlegt werden, sie widersprechen nur dem Tabu-Katalog der politisch korrekten Meinungsdiktatur. Und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit stimmt jede einzelne Aussage auch für Österreich - höchstens mit drei Jahren Verspätung.

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Kari der Mutige

01. September 2010 00:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Was der tschechische Außenminister Kritisches zur FPÖ gesagt hat, haben wir des langen und breiten aus unseren Medien erfahren. Sehr wenig aber hören wir von dem viel Interessanteren, was er an seinem eigenen Arbeitsplatz tut. Wovon man nämlich in Österreich wirklich etwas lernen könnte.

Karl Schwarzenberg baut 250 Mitarbeiter des 2000 Köpfe starken Außenministeriums einfach ab. Das sind mehr als zwölf Prozent. Er schließt sechs Botschaften und Generalkonsulate. Und er kündigt an, das werden nicht die letzten sein. Das sagte er den in Prag versammelten Botschaftern so direkt ins Gesicht. Und nicht etwa über die Medien.

Wann hat es in Österreich zuletzt einen Politiker mit so viel Courage und Konsequenz gegeben? Jeder österreichische Minister könnte und sollte sich von dem Mann ein dickes Stück abschneiden. Denn bei uns warten noch viel mehr solcher Herkules-Aufgaben auf führungsstarke Minister. Die wir aber leider nicht haben (lediglich die Innenministerin und zum Teil der Sozialminister haben das Zeug dazu).

Hut ab - auch wenn man Schwarzenberg in seinen langen Wiener Jahren eher als nuschelnden Frauenhelden oder Graf Bobby eingeschätzt haben mag. Denn das Schönste ist: Schwarzenberg ist heute der beliebteste Politiker seines ihm erst relativ spät zugänglich gewordenen Heimatlandes.

Die Unsrigen fürchten sich hingegen viel zu viel vor dem, was die Zeitungen schreiben, oder was böse Personalvertreter androhen. Daher werden aber die Tschechen mit Sicherheit einen besseren wirtschaftlichen Weg vor sich haben als die Österreicher.

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Ein Rücktritt als bescheidener Anfang

31. August 2010 14:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Christian Faul tritt zurück. Offenbar hat die Panik der steirischen SPÖ vor einer möglichen Wahlniederlage bei den Landtagswahlen plötzlich für einen Anfall von Sauberkeit gesorgt. Aber: Ist das wirklich Sauberkeit, was sich da abspielt? Ich zweifle.

Denn ein Schubser für einen Journalisten und ein halböffentliches A...-Wort für einen politischen Gegner sind der einzige aktuelle Anlass. Und diese beiden Fakten sind eigentlich kein ausreichender Grund, einen gewählten Mandatar zum Rücktritt zu zwingen. Das wären hingegen sehr wohl die vielen Jahrzehnte gewesen, in denen Faul für einen Schuldirektorenjob kassiert, aber nicht gearbeitet hat. Die aber haben in der SPÖ offenbar niemanden gestört.

In Wahrheit geht es hier nur um ein billiges Bauernopfer, um im Wahlkampf ein wenig Führungsstärke und Anständigkeit zu simulieren.

Aber wenn schon vor Wahlen plötzlich die Anständigkeit ausbricht, dann gäbe es anderswo moralisch noch viel zwingendere Gründe beschämt zurückzutreten. Das gilt vor allem für die gesamte Führungsgarnitur im Wiener Rathaus. Denn noch nie seit dem Kollaps der kommunistischen Staaten hat es in Europa ein so korruptes System gegeben, in dem Hunderte Millionen Steuergelder ungeniert für parteipolitische Zwecke missbraucht werden.

Diese Millionen werden für Kilometer an Inseratenflächen und schwachsinnige Kooperationen Rathaus-Medien ausgegeben, also für die Bestechung aller im Wiener Raum relevanten und zugleich willfährigen Medien (also leider fast aller), wie hier schon mehrfach dargestellt worden ist. Und sie werden ausgegeben für ein ungeheuerliches Geflecht an parteieignenen und parteinahen Unternehmen, die mit der Gemeinde (=Steuergeld) und untereinander ununterbrochen fette Geschäfte machen. Die Gewista, Verlage wie Echo und Bohmann, die Sozialbau, Agenturen und viele andere.

Das alles hat in überraschender Klarheit das "Profil" diese Woche offengelegt. Trotz der strammen Linksorientierung der Redaktion und trotz der Rauthausnähe des als Verleger agierenden Raiffeisenimperiums dominiert dort offensichtlich noch der journalistisch-unabhängige Antrieb, der es als zutiefst unmoralisch erkennt, was die Wiener SPÖ da so tut.

Also bitte: Freie Bahn der neuen Sauberkeit. Bitte um zahlreiche Rücktritte. Bitte um ein sofortiges Verbot, dass öffentlich-rechtliche Auftraggeber auch nur einen Euro als Auftrag an ein Unternehmen vergeben dürfen, das einer Partei gehört.

Die SPÖ kann beruhigt sein: Die Wahlen wird sie so und so gewinnen. Dafür sorgt nun auch die größte Wiener Oppositionspartei, die sich nicht entblödet, den SPÖ-Spitzenkandidaten groß und sympathisch zu plakatieren. Was zweifellos als GAD in die Geschichte der österreichischen Wahlkämpfe eingehen wird, als Größte Annehmbare Dummheit. Aber vielleicht ist ja auch die Wiener ÖVP schon gekauft - oder doch nur naturblöd?

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Die Krankheiten der Justiz

30. August 2010 01:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

 Richter und Staatsanwälte drängen auf mehr Unabhängigkeit. Sie wollen künftig nur noch einem eigenen Generalstaatsanwalt, beziehungsweise einem eigenen „Rat der Gerichtsbarkeit“ unterstehen. Das klingt aufs erste vernünftig. Erst auf den zweiten Blick werden aber gewaltige Pferdefüße sichtbar.

Vieles spricht aber jedenfalls für ein verstärktes Nachdenken über die Unabhängigkeit und die Qualität der Justiz:

Seit in der Ära Broda nachweislich politische Interventionen jahrelang die Strafverfolgung eines Mörders behindert haben, ist das Thema in Diskussion. Seit eine verunglückte Strafprozessreform die Staatanwälte fast allmächtig gemacht und Kriminalpolizei und Untersuchungsrichter entmachtet hat, ist die Diskussion noch viel wichtiger.

Noch wichtiger wurde die Kontrolle der Staatsanwaltschaft, seit das problematische Institut der Diversion eingeführt worden ist, mit der Staatsanwälte richterähnliche Befugnisse übernehmen und auf diesem völlig unkontrollierbaren Weg die Mehrzahl der Strafverfahren abhandeln/abwürgen können.

Dieses Misstrauen gegenüber der Staatsanwaltschaft hat sich dramatisch gesteigert, seit die Strafverfolgung des Lebensgefährten der damals amtierenden Justizministerin Maria Berger unter fadenscheinigen Vorwänden – und unter merkwürdigem Desinteresse der Mehrheit der Medien – plötzlich gestoppt worden ist (obwohl eine Richterin eindeutig ein Delikt gesehen hatte).

Eine weitere Eskalation war der Fall Kampusch, als die Staatsanwaltschaft geradezu skandalöses Desinteresse an dem durch Dutzende Indizien bewiesenen Zweittäter wie auch an der Frage gezeigt hat, ob Wolfgang Priklopil ermordet worden ist. Kein Mensch, der die Zusammenhänge kennt, kann auch erklären, warum ausgerechnet der wichtigste Eigentümervertreter der Bawag, nämlich der damalige ÖGB-Präsident Verzetnitsch, nicht auf der Anklagebank gelandet ist, obwohl er offensichtlich von den wichtigsten Vorgängen gewusst haben muss.

Völlig unfassbar ist auch das Desinteresse der sogenannten Korruptionsstaatsanwaltschaft an den Hunderten Millionen Euro Steuergeld, die Bund, Länder und deren Betriebe – an der Spitze das Wiener Rathaus-Imperium – zur Beeinflussung von Zeitungen und parteipolitischer Werbung ausgeben, eigentlich eine klassische Untreue.

Und ihren jüngsten Gipfel hat die Erregung rund um die Strafverfolger in den letzten Wochen erreicht, als die Medien ein einziges Sommerthema hatten: die angebliche oder wirkliche Laxheit der Staatsanwälte bei Vorgängen vor allem im blau-orangen Milieu, wobei es freilich noch keinerlei Indiz für eine politische Intervention gibt, und wobei hier natürlich wieder die alte linke Jagdpartie mit im Spiel war, die – siehe etwa den „Falter“ – am liebsten gleich die ganze verhasste schwarz-blaue Regierung auf die Anklagebank setzen würde.

In die Justizdebatte gehört aber auch das populistische Verhalten mancher Richter, die sich offensichtlich von Zurufen der Medien in ihrem Verhalten beeinflussen lassen. Anders ist die überlange U-Haft für Helmut Elsner nicht erklärbar, auch nicht das scharfe Urteil gegen Polizisten bei den Schüssen nach dem Kremser Merkur-Überfall. Aber auch das skandalöse Verhalten einer Wiener Richterin wirft ein schiefes Licht auf die Justiz, die sich (in einem Prozess im Umfeld der Kampusch-Causa) nicht für befangen erklärt hat, obwohl ihr eigener Vater als Staatsanwalt in dieser Causa als verfolgungsunwilliger Verfolger indirekt eine wichtige Rolle gespielt habe.

Was kann man wirklich tun?

Das schreit nach Diskussion und nach Verbesserung. Wobei die in den letzten Tagen beschlossenen personellen Maßnahmen ja zweifellos nur ein Randproblem betroffen haben.

Freilich sollten wir uns klar sein, dass auch in der Justiz nur Menschen handeln, weshalb sich niemand eine ideale Justiz erwarten sollte. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten, die einer intensiven Debatte wert wären:

-         Mehr Transparenz von Weisungen innerhalb der Staatsanwaltschaft;

-         Eine Wiederaufwertung von U-Richter und Polizei, sodass es einem Staatsanwalt nicht mehr möglich sein wird, quasi im Alleingang die Untersuchung eines Vorfalles einzustellen;

-         Eine verpflichtende Wiedereinführung von ökonomischen Lehrfächern ins Jusstudium, damit die Staatsanwälte und Richter diesbezüglich besser gerüstet sind.

Gehört dazu auch die Einführung eines  Generalstaatsanwalts samt Kappung des Weisungsrechts des Justizministeriums gegenüber den Staatsanwälten, damit die Staatsanwälte nicht mehr einem (Partei-)Politiker unterstehen? Viele, die das fordern, übersehen aber die entscheidende Frage: Und wer bestellt diesen obersten aller Staatsanwälte?

Die vorliegenden Vorschläge nennen das Parlament. Das ist aber nun gewiss kein unparteipolitisches Gremium. Im Gegenteil. Damit würde es entweder Wahlkapitulationen des zu bestellenden Generalstaatsanwalts gegenüber den Parteien geben, oder die Nominierung eines Generalstaatsanwalts würde im Koalitionspakt genauso im Proporz jeweils einer Koalitionspartei zugewiesen werden wie Minister- oder EU-Posten. Der Unterschied zur Gegenwart wäre also sehr gering.

Das amerikanische Modell einer Volkswahl von Strafverfolgern würde wiederum nach Sheriff-Art deren Populismus stark erhöhen.

Sollte es aber durch irgendeinen Zaubermechanismus gelingen, die Justiz wirklich aus jedem politischen Zusammenhang herauszulösen, dann droht eine ganz andere Gefahr: Es fiele die letzte Kontrolle für jene Richter weg, die ihre Leistung und ihr zeitliches Engagement schon jetzt auf ein Minimum heruntergeschraubt haben. Man schaue nur, wie viel Prozent der österreichischen Richter an Nachmittagen noch im Gericht anzufinden sind – und dabei haben sie alle im Gegensatz zu den ebenfalls in ähnlichem Verdacht stehenden Lehrern durchaus ordentliche Arbeitsplätze. Man schaue nur, wie milde oft Richter sind, wenn sie disziplinär über ihre eigenen Kollegen zu urteilen haben.

Gewiss: In diesem Themenkomplex Arbeitsdisziplin schaut es auch im Istzustand alles andere als zufriedenstellend aus. Wird die Justiz aber noch unabhängiger, dann wird das alles mit Sicherheit noch viel schlimmer. Obwohl immer mehr komplizierte Verfahren auf die Richter zukommen. Obwohl die Gesetzgebung immer neue Regeln erfindet, die zu judizieren sind.

Denn nur der Gesamtzusammenhang einer Regierung führt zum Zwang, sparsam zu sein. Gehört sich die Justiz jedoch selber, wird es wie bei den Landeslehrern: Der eine schafft an und der andere zahlt (und kann nicht einmal die Verwendung des Geldes prüfen).

 

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Die Steinzeit ist keine 15 Jahre her

29. August 2010 01:06 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist kaum mehr als ein Jahrzehnt her. Und doch erscheint alles, was vor 1996 war, wie die Steinzeit. Telephonie war ein staatliches Monopol. Mobiltelephonie war nur in katastrophaler Qualität und nur zu mörderischen Preisen möglich. Wer einen neuen Anschluss wollte, tat gut daran, prominent zu sein oder Beziehungen zu haben. Sonst dauerte es Monate, bis ein nicht gerade serviceorientierter Beamtentrupp erschienen ist. Und man bekam einst oft nur ein Viertel-Telephon, das jeweils nach zehn Minuten abschnappte.

(Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“. Diesmal ist sie dem Thema "Telekom und Privatisierung“ gewidmet.)

Es war wie der Wechsel von der Pferdekutsche zu Eisenbahn und Auto. Heute wird man von Telekom-Gesellschaften umworben; den Kunden wird fast jeder Wunsch prompt erfüllt, obwohl die Zahl der Mitarbeiter um Tausende gesunken ist; in Österreich telephoniert man so billig wie nur in wenigen anderen Ländern; und die Telekom-Gesellschaften machen dennoch ordentliche Gewinne.

 

Wie war diese Zeitenwende möglich? Durch drei Zauberworte: Privatisierung, Wettbewerb und technischer Fortschritt. Wobei Letzterer primär der Privatisierung zu verdanken ist. Denn nur die Aussicht auf die – für manche Menschen urbösen – Profite hat die Firmen zu gewaltigen Investitionen veranlasst.

Das Telephon ist damit zum Vorzeigeprojekt der neoliberalen Privatisierung geworden. Diese fand in fast allen Ländern statt und ist in Österreich besonders gut geglückt. Was man nicht nur an den Preisen ablesen kann, sondern auch daran, dass die Telekom, also das einstige träge staatliche Monopol-Amt, (vor allem über ihre Mobil-Tochter) zu einem europäischen Player geworden ist.

Vor diesem Hintergrund nehmen sich die einstigen ideologischen Schlachtrufe – „Die Grundversorgung ist gefährdet“, „Kein Verkauf von Tafelsilber“ – nur noch grotesk aus. Zumindest wenn man die Interessen von Konsumenten, Steuerzahlern, aber auch Investoren primär setzt.

Anders sieht es für die dort beschäftigten Beamten aus. Denn viele von ihnen bekommen tagtäglich demonstriert, dass sie eigentlich überflüssig sind. Was natürlich eine frustrierende Lebensperspektive ist. Die mutigeren und motivierteren unter den „Post-Beamten“ haben sich daher auch neue Berufe gesucht, oder wechseln in andere Beamten-Karrieren. Aber noch immer hat die Telekom Tausende Beamte zuviel. Die sich dagegen wehren, den vergoldeten, aber deprimierenden Käfig einer Beamtenlaufbahn zu verlassen. Die aber nicht mit den neuen Mitarbeitern Schritt halten können oder wollen.

Was wieder einmal bestätigt: Das Modell „Beamter“ ist ein längst überholtes. Es bringt wenig Leistung und kostet viel.

Wie viel besser wären etwa unsere Schulen, wenn die Lehrer nach Leistung bezahlt würden (also danach, was ihre Schüler am Ende mehr können als am Anfang), und wenn man sich von unfähigen trennen könnte. Letztlich wissen wir alle: Ein bisschen Angst um den eigenen Arbeitsplatz ist unglaublich gut für den Einsatzwillen, die Kundenorientierung und Kreativität.

 

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SN-Kontroverse: Privatisieren?

27. August 2010 01:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll der Staat Leistungen privatisieren?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Gier zulasten aller

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Der Markt regelt nicht alles, sondern neigt zu Extremen und bedarf der Regulierung. Manche Bereiche in einer zivilisierten Gesellschaft werden daher  nicht den auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Privaten überlassen, sondern vom Staat beziehungsweise  den Kommunen erledigt. Sie sind für jede Bürgerin und jeden Bürger von eminenter Bedeutung. Funktionieren sie nicht zuverlässig, führt dies zu täglichem Chaos. Man denke an die Abfallbeseitigung, die Versorgung mit Gas und Wasser, die Errichtung und der Betrieb von Schulen, Kindergärten, Krankhäusern und viele andere Aufgaben der Daseinsvorsorge.

Dass diese am besten von der öffentlichen Hand, namentlich den Gemeinden erfüllt werden, diese Erkenntnis ist nicht neu. Sie wird aber regelmäßig von den Propheten des Killerkapitalismus in Frage gestellt. Sie predigen die Privatisierung kommunaler Dienstleistungen und begründen dies gerne mit dem Argument der Effizienzsteigerung sowie dem Versprechen, dass alles billiger und besser werde.

 Das Gegenteil ist der Fall, wie das Paradeland der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen zeigt. In Großbritannien wurden sogar der öffentlichen Verkehr und die Wasserversorgung privatisiert. Mit dem Ergebnis, dass alles teurer und die Qualität der Leistungen viel schlechter wurde. Europaweit hat die Liberalisierung des Strommarkts nicht zu Zerschlagung der Monopolisten geführt, sondern es haben sich Oligopole gebildet, die erst recht nicht kontrolliert werden können. Ganz zu Schweigen von den Auswirkungen der Deregulierung der Finanzmärkte, die zur globalen Wirtschaftskrise geführt hat
.
 Wer jetzt noch immer nach der Privatisierung der so wichtigen öffentlichen Leistungen der Daseinsvorsorge ruft, handelt grob fahrlässig. Man kann dies auch Raffgier auf Kosten der Allgemeinheit nennen.     


Die Beweise sind überwältigend

Andreas Unterberger

Jede Wette: Die Finanznot der österreichischen Gemeinden wird diese sehr bald bei vielen ihrer Ausgabeposten zu radikalen Maßnahmen zwingen. Wo Privatisierungen noch zu den eher harmlosen zählen werden.

Auch der damals sehr mächtige Wiener Finanzstadtrat Rieder hat einst in einer Diskussion zugegeben: Kommunale Dienstleistungen wären um zehn bis zwanzig Prozent billiger, würden sie privatisiert. In Wahrheit ist die Differenz noch viel größer, wie Hunderte Beispiele zeigen.

Man schaue sich nur die Aufwärtsentwicklung der AUA an, seit die Politik dort nichts mehr mitzureden hat, seit dort die Betriebsräte über Nacht notgedrungen kooperativ geworden sind. Man schaue sich die Entwicklung fast aller einst verstaatlichten Industrien an. Man schaue sich die Donauschifffahrt an. Man schaue sich an, wie viel effizienter und billiger private Spitäler sind. Man schaue sich als gegenteiliges Beispiel die ÖBB an, die bei schlechter Dienstleistung alljährlich Milliarden an Steuergeld verschlingt.

Der bewiesene Erfolg von Privatisierungen ist so überwältigend, dass jene zwei, drei Prozent, wo - wie überall - auch etwas schiefgeht, überhaupt keine Beweiskraft haben.
Es gibt es keinen Grund, warum die Vorteile der Privatisierung nicht auch bei Schwimmbädern, Müllentsorgung, Abwasseraufbereitung, Stromversorgung & Co funktionieren sollte. Würde das dümmliche Argument stimmen, dass dann die Grundversorgung gefährdet wäre, dann müsste man von Brot bis Milch alles verstaatlichen. Denn die sind noch wichtiger als der Müll.

Opfer einer Privatisierung sind nur Betriebsräte und Parteien, die viel an Macht verlieren, die sich nicht mehr bereichern können. Und die Politiker, die nicht mehr so tun können, als ob sie es wären, die den Bürgern ein Schwimmbad schenken. Und die dann gewaltige Schulden hinterlassen.

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Der Bankrott der Forschungsförderung

26. August 2010 02:40 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn das kein Fortschritt ist: Jetzt hat Alpbach nun auch einen „Gender-Cocktail“ gehabt. In Österreich war man halt immer schon kreativ, um Gründe zum Alkoholkonsum zu finden, das gilt für Alpbach erst recht. Aber keineswegs eine Alkohol-Laune ist, was Infrastrukturministerin Doris Bures dabei verkündet hat. Denn sie hat offener denn je klargemacht, wie sinnlos und absurd die österreichische Forschungsförderung ist, für die nicht zuletzt sie zuständig ist.

Jeder der glaubt, Forschungsförderung werde nach rationalen Kriterien vergeben, der irrt. Denn die der Frau Bures unterstehende Forschungsförderungsgesellschaft FFG fördert „Basisprogramme“ nur noch dann, wenn – wie es in der gestelzten Bürokratensprache heißt – der Gegenstand der Projekte und ihre Folgewirkung, die Zusammensetzung des Foschungsteams und die Arbeitsbedingungen Gender-Kriterien entspricht.

Also auf Deutsch: Wenn es zumindest einen starken Frauenanteil unter den Forschern gibt, wenn in der Projektbeschreibung zehnmal die Worte „Gender“, „Frauen“ oder „Feminismus“ vorkommen, und wenn bei der Forschungsarbeit keine Überstunden (=frauenfeindliche Arbeitsbedingungen) gemacht werden dürfen, dann gibt es dickes Steuergeld als Förderung. Wenn nicht, dann eben nicht.

Damit wird Österreich ganz gewiss im internationalen Wettbewerb wieder gewaltig vorankommen. Glaubt zumindest Bures.

Es ist nicht mehr wichtig, ob ein Forschungsprojekt spannende Ergebnisse verspricht, sondern ob genug Frauen daran beteiligt sind. Was ja besonders bei technischen und naturwissenschaftlichen Forschungen ganz leicht sein wird, weil Frauen offenbar im Übermaß diese schwierigen, aber im wirtschaftlichen Wettbewerb entscheidenden Studienrichtungen eingeschlagen haben.  Oder hat da Frau Bures etwa eine Statistik falsch gelesen?

Frauen in jeder Menge gibt es nämlich in Wahrheit nur für politologische, psychologische, pädagogische Forschungsanträge. Die daher auch beste Chancen auf Annahme haben, sowenig wir sie auch brauchen. Für pädagogische Gender-Anträge gilt das freilich nur dann, wenn überdies schon im Antrag garantiert wird, dass das Forschungsprojekt endgültig die Überlegenheit von Gesamtschulen beweisen wird.

Diese Gender-Absurditäten sind aber nicht die ersten bekanntgewordenen Deformationen der milliardenschweren staatlichen Forschungsförderungen.

Schon länger waren ja auch andere politisch-manipulative Verzerrungen bei der Förderung von Forschungsprojekten bekannt: So etwa wird alles heftig gefördert, was die globale Erwärmungs-Theorie bestätigt; wer diese hingegen skeptisch hinterfragen will, der hat keine Chance auf Staatsgelder.

Ebenso umsatzträchtig ist es bei Anträgen an die diversen Förderungsfonds, wenn man Faschismus-Forschung ankündigt oder sich die Ausländerfeindlichkeit vorknöpft. Der absolute Hit müsste daher wohl sein: „Die globale Erwärmung wird als Ergebnis einer frauenfeindlichen, faschistischen und xenophoben Verschwörung entlarvt.“ (Copyright Unterberger, also Finger weg – ich will ja auch einmal ans dicke Geld).

Das besonders Ärgerliche: Diese Art von Forschungsförderung wird bei den in Kürze bevorstehenden dramatischen Budgetkürzungen fast als einziger Bereich ungekürzt bleiben. Denn die politisch herrschende Klasse redet uns ja ein, ihre Forschungsförderung sei besonders zukunftsträchtig.

Besonders heftig wird diese Behauptung vom Wirtschaftsforschungsinstitut verbreitet. Könnte das vielleicht gar damit zusammenhängen, dass Forschungs-Institute besonders heftig von Forschungs-Förderung profitieren?

Schon mehrfach habe ich auf das Beispiel der Schweiz hingewiesen. Dort gibt es überhaupt keine Forschungsförderung nach österreichischer Art. Sondern nur extrem gut finanzierte Universitäten, die dann aber wirklich frei von solchen politischen Dummheiten und Opportunismen entscheiden können. Dennoch oder gerade deshalb steht die Schweiz bei den Ergebnissen der Forschung weltweit an erster Stelle.

Forschung ist ja kein Selbstzweck – auch wenn das eine Zahnarztassistentin wie Bures vielleicht nicht begreift. Es geht um wirklich neues Wissen für die Menschheit. Es geht zugleich um Impulse fürs Wirtschaftswachstum, um künftige Arbeitsplätze und die Aufrechterhaltung des Wohlstandes. Dafür sind möglichst viele Patente, naturwissenschaftliche Erkenntnisse ebenso wie technische Erfindungen entscheidend.

Aber nicht das Geschlecht des Forschers.

 

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Schmerzliche Fragen ans liebe Vaterland

25. August 2010 01:44 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Viele Nachrichten dieses Tage machen den Tagebuchautor sehr nachdenklich. Und lassen frustrierende Fragen aufkommen. Auch wenn sie ganz unterschiedliche Bereiche betreffen.

Eine davon ist ein schlichter Strompreisvergleich: In Österreich zahlt die Industrie 10,37 Cent für die Kilowattstunde. In Frankreich, Schweden oder Finnland liegt der Preis hingegen jeweils unter 7 Cent. Was sagt diese Statistik einem Investor, der über die Ansiedlung einer neuen energieintensiven Produktion nachdenkt? Und was sagt sie der ÖVP, die offenbar wild entschlossen scheint, mit dem üblichen „Öko“-Schmäh die Energiepreise noch einmal kräftig anzuheben?

Parlamentspräsidentin Barbara Prammer hat eine kluge wie revolutionäre Idee. Was ebenso erfreulich wie überraschend ist. Sie stellt eine Abschaffung der Bezirkshauptmannschaften als einen spannenden Beitrag zur Verwaltungseinsparung zur Diskussion. Warum wird Prammer samt diesem Vorschlag postwendend von ihrem eigenen Parteichef und Bundeskanzler kalt abgespritzt? Ist der Mann wirklich nur zu feigem Herumgeschwafel imstande?

Noch eine zweite SPÖ-Frau hat einen mutigen und richtigen Vorschlag gemacht. Unterrichtsministerin Claudia Schmied will von den Ländern die zuviel kassierten Lehrergehälter zurückfordern. Was ihr sofort von der Regierungsspitze abgedreht wird; das werde erst an Sankt Nimmerlein, bei den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen, angesprochen werden. Dürfen wir das so werten, dass offener Betrug legitimierte Geschäftsgrundlage der österreichischen Realverfassung ist – zu der ja als wichtiger Eckstein die Abrechnungen zwischen Bund und Ländern gehören? Und dass gegen Betrug auf staatlicher Ebene nur dann etwas unternommen wird, wenn auch der Betrüger zustimmt?

Auch die Frauenministerin hat im Sommer eine Idee geboren. Sie will Überstunden abschaffen oder beschränken. Denn deretwegen machten die Männer im Haushalt kein Halbe-Halbe (jene Überstunden erklären übrigens auch in hohem Ausmaß und ganz unaufgeregt die ständig von ORF&Standard getrommelten Statistiken über angeblich ungleiche Bezahlung angeblich gleicher Arbeitsleistung). Wo bleibt eigentlich der Protest der Gewerkschaften, die sonst immer lauthals dagegen agitieren, wenn Arbeitnehmer durch Überstundenkürzungen weniger verdienen? Wo bleiben jene Stimmen, die der ministeriellen Fanatikerin endlich beibringen, dass auch im Geld-Nach-Hause-Bringen eine sehr relevante Hälfte dieses sozialdemokratischen Halbe-Halbe-Dogmas bestehen kann? Und wo ist die Freiheitsbewegung, die uns endlich von jenen totalitären Politikern befreit, die immer mehr unser privates Leben reglementieren und kontrollieren wollen?

Eine Reihe linker Medien vom ORF bis „Österreich“ vergießt Tränen, weil die Regierung der „Lebenspartnerin“ von Johanna Dohnal keine Witwenpension von der saftigen Ministerpension der verstorbenen Ex-Ministerin zugesteht. Zum Glück für den Steuerzahler hat die „Witwe“ nämlich nicht die nötige Wartefrist erreicht, die ihr einen Rechtsanspruch auf diesen Bezug geben würde. Und zum gleichen Glück ist diesmal die ÖVP standfest geblieben. Was aber dennoch viele Fragen aufwirft: Konnte die gute Frau nicht selbst Pensionsansprüche erwerben? Hat sie etwa, statt zu arbeiten und sich eigene Pensionszeiten zu erwerben, auf rätselhafte Weise entstandene gemeinsame Kinder gehütet? Oder will sie künftig gar zwei Pensionen kassieren? Hat schon ein einziger Politiker erklären können, weshalb Witwenpensionen, für die ja nie ein Groschen Beitrag bezahlt wird, auch alle jene bekommen, die kein einziges Lebensjahr an möglicher Arbeitszeit auf Grund der Kindererziehung verloren haben? Und warum ist dieser schon seit jeher in keiner Weise gerechtfertigte Anspruch von der Regierung neuerdings – nach der entsprechenden Wartefrist – auch auf alle schwulen Witwen/Witwer ausgedehnt worden, die eher selten Kinder bekommen?

Der Europarat rügt Frankreich wegen der Abschiebung rumänischer Roma. Denn alle EU-Bürger hätten das Recht, sich eine Zeitlang auf französischem Gebiet aufzuhalten. Meint dieser seltsame Europarat ernstlich, dass in Europa das Recht bestehe, sich niederzulassen und illegale Siedlungen zu errichten, wo auch immer man will, etwa im Wienerwald oder im Stadtpark? Ist es nicht mehr so, dass ich auch bei legalem Aufenthalt in einem anderen Land zusätzlich jemand finden muss, der mir ein Hotelbett vermietet oder das Campieren auf seinem Grund erlaubt? Warum sind solche Gutmenschen wie jene aus dem Europarat immer nur auf Kosten anderer gut? Warum bieten sie nicht selbst jedem, der das will, Wohnrecht in ihren eigenen Privatgärten an? Und was sagen eigentlich die dorthin entsandten nicht-linken Abgeordneten aus Österreich zu den ständigen Unsinnigkeiten des Europarates? Kassieren die nur? Oder bekommen sie mangels Präsenz gar nicht mit, was sich dort abspielt?

Die Gemeinde Wien will im Baumgartner Geriatriezentrum die Kapelle – in der für die alten Insassen immerhin noch täglich eine Messe gelesen wird – schließen und daraus ein multikulturelles und multireligiöses Mehrzweckzentrum machen. Da bleibt für die künftige Verwendung wohl nur noch eine Frage offen: Mit oder ohne Muezzin? Die zweite Frage können wir uns eher ersparen, nämlich ob Wien noch einen katholischen Bischof hat, der mutig für seine mit dem Rücken zur Wand stehende Religion kämpft.

