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Jetzt bleibt nur noch Boris Johnson

Die schwere Schlappe für den französischen Präsidenten Emanuel Macron bei den Parlamentswahlen macht nicht nur ihn zur lahmen Ente, sondern auch die ganze freie Welt. Denn damit wird nun auch Frankreich das fehlen, was schon in sämtlichen anderen Ländern der freien Welt zur Mangelware geworden ist: Leadership, Führungswille und Führungskraft. Dabei wäre genau das in Zeiten eines großen und bedrohlichen Krieges im Osten Europas notwendiger denn je.

Letzter Staatsmann, der diese Bezeichnung derzeit noch verdient, ist der Brite Boris Johnson. Der mit seinem Land aber heute außerhalb der EU steht, und der von einer skurrilen innerparteilichen Revolte wegen eines im Grunde lächerlichen Regelverstoßes bedroht ist. Gewiss, Johnson hat ein paarmal an einem Umtrunk in seinem Büro teilgenommen. Ein solcher war in Zeiten der Corona-Lockdowns nicht erlaubt.

Dennoch empfindet man zumindest als Österreicher die große Aufregung über ein Delikt aus der Kategorie einer Falschparkstrafe als eher skurriles Produkt einer Boulevard-Kampagne. Nur zum Vergleich: Hierzulande steht ein Bundespräsident vor der fast sicheren Wiederwahl, der ebenfalls in Zeiten der Corona-Einschränkungen bei einem ähnlichen Regelverstoß erwischt worden ist. Dennoch wird wohl kein einziger Österreicher Alexander van der Bellen wegen der Lappalie dieses verbotenen Alkoholgenusses nach der Sperrstunde nicht wählen. Was man nur für richtig finden kann (Dafür, ihn nicht zu wählen, gibt es hingegen ein Dutzend anderer Gründe; die jetzt bekanntgewordene Unterstützung durch die Bundeshymnen-Zerstörerin Rauch-Kallat ist ein gerade dazugekommener neuer).

Vor allem in Sachen Unterstützung der Ukraine wie auch bei der Entwicklung effektiver Strategien gegen die illegale Immigration verdient Johnson jedenfalls die Qualifikation "unverzichtbarer Staatsmann". Ansonsten findet man hingegen von Amerika bis in die EU nach dem Absturz von Macron weit und breit keinen anderen Präsidenten oder Regierungschef mehr, für den einem diese Bezeichnung in den Sinn kommen würde.

Besonders jämmerlich ist die Performance des amerikanischen Präsidenten. Dieser zeigt schon so schwere altersbedingte Ausfallserscheinungen, und er agiert außenpolitisch so perspektivenlos, dass ihn sogar schon parteinahe Medien offen auffordern, nicht mehr zu kandidieren (ohne dass sich freilich in der Führungsmacht des Westens eine Alternative zeigen würde).

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz strahlt vor allem eines aus: Zögern und Ungewissheit. Nicht zuletzt deshalb ist seine Partei bei Umfragen schon hinter der Union und den Grünen auf den dritten Platz abgerutscht.

Blickt man nach Süden, dann sind die ebenfalls linken Regierungschefs von Italien bis Spanien noch viel weiter weg von jeder Führungsrolle. Sie haben letztlich nur ein außenpolitisches Interesse: Sich via EU und EZB auch weiterhin ihre Schuldenpolitik und die Reformunwilligkeit ihrer Länder finanzieren zu lassen (was angesichts des wachsenden Drucks auf die Zentralbank, endlich doch wieder Zinsen zu verlangen, für sie ohnedies zunehmend schwerer wird).Und beide müssen bei der nächsten Wahl damit rechnen, von einer Rechtsregierung abgelöst zu werden.

