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Türkei ade – Scheiden täte gar nicht weh

Russland versucht, weil es beim Landkrieg schwere Rückschläge erlitten hat, die Ukraine nun aus der Luft und mit der Artillerie durch zahllose Schläge gegen rein zivile Ziele zu zermürben. Die ganze freie Welt hat die russischen Aktionen zu Recht als Terrorismus verurteilt und gibt dem Aggressor zumindest durch Sanktionen eine deutliche Antwort. Die Türkei tut haargenau dasselbe gegen die kurdischen Territorien in Syrien und im Irak. Sie hat allein in den letzten Stunden nach eigenen Angaben 471 "Ziele" aus der Luft und mit Artillerie angegriffen, die ganz zweifellos überwiegend zivile Ziele sind. Und die freie Welt – tut gar nichts. Das ist eine widerliche Diskrepanz.

Die Parallelen zwischen dem kriminellen Verhalten Russlands und dem der Türkei gehen noch viel weiter: Beide haben in krasser Verletzung des Völkerrechts Territorien fremder Staaten militärisch erobert und besetzt. Russland tat dies in der Ukraine und in Georgien. Die Türkei in Zypern und Syrien.

Beide Staaten ergehen sich darüber hinaus auch regelmäßig in aggressiven Drohungen gegen viele andere Staaten. Die Türkei insbesondere gegen Griechenland, aber auch gegen Armenien. Die Russen etwa gegen die Balten und Finnland.

Noch in einer weiteren Dimension sind sich die beiden Mächte erstaunlich ähnlich: In Ankara wie Moskau sitzt ein Machthaber, der anfangs zwar relativ demokratisch an die Spitze gekommen ist, der aber inzwischen die Demokratie weitestgehend abgeschafft hat. Putin wie Erdogan haben zahlreiche Oppositionelle und Kritiker einfach einsperren lassen. Medien können in ihren Ländern längst nicht mehr frei berichten. Die Justiz ist zu einem gehorsamen Handlanger der Diktatoren degeneriert. Und niemand glaubt, dass einer der beiden noch jemals durch eine der pro forma weiterhin stattfindenden Wahlen sein Amt verlieren könnte, sondern höchstens durch einen Putsch mächtiger Armeekreise.

Über diese unguten Gemeinsamkeiten mit Russland hinaus ist die Türkei heute der wichtigste Unterstützer der zu Recht in vielen Ländern verbotenen Muslimbrüder. Und am schlimmsten und katastrophalsten ist die Tatsache, dass die Schreckensherrschaft des "Islamischen Staates" in Teilen Syriens nur durch die Türkei möglich geworden ist; und dass auch heute noch die Türkei der wichtigste, ja einzige Unterstützer jener islamistischen Milizen ist, die einen Teil Syriens unter ihrer Kontrolle haben.

Und dennoch gibt es fast keine westliche Kritik an der Türkei. Ganz im Gegenteil: Die Türkei ist nach wie vor respektiertes Mitglied jenes westlichen Bündnisses, das eigentlich als Zusammenschluss zur Verteidigung von Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat gedacht gewesen ist und lange auch so funktioniert hat. Und wenn nicht der energische Widerstand zweier einstiger Bundeskanzler aus Österreich gebremst hätte, wäre die Türkei wahrscheinlich heute schon EU-Mitglied. Ohne sich viel geändert zu haben.

Seit Monaten ist die Türkei sogar imstande, den Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens zu blockieren. Aus dem einzigen Grund, dass die beiden Staaten sich weigern, dem türkischen Diktator geflüchtete türkische und kurdische Oppositionelle auszuliefern. Da beide nordeuropäischen Staaten Rechtsstaaten sind, haben sie es – natürlich und erfreulicherweise – abgelehnt, das zu tun. Da verzichten sie lieber auf die von beiden im erfreulichen Nachbarschafts- und Parteienkonsens angestrebte Nato-Mitgliedschaft, als einen Kern ihrer Werte und Identität aufzugeben.