In Kinderheimen der Gemeinde Wien sind in Relation zur Größe der Stadt mehr Fälle von Kindesmissbrauch bekanntgeworden, als sich bei der gesamtösterreichischen(!) Missbrauchskommission der katholischen Kirche gemeldet haben. Und das noch dazu, ohne dass in Wien ständig getrommelt worden wäre, sich doch unbedingt zu melden, wie es im Falle der katholischen Kommission alle Medien getan haben. Wie berichtet der ORF darüber? Täusche ich mich total oder wurde den gemeindeeigenen Missbrauchsfällen nicht einmal ein Bruchteil jener Sendezeit gewidmet, mit der die kirchlichen Fälle dramatisch aufbereitet worden sind? Und warum nur klang der Tonfall des ORF bei der ersten Wortmeldung des Wiener Bürgermeisters zu diesem Thema so sehr wie die Hofberichterstattung von Zeitungen des 18. Jahrhunderts? Neuerlich können wir uns hingegen die Frage sparen, ob angesichts der einseitigen kulturkämpferischen Hasskampagne insbesondere des ORF noch irgendwer für die österreichische Kirche kämpft.

Die Staatsanwaltschaft hat die Anklage im Floridsdorfer Mord- und Entführungsfall im Tschetschenenmilieu fertig. Darin findet sich auch der Hinweis, dass der tschetschenische Präsident Kadyrow die Drähte gezogen haben soll. Das macht die nächsten Wochen spannend: Lässt Österreich nun den ohnedies sattsam bekannten Herrn Kadyrow international zur Fahndung und Verhaftung ausschreiben – so wie es andere im Fall des blutrünstigen Sudan-Präsidenten getan haben? Traut irgendjemand der österreichischen Politik und Diplomatie diesen Mut und diese Konsequenz im Dienste des Rechtsstaats zu?

 

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Die Chance auf den großen Schul-Deal

24. August 2010 02:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Debatte ist ja nicht gerade neu. Trotzdem sollte man sie ernst nehmen: Sollen die Schulen bis hin zur Matura ganz zur Bundes- oder ganz zur Landessache werden? Die Debatte ist aber nicht nur alt, sondern auch gut und könnte in diesem Land vieles zum Besseren wenden.

Denn eines scheint nun Konsens geworden zu sein: So wie es bisher gelaufen ist, darf es nicht mehr weitergehen. Dabei ist es fast schon egal, ob sich letztlich das zentralistische Unterrichtsministerium durchsetzt oder die föderalistischen Bundesländer. Denn fast jeder klare Sieg einer der beiden Seiten ist besser als der schmierige Kompromiss des Ist-Zustandes, in dem die Länder bestimmen und der Bund zahlt.

Freilich sollte man es weder dem Unterrichtsministerium noch den Ländern allzu einfach machen: Jede Seite müsste – zumindest wenn es um eine seriöse Debatte ginge – nun ganz genau vorrechnen, welche Variante die billigere wäre. Denn müsste die Regierungsführung – zumindest wenn wir eine solche hätten – dann nur noch zwei Einsparungsziffern vergleichen. Und schon könnte die Entscheidung klar sein. Ob einem eine Claudia Schmied oder ein Erwin Pröll sympathischer sind, sollte dabei völlig außer Acht bleiben – zumindest wenn es rational zuginge.

Und was ist, wenn beide Varianten ungefähr gleich viele Einsparungen für den einzigen vorhandenen Steuertopf einbrächten (schließlich zahlen ja auch wir Steuerzahler ja „nur“ in einen einzigen Topf ein)? Dann ist tendenziell die Länderkompetenz vorzuziehen.

Denn je näher eine Kompetenz beim Bürger ist, umso besser, umso flexibler, umso menschennäher wird sie realisiert. Ein Lehrer wird nicht besser, wenn er in einer Großstruktur arbeitet, meist gilt sogar das Gegenteil. Außerdem würde eine solche Länderkompetenz (natürlich im Rahmen einheitlich vom Bund vorgegebener Kompetenzen!) einen gesunden Wettbewerb schaffen: In welchen Ländern werden die vorgegebenen Bildungsziele besser erreicht? Wo werden die Zuwandererkinder besser gefördert? Wo entsteht eine leistungskräftigere Elite?

Dieser Wettbewerb müsste in aller Transparenz dann auch sehr rasch auf die Schulebene hinunter fortgesetzt werden. Auch wenn das die Gewerkschaft nicht gerne sieht. Denn nur dort wird wirklich Erziehungsleistung geleistet. Dort müssten dann vor allem die Direktoren Kompetenzen bekommen, etwa auch jene, unfähige Lehrer rasch wieder in passendere Berufe zu verabschieden. Dort sollten dann auch die Eltern als die eigentlichen Auftraggeber mehr Rechte bekommen.

Dass eine Verländerung einen gesunden Wettbewerb auslöst, sieht man ja etwa in Deutschland, wo sogar Universitäten Landessache sind. Und wo alle Länder mit Gesamtschulen bei Vergleichstests wie Pisa viel schlechter abschneiden als die leistungsorientierten Länder.

Zum gesunden Wettbewerb gehören auch unbedingt die Privatschulen als das unverzichtbare Salz in der Suppe. Dort sollen bei annähernd gleichen Rahmenbedingungen religiöse und private Träger den Landes-Schulen zeigen können, wie man es besser macht. Und umgekehrt.

Können die Länder aber überhaupt billiger sein als der Bund? Nun, wenn sie, wie bei den Verwaltungsbeamten der Gemeinde Wien, weit über dem Bundesniveau liegende Luxusgehälter zahlen, wird das gewiss nicht funktionieren. Aber genau diese Fragen müssten präzise und verbindlich geklärt werden, bevor man über eine Verländerung der Schulen entscheidet.

Ist das nicht alles recht utopisch? Warum soll der Bund auf Schulkompetenzen verzichten?

Auf den ersten Blick ist diese Skepsis durchaus logisch. Auf der anderen Seite gibt es aber auch ganz klare Bereiche, wo die Länder Aufgaben abtreten könnten und sollten.

So ist die Aufrechterhaltung einer eigenen Landesgesetzgebung mit dem ganzen daranhängenden Apparat durch nichts mehr zu rechtfertigen – außer durch das Interesse der Parteien, Hunderte Funktionäre als Landtagsabgeordnete auf Kosten der Allgemeinheit zu finanzieren. In Wien sieht man es seit vielen Jahren am besten: Der Gemeinderat ist wichtig, hingegen sind die Entscheidungen der selben hundert Menschen, wenn sie plötzlich zum Landtag mutieren, ebenso selten wie irrelevant.

Auch im Spitalsbereich ist wohl nur noch eine bundesweite Organisation sinnvoll – oder aber ein pluralistische Struktur, die von unter Wettbewerb stehenden Krankenkassen und Versicherungen (samt Zuschüssen für Sozialfälle) getragen wird. Wobei letzteres zwar die beste Variante wäre, der SPÖ aber sicher nicht abgerungen werden kann.

Aber schon eine bundesweite Vereinheitlichung des Spitalswesens brächte Vorteile. Denn während bei Schulen Größe kein Qualitätsvorteil ist, ist das bei Krankenhäusern sehr wohl der Fall. Viele Ärzte bestätigen, dass eine ganze Reihe der heimischen Provinzspitäler ein echtes Gesundheitsrisiko darstellt. Etwa wenn dort bestimmte Operationen nur fünf Mal im Jahr durchgeführt werden.

Die Aufrechterhaltung vieler Spitäler erfolgt nur aus Prestigegründen, weil es für Bürgermeister und Landeshauptleute einen Machtfaktor bedeutet, an (Partei-)Freunde Ordinariate zu vergeben, weil bei regionalen Wahlkämpfen sofort die Kirchturmspolitiker die Oberhand behalten, die auf „unser“ Spital pochen. Bei Unfällen und Notfällen ist nicht die Nähe des anzufahrenden Spitals lebensentscheidend, sondern die Qualität des Notarztes an unmittelbarer Ort und Stelle. Ob dann die Fahrt oder der Flug ins Spital über 20 oder 80 Kilometer geht, ist für die Heilungschancen hingegen irrelevant.

Zeichnet sich da ein großes Design ab, das Österreich endlich voranbringen würde? Die Indizien mehren sich und die Sachlogik spricht eine klare Sprache.

Dennoch deuten die zwei allerwichtigsten Indizien in eine andere Richtung: Zum ersten haben die Krise und ihre langwierigen Folgen noch lange nicht in allen Köpfen den nötigen Bewusstseinswandel ausgelöst. Zum zweiten wäre es mehr als überraschend, wenn ausgerechnet diese Regierung, die bisher außer einem Verfassungsbruch, einer Explosion der Korruption (via Bestechungsinserate), der Verschwendung von Milliarden für eine pleitegegangene Regionalbank und einer absurden Grundsicherung nichts zustandegebracht hat, plötzlich zu solch historischen Kraftanstrengungen imstande wäre.

Aber warten wirs ab. Existenzialisten würden sagen: Trotz allem hoffen.

 

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Die Löhne als Krisentreiber: Angstsparen statt Konsum

19. August 2010 01:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist eines der beliebtesten Argumente wider alle Appelle zum Maßhalten: Erhöht man die Löhne, dann wird mehr konsumiert. 

(Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“. Diesmal ist sie der These "Konjunkturankurbelung durch Konsum" gewidmet.)

Die These klingt durchaus logisch, nicht nur weil sie von so vielen Politikern ständig wiederholt wird. Wer wenig in der Kasse hat, gibt weniger aus. Und umgekehrt.

Steigender Inlandskonsum ist auch ein wichtiger Faktor der Konjunktur. Diese wird im Wesentlichen entweder von Staatsausgaben oder von Investitionen oder vom Export angetrieben. Oder eben vom Konsum. Daher hat der Finanzminister im krisengeschüttelten 2009 mehrfach an die Konsumenten den ungewöhnlichen Appell gerichtet, doch bitte, bitte mehr zu konsumieren.

Immerhin waren 2009 Löhne und Pensionen in Österreich so stark gestiegen wie in fast keinem anderen Land. Während anderswo die Krise Zurückhaltung auslöste, waren die österreichischen Gewerkschaften und Pensionistenverbände mit ihren Forderungen sehr erfolgreich. Standen ihnen doch bei den diversen Erhöhungsverhandlungen für das Jahr 2009 im Herbst 2008 eine eher schwache Wirtschaftsvertretung und eine auf Wahlen fixierte Regierung gegenüber.

Dennoch ist der Glaube an eine Konjunkturbelebung durch Konsum eine gefährliche Milchmädchenrechnung. Gerade in Österreich und gerade in Krisenzeiten. Das hat drei Gründe:

Erstens geht in Österreich jeder zusätzliche Konsum-Euro zu weit mehr als der Hälfte in importierte Produkte oder in Auslandsreisen. Daher kurbelt ein erhöhter Konsum nur mit einer sehr geringen Hebelwirkung die heimische Wirtschaft an, und mit einer viel größeren die in anderen Ländern.

Zweitens wirken sich die Erhöhungen von Pensionen und Beamtengehältern langfristig negativ auf Konjunktur und Arbeitsplätze aus, nämlich dann, wenn sie mit Schulden finanziert sind. Denn spätestens seit dem Fall Griechenland und den brutalen Sparmaßnahmen von Spanien, Irland oder Italien müssen auch die fanatischsten Keynesianer begreifen, dass Schulden eines Tages zurückzuzahlen sind. Und zwar meist zu besonders ungünstigen Zeitpunkten. Denn in Boomzeiten bekommen auch schlechte Schuldner weiterhin die Kredite nachgeworfen.

Und drittens zeigen immer mehr Studien, dass die Konsumausgaben der Menschen viel weniger von ihrem persönlichen Kassastand abhängig sind, als man gedacht hat. Viel wichtiger sind ihre Stimmungen und Erwartungen über die künftige Entwicklung. Und da zeigt sich, dass die Menschen ausgabenfreudiger werden, wenn sie sich sicher fühlen, wenn ihnen keine Steuererhöhungen drohen, wenn der Staat sparsam wirtschaftet.

Wenn die Menschen hingegen nicht an eine solche Zukunft glauben, dann tun sie allen Appellen eines Ministers zum Trotz mit allen Kräften vor allem eines: Sie sparen. Dieses Angstsparen findet in Zeiten zusätzlicher Inflationsängste weniger auf Sparbüchern als auf dem Gold-, dem Immobilien, dem Franken-Markt statt. Der Republik bleiben die Schulden für diese vermeintliche Konjunkturankurbelung. Und den Arbeitgebern Lohnkosten, die sie weiter Richtung Asien verjagen.

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Aus Schaden wird man dumm

18. August 2010 07:44 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der Wiener Wahlkampf kommt in die schmutzigen Gänge. Die FPÖ wirft uns wieder ihre Reim-Knüppel vor die Füße. Blut und Boden in Operetten-Harmlosigkeit gepackt und ein HC Strache dazu blauäugig lächelnd. Der programmierte Aufschrei über die Nazi-Diktion ist erfolgt. Von nun an geht’s bergab. Kein Wunder: Die geballte Inkompetenz der versammelten Wiener Opposition reicht nicht, Michael Häupl die absolute Mehrheit streitig zu machen. Und das angekündigte „Bürgermeister-Duell“ Straches wird nicht statt finden, denn die FPÖ hat nicht einmal noch 20 Prozent der Wähler hinter sich scharen können – also her mit dem emotionellsten aller Themen, den Ausländern. Aus Schaden wird man dumm.

Nicht dass die Diskussion des Themas in Zwischenwahl-Zeiten intelligenter wäre.

Da werden Begriffe und Schicksale verwechselt. Der „Fall Arigona“ hat dem wichtigen Thema Asyl kaum mehr behebbaren Schaden zugefügt – zu lange wurde da mit über 100 Asylanträgen, Eingaben und Rekursen für Menschen gekämpft, die alles andere waren als Asylanten. Ärger konnte den wirklich Verfolgten, die bei uns Zuflucht suchen, nicht geschadet werden.

Da gaukelt man den Bürgern vor, dass nach jahrzehntelangem Laissez-faire in der Zuwanderungspolitik jetzt nur mehr die Hochgebildeten und Bestausgebildeten hereingeholt werden – als ob die in ein kleines Hochsteuerland drängten. Dass die Brainpower des Auslands nicht Schlange steht, um in die Mitte Europas einzuwandern, das haben die Deutschen schon unter Gerhard Schröder feststellen müssen.

Und da hat man über Jahre nur zwei Antworten auf die steigende Zahl von Migranten und das wachsende Unbehagen mit den Schattenseiten des Phänomens. Grünlinks setzt auf Multikulti-Gutmenschentum, das in Holland bereits gescheitert ist. Dort hat diese Geisteshaltung erst zu religiösem Extremismus, dann zu extremem politischen Abwehr-Nationalismus geführt und eine zerrissene Gesellschaft zurück gelassen.

Am anderen Ende des Spektrums sind Strache und seine Mannen, deren Horizont gerade einmal bis zu ihren eigenen Schlagworten reicht, die vorgaukeln, dass man die kriminellen Ausländer nur einsperren und abschieben müsse und dann wären ohnehin alle weg.

Dazwischen stehen die ÖVP und die SPÖ, die je nach Bedarf ein bisschen menscheln, dann wieder ein bisschen auf Law-and-Order setzen. In die Gemeindebauten schickt man Sheriffs, die den Clash der Kulturen (oder Un-Kulturen) niedrig halten sollen. Dann verständigt man sich mit Müh und Not auf die unterste Anforderung – nämlich Deutschkenntnisse - als Grundvoraussetzung für eine Integration. Brennende Probleme – wie die islamistischen Hassprediger in manchen Moscheen – übersieht man lieber.

Das alles schafft nur eines: ein großes Unbehagen, das sich oft pauschal gegen „die Ausländer“ richtet, statt gegen die Politiker, die einmal mehr nicht imstande sind, Probleme zu lösen.

Was bei uns fehlt, ist eine Stimme der realistischen Vernunft.

In Deutschland ist in diesem Sommer eine Stimme der Vernunft verstummt. Die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig ist unter tragischen und immer noch rätselhaften Umständen aus dem Leben geschieden. Nun ist – quasi als „Vermächtnis“ - ihr nachgelassenes Buch über Jugendkriminalität („Das Ende der Geduld“) in die deutsche Sommerruhe geplatzt. Vieles von dem, was sie sagte, noch mehr von dem, was sie bewirkt hat, sollte auch uns beschäftigen.

Kirsten Heisig war 20 Jahre lang Jugendrichterin in Berlin-Neukölln – in einem Bezirk, in dem der Migrantenanteil 15 Prozent (drei Viertel Türken, ein Viertel staatenlose Palästinenser) ausmacht, wo es in den Hauptschulen fast 100 Prozent Migrantenkinder gibt, wo die Arbeitslosigkeit allgemein bei 23 Prozent, unter der migrantischen Bevölkerung aber bei 60 Prozent liegt. 214 der 550 Berliner Intensivtäter (das sind Personen, die innerhalb eines Jahres mindestens zehn erhebliche Delikte begangen haben) leben in Neukölln.

Das alles ist nicht von heute auf morgen passiert. Aber auch in Deutschland hat die Politik dieser Entwicklung so lange unbeteiligt zugeschaut, bis es zu spät war.

Kirsten Heisig hatte das Ergebnis täglich vor sich in ihrem Gerichtssaal. Und wollte etwas ändern. Schnell hatten die Medien deshalb auch einen Namen für sie: „Richterin Gnadenlos“. Denn das Erste, was sie durchsetzte (und was wegen großen Erfolges in ganz Berlin übernommen wurde), war die Ausschaltung bürokratischer Verzögerungen in der Gerichtsroutine: In Eigeninitiative koordinierte sie sich mit Polizei und Staatsanwaltschaft so, dass zwischen einer Straftat und dem Gerichtsverfahren nur mehr drei Wochen vergehen. Die Erinnerung an die Tat ist wichtig, das Gefühl, dass es einen Zusammenhang zwischen dem begangenen Unrecht und dem Urteil gibt, ist wesentlich.

Doch Frau Heisig ging viel weiter: In ihren Urteilen wies sie die jugendliche Klientel an, zur Schule zu gehen. Und sie kümmerte sich darum, dass ihrem Spruch Folge geleistet wurde. Sie arbeitete mit den Lehrern zusammen, verhängte Beugearreste bei Schulschwänzern und überrumpelte so viele Unwillige. Erstens hatten die von der Politik zur Hilflosigkeit verdammten Lehrer wieder irgendeine Möglichkeit sich durchzusetzen. Und zweitens wurden jugendliche Delinquenten  nolens volens in der Schule gehalten, was vielfach auf den Weg zurück in die Gesellschaft half.

Kirsten Heisig wollte aber nicht warten, bis einer schon ein Urteil ausgefasst hatte. Sie entdeckte die gesetzliche Möglichkeit, den Schulbesuch mit bis zu 2500 € Geldbuße und bis zu sechs Wochen Erzwingungshaft für die Eltern durchzusetzen. Und sie tat es – gnadenlos. Aber mit einem Ziel. Sie ging auf die Eltern – in ihrer Freizeit! – in Migrantenvereinigungen, in Moscheen zu und erklärte sich: „Es geht um das Fortkommen ihrer Kinder, damit diese nächste Generation als Lehrer, Erzieher, Polizeibeamte etc. beschäftigt werden kann“. Es ging Heisig um die Zukunft ihrer Stadt – auch weil sie zwei Töchter hatte. So wie unsere Kinder und ihre Zukunft davon abhängen, dass wir heute dafür sorgen, dass auch die jungen Österreicher mit Migrationshintergrund es in dieser und für diese Gesellschaft zu etwas bringen.

Denn wenn wir realistisch sind, dann wissen wir: Diese Menschen bleiben hier. Und ob sie an der Zukunft dieser Stadt positiv mitwirken oder ihr zu einem Klotz am Bein werden, hängt auch davon ab, ob wir heute nicht nur Rechte garantieren, sondern auch Pflichten durchsetzen. Darüber müsste man reden, dafür müsste man handeln. Nicht idiotische Reime plakatieren und sich darüber alterieren.

Aber Wahlkampfzeiten sind schlechte Zeiten für den Gebrauch von Intelligenz. Und in manchen Fragen herrscht bei uns eben Dauerwahlkampf.

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Das Ende des Medienzeitalters

14. August 2010 07:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Pressefreiheit war im Jahr 1848 die wichtigste Forderung der Demonstranten auf Wiens und Europas Straßen.Was ist heute daraus geworden? Eine ernüchternde Bilanz.

(Diese Studie wurde in ähnlicher Form auch für die Österreichische Akademie der Wissenschaften erstellt. Vorwarnung: Sie ist deutlich länger als sonstige Beiträge, steht hier aber trotzdem ungekürzt zur Verfügung).

Die Freiheit der gedruckten Medien (andere gab es damals ja noch nicht) von staatlichen Eingriffen, Zwängen und Repressionen war das zentrale Anliegen der liberalen Revolution. Das zeigen die Flugblätter aus jenen Tagen.

Dahinter stand die Überzeugung: Sind erst einmal die Medien frei und können sie ungehindert die Mächtigen kontrollieren und kritisieren, dann folgen alle anderen Grundrechte automatisch. Aber nur dann. Das wurde letztlich auch von der Geschichte bestätigt. Angst vor den Medien und ihrer Freiheit prägt hingegen alle Diktaturen, ob sie nun andere Grundrechte wie Religions- oder Reisefreiheit gewähren oder nicht.

Das Medienrecht: Zuviel und Zuwenig

Heute stellt sich die Frage, was wurde seither aus der Pressfreiheit bzw. der Medien- und Meinungsfreiheit? Dabei kommt man zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen: - es gibt neue Bedrohungen und bedenkliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit; - es gibt zugleich Exzesse, die vielleicht sogar von einem Missbrauch sprechen lassen.

Freiheits-Exzesse:

Die Medien selbst scheinen heute rechtlich in einem Ausmaß frei, dass auch hochrangige Juristen engere Grenzen dieser Freiheit zu diskutieren begonnen haben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat im Gegensatz zur Ansicht österreichischer Richter alle Personen des politischen Lebens samt ihrem Privatleben gegen publizistische und voyeuristische Vernichtungsfeldzüge praktisch vogelfrei gestellt. Sie müssen sich praktisch jede Attacke und Verhöhnung wehrlos gefallen lassen.

Der medienrechtliche Persönlichkeitsschutz ist innerösterreichisch auch unabhängig von diesem EGMR einem ständigen Abbau ausgesetzt. Strafen für Mediendelikte sind so niedrig, dass sie (samt den sonstigen Verfahrenskosten) zwar kleine Medien hart treffen, dass sie den großen – und meist besonders hemmungslosen – Boulevardmedien hingegen gleichgültig sein können. Lediglich im ununterbrochen fortgesetzten Wiederholungsfall hat das Medienrechte für große Medien spezialpräventive Wirkungen.

Freiheits-Defizite:

Es gibt aber auch umgekehrt Bereiche, wo die Medien von der Rechtsordnung unbegründet gequält werden.

  1. Das gilt in Österreich besonders für das inhaltlich wie vor allem formal schikanöse Gegendarstellungsrecht.
  2. Das gilt für die Tatsache, dass selbst beim besten Willen oft nicht erkennbar ist, wo die Grenze von Erlaubt und Verboten bei der Identifizierbarkeit von Privatpersonen durch Foto und Namensnennung liegt (was dann oft von Verbrechern zur Finanzierung ihrer Verteidigungskosten auf Kosten der Medien genutzt wird).
  3. Das gilt auch für das Urheberrecht, das unter Druck der sogenannten Urheber so gestaltet worden ist, dass Medien heute nur noch mit täglichen Verletzungen des Urheberrechts produziert werden können. Man denke nur an das Bild von einer Kunstausstellung: Die Galerie ist zwar am Abdruck interessiert, aber sowohl der Künstler wie auch der Photograph können im Nachhinein schikanöse Forderungen stellen, obwohl die Berichterstattung eigentlich im Interesse aller Akteure ist.
  4. Unbefriedigend ist auch die faktische Benachteiligung der Printmedien im Medienrecht: Bei Zeitungen und Zeitschriften bleibt das Produkt dauerhaft physisch vorhanden; bei ihnen kann man inkriminierbare Fehler auch noch mit Verspätung nachlesen. Online-, Radio- und Fernsehbeiträge sind hingegen de facto oft ein sehr vergängliches Ziel für rechtliche Schritte ihrer Opfer. Im  Problemfall werden problematische Inhalte oft blitzschnell vom Netz genommen.
  5. Im Internet tut man sich (abgesehen von den Online-Auftritten der großen Printprodukte) oft schwer, einen Verantwortlichen festzunageln, gegen den man mit Erfolgsaussicht Forderungen erheben kann. Sofern Mediendelikte in der Flut von www-Seiten nicht ohnedies untergehen. Viele nur für Österreich produzierende Internet-Produkte sind in exotischen Ländern „daheim“.

Es gibt also viel Diskussionsbedarf für Reformen im Medienrecht. Die größeren Bedrohungen für die wichtige Aufgabe der Medien als Eckpfeiler jeder Demokratie, als unabhängige Kontrolle und – wenn man so will – als vierte Gewalt im Staat liegen aber ganz wo anders.

Datenschutz

Zwei zentrale Probleme bei der Erfüllung dieser Aufgabe heißen Datenschutz und Amtsgeheimnis: Immer öfter entdecken Beamte und Politiker, dass sie sich perfekt hinter der Berufung auf Amtsgeheimnis oder Datenschutz verstecken können. Und damit auch die eventuellen Spuren von Faulheit, Dummheit, parteipolitischer und sonstiger Protektion oder gar krimineller Korruption. Zwar werden Datenschutz und Amtsgeheimnis immer wieder gezielt durchbrochen. Aber dies geschieht eben gezielt und illegal, wobei die Spuren der Täter gekonnt verwischt werden: Aus Akten werden nur jene Teile hinausgespielt, welche die ganze Angelegenheit in dem vom jeweiligen Informanten/Denuzianten erwünschten Licht erscheinen lassen.

Es gibt bei dieser gezielt selektiven Informationsweitergabe durch Whistleblower meist keine Möglichkeiten für korrekt recherchierende Medien, den gesamten Zusammenhang aufzudecken. Was insbesondere in Zeiten wichtig wäre, wo die Arbeit der Staatsanwaltschaft heftig kritisiert wird.

Dieser Mechanismus macht viele Journalisten überdies abhängig von Spin-doctoren, PR-Agenten und Desinformanten, die beide nicht informieren, sondern nur die öffentliche Meinung durch Unwahrheiten oder einseitige Informationsweitergabe zu manipulieren versuchen. Geht ein Journalist den Spin-doctoren hingegen aus dem Weg, dann bekommt er oft gar keine Informationen. Was ihm beruflich schaden könnte.

In dieser Malaise gäbe es eine klare Lösung. Alle Manipulationen hätten ein Ende, wenn wie in Skandinavien jeder staatliche Akt  jedem Bürger prinzipiell zugänglich ist. Dies geht dort richtigerweise auch bis hin zu fremden Steuerbescheiden. Ebenso plant die neue britische Regierung, jeden einzelnen Geldfluss aus Steuerkassen samt Empfängern im Internet zu veröffentlichen. Eine solche totale Transparenz  wäre auch der beste Schutz gegen Korruption und unberechtigte Denunziation durch Falsch- oder Teilinformationen. Das hätte nämlich sehr positive Vorwirkungen: Amtsträger wären automatisch nicht nur vorsichtiger, sondern auch zurückhaltender, also anständiger bei Protektion, Korruption oder Faulheit.

Am Rande der Pleite

Viel schwieriger ist es, eine Strategie gegen eine weitere große Bedrohung zu finden: Die besteht nämlich in den existenziellen wirtschaftlichen Nöten vieler Medien. Der größere Teil der weltweiten Tageszeitungen schrieb in den letzten zwei Jahren rote Zahlen. In den USA sind allein 2009 über 50 Zeitungen eingestellt worden. In Deutschland haben in einem Jahr 4000 Journalisten ihren Arbeitsplatz verloren. In England mussten schon zwei prominente Zeitungen an russische Oligarchen verkauft werden. Die Zeitungen verlieren zentrale Quellen ihrer Finanzierung.

Eine Ursache dafür sind natürlich die Wirtschaftskrisen. So wie schon 2001/2002 schaltete auch ab Herbst 2008 naturgemäß fast niemand Stelleninserate; braucht doch kaum eine Firma in der Krise zusätzliche Mitarbeiter. Die Umsätze aus Personalinseraten sind in der Folge um 50 bis 70 Prozent zurückgegangen. Aber auch die Marketing-Inserate (etwa des Handels) werden gerne als rasch umsetzbare Einsparung brutal zurückgefahren. Selbst wenn das betriebswirtschaftlich absolut falsch ist, weil es den Umsatz des Handels weiter reduziert.

Zum anderen leiden alle Zeitungen – vor allem die einst so gewinnträchtigen Regionalblätter – massiv unter dem Internet. Und diese Verluste sind permanent. Da ist keine Erholung denkbar. Noch viel schmerzhafter sind aber die langfristigen Verluste bei den  Anzeigenumsätzen. Diese bilden  jedoch den größeren Teil des Zeitungsumsatzes: Wohnungs-, Auto- und Stellenmarkt wandern im Eiltempo ins Internet. Dort kann ein Inserent ja auch viel billiger viel mehr über die zu verkaufenden Güter und die zu besetzenden Jobs kommunizieren. Man denke nur an Grundrisse und Fotos von Wohnungen.

Die Gefahren des Internets

In diesem Zusammenhang stößt man des öfteren auf eine beschwichtigende Interpretation: Der Journalismus wechsle ja nur seine technische Plattform – also vom teuren und umweltbelastenden Papier zu Glasfaserkabel und flimmernden Bildschirmen. Das koste zwar mehr Strom, sei aber sonst ok.

Das Internet hat jedoch einen gravierenden Nachteil: Dort will leider nach wie vor kaum jemand für die Nutzung zahlen. Es gilt die Devise „Content is free“ – auch bei den Internet-Auftritten der professionellen Zeitungen: Kaum verlangt ein Medium einen Beitrag für die Konsumation seiner Texte, sinkt die Quote gegen Null. Denn irgendwelche Informationen im Schnellimbissverfahren kriegt man ja immer. Und viele Menschen halten das für ausreichend. Der Autor dieses Beitrags könnte jetzt zwar auf das Gegenbeispiel seines eigenen Internet-Blogs verweisen (andreas-unterberger.at). Dort haben sich binnen eines halben Jahres fast 500 der insgesamt 220.000 User (Unique Clients) gefunden, die jährlich mindestens 120 Euro für das Weiterbestehen des Blogs zahlen. Dieser ist damit tatsächlich ökonomisch gesichert – aber eben nur als Ein-Mann-Unternehmen.

