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Corona, die Theater und das Publikum

Keiner von ihnen wird es zugeben, aber insgeheim ist zweifellos so mancher Theaterdirektor froh über die aktuellen Corona-Maßnahmen, obwohl diese eigentlich ziemlich einschneidend sind. Diese Vermutung deckt sich mit einer in anderem Zusammenhang gefallenen erstaunlich klugen Aussage der grünen Kultur-Sprecherin Eva Blimlinger, die weitgehend untergegangen ist. Und zugleich deckt sie sich mit den Eindrücken, die ich bei Theaterbesuchen in den letzten Tagen gewonnen habe.

Es war in der Zeit nach Ende des letzten Lockdowns und vor Erlass der neuen Corona-Maßnahmen. Ich bin eingesprungen, um jemanden ins Burgtheater zu begleiten. Auf den Stufen des Eingangs drängten sich erstaunlich viele Menschen – freilich entdeckte ich bald, dass sie dort bloß nette Kitsch-Fotos vom gegenüberliegenden Christkindlmarkt machen wollten. Drinnen im Foyer gähnende Leere, die mich auf die Tickets schauen ließ, ob ich nicht zu früh gekommen war.

Die Leere herrschte dann aber auch im Zuschauerraum nach Vorstellungsbeginn. Das Haus war höchstens zu einem Viertel voll. Haben die Menschen solche Angst vor der Pandemie, fragte ich mich zuerst. Das kann es aber wohl auch nicht sein, habe ich doch am Abend davor einen gesteckt vollen Musikverein erlebt, wo es dann sogar minutenlang Standing Ovations für Händels Messias gegeben hat, mit denen die Wiener neben dem Schönberg-Chor wohl auch die Rückkehr der Kultur gefeiert haben.

Zurück ins Burgtheater. Der restliche Abend machte endgültig klar: Nicht das Virus, sondern das, was sich da auf der Bühne abspielt, hält die Zuschauer fern. Und es treibt in der Pause einen Teil des Restes an die Garderoben. Eine hundert Jahre kaum beachtete russische "Komödie" namens "Der Selbstmörder" ist deswegen noch nicht sehenswert, weil sie einst von den Kommunisten verboten worden ist, oder weil man auch als Nichtkommunist kein einziges Mal lachen kann. Und noch weniger sehenswert oder heiter ist sie durch eine Grotesk-Inszenierung geworden, die die Schauspieler in skurrile schwarze Leder- und Straps-Kostüme samt Tätowierungen steckt. Was, so wurde ich belehrt, der Stil einer kurzzeitigen Jugendkultur namens "Gothic" gewesen ist, einer Unterart der einstigen "Punks", die weder mit den russischen Zwanziger Jahren zu tun hat noch dem Publikum Sinn oder Heiterkeit zu vermitteln imstande ist.

Es ist aber nicht wert, sich lange den Kopf über diesen vergeudeten Abend zu zerbrechen. Immerhin verhilft er zu der Erkenntnis, dass uns das Burgtheater jetzt wieder längere Zeit nicht mehr sehen wird, in dem ich einst jede Premiere angeschaut hatte. Und es bestätigt eine andere, schon ältere Erkenntnis, dass die sogenannten Kultur-Redakteure ihr Geld noch immer nicht wert sind, die sich nicht trauen zu sagen, dass der Kaiser nackt ist, dass der von ihnen bejubelte Burgtheaterdirektor so wie einst der ebenfalls von ihnen angebetete Claus Peymann fast lauter Mist produziert und das Theater weiter leert.

Das alles könnte einem ja gleich sein, wenn wir es nicht durch unser Steuergeld finanzieren müssten, beziehungsweise durch als "Wirtschaftsförderung" angepriesene Schulden auf dem Rücken unserer Kinder und Nachfahren. Und vor allem, wenn es nur ein Einzelfall wäre. Aber das Leeren der Häuser ist längst zum Prinzip des Kulturbetriebs geworden. So bringt das Volkstheater, das zweitgrößte Sprechtheater in Wien, seit Jahren selbst mit Billigst-Tickets nicht einmal mehr eine 50-prozentige Auslastung zusammen, es wird aber unverdrossen weiter von Stadt Wien und Republik zu unseren Lasten finanziert. Dabei hat sich dort die Zahl der Abonnenten binnen drei Jahren von 2500 auf 250 im Wortsinn dezimiert. Zugleich wirft der Volkstheater-Direktor, der fast schon übliche präpotente Import aus dem Reich, den Zuschauern vor, nicht richtig "kucken" zu können. Da "kucken" sie halt gleich weg.

