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Wer stellt sich der islamistischen Aggression noch in den Weg?

Spätestens seit Joe Bidens Kapitulation in Afghanistan ist der Westen als Bremsklotz gegen die globale islamistische Aggression weggefallen. Dennoch hat der Islamismus noch keineswegs einen Endsieg errungen. Allerdings treten ihm jetzt ganz andere Kräfte als die der Europäer oder Amerikaner entgegen. Das tun jetzt robustere Kräfte, die freilich ganz und gar nichts mit dem Konzept der rechtsstaatlichen Demokratie zu tun haben – das  in der islamischen Welt freilich noch nie funktioniert hat.

Der Westen wird sich daher letztlich entscheiden müssen, welches Übel er als das Geringere ansieht. Er sollte dabei vor allem seine eigenen Interessen kennen. Dann wird er einsehen müssen, dass die Ausbreitung des Systems demokratischer Rechtsstaaten zwar wünschenswert, aber für ihn selber nicht das Wichtigste ist. Wichtiger ist in Hinblick auf andere Länder:

  • dass sie in keiner Weise eine Bedrohung für die Außenwelt darstellen;
  • dass sie ein Mindestmaß an politischer und wirtschaftlicher Stabilität schaffen, sodass keine große Fluchtbewegung ausgelöst wird;
  • dass dort keine völkermordartigen Verbrechen passieren.

Wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, dann ist eine friedliche Koexistenz mit einem anderen Staat immer möglich, auch wenn dort von Demokratie oder Rechtsstaat keine Rede sein kann. Defizite in Sachen Menschenrechte werden zwar in Staaten mit Meinungsfreiheit niemals verschwiegen werden dürfen und können. Aber der verständliche Wunsch nach einem rechtsstaatlichen Nulldefizit kann nicht die oberste Richtschnur des eigenen Handelns sein. Das wäre imperialistisch, aber  angesichts der Schwäche des Westens auch absurd. Außerdem ist mehr als fraglich, ob das Prinzip "demokratischer Rechtsstaat" in allen Kulturen und Zivilisationsstufen überhaupt funktioniert.

Welche Kräfte sind es aber, die sich dem Islamismus nach Abdankung der USA (und Westeuropas) an Stelle des Westens entgegenstellen?

  • Russland,
  • China,
  • und die gemäßigten Diktaturen in islamischen Ländern, insbesondere Saudi-Arabien und Ägypten.

Nichts davon ist eine Demokratie. Nichts ein Rechtsstaat. In keinem dieser Länder möchte man wohnen. Aber dennoch ist festzuhalten:

Russland und China haben begonnen, gegen die Totalübernahme des nach dem US-Abzug schwer wankenden Afghanistans durch die islamistischen Taliban aktiv zu werden. Das ist zweifellos mehr als pikant. Hat Moskau dort ja schon einmal (1980) interveniert und in Afghanistan ein kommunistisches Regime installiert. Diese Intervention hat im Westen damals wilde Proteste ausgelöst und sogar zu einem Olympiaboykott geführt. In der Folge sind die Kommunisten von einem Bündnis aus Taliban und lokalen Stämmen bekämpft und schließlich gestürzt worden, das damals vom Westen massiv unterstützt worden ist.

Was für ein Unterschied zur Gegenwart!

Zwar ist es unwahrscheinlich, dass die Russen Afghanistan neuerlich besetzen werden. Dazu sind die Erfahrungen der Vergangenheit zu abschreckend. Aber sie wollen jedenfalls die benachbarten zentralasiatischen (und ex-sowjetischen) Staaten wie Tadschikistan und Kirgistan gegen einen Vorstoß der Taliban schützen. Schon deshalb werden sie, müssten sie die in Kabul bisher unter US-Patronanz gestandene Regierung unterstützen.

Damit werden absurderweise Moskau und Washington in Afghanistan nach ein paar Jahrzehnten von erbitterten Feinden zu indirekten (und vielleicht auch direkten?) Verbündeten im Kampf gegen die Taliban. Beide haben wie auch viele andere Völker Zentralasiens inzwischen erkannt, dass heute die eindeutig größte Bedrohung von den Islamisten ausgeht.

Aber auch der chinesische Verteidigungsminister hat sich schon nach Tadschikistan begeben. Peking teilt mit den Russen die Sorgen über den "übereilten Abzug" der Amerikaner.

Diese gemeinsamen Sorgen stellen überhaupt die ungewöhnlichste Veränderung in der Weltpolitik dar. Wer hätte sich jemals in den letzten Jahrzehnten vorstellen können, dass Russen und Chinesen gemeinsam über einen militärischen Abzug der Amerikaner besorgt sein können? Sie wissen beide, dass für sie die Lage in jenem Raum viel wichtiger ist als für die Amerikaner. Beide Länder haben aber auch auf ihrem eigenen Gebiet große Probleme mit islamischen Minderheiten, von den Tschetschenen bis zu den Uiguren.

Auch wenn es zu früh ist, all diese Veränderungen zu bewerten, so ist jedenfalls doch die Perspektive hochinteressant, dass es ausgerechnet mitten in Asien zur größten Annäherung zwischen den sonst in fast allen Fragen einander sehr antagonistisch gegenüberstehenden Atommächten kommen könnte. Freilich ist damit alles andere weiterhin in der Welt: von der russischen Besetzung eines Teils der Ukraine bis zu den immer heftiger werdenden chinesischen Drohungen gegen Taiwan, von der atomaren Rüstungsspirale bis zum eskalierenden Cyber-Krieg Russlands und Chinas gegen die USA.