Das kann nicht als Beispiel für Hunderte andere Blogger dienen, die sogar ihre EDV-Kosten selber finanzieren müssen. Die eben nicht die Bekanntheit eines 14 Jahre amtierenden Chefredakteurs zweier österreichischer Qualitätszeitungen haben. Journalismus – ob für Papier oder Netz – ist aber eine kostspielige Sache. Soll ein Journalist unabhängig recherchieren – noch dazu gegen die Widerstände von Desinformanten, PR-Agenturen, Datenschutz und Amtsgeheimnis – und nicht bloß PR-Texte transportieren, braucht das Zeit und sehr gute Qualifikation.

Zum Leidwesen der Verlage verlangen solche Journalisten aber einen Lohn für ihre Tätigkeit. Heute weiß jedoch in Wahrheit kein Verlag mehr, wie diese Lohnkosten in zehn oder zwanzig Jahren finanziert werden können. Da würde auch die notwendige und diskutierte Mäßigung des vor allem für ältere Journalisten viel zu teuren Journalisten-Kollektivvertrags kaum etwas ändern.

Das Internet ist aber noch in einer anderen Hinsicht sehr gefährlich. Es ist eine ununterbrochene Quelle von bewussten Falschmeldungen, von als Information getarnter Werbung, von anonymisiert daherkommender Propaganda, von Scherzen pubertierender Jünglinge. Die immer wieder vorkommenden Missbräuche von Wikipedia sind Legion. Der Glaube mancher Publizistik-Professoren, dass die Millionen unterschiedlicher Beiträge im Netz die Demokratisierung der Wahrheitssuche bedeuten, hat sich wegen dieser vielen Missbräuche längst als Fiktion erwiesen.

Qualitäts-Journalismus

Journalismus ist eine grundrechtlich geschützte Tätigkeit. Aus gutem Grund haben Nachtlokal-Besitzer keinen spezifischen Schutz. Dass der Grundrechtsschutz (Meinungsfreiheit, Redaktionsgeheimnis) auch reinen Unterhaltungsmedien zugute kommt, ist nicht unproblematisch. Jedoch lässt sich Unterhaltung nie scharf von Information trennen. (Was ist etwa die Nachricht, dass Paris Hilton in Südafrika Drogen konsumiert haben soll?)

Qualitäts-Journalismus bedeutet jedenfalls mühsame Knochenarbeit und Auswahl unter den Millionen Ereignissen, die jede Minute passieren. Das kann nur gelingen mit viel Wissen und Erfahrung, mit Vergleich und Bewertung. Er besteht in persönlicher Verantwortung einer Redaktion, der ein Konsument – oft nach langer Suche – sein Vertrauen schenkt, dass er dort täglich das für ihn Wichtigste zusammengestellt findet; dass dort nicht allzu viele Fehler passieren; dass er auch das an Interessantem findet, wonach er eigentlich gar nicht direkt gesucht hat; und dass das alles auf einem intellektuellen Mindestniveau analysiert und kommentiert wird.

Natürlich passieren auch seriösen Journalisten Fehler; aber solange eine Redaktion frei arbeiten kann, sorgt die Kontrolle im Team dafür, dass sich die Fehler eines Journalisten meist nicht zum systematischen Fehler entwickeln. Den es im Internet schon gibt. Im Internet kursieren Unwahrheiten mit einem Tempo, dass keine Quellenkontrolle mehr möglich ist. Im Internet gibt es niemanden mehr, der dem Kunden als Vertragspartner eines (Zeitungs-)Kaufvertrags zumindest symbolisch für größtmögliche Bemühung um Wahrheit haften könnte. Letztlich ist dort alles anonym, alles manipulierbar. Information ist wie bei einem Gratisblatt nur noch billigst hergestelltes Beiwerk. Oder gar Propaganda.

Vertrauen verspielt

Freilich haben auch die klassischen Medien, Zeitungen, Radio, Fernsehen, einschließlich vieler Qualitätsprodukte trotz ihrer ethisch und demokratiepolitisch wichtigen Aufgabe leichtfertig Vertrauen verspielt:

  1. Sie haben sich in ihrer wachsenden Geldnot oder auch Gier von Inserenten kaufen lassen, die zunehmend auch den publizistischen Inhalt beeinflussen.
  2. Sie trennen immer weniger erkennbar zwischen bezahlter Werbung und PR und Inhalten, welche die Redaktion in eigener Freiheit und Verantwortung erstellt.
  3. Sie haben im Kampf um die Leser selbst ständig das Niveau gesenkt, ohne zu erkennen, dass das lauter Pyrrhus-Erfolge sind, welche die Leser langfristig noch mehr vertreiben. Sie haben statt auf Information und Analyse auf Unterhaltung, Voyeurismus und billigen Gaumenkitzel gesetzt. Sie haben sich damit aber letztlich selbst langfristig überflüssig gemacht. Denn irgendwann wird jeder oberflächliche Gaumenkitzel schal.
  4. Korrekte Recherchen werden in Anbetracht der Personalnot auf der einen Seite und perfekter PR-Agenturen und Spin-doctoren auf der anderen immer seltener.
  5. Viele Medien haben sich auch in ein immer engeres Netz von Political correctness binden lassen, was ihnen immer mehr Glaubwürdigkeit genommen hat. Demgegenüber hat die geistige Anarchie des Internets offenbar eine befreiende Kraft.

Die öffentlich-rechtlichen Lösungen

Was also tun? Wenn sogar eine der weltweit besten Tageszeitungen, die New York Times, angesichts einer halben Milliarde Schulden im eigenen Blatt über öffentlich-rechtliche Rettungskonstellationen zu diskutieren begonnen hat, dann ist dieser Ruf aus dem Mutterland des Kapitalismus sensationell. Er ist aber ein absolut legitimer Gedanke: Denn Qualitätsmedien sind so wie Schulen und Universitäten, wie funktionierende Telekomverbindungen, wie eine saubere Verwaltung und gute Gerichte ein ganz entscheidender Standortfaktor. Was nur viel zu wenigen Menschen bewusst ist.

Die Qualität der Entscheidungen von mittleren und höheren Beamten, Managern, Unternehmern und Wissenschaftlern ist  signifikant besser, wenn diese Menschen täglich gut und umfassend über alles Relevante aus den unterschiedlichsten Bereichen informiert sind. Und dazu braucht man nun einmal die Redaktionen von Qualitätsmedien. Für den Kommunismus war das Fehlen freier Qualitätsinformationen zweifellos ein entscheidender Umstand, warum die kommunistischen Staaten in allen Feldern trotz gewaltiger Anstrengungen immer weiter zurückgefallen sind, in Wissenschaft und Wirtschaft, in Verwaltung und Forschung.

Es ist daher ordnungspolitisch absolut zu rechtfertigen, wenn neben Bildung, Forschung, Infrastruktur, Sicherheit und Justiz auch gute und unabhängige Medien als Standortfaktor staatlich unterstützt werden. Die oft üblen Folgen der Abhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Politik zeigen aber, wie schwierig dieser Gedanke umzusetzen ist. Lediglich bei der britischen BBC scheint eine perfekte Konstruktion gefunden worden zu sein, die alle notwendigen Faktoren, also Qualität, Unabhängigkeit und Pluralismus sicherstellt.

Gut hat zumindest bisher die große Tradition privater Philanthropie in den USA funktioniert, also von unternehmerischer Verantwortung, von Spenden und Stiftungen, die neben dem Dschungel der seichten Unterhaltung Qualitätsprodukte wie CNN oder die diversen Public Radios hervorgebracht haben. In Deutschland und Italien gab oder gibt es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zumindest Pluralismus; und zwar dadurch, dass das eine Programm links und das andere rechts geprägt ist. In Österreich sind im öffentlich-rechtlichen Radio hingegen alle Spuren von Pluralismus verschwunden.

Ein anderes, interessantes Beispiel zur Lösung der Problematik hat die ansonsten sehr bedenkliche Medienpolitik von Nicolas Sarkozy gebracht: Dort finanziert der Staat jedem 18-Jährigen ein Jahr lang ein Zeitungsabo nach Wahl. Gleichzeitig übernimmt der französische Staat einen Teil der Vertriebskosten für alle(!) Zeitungen. Gewiss will Sarkozy damit auch seinen Freunden helfen, aber die Idee scheint dennoch gut, weil sie keinen direkten inhaltlichen Einfluss nehmen kann und es weiter Wettbewerb gibt.

Die Rückkehr der politischen Macht

Frankreich ist aber gleichzeitig ebenso wie Italien und Russland ein Exempel für die allerschlimmsten Konsequenzen der Medienkrise: In all diesen Ländern ist der starke Mann nur durch massive Unterstützung großer Medienketten an die Macht gekommen beziehungsweise dort geblieben. Dominierende Medien gehören entweder seiner Familie oder seinen engsten Freunden, oder deren Eigentümer sind durch andere Verflechtungen und Begünstigungen (in Russland auch als Folge von Morden und gefährlichen Bedrohungen) total von der Politik abhängig.

Zweifellos tragen die wirtschaftlichen Nöte der Medien dazu bei, dass so viele Verleger so empfänglich für politische „Hilfen“ geworden sind, dass man sie heute im vollen Wortsinn als korrupt bezeichnen kann. Das hat zu einer getarnten Renaissance der lange gestorbenen Parteizeitungen geführt. Damit ist das goldene Zeitalter zu Ende, in dem sich Verlage und auch Redaktionen gerne in den Strahlen der eigenen Macht gesonnt haben, während die Politik vor ihnen gezittert hat. Wie es nur noch in England der Fall ist, wo die oft extrem untergriffigen Wahlkampagnen der Boulevardpresse als wahlentscheidend gelten. Dort hat die Politik noch – noch! - nicht die Kontrolle über die Medien zurückerobert.

Was sich in Österreich auf dem Printsektor abspielt, gleicht hingegen schon zunehmend den Beispielen Italien und Frankreich. Was vor allem von der Gemeinde Wien, aber auch Bundesländern wie Niederösterreich und Kärnten praktiziert wird, ist seit Werner Faymanns Wechsel in die Bundespolitik nun auch auf der Bundesebene üblich geworden, und zwar bei beiden Regierungsparteien: Mit Unmengen von Steuermitteln werden über Anzeigen bestimmte Zeitungen vorsichtig ausgedrückt freundlich gestimmt. Sowohl „Heute“ wie „Österreich“ hätten ohne die Inseratenteppiche von Ministerien, Rathaus, gemeindeeigenen Betrieben und ÖBB große Existenzprobleme.

Aber auch alle anderen – gefügigen – Medien werden bedacht. Zugleich sind an einigen Zeitungen geheim gebliebene Eigentümer über Treuhandlösungen beteiligt, was legal ist, aber im politisch sensiblen Medienbereich einen unglaublichen Skandal bedeutet. Umgekehrt geraten Chefredakteure unter Druck, denen die Anzeigenverkäufer vorwurfsvoll vorrechnen, wie viel Umsatz sie von gemeindenahen Unternehmen bekommen würden, wenn die Redaktion freundlicher über die Wiener Rathaus-Politik schriebe. Man findet beispielsweise im Kurier fast nichts und in der Krone schon gar nichts Kritisches über die Wiener SPÖ. Dafür viele schöne Rathaus-Inserate. Umgekehrt findet sich auf den mutierten Niederösterreich-Seiten dieser Zeitungen nichts Kritisches über Erwin Pröll und die Niederösterreich-ÖVP.

Bedrohte Medien, bedrohte Demokratie

Das ist insgesamt eine Situation, in der man sich nicht nur über die Medien, sondern auch über die Demokratie fundamentale Sorgen machen muss. Denn diese kann ohne freie und gute Qualitätsmedien nicht funktionieren. Dennoch macht in Österreich keine einzige Partei und keine Gruppierung die Medienfreiheit so wie die Revolution von 1848 kämpferisch zum eigenen Anliegen. Es ist zwar voll nachvollziehbar, wenn viele Menschen und Parteien Schadenfreude über die missliche Lage der oft so unsympathischen, charakterlosen und präpotenten Medien empfinden. Die Konsequenzen aus deren Krise treffen aber auch die Schadenfrohen.

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Der Nutzen der Gruppenbesteuerung

12. August 2010 05:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sie ist eine der vielen Kampffronten, die da rund um die drohende Steuererhöhungswelle toben: die Gruppenbesteuerung.

(Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier" die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“. Diesmal ist sie dem Thema "Sinn und Unsinn der Gruppenbesteuerung". gewidmet.)

Dabei geht es um die Möglichkeit für Unternehmen, die ihre Zentrale in Österreich haben, Verluste in anderen Ländern gegen die in Österreich erzielten Gewinne aufzurechnen. Der Streit darüber findet in tiefen ideologischen Schützengräben statt. Da tut es gut, sich die nüchternen Fakten anzusehen.

Das erste Faktum ist, dass die Abschaffung der Gruppenbesteuerung wenig bringt. Die Schätzungen liegen zwischen 40 und 150 Millionen Euro. Denn in Hinblick auf andere EU-Länder muss sie ohnedies weiter in Kraft bleiben. Daher zahlt sich ein großer Streit nicht aus.

Zweites Faktum ist, dass die Gruppenbesteuerung relativ schwierig zu kontrollieren ist. Bilanzen beispielsweise aus der Ukraine sind ein eher dehnbarer Begriff. Das spräche für eine Abschaffung. Auf der anderen Seite zeigen die geringen Erträge, dass da wohl kein großangelegter Betrug stattfindet.

Drittens sollte man bei jeder Änderung einer Steuerregel nicht nur auf die direkten, sondern auch die indirekten Wirkungen schauen. Denn ab einem bestimmten Punkt reduzieren Steuererhöhungen die Einnahmen des Fiskus, statt sie wie erhofft zu erhöhen. Ist logisch: Wer würde bei 100 Prozent Einkommensteuer noch arbeiten?

Das Problem ist nur: Es lässt sich nicht exakt prognostizieren, wo dieser Punkt bei jeder einzelnen Steuer liegt.

Bei der Gruppenbesteuerung dürfte er relativ bald erreicht sein. Denn dieses Steuerprivileg hat ja ein einziges Motiv, das aber wichtig für die Zukunft des Landes ist: Es soll Konzerne veranlassen, ihre Zentrale in Österreich anzusiedeln. Oder zu behalten. Dass die Produktionsstätten immer weiter Richtung Osten und Süden wandern, ist ohnedies unvermeidlich.

Bei den Konzernzentralen könnte Österreich aber mit Erfolg mitspielen. Jeder Konzern bleibt jedoch nur dann in Österreich, wenn es sich auf Dauer finanziell auszahlt. Jeder Vorstand würde von seinen Aktionären gefeuert, wenn er nur aus Sympathie hier etwas ansiedelt, was anderswo viel billiger wäre. Daher ist die Gruppenbesteuerung ein gezielter Anreiz, um diese Zentralen in Österreich zu halten.

Natürlich weiß niemand genau, ab welcher Steuerlast eine solche Zentrale abwandert. Aber man stelle sich nur die Katastrophe vor, falls die UniCredit ihre Osteuropazentrale aus Wien wegverlegen sollte.

Eine Konzernzentrale bringt nicht nur direkt Geld durch die dort üblichen hohen Gehälter. Sie schafft auch rundherum viele hochqualifizierte Arbeitsplätze: Bei Wirtschaftsprüfern, Beratern, Rechtsanwälten, Notaren, Werbeagenturen, Spitzenhotels, Restaurants, PR-Agenturen und auch in den meist in der Nähe der Zentrale angesiedelten Forschungslabors. Nur solche Arbeitsplätze haben für Österreich Zukunft. Will man die leichtfertig gefährden, nur weil man zu feig zum Sparen ist?

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Der Pflegekollaps muss nicht sein

06. August 2010 01:10 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es droht der Pflegekollaps. Wundert Sie das nicht? Es ist doch kaum erst der vierte Sommer ins Land gezogen und die zweite neue Regierung im Amt, seit ein Wahlkampf die noch 2006 herrschende „soziale Kälte“ vertreiben wollte und das Ende der menschlichen Eiszeit am Thema Pflege festgemacht hat. Da sollte das Pflegeproblem doch längst im Griff sein.

Die Fakten sind schließlich seit Jahrzehnten bekannt. Zum Glück werden wir alle immer älter, wodurch aber auch die Zahl der Menschen, die Betreuung oder Pflege brauchen, stetig steigt. Wurde früher diese – physisch wie psychisch meist aufreibende Arbeit unentgeltlich innerhalb der Familien geleistet, so braucht es heutzutage bei veränderter Gesellschaftsstruktur und allgemeiner Berufstätigkeit der Frauen bezahlte Hilfe von außen. Schließlich wünscht sich, wie man aus Umfragen, aber auch aus eigener Überlegung für sich selbst weiß, die Mehrzahl der Menschen, den Lebensabend in den vertrauten eigenen vier Wänden verbringen zu können – wenn möglich bis zum Tod.

Österreich hat Pflegegeldleistungen, die das erleichtern sollen – deren Inanspruchnahme steigt aber so rasant, dass die Unfinanzierbarkeit droht, sogar wenn wir ein saniertes Budget hätten. Es wäre hoch an der Zeit, vom regierungsüblichen Improvisieren und Verschieben zu einer ernsthaften Diskussion der Optionen zu kommen.

Neben dem Geld- beunruhigt aber auch der Pflegekräftemangel. Das Lamento, es sei trotz Krisenfestigkeit des Berufs kein Nachwuchs zu finden, weil die Altenpflege weder gut bezahlt noch prestigeträchtig sei, gehört zu den dümmsten Argumenten überhaupt: Kranke, oft geistig verfallende Greise zu pflegen – gut zu pflegen – und nie wirkliche Besserung, sondern unvermeidlich den Tod als Endpunkt aller Bemühungen vor sich zu sehen, das erfordert besondere Menschen. Das kann nicht jeder. Und besonders keiner, dem es in seinem Beruf in erster Linie um Prestige und hohen Verdienst geht.

Schon jetzt ist also unser System des Umgangs mit dem Alter am Ende – finanziell, personell und menschlich. Dabei erleben wir gerade erst den Anfang der grauen Gesellschaft. Die Lage wird von Jahr zu Jahr prekärer.

Eines Eindrucks kann man sich erwehren: In Österreich reicht die gestalterische Phantasie beim Umgang mit dem stetig wachsenden Bevölkerungsanteil alter Menschen gerade einmal dazu aus, die Alten zu verwalten. (Das einzige Resultat der „Vertreibung“ der sozialen Kälte war denn auch ein Behördenspießrutenlauf für diejenigen, die private Pflege für ihre Angehörigen organisieren wollen.)

Ein Blick nach Dänemark zeigt, dass es auch anders geht. Dort sind die alten Menschen Könige im Vergleich zu ihren Altersgenossen bei uns – kein Wunder, dass wissenschaftliche Studien zeigen, dass die dänischen Senioren die gesündesten sind und diejenigen, die sich am glücklichsten schätzen. Die Dänen haben schon 1998 einen politischen Paradigmenwechsel vollzogen, der zu diesen Resultaten führte: Sie haben sich entschlossen, (Steuer-)Geld nicht hauptsächlich in Pflege zu investieren, sondern verstärkt in alles, was dazu beiträgt, dass Pflege – wenn überhaupt – so spät wie möglich notwendig wird. Alles, was Geist und Körper fit hält, ist den älteren Menschen kostenlos zugänglich und wird von den Gemeinden angeboten. Sport für Senioren wird organisiert, Aktivitäten, die das Gedächtnis stärken, Planung und Umplanung von Verkehrsflächen und öffentlichem Verkehr sind an den Bedürfnissen der Alten ausgerichtet. Folgen von Unfällen im Haushalt werden in Einrichtungen in der Nachbarschaft rehabilitiert – um der Hospitalisierung und dem dadurch häufig eintretenden Verfall vorzubeugen. Alles wird unternommen, die alten Menschen so lange wie möglich autonom zu erhalten. Einkaufs- und Lieferdienst für Mahlzeiten sowie sämtliche anderen vorstellbaren Dienstleistungen sind bei der Gemeinde abrufbar, um eigenständiges Leben zu unterstützen.

Auch die Aufhebung des Pensionsalters und die berufliche Umorientierungsmöglichkeit noch für 60jährige sind in Diskussion, weil der Pensionseintritt für viele Menschen ein derartiger Einschnitt im Leben ist, dass sie sich fallen lassen – nicht jeder ist zum swingenden Frühpensionisten geboren.

Altersheime, die teuerste Art, wie eine Gesellschaft für ihre alten  Menschen sorgt, sind in Dänemark der letzte Ausweg. Und auch sie sehen anders aus: Es sind kleine Wohngemeinschaften, nicht spitalsähnliche Fluchten. Denn warum sollte man seine hilflos gewordenen Anverwandten in einer Atmosphäre leben lassen, die man für sich selbst nie akzeptieren würde? Die Senioren – auch wenn sie ihre Defizite haben – sind bei allen Alltagsverrichtungen eingebunden, und der Alltag wird gemeinschaftlich so ausgerichtet, dass immer noch Freude möglich ist: beim gemeinsamen Essen, mit einem Glas Wein, einer Zigarre. Glück hat kein Alterslimit, sagen sich die Dänen.

Natürlich, das dänische Modell belastet das Budget auch stark. Eine alternde Gesellschaft ist teuer. Aber es ist ein großer Unterschied, ob mit dem Geld das Leben der Menschen organisiert wird oder das Sterben.

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Silvios Glück und nicht das Ende

30. Juli 2010 11:14 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi wirft Gianfranco Fini, seinen gefährlichsten Rivalen, hinaus. Das ist das Ende einer sich lange anbahnenden Beziehungskrise in der bürgerlichen Mehrheitpartei. Es stellt vielleicht auch die Sanierung des Landes in Frage.Es zeigt aber auch die Stärke Berlusconis.

Das bezeichnendste an den Reaktionen ist - zumindest vorerst - das völlige Ausbleiben von Neuwahlforderungen durch die italienische Linke. Es wäre ja eigentlich das Normalste, dass bei einem Zerfall der Regierungspartei die Opposition nach Newahlen ruft. Besonders dann, wenn mit Fini zahlreiche andere Abgeordnete gehen. Besonders dann, wenn man den Berichten der meisten ausländischen Medien glaubt, dass Berlusconi im ständigen Abstieg ist.

Das ist er aber in Wahrheit nicht, denn die Berichterstattung deckt sich nicht mit der Stimmung in der Bevölkerung. Deswegen hat nicht nur die Linke recht unsicher auf Berlusconis Gewaltakt reagiert, sondern auch Fini. Er hat zumindest in den letzten Tagen geradezu um die Gnade des Ministerpräsidenten gewinselt, nachdem er ihn zuerst scharf attackiert hatte.

Denn die Italiener wissen: Nur mit Berlusconi und seinem in den letzten Tagen durchgezogenen scharfen Sparpaket können dem seit Jahrzehnten schwer verschuldeten Land griechische Verhältnisse erspart bleiben. Schon in den letzten Jahren hat es Berlusconi geschafft, den Zuwachs der Staatsschulden mit Erfolg einzubremsen. Während die einstigen christdemokratischen Linksregierungen Schulden angehäuft haben.

Fast könnte man glauben, dass es Berlusconi darauf angelegt hat, in Neuwahlen zu gehen. Die Linke ist total zerstritten (auch wenn die österreichischen Medien darüber nie berichten, sondern immer nur Berlusconi hinunterschreiben). Sie ist ein wirrer Haufen von Kommunisten, christlichen Gutmenschen und klassischen Sozialdemokraten ohne ein klares Programm, außer dem, gegen Berlusconi zu sein.

Und auch Fini hat als unsicherer Kantonist wenig Chancen. Er hätte nur als Thronfolger Berlusconis mit dessen Segen Chancen gehabt. Aber nicht als Unruhestifter, der vorzeitig gegen den Altmeister revoltiert. Gianfranco Fini hat sich politisch so oft und so weit bewegt, dass es ihm schwerfallen wird, sich nun auch als Anti-Berlusconi zu profilieren. Hat er doch die einstige neofaschistische Partei zuerst mit Berlusonis Gruppe fusioniert und sich dann innerhalb dieser an den ganz linken Rand bewegt, sodass Fini schon fast alle politischen Richtungen verfolgt hat. Was die Glaubwürdigkeit mehr zerstört als die Strizzi-haften Züge Berlusconis.

Ganz interessant ist der Vergleich der italienischen Krise mit Deutschland. Da wie dort ist es das Hauptproblem einer nach einem großen Wahlerfolg an die Macht gekommenen bürgerlichen Regierung, dass sie im Grunde eine Dreierkoalition darstellt. In Deutschland sind sich sofort CSU und FDP in die Haare geraten. In Italien taten das die Fini-Gruppe innerhalb der Mehrheitspartei und der Koalitionspartner Lega Nord. Also da wie dort: Der Hauptkampf war zwischen der Nummer Zwei und der Nummer Drei.

Der große Unterschied: Während Angela Merkel alle Streitigkeiten ohne klare Führung auszusitzen versucht, schlägt Berlusconi mit südlichem Temperament hinein und stellt sich an die Seite der Lega Nord. Was klug ist: Ist doch die separatistische und immigrationsfeindliche Lega im Norden sehr erfolgreich unterwegs; sie konnte zuletzt die Rückschläge für die Berlusconi-Partei "Volk der Freiheit" voll kompensieren.

Jedenfalls steht - im Gegensatz zu den meisten Medienberichten - Berlusconi heute besser da als Merkel, die mit den schlechtesten CDU-Umfragewerten seit Menschengedenken fertig werden muss.

Anerkennung für das taktische Geschick Berlusconis und seinen Sanierungskurs heißt freilich noch nicht, dass man die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn und einige seiner Freunde ignorieren darf. Nur muss man die in Relationen sehen: Erstens, das Showmaster-Talent Berlusconis ist in Zeiten, wo die halbe Gesellschaft völlig unpolitisch ist, ganz unverzichtbar.

Und zweitens: Die Italiener sind nach der Massenkorruption und dem Dauerstreit der christdemokratisch-sozialistischen Periode weit Schlimmeres gewöhnt. Manche der Vorwürfe klingen auch eher skurril.

Wie etwa  der jüngste einer Geheimloge innerhalb der Berlusconi-Partei: Denn bis heute ist nicht ganz klar, wo jetzt das Verbrechen liegt. Irgendwie hat man das Gefühl, dass sich da eine Gruppe von Politikern halt zu vertraulichen Gesprächen getroffen und nachgedacht hat, was in Italien alles geändert werden muss. Das aber tun alle Politiker dieser Welt (bis auf die ganz unfähigen). Und es ist gut so. Reformen müssen immer zuerst in Ruhe und ohne Medien besprochen werden. Das tun ja auch die echten Freimaurer in Österreich, wo sie neben der Arbeiterkammer die mehr oder weniger (zuletzt eher weniger) intellektuelle Vorhut der Sozialdemokratie bilden. Aber offenbar ist alles gut und erlaubt, wenn es die Linken tun; wenn sich rechte Politiker geheim treffen, wird es zum Hochverrat.

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Die Krise der FDP oder: Den Liberalismus aktualisieren

28. Juli 2010 09:21 | Autor: Frank Walsleben
Rubrik: Gastkommentar

Sie ist länger an der Regierung als jede andere Partei in Deutschland; sie stellte mehr Außenminister als jede andere Partei und zweimal den Bundespräsidenten; sie ist derzeit mit 5 Bundesministern und 8 Staatssekretären auf Bundesebene sowie 18 Ministern auf Landesebene vertreten und sitzt in acht Bundesländern im Landtag.

Bei den Wahlen im September 2009 erzielte sie mit fast 15 Prozent ihr historisch bestes Wahlergebnis. Über 6,3 Millionen Deutsche gaben ihr die entscheidende Zweitstimme. Vor den Grünen und vor der Linkspartei wurde sie drittstärkste Kraft im Bundestag. Eine stolze Bilanz für eine Kleinpartei.

Knapp zehn Monate später liegt sie heute in der Demoskopie bei 4 Prozent, nur noch eine Million würde sie wählen. Wäre am nächsten Sonntag Bundestagswahl, müsste sie um ihren Wiedereinzug ins Parlament bangen.

Das ist nicht neu für die Freie Demokratische Partei. Seit ihrer Gründung 1948 geriet sie immer wieder in tiefe und tiefste Krisen. Dies liegt zum einen in der Tatsache begründet, dass die FDP in sich zwei Flügel vereinigt, einen ordoliberalen, der stärker zur Union tendiert, und einen sozialliberalen, der sich zuweilen SPD-Positionen annähert.

Zum anderen Teil ergeben sich laufend Schwierigkeiten für die FDP auch durch ihre Regierungsbeteiligung in wechselnden Koalitionen. Bei jedem Partnerwechsel kommt es regelmäßig zu inneren Zerreißproben und enormen Umschichtungen in der Mitglieder- und Wählerschaft. Beim Eintritt der FDP in die sozialliberale Koalition 1969 soll es einen Wechsel von mindestens 60 Prozent der Mitglieder gegeben haben. Erich Mende, einer der führenden FDP–Politiker trat mit einigen Parteifreunden zur CDU über. Ähnliches passierte beim Koalitionswechsel 1982 zur Union – prominente Mitglieder des linken Flügels – wie der Generalsekretär Günter Verheugen – traten zur SPD über.

Schließlich sind die Probleme, von denen die FDP begleitet wird, im Grundsatzprofil der Partei und im daraus resultierenden Langzeit–Image zu suchen. Sie gilt als die "Partei der Besserverdienenden", als "Klientelpartei für Zahnärzte" ('Zahnärzte' als Symbol für wirtschaftlich Saturierte), als Partei eines kalten Neoliberalismus, der die Sorgen der Unterschicht fremd sind.

Anders als alle anderen Parteien hat die FDP nur einen geringen Stammwähleranteil und muss sich ihre Stimmen bei jeder Wahl von neuem erobern. Nicht selten greift sie dabei zu sogenannten "Zweitstimmen-Kampagnen", fordert also die Wähler zum Stimmen-Splitting auf. Dies wird vom jeweils betroffenen Seniorpartner als "Leihstimmen"-Taktik nicht gerade gern gesehen. Im Dreiparteiensystem der alten Bundesrepublik entschieden jedoch gerade diese "Leihstimmen" darüber, zu welcher Seite sich das Zünglein an der Waage jeweils neigte.

Mit dem Auftauchen der Grünen Mitte der Achtzigerjahre, spätestens aber seit dem Fünfparteienparlament im Bundestag, hat die FDP ihre Alleinstellung als Kanzlermacher verloren. Bisher undenkbare Koalitionen und Kombinationen sowohl auf der Rechten wie auf der Linken gehören auf Länderebene inzwischen zum politischen Alltag – von der Ampel bis zu Jamaika, von großer Koalition bis Rot-Rot, ist alles vertreten.

Aufgrund ihrer Mitgliederstruktur, ihrer liberalen Positionen und der wechselnden Koalitionen ist die FDP wie keine andere Partei gezwungen, ihre inhaltliche und strategische Ausrichtung stets von neuem zu justieren. Vor jeder Wahl wird sie vor die Gretchenfrage gestellt, welchem Lager sie zuneigt; bei Grünen oder Linken würde nie jemand auf diese Idee kommen.

Dennoch ist der Fortbestand dieser traditionsreichen Partei ein demokratisches Desiderat, denn nirgendwo sonst fände der politische Liberalismus eine wirkliche Heimstatt. Der Untergang der Freidemokraten kann in niemandes Interesse liegen, am allerwenigsten der Christdemokraten, die einen potenziellen Koalitionspartner und damit die Mehrheitsoption verlören. Doch auch der SPD müsste am Erhalt der Freiheitlichen liegen, will sie sich nicht einseitig von der Ultralinken abhängig machen.

