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Die WKStA wird immer absurder

Wäre nicht eine Pilz-hörige Jungjuristin Justizministerin, dann wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, dass – so wie zuletzt vom Wiener Rechtsanwaltskammerpräsidenten gefordert – die wildgewordene Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft aufgelöst würde.

Es hat ja nicht gereicht, dass sie den Rechtsstaat beschädigt, Menschen durch jahrelange Ermittlungen – die dann in der Mehrzahl der Fälle zu Verfahrenseinstellung oder Freispruch führen – um Geld, Lebenszeit und guten Ruf bringt, Österreich unter den Generalverdacht der Korruption stellt und damit unser Ansehen im Ausland schädigt (wie der Anwaltspräsident ausführte). Jetzt macht sie sich auch noch in einer Weise lächerlich, dass einem angst und bange werden könnte.

Auf der offensichtlich verzweifelten Suche nach Zufallsfunden, mit denen sie die Inseratenaffäre zu jenem Großverbrechen aufblasen könnte, das endlich beweist, von welchem Kanzlermonster sie Österreich befreit hat, lässt die WKStA jetzt die Email-Postfächer, Office-Dokumente (oder sonstige Co-Working-Spaces), persönlich zugeordnete Laufwerke inklusive Backups und Sicherungskopien von sämtlichen rund 100 Mitarbeitern des Bundeskanzleramts, die von Dezember 2017 bis Oktober 2021 im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und strategische Kommunikation gearbeitet haben, sicherstellen.

Die nach einem Gefängnis-Ausflug zur Kronzeugin mutierte Meinungsforscherin Sabine Beinschab scheint nicht genug geliefert zu haben.

Oder sie hat sich und ihr Gewerbe zu wichtig gemacht. Denn die WKStA will nun Sebastian Kurz & Co nachweisen, dass sie das "Herzstück der Demokratie" missachtet hätten, nämlich "freie und unbeeinflusste Wahlentscheidungen". Medien trügen dazu bei, dass sich Wähler eine Meinung bilden. Die teils "frisierten" und damit verfälschten Umfragen seien zur Manipulation eines größeren Adressatenkreises verwendet worden, heißt es in der Anordnung zur Sicherstellung im Kanzleramt. 

Selten hat jemand dem österreichischen Wähler ein so schlichtes Gemüt unterstellt wie diese Behörde. Das grenzt schon an Ehrenbeleidigung.

Und eigentlich müssten jetzt sämtliche Medien des Landes vor der Wahnsinns-Macht des Fellner-Blättchens "Österreich" kapitulieren, denn dort wurde ja mit den Beinschab-Zahlen gearbeitet – und nach Meinung der WKStA Wahlen erfolgreich manipuliert. Welche Macht! Wo doch 2017 alle anderen Blätter und auch der ORF von Umfragen berichtet haben, die ganz ohne Kurz-Eingriffe ziemlich dieselben Resultate aufwiesen: Aber die gingen offensichtlich nicht mitten ins Wählerherz.

Und für die nächsten Wahlen könnten sich alle Parteien Inhalte, Plakate und Werbespots etc. sparen – wirklich wahlentscheidend sind laut WKStA ohnehin nur Meinungsforschungs-Daten, besonders manupulierte.

Die Rolle der Meinungsforschung, so sagt ein bekannt seriöser Vertreter dieser Zunft gerne, wird ohnehin krass überbewertet. Und sie hat noch dazu einen schlechten Ruf.

Medien verwenden Umfragen gerne – damit lässt sich ohne großen Aufwand eine Schlagzeile produzieren. Ein Anruf genügt und man hat eine Sensation vom Format: "Mehrheit will rot-pink-grüne Koalition". Gut verwertbar war auch lange Zeit der Satz, mit dem die ersten Kommentare von Wahlergebnissen gerne eingeleitet wurden: "Die großen Verlierer sind die Meinungsforscher" – nur bei den beiden Kurz-Wahlen konnte er nicht gebraucht werden, denn da hatten die Prognosen gestimmt (ob das schon ein Indiz für die WKStA ist, dass die Wähler manipuliert waren?!).

In den letzten Jahren ist es relativ billig geworden, Meinungsumfragen durchzuführen (Computer und Internet machen’s möglich) und so können es sich viele Medien leisten, ihre eigenen Umfragen machen zu lassen. Und durch die niedrigeren Kosten sind auch viel mehr Institute auf den Markt vorgestoßen: Allein im Verein der Markt- und Meinungsforschungsinstitute sind 28 Mitglied, was nach Vereinsabgaben nur 80 Prozent der existierenden Institute sind.

In der Politik wird die Meinungsforschung verschiedentlich verwendet. Hinter verschlossenen Türen dient sie als Planungshilfe – zur Definition von Zielgruppen, zum Nachprüfen, wieviel Vertrauen einem Kandidaten entgegengebracht wird, zum Verfolgen von Trends. Nach außen hin werden die Befragungs-Resultate nicht immer so seriös behandelt. Da zitiert man, wenn "Volkes Stimme" – wie sie die Umfragen ausweisen – ins Konzept passt. Und es soll sogar Politiker gegeben haben, die rasch Zahlen erfunden haben, wenn ihnen in einer Diskussion gerade die Argumente ausgegangen sind.

Es ist die Meinungsforschung also eine Wissenschaft wie viele andere auch: Sie wird besser oder schlechter durchgeführt, die Qualität ihrer Studien ist unterschiedlich und mit ihren Ergebnissen wird verantwortungsvoll-vorsichtig oder reißerisch umgegangen. Mehr ist nicht dahinter.

Vor allem ist in der ganzen Welt kein einziger Fall bekannt, dass gefälschte Meinungsforschungsergebnisse zu einer Beeinflussung von demokratischen Wahlen geführt hätten.

Aber die WKStA wird da ja jetzt den weltweit ersten Nachweis liefern.

 

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