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Was Ostern in Zeiten der Pandemie ganz besonders bedeuten – könnte

Ostern ist das höchste Fest der Christen. Schon zum zweiten Mal hintereinander wird es aber nur noch in Bonsai-Form begangen. Selbst in roten wie braunen Verfolgungszeiten hatte das Gedenken an Tod und Auferstehung Christi zumindest im Untergrund viel intensiver stattgefunden. Ist das wirklich bloß eine Folge der Pandemie? Haben doch Notzeiten in der Geschichte eigentlich immer zu einer Verstärkung und Vermehrung des Glaubens geführt, und nicht zu seiner Verdünnung. Es ist wohl eher so, dass die Kirchen es nicht verstanden haben, die eigentlich auf der Hand liegende starke christliche Deutung dieser Heimsuchung in überzeugender Form zu transportieren.

Dabei ist der Glaube die einzige Antwort dort, wo Medizin und alle sonstigen Bemühungen im Kampf gegen Leid und Tod versagen. Und irgendwann versagen die immer. Nur das Wissen um ein Weiterleben nach dem Tod macht den Tod erträglich. Nur die Überzeugung vom Sinn auch des Leidens macht das Leben auch trotz aller nicht vermeidbarer Leiden erträglich.

Gerade Ostern bedeutet eben etwas ganz anderes als den Volksglauben, dass das Christentum gewissermaßen ein Zaubermittel gegen alles Unbill ist. Da ein Kerzlein angezündet, dort ein Gebetchen gesprochen, da eine Münze in den Opferstock geworfen, dort eine Wallfahrt erwandert – und schon gehen Wünsche in Erfüllung.

Wenn das wirklich so wäre, hieße das ja umgekehrt nichts anderes als: "selber schuld, wenn's dir schlecht geht". Das ist nach den Massenmorden der Geschichte, die im 20. Jahrhundert in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern und den realsozialistischen Gulags ihren absoluten, aber keineswegs einzigen Tiefpunkt gefunden haben, nicht hinnehmbar.

Hingegen ist das christliche Wissen, dass der Tod nur ein Übergang ist, zweifellos der größte Trost für den Einzelnen in einer Pandemie, die binnen eines Jahres fast drei Millionen Menschen dahingerafft hat. Und die zweifellos die Opferzahl noch weiter steil steigen lassen wird, selbst wenn die Impfungen eines Tages stärker als die Infektionen werden sollten. Und auch da kann es noch viele Ungewissheiten etwa in Hinblick auf die Mutationen geben.

Das heißt nun ganz und gar nicht, dass all die Bemühungen der Medizin und Wissenschaft sinnlos wären. Das heißt vielmehr, dass die Tatsache nicht zur Verzweiflung führen müsste, dass sich bisher nicht weniger als 400 in den Kampf gegen die Pandemie geworfene oder neue entwickelte Medikamente als weitestgehend wirkungslos erwiesen haben. Und auch die Möglichkeit nicht, dass die Impfungen vielleicht doch nicht so wirksam sein werden, wie man derzeit hoffen kann.

Aber gerade der christliche Glaube führt über diese tagesaktuellen medizinischen Fragen hinaus; er müsste eigentlich zu mehr Gelassenheit angesichts so vielfachen Scheiterns führen.

Wobei Gelassenheit alles andere heißt, als dass die tollen Anstrengungen der Menschen, der Christen im Kampf gegen die Pandemie und viele andere Unsinnigkeiten sinnlos oder überflüssig wären. Gerade im Zeichen des Christentums sind – insbesondere im Vergleich zu allen anderen Kulturen – lange die weitaus größten Erfolge im Kampf gegen Leid und Not erzielt worden.

Waren doch jahrhundertelang die christlichen Klöster etwa in Europa die wichtigsten Träger des in diesen Kämpfen so wichtigen wissenschaftlichen Fortschritts. Sind doch die christlich geprägten Länder in fast allen relevanten Dimensionen jene gewesen, wo sich die Gesellschaften am positivsten entwickelt haben (wenn auch oft erst im Zusammenwirken mit der anfangs von vielen Christen, insbesondere Katholiken bekämpften liberalen Aufklärung): vom Aufbau der weitaus besten und gerechtesten Rechtsordnungen und Menschenrechtssysteme über die weitaus steilste Zunahme der Lebenserwartung bis hin zum marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem, das Hunger und große Teile des Elends in der christlichen Welt weitestgehend ausgerottet hat. Ja, auch bis zu diesem, selbst wenn es vom Papst nicht begriffen wird!