Davon abgesehen würde mit einem Verschwinden der FDP aus dem Bundestag auch eine intellektuelle Verarmung einhergehen. Hat diese Partei doch immer wieder große liberale Persönlichkeiten hervorgebracht, wie Theodor Heuss, Ralf Dahrendorf oder Otto Graf Lambsdorff, um nur wenige zu nennen. 54 Prozent der FDP–Mitglieder haben ein Hochschulstudium abgeschlossen; in der deutschen Parteienlandschaft ein konkurrenzloses Reservoir an Begabungen.

Schließlich würden liberale Grundwerte wie die größtmögliche Freiheit des Individuums, Eigenverantwortung und Eigenvorsorge, Zurückdrängen der Staatsallmacht und Deregulierung insbesondere im Wirtschaftsleben heimatlos werden.

Guido Westerwelle, der – von der Gunst der Stunde getragen – die FDP zu ihrem bisher größten Wahlerfolg führte, befindet sich derzeit sowohl nach außen als auch parteiintern im freien Sturzflug. Seine Tragik besteht darin, dass er als Oppositionsführer den Mund zu voll genommen hat, doch angesichts der harten Regierungsarbeit die Hoffnungen nicht erfüllen konnte. Durch die Finanz– und Eurokrise sind nicht nur größere Steuersenkungen schwieriger geworden, sondern die Stimmung in der Bevölkerung hat sich wiederum mehr in Richtung soziale Sicherheit gedreht. Finanziell und psychologisch arbeitet die Zeit im Moment gegen die FDP.

Doch das ist, wie gesagt, nicht neu. Die neuerdings positive konjunkturelle Entwicklung könnte, wenn sie denn anhält, den Fall der FDP zunächst stoppen. Allein für den Wiederaufstieg zur "dritten Kraft" wird das nicht reichen. Der energische Generalsekretär Christian Lindner (31) hat dies erkannt und eine Grundsatzdebatte angefacht. Bis zum Bundesparteitag 2012 wollen sich die Liberalen ein neues Grundsatzprogramm geben. Nach den Worten Lindners erhält die FDP viel mehr "Zustimmung, wenn sie mit einer positiven politischen Erzählung verbunden wird, die das Lebensgefühl der Menschen trifft und ihnen Hoffnung auf eine bessere Zukunft macht. Eine solche Tonalität wollen wir für unsere Partei, um den politisch-konzeptionellen Führungsanspruch der FDP mit Empathie zu untermauern! Das ist kein Beleg für gegenwärtige Schwäche, sondern Ausdruck des festen Willens, sich neuen gesellschaftlichen Realitäten stellen und immer mehr Menschen für sich begeistern zu wollen. Wir wollen den Liberalismus aktualisieren."

(Frank Walsleben ist ein deutsch-österreichischer Publizist in Berlin.)

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Die oberen Zehntausend und wir

24. Juli 2010 04:09 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eigentlich sollte man glauben, dass solche Äußerungen sommerliche Dreitagesfliegen sind, die rasch wieder eingehen. Aber bei dieser Regierung sollte man nicht so sicher sein, ob nicht am Schluss all ihre grauslichen Steuererhöhungspläne Wirklichkeit werden. Wie etwa die jüngsten SPÖ-Phantasien von einer Reichensteuer.

Im parteipolitischen Sandkastenspiel sind solche Vorschläge ja eh ok: Niemand fühlt sich den obersten Zehntausend zugehörig, von denen der SPÖ-Sekretär Günther Kräuter despektierlich redet. Daher kann man mit solchen Ideen in Zeiten der Nachrichtenflaute leicht und billig Stimmung machen. Und den Koalitionspartner zum bösen Lakaien der obersten Zehntausend stempeln, wenn der nicht gleich begeistert zustimmt.

Überdies sind die SPÖ-Vorschläge so verwirrend und widersprüchlich, dass man dahinter außer der Produktion von Sommer-Schlagzeilen kein wirkliches Konzept vermuten kann. So will Kräuter alle Steuersätze für die Besserverdiener durch einen Solidarzuschlag um fünf Prozent erhöhen; andere Sozialdemokraten wiederum sprechen "nur" von einer Erhöhung des Spitzeneinkommensteuersatzes (derzeit 50 Prozent und bei Arbeitnehmern 43 Prozent) bei einem Jahreseinkommen von 300.000 Euro auf 55 Prozent; die oberösterreichischen Sozialdemokraten wiederum wollen gleich gar auf 60 Prozent erhöhen; dann heißt es wieder bei Kräuter, dass man den obersten 10.000 künftig alljährlich 1,7 Milliarden Euro abknöpfen werde.

Das scheint auch auf einer Linie mit den deutschen Sozialdemokraten zu liegen, die - freilich in der realpolitisch ungefährlichen Oppositionsrolle - ebenfalls den Spitzensteuersatz erhöhen wollen. Freilich tun sie das in ganz anderen Regionen: Sie wollen den Steuersatz auf bloße 49 Prozent erhöhen, sie bleiben damit also noch immer unter dem schon jetzt geltenden österreichischen Prozentsatz!

Niemand sollte sich angesichts solcher Ideen wundern, wenn die österreichische Wirtschaft derzeit wieder deutlich hinter der sich erstaunlich schnell erholenden deutschen hinterherhinkt (unter Schwarz-Orange haben die deutschen noch neidvoll nach Österreich geblickt!). Und wenn für gutverdienende Leistungsträger Österreich immer weniger attraktiv wird. Solches Politikergerede hat ja immer schon prophylaktisch einschüchternde Wirkung - selbst wenn dann nichts davon verwirklicht würde.

Noch eine zweite Selbsttäuschung wäre gefährlich: nämlich sich zurückzulehnen und zu sagen: Das trifft ja eh nicht mich. Das aber ist ein Irrtum. Aus mehreren Gründen.

Erstens und vor allem: Alle Erfahrung zeigt uns, dass Einkommensteuersätze, die bei ihrer Einführung weit entfernt schienen, binnen weniger Jahre auch jene treffen, die sich ursprünglich über die Schröpfung der Reichen freuten. In Zeiten einer sich mutmaßlich beschleunigenden Inflation geschieht dieser Prozess mit zusätzlichem Tempo. Daher werden auch die derzeit so utopischen 300.000 Euro bald gar nicht mehr so utopisch sein.

Man bedenke nur, dass man in Österreich schon ab einem Jahreseinkommen von 10.000 Euro plötzlich mehr als 38 Prozent Einkommensteuer zahlt. Und ab 25.000 Euro mehr als 43 Prozent. Dazu kommt noch die saftige Sozialversicherung (scheinbar "nur" 18 Prozent, in Wahrheit bei Unselbständigen fast 40 Prozent). Auch diese Einkommenshöhen waren einst nur die einer kleinen Minderheit.

Zweitens: Gerade die Spitzenverdiener (Künstler, Sportler, Topmanager) werden sich in vielen Fällen gegen eine zusätzliche Gier des Fiskus zu wehren wissen. Sie werden oft übersideln oder sonstwie versuchen, im Ausland zu versteuern; oder sie werden viel zusätzliche Mühe in die Entwicklung von Umgehungskonstruktionen investieren. Oder sie werden einfach Aufträge ablehnen: "Das zahlt sich wegen der Steuer nicht aus für mich". Ein Argument, das man ja jetzt schon oft genug hört. Alles führt dazu, dass in Summe weniger in der Staatskasse landet als vorher. Von Kräuters Milchmädcheneinnahmenrechnung gar nicht zu reden.

Und drittens: Gerade die Spitzenverdiener sind auch die Investoren und Big spender, die jedes Land so dringend braucht. Brutal gefragt: Sollen nur noch Russen die Juweliere, Luxushotels und Nobelrestaurants am Leben halten? Sollen in Österreich nie Vermögen entstehen dürfen, die dann wie in Amerika regelmäßig in großen wohltätigen Stiftungen münden?

Durchaus verständlich, dass man die Reichen nicht mag. Aber dumm (Kräuter eben), wenn man sie aus simplem Neid zu vertreiben beginnt.

Genauso dumm ist aber auch, dass die Regierung im koalitionären Konsens jetzt die allerwichtigste Investorengruppe der Nation mit ihrem Sparpaket doppelt treffen will: nämlich die Familien mit Kindern. Diese werden nicht nur durch die allgemeinen Steuererhöhungen und sonstigen Belastungen getroffen, sondern doppelt durch eine drastische Kürzung der Familienleistungen.

Die kultur- und leistungsorientierte Erziehung von Kindern ist aber überhaupt die wichtigste Zukunftsinvestition. Auch wenn das derzeit weder Industriellenvereinigung noch Wirtschaftskammer begreifen. Aber die Leistungsträger der Zukunft sind für unser künftiges Wirtschaftswachstum  zweifellos noch viel wichtiger als etwa die Forschungsaufgaben, für welche die Wirtschaft so heftig kämpft. Davon, dass Forschung in Österreich auch Geldverschwendung für Politologenschwampf und Ähnliches bedeutet, wollen wir ja gar nicht reden.

Statt dass man die Familiengelder zielorientiert macht, werden sie brutal mit dem Rasenmäher gekürzt werden. Zielorientiert hieße etwa, dass die Gelder bei Kindergarten- oder Schulschwänzen, bei (trotz Kursangeboten) schlechten Deutschkenntnissen von schon seit Jahren im Lande befindlichen Kindern, bei Übergewicht oder bei Fernhalten der Mädchen von Sport und einer (von den Lehrern empfohlenen) höheren Erziehung kräftig gekürzt werden.

Übrigens: Die einzigen Gutverdiener, die nicht ausweichen können, hat Silvio Berlusconi nun in Italien im Visier: Er kürzt allen 955 Abgeordneten das Gehalt um zehn Prozent. Das ist sicher zehnmal schlauer als Steuerpolitik a la Kräuter. Wie überhaupt Berlusconi derzeit in Sachen Sanierung extrem effizient, fast vorbildlich agiert (weshalb man ihm fast seine sonstigen Gaunereien vergessen könnte).

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Böse Ungarn, gute Österreicher

20. Juli 2010 04:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die internationalen Organisationen gehen recht unsanft mit Ungarn um: Die Reformen in dem Land seien ungenügend, die Regierung müsse noch viel tiefer schneiden. Sonst gibt es kein Geld mehr. Ja, ja die Ungarn. Da stehen wir Österreicher doch viel besser da.

Tun wir das wirklich? Oder haben wir nur das Glück, dass aus einem rational nicht mehr ganz erklärlichen Grund halt noch jemand bereit ist, der Republik Österreich und ihren Bundesländern Geld zu borgen? Oder hängt das einfach damit zusammen, dass die oft dummen Märkte glauben, ein Land mit eigener Währung sei gefährdeter als ein Land mit dem Euro - denn im Euro-Raum kann in der Stunde der Not ein Lahmer den anderen tragen, während Blinde angeleitet von Taubstummen ihnen den Weg weisen. Nichts anderes ist es ja, wenn Portugal und die Slowakei Griechenland "retten" sollen.

Aber schauen wir uns die entscheidenden Daten an: Da steht Ungarn keineswegs signifikant schlechter da als Österreich. Die Staatsschulden der Ungarn dürften am Ende des heurigen Jahres bei 79 Prozent des ungarischen BIP liegen; die Schulden der Österreicher über 70 Prozent. Kein wirklich beruhigender Unterschied.

Und beim Jahresdefizit stehen die Ungarn überhaupt besser da: Sie dürften im heurigen Jahr nach Schützung der EU-Kommission 4,1 Prozent Defizit machen, während die Österreicher mit 4,7 Prozent ins Ziel gehen dürften.

Aber vielleicht wissen die internationalen Rating-Agenturen, EU-Institutionen und Währungsfonds über Österreich etwas, was wir alle nicht wissen. Etwa dass Werner Faymann nach den Wiener Wahlen - deretwegen Schwarz und Rot ein dreiviertel Jahr das Regieren eingestellt haben - einer kräftigen Erhöhung des Pensionsantrittsalters, Selbstbehalten bei der Krankenversicherung, einer Privatisierung von ORF und ÖBB sowie dem Ende der Zeitungsbestechung auf Steuerkosten zugestimmt hat. Und Josef Pröll einem scharfen Abbau des Föderalismus, der Wirtschafts- und Umweltsubventionen.

Ja, wenn man so gute Geheimdienste hat, die all das wissen, dann kann man Österreich unbesorgt Geld geben und Ungarn die Kredite sperren. Und was ist, wenn nicht?

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Die Logik des EU-Parlaments

20. Juli 2010 04:21 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das Europaparlament wird immer eigenartiger. Jetzt will es die von den Regierungen endlich vereinbarte Finanzaufsicht ablehnen. Mit mehr als seltsamen Argumenten.

Erstens geht den regulierungswütigen Abgeordneten die Aufsicht nicht weit genug – ein seltsamer Grund, um das Projekt überhaupt zu torpedieren. Hat man lieber gar nichts, bevor man nicht alles bekommt?

Und zweitens wollen sie, dass die Aufsicht das Recht bekommen soll, die Staaten zu zwingen, mit viel Steuergeld neuerlich Banken zu „retten“. Während immer mehr Menschen erkennen, dass die Rettungsmanie im vergangenen Jahr langfristig schlimmes Unheil angerichtet hat, während die EU-Kommission Österreich (zu Recht) vorwirft, dass die Rettung der Hypo Alpen Adria ein Fehler war – in diesem Zeitpunkt rufen die populistischen EU-Abgeordneten nach einer verpflichtenden Bankenrettung für die Zukunft. Was bisher oft nur aus Blöd- oder Feigheit geschehen ist, soll also künftig zur Pflicht werden.

Solche Volksvertreter haben wir wirklich gebraucht, die unsere Steuergelder und die unserer Enkeln verjubeln, nur weil sie zu feig sind, Banken, die sich verspekuliert haben, in den verdienten Konkurs zu schicken (und höchstens über Maßnahmen gegen den befürchteten Dominoeffekt nachzudenken).

 

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Fußnote 127: Wie das Heer spart

16. Juli 2010 03:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Jeder weiß, das Bundesheer hat viel zu viel Mann - und neuerdings auch Frauen. Der Staat viel zu wenig Geld.

Und was tut der Darabos-Verein? Er nimmt wieder 350 neue Heeresbedienstete auf, versucht aber gleichzeitig, andere Bedienstete an andere Ministerien weiterzuschieben. Absurder geht's nimmer, wenn einem hinten und vorne das Geld ausgeht. Gleichzeitig sponsert die einstige Nachwuchshoffnung der SPÖ (ganz normale) Sportsendungen im Fernsehen. Für all das ist offenbar Geld da. Vom unsinnigen Heereseinsatz im Burgenland gar nicht zu reden. Aber gleichzeitig wird die Panzertruppe auf ein Viertel reduziert.

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Die Lüge hat System

15. Juli 2010 11:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Man wundert sich, warum sich die Politik wundert. Über Wählerfrust und Demokratieapathie in ganz Europa. Denn Wortbruch und Wählertäuschung haben überall Methode, ja fast kriminelle Energie. Wie einige kommentarlos zusammengestellte Beispiele - diesmal aus Deutschland - zeigen.

2010 Nordrhein–Westfalen

Hannelore Kraft, SPD: "Nordrhein–Westfalen kann man nicht mit Tolerierung regieren." (11. März 2010 im Düsseldorfer Landtag)

Am 15. Juli wird ihre Wahl nur durch die Enthaltung (=Tolerierung) der Linkspartei möglich.

2008 Hessen

Andrea Ypsilanti: "Es bleibt definitiv dabei: Mit der Linkspartei wird es keine Zusammenarbeit geben – weder so noch so."(Bild–Zeitung, 17. Jänner 2008)

"Ich werde dieses Versprechen vielleicht nicht halten können. Das ist so." (ARD Tagesthemen, 4. März 2008)

1999/2001 Berlin

"Die Spitzenkandidaten der Berliner SPD, Walter Momper, und der Grünen, Renate Künast, lehnten das Angebot der PDS umgehend ab. Für die SPD gebe es keine Duldung durch die PDS, sagte Momper." (Berliner Zeitung, 31. Mai 1999)

Am 16. Juni 2001 lässt sich Klaus Wowereit mit Hilfe der PDS an die Spitze eines rot–grünen Minderheitensenats wählen. Inzwischen koaliert er sogar mit der Linken.

1998 Mecklenburg–Vorpommern

In der "Dresdner Erklärung" schreibt die SPD: "Die PDS ist ein politischer Konkurrent und Gegner der SPD. Die PDS ist eine Partei der folgenlosen politischen Versprechen und Hort ehemaliger Staatsfunktionäre. Eine Zusammenarbeit mit ihr kommt für uns nicht in Frage.

Nach der Wahl lässt sich Harald Ringstorff am 3. November 1998 von einer rot–roten Koalition zum Ministerpräsidenten wählen.

1994 Sachsen–Anhalt

Reinhard Höppner, SPD: "Die SPD will nach der Landtagswahl am 26. Juni 1994 in Sachsen–Anhalt lieber eine Große Koalition in Kauf nehmen, als mit der PDS zusammenzuarbeiten". (Tagesspiegel, 16. Juni 1994)

Nach der Wahl bildet Reinhard Höppner ein rot–grünes Minderheitenkabinett und lässt sich am 21. Juli 1994 mit Hilfe von PDS-Stimmen zum Ministerpräsidenten wählen.

PS: Diese Liste ließe sich mit andersartigen Beispielen aus Österreich nahtlos fortsetzen. Wobei - in allen Ländern - die größte Lüge zweifellos die Wohlfahrtsstaats-Lüge ist, also die Behauptung, all die Dinge, die uns die Parteien versprechen oder (auf Schulden) zu schenken vorgeben, ließen sich nachhaltig finanzieren. Und würden nicht in den großen Crash führen.

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Von Wien bis Havanna: Lauter gute Nachrichten

14. Juli 2010 02:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Das tut bei diesen Temperaturen gut: Reihum stößt man derzeit auf gute Nachrichten. Ob sie nun von der Israelitischen Kultusgemeinde, vom Nationalbank-Präsident Nowotny, aus Paris, von der EU-Kommission, vom Tagebuch oder von der kubanischen Diktatur stammen. Solche Nachrichten machen süchtig: Bitte mehr davon (auch wenn die eine oder andere einen kleinen Wermutstropfen hat).

Da kann man sich über die Freilassung Dutzender politischer Gefangener aus kubanischen Kerkern einfach nur freuen. Der Respekt gebührt freilich weiterhin den tapferen Menschen, die da im Kampf für mehr Freiheit auf viele Jahre ihre eigene Freiheit verloren haben, aber auch ein wenig Spanien und dem Papst, die sich hinter den Kulissen Verdienste erworben haben. Das Regime selber wird freilich noch viel mehr Schritte machen müssen, bis es sich solchen Respekt verdient hat. Das gilt noch viel mehr für die naiven Propagandisten der Castro-Diktatur im Ausland (im Zuge der sommerlichen Hochstimmung verschweigen wir heute, in welcher Wiener Burg prominente Kuba-Propagandisten zu finden sind).

Genauso erfreulich hat die EU-Kommission agiert. Sie will den Arbeitsmarkt ganz gezielt - aber gleichzeitig auch: nur - für zwei Gruppen von Nicht-EU-Bürgern öffnen: für Spitzenkräfte wie Manager und Forscher auf der einen Seite. Und für Saisonniers auf der anderen.

Mit diesem Bekenntnis zu zeitlich befristeten Saisonniers ohne das Recht auf Familiennachzug erteilt die EU auch naiven Kräften in Kirchen und Gewerkschaften eine klare Absage. Denn diese haben sich etwa in Österreich seit vielen Jahren gegen Saisonniers gesträubt - und damit in Wahrheit immer gleich den Zuzug ganzer Clans wegen eines einzigen unqualifizierten Arbeitsplatzes ausgelöst. Obwohl es oft nur um die Tätigkeit als Tellerwäscher geht. Die aber für viele Ausländer durchaus attraktiv ist: Viele von ihnen können sich als Saisonniers damit in sechs Monaten mehr ersparen als daheim in drei Jahren. Also: Warum nicht?

Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny wiederum hat sich dicke Lorbeeren verdient, weil er der bisher höchstrangige Österreicher ist, der sich für eine Erhöhung auch des gesetzlichen Pensionsantrittsalters ausgesprochen hat. Was ja zweifellos richtig und - nach dem noch dringenderen Schließen von Hackler- und Invaliditäts-Schlupflöchern -  angesichts der ständig steigenden Lebenserwartung auch notwendig ist. Der Sozialdemokrat Nowotny war bisher der Meister von inhaltlosen und weichgespülten Aussagen gewesen; weshalb man ihm nun doppelte Anerkennung für seinen Mut zollen sollte. Der auch dann zu loben ist, selbst wenn er damit zusammenhängen sollte, dass Nowotny sicher nie mehr zu Wahlen antreten muss. Die Zeit ist jedenfalls reif für klare Worte.

In Paris wiederum hat sich die erste Parlamentskammer wider alle Political Correctness getraut, in großer Einhelligkeit jede Form von Gesichts-Vermummung, darunter auch die gesichtsbedeckenden Schleier mancher Muslim-Frauen, zu verbieten. Besonders positiv: Jene Männer, die ihre - oft drei Meter hinter ihnen herlaufenden - Frauen zu solchen Verschleierungen anhalten, werden noch viel strenger bestraft. In Österreich hingegen wird seit Jahren über so etwas vage nachgedacht, aber dann haben die Regierung und das linksliberal durchsetzte Justizministerium wieder viel zuviel Angst. Und bestrafen lieber Islam-Kritiker.

Überraschend mutig ist auch die Israelitische Kultusgemeinde, die es wagt, den Rücktritt des islamischen SPÖ-Gemeinderats Al-Rawi zu fordern, der ja seine politische Funktion seit langem in skandalöser Weise immer untrennbar mit der eines Agitators der islamischen Glaubensgemeinschaft vermanscht. Bis hin zur finanziellen Unterstützung für terroristische Organisationen. Man darf gespannt sein, wie die SPÖ reagiert. Ob sie im Wahlkampf ein Signal gegen die radikalen Teile unter den Moslems zu setzen wagt und auf den Mann verzichtet. Oder ob sie nur dann gegen Antisemitismus ist, wenn sie damit parteipolitische Konkurrenten attackieren kann.

Auffällig ist freilich, dass die mutige Aussendung von der Kultusgemeinde stammt - und nicht wie üblich von deren Präsidenten Ariel Muzicant. Dieser ist ja immer am ganz linken Rand der Politik unterwegs (gewesen?) und hat auch alle Multikulti-Inszenierungen mitgemacht, die unter dem mehr oder weniger ausgesprochenen Motto standen, alle Religionen seien lieb und friedlich. Und es gibt offensichtlich keine Religion, in der von vielen Stimmen ständig zum Heiligen Krieg, zur Vernichtung des Judenstaates und zur Solidarität mit Terroristen aufgerufen wird.

Ach ja: Ein klein bisschen Freude macht dem Tagbuchautor auch die Tatsache, dass die Umstellung dieses Blogs auf ein komplett neues Programm halbwegs über die Bühne gegangen ist - auch wenn es genug Probleme mit dem ß und den Umlauten gegeben hat und gibt. Der persönliche Dank des Tagebuchschreibers jedenfalls gilt dem in den letzten Tagen fast rund um die Uhr werkenden EDV-Team. Es war für einen kleinen Blog ein gewaltiges Unterfangen, ein fast komplett neues Programm zu entwickeln.

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Fußnote 125: Ich weiß, ich weiß, was du nicht weißt

07. Juli 2010 16:25 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Eine reichlich skurrile Parlamentssitzung. Da verweigert die zuständige Staatssekretärin Christine Marek den Abgeordneten jede Antwort, wo und wie sie den Familien im kommenden Jahr genau 235 Millionen Euro wegnehmen will. Und dann lobt (sich) ihr eigener Parteichef einige Stunden später in der gleichen Sitzung, dass die Eckdaten über den Budgetrahmen schon im vergangenen Frühjahr und somit so früh wie noch nie vorgelegt worden seien. Es ist also offensichtlich längst etwas beschlossen, nur wir dürfen nicht genau erfahren, was es ist. Dieser Budgetprozess 2011 wird wohl als GAU, als größtmöglicher Unsinn, in die Geschichte der politischen Kommunikation eingehen.

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Fußnote 124: Die blöden Deutschen

07. Juli 2010 01:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Berliner Regierung beschließt heute das Budget 2011, Österreich die Mindestsicherung. Was zeigt, dass die Deutschen ganz schön blöd sind. Die großen Wirtschaftsweisen Faymann und Pröll haben uns ja gelehrt, dass man ein Budget erst in den allerletzten Tagen des Jahres beschließen darf, egal was die ebenfalls blöde Verfassung sagt. Und dass man vorher noch das allerletzte Geld hinauswerfen soll. Nach der Faymann-Pröll-Lehre ist es ohne langweiligen Vorlauf viel leichter, alle Sparmaßnahmen umzusetzen, alle Strukturreformen, alle Verfassungsänderungen, alle Beschneidungen des Pflegegeldes, alle Nullrunden für Pensionisten und Beamte, alle Subventionskürzungen (samt den daraus folgenden Mitarbeiter-Kündigungen) oder was sonst noch auf uns zukommt. Vermutlich sind unserer Regierung die aufregenden Griechen ohnedies als Vorbild viel lieber als die faden Deutschen. Die auch so blöd sind, ihre unpopulären Sparbudgets gerade dann zu beschließen, wenn das Land mit beiden Augen nach Südafrika und mit dem dritten in den Urlaub schaut, wenn sich also niemand so richtig aufregen wird. Unsere warten hingegen richtigerweise auf die unmittelbare Weihnachtszeit, wo alle Studenten und Gewerkschafter im Land sind, um zu demonstrieren. Wo die Menschen schlechte Nachrichten besonders lieben.

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Ein Mega-Gau für diese Republik

03. Juli 2010 03:17 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es ist ein zynischer Verfassungsbruch. Es ist eine Verhöhnung der Demokratie. Und es ist vor allem volkswirtschaftlich ein absoluter Wahnsinn: Die Regierungsspitzen haben dennoch nun hochoffiziell angekündigt, dass sie das Budget, das ab 1. Jänner gelten soll, erst am 9. Dezember einbringen werden, obwohl die Verfassung dies eigentlich schon für Oktober vorschreibt. Und das alles nur aus einem einzigen Grund: Die SPÖ will die - ohnedies nicht sehr guten - Wahlchancen von Michael Häupl nicht noch weiter gefährden. Man will daher keinesfalls schon zum Wiener Wahltag die unweigerlich bevorstehende Explosion an Katastrophenmeldungen aller nur denkbaren Lobbies dieser Republik auslösen. Denn das Wiener Rathaus ist für die SPÖ die zentrale Selbstbedienungskassa, mit deren Hilfe man alle Medien besticht, aus der man die ideologisch willfährigen "unabhängigen" Vorfeldorganisationen wie DÖW oder ZARA bezahlt. Natürlich will die Bundes-ÖVP auch nicht die Chancen von Christine Marek trüben. Aber die sind ohnedies schon so schlecht, dass ihnen gar nichts mehr schaden kann, nicht einmal die drohende Kürzung der Familienbeihilfe, für die Marek in selbstbeschädigender Naivität (oder nur um bis Herbst den Staatssekretärsgehalt zu beziehen?) zumindest bis zum Wahltag die Verantwortung tragen will. Auch der Bundespräsident steht wieder einmal mit langer Nase da. Hat er doch in seinem Wahlkampf noch beteuert, er werde dafür sorgen, dass die Regierung das Budget rechtzeitig einbringt - obwohl die rot-schwarzen Finanzstaatsseekretäre schon im letzten Winter genau das angekündigt hatten, was jetzt Bundes- und Vizekanzler schriftlich bestätigen. Und die Parlamentspräsidentin steht wie immer peinlich da. Statt den Verfassungsbruch anzuklagen, bettelt sie nun, dass das Budget vielleicht ein oder zwei Wochen früher eingebracht wird. Was die Regierung als "Konzession" wahrscheinlich ohnedies schon eingeplant hat. Ebenso hinterhältig ist der Zeitplan der beiden Großkoalitionäre: Monatelang hat man den von den Staatssekretären schon zugegebenen Verfassungsbruch wieder dementiert, und jetzt kündigt man ihn genau am Tag des Schulschlusses an. Damit die Aufregung bald an den diversen Urlaubsstränden verplätschert. Nur haben die Möchtegern-Taktiker eines vergessen: Dann wenn die nicht nur für die Verfassung, sondern auch die Menschen notwendigerweise schmerzhaften Maßnahmen verkündet werden, sind sie alle wieder da. Was der Regierung einen ganz heißen Winter  bescheren wird. Und das nicht, weil sich die Global-Warming-These vielleicht doch einmal bestätigt. Sondern weil die jahrelang belogenen Menschen aus allen Wolken fallen werden. Aber Rot und Schwarz denken sich: Was schert es, haben wir doch nach der Wiener Wahl eine lange Periode ohne irgendwelche Wahlen vor uns. Da werden sie sich schon wieder beruhigen. Manche Leser werden fragen, ob es denn keine Konsequenzen für einen solchen Verfassungsbruch gibt. Ja die gibt es natürlich - falls die Parlamentsmehrheit eine Ministeranklage beschließt. Vorsichtig ausgedrückt, ein eher unwahrscheinlicher Fall. Und dann wundern sich manche über den rasch wachsenden Demokratiefrust der jungen Menschen. Der lässt sich auch ganz sicher nicht dadurch reduzieren, dass man in den Schulen einen Politologie-Unterricht einführt (zur Arbeitsbeschaffung für die Absolventen einer der sinnlosesten Studienrichtungen). Noch katastrophaler ist aber der ökonomische Pfusch, der da gebaut wird. Denn man hätte so wie viele andere europäische Länder schon im vergangenen Winter konkrete Sparbeschlüsse vorbereiten und inzwischen realisieren müssen. Österreich hingegen hat das Sparen ein volles Jahr verschoben, hat sich damit alle Möglichkeiten genommen, durch Strukturänderungen die sinnvolleren und weniger schmerzhaften Sanierungswege zu gehen. Denn Strukturänderungen brauchen einen viel intensiveren gesetzlichen Vorlauf als ein schlichte Kürzung. Investitionen, Ausgaben für Universitäten oder Landesverteidigung, Beamtengehälter, Pensionen, Beihilfen kann man mit einem Gesetz leicht einfrieren oder kürzen. Will man hingegen das extrem teure Hacklerpensionssystem abschaffen, dann braucht das einen langen Vorlauf, weil ja unser lieber Verfassungsgerichtshof in seinem Wolkenkuckucksheim meint, die lieben Österreicher hätten ein unabdingbares Anrecht darauf, schon viele, viele Jahre im vorhinein den Tag zu wissen, an dem sie endlich in Pension gehen können. Einen noch schwierigeren Vorlauf bräuchte eine Gesundheitsreform, die das teure Neben- und Gegeneinander von Sozialversicherungen und Bundesländern, die unnütze Vielzahl an gesetzlichen Krankenkassen, das gleichzeitige Fehlen eines kostendämpfenden Wettbewerbs, den Missbrauch durch Versicherte ohne Selbstbehalt beendet. Noch zeitaufwendiger wäre es, wenn man endlich die Föderalismusreform anginge, etwa im Schulbereich die Parallelität zwischen Bund und Ländern beendete. Und wenn man Hunderte Bundesgesetze beseitigte, die den Bundesländern und Gemeinden viel Arbeit und Kosten aufbürden. Kein Mensch kann auch nur eine dieser Maßnahmen in ein paar Tagen mit all den notwendigen Verhandlungen, organisatorischen Änderungen, Neustrukturierungen realisieren. Wenn nicht ein Megapfusch entstehen soll. Man hat jetzt schon ein halbes Jahr verschlafen. Und tut das nun weitere fünf Monate. Die Herren Faymann und Pröll haben uns klargemacht: Sie denken nicht an Strukturreformen, das ist viel zu mühsam. Es gibt daher nur noch zwei Möglichkeiten: Die erste bestünde darin, die dringenden Sparnotwendigkeiten überhaupt zu ignorieren; was man vor allem bei Faymann befürchten muss, seit er vom absurden Koralmtunnel bis zum burgeländischen Militäreinsatz an einer offenen Grenze jeweils vor Wahlen Geldverschwendungen einzuzementieren versucht hat. Aber auch die ÖVP hat mit Lobbying für den nur wenig sinnvolleren Brennertunnel oder gegen Spitalsschließungen den Spielraum für vernünftige Maßnahmen drastisch reduziert. Die zweite Möglichkeit: Die Koalition wird dann im Dezember kürzen, streichen - und kräftig Steuern erhöhen. Sie trifft lieber die Menschen mit voller Härte, statt auch an einigen Machtpositionen von Parteifunktionären in Ländern, Sozialversicherungen und Beamtenschaft zu kratzen. Und Häupl ist ihnen offensichtlich sowieso wichtiger als die ganze Republik und deren Einwohner. Denen kann man jetzt nur noch eines wünschen: Frohe Weihnachten!

