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Was Mückstein noch lernen sollte

Der Gesundheitsminister wurde entlassen. Grund: Er hatte seinen Regierungschef nicht über die Corona-Absperrung einiger Ortschaften informiert. Dieses brandaktuelle Beispiel stammt zwar nicht aus Österreich, sondern einem anderen EU-Land. Es ist aber auch für Österreich lehrreich. Sowohl in Hinblick auf den alten, wie auch ganz besonders auf den neuen, politisch unerfahrenen Gesundheitsminister – aber auch ganz allgemein in Hinblick auf Vernunft, Klugheit und Machtgebrauch in der Politik.

Der anfangs angesprochene Vorfall hat sich jetzt in Rumänien so abgespielt. Er lässt als Kontrast die österreichische Politik eigentlich in durchaus positivem Licht erscheinen. Dieser Kontrast gibt dem Handeln – allerdings nicht den Abschiedsworten – des abgetretenen Rudolf Anschober eine durchaus gute Note. Er sollte aber auch dem nächste Woche anfangenden Wolfgang Mückstein eine warnende Lehre sein.

Sowohl in dem Balkanland wie in der Alpenrepublik sollten Minister (wie auch Landesräte oder Bürgermeister) nämlich zehn, nein hundert Mal nachdenken, bevor sie Alleingänge machen, bevor sie ihre Kompetenzen ohne Rücksicht und Absprache extrem ausnutzen, bevor sie über den Rest des Landes drüberfahren, bevor sie nicht erstens alle relevanten Mitakteure eingehend informiert, und bevor sie nicht zweitens intensiv den Konsens gesucht haben.

Das heißt zwar keineswegs, dass nicht bisweilen ein Minister auch allein entscheiden muss. Etwa wenn absoluter Zeitdruck herrscht, oder wenn kein Konsens gefunden werden kann. Aber er ist immer gut beraten, wenn er Informationen streut und den Konsens sucht. Sogar mit der Opposition.

Das sollte auch ein österreichischer Politiker tun. Zwar ist realpolitisch die Gefahr gleich Null, dass Bundeskanzler Kurz einen Minister des Koalitionspartners hinauswirft. Das hat er nämlich einmal bei Herbert Kickl getan. Daraus hat er bitter lernen müssen (auch wenn Kickl sich seither nicht zum Positiven entwickelt hat). Denn das war alles andere als eine kluge Aktion. Daraufhin war die ganze Koalition kaputt. Daraufhin sind die vorher recht stabilen Brücken zur FPÖ komplett eingebrochen. Daraufhin hat Kurz keine andere Wahl mehr, als mit den Grünen zu koalieren, was er wohl – natürlich insgeheim –  jeden Tag mehr bereut. Denn so infame Aktionen wie die jüngsten des Justizministeriums hat er von den Freiheitlichen nie erleben müssen.

Anschober hat aber auch ohne die Gefahr eines Hinauswurfs nach rumänischer Art sehr richtig daran getan, den Konsens zu suchen. Den Konsens mit dem Koalitionspartner in der Regierung und den mit den einzelnen Landeshauptleuten.

Gewiss hätte er als zuständiger Minister rein formaljuristisch sehr vieles im Alleingang anordnen können. Aber das wäre gar nicht gut ausgegangen. Das hätte das Denkvermögen des Ministeriums total überfordert. Das hätte zu einem ständigen Koalitionskrieg geführt (wie ihn die Aktionen des Justizministeriums tatsächlich ausgelöst haben). Anschober und Kurz haben es letztlich immer geschafft, dass die Maßnahmen zumindest nach außen auf einem Regierungskonsens basiert haben. Nur dadurch ist ihre Umsetzung überhaupt möglich gewesen.

 Man stelle sich umgekehrt das krachende Scheitern aller Anschober-Verordnungen vor, wären die Landeshauptleute oder der Bundeskanzler übergangen worden und beleidigt an der Seitenlinie gestanden, wäre die Polizei nur dann widerwillig aktiv geworden, wenn das Anschober-Ministerium eine Anzeige erstattet hätte. Als Folge des regierungsinternen Konsenses hat die Exekutive hingegen sogar allzu übereifrig agiert, wodurch der Innenminister in ein sehr negatives Licht gekommen ist. Aber für die Anti-Corona-Maßnahmen Anschobers war das hilfreich.

