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Die Sager, die die Linke aufregen, und jene, die nicht aufregen

Als ob es nicht den schlimmsten Krieg und die größte Energieknappheit in Europa seit Lebzeiten fast aller Europäer gäbe, als ob wir nicht die schlimmste Inflation seit einem halben Jahrhundert hätten: Viel mehr erregen sich Europas Linke und damit viele Medien derzeit über einzelne Sager, die als Verstoß gegen die Political Correctness skandalisiert werden. Andere Aussagen gehen hingegen bezeichnenderweise fast unter.

Ein Überblick über die wichtigsten heuchlerisch-hysterischen Aufregungen dieses Sommers:

In der Schweiz ist es der normalerweise nüchternen NZZ ein Riesenthema, dass sich ein Luzerner Torhüter in einem Interview nach dem Spiel über das "schwule Wegdrehen" seiner Mitspieler geärgert hat. Unglaublich! Der hat wirklich einer das Wort "schwul" in negativem Zusammenhang zu verwenden gewagt! Irgendwie hört man aus der Aufregung schon den Ruf nach dem Strafrichter, zumindest nach lebenslanger Sperre des Sportlers heraus …

Jetzt haben also nicht einmal mehr die Schweizer die Tassen der Vernunft im Schränkli. Jetzt wollen sie also auch dort den Fußballplatz in ein strenges Mädchenpensionat im Stil des 19. Jahrhunderts verwandeln, als ob schwule Armbänder und schwarzrassistisches Niederknien noch nicht genug der anbefohlenen Linkskorrektheit auf den Fußballplätzen sind. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was "schwules Wegdrehen" eigentlich sein soll, so weiß ich doch, dass man auf dem Fußballplatz früher viel mehr Freiheiten zum wilden Schimpfen und unkorrekten Formulierungen hatte. Und das war gut so.

Jetzt will die Diktatur der linken Political correctness also den Menschen auch den letzten Raum neben dem häuslichen Badezimmer nehmen, wo diese noch reden können, wie ihnen der Schnabel gewachsen, wo sie die Sau raus- und Dampf ablassen können. Jetzt wollen die Fußballgouvernanten also auch am Fußballplatz die Menschen so total umerziehen, dass diese selbst dort sich nur noch mit jeder Silbe gemäß der jeweils angesagten Politischen Korrektheit äußern. Das raubt nicht nur dem Fußballplatz eine wichtige Funktion (der allerdings in Österreich angesichts der fußballerischen Peinlichkeiten wie der Unfähigkeit von "Rapid", wenigstens Vaduz zu besiegen, auch aus sportlichen Gründen rasch an Bedeutung verliert ...).

Diese Entwicklung macht – was viel schlimmer ist – darüber hinaus eine Gesellschaft auch neurotisch und krank.

Ganz ähnlich wirkt die Aufregung in Deutschland um einen anderen aktuellen Sager. Dort hat Palästinenserpräsident Abbas bei einem offiziellen Besuch in einer Pressekonferenz das Wort "Holocaust" für das von ihm kritisierte Vorgehen Israels in palästinensischen Dörfern verwendet. Gewiss, das ist ein absurder, falscher und dummer Vergleich, aber die politische Sprache ist – genauso wie die journalistische – voll von absurden und dummen Vergleichen. Doch ganz Deutschland von links bis rechts hat es jetzt zum weitaus größten Fehler von Bundeskanzler Scholz erklärt, dass dieser nicht Abbas über den Mund gefahren ist, sondern ihn erst am nächsten Tag aus der Distanz kritisiert hat. Und noch typischer deutsch ist, dass jetzt sogar die Staatsanwaltschaft wegen des Wortes "Holocaust" als angebliche Volksverhetzung gegen – den längst heimgereisten – Abbas aktiv geworden ist.

Die spinnen, die Deutschen. Statt über eminent wichtige politische Fragen wie etwa die stupide deutsche Energiepolitik regen sie sich maßlos über einen falschen Verbalvergleich auf – genauer gesagt darüber, dass sich Scholz an die Regeln der Höflichkeit gehalten und einen offiziellen Staatsgast nicht gleich niedergebügelt hat. Das erinnert unwillkürlich daran, wie ein früherer deutscher Regierungschef im Februar 1938 den österreichischen Bundeskanzler niedergebügelt hat. Was den leisen Verdacht erhebt, die Deutschen würden insgeheim noch immer gerne so mit anderen kleinen Völkern umgehen …

Niemand hat es hingegen kritisiert, dass man Abbas überhaupt als Staatsgast eingeladen hat, obwohl seine Regierung viele Attentäter und deren Familien unterstützt hat, die israelische Staatsbürger heimtückisch umgebracht haben. Niemand kritisiert auch, dass Deutschland die Palästinenser, die bisher noch jeden Friedensvorschlag abgelehnt haben, schon mit mehr als einer Milliarde an deutschem Steuergeld unterstützt hat (wozu noch viel größeren Summen kommen, die über die UNO an die Palästinenser geflossen sind).