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Fußnote 122: Wer glaubt noch an die Pension?

30. Juni 2010 12:50 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Österreicher sind um etliches schlauer als ihre Politiker. Was die Aussichten freilich nicht rosiger macht. Nur noch 56 Prozent der noch nicht in Pension befindlichen Österreicher glauben, dass es bei ihrem Pensionsantritt eine staatliche Pension in der heutigen Form geben wird. Drei von zehn Österreichern rechnen hingegen schon mit einer deutlichen Erhöhung des Pensionsalters, starken Kürzungen der Pensionen und der Notwendigkeit, mehr privat vorzusorgen. Das ergibt eine neue Imas-Umfrage. Das kann man positiv als signifikanten Erkenntnisgewinn interpretieren. Das kann man aber auch umgekehrt sehen: Noch immer glaubt eine klare absolute Mehrheit wider alle Grundrechnungsarten den grob fahrlässigen Versicherungen der Politik, glaubt also an das Gleichbleiben der staatlichen Pension. Die jedoch nur dann in etwa gleich bleiben können, wenn eine gefährlicher neuer Virus die Menschen über 60 reihenweise dahinrafft.

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Fußnote 121: Kanadier müsste man sein

30. Juni 2010 00:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Kanada ist ein schönes Land. Das weiß fast jeder. Es ist aber auch ein politisch interessantes Land. Und das sollte man sich oft näher anschauen. So wagen es die Kanadier, sich des öfteren frontal gegen einen sehr großen Nachbarn zu stellen. Sie haben beim Gipfel in Toronto kontinuierlich alle Unsinnigkeiten wie Steuererhöhungen abgelehnt (obwohl normalerweise Gastgeber immer verleitet sind, für die Erzielung eines Konsenses alles zu opfern). Sie haben beim Gipfel auch die im Vorjahr weltweit noch topmodisch gewesene Klimahysterie abgedreht. Und sie betreiben seit Jahren eine absolut rationale Einwanderungspolitik: Nach Kanada übersiedeln darf nur, wer entweder reich ist oder überdurchschnittlich gebildet oder überdurchschnittlich intelligent. Jeder Vergleich mit der österreichischen Immigrationspolitik erübrigt sich da sowieso.

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Großer Jubel: Konsens über zwei schlechte Gesetze

29. Juni 2010 01:19 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wetten, dass uns die Regierungsparteien noch ein paar Mal einen Durchbruch in Sachen Mindestsicherung und Transparenzdatenbank verkünden werden. Schließlich müssen die Jubelmedien ja mit guten Schlagzeilen gefüttert werden. Viel ärgerlicher ist aber: Beide Gesetze sind schlecht. Daher ist es auch ziemlich redundant, wenn sich die Regierung da feiert. Die Mindestsicherung ist schlecht, weil sie mit Sicherheit weit mehr kosten wird als das bisherige Sozialhilfe-System. Denn künftig wird in der Optik der Hilfesuchenden aus einem Bittgesuch ein Rechtsanspruch - und erst der Staat muss beweisen, dass der Anspruch doch nicht besteht. Damit wird dem in unserem Sozialsystem ohnedies weit verbreiteten Missbrauch Tür und Tor noch weiter geöffnet. Und findige NGOs stehen schon bereit, aus angeblich humanitären Gründen die Lücken im System auszutesten, und sofort "Skandal" und "Soziale Kälte" zu skandieren, wenn eine Behörde es wagen sollte, effizient gegen Missbrauch einzuschreiten. Die Transparenzdatenbank in der vorgesehenen Form ist schlecht, weil sie viel Bürokratie auslöst, weil ihre Erstellung jahrelang dauern wird und weil nicht klar ist, was man eigentlich dann mit den gewonnenen Daten tun wird. Vor allem aber ist sie eine schlechte Lösung, weil sie mit zahllosen Geheimhaltungs-Kautelen belastet wird, sodass ungefähr des Gegenteil von Transparenz entstehen wird. Wie man es richtig macht, zeigen gerade die Briten: Sie veröffentlichen künftig sämtliche Zahlungen aus staatlichen Kassen im Internet (sofern es nicht auch dort irgendwelchen Bedenkenträgern gelingen sollte querzuschießen). Das schafft - ähnlich dem schon lange gut funktionierenden skandinavischen System - Transparenz. Ja, auch für die Nachbarn. Es scheint für viele Österreicher hingegen besonders entscheidend zu sein, dass die Transparenz nur im Geheimen besteht. Das heißt mit anderen Worten, dass es offenbar Privatsache ist, ob und wie man den Staat betrügt. Denkt man nur eine Minute ruhig und ohne die üblichen Reflexe nach, dann wird es eindeutig klar: Wer vom Staat und all seinen Agenturen Geld will, der greift uns allen in die Tasche. Und da haben wir alle in Wahrheit einen ganz eindeutigen moralischen Anspruch, davon zu erfahren. Eine solche echte Transparenz würde überdies viel effektiver Sozial- und Förderungs-Missbrauch eindämmen als eine neue komplette Bürokratie. Sie wäre daher auch die weitaus effizienteste Sparmaßnahme.

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Der Aufsichtsrat, dein Freund und Helfer

26. Juni 2010 04:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die SPÖ macht die Verfassungsrichterin und brave Parteisoldatin Claudia Kahr zur Aufsichtsrats-Vorsitzenden der Asfinag. Und das nur wenige Stunden, nachdem Kahr in diesen Aufsichtsrat überhaupt erst eingerückt ist. Das ist formalrechtlich in Ordnung, sollte aber dennoch alle Alarmglocken läuten lassen. Die erste Sorge gilt der Asfinag: Wird nun auch die Autobahngesellschaft endgültig parteipolitisch kaputt gemacht, wie es der SPÖ schon bei der ÖBB und Rot und Schwarz beim Wiener Flughafen geglückt ist? Kehren wir bei den verbliebenen Staatsbetrieben total in die furchtbaren Jahre der Verstaatlichten Industrie zurück? Wo jeder Portier ein Parteibuch haben musste, wo die Partei jahrelang ihre schützende Hand darüber gehalten hat, bis die Verstaatlichte mit einem Totalcrash an die Wand gedonnert ist. Frau Kahr könnte diese Besorgnis rasch zerstreuen: Sie könnte dem Vorstand Inserate und sonstige Kooperationen mit Medien verbieten, um nicht in den Verdacht zu geraten, parteipolitische Bestechungsaktionen zu erlauben. Wenn es wirklich einen objektiven Grund geben sollte, die Autobahnen inseratmäßig zu bewerben (es fällt freilich schwer, sich einen solchen vorzustellen), dann sollten diese Inserate in totaler Transparenz durch professionelle Schaltagenturen nach rein ökonomischen Kriterien geschalten werden. Eine solche Reform wird freilich nicht gerade das Motiv gewesen sein, warum Kahr von der Partei in diesen Posten gehievt worden ist. Die Asfinag war diesbezüglich im Vergleich zu ÖBB und sämtlichen Unternehmen im Machtbereich der Gemeinde Wien noch relativ zurückhaltend. Dennoch ist die Gesellschaft alles andere als politisch unabhängig. Sonst hätte sie nicht jedem österreichischen Bürgermeister nachgegeben, der nach einer aufwendigen Lärmschutzwand entlang der Autobahn verlangt hat, und nicht jeder Hauptschulklasse, die für einen teuren Kröten-Tunnel unter der Autobahn gekämpft hat. Rein rechtlich geht die Bestellung Kahrs aber in Ordnung. Hat ja beispielsweise auch der frühere VfGH-Präsident Korinek nicht alle Aufsichtsrats-Mandate zurückgelegt – etwa jene im Kulturbereich. Dennoch ist das alles andere als sauber. Denn selbst wenn sich Frau Kahr bei jeder Causa, bei der die Asfinag eine Rolle spielt – was gerade bei einer Autobahngesellschaft in einer Vielzahl von Fällen denkbar ist –, jeder Mitwirkung im Gerichtshof enthält, leidet dennoch das Ansehen der Objektivität des VfGH darunter, das gerade für das oberste Verfassungsschutzorgan so wichtig ist. Wenn es um eine Kollegin geht, schaut man sich halt die Akten mit einer ganz anderen inneren Einstellung an als sonst, ob man will oder nicht. Gerade wenn einem der Rechtsstaat wichtig ist, sollte gerade der VfGH daher auch außerhalb des Bereichs verbotener Handlungen einen breiten Gürtel der freiwilligen Sauberkeit beachten. Wir sollten aber auch für die gesamte Wirtschaft – die staatliche wie die private – die Rolle von Aufsichtsräten dringend überprüfen. Wir müssten dringend wegkommen vom Bild des Aufsichtsrats als Helfer, um nicht zu sagen Komplicen des Vorstands. Die Aufsichtsräte sollten zu wirklichen Aufsehern werden. Das können wir nur dadurch erreichen, dass kein Aufsichtsrat von Entscheidungen des Vorstands  persönliche Vor- oder Nachteile haben darf. So ist es geradezu absurd, wenn ein Rechtsanwalt, der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist, dann auch vom Vorstand derselben Gesellschaft honorarträchtige Aufträge bekommt. Ein solcher Aufsichtsrat wird im Grund seines Herzens primär an seine eigene Interessen denken, bevor er an die der Eigentümer und der Firma denkt. Dasselbe gilt für jeden anderen Geschäftspartner der Gesellschaft: Der wird als Aufsichtsrat immer die Sicht darauf im Auge haben, dass seine eigene Firma weiterhin gute Aufträge bekommt. Selbst wenn eigentlich ein Konkurrenzlieferant viel günstiger wäre. Smarte Vorstände werden umgekehrt nie so blöd sein, persönliche Interessen eines Aufsichtsrats leichtfertig zu gefährden. Selbstverständlich sind auch verschränkte Aufsichtsratsmandate ein Unding: Der Vorstand der Firma A "beaufsichtigt" die Firma B, und der Vorstand von B "beaufsichtigt" A. Ausnahmen von dieser Regel kann es nur dann geben, wenn der Aufsichtsrat (oder seine Firma) selbst ein relevanter Aktionär der Firma ist. Denn dann hat er natürlich sehr wohl die langfristigen Interessen der Eigentümer im Auge, die ja vom Aufsichtsrat zu vertreten sind. Eine solche Neuregelung widerspricht massiv dem Old-Boys-Klub-Denken rund um die Industriellenvereinigung. Sie würde auch Aufsichtsratssitzungen konfliktträchtiger machen, als man es bisher gewohnt ist. Aber sie ist der einzige Weg, zu einer sauberen Marktwirtschaft zu kommen, in die Menschen ihre Ersparnisse ohne allzu große Sorgen investieren können. Eine solche Neuregelung würde auch ganz stark dazu führen, dass Aufsichtsrat zum Hauptberuf wird. Ein Hauptberuf, den man zweifellos in mehreren Firmen gleichzeitig ausüben kann – solange sie nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Ein solches Konkurrenzverbot müsste sicherlich auch zwei oder drei Jahre nach dem Rücktritt gelten. Es hätte auch den Skandal Gusenbauer verhindert: Ist doch der Altbundeskanzler vor wenigen Tagen nahtlos vom Aufsichtsrat der Alpine in den der Strabag gewechselt. Und niemand kann mir erzählen, dass er über Nacht jedes Wissen um die Alpine und ihre Geschäfte aus seinem Kopf eliminieren kann. Es ist schon klar, dass die Bauwirtschaft die Nähe der Politik sucht. Aber das Gesetz und die weltweite Übung sieht im Aufsichtsrat eben die Rolle eines Aufsehers und nicht die eines Lobbyisten. Keine Frage ist auch, dass ein wirklich sauberer Aufsichtsrat auch keine Betriebsräte in seinen Reihen haben dürfte. Denn auch die haben naturgemäß ganz andere Interessen im Auge – und durch die Arbeitsverfassung auch zahllose Möglichkeiten, sie zu betreiben –, als die eines Aufsichtsorgans. Diese deutsch-österreichische Fehlentwicklung der Mitbestimmung der Betriebsräte ist längst ad absurdum geführt. So haben etwa die Arbeitnehmer-Vertreter in der ÖIAG dort immer nur parteipolitisch agiert, sie haben immer sämtliche Verschwiegenheitspflichten ignoriert. Wohin ein vom Betriebsrat gesteuertes Unternehmen geht, kann man ja am besten am Gewerkschaftsunternehmen ÖBB sehen. Die ist primär zum Selbstbedienungsladen geworden mit unzähligen dienstfreigestellten Betriebsräten, die aber gleichzeitig Gehälter beziehen, als wären sie die Chefs des Salzburger Hauptbahnhofs. Ich weiß schon, dass eine solche Reform wohl noch lange nicht kommen wird. Rechtsstaat und Marktwirtschaft sind keine gewichtigen Argumente, vor allem wenn auf der anderen Seite Gewerkschaft, Partei und die industrielle Führungsklasse steht. Die alle Interesse am Status quo haben.

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Athen erwacht, Wien schläft weiter

22. Juni 2010 03:58 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wenn man den österreichischen Gewerkschaftern so zuhört, dann fragt man sich immer mehr, auf welchem Planeten sie eigentlich leben. Sie verlangen ungeniert trotz aller Krisen immer weitere soziale Begünstigungen, wie etwa weniger Arbeit fürs gleiche Geld. Während in anderen Ländern sogar sozialistische Regierungen erkannt haben, dass es um eine dramatische Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gehen muss. Das hat etwa in Griechenland zur Folge, dass dort jetzt die gesetzlich festgelegten Abfertigungen bei Kündigungen halbiert werden. Gleichzeitig werden auch diverse Kündigungsverbote eingeschränkt. Denn endlich haben auch die Griechen – wenn auch erst unter dem massiven Druck der Finanzkrise und deren Folgen – erkannt, dass es der Sozialstaat Arbeitgebern zu teuer gemacht hat, Mitarbeiter zu beschäftigen. Man muss die gesamten Lohnkosten einschließlich aller Nebenleistungen für die Firmen senken –­ zumindest dann, wenn man will, dass sie neue Mitarbeiter anstellen. Und das steht für die Griechen heute notgedrungen an der Spitze ihrer Agenda. Gleichzeitig senken die Griechen den gesetzlichen Mindestlohn auf 592 Euro – von bisher 740 Euro. Signifikante Koinzidenz: Dieser bisherige Mindestlohn ist zufällig fast auf den Euro genau so viel wie jener Betrag, den auf Grund der abgrundtiefen Weisheit der Parlamentsmehrheit bald jeder in Österreich lebende Mensch auch ohne Arbeit bekommen wird. Aber wir haben es ja. Im österreichischen Staatsschatz türmen sich ja die Milliarden an Reserven, die wir in fetten Jahren angehäuft haben. Zugegeben: Auch in Griechenland sind die Gewerkschaften vehement gegen all diese Maßnahmen. Aber ihre sture Haltung findet dort ebenso wie in Spanien oder Frankreich erstaunlich wenig Unterstützung in der deprimierten und verzweifelten Bevölkerung. Die Menschen glauben nicht mehr an die Rezepte der Gewerkschaften, die in Wahrheit nur noch um ihre eigene Bedeutung kämpfen. Vor allem nehmen nicht einmal mehr sozialistische Regierungen Rücksicht auf die Gewerkschaft – weil sie wissen, dass sie Tags darauf von niemandem mehr Geld geborgt bekämen und sie nicht einmal mehr den Lohn der Beamten zahlen könnten. Was Griechenland sehr von Österreich unterscheidet, wo die Regierungspolitik nach wie vor heftig unter dem Diktat der Gewerkschaft steht und deren Außenstelle namens Wirtschaftskammer. Sind Parteien wirklich erst dann lernfähig, wenn der Staatsbankrott droht, und nicht schon vorher, wenn das simple Maßhalten genügt hätte, und man noch nicht zu wirklich blutigen Schnitten greifen müsste wie drastischen Pensions- oder Gehaltskürzungen?

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Das beste Weltuntergangssystem der Welt

21. Juni 2010 10:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die ORF-Diskussion „Im Zentrum“ war ein Musterbeispiel der österreichischen Problemlösungsphilosophie. Von Seniorenvertretern bis zur Jungen Industrie sind sich alle einig, wir haben das beste Pensionssystem der Welt. Irgendwann in einem unauffälligen Nebensatz erwähnt Pensionsexperte Bernd Marin, dass Zahlungsversprechen (also Pensionsansprüche) im Schnitt nur zu zwei Drittel durch laufende Beiträge gedeckt sind. In juvenilem Übermut fordert die Junge Industrie einen Kahlschlag des Systems, Karl Blecha kontert blitzartig: „des wer ma verhindern“. Und jetzt in Zeitlupe: Um Verarmung im fortgeschrittenen Alter durch geringere Leistungsfähigkeit vorzubeugen, kennt der moderne Wohlfahrtsstaat eine Pensionsvorsorge. In den USA wurde sie beispielweise 1935 eingeführt bei einem Pensionsantrittsalter von 65 und einer Lebenserwartung von 62 Jahren. Pensionisten von heute werden von Erwerbstätigen von heute finanziert und die wiederum leben eines Tages von den Beiträgen der Erwerbstätigen von morgen. Klingt genial. Nur leider geht die Rechnung nicht ganz auf und so muss der österreichische Steuerzahler derzeit 4,3 Milliarden € pro Jahr zuschießen. Das ist mehr als zweimal so viel, wie wir jährlich in die Universitäten investieren. Und dieser Zuschuss hat sich seit 2006 fast verdoppelt. Man braucht kein mathematisches Genie sein, um zu begreifen, dass das Ganze in die falsche Richtung läuft. Schon heute reichen die Beiträge bei weitem nicht, um die derzeitigen Pensionsansprüche zu decken. Dabei kommen jetzt noch auf einen Pensionisten vier Erwerbstätige, 2050 werden es nur noch zwei sein. Aber Herr Blecha wird Einschnitte in dieses beste aller möglichen Systeme zu verhindern wissen. Ein junger Mensch, der dieser Tage seinen 25. Geburtstag feiert, wird 2050 das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreichen (wenn es bei der heute festgesetzten Grenze von 65 Jahren bleibt). Er wird mit Anfang 30 heiraten und 1,4 Kinder haben. Er wird in seinem Leben 9.6 Autos kaufen und 25 Handys und 63 Mal auf Urlaub fahren. Er wird noch 40 Jahre arbeiten und Monat für Monat brav seinen solidarischen Beitrag zu einer ausgewogenen Altersvorsorge leisten. 2050 will er sich zur Ruhe setzen und hofft auf eine adäquate Pension. Dummerweise wird dann das ihm heute gegebene Zahlungsversprechen die Steuereinnahmen zwölfmal übertreffen. Infolge dieser massiven Verschuldung wird dem Staat nichts anderes übrig bleiben, als seine Währung abzuwerten und diese Inflation wird die privaten Ersparnisse dieses heute jungen und (noch) hoffnungsfrohen Menschen auffressen. Gleichzeitig wird unser Wirtschaftssystem völlig in sich zusammenbrechen. In der gesamten Menschheitsgeschichte hat noch keine Zivilisation einen solchen Schock überlebt. Mit dieser Horrorvision muss sich natürlich nicht nur der gemütliche Alpenrepublikaner auseinandersetzen. Alle Industrienationen haben ein ähnliches Pensionssystem und mit ähnlichen demographischen Trends zu kämpfen. Die wesentlichen Parameter dieses Umlagesystems sind Geburtenrate, Pensionsantrittsdatum und Lebenserwartung. Wie viele Erwerbstätige erhalten mich wie lange? In den frühen 1960ern hatte der Durchschnittsösterreicher 2.8 Kinder und eine Lebenserwartung von 69 Jahren, heute hat er nur noch halb so viele Kinder und wird 11 Jahre älter. Die oft propagierte Idee, den postmodernen Reproduktionsausfall durch Immigration auszugleichen, wird uns nicht weiter bringen. Erstens dürfte die dafür notwendige Massenzuwanderung vorsichtig ausgedrückt nicht ganz reibungslos ablaufen, zweitens zeigen alle Statistiken, dass die Zuwanderer sofort alle Vorteile des Sozialstaats noch gezielter nutzen als die Eingeborenen und Null Absicht zeigen, quasi als Arbeitskulis diesen kinderlosen Eingeborenen jahrzehntelang eine schöne Pensionszeit zu erwirtschaften. Drittens werden uns die potenziellen Zuwanderer ausgehen, denn auch in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Geburtenrate stark rückläufig und wird sich nach Schätzungen der OECD 2050 auf dem die Bevölkerungszahl stabilisierenden Ersatzniveau von 2,1 Kindern pro Frau einpendeln. Der Klub der reichen Nationen bastelt schon emsig an allen möglichen Fronten an der Lösung unseres gemeinsamen Wohlstandsproblemchens. Die Deutschen gehen künftig erst mit 67 in Pension, wobei es nicht leicht sein dürfte, ältere Arbeitnehmer trotz aller Erfahrung in Beschäftigung zu halten. Denn nach den meisten Tarifverträgen sind sie viel teurer als die Jungen. Ein marktorientierteres Entlohnungssystem – demzufolge die Lohnkurve etwa ab 50 wieder absinkt, könnte da wahre Wunder bewirken. Die Franzosen wiederum subventionieren Familien mit großzügigen Direktzahlungen, was bei denen, Gott weiß warum, besser funktioniert als bei uns. Das Problem ist nur genau wie in Schweden, das noch das flächendeckende Kinderbetreuungsprogramm hat, dass sich all diese generösen öffentlichen Wohltaten schmerzhaft im Budget niederschlagen. Diese Länder geben etwa 2,5-mal so viel für Kinder aus wie wir für Forschung (bekanntlich auch eine Investition in unsere Kinder). Ich persönlich favorisiere den angelsächsischen Approach. Ein flexibleres Arbeitsrecht erleichtert den britischen Frauen den Wiedereinstieg ins Berufsleben nach der Babypause, 40 Prozent der Briten sind mit über 60 noch erwerbstätig, in Österreich sind es gerade mal 7 Prozent. Und so manches Beispiel aus den USA zeigt, dass Kinderbetreuung privat organisiert auch recht gut funktionieren kann. Nur diese Ansätze haben einen groben Schönheitsfehler. Sie kosten nämlich kein Geld, sondern politischen Mut, und der ist unter den Akteuren ungefähr ebenso häufig zu finden wie ein ausgeglichenes Budget in einer westlichen Industrienation.

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Opel, Merkel und die FDP

17. Juni 2010 03:59 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Noch vor kurzem sollte der deutsche Steuerzahler mit Milliarden Opel retten. Nur die FDP legte sich quer. Das Ergebnis dieser Weigerung könnte vielen eine Lehre sein: Denn auf einmal braucht General Motors gar keine Beihilfen der deutschen Steuerzahler. Der amerikanische Konzern verzichtet plötzlich darauf, an Stelle der sich geizig zeigenden Bundesregierung in Berlin halt die betroffenen deutschen Bundesländer anzuschnorren. Und er muss trotzdem keinen Opel-Standort zusperren. Das sollte man sich auch in vielen anderen Fällen zum Beispiel nehmen: Nicht jeder der jammert, ist deshalb schon todkrank. Und es wäre oft die beste Kur, wenn Firmen wissen, dass sie kein Steuerzahler retten wird, dass sie sich vielmehr selber aus dem Sumpf ziehen müssen. Übrigens: Zu Firmen gehören bekanntlich auch immer die Arbeitnehmer und nicht zuletzt die Betriebsräte. Damit hat die FDP, die sonst schon viel Unsinn angerichtet hat, erstmals ihre Existenz als Regierungspartei gerechtfertigt. Wenn sie auch gegenüber eigenen Lobby-Gruppen wie den Hoteliers konsequenter gewesen wäre, könnte man dieses Lob noch viel ehrlicher aussprechen. Aber im Vergleich zu Angela Merkel, die seit einiger Zeit nur noch zaudert, Entscheidungen aufschiebt oder sich - ausgerechnet - von Frankreich unter Druck setzen lässt (und nachgibt), könnte sich die FDP solcherart auch in Zukunft positiv abheben. Diese Lehren aus der Causa Opel heißen aber auch nicht, dass ohnedies jedes Unternehmen ohne Hilfe überleben kann, wenn es sich nur genug anstrengt. Aber nichts ist normaler als das Sterben von Firmen. Damit auf deren Trümmern neue, zukunftskräftigere Betriebe entstehen können. Gewiss ist das für die Belegschaft und auch Unternehmerfamilien schmerzhaft. Aber es ist viel weniger ungerecht als das, was fast alle Parteien in den letzten Jahren zum Credo erhoben haben: auf Kosten der lebensfähigen Firmen und vor allem auf Kosten der nächsten Generation Schulden zu machen, um schwachbrüstige Unternehmen über eine kurze Frist noch künstlich am Leben zu erhalten. Bis sie dann doch krachen gehen. Und nur die Schulden für unsere Kinder bleiben.

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Lieber Arbeiter, liebe Arbeiterin,

12. Juni 2010 02:26 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die SPÖ feiert heute ihren Parteitag. Was magst Du da über jene Partei denken, die Du lange mit großer Selbstverständlichkeit gewählt hast? Da wird Dir wohl vieles durch den Kopf gehen. Du fragst Dich immer öfter, ob nicht jene Kollegen und Freunde richtig gehandelt haben, die sich von der Partei schon abgewendet haben. Wahrscheinlich wirst Du Dir schon eine ganze Reihe dieser Fragen gestellt haben:

  1. Ist meine Partei nicht in den letzten Jahren eine komplett andere geworden? Ist nicht aus der Arbeiterpartei eine Partei der studierten und weltfremden Theoretiker aus der sogenannten 68er-Bewegung geworden, die mich eigentlich verachten? Bedrohen die mit ihren Ideen nicht all das, was ich mir durch fleißiges Arbeiten geschaffen habe (übrigens mit Unterstützung der alten Partei und der durch ihre Mitarbeiter erfolgreichen Unternehmen)? Wollen die nicht eine ganz andere Welt schaffen als die von mir gewünschte, die sie sogar als „kleinbürgerlich“ beschimpfen?
  2. Ich war immer fleißig – und jetzt verlangt meine Partei eine Grundsicherung für alle, die nicht arbeiten. Dabei kann man ja nie genau herausfinden, ob Menschen nicht arbeiten wollen oder nicht können oder ob sie daneben schwarzarbeiten (und damit auch gleich Deinen Arbeitsplatz gefährden). Ist man da nicht blöd, wenn man selbst fleißig arbeitet und damit solche Dinge finanziert? Und weiter die selbe Partei wählt?
  3. Warum reden so viele aus der Partei dagegen, dass es wirkliche Transparenz für all die Gelder gibt, die irgendjemand vom Staat bekommt? Sollte das nicht total selbstverständlich sein?
  4. Ich war immer für die Gleichberechtigung der Frauen. Aber was hat das mit den Radikalfeministinnen zu tun, die jetzt die Partei beherrschen? Die verbohrt wie irgendeine Sekte den Menschen einreden wollen, dass es keine Unterschiede zwischen Mann und Frau gäbe. Die für sich und ihre Oberschichtgruppe gesicherte Posten in Aufsichtsräten und Ähnlichem erkämpfen, während ich immer durch Fleiß, Leistung und Anständigkeit um den Aufstieg gekämpft habe. Diese Frauen haben hingegen noch nie eine Quote für die Arbeit am Hochofen oder auf der Baustelle verlangt.
  5. Ich habe vor allem für den Aufstieg meiner Kinder gekämpft. Und jetzt wird deren Schulbildung, die doch den Aufstieg bringen sollte, wieder total wertlos, weil die Partei – wie immer Hand in Hand mit den radikalen Grünen – meine Kinder zwingen will, die Klasse mit den Ausländern zu teilen, die oft weder deutsch lesen noch schreiben können. Ist das nicht Verrat an dem immer versprochenen Aufstieg?
  6. Die Partei kämpft für das Gratisstudium, das im Ausland längst abgeschafft ist. Weiß sie nicht, wer das bezahlt? Nicht irgendwelche Reichen (die ihr Geld ja total versteckt haben), sondern ich und meine Kinder, die einen ehrlichen Lehrberuf erlernen.
  7. Ich habe mir ein kleines Häuschen oder eine schöne Wohnung geschaffen. Jetzt wird dort ringsum eingebrochen, jetzt wird meiner Frau im Zug die Geldbörse gestohlen, jetzt trauen sich meine Eltern oft nicht mehr auf die Straße. Warum nur ist meine Partei immer gegen eine viel strengere  Behandlung der Asylanten gewesen, von denen überdurchschnittlich viele kriminellen Aktivitäten nachgehen?
  8. Warum hat die Partei nichts unternommen, dass es etwa in immer mehr Parkanlagen Wiens zum Problem wird, wenn meine Kinder spielen wollen, ohne von bestimmten Ausländergruppen belästigt zu werden?
  9. Viele meiner Kollegen haben den Arbeitsplatz verloren oder müssen um diesen bangen, weil immer mehr Produktionen ins Ausland verlegt werden. Warum kämpft da meine Partei nicht für den Abbau von Vorschriften, Steuern und Abgaben, damit es auch künftig in Österreich noch Fabriksarbeitsplätze gibt?
  10. Wo kämpft meine Partei gegen die Ausbreitung der Drogensucht, die meine Kinder anstecken könnte? Statt dessen werden Spritzen gratis verteilt und dürfen sich Asylwerber jahrelang frei bewegen, von denen halt recht viele mit Drogen handeln?
  11. Was tut meine Partei, damit die medizinische Betreuung und das Pensionssystem auch in Zukunft funktionieren? Damit auch mein Spargroschen etwas wert bleibt? Und warum gefährdet sie all das, indem sie immer für noch mehr Schulden eintritt?
  12. Meine Partei war immer eine der Arbeiter. Sie war aber auch immer stolz, dass an Ihrer Spitze einer steht, der sich durch Fleiß ein Studium erkämpft hat, damit er uns besser führen kann. Warum steht jetzt erstmals einer an der Spitze, der das nicht getan hat, der dafür als Marionette jenes Zeitungsherausgebers auftritt, vor dem mich meine Partei jahrzehntelang gewarnt hat?
Fragen über Fragen. Und keine einzige wird auf dem Parteitag jener Partei gestellt oder gar beantwortet werden, die die Arbeiter so lange gewählt haben. Irgendwie gibt das zu denken. Dir und mir.