Im Bereich des Sports wären Trainer sehr rasch ihren Job wieder los, wenn sie so erfolglos wären, wie die Chefs diverser Wiener Theater. Aber in der Kulturwelt entscheidet offensichtlich nicht der Erfolg – also, ob jemand die Häuser mit (zahlenden!) Besuchern füllen kann –, sondern die Stimmung in einer kleinen Blase aus einschlägig sich anbiedernden Politikern und Journalisten, die absolut nichts mit dem zahlenden Publikum zu tun hat.

Lediglich in den Musikhäusern ist dessen Vertreibung nicht gelungen. Obwohl auch dort in allen großen Häusern riskante und fast überall unnötige Direktorenwechsel stattgefunden haben. Aber die Qualität der Musik ist in Wien offensichtlich nicht zu derschlagen, selbst wenn sich auch dort die Direktoren heftig bemühen. Der Musikverein will krampfhaft "divers" werden; das Konzerthaus ständig noch progressiver; und in der Staatsoper dürfen zumindest manche Regisseure heftige Versuche starten, das Publikum zu vertreiben (wie etwa durch einen in ein Brutalgefängnis verlegten "Parsifal"). In der Volksoper darf der extrem populäre und erfolgreiche Direktor gerade noch eine Auslaufsaison leiten, bevor auch er gegen seinen Willen durch eine progressive Nachfolgerin ersetzt wird.

Den Theaterdirektoren kommt jedenfalls mit Gewissheit die neue Corona-Regelung wie gerufen: Bei bis zu 500 Besuchern bleibt es bei den bisherigen 2G-Regeln; bis zu 1000 Besucher darf man mit 2G-plus (aktuellem PCR-Test) empfangen; und 2000 Besucher dürfen nur dann herein, wenn sie zusätzlich auch einen dritten Stich nachweisen können.

Und siehe da: Die Corona Entscheidung der Direktoren ist ganz zufällig ganz von der Attraktivität und Qualität geprägt: Lediglich Staatsoper und (bei einem Teil der Konzerte) der Musikverein haben sich für die strengste Variante entschieden und können so 2000 Besucher empfangen. Alle anderen Häuser geben sich weniger streng, dürfen aber deshalb nur 500 oder 1000 hereinlassen. Dennoch jammert seltsamerweise kein einziger der bei früheren Beschränkungen noch so wortgewaltigen Theaterdirektoren.

Der Grund ist leicht zu erraten: Ganz offensichtlich können Burg- und Volkstheater ihre eigentlich weit größeren Zuschauerräume ohnedies nicht mit mehr als 1000 Menschen füllen. Da ist es nun wunderbar, sagen zu können: "Oh je, wir sind leider Corona-Opfer" – und mit Garantie unter diesem Titel neuerlich intensiv die Hand aufzuhalten.

Umso erstaunlicher ist die grüne Abgeordnete Eva Blimlinger, die vor ein paar Tagen in einem Interview erfrischenden Klartext gesprochen hat: "Das Auslastungsproblem gibt es nicht erst seit der Pandemie." Die Dame geht sogar noch einen kühnen Schritt weiter: Man müsse debattieren, "was Land, Städte und das Publikum wollen und brauchen".

Was das Publikum will!! Beim Lesen solcher Aussagen werden wohl etliche Kulturjournalisten und Theaterdirektoren Wiederbelebungshilfe gebraucht haben. Da redet jemand von der Bedeutung des Publikums – und es ist kein schwarzer oder blauer Politiker, den man mit den üblichen Totschlagargumenten gleich ins reaktionäre Eck rücken kann, sondern eine aus der eigenen Szene, aus jener Partei, die bisher immer für das noch Progressivere, noch Publikumsfeindlichere gekämpft hat.

Dann kommt es noch schlimmer: Blimlinger spricht demonstrativ davon, dass sie selbst "gerne in klassische Konzerte" geht. Und dann – Vorsicht, Herzalarm! – sogar davon, dass man Theater mit schlechter Auslastung zusperren könnte, dass "man vielleicht in einem Theater auch etwas gänzlich anderes machen kann".

Sie verrät zwar nicht, was das sein soll – denn dann würde es schwierig. Sie sagt auch nicht, was der Hintergrund der grünen Meinungsänderung ist: Spüren sie etwa auf Grund ihrer Regierungsbeteiligung neuerdings, was die ganze Kulturblase kostet (obwohl dort nur die Abteilungen Musik und Museen eine Umwegrentabilität bringen)? Oder sind nun endlich auch die Grünen reifer und erwachsener geworden, weshalb sie auf die Primitivgaukeleien der Regietheatermacher nicht mehr hineinfallen?

Wie auch immer: Es ist gut, dass in die richtige Richtung zu denken begonnen wird. Und: Bitte nicht aufhören zu denken!

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