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Schmerzhaft, aber notwendig

Vor einigen Tagen befasste sich das Tagebuch mit der dramatischen Perspektive sowohl für das Pensions- wie auch das Pflegesystem. Was könnte, was müsste getan werden, wenn eine Katastrophe, also ein Zusammenbruch vermieden werden soll?

Wir sind noch nicht ganz hilflos, aber jede einzelne Maßnahme verlangt mutige, Proteste ignorierende politische Entscheidungen.


  1. Am wichtigsten wäre die sofortige oder zumindest rasche Aussetzung der Hacklerregelung (die ja bekanntlich von fast allen, nur nicht von den wirklichen Hacklern konsumiert wird). Diese hat nämlich die erhoffte Entlastung der Pensionskassen durch die weitgehende Abschaffung der Frühpension voll „kompensiert“. Jedes Jahr, um das der durchschnittliche Pensionsantritt nach hinten verschoben werden kann, erspart dem System (beispielsweise dem Zuschuss aus dem total leeren Budgettopf) 1,2 Milliarden Euro.

  2. Die Pflegekatastrophe kann überhaupt nur mit Hilfe der Familien verhindert werden: Denn dort werden – überwiegend von Frauen – noch immer 80 Prozent der Pflegleistung erbracht. Daher ist jede Maßnahme, die materiell wie immateriell Familien fördert und Frauen sichert, auch eine Investition ins Pflegesystem. Allerdings nur dann, wenn das nicht zu Lasten der Zukunft finanziert wird.

  3. Das heißt auch, alles zu fördern, was das Kinderkriegen fördern könnte. Also etwa: Schaffung ausreichender Betreuungsplätze, Förderung von Arbeitsplätzen für Mütter, die nach der Kinderpause in den Job zurückwollen, stärkere steuerliche Absetzbarkeit von Kindern (was auch Besserverdiener wieder mehr zum Kinderkriegen ermutigen dürfte). Die direkten Geldzuschüsse werden hingegen zunehmend problematisch: Sie erhöhen heute primär die Immigration von wenig leistungsorientierten Gruppen in den österreichischen Wohlfahrtsstaat.

  4. Besonders heikel, aber umso wichtiger ist die frühere Angleichung des niedrigeren Frauenpensionsalters (das sonst bis in die 30er Jahre ungleich bleiben würde). Dafür gibt es keinerlei Rechtfertigung, denn der Nutzen dieses Privilegs kommt ja auch der rasch steigenden Zahl kinderloser Frauen zugute. Übrigens würde diese Angleichung den ununterbrochen bejammerten Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen deutlich verringern: Verdient man doch in den meisten Berufen in den letzten Berufsjahren am meisten.

  5. Der schon mehrfach politisch verhandelte, aber dann am Populismus der SPÖ gescheiterte Nachhaltigkeitsautomatismus gehört dringend umgesetzt. Dieser würde das gesetzliche Pensionsantrittsalter automatisch in Relation zur steigenden Lebenserwartung erhöhen. Immerhin hat in Deutschland sogar die SPD einer Erhöhung des Antrittsalters schon auf 67 Jahre mitbeschlossen, während die SPÖ diesem Thema seit Faymann total aus dem Weg geht.

  6. Ein interessanter Vorschlag ist die Belohnung für längere Erwerbstätigkeit. Wer länger einzahlt, bekommt dann auch deutlich mehr Pension. Da hätten beide Seiten etwas davon.

  7. Längeres Arbeiten wäre auch für die Gesundheit gut: Denn Untersuchungen zeigen, dass Beschäftigte viel gesünder sind als gleichaltrige Frühpensionisten (was auch dann stimmt, wenn man die Invaliditätspensionisten aus dem Vergleich herausrechnet).

  8. Während die Bundespensionen – freilich mit langen Übergangsfristen – schon an das allgemeine ASVG/SVA-Pensionssystem angeglichen sind, sind viele Bundesländer trotz ihrer angeblichen Finanznöte viel großzügiger mit den eigenen Beamten (aus deren Kreis ganz zufällig sehr viele Landtagsabgeordnete kommen …): Allein Wien gibt solcherart 130 Millionen Euro mehr für seine Beamten aus. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

  9. Die bisherige Schwerarbeiterregelung sollte auslaufen: Denn die beschert dem gut verdienenden Bergarbeiter auf Kosten der Billa-Verkäuferin eine bessere Pension. Stattdessen sollten die Sozialversicherungsbeiträge für Schwerarbeiter (zur Finanzierung einer besseren oder früheren Pension) höher sein – falls es in einer Branche ein signifikant niedrigeres Sterbe- oder Invaliditätspensionsalter gibt. Das wäre ein Beitrag zur Kostenwahrheit und würde auch dazu führen, dass gefährliche, ungesunde Arbeit seltener wird.

  10. Die asymmetrischen Pensionserhöhungen müssen gestoppt werden. Im letzten Jahrzehnt sind die höheren Pensionen immer um viel geringere Prozentsätze als die niedrigen Pensionen erhöht worden. Das führt langfristig zu einer Einheitspension. Und das zerstört jeden Anreiz, möglichst viel und lang ins System einzuzahlen. Was man ja nur dann tut, wenn man sich im Gegenzug eine höhere Pension erwarten kann.

  11. Die Lösung der Pflegefinanzierung wird eine zentrale Aufgabe; das erkennt auch langsam die Politik. Dabei sollte unbedingt die Pflege mit dem Gesundheitssystem zusammengelegt werden; was natürlich nicht heißt, dass die zusätzlichen Kosten über Lohnzuschläge finanziert werden müssen (in manchen Ländern stellt man die Finanzierung der Pflege etwa auf Beiträge der nicht pflegebedürftigen Pensionisten um). Nur so lassen sich die schon jetzt tobenden zahllosen Abgrenzungskonflikte vermeiden, wo Pflegefälle ununterbrochen in peinlicher Art und Weise mit der Rettung zwischen Spitälern und Pflegeheimen hin und her geschickt werden. Weil sie niemand mehr will.

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