Anschober ist also nie "ganz allein" gestanden, wie er selbstmitleidig bei seinen Abschiedsworten behauptet hat. Er hat zwar sicher etliches nicht durchgesetzt, was etwa virologische Experten mit ihrem auf ein einziges Ziel gerichteten Tunnelblick von ihm verlangt haben. Aber es ist ja der zentrale Sinn der Kollektivverantwortung jeder österreichischen Regierung und des Föderalismus der Verfassung, dass immer gemeinsam gehandelt werden soll.

Dabei ist es nicht nur natürlich, sondern auch legitim und positiv, dass andere Minister und Gebietskörperschaften andere Sichtweisen, Notwendigkeiten und Prioritäten haben. Dabei geht es etwa um die Schüler, die durch jeden Lockdown noch mehr an Unterricht verlieren; um Hunderttausende Arbeitsplätze und Tausende Unternehmen, die ohnedies schon schwere Schäden erlitten haben; um die Unterschiede zwischen den Bundesländern; und vor allem um eine Berücksichtigung der Gemütslage der Österreicher und der Tatsasche, dass sich vor allem die jungen Menschen nicht ewig wegsperren lassen. Dies alles zu beachten, ist nicht populistisch, wie Anschober jetzt beklagt, sondern klug und notwendig.

Hätte Anschober ganz allein alles ihm richtig Scheinende verordnet, was er formal weitgehend gekonnt hätte, dann wäre er bei der Umsetzung seiner Maßnahmen ganz allein gestanden. Dann hätten die Österreicher gesagt: Ist doch mir egal, was der Wahnsinnige will.

Daher ist er klugerweise eben nicht bei der Ausnutzung seiner Kompetenzen ans Limit gegangen, hat eben fast nie "ganz allein" gehandelt.

Bis auf ein einziges Mal – und genau das hat zur größten Pleite seiner Ministerzeit geführt. Das war der Bereich Impfstoff-Ankauf, wo er mehr als ein halbes Jahr lang niemanden ordentlich informiert hat, was da sein Ministerium international eigentlich genau tut. Dadurch hat sich Anschober nicht nur Ärger eingehandelt (den muss ein Politiker verschmerzen). Durch den Verzicht auf für Österreich zur Verfügung gestandene Mengen; noch dazu des beliebtesten Impfstoffes; hat er auch eindeutig Menschenleben zu verantworten. Durch seinen Alleingang in den EU-Verhandlungen hat Anschober auch auf Hilfe durch Erfahrung und Netzwerke von Bundeskanzler und Außenministerium verzichtet, die sicher nicht geschadet hätten. Aber Anschober hat in diesem Punkt lieber ganz allein gehandelt, zwar rechtlich im Rahmen der eigenen Kompetenz, aber ohne die politisch immer empfehlenswerte Koordination. Und so ist er gegen die Wand gefahren.

Auch der Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker hat monatelang den Alleingang versucht, noch dazu ziemlich präpotent. Und auch er ist prompt gescheitert, wie etwa die dramatische Lage in den Wiener Intensivstationen zeigt, in denen kein einziges Bett mehr frei ist. Heute ist Hacker klein mit Fingerhut.

All diese Fälle sollte sich auch Herr Mückstein dringend zu Gemüte führen, bevor er am Montag Minister wird. Mückstein hat nämlich bei seiner bisher einzigen Wortmeldung den Mund schon gefährlich voll genommen: "Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist. Weil ich mich dazu als Gesundheitsminister und Arzt verpflichtet sehe."

Er ist hoffentlich intelligent genug, recht rasch zu begreifen, dass man in der zweiten Reihe viel leichter voll Selbstbewusstsein die Worte "Ich werde" formulieren kann, als wenn man selbst in der ersten Reihe steht und Gefahr läuft, es auch wirklich tun zu müssen. Und dabei alleine zu bleiben.

