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Und wann lesen wir jetzt Doskozils Handy-Peinlichkeiten?

Die Staatsanwaltschaft hat erstmals auch die Handys zweier prominenter Sozialdemokraten beschlagnahmt – pardon: "sichergestellt". Wenn auch nur erstaunlich kurzfristig. Diese Aktion wird dennoch interessante Folgen haben, und zwar gleich mehrfach: sowohl in Hinblick auf das weitere Verhalten der Staatsanwälte und des Justizministeriums wie auch in Hinblick auf das Verhalten der SPÖ und der politischen Klasse im Gesamten. Haben sich doch die demokratisch gewählten Volksvertreter selbst immer mehr zu einem Kollektiv mutmaßlicher Straftäter degradiert, indem sie ununterbrochen gegeneinander Strafanzeigen erstattet haben. So als ob sie alle Klone von Jörg Haider und Peter Pilz wären, die einst diese Vorgangsweise in die heimische Politik eingeführt haben.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich sollten Politiker nicht über dem Gesetz stehen. Jedes wirkliche Delikt sollte auch verfolgt werden und die parlamentarische Immunität sollte nur für Tätigkeiten in wirklich politischem Zusammenhang gelten.

Aber 90 Prozent der Dinge, die da derzeit als angebliches Delikt im Raum stehen, sind letztlich nur hochgezwirbelte parteipolitische Polemik und werden vor keinem Richter halten.

  • Dazu zählen vor allem die zahllosen Vorwürfe, jemand hätte falsch ausgesagt, nur weil bei stundenlangen Aussagen vor Untersuchungsausschüssen irgendein Detail nicht präzise formuliert gewesen ist.
  • Dazu zählt jetzt der Vorwurf, vor einem Landtags-Untersuchungsausschuss im Burgenland hätte zumindest ein Zeuge falsch darüber ausgesagt, ob er vor mehr als einem halben Jahr den anderen angerufen hat oder angerufen worden ist. Dabei erinnern sich ohnedies beide übereinstimmend, damals jedenfalls miteinander telefoniert zu haben. Wer sich selbst ehrlich prüft, wird wissen, wie oft einen die eigene Erinnerung bei solchen Details täuscht. Das gilt besonders auf einer Ebene, wo besonders viel telefoniert wird, wo man sich ständig gegenseitig Rückrufbitten ausrichtet und wo viele der Anrufe über Sekretärinnen laufen, wie es beim burgenländischen Landeshauptmann und beim Chef der Finanzmarktaufsicht zweifellos der Fall ist.
  • Dazu zählt auch die Strafanzeige gegen Bundeskanzler Kurz wegen angeblicher Falschaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Kurz hatte im typischen Interviewstil eines Politikers auf die Frage, ob über ein Thema gesprochen worden ist, zuerst reflexartig mit "Nein" geantwortet, aber dann sofort im nächsten Satz eindeutig mit Ja, wenn auch durch einen ganzen Satz: "Es war sicherlich auch so, dass immer wieder davon gesprochen wurde".
  • Dazu zählt das Verfahren gegen Finanzminister Blümel aus dem einzigen Grund, dass der damalige Chef der von der SPÖ besonders intensiv "geliebten" Firma Novomatic in einer SMS-Nachricht an Blümel geschrieben hat, dass er unter anderem auch über das Thema "Spenden" reden wolle. Es gibt jedoch nicht den geringsten Beweis, dass da wirklich Spenden oder gar rechtswidrige Spenden geflossen wären. Dennoch hat die Staatsanwaltschaft wegen dieses Wortes sofort ein Strafverfahren gegen Blümel als Empfänger(!) der Nachricht eröffnet und sogar gleich sein Handy beschlagnahmt. Wenn das wirklich ein ausreichender Grund für die Einleitung eines Strafverfahrens und eine Handy-Abnahme ist, dann müsste künftig ungefähr die Hälfte der Österreicher als Staatsanwälte tätig werden, weil die andere Hälfte in irgendeiner Nachricht etwas formuliert hat, das mit extremer Phantasie als Absicht zu einem Verbrechen gewertet werden könnte.
  • Dazu zählt auch das Verfahren gegen H.C. Strache, weil eine rechtliche Neuregelung, die im Konsens der gesamten Koalition erfolgt ist, auch einem Unternehmen zugute gekommen ist, das der FPÖ den Betrag von 10.000 Euro gespendet hat. Es können nur Staatsanwälte glauben oder einfach voll Hass auf Schwarz-Blau behaupten, dass man sich um diesen an ein(!) Regierungsmitglied gehenden Betrag gleich die ganze Regierung kaufen kann. Was aber noch viel empörender ist: Die damalige Neuregelung hat ein eklatantes Unrecht im Gesundheitssystem reduziert, nämlich die Diskriminierung eines Privatspitals gegenüber Landes- und Gemeindespitälern. Denn davor ist dem Privatspital jede Honorierung aus dem Spitalsfonds verweigert worden, auch wenn es eine total vergleichbare Behandlung wie etwa eine Blinddarmoperation durchgeführt hat.