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SN-Kontroverse: Sozialstaat abspecken?

11. Juni 2010 00:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt. Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

„Deutschland spart am Sozialstaat – ein Vorbild für Österreich?“

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Das Glas halbvoll oder halbleer

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at). Manche Dinge ändern sich nie. So etwa Hader und Zank um die Frage, ob ein Glas halbvoll oder halbleer ist. Oder anders gefragt im Jargon der Finanzwelt: Wer muss sparen - wem wird genommen? Eher selten hört man/frau die Frage nach der Klugheit von Reformen. Dies würde nämlich voraussetzen, dass Dimensionen und Verhältnismäßigkeiten berücksichtigt werden. Hier könnten sich die „Ösis" einiges vom „deutschen Michl" abschauen. Die Nachbarn haben in den rund zwanzig Jahren seit der Wiedervereinigung enorme Lasten im Interesse des europäischen Friedenswerks geschultert. Man denke an den Solidarbeitrag und an Hartz IV. Als Polen beim Kopenhagener Gipfel (2002) in die EU aufgenommen wurde, griff der damalige Kanzler Gerhard Schröder noch einmal tief in die Tasche.  Deutschland ist gleichzeitig in einem hohen Maß reformbereit, um die soziale Balance halten zu können. Die Administration Angela Merkel II tut dies ebenfalls. Finanzminister Schäuble kündigte ein Sparprogramm UND den Alleingang bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer an. In Österreich hingegen hört man wieder häufiger den Klassiker „Gesudere", wenn es um Zukunftsvorsorge geht. Kernstück des Sparens ist der Dauerbrenner Verwaltungsreform. Wir leisten uns in neun Bundesländern eine sündteure Hochbürokratie. Seit der verfassungsrechtlichen Verankerung der Landesverwaltungsgerichte sind  die Bürokratenbonzen in den Ländern obsolet. Entbehrlich ist die Länderkammer. Ein vergleichender Blick nach Bayern zeigt wie aufgeblasen die föderalen Strukturen in Österreich sind. Bayern ist mit 70.000 Quadratkilometern flächenmäßig kleiner als Österreich, dafür leben um 4,3 Millionen Menschen mehr im Freistaat. Allein dieser Faktenvergleich zeigt, wie versteinert und gleichzeitig teuer Österreich verwaltet wird.

Es geht gar nicht anders

Andreas Unterberger Österreich gibt rund 29 Prozent seines Inlandsprodukts für soziale Zwecke aus. Das ist weit mehr als für alle anderen Staatsausgaben zusammen, also für: Beamte, Justiz, Schulen, Universitäten, Forschung, Polizei, Landesverteidigung (diese etwa erhält nur 0,7 Prozent), Landwirtschaft, Umwelt, Straßen, Kanäle, Wasserversorgung, Bahn. Der weitaus größte Brocken dabei sind die Zinsen  für Kredite (von Rückzahlung gar nicht zu reden), die wir schon früher für – den Sozialstaat aufgenommen haben. Mit anderen Worten: 290 von 1000 Euro, die jeder Arbeitnehmer, Unternehmer, Bauer, Freiberufler, Beamter  verdient, werden ihm de facto nur deshalb weggenommen, um es zu angeblich Armen (oder Faulen?) umzuverteilen. Jetzt werden es mit der Grundsicherung noch mehr. Wer vorgibt, die überlebensnotwendigen Einsparungen  zur Vermeidung eines Staatsbankrotts ohne Sozialabbau vornehmen zu können, spricht die Unwahrheit. Tatsache ist, dass nicht nur Deutschland, sondern auch die links regierten Länder Griechenland, Spanien und Portugal tiefe Schnitte am Sozialstaat vornehmen mussten. Eben weil es nicht anders geht. Auch dort wettern überall Gewerkschafter und Demagogen, dass man doch besser bei den ominösen Schuldigen an der Krise sparen soll. Sie sagen nur nicht, wie das gehen soll. Bei China, Vietnam & Co, die europäische Produzenten vom Weltmarkt verdrängen? Bei Kreisky, dessen Rettung inzwischen längst wieder verlorener Arbeitsplätze die Schulden in die Höhe getrieben hat? Bei Banken, die zur Rettung unserer Sparschillinge gerade gerettet werden mussten? Bei den Abgeordneten, die im September 2008 dafür gestimmt haben, dass das Pensionsantrittsalter weiterhin um vier Jahre niedriger ist als etwa in Schweden? Bei den Sparern (den „Reichen“), die ihr Geld jetzt schon im Expresstempo in Gold, Eigentumswohnungen und Schweizerfranken umschichten? Bei den Eigenheimbesitzern?

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Die bösen Wähler

10. Juni 2010 12:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Wieder einmal sind die Wähler die Bösen, weil sie falsch gewählt haben. Wieder tritt eine traditionsreiche christdemokratische Partei den Weg in den Untergang an, weil sie verbraucht ist und die Zeichen der Zeit nicht erkennt. Und wieder kann in einem weiteren Land eine sozialdemokratische Partei ihren Erosionsprozess nicht aufhalten, weil sie verbraucht ist und die Zeichen der Zeit nicht erkennt (trotz massiver medialer Sympathien). Natürlich hat keiner dieser Sätze über die niederländische Parlamentswahl irgendwelche Ähnlichkeiten mit Österreich . . . Tatsache ist, dass zwei dominante Themen erdrutschartige Veränderungen in den Niederlanden ausgelöst haben, immerhin ein Land, das mehr als doppelt so viele Einwohner hat wie Österreich: Die Bedrohung durch die islamische Zuwanderung und die Erkenntnis, dass nur wirtschaftliberale Konzepte die gewaltige Krise lösen können. Der rechtsliberale Wahlsieger Mark Rutte vereinigt beide Aspekte: Er ist ein scharfer Gegner der Immigration und setzt auf deutliches Sparen und auf Liberalisierung. Er ist nach seinen großen Zugewinnen nicht nur Nummer eins, sondern wird mit Sicherheit auch der nächste Regierungschef im Land der Kanäle und Tulpen. Den allergrößten Zugewinn hat aber  neuerlich der scharfe Antiislamist Geert Wilders erzielt. Er ist jetzt schon Nummer drei. Man kann ihm zu Recht vorhalten, dass er kein Team hat, dass er nur ein einziges Thema besetzt, und dass er bei diesem Thema, also seiner Kritik am Islam überspitzt formuliert. Er übertreibt dabei verbal so stark, wie die in den Medien und den gedemütigten Parteien regierende Political Correctness untertreibt. Aber er hat es jedenfalls verstanden, das große europäische Unbehagen über das Hereinströmen von Zig-Millionen Muslims zu artikulieren. Diese sind in großen Teilen keineswegs so anpassungswillig und leistungsorientiert und sie haben keineswegs eine von undemokratischen totalitären Ansprüchen freie Religion, wie das der bisher vorherrschende Linksliberalismus und Christonaivismus angenommen hatten. Der Islam ist qualitativ etwas ganz anderes, als es die diversen christlichen, jüdischen, buddhistischen oder agnostischen Weltanschauungen heute sind, die alle die Trennung von Staat und Kirche akzeptieren. Viele Menschen erkennen die Gefahr  und handeln zumindest in der Anonymität der Wahlzelle entsprechend. Wilders artikuliert diese Ängste - wohl auch deshalb in übertriebener Laustärke, um nicht mehr totgeschwiegen werden zu können - und hat damit die Niederlande wie auch Europa verändert. Sehr ernst nehmen sollten insbesondere die Christdemokraten das ihnen von den Wählern ausgestellte Zeugnis. Gewiss: Nach acht Jahren Regierungsführung sind viele Parteien verbraucht. Gewiss: Der von den Christdemokraten unterstützte Afghanistankrieg ist ob seiner Aussichtslosigkeit ein schwerer Ballast geworden. Dennoch sollte die größte Verliererpartei den internationalen Gleichklang ananlysieren: Die alten christdemokratischen Gruppierungen schwinden in vielen Ländern noch rascher als die sozialdemokratischen dahin. Von Italien bis Spanien haben sie sich praktisch aufgelöst - aber nicht im Soge eines Linksrucks der Wähler, wie viele Medien es uns weismachen wollen. Sondern es haben sich zum Teil ganz neue Parteien auf der Rechten gebildet. Zum Teil nationalistisch (wie in Spanien), zum Teil populistisch (wie in Italien), zum Teil durchaus offen für konservativkatholische Positionen (die in der heutigen Christdemokratie weitgehend verpönt sind), aber dennoch weniger klerikal als ihre Vorgänger. Diese Parteien sagen aber auch mutiger die richtigen Dinge zu Sozialstaat und Wirtschaft, als es die stark sozialdemokratisch infiltrierte Christdemokratie  in der Regel tut. Sie wagen es vor allem, die Millionenimmigration aus der Dritten Welt zu kritisieren, auch wenn das von Sozialdemokraten und Linkskatholiken als faschistisch denunziert wird. Sie kämpfen auch für mehr Meinungsfreiheit, wie etwa die mancherorts erfolgreichen, aber vorerst noch kleinen Bewegungen für Internet-Freiheit. Sie sind gegen Big Government, das in allen Industriestaaten wie eine Krake immer mehr umschlingt. Dieser gesellschaftliche Grundtrend kommt übrigens auch bei den Erfolgen der amerikanischen Republikaner deutlich zum Vorschein. Denn diese haben ja beim letzten Mal nur wegen des vermurksten Irak-Krieges und gegen einen charismatischen Gegner verloren, sind aber sonst viel besser im Gleichklang mit der nationalen Stimmung. Keine Frage ist aber auch, dass dieser Trend mit einer allgemeinen Politikverdrossenheit Hand in Hand geht: Das zeigen die überraschenden Erfolge von Kabarettisten bei einzelnen Wahlgängen der letzten Zeit. Das war früher völlig undenkbar, ist aber auch ein Produkt der Tatsache, dass selbst öffentlich-rechtlich finanzierte Fernsehsender mit Primitivität und geistiger Einengung Programm machen. Wen erinnert das an Österreich? Ein Land, wo übrigens die ÖVP soeben unter der Überschrift Gesamtschule so ungefähr die letzte Bastion räumt, die sie noch an einem Beitritt zur SPÖ gehindert hat?

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Die Briten werden zum Vorbild an Transparenz

09. Juni 2010 04:20 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Schwarz und Rot prügeln sich wieder einmal: Anlass ist die Transparenzdatenbank. Was soll aufgenommen werden, was nicht? Dabei gäbe es nur eine einzige richtige Antwort: Alles. Daher sollte sich insbesondere die ÖVP ein Vorbild an ihren britischen Parteifreunden nehmen: Die haben nämlich als eine der ersten Maßnahmen nach dem Amtsantritt beschlossen, sämtliche staatlichen Ausgaben zu veröffentlichen. Das sind nicht weniger als 24 Millionen Zahlungen. Und bei jeder einzelnen soll dabeistehen, woher sie kommt, wofür sie gegeben wird, und in wessen Tasche sie landet. Das ist ein Datenvolumen von 120 Gigabite. Dieses Volumen wird vorerst  zwar für John Smith nicht sinnvoll nutzbar sein. Aber die konservativ-liberale Regierung lädt alle Interessierten ein, Software-Programme zu entwickeln, damit - ganz manipulations- und zensurfrei - jede auch nur irgendwie denkbare Querverbindung, Suchmöglichkeit und Transparenz hergestellt werden kann. Angesichts der tollen Entwicklung von Open-Source-Gratis-Software im Internet kann man wohl annehmen, dass es in wenigen Monaten auch für wenig talentierte Menschen wie mich problemlos möglich sein wird, nach all dem zu fahnden. In Großbritannien. Damit ist natürlich auch der Streit beendet, welche Zahlungen an wen Sozialtransfers sind, und wofür es eine ganz normale Gegenleistung gibt. Etwa für die Lieferung von Büropapier an den Staat oder für den Verzicht auf Kunstdünger, um Boden und Gewässer sauber zu halten. Dabei würde sich auch bald der unsaubere Graubereich zeigen: In diesem werden Zahlungen, die eine reine Subvention - für Arbeitsunwillige, für Arbeitsunfähige, für Wirtschaftsbranchen mit guten Jammer- und Lobbying-Abteilungen - darstellen, mit solchen vermanscht, bei denen es eine mehr oder weniger relevante Gegenleistung für die Allgemeinheit gibt. Typisches Beispiel der Grauzone: Viele Bauausgaben der öffentlichen Hand erfolgen nicht primär wegen des Interesses an der Erstellung eines Bauwerks, sondern weil der Staat unter dem schönfärberischen Titel "Konjunktur- oder Arbeitsplatzförderung" jemanden aus sozialen Gründen unterstützt. Ein solches Gesetz wäre die wirksamste Waffe gegen Korruption. Das sieht man in den skandinavischen Ländern - die ja das korruptionsärmste Eck dieser Erde sind -, wo seit langem jeder öffentliche Akt für jeden Bürger einsichtig ist (wenn auch gegen geringe Gebühren). Damit würden die von der SPÖ immer wieder zu Recht kritisierten Transfers an Wirtschaft und Landwirtschaft viel transparenter diskutiert werden können. Wenn eine Zahlung eine Sozialleistung ist, ist es absurd, wenn Großbauern - ob kirchlich, ob adelig, ob geldanlegend - gefördert werden. Wenn sie aber wirklich und nachprüfbar zur Gänze der Umwelt (oder anderen gemeinnützigen Zwecken) dient, dann ist es völlig berechtigt, dass entsprechend der Größe der Gegenleistung gezahlt wird. Angesichts der föderalen Struktur Österreichs muss eine solche Transparenzdatenbank aber unbedingt sofort und in gleicher Weise auch alle Förderungen durch Länder und Gemeinden enthalten. Denn gerade über die Bundesländer werden zahllose politische Vorfeldorganisationen und Veranstaltungen der Parteien fett und intransparent alimentiert. So in Wien etwa das schwarze Stadtfest und das rote Donauinselfest oder die rot-grünen Propaganda-Institutionen "Zara" (Thema: ständiger Rassismus-Alarm) und DÖW (Thema: ständiger Faschismus-Alarm). Eine solche Datenbank wäre der wichtigste demokratiepolitische Fortschritt seit Jahrzehnten. Kein Wunder, dass in Großbritannien etliche Interessengruppen schon heftig dagegen intrigieren. Sie bemühen dabei erwartungsgemäß sogleich das Schlagwort vom Datenschutz, der ja im Bereich von staatlichen Geldflüssen bekanntlich längst zum reinen Korruptionsschutz degeneriert ist. Es soll doch niemand erfahren, wo ich mich überall alimentieren lasse . . .

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Der Konkurs privatisiert die Bahn

07. Juni 2010 04:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

In mancherlei Hinsicht täte es Österreich gut, bald wie Griechenland dazustehen. Muss man ein schlechtes Gewissen ob dieses Gedankens haben? Jedenfalls lernen wir von Griechenland, dass bisher unmögliche, aber logische, richtige und notwendige Dinge plötzlich sogar unter sozialistischen Regierungen möglich werden, wenn ein Land de facto in Konkurs ist, was aber jedenfalls auch viele schlimme und unerwünschte Konsequenzen wie die Kürzung von Pensionen hat. So sollen nun in Griechenland Flughäfen, Wasserwerke oder die Bahn zu 49 Prozent verkauft werden. Damit erhofft sich die Regierung, etliche Milliarden ins Budget hereinzuholen und chronische Defizitbringer hinauszubringen. Es wäre ganz sicher positiv, könnte solches auch in Österreich passieren. Wieviel Gaunereien wären dann zumindest viel schwieriger! Deren Bogen reicht von den ÖBB-Inseraten zur Bestechung der Zeitungen bis zur Unfähigkeit des Wiener Flughafens, ein Bauprojekt durchzuziehen. All diese Unternehmen sind noch immer parteipolitische Selbstbedienungsläden. Freilich müsste eine solche Teilprivatisierung auch von klaren Spielregeln begleitet sein: Insbesondere von einem Stopp für jede Form von Subventionen und von einem Ende der ungeheuerlichen ÖBB-Konstruktion, bei der die Bahn, de facto die Gewerkschaft, in eigener Autonomie und Interessenoptimierung die Menschen in Pension schickt, die dann ein Dritter zu zahlen hat, nämlich der Steuerzahler über einen weit außerhalb der ÖBB-Bilanz stehenden Budgetposten. Zu den notwendigen Begleitumständen gehört aber auch, dass nicht nur 49 Prozent privatisiert werden, wie es die Griechen nun vorhaben. Denn die Blöden sind schon ziemlich ausgestorben, die ihr Geld in ein Unternehmen stecken, wo dann weiterhin die Mehrheit parteipolitisch/gewerkschaftlich herumfuhrwerken kann. Das haben die Geldanleger spätestens bei der AUA gemerkt, wo die privaten Aktionäre keine Chance hatten, betriebswirtschaftliche Vernunft und Sparsamkeit ins Unternehmen zu bringen. Betriebsrat, Gewerkschaft und nicht zuletzt der Wirtschaftsfeind Christoph Leitl haben dort unfinanzierbare Privilegien der Mitarbeiter durchgesetzt. Erst als der Staat draußen war, war der Einfluss der Sozialpartner plötzlich Null, waren die Betriebsräte über Nacht klein mit Fingerhut - aber das Unternehmen erstmals wieder mit Zukunftschancen ausgestattet. Daher müssen auch die Griechen erstaunt feststellen, dass der Andrang der Käufer auf griechische Beteiligungen vorerst sehr ausgeblieben ist. Da müssen die Investoren erst überzeugt werden, dass künftig in Griechenland keine griechischen Verhältnisse mehr regieren, dass nicht auch weiterhin der Staat an den Unternehmen beteiligt ist. Nein. Ich habe kein schlechtes Gewissen, wenn ich über solche Zusammenhänge nachdenke. Denn die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass wir im Laufe des nächsten Jahrzehnts ohnedies bald so weit sein werden, solche und noch viele andere derzeit scheinbar unmögliche Dinge machen zu müssen. Die heute noch viel schmerzärmer realisiert werden könnten als zu jenem künftigen Zeitpunkt.

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Fußnote 109: Es gibt immer eine Hintertür

02. Juni 2010 13:15 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Regierung ist handlungsunfähig - worauf die Wirtschaftsuni im Alleingang Studienzugangsbeschränkungen einführt. Die WU stellt der Studieneingangsphase  mit ihren rund 14 Prüfungen nun eine zusätzliche Eingangs-Eingangs-Phase voraus, in der vier Prüfungen absolviert werden müssen, um dann in die schon seit längerem geschaffene Studieneingangsphase wechseln zu können. Das ist kreativ - bleibt aber trotzdem eine Notlösung (und wird neuerliche Intrigen der Hauptuni auslösen, die ja statt selber besser zu werden, lieber ständig den Konkurrenten zu behindern trachtet). Aber vielleicht begreift die ideologisch verbohrte und intellektuell unterversorgte Hochschülerschaft (und deren ausführende Parteien Rot und Grün) dadurch doch einmal, wie viel gerechter und studentenfreundlicher es wäre, die Studenten schon vor Studienbeginn durch einen Test auszusieben, damit diese keine Zeit verlieren und danach eine gute Chance haben, auch das ganze Studium absolvieren zu können. Jetzt stößt ja der Großteil erst nach dem ersten Jahr an die dicke Wand der Killerprüfungen.

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Arbeitslose: Theorie und Praxis

02. Juni 2010 03:46 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Selten hat die Realität eine so eindeutige Bestätigung für das geliefert, was die ökonomische Theorie (wenn auch nur die liberale) seit langem gesagt hat: Arbeitslosigkeit ist lange vor allem anderen eine Folge der Lohnkosten. Je höher die Löhne, desto mehr Arbeitslose. Und umgekehrt. Das hat sich nun in Deutschland ganz konkret gezeigt. Dort ist binnen weniger Tage zweierlei bekannt geworden: Zum ersten, dass in Deutschland die Lohnkosten signifikant gesunken sind. Und zum zweiten, dass die Arbeitslosigkeit im Mai den niedrigsten Stand seit 1992 erreicht hat. Das wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, da europaweit über die Folgen der großen Krise gejammert wird. Die Deutschen haben einfach das richtige Rezept. Und das müsste man von Spanien bis Griechenland den Gewerkschaften um die Ohren schlagen, bis sie es begreifen. Statt dessen rufen sie allüberall - übrigens unter mäßiger Begeisterung der Arbeitnehmer, sondern nur der Journalisten - zu Generalstreiks, weil endlich die dortigen Regierungen ein paar richtige Maßnahmen setzen. So baut Italien 400.000 Beamtenposten ab; und lässt Hunderte Kulturinstitutionen künftig ohne Subventionen auskommen. Allein das müsste Premier Berlusconi zu einem nationalen Helden machen - und alle bisherigen Gaunereien zu lässlichen Sünden (so schlimm sie sind). Freilich nur dann, wenn Berlusconi dem nun entstehenden Druck der Straße auch standhält. Liebe Gewerkschafter, es ist doch nicht so schwierig zu begreifen: Wenn ein Produkt billiger wird, wird es mehr gekauft. Wenn die Anstellung eines Arbeitnehmers billiger wird, werden mehr Arbeitnehmer angestellt werden. Das ist die wichtigste wirtschaftliche Wahrheit, auch wenn noch so viele linksradikale Wifo-Experten behaupten, statt dessen mit einer Renaissance der Planwirtschaft oder mit neuen gigantischen Schulden irgendein Problem lösen zu können. Was noch nie geglückt ist.

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SN-Kontroverse: Gesamtschule

28. Mai 2010 01:27 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt. Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Ist eine gemeinsame Schule der 10- bis 14jährigen sinnvoll?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Gemeinsam ist es besser

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at). Manche Dinge sind schwer ausrottbar. Dies gilt besonders für Vorurteile, die sich im politischen Diskurs hartnäckig über viele Generationen halten. Ein solches existiert in der Alpenrepublik im Zusammenhang mit der Gesamtschule. Gegen sie wird seit Jahrzehnten mit längst widerlegten Argumenten polemisiert. So wird behauptet, die Gesamtschule bringe den bildungspolitischen Einheitsbrei. Das ist grober Unfug, denn das Konzept der Gesamtschule sieht sehr wohl eine Differenzierung vor. Diese wird allerdings in die Schule verlegt und besteht nicht zwischen den einzelnen Schulformen.  Ziel der Gesamtschule ist es, mehr Fairness und Chancengerechtigkeit im Bereich der Bildung herzustellen. Kinder egal welcher Herkunft werden bis zum 14. Lebensjahr in einer gemeinsamen Schule unterrichtet. Die frühzeitige soziale und generationenübergreifenden Spaltung der Gesellschaft soll so gemildert werden. Die Schwachen lernen von den Starken und umgekehrt. Dazu kommt, dass Entscheidungen über den Lebensweg – und dies sind nun einmal in einem essentiell Ausmaß bildungspolitische Weichenstellungen – für Kinder im Alter von zehn Jahren schwer zu treffen sind. Vier Jahre später hingegen zeichnen sich die besonderen Fähigkeiten deutlicher ab und die Entscheidung welcher Schultyp passender ist, fällt leichter. Dazu kommt, dass es für Zehnjährige schmerzlich ist aus ihrem Freundeskreis, der vielfach aus dem schulischen Umfeld besteht, heraus gerissen zu werden. Mit Vierzehn fällt der Beginn eines neuen Lebensabschnitts leichter. Das alles spricht für die Einführung der Gesamtschule auch in Österreich. Es ist gut, dass Wissenschaftsministerin Beatrix Karl die Zeichen der Zeit erkannt hat und gegen bildungspolitische Steinzeitpolitiker in den eigenen Reihen antritt. Chapeau!

Die Vergewaltigung der Eltern

Andreas Unterberger Zu keinem Thema wird so viel gelogen wie zur Gesamtschule, mit der den Eltern das Recht auf freie Schulwahl genommen werden soll. Tatsache ist, dass die Mehrheit der Eltern, Schüler und Lehrer dagegen ist. Tatsache ist, dass die Gesamtschule Milliarden kostet, die man schon für einige (viel sinnvollere) Ganztagsschulen nicht hat.  Tatsache ist, dass die Gesamtschulversuche keine Aussagekraft haben können: wird doch in diese – in skandalöser Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes – pro Kopf viel mehr Geld gesteckt als in normale AHS oder Hauptschulen, gibt es doch dort viel kleinere Klassen und trotzdem viel mehr Lehrer. Tatsache ist, dass die Gesamtschule vor allem von kinderlosen Politikern (Karl, Schmied) oder reichen Unternehmern (von der Industriellenvereinigung bis Alfred Gusenbauer) gefordert wird, die ihre eigenen Kinder in sauteure internationale Schulen schicken. Tatsache ist, dass eine Gesamtschulpflicht wie in den USA den städtischen Mittelstand zwingen würde, seinen Kindern ebenfalls Privatschulen zu zahlen, um Klassen mit 40 bis 90 Prozent Migrationshintergrund (und zwar meist mit Drittwelt-Charakter) zu fliehen. Tatsache ist, dass derzeit die Mehrheit der Maturanten aus Hauptschulen (meist den guten ländlichen) kommt. Tatsache ist, dass laut Pisa-Bericht keine Überlegenheit der Gesamtschule ableitbar ist. Tatsache ist, dass im einzigen Staat, in dem die Schulsysteme vergleichbar sind, weil es bei sonst gleichen Bedingungen Länder mit und Länder ohne Gesamtschule gibt, dass also in Deutschland die Gesamtschulen in jeder Hinsicht deutlich schlechter abschneiden. Tatsache ist aber auch, dass unser Schulsystem schlechter geworden ist. Aber nicht weil es (noch) differenziert ist, sondern weil Disziplin, Leistung, negative Noten, Aufnahmsprüfungen von den gleichen Pädagogen zurückgedrängt worden sind, die jetzt die Gesamtschule propagieren.

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Langsam wird es kriminell

27. Mai 2010 10:24 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ein Land nach dem anderen beschließt nun massive Spar- und Sanierungsprogramme. Von Italien über Spanien bis Großbritannien zeigen die empörten Reaktionen von Gewerkschaft&Co, dass die Maßnahmen ernstzunehmende sind. Nur aus Österreich hört man nichts. Keine Maßnahmen und daher auch keine Reaktionen. Da fährt vor allem der Bundeskanzler - wie immer wacker unterstützt vom Bundespräsidenten - einen skurrilen Wahlkampf für mehr Gerechtigkeit. Und er spricht keine Sekunde von Sparen. Die "Gerechtigkeits"-Kampagne greift wieder einmal auf den Neusprech eines Orwellschen Wahrheitsministeriums zurück: Unter Gerechtigkeit wird nämlich immer weitere Umverteilung, immer weitergehender Diebstahl des Staates an den von den Menschen erarbeiteten Einkommen verstanden. Unterstützt wird das von einer ständigen Propaganda über angeblich ununterbrochen wachsende Armut in Österreich. Ein richtiges Verständnis von Gerechtigkeit würde hingegen deutlich und kritisch hinterfragen, ob auch nur ein einziger vernünftiger Mensch glauben kann, dass wirklich 29 Prozent der Österreicher arm sind; dieser Prozentsatz wird nämlich schon jetzt von all unseren erarbeiteten Leistungen zu sozialen Zwecken umverteilt. In Wahrheit ist ja jetzt schon diese Umverteilungsquote in keiner Weise mehr begründbar sowie in keiner Weise mehr gerecht und nur dazu da, um die breiten Massen zu bestechen. So wie es die römischen Kaiser mit Brot und Spielen versucht haben. Bis dann halt ihr Reich bankrott war. Es wäre nichts dringender, als - neben dem Verzicht auf sinnlose Tunnels und Wirtschaftsförderungen - auch und gerade diese Wohlfahrtsausgaben massiv zurückzufahren. Nicht nur weil sie einen gigantischen Strom von Immigration in das Schlaraffenland des österreichischen Sozialstaates ausgelöst haben, der noch viele neue Probleme nach sich ziehen wird (Schule, Ghettobildung, soziale Segregation der Gesellschaft . . .). Vor allem aber ist der Wohlfahrtsstaat schlicht unfinanzierbar geworden. Immer weniger Investoren wollen in Österreich ihr Geld investieren, wollen hier Arbeitsplätze schaffen. Während europaweit derzeit im Tagestakt Pensionen und Gehälter gekappt werden, wird in Österreich im Jahr 2010 eine Grundsicherung für alle beschlossen, wird von immer mehr Politikern das (ebenfalls Milliarden teure) "Gymnasium für alle" gefordert, wird eine an allen Grenzübergängen offene Grenze vom Militär in einer virtuellen, aber teuren Aktion verteidigt, werden nun auch schwule Partner berechtigt, Witwerpensionen zu beziehen. Um nur einige willkürlich herausgegriffene Beispiele zu nennen. Ob und von wem und wie viel hingegen eventuell auch gespart wird, wird frühestens im kommenden Winter klar sein. Ich wage zu wetten: Bis dahin wird sich der Zinssatz, den Österreich für seine Staatsanleihen zu zahlen hat, überdurchschnittlich erhöhen. Denn immer mehr Anleger schauen sich derzeit zunehmend kritisch an, wem sie ihr Erspartes anvertrauen, ob ein Land glaubwürdig ist. Und sie ziehen ihre Schlüsse daraus. Das heißt, sie werden höhere Zinsen verlangen. Auch wenn sie dafür dann als "Spekulanten" beschimpft werden. Was aber chinesische Staatsfonds in der Regel nicht sehr kümmert - dem künftig zweifellos größten Käufer europäischer Verschuldungspapiere. Inzwischen ist auch das letzte - ohnedies unrichtige - Argument weggefallen, das von SPÖ-Seite gegen die Sparnotwendigkeiten angeführt wird. Mitten in einer Krise wäre Sparen der falsche Weg. Denn inzwischen haben sich die Wirtschaftsprognosen deutlich verbessert. Was übrigens angesichts der zu Höchstleistungen angekurbelten Gelddruckmaschinen in Europa und Amerika kein Wunder ist: Auch wenn der größte Teil der Dollar und Euros heute in chinesischen, vietnamesischen, taiwanesischen, südkoreanischen oder malaysischen Konten gelandet ist, auch wenn vom Rest viel Geld angstgespart wird, auch wenn vom Rest der Großteil in Immobilien- und Börsen-Blasen gelandet ist, so hat doch ein kleiner Prozentsatz auch wirklich die eigentlich angestrebte Wirtschaft erreicht. Die wächst nun wieder ein wenig. Daher dürfte kein Tag mehr verloren gehen, bis ein schon heuer wirksames Sparpaket auf den Tisch kommt. Will die Regierung wirklich damit bis in den Winter warten, nur damit die Wahlchancen der Herrn Voves und Häupl nicht gefährdet werden, dann wäre das nur noch als kriminell zu bezeichnen. Noch krimineller wäre es allerdings, würde der düstere Verdacht stimmen, dass diese Regierung auch dann kein wirklich kraftvolles Sparpaket zu beschließen imstande ist. Oder willens.

