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Österreichs größte Sorge: das Rauchen

Glückliches Österreich, in dem zumindest derzeit das Rauchverbot in Gasthäusern die wichtigste Frage zu sein scheint. Aber das Rauchen ist halt ein Thema, wo wirklich jeder mitreden kann. So wie das schlechte Benehmen von Männern bei der Annäherung an Frauen ein solches Thema ist, oder das Wetter, oder der Urlaub. Solche Themen brauchen vor allem jene, denen Staatsverschuldung, Völkerwanderung, Demographie, Migration, Terror, Sicherheit, Islamisierung, Asylmissbrauch, Nullzinsen, Europa, Nahost, Wettbewerbsfähigkeit, Überregulierung, Welthandel, Meinungsfreiheit, Bildungsfragen, Umweltschutz und viele andere Fragen zu kompliziert oder heikel sind, um einen Durchblick auch nur zu versuchen.

Dennoch ist auch über das Thema Rauchen durchaus ernsthaft nachzudenken. Einerseits kann es ja längst keinen Zweifel geben, dass Rauchen sehr gesundheitsschädlich und darüber hinaus für Nichtraucher unangenehm ist. Andererseits ist das Rauchen an sich dennoch zu Recht erlaubt.

Das klingt nach einem fundamentalen Widerspruch. Ist es aber nicht. Denn es wäre absolut unerträglich, in einem Staat zu leben, der alles verbieten würde, womit man sich selbst gefährden und schädigen kann. Ein kleiner Katalog, was da sonst alles auf diese Liste müsste:

  • Scharfe Messer;
  • Auto- und Traktorfahren;
  • Klettern, aber auch bloßes Bergwandern, wenn es irgendwo exponierte Stellen gibt;
  • Sportarten wie Wildwasser-Fahren oder Drachensegeln;
  • Skifahren, also jene Sportart, bei der die meisten Verletzungen bis hin zu lebenslänglichen Total-Lähmungen passieren;
  • Intensiver Alkoholkonsum;
  • Tablettenmissbrauch;
  • Zuviel rotes Fleisch;
  • Übergewicht;
  • Ungeschützter Geschlechtsverkehr;
  • Das Zeugen von Kindern, wenn die Gene ein Risiko enthalten.

Und so weiter, und so fort.

Interessanterweise gibt es gegen all diese Dinge keine großen ärztlichen und politischen Initiativen, die da ebenso strikte Verbote fordern wie beim Rauchen. Dabei hätten solche Forderungen genau die gleiche Logik.

Bei diesem Thema gibt es überhaupt schon seit langem einen totalen Schlingerkurs. Man denke etwa an das Rauchen in den Schulen: Zu meinen Schulzeiten wurde man bestraft, wenn man selbst in deutlicher Entfernung vom Schultor mit Zigarette erwischt wurde. Dann kam die linke 68er Revolte und setzte während der Kreisky-Zeit in vielen Schulen eigene Raucherzimmer für Schüler durch, obwohl man auch damals schon um die Gefährlichkeit des Rauchens wusste. Jetzt hingegen ist das Pendel wieder in die Gegenrichtung geschwungen.

Eine ganz ähnliche Entwicklung hat die Pornographie genommen: vom strikten Verbot über die Phase, wo Pornographie plötzlich zur revolutionären Pflichtlektüre wurde, wo jeder Kiosk mit einschlägigen Heftchen zugepflastert war und wo auch die meisten TV-Sender Sexfilme zeigten, bis dann wieder familientaugliche Fernsehprogramme die Regel wurden und Facebook Fotos mit nacktem Busen sofort sperrt.

Auch das Verhältnis zwischen den Geschlechtern zeigt kurvenartige Bewegungen. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten waren die meisten Schulen und Jugendorganisationen streng nach Geschlechtern getrennt (von der "Hauptschule für Knaben" bis zur "Frauenoberschule"); dann wurde Geschlechtermischung bis hin zu den sich lange wehrenden Philharmonikern absolute Pflicht, sodass selbst die Kirche mit ihrem Männerpriestertum ins Wanken geriet; seit einigen Jahren geht es nun wieder vielfach in die Gegenrichtung, wo Frauencafes der Anfang waren, und wo jetzt Männern sogar angeraten wird, nicht mit einer Frau allein in einen Lift zu steigen.

Alles bewegt sich, alles dreht sich, was jeweils modisch, was jeweils politisch korrekt ist.

Aber beim Rauchen geht es doch um die Gesundheit, werden nun viele einwenden. Absolut richtig. Nur: Wo ist die Richtschnur, welche schädlichen Dinge verbietet man, welche bleiben erlaubt? Ist das Endziel, alle Bürger lebenslang in dicke Watte und einen Stahlhelm zu zwingen, damit nur ja kein Unheil passiert?

In Wahrheit gibt es keinen wirklich objektiven Maßstab dafür. Würden wir ehrlich und ohne Rücksicht auf die Lautstärke einzelner Pro- und Kontra-Lobbys einen solchen suchen, dann müsste er in folgender zentralen Grundregel bestehen:

Der Staat soll den Menschen möglichst viel Freiheit lassen, auch jene, sich selbst zu beschädigen.

