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Die Abenddämmerung der Experten und die Suche nach Staatsmännern

Die neuausgerufene Expertokratie ist früher als erwartet an Grenzen gestoßen. Denn die Pandemie-Experten werden gleichzeitig mit zwei neuen – und vor allem völlig entgegengesetzt laufenden Entwicklungen konfrontiert. Die sie schwer verunsichern. Experten haben zwar – meist – einen sehr scharfen und guten Blick auf ihr jeweiliges Spezialgebiet. Aber das ist ein eingeengter Tunnelblick. Es gibt hingegen an den Unis keine "Experten" dafür zu finden, alle in einer Gesellschaft wichtigen Entwicklungen zugleich im Auge zu haben und bei Entscheidungen zu berücksichtigen. Solche Experten nennt man vielmehr Staatsmänner. Und die sind Mangelware. Einige konkrete Überlegungen, wie ein solcher vermutlich entscheiden würde.

In Österreich deutet jetzt manches auf ein baldiges Verblühen der kollektiven Expertokratie hin, obwohl diese erst nach dem Abschuss von Sebastian Kurz an die Macht gekommen ist. Soldaten und Beamte sind gewohnt, Befehle umzusetzen, aber nicht oberste Chefs zu sein.

Die beiden entgegengesetzten Entwicklungen sind die beiden neuen Eigenschaften des Virus in der sogenannten Omikron-Mutation. Dieses ist zum einen rascher und stärker ansteckend geworden, weshalb nun auch in Österreich seit einigen Tagen die Infektionszahlen so stark explodieren, dass die bisherigen Wellen als harmloses Geplätscher erscheinen. Zum anderen aber mehren sich zugleich massiv die Hinweise, dass die Mutation signifikant harmloser ist als die bisherigen Corona-Phasen.

So ist bisher nirgendwo der Explosion der Infektionszahlen auch eine Explosion der Spitalsbelegungen gefolgt. So sind in Südafrika, von wo vor eineinhalb Monaten die Schreckensbotschaft "Omikron!" ausgegangen ist, die meisten Restriktionen sogar zurückgenommen worden. Bei den Intensivstationen wie den Corona-Todesmeldungen gehen im "Mutterland" von Omikron die Zahlen nach unten.

Freilich kann man jene Experten nicht widerlegen, die sagen: Ja, in Südafrika ist die Bevölkerung halt viel jünger als in Europa (wo ja seit den siebziger Jahren ein Teil der Bevölkerung in einem demographischen Selbstmord auf das Gebären von Kindern vergessen hat). In Südafrika ist möglicherweise auch die Genstruktur der Bevölkerung anders als in Europa. Außerdem könnten die ganz schlimmen Auswirkungen auf die Gesundheit ja überall erst mit Zeitverzögerung eintreten.

Gewiss. All das ist möglich, wenn auch von Tag zu Tag weniger wahrscheinlich.

Zwei so neue und zugleich so gegenläufige Entwicklungen lassen sich jedenfalls noch weniger in die Zukunft hochrechnen als frühere Corona-Phasen. Dabei führt jede zu komplett unterschiedlichen Antwort-Strategien.

Wie sollen da jene eine Zeitlang so hochgepriesenen "Experten" eine Entscheidung treffen können, denen SPÖ und ORF (was eh fast dasselbe ist) die ganze Entscheidungsmacht übergeben wollen? Werden doch von "Experten" gesicherte Aussagen und keine Wahrscheinlichkeits-Schätzungen erwartet. Wollen sie doch in der Regel auch selbst immer auf Nummer Sicher gehen.

Wenn man lauter Epidemiologen und Virologen als Experten beizieht, dann haben sie ganz klar ein Ziel: Die Zahl der Erkrankungen möglichst gering zu halten. Für ihren Tunnel ist das eine richtige Entscheidung. Je mehr Restriktionen, je längere Quarantänen es gibt, je kompletter die Impfquote, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ziel auch erreicht wird.