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Die gute Nachricht aus Tirol

26. Mai 2010 04:07 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es gibt nichts Schlechtes, was nicht auch sein Gutes hätte: Die Finanzkrise der Republik führt dazu, dass das Wahnsinnsprojekt Brennertunnel nun wohl doch nicht gebaut wird. Die Anzeichen werden jedenfalls immer dichter. Damit ist die Krise wenigstens in dieser Hinsicht gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen - auch wenn alle formalen Beschlüsse eines Brennerverzichts wohl bis zum Herbst ausbleiben werden, weil ja bis zu den steirischen und Wiener Wahlen verheimlicht werden soll, dass Sparen nicht nur ein Wort ist, sondern auch ganz konkreten Verzicht bedeutet. Aber da ja in Tirol keine Wahlen stattfinden, kann die Regierung jetzt schon durchsickern lassen, dass es nichts wird mit dem Tunnel. Der Tunnel ist in Wahrheit freilich schon seit längerem an den italienischen Sparmaßnahmen gescheitert, die zumindest derzeit viel ernsthafter aussehen als das, was man in Wien bisher kommuniziert hat. Und noch mehr ist er daran gescheitert, dass sich alle Prophezeiungen, wie sehr der Tunnel nachgefragt wird, bei näherem Nachprüfen als Wunschdenken herausgestellt haben. So lange man niemanden zwingen kann, auf der Bahn statt der Straße Güter zu transportieren, wird sich die Nachfrage sehr in Grenzen halten. Daran wird auch ein mehr als einstündiger Zeitgewinn nichts ändern. Dazu kommt, dass die europäischen Bahnen noch immer sehr nationale Königreiche sind. Wir haben zwar eine gemeinsame Währung, die Bahnen haben aber so gut wie keine Gemeinsamkeiten. Alle alptraumartigen Szenarien über einen Unfall in einem mehr als 55 Kilometer langen Tunnel sind dabei ohnedies beiseitegestellt worden. Genauso absurd wie der Brennertunnel ist auch der Koralmtunnel zwischen Graz und Klagenfurt, für den noch viel weniger Verkehr zu erwarten ist als für den Brennertunnel. Der Koralm-Tunnel ist doppelt sinnlos, solange der für die Südstrecke viel wichtigere Tunnel unter dem Semmering noch nicht in Angriff genommen worden ist. Da aber die Steiermark heuer wählt, wird nun auch auf steirischer Seite eifrig gebohrt. Ob angesichts der finanziellen Nöte der Republik und insbesondere der ÖBB (die selbst dann katastrophal wären, wenn beide nicht ständig mit Inseraten zur Zeitungsbestechung Steuergeld verschleudern würden) dort auch in einem Jahr - oder gar in zwei - noch gebohrt werden wird? Das wagt der Tagebuchautor freilich heftig zu bezweifeln.

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Niemand will nach Griechenland

22. Mai 2010 04:39 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Da staunen die Griechen. Und jammern. Dabei war es vorhersehbar wie das Amen im Gebet: Jetzt bricht auch noch der Tourismus ein, also eine der wichtigsten Einnahmequellen der Nation. Was haben die wackeren Hellenen eigentlich anderes erwartet? Täglich Bilder von wilden Demonstrationen und täglich böse Verbalattacken auf das europäische Ausland, weil dieses sich nicht eilfertig und devot genug beim Transport von Milliarden nach Griechenland erwiesen hat: Haben die Griechen da wirklich angenommen, dass das viele Nordeuropäer zur Anreise motivieren wird? Dabei ist das Land ohnedies schon seit Jahren alles andere als eine Billig-Destination. Die ständig über dem europäischen Schnitt liegenden Lohnerhöhungen haben alle Preise steil nach oben getrieben. Binnen zehn Jahren haben sich die Griechen ja fast 30 Prozent mehr gegönnt, waren die griechischen Gewerkschafter um so viel "erfolgreicher" als die deutschen. Und jetzt sind die Touristen so frech und wollen diese Erfolge nicht bezahlen. Und wenn sie, beziehungsweise ihre Staaten, beschimpft werden, schon gar nicht. Da nutzt es auch wenig, wenn heuer plötzlich die Preise für Griechenlandurlaube erstmals wieder ein wenig zu sinken beginnen. Da nutzt es auch wenig, dass Griechenland überwiegend sehr schön ist und die Menschen abgesehen von ihren nationalistischen Marotten und wirtschaftlichen Traumvorstellungen sehr nett. Es geht im Grund immer um dieselbe Tatsache: Wer an die sozialdemokratisch-gewerkschaftliche Lüge glaubt, dass man sich durch Kampfmaßnahmen ein größeres Stück vom Wohlstand erringen kann, als man durch mehr Leistung, Kreativität, Technologie geschaffen hat, der fällt langfristig immer auf die Nase. Freilich sind die Griechen da nicht alleine. Bis auf ein paar Oststaaten ist überall der gleiche Fehler begangen worden. Auch in Deutschland. Dort versucht wenigstens die Bundeskanzlerin nun ihr Land auf drastische Sparmaßnahmen einzustimmen. "Deutschland hat Jahrzehnte über seine Verhältnisse gelebt", hat sie den Teilnehmern des Kirchentages in München zugerufen. Das zeugt nach der fast irreversiblen Dummheit der Griechenlandhilfe immerhin von Lernfähigkeit und später Ehrlichkeit. Wann bekommen wir in Österreich einmal einen ehrlichen und lernfähigen Regierungschef? Wahrscheinlich noch später als die Griechen . . .

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SN-Kontroverse: Vermögenssteuer

21. Mai 2010 02:47 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt. Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

"Sollen Vermögen stärker besteuert werden?"

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Empörende Steuerungerechtigkeit

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at). Österreich ist ein Paradies. Allerdings nur für wenige, während für die Massen das Paradies in immer weitere Ferne rückt. So sind derzeit 1,3 Millionen Menschen im wohlhabenden Alpenstaat von Armut betroffen. Ihnen stehen jene zehn Prozent Reiche gegenüber, die 70 (!) Prozent des Vermögens besitzen. Dieses vermehrt sich von selbst. Denn die Vermögenden des Landes leben in einem unvergleichlichen Steuerparadies. Seit 1993 gibt es in Österreich praktisch keine Vermögensbesteuerung mehr. Österreich ist damit weltweit unter den Schlusslichtern bei der Besteuerung der Vermögen. Während jene, die ihr Geld mit Arbeit verdienen, eine immer höhere Steuerlast zu tragen habe, genießen Österreichs Reiche ihre Steuerprivilegien. Sie parken ihre Milliarden steuerfrei in Stiftungen, wo sich mittlerweile 60 Milliarden Euro angesammelt haben. Gerne flüchten Vermögende mit ihrem Geld auch ins Ausland. Laut Schätzungen liegen derzeit rund 14 Milliarden Euro aus Österreich auf Schweizer Banken; zwölf Milliarden davon unversteuert. Dazu kommt, dass Gewinne aus Aktienverkäufen steuerfrei sind, wenn die Aktie ein Jahr lang gehalten wurde. Ein besonderes Steuerzuckerl gibt es für Großkonzerne: die Gruppenbesteuerung. Ein Konzern mit Mutter in Österreich kann Verluste, die er irgendwo gemacht hat, sofort mit Gewinnen in Österreich gegenrechnen. So zahlt er hierzulande weniger oder gar keine Steuern. „Einfache“ Bürgerinnen und Bürger müssen sich angesichts dieser Steuerprivilegien für Reiche verarscht fühlen. Sie zahlen für ihr Erspartes auf ihren Sparbücher 25 Prozent Kapitalertragssteuer. Steuerschlupflöcher gibt es keine. Es ist hoch an der Zeit für die Einführung einer Vermögenssteuer, damit die empörende Steuerungerechtigkeit wenigstens ein wenig gemildert wird.

Ihre Gier ist grenzenlos

Andreas Unterberger Steuern auf Vermögen, Vermögenszuwachs, Finanztransaktionen, Energie oder Banken: Die Regierung und ihre Agenten decken uns mit einem Trommelfeuer an Steuererhöhungsplänen ein, sie wollen den Menschen den einzig funktionierenden Ausweg aus der gigantischen Staatsverschuldung aus dem Kopf prügeln. Nämlich drastisches Sparen auf allen Ebenen, wie es seit 1970 nur Schüssel-Grasser geglückt ist (sie verringerten die Staatsschuldenquote von 68 auf 60 Prozent). Sparen und Privatisierungen werden auch von fast allen führenden Ökonomen des Landes dringend empfohlen. Noch nie in der Geschichte hat uns der Staat so viel weggenommen, weil ständig irgendwelche Liebkinder der Parteien bedient werden. Und trotzdem ist das vor allem der SPÖ noch immer nicht genug. Die Gier kennt keine Grenzen mehr. Die Bürger werden freilich in dem Glauben gewiegt, dass die Steuerpläne eh nur ein paar wenige Reiche treffen. Was eine Lüge ist, wie etwa die Vermögenssteuer zeigt: Diese wird nur beim Mittelstand Geld finden, weil die ganz Reichen schneller bei der Tür draußen sind, als die Abgeordneten im Parlament abgestimmt haben. Die Steuer wird jene Ersparnisse treffen, die es heute in fast jeder Familie für Alter, Notfälle und die Kinder gibt. Sie trifft Autos wie Schmuck. Sie muss genauso Grundstücke und Häuser erfassen, und zwar nicht nur mit einem illusorischen Einheitswert; das hat das Verfassungsgericht schon vor Jahren geklärt. Dennoch glauben manche, dass sie ungeschoren bleiben, weil sie sich nicht als wohlhabend sehen. Sie werden spätestens dann erwischt, wenn die Inflation auch den Wert ihrer Wochenendhütte um die eine oder andere Null erhöht haben wird. Und nur naive Menschen können glauben, dass die gigantische Geldaufblähung der letzten zwei Jahre, mit dem Höhepunkt in der Griechenlandhilfe, nicht am Ende in eine Geldentwertung münden wird.

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Die Intelligenz der Frau Karl

20. Mai 2010 12:31 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Sollte man nicht endlich einen Intelligenztest für Politiker einführen? Genügt es derzeit wirklich, in die richtige Länder-, Geschlechter-, Bünde-Quote zu fallen, um Minister zu werden? Der Fall Beatrix Karl macht die Antworten auf diese Fragen klar: zweimal Ja. Die „Wissenschafts“-Ministerin fordert aus heiterem Himmel ein „Gymnasium für alle“. Mit der gleichen Logik fordere ich nun „einen Magistertitel für alle“. Genauso legitim wäre auch: „Alle 8,3 Millionen Österreicher sollen Minister werden!“ Dass ihre plötzliche Forderung nach einem „Gymnasium für alle“, nach einer „einheitlichen Schule für alle 10- bis 14-Jährigen“ nichts anderes als die Gesamtschule, zeigt der sofortige Jubel der SPÖ. Offenbar hält Karl die Österreicher für so blöd, dass diese den Trick nicht merken. Aber die Menschen sind klüger als Minister. Sie wissen: Gesamtschule bleibt Gesamtschule, auch wenn künftig über allen Schultoren das Wort „Gymnasium“ steht. Ebenso klar ist, dass Karl damit ihrer Partei einen schweren Schaden zufügt. Die einheitliche Schule für alle ist total unpopulär (außer bei universitären Pädagogen, zeitgeistigen Journalisten und linken Gesellschaftszerstörern). Außerdem ist sie in jedem bisher vorliegenden Modell extrem teuer. Eltern in Österreichs Städten wollen einfach nicht, dass ihre Kinder und Enkel in Schulen gehen müssen, wo ihnen Klassen drohen, die zu 50 bis 95 Prozent aus Kindern bestehen, die einen kulturellen Hintergrund mit Drittwelt-Niveau haben, die so große Probleme schon mit der deutschen Sprache haben, dass es chancenlos ist, dass sie mit 13 schon zwei Fremdsprachen auf dem Lehrplan haben könnten. Das unausgesprochene Motiv der Frau Karl ist klar: Sie glaubt, damit die Zustimmung der SPÖ für die Einführung von Zugangsbeschränkungen an den Universitäten zu erlangen (für die sie eigentlich zuständig ist). Selbst wenn das auf diesem Weg gelingen sollte, macht das ihren Fehler nicht geringer. Man kann doch nicht einfach die universitäre Dummheit der SPÖ dadurch ausgleichen, dass man selber noch eine viel größere schulische Dummheit begeht. Man kann doch nicht einfach unsere Kinder opfern, nur weil die SPÖ Angst hat, ein paar studentische Wähler an die Grünen zu verlieren. Das ist zwar für die Wirtschaftsuniversität tragisch – aber letztlich irrelevant, solange dort Professoren unterrichten, die öffentlich allen Ernstes erklären, dass die Hauptursache der griechischen Krise die zu niedrigen Gehälter der deutschen Arbeiter sind. Besonders dumm ist der Vorstoß der Frau Karl auch insofern, als gerade vom ÖAAB und dem parteinahen Management-Club einige sehr spannende – und durchaus divergente – Konzepte für eine bessere Bildung präsentiert worden sind. Deren Diskussion wäre zukunftsweisend, aber nicht ein neuerliches schwarzes Umfallen in Richtung SPÖ. Vor wenigen Tagen konnte man überraschenderweise sogar im ORF eine finnische Erziehungs-Beauftragte hören, welche ausdrücklich sagte, dass die gute Qualität der dortigen Schulen nicht Folge eines Gesamtschulmodells sei, sondern vor allem mit einem bei uns ganz unmodisch gewordenen Zauberwort zu erklären sei: „Disziplin“. (Ob die Redakteurin, die dieses Interview auf den Bildschirm gebracht hat, das überlebt?) Überdies haben die Finnen einen viel geringeren Anteil an Drittwelt-Ausländern. Überdies kann sich in Finnland eine Schule viel leichter von unfähigen Lehrern trennen als bei uns (was auch der Management-Club fordert). Das sind die entscheidenden Unterschiede. Nachbar Deutschland zeigt es noch viel deutlicher: All jene Bundesländer, die die verpflichtende Gesamtschule haben, liegen in allen Rankings weit hinter jenen, die das achtjährige Gymnasium haben. Frau Karl ignoriert das alles, sondern rühmt, dass bei der Gesamtschule die Eltern dann erst Schul-Entscheidungen treffen müssten, wenn die Kinder 14 sind. Warum eigentlich ausgerechnet im schwierigsten Entwicklungsalter von Jugendlichen, wo sie oft von der Pubertät nur so durchgebeutelt werden, was aber zum Glück vorübergeht? Warum verschweigt Karl, dass auch jetzt schon die Hälfte der Maturanten bis 14 in Hauptschulen gegangen ist – aber eben in die guten leistungsorientierten auf dem Land und nicht in die städtischen? Warum begreift sie nicht, dass das Leben eben immer aus Entscheidungen besteht, die nur populistische Politiker vorgeben, aus dem Weg räumen zu können? Warum verschweigt sie, dass mit der gleichen Berechtigung auch die „Matura für alle“ gefordert werden kann? Warum verschweigt sie, dass damit eine weitere Motivation zum Leistungsanreiz in den Schulen verloren geht, wenn ohnedies bis 14 nicht differenziert werden darf? Warum kämpft die Frau Assistenzprofessor, statt solche Vorschläge zu machen, nicht gegen das Schmied-Ministerium, Landesschulräte und vor allem Schuldirektoren, die ständig das Niveau senken, die die Hausübungen zum unverbindlichen Freizeitspaß degradieren, die negativen Noten de facto abschaffen wollen? Warum kämpft sie nicht gegen die Gewerkschaft, die unfähige, unwillige, bösartige Lehrer verteidigt, statt sie als Schaden für die Kinder und die anderen Lehrer möglichst rasch aus der Schule entfernen zu lassen? Warum verschweigt sie, dass der Bildungsweg weniger von den Schultyp-Entscheidungen der Eltern abhängt als von deren Engagement für die Ausbildung der Kinder? Von der Zuwendung, die Kinder erfahren; davon, ob es daheim Bücher gibt, ob diese auch gelesen werden, welche Fernsehprogramme (wenn überhaupt) eingeschaltet werden, welche Sprache am familiären Tisch gesprochen wird, welche Themen da im Zentrum stehen, welche Anregungen – von Museen bis zu Freunden –  den Kindern mitgegeben werden, wie die Eltern selbst zu Leistung, Bildung und Wissen stehen. Das sind die wirklichen Fragen, an denen sich die Zukunft der Kinder entscheidet, lange vor dem 14., auch vor dem 10., ja zum Teil sogar schon lange vor dem 6. Geburtstag. Und ganz sicher ist nicht das Einkommen der Eltern der kausale Faktor (nur wird dieses halt logischerweise in Familien mit Leistungsorientierung meistens viel höher sein als in jenen, die die Kinder vom Fernsehapparat aufziehen lassen). Ganz beiseite lassen wir dabei den auch sehr spannenden Aspekt, dass ein guter Facharbeiter wahrscheinlich künftig viel mehr verdienen wird als die Massen an Publizisten, Germanisten, Historikern, Politologen und Kunststudenten, die Karls Universitäten heute produzieren. Es ist irgendwie erschütternd: Elisabeth Gehrer hat gewiss Fehler gemacht; aber die sollten jedoch keinesfalls ein Grund sein, dass es seither mit den Politikern kontinuierlich ständig steil bergab geht, welche die ÖVP ins Wissenschaftsministerium entsendet.

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Europa neu bauen - aber wie?

18. Mai 2010 02:01 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Ist Europa am Ende? Als ich vor ein paar Monaten eine Studie verfasst habe, die in vielen Punkten eine Fehlkonstruktion der EU aufgezeigt hat, ist man noch mancherorts über mich hergefallen. Seit Griechenland sind hingegen auch viel begeisterte Europäer extrem skeptisch geworden. Fast niemand glaubt mehr an das Gelingen Europas. Was mich mit Schmerz erfüllt. Bin ich doch überzeugt, dass ein gut konstruiertes, starkes Europa uns allen nutzen würde. Wir sollten nur daran gehen, Europa komplett neu zu konstruieren. Es kann einfach nicht sein, weil die deutsche Bundeskanzlerin unter dem allseitigen Druck in die Knie geht, dass dann die größten Absurditäten passieren können. Natürlich haben die Propagandisten recht, die sagen, ohne das 750-Milliarden-Schulden-Paket würden die nächsten Wochen sehr schlimm. Nur sagen sie eines nicht: Mit diesem Paket wird es noch viel schlimmer werden, wenn auch nicht in den nächsten Wochen, sondern innerhalb weniger Jahre. Wie müsste das neue Europa aussehen? Nun, eine solche Frage in einem einzigen Internet-Blog abzuhandeln, wäre vermessen. Aber einige Eckpunkte sind klar zu skizzieren: 1. Gleiches Recht für alle. Es kann nicht sein, dass die Deutschen am meisten zahlen und pro Kopf am wenigsten Stimmrechte in Rat und Parlament haben. Es kann nicht sein, dass EU-Beamte weniger Steuern zahlen und mehr verdienen als sonstwo ein Spitzenbeamter. 2. Gleiche Pflichten für alle. Es kann nicht sein, dass sich die einen vor unangenehmen Aufgaben drücken, wie etwa die Österreicher durch die Neutralität. 3. Eine absolut wirksame Schuldenbremse für steuerfinanzierte Haushalte auf allen Ebenen. Regierungen, die sich verschulden, werden abgesetzt; ihre Mitglieder müssen aus jedem politischen Amt ausscheiden. Und wenn die Nachfolger wieder dasselbe tun, übernimmt ein EU-Kommissar die Verwaltung. 4. Wer anschafft, muss auch zahlen. Das gilt für die Gewerkschaftsbonzen in der Sozialversicherung genauso wie für Länderfürsten oder griechische Regierungen. Umgekehrt heißt das aber auch: Die EU muss die regionalen Autonomien respektieren. 5. Europa beschränkt sich auf die Sicherung eines absolut freien Binnenmarktes, auf Außenpolitik und Verteidigung. Das heißt aber auch Übergabe des französischen und britischen UNO-Sicherheitsratssitzes an eine gemeinsame EU-Außenpolitik. 6. Die Degeneration der EU zu einer Political-Correctness-Agentur wird rückgängig gemacht. All diese Fragen werden subsidiär entschieden, ebenso wie die Wohlfahrtsausgaben. 7. Zuwanderung und Asyl  gibt es nur, wenn eine Kommission mit Vertretern aller Länder zustimmt. 8. Es gibt keine Kohäsions-, Struktur- und sonstige Subventionen, die einem Staat länger als fünf Jahre gewährt werden. 9. Die Landwirtschaft muss nach einer Übergangsphase von fünf Jahren subventionsfrei auskommen, ebenso wie die restliche Wirtschaft. 10. Keine Bank oder Körperschaft darf mit Steuermitteln von anderen gerettet werden. Steuermittel gibt es nur, um die Folgen eines Dominoeffekts teilweise - nicht gänzlich! - abzumildern. Total utopische Vorstellungen? Natürlich. Aber noch viel utopischer ist die Illusion, dass die jetzige Konstruktion in irgendeiner Weise zukunftsfähig sein kann.

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Die vielen Doktoren unserer Unis

17. Mai 2010 02:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Beatrix Karl will das Dienstrecht an den Universitäten ändern. Der Plan klingt plausibel – macht aber gleich aus mehreren Gründen großes Bauchweh. Die Wissenschaftsministerin will die Dreistufigkeit abbauen, also vor allem die Unterschiede zwischen den diversen Gattungen von Professoren und wohl auch den Lektoren. Daraus spricht zweifellos auch eigene Lebenserfahrung, war sie doch in ihrem früheren Leben als außerordentliche Professorin „nur“ Angehörige des Mittelbaus. Was das Projekt leicht anrüchig macht, weshalb es aber noch nicht vom Tisch gewischt werden müsste. Sehr gespannt muss man aber schon sein, wie die Ministerin die derzeit extrem schlecht bezahlten (meist nebenberuflichen) Lektoren da einbauen will. Was viel mehr stört: Das Dienstrecht der Universitäten ist jetzt schon so kompliziert, weil fast jeder Minister daran herumdoktert. Nur ganz wenige Spezialisten haben noch einen Durchblick über all die vielen Dienstrechts-Schichten, die da übereinander lagern. Da man in Österreich ja niemanden schlechter stellen darf, sind auch Ansprüche aus irgendwelchen Dienstrechten uralt zu bezahlen. Noch mehr aber stört etwas ganz anderes. Warum überhaupt zerbricht sich schon wieder eine Ministerin da den Kopf? Das bedeutet ja in Wahrheit, dass man die Autonomie der ausgegliederten Universitäten Schritt für Schritt wieder zurücknimmt. In einer wirklichen freien Universitäts-Landschaft sollte doch ein freier Wettbewerb zwischen den einzelnen Modellen herrschen: Die einen versuchen‘s basisdemokratisch, die anderen hierarchisch, die einen mit flachen Management-Strukturen, die anderen mit sehr genau festgeschriebenen Verantwortungen, die einen mit teuren Stars, die anderen ohne. Das würde dann rasch zeigen, was gut funktioniert und was nicht. Aber in diesem Land glaubt halt immer eine Obrigkeit, alles besser zu wissen. Und die nächste Obrigkeit weiß es dann schon wieder besser. Die Rücknahme der Autonomie hat schon unter Johannes Hahn begonnen. Er hat sich etwa mit dem – jetzt so peinlich zerflatternden – Hochschuldialog unter dem Druck von ein paar extremistischen Audimaxisten wieder ganz zentralistisch in die Unis einzumischen versucht. Noch schlimmer ist die Linie der SPÖ, die den Unis (bis auf ein paar Ausnahmen) nicht einmal erlauben will, sich selbst ihre Studenten nach qualitativen Kriterien auszusuchen. Freilich sind auch Rektoren & Co nicht viel kreativer unterwegs. Sie haben nicht viel mehr gemeinsame Vorstellungen, als dass es noch mehr Steuerzahler-Geld geben müsse. Allerdings können Sie sich dabei auf eine im Vorjahr von dieser Koalition und einem nun nach Brüssel entsorgten Minister veranlasste Parlamentsresolution berufen, die den Unis gewaltige Mittelzuwächse verspricht. Es spricht freilich nicht für die intellektuelle Qualität von Wissenschaftlern, wenn sie auch nur eine Sekunde lang glauben, dass eine solche Resolution mehr als das Papier wert ist, auf dem sie steht. Gäbe es gute Ökonomen an Österreichs Unis, dann könnten die sogar beweisen, dass solche Versprechungen nicht einhaltbar sind – schon gar nicht in Zeiten wie diesen.  Und gäbe es gute Historiker, Politologen oder Juristen, dann könnten diese lange Listen von parlamentarischen Versprechungen zusammenstellen, die allesamt nie die Wirklichkeit beeinflussen konnten. Wer weiß etwa noch, dass Regierung und Parlament einst großspurig CO2-Reduktionen versprochen haben, die noch weit über den Kyoto-Zielen lagen, die Österreich jetzt auch nicht einhalten kann, obwohl sie mittlerweile EU-verbindlich sind. Oder enorme Entwicklungshilfe-Leistungen. Ein anderes Versäumnis ist der Regierung aber sehr wohl anzulasten. Sie hätte schon bei der Ausgliederung ganz klar die Kriterien nennen müssen, wofür jede einzelne Uni Geld bekommt und wie die Einhaltung jedes einzelnen Kriteriums gemessen wird: Bei diesen Kriterien müsste es um die Qualität der Forschung und Lehre gehen, da müsste es um die Qualität der Absolventen gehen (die man etwa an Hand ihrer beruflichen Positionen messen kann), da müsste es um eine Mischung aus universitärer Breite mit einzelnen Spitzen gehen. Das wäre gewiss schwierig, aber wichtig und spannend (und müsste auch immer wieder nachgeschärft werden). Der Istzustand ist aber jedenfalls eine totale Katastrophe. Die Politik gibt lügnerische Versprechungen ab, die Unis fordern immer nur, statt etwas zu leisten. Die Ergebnisse und das Niveau unserer Universitäten sind dementsprechend deprimierend.

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Die Verwaltung der Arbeitslosigkeit

15. Mai 2010 02:43 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Die Arbeitslosigkeit nimmt bedrohliche Ausmaße an. Auf Kosten der Republik werden überdies Tausende Lehrlinge ausgebildet, weil sie keine Lehrstelle finden. Ist das alles konjunkturbedingt, ist es ein unabwendbares Schicksal, oder sind es nicht auch die falsch konstruierten Rahmenbedingungen unserer Arbeitsmarktpolitik? Es gäbe durchaus einige Strategien, Betriebe dazu zu ermuntern, etwa wieder mehr Lehrstellen anzubieten. Die wären nämlich oft durchaus ausbildungswillig. Wie etwa die renommierte Wiener Bäckereikette Schwarz zeigt. Deren Chef Wolfgang Maurer hatte dem AMS Jugendliche zehn offene Lehrstellen gemeldet. Gekommen ist kein einziger. Was sich mit seinen sonstigen Erfahrungen mit dem AMS voll deckt. Und denen vieler anderer Unternehmer. Da wurde dem Bäcker eine Verkäuferin zugewiesen, die aber leider keine Zeit für ein Vorstellungsgespräch hatte, weil sie sich in einer AMS-Umschulung befindet. Da sind auch andere angekündigte Mitarbeitswillige gleich gar nicht erschienen. Da sind dem Tagebuchautor zwei Frauen bekannt, die zwischen dem 58. und 59. Geburtstag noch eine eingehende Computerschulung auf Kosten der Allgemeinheit bekamen. Wobei eine davon schon jahrelang auf dem Computer gearbeitet hatte; natürlich hat keine davon bis zum Antritt der Vollpension jemals wieder einen Job bekommen. Da hatte ein Wiener Rechtsanwalt einmal versucht, über das AMS eine Sekretärin zu suchen – alle, die ihm geschickt wurden, brachten ihn zu dem Schwur: „Nie wieder AMS.“ Da suchte eine Prominenten-Gattin übers AMS eine Bedienerin und entschloss sich nach drei Versuchen, künftig selber zu putzen, weil sie sich wegen der lieben Nachbarn nicht traut, eine illegale Mitarbeiterin zu beschäftigen. Da hatte der Tagebuchautor einst eine Sekretärin gesucht – und fand via Internet eine, mit der er dann jahrelang höchst zufrieden war. Beim AMS im tiefsten Niederösterreich war der Frau aber zuvor nach einjähriger Arbeitslosigkeit im Anschluss an die Babypause beschieden worden, dass sie keine Chance habe, Sekretärin zu werden, weil sie nur einen Hauptschulabschluss hat. Dass die Frau leistungswillig war (sie fuhr jahrelang täglich zweimal fast zwei Stunden von und zur Arbeit) und perfekt rechtschreiben konnte, ist für das formalistische Denken des AMS gleichgültig. Zurück zum Bäckereichef Maurer. Ihn erbost am meisten die ungleiche Förderung der Lehrlinge: Für jene, die in den sogenannten überbetrieblichen Lehrwerkstätten aufgefangen werden, gibt die Allgemeinheit pro Kopf und Jahr fast 13.000 Euro aus; für jeden in der Wirtschaft ausgebildeten Lehrlinge gibt es im Schnitt hingegen nur etwas mehr als 1300 Euro Förderung. Also rund ein Zehntel. Maurer ist jedenfalls überzeugt: Würde dieses Geld gerecht verteilt, bekämen auch alle Lehrlinge einen echten Ausbildungsplatz. Von dem aus sie dann auch viel bessere Chancen hätten als mit der negativ besetzten Etikette „Lehrwerkstätte“. Was auch den Tagebuchschreiber in der Erkenntnis bestärkt: So gerechtfertigt eine Arbeitslosen-Unterstützung ist, so sehr sind alle darüber hinausgehenden „aktiven“ Versuche, die Arbeitslosigkeit zu dämpfen, primär eines: unbeholfen, ineffizient, teuer, indirekte Förderungen beispielsweise für gewerkschaftsnahe Ausbildungswerkstätten oder überhaupt nur krampfhafte Versuche, die Statistik zu beschönigen. Die Vorstellung, jemand würde motiviert etwas lernen, wenn er sich vom AMS zum Besuch eines Kurses gezwungen fühlt, ist vorsichtig ausgedrückt naiv. Alles spricht hingegen dafür, dass es viel mehr Jobs und Lehrstellen gäbe, wenn die Beschäftigung eines Mitarbeiters oder Lehrlings die Arbeitgeber billiger käme.

