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Wer demonstriert, hat Recht/Unrecht

Es mag mit dem Wärmerwerden zusammenhängen, dass derzeit in immer mehr Ländern demonstriert wird, dass überhaupt der Frühling die in der Geschichte beliebteste Demonstrationszeit ist. Zugleich scheint das Demonstrieren über die Ländergrenzen hinweg ansteckend zu sein, wie der Blick in die Geschichtsbücher beweist: Siehe 1830, siehe 1848, siehe 1968, siehe 1989. Nüchterne Beobachtung kommt aber sowohl beim Blick auf diese vergangenen Jahre wie auch auf die Gegenwart zum Schluss: Es gibt absolut keine Gesetzmäßigkeit, dass die Straße immer recht haben muss – auch wenn man in Hinblick auf 1848 und 1989 im Rückblick zu einer recht positiven Bewertung der Massenbewegungen und der dadurch ausgelösten Folgen kommt. Und jedenfalls zeigt so gut wie jede Demonstration einen grundlegenden Webfehler unserer Demokratie, egal, ob die Kundgebung ein positiv oder negativ zu bewertendes Ziel hat, egal, ob sie gewaltfrei oder rechtsbrechend abgelaufen ist.

Die Demonstrationen sind immer Folge der Defizite einer bloß repräsentativen Demokratie. In einer direkten Demokratie hätte sie eigentlich gar keinen Sinn. Denn dort kann ja jede Gruppe für jedes Anliegen Unterschriften sammeln und damit ein verbindliches Referendum erzwingen. Dann lässt sich problemlos feststellen, ob hinter einem Anliegen eine Mehrheit der Bürger steht.

Hingegen kann eine vor Jahren erfolgte Stimmabgabe bei einer Parlamentswahl für eine Partei niemals den Bürgerwillen substituieren. Denn bei den zurückliegenden Wahlen ist es ja oft um ganz andere Themen gegangen (wenn überhaupt noch Sachthemen und nicht bloß Persönlichkeiten oder gar Schmutzkübel das wahre Thema einer Wahl gewesen sind). Viele Menschen haben sich aus ganz anderen Motiven für eine ganz andere Partei entschieden, als sie in der aktuell anstehenden Frage unterstützen würden. Zu dieser aktuellen Frage bleibt ihnen daher im repräsentativen System nur die einzige Möglichkeit, ihre Meinung kundzutun: blöd auf der Straße herumbrüllen – und durch Zusammenschluss mit ein paar Tausend Gleichgesinnten den Eindruck zu erwecken, dass der eigene Standpunkt in der Mehrheit wäre. Dabei bringen die allermeisten Demos nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung auf die Straße.

Zwar erlauben die meisten Verfassungsgerichte jede Art von Demonstration, auch unangemeldete, und auch so absurde und bösartige wie das neuerdings beliebte Sich-auf-der-Straße-Festkleben. Mit Demokratie, mit der Suche nach dem Mehrheitswillen hat das alles nichts zu tun.

Einen weiteren Beweis für die Erkenntnis "Direkte Demokratie ist immer besser als Demonstrieren in einer bloß repräsentativen Demokratie" liefert die Schweiz: Dort finden viel weniger Demonstrationen statt als anderswo; und wenn, dann haben sie nur wenige Tausend Teilnehmer, also sind bloß im Promille-Bereich zu messen. Und sie haben dann meist nur ausgerissene postpubertäre Inhalte, die nie Chance auf Erringen einer Mehrheit haben, für die man sich halt auch einmal wichtig machen will; oder sie sind überhaupt nur eine Reaktion auf Vorgänge im Ausland.

Das sollte vorausgeschickt werden, bevor nun einige der vielen Demonstrationen der letzten Stunden untersucht werden, die im Konkreten sowohl Zustimmung als auch Ablehnung verdienen.

  • Die in Relation zur Bevölkerungsgröße größten Kundgebungen fanden in Israel statt: Sie lehnen einen Gesetzesentwurf ab, der dem Parlament die Möglichkeit gibt, gegen Gerichtsurteile vorzugehen. Das gilt vielen als Bruch der Unabhängigkeit der Justiz. In Wahrheit aber geht es darum: Wer ist stärker? Wer hat das letzte Wort im Land? Das Parlament als Verkörperung der Wählermehrheit oder die niemandem Rechenschaft gebende Justiz?

Das juristisch zu bewerten ist gar nicht so einfach. Denn Israel hat ohne klare Verfassung keine Spielregeln, wie mit solchen Konflikten umzugehen ist. Auch wenn man das Außerkraftsetzen von Gerichtsurteilen per Parlamentsmehrheit als ungewöhnlich und problematisch empfindet, so haben sich doch auf der anderen Seite (auch anderswo) die Tendenzen zu einer von jeder demokratischen Kontrolle losgelösten obersten Herrschaft der Richter als noch viel problematischer erwiesen. So erstaunt es auch in Israel, wenn seit Jahren eine eindeutig politisierte Justiz gegen den demokratisch legitimierten Regierungschef Netanyahu deswegen vorgeht, weil er sich eine Kiste mit Zigarren schenken hat lassen. Da hat die Justiz wohl jede Relation verloren und lässt ein hohes Maß an Machtgier erkennen.