Gewissheiten hat man hingegen immer erst im Nachhinein. So ist überraschenderweise erst im letzten November und Dezember, als die Politik schon weitgehend zugunsten der Experten abgedankt hatte, die entscheidende Zahl erstmals wirklich steil gestiegen: die der sogenannten Übersterblichkeit. Erstmals in der gesamten Pandemiezeit hat in diesen beiden Monaten in Österreich die Zahl der Todesfälle – egal, durch welche Ursache – die statistische Bandbreite der Todesfälle der letzten Dekade dramatisch überschritten. Dabei ist diese ja auch früher in der kalten Jahreszeit immer weit über den Todesfällen im restlichen Jahr gelegen. Was übrigens wiederum die Global-Warming-Paniker, "Experten" einer anderen Scheuklappen-Disziplin, immer geflissentlich verschweigen, weil Erwärmung ja in ihren Augen nie etwas Positives haben darf …

Wir lernen für beide Bereiche: Weder die auf die Infektionszahlen fixierten "Experten", noch die auf eine angeblich menschengemachte Erwärmung fixierten, sind imstande, alle übrigen Wahrscheinlichkeiten, alle übrigen gesellschaftlichen Aufgaben und Entwicklungen zu berücksichtigen.

Sie nehmen auch nur ungern zur Kenntnis, dass vielleicht die explodierenden Infektionszahlen lange nicht mehr so fatal sind, wie sie noch vor einem Jahr gewesen wären. Ebensowenig wollen sie akzeptieren, dass eine gewisse Erwärmung in Summe gar nicht so katastrophal wäre (egal aus welchen Ursachen es zu ihr kommt).

Egal. Ein "Experte" bleibt in seiner Scheuklappenperspektive darauf fixiert, dass alles getan wird, um da wie dort den Anstieg zu verhindern. Bei Infektionen wie bei der Temperatur. Daher ist es ihnen auch meist egal, ob der Menschheit durch den Kampf gegen diesen Anstieg viel schlimmere Kollateralschäden zugefügt werden könnten.

Die Erkenntnis – spätestens – dieser Omikron-Tage: Experten sind gewiss immer anzuhören. Aber nicht nur die aus einem Fachgebiet. Sondern im Corona-Zusammenhang muss es auch um Experten aus vielen anderen medizinischen Disziplinen gehen, wo unterbliebene Operationen, aufgeschobene Gesundenuntersuchungen ebenfalls schlimme physische und psychische Folgen haben. Auch Wirtschaftsexperten (nicht Lobbyisten) aus mehreren Bereichen sollten gleichzeitig Gehör finden. Es braucht ebenso die Experten für Bildung und Erziehung. Es braucht den Input von polizeilichen Experten und von Soziologen.

All diese Experten sind anzuhören. Aber sie sind nicht dazu da, Entscheidungen zu treffen. Entscheiden ist vielmehr – so machen uns diese Tage wieder bewusst – unverzichtbare Aufgabe der politischen Spitze. Egal, ob da ein einsamer Herrscher an der Spitze steht, ein Regierungskollektiv, ein demokratisch gewähltes Parlament oder ob die Gesamtheit der erwachsenen Bürger direktdemokratisch entscheidet. Sie alle haben in der Regel die Gesamtschau besser im Auge als alle Fachexperten.

Vor allem sind sie auch jene, die Verantwortung und Risiko tragen. Denn natürlich ist es ein gewisses Risiko, etwa jetzt zu sagen: "Omikron verbreitet sich zwar rapide, aber trotzdem sperren wir das Land nicht nach chinesischer Art zu. Ganz im Gegenteil. Wir übernehmen das gut argumentierbare Risiko, das Land offenzulassen, weil sich die Schäden durch die neue Welle in Grenzen halten."

Gewiss: Jedes Risiko kann schlagend werden, sonst wäre es ja kein Risiko. Wird es schlagend, dann werden des öfteren Fürsten gestürzt, die es eingegangen sind, dann werden Regierungen und Parlamente abgewählt. Das kann aber genauso dann passieren, wenn aus lauter Angst ein Land jahrelang zugesperrt wird. Dadurch kann sich in den Menschen so viel Druck ansammeln, dass es zur Explosion kommt.

