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SN-Kontroverse: Schulschwänzen

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

Soll das Schulschwänzen strenger bestraft werden?

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

 

Augenmaß und Angemessenheit

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

In einem Rechtsstaat gelten Regeln. Wer gegen sie verstößt, hat mit abgestuften Sanktionen zu rechnen. Das ist gut so, da ohne angemessene Sanktionen von der Verwarnung bis zur saftigen Geldstrafe kein Staat zu machen ist. Österreich ist ein Rechtsstaat und es gilt für alle Kinder, die sich dauernd im Staatsgebiet aufhalten, Unterrichtspflicht. Die Unterrichtspflicht muss von den Erziehungsberechtigten umgesetzt werden. Wird sie verletzt, ist mit Sanktionen rechnen. Im Fall der derzeit so heiß diskutierten Schulschwänzerei galt schon bisher, dass mit einer Strafe von 220 Euro zu rechnen ist - wenn alle anderen Maßnahmen nicht greifen, um Schulschwänzen abzustellen. Mit Strafen wird vorsichtig umgegangen. Sie werden nur in zwei Prozent der Fälle verhängt. Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) - offenkundig aufgrund seiner Tätigkeit mit zahlreichen Fällen "schweren Schulschwänzens" konfrontiert - hat vorgeschlagen, die Strafe auf 1500 Euro zu erhöhen. Eine drakonische Maßnahme, die eher auf ein Versagen in seinem Zuständigkeitsbereich schließen lässt, als auf eine angemessene Problemlösung. Die beschlossene Verdoppelung der Geldstrafe auf 440 Euro ist schon eher von Augenmaß geprägt, obwohl die Frage erlaubt ist, ob Geldstrafen der Weisheit letzter Schluss sind. Oft sind es Kinder, die in sozial und finanziell nicht gefestigten Familien leben, die der Schule fern bleiben. Aber eben nicht nur - Stichwort Wohlstandsverwahrlosung. Völlig daneben ist der Vorschlag Gabi Burgstallers, die Familienbeihilfe für eine bestimmte Zeit befristet einzubehalten. Die Familienbeihilfe hat eine völlig andere Funktion. Sie ist dazu da, Kosten, die Eltern auf Grund ihrer Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern entstehen, auszugleichen. Diese den Familien wegen Schulschwänzerei zeitweilig vorzuenthalten, ist völlig überzogen und es ist beschämend, dass die Idee ausgerechnet von der ersten sozialdemokratischen Landeshauptfrau Österreichs kommt.


 

Bürokratische Missgeburt

Andreas Unterberger

 Schwänzen kann ganze Lebensperspektiven zerstören. Deswegen sollte es mit Energie, sofort und wirksam bekämpft werden. Was aber die Politik nicht tut. Statt dessen diskutiert sie die Nebenfrage, ob Beihilfen-Entzug, 440 oder 1500 statt bisher 220 Euro Strafe angemessen sind. Musste doch dieser Betrag ohnedies nur in 30 Fällen gezahlt werden, obwohl es eigentlich 1500 Verfahren gab. Von den vielen Fällen nicht gemeldeten, nicht entdeckten oder von Eltern gedeckten Schulschwänzens ganz zu schweigen.

Unabhängig von der Höhe wird es künftig jedenfalls noch seltener Schwänz-Strafen geben. Denn die regulierungswütige Regierung schaltet nun jeder Strafe ein so kompliziertes vielstufiges Verfahren vor, dass es mindestens fünf Monate bis zu deren - eventuellen - Verhängung dauert. Was für einen 14-Jährigen unendlich weit weg ist. Was Null abschreckende Wirkung hat.

An was die Politik - aus Lehrerhass? - überhaupt nicht denkt: Statt über Strafhöhen zu debattieren, sollte sie Lehrer und Direktoren massiv aufwerten. Deren Instrumentarium gegen aufsässige Schüler ist in den letzten Jahrzehnten zertrümmert worden. Sie sollte man wieder zu sofortigen Konsequenzen berechtigten. Sie kennen jeden Schüler am besten. Sie sollen Schwänzer schon beim ersten Mal zum Nachsitzen verdonnern oder ihnen Goodies entziehen können; sie sollen sofort Eltern vorladen, Berater einschalten, Jugendämter alarmieren, Anzeige erstatten können. Immer das, was ihnen im Einzelfall sinnvoll erscheint.

Der Stufenplan der Regierung ist hingegen absurd und bürokratisch: Fünf mal schwänzen, dann erst gibt’s ein Gespräch mit den Eltern; vier Wochen später kommen Psychologen und Sozialarbeiter ins Geschäft; weitere vier Wochen später die Schulaufsicht; nach weiteren zwei Wochen die Jugendwohlfahrt; und nach nochmals vier Wochen die Bezirksbehörde. Komplizierter und dümmer, juristischer und ineffektiver geht’s mit Sicherheit nicht mehr.

 

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