Denn ein Staat, der uns vor allem schützt, wäre ein unerträglicher Moloch, der uns total unterdrückt, der uns jede Freiheit nimmt, der unter dem Vorwand des Schutzes unser gesamtes Privatleben als "Großer Bruder" kontrolliert.

Zu Recht bestrafen ja die meisten Staaten auch keinen Selbstmordversuch (einen vollendeten natürlich schon gar nicht), jedoch die Beihilfe dazu. Warum sollte er das eigentlich beim Rauchen tun dürfen – das ja ein Teil unbeschadet überlebt?

Letztlich wäre es unlogisch, wenn etwas in privaten Haushalten, Sportstadien und Klubs noch erlaubt bliebe, was in Gasthäusern und Bars prinzipiell und total verboten wird. Der nächste Schritt wäre daher, Rauchen auch dort zu bestrafen und Zigaretten & Co generell zu verbieten.

Das erinnert stark an die USA, die Spezialisten im (je nach Sichtweise: puritanischen oder politisch korrekten) Verbieten bestimmter Dinge sind, obwohl sie in anderen Fragen wiederum mehr Freiheiten als der Rest der Welt erlauben.

  • So haben sie etwa ab 1920 mehr als eine Dekade lang Alkohol total untersagt. Das hat freilich nur der amerikanischen Mafia das größte Geschäft der Geschichte verschafft.
  • So sind in 18 amerikanischen Bundesstaaten heute noch bestimmte sexuelle Aktivitäten selbst zwischen Ehepartnern im eigenen Schlafzimmer verboten.
  • So fällt mir da der Heurigenbesuch mit einem bekannten amerikanischen Wissenschaftler und seinem 20-jährigen Sohn ein: Als ich dem jungen Mann einen Spritzer offerierte, fuhr der Vater entsetzt dazwischen. Er wäre bei einer Rückkehr in seinen US-Bundesstaat schwer strafbar, wenn er im fernen Europa zugelassen hätte, dass sein Sohn vor dem 21. Geburtstag Alkohol trinkt.

Zurück zum Rauchen. Ein sich auf das wirklich Notwendige beschränkender Staat, der die Freiheiten der Menschen auch zum Sich-selbst-Beschädigen respektiert, hat aber auf zwei Ebenen durchaus das Recht, hat sogar die Pflicht, sich einzumischen:

  1. Er soll über alle bekannten Gefahren korrekt und voll informieren und aufklären;
  2. Er soll Dritte vor den Auswirkungen schädlichen Verhaltens möglichst schützen.

Bei dieser Schutzpflicht kommen wir in die einzige wirkliche Problemzone rund ums Rauchen.

Da gibt es erstens die legitime Frage nach den wirtschaftlichen und Krankheits-Kosten, die durch das Rauchen verursacht werden. Sind die wirklich durch die Tabaksteuern voll gedeckt, damit nicht auch Nichtraucher sie mittragen müssen?

Da ist zweitens der notwendige Jugendschutz. Die künftige Koalition hat angekündigt, dass Jugendliche erst mit 18 Jahren rauchen dürfen. Das wäre zweifellos ein wichtiger Schritt, auch wenn er ganz wider den Trend der vorletzten Regierung läuft, die als fast einzige der Welt den 16-Jährigen sogar das Wahlrecht gegeben hat. Aber gerade in diesem Alter sind Halbwüchsige am leichtesten zum Rauchen verführbar, können sie doch damit demonstrieren, wie erwachsen und cool sie doch wären. Und nichts ist in diesem Alter subjektiv wichtiger – vor allem, weil die Teenager eben doch noch nicht erwachsen sind. Trotz Wahlrechts.

Da ist die drittens der Schutz der Nichtraucher. Diese sollten durch eine viel bessere und signalartige Warn-Kennzeichnung als derzeit vor Raucherbereichen gewarnt werden, sodass sie schon vor einem Eintreten klar sehen, wo sie da hineingehen würden.

Und da ist viertens der Schutz der Kellner. Der ist am schwierigsten umzusetzen. Am ehesten gelingt das dadurch, dass im Raucherbereich nur Menschen beschäftigt werden dürfen, die selber Raucher sind. Denkbar wären auch Selbstbedienungs-Lösungen, wo die Raucher sich ihre Getränke selber ins Raucherzimmer tragen müssten. Überdies wäre es absolut legitim, dass Restaurants – also alle Plätze, wo Essen serviert wird – generell rauchfrei sein müssen.

Und jedenfalls unakzeptabel sind die relativ vielen Lokale, die auch jetzt schon gegen die geltenden Raucher-Gesetze verstoßen, wo nicht nur in Extra-Räumen, sondern nach wie vor im gesamten zentralen Raum samt Schank geraucht wird.

Entlang solcher Linien ließe sich sicher eine Lösung finden – gäbe es nicht die aggressiven Fundamentalismen beider Seiten, die jetzt lange trefflich streiten werden.

Nach einer Lösung dieses Streits können wir uns dann vielleicht doch den wirklich wichtigen Themen des Landes zuwenden, für die es Politik und Staat braucht. Insbesondere die FPÖ sollte den Eindruck vermeiden, ihr – und ihrem kettenrauchenden Parteichef – wäre Rauchen wirklich das wichtigste Thema.

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