Die wachsende Aggressivität der Corona-Demonstranten ist insofern als Zeichen des Druckaufbaus durchaus ernst zu nehmen. Auch wenn Österreich mit einigen Ausnahmen bisher von einem Totalzusperren weit entfernt geblieben ist. Auch wenn die Demonstranten nur eine kleine Minderheit sind, die bloß von 10 bis 15 Prozent der Bürger unterstützt werden. Auch wenn der Rechtsstaat unbedingt mit aller Konsequenz gegen Gewalt und Drohungen vorgehen muss und soll. Auch wenn ich bei den Impfgegnern noch kein einziges wirklich überzeugendes Argument gegen eine nach allen Indizien vorteilhafte und bei vielen Dutzenden Verwandten und Freunden völlig harmlos bleibende Spritze gefunden habe.

Aber als Phänomen der gesellschaftlichen Entfremdung sind die Impfgegner ernst zu nehmen. Es wäre völlig falsch, in ihnen nur die Folgen aufrührerischer Reden von Herbert Kickl zu erkennen. Was keineswegs heißt, dass ihnen nachzugeben wäre.

Um in solchen schwierigen Situationen richtig zu entscheiden, braucht es nicht nur Politiker, sondern auch Staatsmänner mit Mut, mit klugem Überblick über alle Aspekte, Gefahren und Chancen – und mit dem unverzichtbaren Quantum Glück.

Dabei kommen mir zwei ehemalige Regierungschefs in den Sinn.

  • Der eine war Winston Churchill: Er stand im Jahr 1940 nach der Niederlage Frankreichs und aller Verbündeter als weltweit Einziger scheinbar chancenlos gegen Hitler. Selbst in seinem Land haben sich viele "Wets" – Waschlappen – in Politik und Medien für ein neuerliches Appeasement ausgesprochen, für die Annahme der Friedensvorschläge aus Berlin, die Großbritannien freilich in eine bessere Kolonie der Deutschen verwandelt hätten. Churchill gab nicht nach und führte schließlich nach vielen beängstigenden und bedrohlichen Wochen, Monaten und Jahren sein Land und die freie Welt zum Sieg über die Nazi-Diktatur (und er erkannte im Unterschied zu den Amerikanern auch schon 1944 und 1945, dass der zweite große Totalitarismus im Osten ähnlich übel ist). Churchill war mutig, er analysierte richtig, er setzte sich über die vielen diplomatisch-pazifistischen Experten hinweg, er hatte charismatische Führungsqualitäten – und er hatte zweifellos auch Glück. Im Ergebnis hat ihm sein Land (und Europa) viel zu verdanken. So wurde Churchill zu einem der weltweit größten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts.
  • Der andere heißt Fred Sinowatz. Ihm hatten bei aller persönlichen Klugheit in entscheidenden Stunden all die Eigenschaften gefehlt, die Churchill groß gemacht haben. Er fasste sein Scheitern selbst im symptomatischen und mehrfach ausgesprochenen Stehsatz zusammen: "Es ist alles sehr kompliziert." Was zwar stimmt, aber halt nicht das ist, was man von einem Regierungschef erwartet.

Ist Bundeskanzler Karl Nehammer ein Mann, der über Führung, Mut und Risikobereitschaft verfügt – und der auch das Glück gepachtet hat? Wir können das nur abwarten. Viele Chancen, das zu zeigen, wird er jedenfalls nicht bekommen. Sebastian Kurz hatte zwar viele dieser Eigenschaften – aber am Ende nicht das Glück (oder nicht die Erfahrung, die Infamien linker Justizaktivisten zu durchschauen).