Mindestens ebenso interessant ist die Entwicklung in Tunesien: Dort hat der Staatspräsident die islamistische Regierung und das Parlament hinausgeworfen und alle Spitzenpositionen mit ihm loyalen Leuten besetzt. Das ist ganz eindeutig ein Putsch und eine Verletzung zahlreicher Rechtsregeln. Doch ist die Reaktion der Außenwelt alles andere als sonderlich empört.

Zwar begrüßt im Westen niemand den Putsch. Aber in Wahrheit sind alle insgeheim froh, dass in Tunesien die islamistische Gefahr weitgehend gebannt ist. Damit gleichen die Vorgänge in Tunesien den Entwicklungen entlang fast der gesamten nordafrikanischen Küste, von Marokko über Algerien bis Ägypten. Überall haben autoritäre Herrscher die Macht übernommen. Einzige Ausnahme ist Libyen, wo seit Jahren ein Bürgerkrieg tobt, wo die islamistische Seite von der Türkei, die anti-islamistische hingegen von Ägypten, Saudi-Arabien und – schon wieder – Russland unterstützt wird.

Dennoch spricht – so weh das auszusprechen auch tut – eigentlich alles für die Diktatoren. Sie erfüllen alle drei oben genannten Bedingungen und hätten daher auch mehr Unterstützung vom Westen verdient, der ja selbst vom Zurückdrängen der islamistischen Gefahr enorm profitiert.

Aber wie kann man sich nur für eine Diktatur aussprechen und gegen ein Abgehen vom Demokratieprinzip, werden nun manche klagen!

Man kann, man muss, wenn man erkennt und offen auszusprechen bereit ist, dass in manchen Fällen die Außenwelt mit Diktaturen kooperieren kann und muss.

Man kann, man muss vor allem einmal dazu bereit sein, offen auszusprechen, dass der Islamismus ein genauso schlimmer Totalitarismus ist wie Nationalsozialismus und Kommunismus. Auch diese beiden mörderischen Ideologien sind ja zumindest zum Teil als Ergebnis demokratischer Wahlen an die Macht gekommen. Der Unterschied: Beide waren danach ebensowenig wie heute die Islamisten vulgo Muslimbrüder bereit, die Macht jemals wieder abzugeben.

Totalitarismen können sich als demokratisch tarnen, um an die Macht zu kommen, aber sie sind nie demokratisch, wenn sie diese wieder abgeben müssten. Daher besteht heute zumindest in  Hinblick auf die Nazis (leider nicht auch auf die Kommunisten) Konsens, dass es  moralisch gerechtfertigt ist, sie nie mehr an die Macht kommen zu lassen. Auch wenn das die schlimme Gefahr bedeutet, dass dann eindeutig demokratische Parteien (wie die AfD in Deutschland und andere Rechtspopulisten) als Nazis denunziert und mit Gewalt bekämpft werden, obwohl sie gar keine Nazis sind.

Viele fragen sich: Wie können die Wähler in der islamischen Welt eigentlich nur so schwachsinnig sein, nach all den schlimmen Erfahrungen neuerlich Islamisten die Macht zu geben, die diese dann nie freiwillig wieder abgeben werden?

Dafür gibt es mehrere Erklärungen:

  • Oft scheinen vielen Wählern die Islamisten – gerade wegen ihres Fanatismus – das einzige Gegengewicht zu Misswirtschaft und Korruption zu sein, die sie verständlicherweise empören.
  • Noch mehr empören Übergriffe von Diktaturen und ihrer Polizei und Armee.
  • Viele simpel gestrickte Imame reden den islamischen Gläubigen in den Freitagspredigten die Wahl von Islamisten-Parteien ein: Je radikal-religiöser diese sich geben, umso lieber halten die Imame sie für die richtige Lösung.

Aus diesem Grund kontrollieren fast alle islamischen Länder – von den Diktaturen bis zur Halbdemokratie Türkei – selbst sehr eng die Prediger und lassen sich die Inhalte der Predigten vorher sogar zeigen. Das ist angesichts der intellektuellen (und religiösen) "Qualität" der Prediger absolut legitim. Das erscheint uns in den europäischen Rechtsstaaten jedoch als absolut unakzeptabler Bruch der Religions- und Meinungsfreiheit. Bei uns werden im Gegenteil jene wegen Verhetzung bestraft, die die Dinge beim Namen nennen.

Daher versagt Europa heute im Kampf mit dem Islamismus. So wie es bis 1939 angesichts des rasanten Aufstiegs des Nationalsozialismus versagt hat. Daher muss man jetzt geradezu froh sein, wenn Militärdiktatoren, selbst die aus Russland oder China, ihnen nach dem Abdanken nun auch der Amerikaner entgegentreten. Trotz aller Verbrechen auf dem Konto Russlands und Chinas. Trotz der von ihnen ausgehenden Gefahr.

Europa ist hingegen nicht einmal imstande, der total von ihm abhängigen Türkei entgegenzutreten, obwohl diese neben einer Fülle von Aggressionsakten auch als Helferin von "Moslembrüdern und Islamischem Staat" fungiert hat (gegen die EU-Länder Zypern und Griechenland hat die Türkei direkt interveniert, aber auch indirekt gegen die ganze EU durch das massenhafte und gezielte Durchschleusen von asiatischen "Flüchtlingen" nach Europa). Österreich erlaubt sogar weiterhin, dass von der Türkei unterstützte Sympathisanten der Moslembrüder an heimischen Unis lehren ...

PS: Umso positiver ist zu loben, dass Österreich jetzt 50.000 Impfdosen nach Tunesien schickt. Das wurde zwar nicht offiziell politisch begründet. Das ist aber ein eindeutig und lobenswert politischer Akt.

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