Von den hier immer wieder aufgezählten österreichischen Problemfällen in Staatsanwaltschaft und Verfassungsgerichtshof gar nicht zu reden, an die man angesichts der Vorgänge in Israel lebhaft erinnert wird.

  • Viel eindeutiger fällt hingegen die Unterstützung für die jüngste Demonstrationsserie in Griechenland aus (auch wenn diese gegen eine an sich erfolgreiche bürgerlich-konservative Regierung gerichtet ist). Sie drückt aus Anlass des jüngsten schweren Unfalls mit 57 Toten die Empörung über die Zustände bei der griechischen Eisenbahn aus.

Dort fehlen nicht nur die elektronischen Sicherungen, die den Zugszusammenprall verhindert hätten. Dort zeigt auch die Person des nun als Hauptschuldiger dastehenden Bahnhofsvorstands eine Fülle von Missständen: Der Mann wäre eigentlich viel zu alt gewesen, um ein solcher zu werden. Er war vor allem auch völlig unqualifiziert dafür. Er war früher lediglich Bote gewesen, der in einem Amt Schriftstücke herumträgt. Er ist ganz offensichtlich nur durch Protektion zum Bahnhofsvorstand geworden – höchstwahrscheinlich, um dadurch dann in Bälde eine höhere Pension zu bekommen.

Das ist alles absolut untragbar – auch wenn der Österreicher weiß, dass auch hierzulande bis zur Schüsselschen Pensionsreform viele Beamte rasch vor der Pensionierung in eine höhere Funktion aufgestiegen sind, um dann auf deren Basis lebenslang eine höhere Pension zu bekommen.

Auf der anderen Seite ist ebenso eindeutig, dass die Vernachlässigung der griechischen Eisenbahn in technischer wie personeller Hinsicht schon lange vorher unter den Linksregierungen begonnen hat.

  • Gar keine Sympathie erwecken hingegen die Massenstreiks in Frankreich. Dort bekämpfen die Gewerkschaften auf der Straße die im Parlament geplante Erhöhung des Pensionsantrittsalters von (unfassbar niedrigen) 62 auf (noch immer sehr harmlose) 64 Jahre.

Es mag zwar durchaus sein, dass hinter den Demonstranten eine Mehrheit steht – aber die Mathematik lässt sich durch Kundgebungen nicht aushebeln, auch wenn die Franzosen das gerne so hätten.

Denn die Folgen eines so niedrigen Pensionsantrittsalters kann man nicht wegdemonstrieren. Die sind angesichts steigender Lebenserwartung trotz relativ besserer Geburtenquote insbesondere: erstens, ein rasch wachsender Mitarbeitermangel auch für wichtige Sozialberufe (von Lehrern über Spitäler und Altersheime bis zu den Ingenieuren, die die Sicherheit von Brücken garantieren sollten) und, zweitens, unfinanzierbare Pensionssysteme. Aber die Franzosen glauben wohl, dass letztlich die von einer Französin geführte Europäische Zentralbank sie neuerlich herauspauken und auf Kosten anderer Staaten (zu denen auch Österreich gehört) dauerhaft alimentieren wird.

Und mit dieser Kalkulation haben sie vielleicht sogar Recht.             

  • Nur noch als skurril kann man die jüngste – freilich von lediglich ein paar Tausend Menschen besuchte – Kundgebung in Prag ansehen: Sie richtete sich "gegen die Armut" und gegen die von einer großen Mehrheit der Tschechen bejahte Unterstützung der Ukraine.

Wir sehen: Wie bei uns sind auch bei den nördlichen Nachbarn die extreme Linke und Rechte inhaltlich deckungsgleich geworden. Aber sie sind dennoch eine kleine Minderheit geblieben.

  • Viel mehr Mut erfordern die via Internet ausgestrahlten Proteste von im Herbst gegen ihren Willen eingezogenen russischen Reservisten. Sie empören sich, dass sie ohne die nötige Ausrüstung als Kanonenfutter gegen die ukrainische Feuerkraft in den Kampf geschickt werden, während die Berufssoldaten in der sicheren Etappe verbleiben würden.

Wir sehen: Die positivste Demonstration der letzten Tage kann bezeichnenderweise nur vermummt im Internet stattfinden.

  • Die widerlichste Kundgebung der letzten Tage fand schließlich im Wiener Sigmund-Freud-Park neben der Universität zum sogenannten Frauentag statt. Dabei wurde von einigen feministischen Aktivistinnen behauptet: "Sigmund Freud ist zum Glück ein toter Beweis, dass weiße Männer bis in die Endlosigkeit gehypt werden".

Da kann man nur sagen: Zum Pech für Österreich werden in zwei bis drei Parteien Frauen eines solchen intellektuellen wie moralischen Abgrundes bis in die Endlosigkeit gehypt.

Nach den Tagen mit solchen Demonstrationen ist man jedenfalls froh, dass nirgendwo die Straße das letzte Wort hat. Dass selbst die zu Populismus neigende Repräsentativdemokratie nicht vor jedem Schwachsinn in die Knie geht.

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