Wie würde ein Staatsmann in Österreich derzeit – bei aller Ungewissheit – entscheiden? Nur in die zweite Reihe zurückziehen gilt jedenfalls nicht. Er muss gleichzeitig alle bekannten Fakten und Notwendigkeiten, alle Hoffnungen und Ungewissheiten auf einen Nenner  bringen. Und er muss die Republik und das öffentliche Leben in Gang  halten. Ein paar kurze Stichwörter, was ein Staatsmann da vermutlich tun würde, wohl tun sollte:

  • Die diversen Quarantäne-Regeln werden dramatisch gekürzt und bei Kontaktpersonen überhaupt abgeschafft. Diese müssen lediglich zwei Wochen lang alle zwei Tage einen PCR-Test absolvieren.
  • Es gibt keine Schließungen von Schulen, Geschäften, Theatern, Skiliften und Restaurants bis 22 Uhr.
  • Überall dort werden Impfungen wie Tests und Masken verlangt.
  • Tests werden für Ungeimpfte voll kostenpflichtig.
  • Discos und Ähnliches bleiben geschlossen.
  • Die Impfpflicht wird vorerst nur für über 50-Jährige eingeführt, weil dort die größeren Risiken bestehen, und weil eine Teileinführung leichter administrierbar ist.
  • An der Impfpflicht wird nur solange festgehalten, solange nicht entweder erwiesen ist, dass keine Gefahr eines Zusammenbruchs der Spitalsversorgung mehr besteht, oder aber erwiesen ist, dass die gegenwärtigen Impfungen angesichts der Corona-Mutation unwirksam geworden sind.
  • Diese zwei Voraussetzungen einer Impfpflicht werden ständig überprüft, da beides durchaus möglich, aber keineswegs gewiss ist.

Gewiss, dieses Maßnahmenbündel erfordert Mut, sowohl Mut, einen Kurs zu ändern, wenn sich die Verhältnisse geändert haben, wie auch Mut, an für richtig erkannten Maßnahmen festzuhalten, bis die Unwirksamkeit erwiesen ist.

PS: Mut scheint jedenfalls die australische Regierung zu haben: Sie lässt wegen ihrer strengen Corona-Regeln den ungeimpften Tennisstar Djokovic nicht einreisen, obwohl dieser schon im Flughafen von Melbourne sitzt, obwohl er das dortige Tennisturnier schon neunmal gewonnen hat, obwohl an seinem neuerlichen Auftreten große finanzielle Interessen der Veranstalter bestehen. Freilich ist dieses Lob eine Momentaufnahme. Denn es kann stündlich passieren, dass der Tennisspieler doch noch einreisen darf, statt im nächsten Flugzeug in die Heimat zu sitzen. Dann gäbe es statt Mut der Regierung großen Unmut der Bürger Australiens über üble Privilegien.

PPS: Ein interessanter Fund zu einem der verbreitetsten Argumente gegen die Impfungen: Diese wären besonders für Schwangere schädlich. Das hat dazu geführt, dass sich etliche junge Frauen nicht impfen lassen und Schwangere auch von der Impfpflicht ausgenommen sein sollen. Jetzt haben die US-Gesundheitsbehörden die Daten von nicht weniger als 46.000 Schwangerschaften untersucht. Diese zeigen: Es gibt absolut keinen Unterschied zwischen geimpften und ungeimpften Müttern. Es gibt da wie dort genauso oft Frühgeburten. Es gibt da wie dort in gleichem Ausmaß zu klein geratene Babys. Damit platzt auch dieses aus der Reihe der vielen G'schichterln, die ja alle gleich beginnen: "Ich kenne jemanden, …"

PPPS: Ich lehne weiterhin vehement jede Zensur ab. Auch wenn mir sehr viele Leser dazu raten, werde ich weiterhin die ein bis zwei Dutzend recht fanatisch auftretenden Impfgegner unter den Postern auf diesem Blog zu Wort kommen lassen (die dabei unter verschiedenen Nicknamen agieren). Denn auch Dummheit hat das Recht auf Meinungsfreiheit, solange sie gegen kein Gesetz verstößt (vermutete Gesetzwidrigkeiten bitte ich aber weiterhin, mir zu melden). Denn es gibt nie eine absolute Sicherheit, was eigentlich Dummheit und was Wahrheit ist – wenn es auch ganz starke Indizien dafür gibt.

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