Das alles ist egal. Nur der kurze Sager erreicht noch die Aufmerksamkeit einer oberflächlichen Mediengesellschaft. Nur die Verwendung des Wortes "Holocaust" auf deutschem Boden durch einen Staatsgast ist der unerträgliche Skandal, und wird über die Bande zum größten Fehler von Scholz. Dabei haben Palästinenserpolitiker dieses Wort schon unzählige Male in Hinblick auf die Israelis verwendet! Dahinter steckt wohl, dass viele Linke inzwischen nicht mehr den gemäßigten Sozialdemokraten Scholz, sondern den Grünen Habeck als Bundeskanzler haben wollen.

Auch in Italien ist dasselbe Political-Correctness-Spiel in Gang. Quer durchs Land wird derzeit nach alten Sagern der mutmaßlichen nächsten Regierungschefin gesucht, um zu beweisen, dass Giorgia Meloni ja doch eine böse Faschistin ist. Die eindrucksvoll fest miteinander verschworenen drei Mitte-Rechts-Parteien überbieten einander hingegen derzeit mit prowestlichen, proukrainischen, prochristlichen, antifaschistischen und antirussischen Festlegungen, um klar zu machen, wo sie heute stehen - egal, was einer vor zehn Jahren gesagt haben mag (ganz ähnlich ist ja auch die spanische Volkspartei, die große führende bürgerliche Partei des Landes, einst aus einer Gruppierung der Franco-Zeit hervorgegangen und hat auch in ihren Regierungszeiten keinen Anlass zu irgendeiner Besorgnis gegeben).

 Zumindest geteilte Empörung hat die finnische Regierungschefin Sanna Marin ausgelöst, nur weil sie auf einem lustigen und mit Alkohol verbundenen Privatfest ausgelassen getanzt hat (wovon dann ein Video kursiert ist). Sie hat also genau das getan, was wohl die meisten 36-Jährigen in diesem Sommer (und allen früheren) getan haben. Dennoch ist sofort bei etlichen Correctness-Gouvernanten Empörung entstanden, dass eine Regierungschefin das doch nicht tun solle. Politisch kann man diese Aufregung nicht genau zuordnen: Denn einerseits ist sie Sozialdemokratin, andererseits ist sie als solche aber eine sehr rechte, hat sie doch ihr Land in die Nato geführt und will Russen an der Einreise hindern.

Keine Aufregung war und ist praktisch der ganzen Linken hingegen die deutsche Linkspartei wert, mit der Rot und Grün in etlichen deutschen Bundesländern koalieren. Obwohl diese Linkspartei sehr im Gegensatz zu Meloni oder ÖVP (oder FPÖ) direkte rechtliche Nachfolgerin einer Verbrecherpartei ist. Obwohl sie sogar die Vermögenswerte der einstigen DDR-SED übernommen hat, an denen viel Blut klebt.

Wie heuchlerisch-selektiv die fast immer aus dem linken Eck kommenden Aufregungen sind, sieht man auch an zwei sehr ähnlichen Politikerratschlägen zur Energiekrise und den Reaktionen darauf. Da hat die ÖVP-Landeshauptfrau Mikl-Leitner gesagt, dass man nicht zehn Ballkleider haben müsse – das brachte der ÖVP viel medialen Hohn und dann auch eine Demonstration der linksradikalen "Fridays for Future" ein. Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, empfahl hingegen, statt sich zu duschen, den Waschlappen zu verwenden. Dieser ganz ähnlich peinliche Ratschlag hat hingegen keinerlei politische Aufregung verursacht.

Keine Aufregung sind den selbsternannten Hütern der politischen Sprach-Correctness auch andere mindestens ebenso auffallende Sager anderer Politiker wert, so etwa die der Neos-Chefin Meinl-Reisinger, die politische Gegner als "nützliche Idioten" bezeichnet.

Wir lernen: Wenn man links genug ist, darf man alles. Alle anderen Idioten sollen gefälligst den Mund halten, weil die linke Empörungsszene hinter jeder Ecke lauert, um jemanden dem zivilen Tod zuzuführen. Und weil es immer ein paar feige oder dumme Bürgerliche gibt, die das Spiel nicht durchschauen und sich ängstlich an die Seite dieser "zivilgesellschaftlichen" Mörder stellen.

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