Positiv aufhorchen im EU-Europa lassen derzeit lediglich und ausgerechnet die sozialdemokratischen Frauen, die in Nordeuropa regieren. Sowohl beim Thema Migration wie auch beim Thema Neutralität/Nato/Sicherheit kann man in Schweden, Finnland und Dänemark, aber auch bei den kleineren Balten ganz klare und mutige Führungsqualitäten beobachten. Sie machen das, was einst schon den deutschen Sozialdemokraten Schmidt und Schröder mit Erfolg gelungen ist: ganz klar rechte Politik an der Spitze einer eigentlich linken Partei. Und selbst wenn man meint, dass sie das nur aus der Angst heraus machen, dass sonst rechte Parteien zu gefährlich werden könnten, muss man das als erstaunlich und beeindruckend anerkennen.

Aber letztlich bleiben die Skandinavier in Europa nur Randfiguren. Sie sind im Grund gar nicht interessiert, gesamteuropäische Vormachtrollen zu übernehmen. Das haben die Schweden ja seit vier Jahrhunderten nicht mehr versucht, und die Dänen noch länger nicht.

In dieser Situation war Macron die einzige Hoffnung, dass der Westen wieder eine starke Führungsfigur bekommt. Macron hat Format gezeigt. Er hat einige hoffnunggebende Akzente im Kampf gegen den Islamismus gesetzt. Er hat vor allem als einziger in der EU den Eindruck erweckt, er denke in konstruktiver und zukunftsorientierter Weise über den Tellerrand seiner Landesgrenzen hinaus.

Das hat die Franzosen aber nicht sonderlich interessiert, sonst hätten sie ihm eine bessere Unterstützung im Parlament verschafft. Macrons zweite Amtsperiode wird daher wohl nur noch ein Schatten seiner ersten sein können. Seine Partei der liberalen Mitte wird sich zwischen der rechten Le Pen und dem linken Mélenchon durchwursteln müssen, die beide bei den Parlamentswahlen deutlich besser abgeschnitten haben als erwartet. Wer sich aber im eigenen Parlament auf keine klare Mehrheit mehr verlassen kann – oder wer gar das Parlament in der Hoffnung auf eine "bessere" Zusammensetzung bald neuerlich auflösen muss, der kann keine Führungsfigur für Europa sein.

Dabei bräuchte der freie Westen in einer Epoche wie dieser nichts dringender als eine solche. Ist doch mit Wladimir Putin im Osten ein Mann ans Werk gegangen, der nicht mehr nach den bisherigen internationalen Spielregeln agieren will, der solche Angst vor demokratischen Entscheidungen und der Freiheit souveräner Nationen hat, dass sein Agieren bedrohlich für ganz Europa geworden ist.

Ist EU-Europa in dieser Situation wenigstens bereit, sich mit Johnson auszusöhnen? Das wäre in Wahrheit aus sicherheitspolitischen Interessen genauso wichtig, wie es für die Energiesicherheit wichtig gewesen ist, dass Deutschland und Österreich – erfreulicherweise – in den letzten Stunden vom grünen CO2-Dogma abgerückt sind und die Kohlekraftwerke wieder aktivieren.

Gewiss, es wird für EU-Europa schwer zu schlucken sein, dass die Briten das Nordirland-Protokoll uminterpretieren und entgegen den Abmachungen mit innerbritischen Zollkontrollen weitgehend Schluss machen. Aber letztlich sollte Europa auch in dieser Frage angesichts der russischen Herausforderung die Prioritäten neu ordnen und genauso vom irischen Dogma abrücken, wie Deutschland und Österreich jetzt eben vom "Kohle ist abgrundtief böse"-Dogma der Klimapaniker abgerückt sind.

Von Napoleon bis Hitler war es schon einige Male – für die Kontinentaleuropäer mehr als die Briten – notwendig und wichtig, dass sich diese nicht in Splendid isolation von Europa abgewendet haben.

PS: Wieder einmal eine ziemliche Schlappe für die Meinungsforscher und Medien: Sie alle haben die sozialistisch-kommunistisch-grüne Liste vor der Parlamentswahl hochgeschrieben. Und Le Pen hinuntergeschrieben. Was zweifellos die Absicht hatte, eine Self-fulfilling prophecy zu werden.

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