Dass es da überhaupt ein Verfahren gibt, ist vor allem deshalb eine Riesensauerei, weil die gleiche Staatsanwaltschaft nie einen Finger rührt, wenn viel, viel größere Beträge aus den Gewerkschaftskassen der SPÖ zugute kommen, die dafür zahllose Gesetze im massiven direkten Interesse der Gewerkschaft durchgesetzt hat. Wie etwa die vielen Privilegien der Betriebsräte. Wie etwa die steuerliche Absetzbarkeit der Gewerkschaftsbeträge.

Zum Unterschied von den Spitälern sind das fast alles Forderungen gewesen, wo es nicht um die Beseitigung einer Ungleichbehandlung gegangen ist, sondern um deren Herstellung!

In der burgenländischen Causa kann sich freilich hinter der an sich lächerlichen Untersuchung der Frage, welcher der beiden Genossen eigentlich den anderen angerufen hat und welcher angerufen worden ist, ein echtes Delikt verbergen. Das könnte eventuell als Bruch der Amtsverschwiegenheit strafbar gewesen sein oder als Versuch einer Beeinträchtigung der Interessen der anderen Gläubiger, indem man noch schnell Geld aus der krachenden Commerzialbank Mattersburg abgezogen hat.

Es ist freilich durchaus diskutabel, ob dieses Delikt wirklich in strafbarer Form gesetzt worden ist: Gehört es nicht in Wahrheit geradezu zu den Pflichten eines FMA-Chefs, den burgenländischen Landeshauptmann zu kontaktieren, wenn eine burgenländische Bank kracht? Und gehört es nicht umgekehrt zu den Pflichten eines Landeshauptmannes zu versuchen, gefährdete Gelder des Bundeslandes noch schnell ins Trockene zu bringen (was dann eh nicht mehr gelungen ist)?

Strafjuristen werden daraus dennoch möglicherweise irgendwie ein Vergehen herausdestillieren können. So wie es das metastasierende Strafrecht ja bei immer mehr Sachverhalten schafft. Aber das große, moralisch zu verurteilende Delikt kann ich da nicht wirklich sehen.

Die Delikte des Herbert Kickl

Auch der problematische Umgang des freiheitlichen Klubobmannes Kickl mit den Corona-Masken ist maximal ein Grenzfall.

Einerseits bringt es mich und viele andere Österreicher zur Weißglut, dass Kickl und etliche seiner Parteifreunde bei ihren Auftritten auch inmitten von vielen anderen Menschen grundsätzlich ohne Maske agieren, während unsereins diese an zahllosen Orten tragen muss. Der viele Österreicher erfüllende Zorn hängt überhaupt nicht damit zusammen, ob man die Masken nun für sinnvoll hält oder nicht. Wir müssen uns an das Gesetz halten, wenn wir nicht unangenehme Strafen riskieren wollen. Kickl braucht das nicht.

Viele Österreicher könnten tagelang Paragraphen aufzählen, die sie als unsinnig, schikanös oder gar schädlich ansehen. So auch ich – und dennoch bemühe ich mich, notgedrungen halt auch diese Gesetze einzuhalten. Und wenn das nicht ganz gelingt, zahle ich halt, obwohl innerlich zutiefst verärgert, die Strafe, die ein plötzlich aus einem Gebüsch tretender Polizist fordert, weil ich schneller als mit 30 km/h gefahren bin (was an dieser Stelle ein besonders absurdes Limit ist, was aber angeblich den Planeten rettet).