Selbst in der EU lernt man ja langsam – sehr langsam! –, dass ein Drüberfahren alles andere als klug ist, dass es mehr schadet als zu nutzen. Mit der Methode Drüberfahren an Stelle einer mühsamen Konsenssuche und Beschränkung auf das Machbare hat die EU nicht nur eines ihrer wichtigsten Mitglieder verloren, sondern auch viel an Sympathie unter den Bürgern des restlichen Europas. Egal, ob sie das durch die erzwungene Öffnung Österreichs für Zehntausende deutsche Numerus-Clausus-Flüchtlinge getan hat, oder durch die Anordnung einer Klimarettungspolitik, die Europa ärmer macht, ohne das angeblich bedrohte Klima "retten" zu können. Um nur zwei Beispiele eines europäischen Drüberfahrens zu erwähnen.

Zurück nach Österreich und zu den Grünen: Ein in fast allen Medien untergegangener Auftritt der grünen Abgeordneten Tomaselli hat diese Woche geradezu exemplarisch gezeigt, wie weit die meisten Grünen davon entfernt sind, gesamthaft, verantwortungs- und konsequenzenbewusst denken zu wollen – oder gar wirtschaftlich. Frau Tomaselli erregte sich nämlich ausgerechnet darüber, dass die Bundesimmobiliengesellschaft BIG und ihre Tochtergesellschaft auf eine möglichst große Wertsteigerung der von ihr verwalteten Immobilien und Wohnungen geachtet haben.

Ausgerechnet das einem Staatsunternehmen vorzuwerfen ist so dumm und infam, dass es schmerzt. Ist es doch das absolute Gegenteil von Korruption, wenn eine Tochtergesellschaft des Bundes alles tut, damit das Vermögen der Bürger (und nichts anderes sind ja Immobilien einer Gesellschaft im Bundeseigentum) vermehrt wird. Frau Tomaselli jedoch hält es für besser, wenn die BIG-Immobilien weniger wert geworden wären, und wenn der Bund noch mehr billige Sozialwohnungen hergegeben hätte. Davon hätten zwar tatsächlich ein paar Promille der Österreicher profitiert, der große Rest hätte aber draufgezahlt, wenn sein Eigentum entwertet und als indirekte Folge die Schuldenlast der Republik noch größer würde.

Das, was Tomaselli will, wäre eine Übernahme der geldverbrennenden Wohnbaupolitik Wiens der letzten Jahrzehnte auf Bundesebene gewesen, von der nur sehr wenige, insbesondere ein paar Genossen, profitiert haben, während alle anderen dafür zahlen müssen. Das ist auch mit der bis in die 80er Jahre praktizierten Politik in Staatsunternehmen wie der Vöest vergleichbar, wo der Steuerzahler jahrelang herhalten hat müssen, damit viele SPÖ-Parteigänger einen gut bezahlten Job haben, pardon: damit "sozial" gehandelt wird.

In Hinblick auf den neuen Minister ist es angesichts dieses bei den Grünen üblichen Denkens sehr offen, ob er überhaupt imstande ist, anders als die Typen der Tomaselli-Art gesamthaft, verantwortungs- und konsequenzenbewusst zu denken. Ob er regierungsfähig ist. Ob er bereit ist, den Tunnelblick von Ärzten aufzugeben, die zwar ein absolut legitimes und wichtiges Ziel vor Augen haben, die aber alle anderen Ziele und Notwendigkeiten oft übersehen.

PS: Grüne wie Tomaselli mit ihrem Verlangen, Staatseigentum de facto zu entwerten, erinnern an die jüngste Plakataktion der SPÖ, die großflächig ein Herz affichiert hat (das Sebastian Kurz angeblich fehlt, weil er möglichst wenig Immigranten hereinlassen will). Dabei ist Hirn in der Politik das einzig notwendige. Denn Politik mit Herz, also emotionsgeladene Politik, scheitert immer.

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