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Das kollektive Burnout

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter in Österreich soll auf Grund des jüngsten Sparpakets bis 2016 um rund ein Jahr steigen. Bravo, wenigstens etwas! Bravo? Das kann wohl nur rufen, wer eine zweite Kleinigkeit vergisst.

Nämlich, dass gleichzeitig auch die Lebenserwartung um ein Jahr gestiegen sein wird. Von einer Sanierung des Pensionsystems also keine Rede. Gleichzeitig bewirkt der Transfer der Möchtegern-Invaliditäts-Pensionisten, die jünger als 50 sind, von der Pensionsversicherungsanstalt zum Arbeitsmarktservice vor allem eines: höhere Kosten für die beim AMS viel üppigeren Ausgaben für Schulungen und Rehabilitationen. Ob diese höheren Ausgaben aber langfristig überhaupt einen Effekt haben, ist vorsichtig ausgedrückt durchaus offen.

Das trifft etwa insbesondere auf die rapide zugenommenen Invaliditätspensionen wegen angeblicher psychischer Erkrankungen zu. Diese haben aber dramatisch zugenommen. Jährlich behaupten schon 35.000 Österreicher, dass sie aus irgendwelchen psychischen Gründen nicht mehr arbeiten können. Nur zur Erläuterung der Größenordnung: Jährlich kommen zwischen 70.000 und 80.000 Menschen in Österreich zur Welt. Polemisch verkürzt, muss man sich fragen: Jeder zweite ein Narr?

Natürlich nicht. Dieser dramatische Anstieg hängt mit einem anderen Phänomen zusammen: Andere beliebte Invaliditätsursachen lassen sich seit einigen Jahren viel präziser medizinisch überprüfen beziehungsweise therapieren. So kann bei den verbreiteten Rückenschmerzen durch Computertomographen viel genauer als durch einstige Röntgenbilder das wahre Ausmaß überprüft werden. So sind Hüftoperationen in den allermeisten Fällen total erfolgreich (zu denen sich freilich so mancher erst nach Zuerkennung der lebenslangen Invaliditätsrente bereitfindet). So sind auch Herzinfarkte heute viel besser therapierbar und in ihren Folgen diagnostizierbar.

Eine Depression ist hingegen kaum objektiv überprüfbar. Noch eleganter klingt der Weg in die Frühpension, wenn die Überschrift „Burnout“ heißt. Das ist ja erstmals ein gesellschaftlich voll akzeptiertes psychisches Krankheitsbild. Es schmückt geradezu, wenn man dieselbe Krankheit hat wie Spitzenmanager oder Künstler.

Frühpensionisten kommen sich subjektiv gar nicht als Betrüger vor. Schließlich gibt es kaum 40-plus-Jährige, die noch nie Rückenschmerzen oder Zustände der Frustration, der Erschöpfung, des Angespanntseins erlebt hätten. Früher hat man für solche Zustände freilich nur eine Therapie gehabt: Arbeit. Was erstaunlich oft dazu geführt hat, dass man die Zustände bald wieder vergessen hat. Heute jedoch gibt es ganze Heerscharen von Psych-Professionen, die sich über solche eher robusten Therapien empören und jeden Burnout-Fall am liebsten viele Jahre zum Patienten oder Klienten haben möchten.

Was jedem Einzelnen zu gönnen wäre, würde es nicht auch zum Burnout des ganzen Staates führen.

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

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