Kickls Verhalten ist jedoch noch viel provozierender als das der Polizisten (die übrigens auch in seiner Ministerzeit idiotische Gesetze exekutiert haben …). Er signalisiert den Bürgern: Ich, Herbert Kickl, brauche Gesetze nicht einzuhalten wie ihr da aus dem gewöhnlichen Volk. Ich bin Abgeordneter und stehe über dem Gesetz. Ich mache Gesetze und brauche sie deshalb nicht einzuhalten.

Widerlich. Aber dennoch sollte solches Verhalten von den Bürgern am Wahltag bestraft werden und nicht von der Macht der Obrigkeit. Denn es ist extrem bedenklich, wenn die politische Mehrheit rechtlich gegen Oppositions-Abgeordnete vorzugehen beginnt. Diese Mehrheit sollte selbst die leiseste Assoziation vermeiden, die an das Vorgehen von Ländern wie Russland, Belarus oder der Türkei gegen die Bürger erinnern könnte.

Daher ist es falsch, dass Kickl von Schwarz und Grün jetzt an die Wiener Verwaltungsbehörden "ausgeliefert" worden ist, die 500 Euro von ihm als Strafe wollen, weil er sich bei einer FPÖ-Demonstration ohne Maske unter seine Anhänger gemischt hat. Das war eine eindeutig politische Versammlung, und bei einer solchen sollten – auch und gerade – Oppositionspolitiker vor jeder Strafverfolgung geschützt bleiben, wie es ja auch die parlamentarische Immunität prinzipiell verlangt.

Gleich doppelt falsch ist es, dass die SPÖ jetzt ein Masken-Tragegebot für Parlamentarier sogar in die Verfassung schreiben will. Ihr Motiv ist schon klar: Nur so können die Freiheitlichen juristisch wasserdicht zum Tragen der Masken veranlasst werden.

Aber es ist erstens brandgefährlich, wenn man die Verfassung mit immer noch mehr Minidetails belastet und überfrachtet; soll sie doch das grundlegende Dokument für die wichtigsten Spielregeln der Republik bleiben. Und nicht mit bloßen Verordnungen und Hausordnungen konkurrieren.

Und zweitens müsste, wenn es nicht ein allzu einseitiges Gesetz werden sollte, auf gleicher Ebene auch sonst vieles verboten werden, was sich so bei Parlamentssitzungen eingebürgert hat. Dazu müsste insbesondere das Aufstellen von Taferln mit irgendwelchen Parolen auf den Schreibpulten der Abgeordneten gehören. Dieses ist einst von Jörg Hader erfunden worden, wird aber jetzt vor allem gerade von der SPÖ nachgemacht.

Viele Parlamente in anderen Ländern sind da viel penibler. Bei ihnen sind nicht nur Taferln im Parlament untersagt. Bei ihnen gibt es auch eine strikte Kleider- (und Schuh-)ordnung. Auch für Minister, wenn sie ins Parlament kommen. Ich werde nie vergessen, wie ich als Zuhörer im indischen Parlament nur deshalb bestraft worden bin, weil ich auf der Zuhörergalerie die Beine übereinandergeschlagen habe.

Mancherorts schätzt man offensichtlich die Demokratie deutlich höher als bei uns ein und zeigt das auch durch solche Details. Mancherorts weiß man noch, dass der Wert des Parlaments auch mit Würde zusammenhängt, und dass Würde auch mit Äußerlichkeiten, mit der Einhaltung von Regeln und dem Umgangston zusammenhängt. Schließlich ist die in vielen Ländern übliche Demokratie eine "repräsentative". Daher wird auch erwartet, dass sich ihre Exponenten repräsentativ im Sinne von vorbildlich verhalten. Schließlich repräsentieren sie das Volk, das sie wählt.