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Hurra, das Rauschgift ist wieder da

11. Mai 2010 13:36 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Endlich hat die Großmutter nun auch ihr Häuschen verpfändet, war doch auch in der verstecktesten Keksdose kein Bargeld mehr zu finden. Der Jubel ist groß. Jetzt können die Enkel wieder unbesorgt Nachschub an Rauschgift besorgen. Und die unangenehmen Entziehungserscheinungen bleiben auf die nächsten zwei Jahre erspart. Wer wird sich schon sorgen, was in zwei Jahren sein wird, wo die Großmutter nach der Versteigerung ihres Hauses wohnen wird? Hauptsache, wir haben jetzt wieder genug Bares, um neues Gift kaufen zu können. Immer stärker kommen einem solche Vergleiche mit Rauschgiftsucht in den Sinn, wenn man die europäische Schuldenkrise zu begreifen versucht. Nur so kann man den Wahnsinn begreifen, der da in den letzten Tagen endgültig explodiert ist. Die Europäer sind alle mehr oder weniger schuldensüchtig. Jene im Süden sind es am ärgsten. Was kulturell wohl auch mit den angenehmen Lebensbedingungen zu tun hat.  Im südlichen Klima musste man nie lange sparen, um den Winter zu überleben. Dieser  Zusammenhang erklärt am besten, warum es in Sachen Sparsamkeit ein so starkes Nord-Süd-Gefälle gibt. Dazu kommt der absurde Umstand, dass jene südeuropäischen Länder, die nun am meisten Hilfe brauchen, genau jene sind, die schon in den letzten Jahren am meisten Geld aus den diversen EU-Solidaritätskassen bekommen haben. Alleine dieses Faktum hätte intelligenten Politikern und Notenbankern eine Lehre sein können, dass für verschwenderische Enkel, pardon: Staaten, jede finanzielle Hilfe fehl am Platz ist. Und sie immer mehr der notwendigen Sparsamkeit entfremdet. Dennoch hätten die schwärzesten Phantasien nicht ausgereicht, sich das auszumalen, was da in den letzten Stunden wirklich passiert ist. Die Europäer haben, um die verschwenderischen Südländer weiter zu alimentieren, nun wirklich alles verpfändet, um Kredite in völlig astronomischen Höhen aufzunehmen: den gesamten Haushalt der EU – um dessen Ausgeglichenheit noch bis vor kurzem um Hundertstel Prozent gestritten worden ist! – und die Glaubwürdigkeit der Notenbank und des Euro. Nichts anderes bedeutet es ja, wenn die Europäische Zentralbank nun bereit ist, alle schwindligen Staatsanleihen zu kaufen. Da scheinen amerikanische Immobilienkredite noch eine geradezu vertrauenswürdige Methode der Geldanlage gewesen zu sein. Gibt es noch sichere Länder? Nun, allzu zahlreich sind sie nicht. An der Spitze dieser Liste steht zweifellos die kleine Schweiz, dann folgen einige südostasiatische Staaten, wobei dort die rechtsstaatliche Qualität und die politische Stabilität schon große Fragezeichen hinter das Wort Zukunft setzen. Sehr fraglich ist geworden, ob Deutschland, Österreich und die Niederlande noch als stabile Länder zu werten sind, mehr etwa als die weitgehend außerhalb des Euro stehenden Osteuropäer, die ja eindrucksvolle niedrige Schuldenquoten haben und die daher die Krise am Ende gut überstehen werden? Seit Deutschland & Co nun praktisch solidarisch für Griechenland & Co haften, muss man ihre Stabilität noch mehr bezweifeln als schon bisher. Hat man zwischen Berlin und Wien doch schon vor diesem schwarzen Wochenende die Staatsschulden in absurde Höhen gejagt. Europa glaubt, mit finanziellen Jonglierkünsten eine tiefgreifende Krise übertünchen zu können, die letztlich eine politische ist. Ein gewaltiger Irrtum. Denn die EU hat es nicht geschafft, ihre Freigiebigkeit mit einem Mechanismus zu verbinden, der die nationalen Regierungen in Athen, Madrid, Lissabon total entmachten würde. Was angesichts einer solchen Geldverschleuderung eigentlich absolut unabdingbar hätte sein müssen. Die EU hat  keine starken Machtmittel in der Hand,  wenn die Schuldner-Länder die versprochenen Sparmaßnahmen dann halt doch nicht mit der notwendigen Konsequenz umsetzen. Weil halt leider, leider die Gewerkschaften dagegen sind (was sonst); weil halt leider, leider gerade wieder irgendwo Regionalwahlen sind (wie immer); weil halt leider, leider irgendwelche Berechnungen irgendwelcher Experten nicht gestimmt haben (wie häufig); weil halt leider, leider im Parlament keine Mehrheit für die notwendigen Beschlüsse zu finden war (was nach Abklingen des ersten Schocks sehr wahrscheinlich ist). Das Ausbleiben wirklich radikaler Sparmaßnahmen wird Resteuropa endgültig genauso krank machen, wie es Griechen und Spanier schon sind. Dann wird es nur niemanden mehr geben, der den Kontinent „rettet“, wie es angeblich jetzt mit Griechenland geschieht. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass diese Prophezeiung nicht zutrifft. Solche Wünsche gehen aber nur selten in Erfüllung. Sie gehen insbesondere dann nicht in Erfüllung, wenn man absolut Null Vertrauen in die Regierenden haben kann. Schon alleine die ständig wechselnden – dabei immer größer werdenden – Zahlen, die sie uns in den letzten Wochen über die Hilfssummen genannt haben, lassen keinerlei Vertrauen aufkommen.  Ebenso wenig vertrauenschaffend sind die läppischen Attacken der Regierungen auf ominöse Spekulanten und Geldverleiher, nur um von den eigenen Fehlern abzulenken: Diese sind nämlich an der Finanzkrise höchstens so viel schuld wie die Rauschgift produzierenden Bauern in Afghanistan oder Kolumbien an der Drogensucht westlicher Großstadtbewohner. Sie verdienen daran, sind aber nicht die Ursache des Problems. Am allermeisten Misstrauen schaffen die handelnden Persönlichkeiten: Glaubt jemand ernsthaft, ein Europa ist handlungsfähig, in dem beispielsweise Österreich durch einen Werner Faymann, einen Ewald Nowotny und einen Josef Pröll in den entscheidenden Gremien vertreten ist? Also Politiker, die nur Geldausgeben und Schuldenmachen können, die keine Ahnung von Ordnungs- und Stabilitätspolitik haben. Dem einen fehlt die Intelligenz, der andere ist ein hartgekochter Schuldenideologe und der dritte hat im Bereich Landwirtschaft und Umwelt nur das Geldverschwenden gelernt. Als ob es dessen noch bedurft hätte, sind nun auch Deutschland und Großbritannien der Unregierbarkeit einen großen Schritt näher gekommen. Nicht nur, weil man so wie in Österreich die einzigen Politiker mit ausreichendem Sachverstand machtpolitisch entsorgt hat (Blair, Clement, Merz, Schüssel, Riess-Passer, Grasser, Ruttensdorfer) oder weil diese gesundheitlich schwer angeschlagen sind (Schäuble). Sondern auch, weil die Wahlergebnisse der letzten Tage diese Unregierbarkeit noch vergrößert haben. In London muss man in der schwierigsten wirtschaftlichen Situation seit langem plötzlich die völlig unbekannte Situation bewältigen, dass trotz Mehrheitswahlrecht keine Partei eine ausreichende Mehrheit hat. In Deutschland ist die gerade erst angetretene Koalition durch die Niederlage im größten Bundesland schwer angeschlagen; sie dürfte damit auch die Mehrheit in der zweiten Kammer verlieren. Und da, so schreibt mir eine Blog-Partnerin, soll ich doch öfter einen optimistischen Ton einlegen . . .

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Die Helden sprechen österreichisch

10. Mai 2010 05:23 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Aus Krisen werden Helden geboren. Oder was wir dafür halten. Vor allem die USA haben einen großen Drang zu Helden. Für die einen ist es Barack Obama. Aber auch die andere Reichshälfte hat ihren Hero. Er heißt Ron Paul. Er ist nicht ganz so fesch, nicht ganz so jung, nicht ganz so eloquent. Seine Ideen wirken ebenso undenkbar und undurchsetzbar wie eine Gesundheitsreform bis vor kurzem noch gewirkt haben mag (auf manche). Bemerkenswert sind sie trotzdem. Oberflächlich betrachtet erfüllt der Kongressabgeordnete Ron Paul alle Kriterien eines klassischen amerikanischen Konservativen: Er ist gegen Abtreibung, gegen gleichgeschlechtliche Ehe, für das Recht, Waffen zu tragen, und für niedrige Steuern. Soweit so unspektakulär. Er war aber auch einer der schärfsten Kritiker von George W. Bush. Er war gegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit, die nach dem 11. September beschlossen wurden (Patriot Act) und er ist gegen die zahlreichen Auslandsabenteuer der Freiheits- und Demokratieverbreitungsarmee. (Das war Bush auch einmal, aber das ist schon lange her.) Am spannendsten sind aber Ron Pauls ökonomische Ansätze. Der Arzt aus Texas ist in den über dreißig Jahren seiner politischen Laufbahn nicht müde geworden, immer wieder höflich darauf hinzuweisen, dass wir volle Kraft voraus auf den großen wirtschaftlichen Kollaps zusteuern. Doch der Kassandra der amerikanischen Hauptstadt war es nicht vergönnt, Glauben zu bekommen. Stattdessen verabschiedeten ihre Freunde ein Gesetz nach dem anderen, das hölzerne Pferde zeugte und vermehrte. Kassandra warnte vor dem aus allen Fugen geratenen Budgetdefizit, ihre Rufe verhallten in den Marmorgängen des Kapitols. Sie kritisierte die Fiskalpolitik der Zentralbank, die mit viel zu niedrigen Zinsen dazu motivierte, Geld auszugeben, das keiner hat. Und sie wurde dafür als Rassist beschimpft, weil das nicht vorhandene Geld vor allem Minderheiten zugute kommen sollte. Propheten haben’s schwer. Als den Amerikanern langsam dämmerte, in welchen Schlamassel sie sich reingeritten hatten, kamen jedoch einige von ihnen auf die schlaue Idee, den Onkel Doktor mal zu fragen, woher er denn das alles wusste. Nun, er hat nebst Medizin zum Privatvergnügen auch eifrig die Werke der Österreichischen Schule der Nationalökonomie studiert. Dort hat er gelesen, dass Wohlstand durch individuelle Freiheit entsteht. Dass zu große staatliche Eingriffe immer die Einschränkung der individuellen Freiheit bedeuten. Dass solche Eingriffe zu künstlichen wirtschaftlichen Blasen jenseits des freien Marktes führen und dass es einen ziemlich lauten Knall geben wird, wenn diese platzen. Und dass zu große staatliche Eingriffe, die in aller Regel über Budgetdefizite – sagen wir mal – vorfinanziert werden, uns eher heute als morgen auf den Kopf fallen werden, weil sie die Währung destabilisieren. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Vielleicht sollten auch wir Europäer dem Rat des Doktors folgen und mal in der philosophischen Mottenkiste kramen. 2008 bemühte sich Paul um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten durch seine Partei. Er wollte die Vereinigten Staaten komplett auf den Kopf stellen. Eine Revolution, bei der alle großen und kleinen Sünden gegen die Intentionen der Gründerväter korrigiert werden sollten. Eine Revolution für den freien Markt, gegen einen aufgeblasenen Staatsapparat und gegen das amerikanische Selbstverständnis als Weltpolizist. Diese Revolution fand freilich (noch) nicht statt, aber sie war raffiniert inszeniert. Ron Paul hat das viel strapazierte Nationalpathos  „Freiheit“ mit der Anlehnung an den Actionfilm „V for Vendetta“ entstaubt; bei den kinofanatischen Amerikanern bekanntlich ein beliebtes Genre. Im Film kämpft ein maskierter Rächer „V“ einsam und allein gegen ein faschistisches Regime. Heroisch. Aber es kommt noch besser. In Schritt 2 wurden die Gründungsmythen der jungen Republik bemüht. Am 16. Dezember 1773 begann die amerikanische Revolution mit der Boston Tea Party. Als Indianer verkleidete „Patrioten“ lehnten sich  damals gegen das Steuerdiktat der britischen Kolonialherrn auf und versenkten symbolisch eine ganze Schiffsladung Tee im Hafen von Boston. In einer reifen Demokratie im 21. Jahrhundert leert man keine Naturalien mehr in den Ozean, sondern schreibt einen Scheck für die Wahlkampagne des Kandidaten „V“. In einem Land ohne jegliche staatliche Parteienfinanzierung ist das Sammeln von Spenden die wichtigste Disziplin eines Politikers in Wahlkampfzeiten. Spenden bedeuten Geld für Werbeminuten, Werbeminuten bedeuten Bekanntheitsgrad und öffentliches Interesse. Und das wiederum zieht Anhänger und weitere Spenden nach sich. Wenn alles gut läuft, hat man am Schluss genug Anhänger, die einen wählen, genug Geld, den Wahlkampf zu finanzieren und bekommt dafür einen befristeten Mietvertrag im Weißen Haus. Besonders wohlorchestrierte und effektive Spendenaufrufe werden von den Medien auch noch mit ausführlicher Extraberichterstattung belohnt. Derzeitiger Rekordhalter ist Ron Paul, der am 16. Dezember 2007, am Jahrestag der Boston Tea Party, in 24 Stunden über 6 Millionen Dollar (knapp 4,5 Millionen Euro) sammelte. Aber auch dieser medial viel beachtete Spendenrekord konnte Ron Paul nicht als ernsthaften Präsidentschaftskandidaten etablieren. Doch spätestens seit der Steuerzahler 2008 die Wallstreet, die Autobauer und andere marode Komapatienten der amerikanischen Wirtschaft künstlich am Leben erhalten muss, ist dieser Steuerzahler aus seiner Lethargie erwacht. Seither ist das Zelebrieren der Tea Partys zum Lieblingssport der Stammtischpolitiker geworden. Landauf landab wird leidenschaftlich über die Verfassung, die Prinzipien des freien Marktes und amerikanische Tugenden philosophiert, Thomas Jefferson rezitiert und Ronald Reagan glorifiziert. Alles, was von diesem Weltbild auch nur marginal abweicht, ist Teil der großen sozialistischen (in den USA ein Schimpfwort) Weltverschwörung, an deren Spitze der Marxist Barack Obama steht. Und der Europäer wundert sich wieder. Aus einem kreativen Werbegag ist eine landesweite Bewegung der Unzufriedenen geworden. Diese hat bei den jüngsten Wahlen in Massachusetts schon die Muskeln spielen lassen. Aber nicht nur der verdutzte Europäer weiß nicht recht, wie er das Ganze einordnen soll. Derweil fehlt dem „Angry mob“ noch ein charismatischer Leitwolf. Führende Republikaner zögern noch. Einerseits wissen sie nicht, ob die radikal-konservative Protestbewegung nicht zu sehr den Mainstream-Wähler verprellt. Und andererseits kann niemand voraussagen, ob das Feuer der Entrüstung nicht bald wieder erlischt, wenn die USA mit Gesundheitsreform entgegen allen Erwartungen doch nicht zu einem stalinistischen Sklavenstaat mutieren. Das „Freeze-Movement“ der Aufrüstungsgegner in den 80-ern hat Ronald Reagan auch nicht aus dem Sattel geworfen und die Welt ist auch damals nicht untergegangen. Und Ron Paul? Er wird weiter die Werbetrommel für die Österreichische Schule rühren, vielleicht auch pro forma 2012 für die Präsidentschaft kandidieren. Dann geht er zwar schon auf die achtzig zu. Als Revolutionsführer ist er dann wohl schon zu alt. Aber wer weiß, vielleicht finden Amerikas „Österreicher“ ja wieder einen erfolglosen Schauspieler als Galionsfigur.

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Die nächste Geldvernichtung: Gender-Budget

09. Mai 2010 01:51 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Dass die nächsten Jahre eine bedrückend-erdrückende Zeit für uns Steuerzahler werden, daran besteht kein Zweifel mehr. Im Wochentakt wird die Zahl, die für die „einnahmenseitige Sanierung“ unseres Rekorddefizits steht, nach oben angepasst. Bei Gewinn versprechenden Aktien gab es immer den hübschen Börsianer-Ausdruck: „Sie hat Phantasie nach oben“. Unser Finanzminister hat das auch. Leider heißt es nur etwas Unterschiedliches. Der Einsparwille des Finanzministers hält sich aber nicht nur in Grenzen (was waren das doch für Pröll-Ansagen, als er Einsparunwillige konklaveartig einsperren wollte, bis der weiße Rauch aufsteigt!). Auch wenn es kaum mehr möglich scheint: Er hat tatsächlich Phantasie nach unten. Für das Budget 2013 muss nämlich erstmals ge-gendert werden. Das heißt, dass alle Ausgaben daran zu messen sind, wie sehr sie dazu beitragen, die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzutreiben. Ausgaben sind auf dieses Ziel hin zu überprüfen, zu begründen, und ihre Gleichstellungs-Wirkung muss dann auch noch kontrolliert werden. Im Büro unseres Spare-Unfrohs glaubt man, das alles bagatellisieren zu können: Da muss halt dann jeder Minister am Ende seines Kapitels schreiben, was er für die Gleichstellung tun will, ist die Auskunft. Liest man das dazu veröffentlichte Bundesvoranschlagsgesetz, dann freilich gehen dem gelernten Österreicher die Augen über. Denn der vor- und festgeschriebene geschlechtsspezifisch gelenkte Geldsegen wird vor allem eines bringen: eine ganze Menge mehr Verwaltungsaufwand. Und nimmt man dann das Wiener Budget in die Hand, das bereits seit einigen Jahren gendert, dann hat man den Beweis dafür. Es beginnt mit unvermeidlichen Kommissionen (wie könnte das in unserem Land auch anders sein) und dann geht es los: Da muss geschaut werden, wem eine öffentliche Leistung überhaupt zugute kommt, wer die Leistung nutzt, und ob sie zur Gleichstellung beiträgt. Bei allen Ausgaben muss die Auswirkung auf das Genderziel vorausberechnet werden. Erhebungen etwa über die Verkehrsnutzung müssen nach Geschlecht ausgewertet werden. Noch mehr: Nachteile und Benachteiligungen müssen überhaupt erst aufgedeckt werden, damit sie beseitigt werden können. In der Umsetzung könnte man natürlich glauben, dass vieles, was ohnehin passiert, einfach anders argumentiert wird. So heißt es im gegenderten Wiener Budget dann eben, dass die Ausgaben für Kindergärten der Gleichstellung zugute kommen, obwohl es mehr Buben als Mädchen gibt, weil ja die Mütter davon profitieren. Weniger humoristisch ist dann schon die Tatsache, dass bei den öffentlichen Subventionen ein offensichtlich immenser Nachholbedarf besteht, für Geschlechter-Gerechtigkeit zu sorgen. Denn liest man die einschlägigen Berichtsteile, dann zeigt sich, dass „Frau“ im Titel oder im Ziel des Subventionsansuchens ein echtes Sesam-öffne-Dich für den warmen Geldregen ist. Und das, wie in Wien so üblich, oft mehrmals aus verschiedenen Ressorts fürs gleiche Projekt. Verwaltungs-Aufblähung und Willkür beim Geldverteilen ist aber noch gar nicht alles. „Gender Mainstreaming“ durch öffentliche Budgets kann gerade auf Bundesebene Steuerungseffekte haben, die das ganze Land um ein weiteres Stück Zukunft bringen. Nehmen wir als Beispiel das Universitätsbudget. Es wird zu erheben sein, wo denn die meisten Frauen studieren und dorthin ist dann der Geldfluss zu lenken. Da nun die nicht gerade zukunftsträchtigen Fächer – ob in den Geisteswissenschaften oder an der Publizistik – einen bedeutenden Studentinnen-Überhang haben, werden sie Geld bekommen müssen. Um der Gender-Gerechtigkeit willen. Weil wir diese Absolventinnen ja besonders dringend brauchen. Dieser Unsinn kommt auf uns zu. Und obwohl die Krisenbewältigung ein guter Grund wäre, schreit keiner: Halt! Weil wir so politisch korrekt sind. Und weil es ohnehin die nächsten Generationen zahlen. Ganz gender-gerecht. Und weil wir kein Gesetz gemacht haben, das dem Budgeterstellen eine viel wichtigere Aufgabe vorschreibt: Generationen-Gerechtigkeit.

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Abbitte an Milton Friedman

07. Mai 2010 03:42 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Es war ein spannender Halbtag in den Neunzigern. In einem eher nüchternen Raum einer kalifornischen Universität diskutierte eine kleine Gruppe mit Milton Friedman über alles und jedes. Er zeigte uns faszinierende Einsichten in weltwirtschaftliche Zusammenhänge. Nur in einem einzigen Punkt ärgerten wir uns über den kleingewachsenen Nobelpreisträger. Da lag er wohl völlig falsch. Heute muss man ihm demütig Abbitte leisten. Denn täglich wird eines klarer: Gerade in jenem Punkt, wo wir ihm vehement widersprachen, bekommt Friedman von der Geschichte zunehmend recht. Er hatte die Europäer vehement vor einem Zusammenschluss zum Euro gewarnt. Wir hingegen glaubten, er täte dies vor allem, weil die Amerikaner eine Konkurrenz zum Dollar als einzige Weltwährung fürchteten. Wir betonten die vielen Transaktionsvorteile durch den Euro und seine Resistenz gegen Spekulation. Friedman hingegen zeigte die gewaltigen Unterschiede zwischen den Euro-Ländern auf, die auch in Zukunft keine einheitliche Politik haben würden. Er prophezeite massive politische Interventionen in die Währung. Er analysierte insbesondere, dass die Gewerkschaften in jedem Land ganz unterschiedlich aggressiv sind. Und er verwies darauf, dass das bisherige Instrument, um diese Unterschiede auszugleichen, künftig wegfallen werde: nämlich die Abwertung von Währungen. Und all das hat sich seither bestätigt. Insbesondere in den Ländern des südlichen Europas. So haben die griechischen Gewerkschaften – insbesondere jene des öffentlichen Dienstes – binnen zehn Jahren durch ihre exorbitanten und dann auch durchgesetzten Forderungen die griechische Wettbewerbsfähigkeit um mehr als 30 Prozent reduziert. Griechenland kann aber nicht mehr abwerten. Es musste daher seine vielen Konzessionen an die Gier der Gewerkschaften, seine mangelnde Bereitschaft, gegen Korruption, Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung vorzugehen, durch ständig mehr Schulden finanzieren. Bis die Gläubiger erwachten – auch aufgeweckt durch die Information, dass die Griechen sogar bei ihren Statistiken kräftig geschwindelt haben.

Empfehlungen aus dem Jenseits

Was würde der inzwischen verstorbene Friedman den Europäern wohl heute raten? Vermutlich Folgendes:
  1. Vorerst keinen Kredit mehr für Griechenland.
  2. Notfalls die Gläubiger-Banken mit rund 60 Prozent für die dadurch eintretende Zahlungsunfähigkeit Griechenlands schadlos halten (keinesfalls zu 100 Prozent), damit die Folgewirkungen abgebremst werden.
  3. Griechenland ein Aussteigen aus dem Euro-Raum nahelegen.
  4. Den Griechen nach Rückkehr zu einer eigenen Währung wieder Kredite geben, aber nur über den Internationalen Währungsfonds und unter strengen Auflagen (wie: Halbierung der Beamtenzahl; Streichung der Zulagen für Beamte; Einfrieren der Pensionen; Schaffung einer auch international besetzten Sonderkommission zur Jagd auf Steuerhinterzieher und Korruptionisten, die kräftige Vollmachten bekommt; Privatisierungen; Rückfahren der Militärausgaben, die noch für einen Krieg gegen den Erbfeind Türkei dimensioniert sind; Reduktion der Gesetze um 5000 Seiten pro Jahr; befristete Steuerzuschläge; grundlegende Reformen des Zivilrechts nach ausländischen Vorbildern).
  5. Ähnliche Pakete für Italien, Portugal und Spanien schnüren, bis deren Budgets halbwegs ausgeglichen sind. Unter Androhung, dass auch ihnen sonst der Kredit gesperrt und der Austritt nahegelegt wird.
  6. Ländern wie Österreich ganz konkrete Pakete empfehlen. Im Falle Österreichs etwa für die Schulden-Bundesländer Kärnten, Niederösterreich und Wien, aber auch für die Pensions-, Verwaltungs- und Gesundheits-Systeme. Dies unter der Androhung, dass auch hier Untätigkeit zu ganz konkreten Konsequenzen führen wird. (Immerhin hat sich auch für Österreich seit dem dummen Herumgerede seiner Regierung über Steuern die Kreditwürdigkeit in den letzten Wochen wieder signifikant gegenüber Deutschland verschlechtert.)
  7. Jedem Land, das die Maastricht-Kriterien verletzt, wird das Stimmrecht entzogen.
Natürlich wird Europa nicht auf solche Ratschläge hören, und den Griechen unter höchstwahrscheinlich nur sehr vagen Reformversprechungen wieder Geld geben. Das nicht ausreichen wird. Das aber gleichzeitig auch die Stabilität von Deutschland und den Niederlanden, den letzten halbwegs stabilen Ländern EU-Europas, erschüttern wird.

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Schmerzhaft, aber notwendig

05. Mai 2010 02:32 | Autor: Andreas Unterberger
Rubrik: Tagebuch

Vor einigen Tagen befasste sich das Tagebuch mit der dramatischen Perspektive sowohl für das Pensions- wie auch das Pflegesystem. Was könnte, was müsste getan werden, wenn eine Katastrophe, also ein Zusammenbruch vermieden werden soll? Wir sind noch nicht ganz hilflos, aber jede einzelne Maßnahme verlangt mutige, Proteste ignorierende politische Entscheidungen.

  1. Am wichtigsten wäre die sofortige oder zumindest rasche Aussetzung der Hacklerregelung (die ja bekanntlich von fast allen, nur nicht von den wirklichen Hacklern konsumiert wird). Diese hat nämlich die erhoffte Entlastung der Pensionskassen durch die weitgehende Abschaffung der Frühpension voll „kompensiert“. Jedes Jahr, um das der durchschnittliche Pensionsantritt nach hinten verschoben werden kann, erspart dem System (beispielsweise dem Zuschuss aus dem total leeren Budgettopf) 1,2 Milliarden Euro.
  2. Die Pflegekatastrophe kann überhaupt nur mit Hilfe der Familien verhindert werden: Denn dort werden – überwiegend von Frauen – noch immer 80 Prozent der Pflegleistung erbracht. Daher ist jede Maßnahme, die materiell wie immateriell Familien fördert und Frauen sichert, auch eine Investition ins Pflegesystem. Allerdings nur dann, wenn das nicht zu Lasten der Zukunft finanziert wird.
  3. Das heißt auch, alles zu fördern, was das Kinderkriegen fördern könnte. Also etwa: Schaffung ausreichender Betreuungsplätze, Förderung von Arbeitsplätzen für Mütter, die nach der Kinderpause in den Job zurückwollen, stärkere steuerliche Absetzbarkeit von Kindern (was auch Besserverdiener wieder mehr zum Kinderkriegen ermutigen dürfte). Die direkten Geldzuschüsse werden hingegen zunehmend problematisch: Sie erhöhen heute primär die Immigration von wenig leistungsorientierten Gruppen in den österreichischen Wohlfahrtsstaat.
  4. Besonders heikel, aber umso wichtiger ist die frühere Angleichung des niedrigeren Frauenpensionsalters (das sonst bis in die 30er Jahre ungleich bleiben würde). Dafür gibt es keinerlei Rechtfertigung, denn der Nutzen dieses Privilegs kommt ja auch der rasch steigenden Zahl kinderloser Frauen zugute. Übrigens würde diese Angleichung den ununterbrochen bejammerten Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen deutlich verringern: Verdient man doch in den meisten Berufen in den letzten Berufsjahren am meisten.
  5. Der schon mehrfach politisch verhandelte, aber dann am Populismus der SPÖ gescheiterte Nachhaltigkeitsautomatismus gehört dringend umgesetzt. Dieser würde das gesetzliche Pensionsantrittsalter automatisch in Relation zur steigenden Lebenserwartung erhöhen. Immerhin hat in Deutschland sogar die SPD einer Erhöhung des Antrittsalters schon auf 67 Jahre mitbeschlossen, während die SPÖ diesem Thema seit Faymann total aus dem Weg geht.
  6. Ein interessanter Vorschlag ist die Belohnung für längere Erwerbstätigkeit. Wer länger einzahlt, bekommt dann auch deutlich mehr Pension. Da hätten beide Seiten etwas davon.
  7. Längeres Arbeiten wäre auch für die Gesundheit gut: Denn Untersuchungen zeigen, dass Beschäftigte viel gesünder sind als gleichaltrige Frühpensionisten (was auch dann stimmt, wenn man die Invaliditätspensionisten aus dem Vergleich herausrechnet).
  8. Während die Bundespensionen – freilich mit langen Übergangsfristen – schon an das allgemeine ASVG/SVA-Pensionssystem angeglichen sind, sind viele Bundesländer trotz ihrer angeblichen Finanznöte viel großzügiger mit den eigenen Beamten (aus deren Kreis ganz zufällig sehr viele Landtagsabgeordnete kommen …): Allein Wien gibt solcherart 130 Millionen Euro mehr für seine Beamten aus. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
  9. Die bisherige Schwerarbeiterregelung sollte auslaufen: Denn die beschert dem gut verdienenden Bergarbeiter auf Kosten der Billa-Verkäuferin eine bessere Pension. Stattdessen sollten die Sozialversicherungsbeiträge für Schwerarbeiter (zur Finanzierung einer besseren oder früheren Pension) höher sein – falls es in einer Branche ein signifikant niedrigeres Sterbe- oder Invaliditätspensionsalter gibt. Das wäre ein Beitrag zur Kostenwahrheit und würde auch dazu führen, dass gefährliche, ungesunde Arbeit seltener wird.
  10. Die asymmetrischen Pensionserhöhungen müssen gestoppt werden. Im letzten Jahrzehnt sind die höheren Pensionen immer um viel geringere Prozentsätze als die niedrigen Pensionen erhöht worden. Das führt langfristig zu einer Einheitspension. Und das zerstört jeden Anreiz, möglichst viel und lang ins System einzuzahlen. Was man ja nur dann tut, wenn man sich im Gegenzug eine höhere Pension erwarten kann.
  11. Die Lösung der Pflegefinanzierung wird eine zentrale Aufgabe; das erkennt auch langsam die Politik. Dabei sollte unbedingt die Pflege mit dem Gesundheitssystem zusammengelegt werden; was natürlich nicht heißt, dass die zusätzlichen Kosten über Lohnzuschläge finanziert werden müssen (in manchen Ländern stellt man die Finanzierung der Pflege etwa auf Beiträge der nicht pflegebedürftigen Pensionisten um). Nur so lassen sich die schon jetzt tobenden zahllosen Abgrenzungskonflikte vermeiden, wo Pflegefälle ununterbrochen in peinlicher Art und Weise mit der Rettung zwischen Spitälern und Pflegeheimen hin und her geschickt werden. Weil sie niemand mehr will.

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