Dennoch wäre es eine große Illusion zu glauben, all diese Fortschritte hätten Tod und Leid ausrotten können. Oder würden das in Bälde tun können. Gewiss nicht.

Daher bleibt die auf dem österlichen Auferstehungsglauben aufbauende christliche Gelassenheit die zentrale Botschaft. Für mich hatte diese einst der greise Hartmann Thaler – er war auch noch mit 90 Pfarrer und durch seine Ausstrahlung für viele Generationen die wichtigste Persönlichkeit der Wiener Josefstadt – in einem Gespräch in seinen letzten Lebensjahren besonders prägend formuliert. Angesprochen auf seinen eigenen, wohl nicht mehr lange ausstehenden Tod sagte er: "Ich bin ja schon so neugierig, wie es dann sein wird."

Eine ganz anders mit Ostern zusammenhängende christliche Dimension erlebt hingegen schon seit einiger Zeit eine erstaunliche Renaissance: Das ist das Fasten, also die Selbstdisziplin. Das ist der Verzicht auf Alkohol etwa, auf Mehlspeisen, auf Fernsehen oder auf Nutzung von Facebook & Co. Das ist die neue, durch elektronische Gadgets angeheizte Mode, sich selbst zum Gehen einer bestimmten Anzahl von Schritten pro Tag zu verpflichten.

Natürlich täte all das auch nichtchristlichen Menschen gut. Jedenfalls ist es aber gerade die christliche Fastenzeit, oder bisweilen auch die Adventzeit, die immer öfter gerade für das Fasten in welcher Art immer genutzt wird.

Neben Fasten, Neugier und Gelassenheit sei in Zeiten wie diesen noch auf eine weitere wichtige Dimension hingewiesen, die für Christen ganz besondere Relevanz hat: Das ist das Wissen um die Bedeutung der Gemeinschaft. Diese wird in einem der schönsten Bibelzitate so formuliert: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen."

Zweifellos ist es aber gerade das Pandemie-bedingte Fehlen fast jedes Gemeinschaftserlebnisses, das dem Christentum, zusätzlich zur schon lange schleichenden, vom Wohlstand ausgelösten Entchristlichung, zusetzt. Freilich haben auch die Kirchen kaum Kreativität entwickelt, trotz allem zu spürbaren Formen der Gemeinschaft zu finden. Internet-Messen sind ein tapferer Versuch, aber keineswegs ein voller Ersatz der wirklichen Begegnung und Gemeinschaft zwischen Menschen.

Ebenso wenig ist bei den Menschen in den letzten zwölf Monaten eine Botschaft der christlichen Gelassenheit und Zuversicht, dass es ein Leben nach dem Tod geben wird, angekommen.

Statt dessen gab es – fast muss man sagen: wie üblich – primär innerkirchliche Konflikte zu sehen, die wohl noch mehr Menschen vom Glauben vertrieben haben, als es die Selbstzufriedenheit einer Wohlstandsgesellschaft vermocht hat:

  • Da tobt etwa nicht nur ständig irgendwo ein übler Intrigen-Konflikt – wie etwa gerade in der Diözese Sankt Pölten – zwischen kirchlichen Funktionären, sondern er wird auch fast immer nach außen getragen, weil irgendeine Seite glaubt, über die Medien Druck ausüben zu können.
  • Da finanzieren manche Bischöfe (katholische und noch schlimmer evangelische) die Schiffe, die kriminellen mediterranen Schlepperbanden zuarbeiten.
  • Da hängen manche Pfarren in einer mehr als schädlichen Demonstration gegen die eigene Kirchenführung Schwulenfahnen auf, nur weil Rom (so wie seit 2000 Jahren) daran erinnert hat, dass es keine gezielten Segnungen von sexuellen Beziehungen außerhalb der sakramentalen Ehe geben darf – womit eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit wiederholt worden ist –, während Segnungen von Menschen natürlich immer erlaubt und gut und richtig sind.

Ziemlich bedrückend, dass in so manchen politischen Parteien mehr innerer Zusammenhalt zu finden ist als etwa in der römisch-katholischen Kirche.

Würde die für diese Konflikte aufgewendete Energie stattdessen für die Verkündigung der zentralen Botschaft des Christentums aufgewendet, also für die Verkündigung der in Zeiten des massenhaften Sterbens so eindrucksvollen Botschaft der Zuversicht, der Auferstehung, des Weiterlebens nach dem Tod, so stünden die christlichen Kirchen deutlich besser da.

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