Wahrheitsprobe für die Justiz

Noch einmal zurück zur österreichischen Strafjustiz. Diese hat in den letzten Monaten selbst den allergrößten Skandal geliefert, der all die hier genannten Politiker-Verfehlungen weit in den Schatten stellt: Die Staatsanwaltschaft hat wegen Vorwürfen, die zu 99,9 Prozent nie eine rechtskräftige Verurteilung auslösen werden, reihenweise Handys beschlagnahmt. Sie hat selbst dann, als auf diesen kein Beweis für ein strafrechtswidriges Verhalten gefunden worden ist, diese Transkripte nicht vernichtet. Und noch viel widerwärtiger: Die Führung des Justizressorts hat – wider die Empfehlung der Staatsanwälte, sei zu deren (teilweisen) Ehrenrettung gesagt, – diese Transkripte dann sogar ans Parlament weitergeleitet. Dabei musste der grünen Führung des Justizministeriums mit 99,9-prozentiger Sicherheit klar gewesen sein, dass dann alle in diesen Transkripten befindlichen Inhalte binnen weniger Tage in den Medien landen werden. Zumindest wenn sie voyeuristisch g'schmackig und für Akteure aus anderen Parteien peinlich sind. Sie haben aber in Wahrheit als persönliche Dialoge absolut nichts in der Öffentlichkeit zu suchen, solange keine Rechtswidrigkeit in ihnen enthalten ist. Das Justizministerium verletzt dadurch gleich mehrere Grundrechte, wie das auf ein Privatleben, wie das auf Datenschutz.

Ganz, ganz zufällig haben alle übers Ziel schießenden Beschlagnahmen und alle in die Öffentlichkeit gespielten Peinlichkeiten bisher immer nur Persönlichkeiten rechts der Mitte getroffen.

Und wenn das stimmt, was die Grünen da jetzt ausstreuen, dann ist das eigentlich überhaupt das Ende des Rechtsstaats: Das sei nur ein Revancheakt für die Abschiebung illegaler Immigranten durch das Innenministerium.

Im Vergleich zu diesem Verhalten der Grünen ist selbst ein Herbert Kickl eine verantwortungsbewusste Verkörperung des Rechtsstaats. Einziger Unterschied: Kickl versprüht seinen Hass öffentlich, während sich die Grünen auf Tritte in den Unterleib spezialisiert haben – unter dem Tisch.

Jetzt, in der Causa Burgenland-FMA, treffen die Handy-Beschlagnahmen erstmals zwei Genossen. Das wirft einerseits die spannende Frage auf, ob die SPÖ langsam umzudenken beginnt und doch einer Einschränkung der Möglichkeiten der Staatsanwälte zustimmt, so exzessiv vorzugehen und weit Schlimmeres anzurichten als das, was sie aufzudecken vorgeben.

Andererseits wird es noch viel spannender werden zu sehen, ob jetzt auch alle Informationen, die sich auf den Handys der Herren Doskozil und Ettl befunden haben, an die Öffentlichkeit gespielt werden (über die übliche Zwischenstation eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der diesmal halt einer in Eisenstadt ist und nicht in Wien). Befinden sich doch wohl auch auf diesen Handys – neuerlich mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit – ebenfalls pikante oder peinliche Informationen.

Werden wir diese in den nächsten Wochen in den üblichen Medien lesen können? Wenn nicht, dann ist der Beweis erbracht, dass Teile der Strafjustiz in ihrem inneren Selbstverständnis nichts anderes als SPÖ-Außenstellen sind, die primär darüber nachdenken, ÖVP oder FPÖ zu schaden. 

Es könnte aber natürlich auch sein, dass die Herren Doskozil und Ettl den Intelligenztest bestanden hätten und aus den letzten Monaten und dem öffentlichen Gejohle über die Handy-Inhalte anderer gelernt haben, dass ständig mit Amokläufen der Justiz zu rechnen ist. Dass sie also gelernt haben, regelmäßig alle Informationen aus ihren Handys zu entfernen, ob es nun die Inhalte von Textnachrichten oder die Liste ihrer Anrufe ist (und zwar in einer Form zu entfernen, die keine Rekonstruktion mehr zulässt). Allerdings: Als wackere Sozialdemokraten könnten sie ja durchaus angenommen haben, dass ihnen so etwas keinesfalls passieren kann …

PS: Die ständigen Strafanzeigen wegen widersprüchlich klingender Aussagen vor sogenannten Untersuchungs- (=Schmutzkübel-)Ausschüssen werden für diese Ausschüsse noch eine fatale Folge haben: Künftig wird wohl jede halbwegs intelligente Auskunftsperson vor einem dieser Untersuchungsausschüsse ständig sagen: "Ich kann mich nicht erinnern." Denn sich nicht erinnern zu können, kann nicht einmal theoretisch strafbar sein.

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