Warum nur, um Himmels Willen, lässt sich der Westen das alles gefallen? Warum setzt er nicht die Türkei vor die Tür? Oder gründet – wenn das rechtlich einfacher sein sollte – ein neues Bündnis, an dem alle bisherigen Natostaaten außer der Türkei plus die beitrittswilligen Neutralen Europas teilnehmen?

Das einzige Argument, das noch für die Türkei spricht, ist nicht so essenziell, dass es ein Weitergehen ihrer Nato-Mitgliedschaft rechtfertigen könnte. Die Türkei verhält sich relativ ordentlich zur Ukraine. Sie hat mit Moskau und Kiew ein brauchbares Abkommen zur Ermöglichung ukrainischer und russischer Getreideexporte vermittelt und abgeschlossen.

Doch ist völlig klar: Das geschieht nicht, weil die Türkei etwa im Grunde halt doch auf der Seite der Demokratien stünde. Sondern weil der türkisch-russische Antagonismus die historische Hauptkonstante in der türkischen Geschichte gewesen ist – noch mehr als der Antagonismus zum Habsburger-Reich. Weil die Krim-Tataren noch mehr als die restlichen Ukrainer unter der russischen Eroberung leiden müssen und weil diese von der Türkei als enge Verwandte angesehen werden. Weil die Ukraine jedenfalls ein ganz wichtiger Schwarzmeer-Anrainer ist, mit dem man es sich nicht ganz verscherzen will – zumindest für den wahrscheinlichen Fall, dass die Ukraine alles gut übersteht.

Mit anderen Worten: Selbst wenn es zum Bruch Nato-Türkei kommen und sich die Türkei endgültig der Internationale der blutrünstigen und eroberungsgeilen Diktatoren von Moskau bis Teheran anschließen sollte, wird sie aus Eigeninteresse die Ukraine nicht ganz fallenlassen.

Der wahre Grund, warum die Türkei sich ungestraft so verhalten kann, ist ein anderer: Der Westen treibt seit längerem führungslos dahin. Sowohl Deutschland wie auch die USA, also die beiden theoretisch wichtigsten Nato-Länder, haben die zwei schwächsten Männer der letzten Jahrzehnte an der Spitze, die sich nicht trauen, die nicht imstande sind, Klartext mit Ankara zu reden und zu sagen: Wenn ihr weiterhin die Skandinavier blockiert, wenn ihr weiterhin an euren Eroberungen festhaltet, wenn ihr weiterhin Demokratie und Rechtsstaat verhöhnt, wenn ihr weiterhin – schlimmer als der Iran – islamistische Banden unterstützt, dann geht bitte! Dann verlasst bitte die Nato so lange, bis ihr – ohne Erdogan – wieder wie in früheren Jahrzehnten ein normaler, willkommener demokratischer Rechtsstaat seid. So einem Regime, wie ihr heute seid, können und wollen wir keinen gegenseitigen Beistand mehr garantieren.

Jedoch, wenn man sich die Besetzung des Weißen Hauses anschaut, dann ist klar, dass von dort keine kraftvolle Politik mehr kommen wird. Dort hat man sogar vergessen, dass die von der Türkei angegriffenen Kurden der mutigste Kämpfer gegen die Islamisten und nach Israel der beste Alliierte der USA und des Westens im ganzen Nahen Osten gewesen sind, dass die USA längere Zeit militärisch selbst zur Unterstützung der Kurden engagiert gewesen sind, dass die Kurden der einzige Schutz für die Christen und andere Nichtmoslems in jenem Raum sind, dass die Türken bei ihrer Attacke auf die Kurden jetzt sogar mit dem Verbrecherregime der iranischen Mullahs kooperieren, welches die Menschenrechte und die freie Welt so frontal herausfordert.

Offenbar alles egal. Der alte Mann im Weißen Haus fürchtet sich vor Donald Trump, aber nicht vor dieser Internationale der Verbrecherregime.

Und von der Trauergestalt namens EU-Europa, in dem die noch traurigeren Deutschen noch immer als Führungsmacht angesehen werden, gar nicht zu reden. Die weder von Fußball noch von Wirtschaft noch von Politik noch von Freiheit mehr eine Ahnung haben. Denen nur noch die Schwulenarmbinde ein Anliegen ist.

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