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Von Wien bis Rom: Regierungen donnern gegen die Wand …

… aber plötzlich geht es politisch doch wieder weiter. Seltsam, seltsam – oder? Gerade hat man noch glauben müssen, in Italien wie Österreich wäre die Politik an einer Mauer zerschellt, waren doch die Regierungskoalitionen inhaltlich total zerstritten. Doch plötzlich ist alles wieder ganz anders. Plötzlich ist die Sache nicht mehr so wichtig. Und hinter der Tarnung rhetorischer Großfeuerwerke kommen nicht mehr sonderlich honorige Motive zum Vorschein, die in Wahrheit das Handeln der Parteien leiten. Nämlich ein sehr persönlicher Opportunismus der Akteure (mit nachträglicher Ergänzung).

Solcher Opportunismus als wirklich entscheidende Verhaltensprägung ist in Italien in diesen Tagen bei wirklich jeder Partei nachzuweisen. In Österreich derzeit zumindest bei den Grünen.

Bleiben wir vorerst in Österreich. Hier ist nicht einmal in den schlechtesten Zeiten der großen Koalition jemals öffentlich so viel Hass und Verachtung über den Koalitionspartner ausgeschüttet worden wie in den letzten Tagen von den Grünen über die ÖVP. Und dennoch bleiben die Grünen völlig unverändert im Koalitionsbett mit einem als "unmenschlich" denunzierten Partner.

Das erinnert an die vielen kaputten Ehen, die manche nur deswegen fortführen, weil sie es sich materiell nicht verschlechtern wollen. Ganz ähnlich torkelt Schwarz-Grün zumindest derzeit nur deswegen weiter, weil die Grünen letztlich halt doch die schönen Ministerposten nicht aufgeben wollen. Die hätte ihnen Sebastian Kurz jedoch sofort weggenommen, hätten die Grünen ein Misstrauensvotum gegen Innenminister Nehammer unterstützt. Haben sie sich doch inzwischen schon sehr an die Lust der Macht gewöhnt.

Man durchschaut solche Regierungskrisen dann immer am besten, wenn man sich den jeweiligen Stand der Meinungsumfragen anschaut. Diese zeigen in Österreich ein frappierendes Bild: Alle Parteien stehen – nach einer Phase des ÖVP-Höhenfluges – wieder haargenau dort, wo sie bei der letzten Wahl vor eineinhalb Jahren gelandet sind. Lediglich die Neos haben sich um ein bis zwei Punkte aus der Hinterlassenschaft der Pilz-Partei bereichern können (deren Benehmen sie ja auch inhaltlich völlig übernommen hätten). Niemand also hätte von Neuwahlen einen Profit erwarten können.

Das Auseinanderklaffen von Realität und Selbsttäuschung ist irgendwie traurig für die Grünen: Da bestätigen ihnen alle linken Hetz-Medien mit dem ORF an der Spitze rund um die Uhr, dass sie die einzige gute, edle und anständige Partei in dieser Koalition sind, und dann zeigen alle Umfragen, dass die Grünen entweder unter oder genau auf dem Prozentsatz der letzten Wahl liegen. Ist die Welt nicht ungerecht? Hätte solche moralische Größe nicht unbedingt eine dicke Belohnung verdient?

Es will sich einfach nicht und nicht für die schon so lange offen ersehnte rot-grün-pinke Koalition der linken Herzen ausgehen. Weder in der wirklichen noch in der Umfrage-Welt. Eine linke Mehrheit hat es zuletzt 1983 gegeben. Seit die grüne und dann auch die pinke Partei existieren, hat es überhaupt noch nie eine solche Mehrheit gegeben. Die gab es nur in den Kreisky-Jahren, und zwar damals für die SPÖ alleine. Erstaunlich, aber wahr.

Andererseits müssen die Grünen die im linken Drittel der Republik beliebten Schauergeschichten über die böse migranten- und kinderfeindliche ÖVP heftig weiterbefördern, sonst bröckeln ihnen etliche linke Bobos zu Pink oder Rot ab.

Also bleibt man lustlos und zugleich stänkernd weiter in der Regierung.

Aber auch für die ÖVP ist das Weitergehen der Koalition nur noch von Frust und Alternativlosigkeit geprägt, und nicht mehr durch Liebe oder gar Lust – wenn es die denn je gegeben haben sollte. Zwar sind es nur feuchte Wunschträume linker Journalisten, die aus dem migrationsfreundlichen Gebrabbel der einen oder anderen schwarzen Landesrätin aus dem Westen gleich auf eine ÖVP-interne Krise hoffen. Dazu ist der von Sebastian Kurz geschaffte Erfolg viel zu gewaltig, den die ÖVP seit Wolfgang Schüssel nie auch nur annähernd hatte, auch wenn in den letzten Monaten durch den Corona-Jammer der Kurz-Lack etliche Kratzer abbekommen hat.

Aber zugleich wird man sich in der ÖVP zunehmend bewusst, dass man in einer deprimierenden Partnerschaft festsitzt. "Bis auf Kogler und (Klubobfrau) Maurer, die den Laden irgendwie zusammenhalten, bestehen die aus drei schwachen Ministern, die ihre Ressorts kaum im Griff haben, und einem Haufen Wahnsinniger." So beschrieb ein prominenter ÖVP-Mann kürzlich im privaten Gespräch wenig liebevoll den Koalitionspartner.

Zwar taucht angesichts dieser Situation in der ÖVP immer öfter Nostalgie nach den schwarz-blauen Zeiten auf. Aber gleichzeitig ist klar, dass es keine Rückkehr dorthin geben kann.

  • Dazu sind die Wunden von 2019 noch viel zu wenig vernarbt.
  • Dazu hat sich auch der Kickl-Flügel der FPÖ viel zu sehr radikalisiert (natürlich auch als emotionale Reaktion auf den überflüssigen Koalitionsbruch).
  • Dazu ist auch die Corona-Krise viel zu dominierend, in der die FPÖ gegen Alles und Jedes hetzt, ohne dass man klar erkennen könnte, wofür sie eigentlich ist (so verteufeln die einen in der FPÖ das Impfen, die anderen lassen sich hingegen impfen ...).
  • Dazu sind aber auch die Aktionen von Innenminister Nehammer insbesondere mit seinen rechtsstaatlich bedenklichen und sachlich unsinnigen Versammlungsverboten und der ideologischen Denunzierung der Demonstranten viel zu kontraproduktiv.

Als Folge kommt bei der ÖVP zunehmend das Gefühl auf, zwischen allen Stühlen zu sitzen. Starker Mann, home alone.

Denn auch die ÖVP ist beim Blick auf die Umfragen weit davon entfernt, sich von Neuwahlen so etwas erträumen zu können wie eine absolute Mehrheit. Gleichzeitig haben sich die Neos nach links radikalisiert, die ja einst noch heimliche Alternativhoffnung von Sebastian Kurz gewesen sind, sodass auch mit ihnen eine Kooperation wenig erfreulich wäre. Insbesondere fehlt bei den Neos völlig ein "Elder Statesman" der ruhigen Vernunft, wie es wenigstens Werner Kogler bei den Grünen ist.

Italien: Opportunismus zum Quadrat

Fast noch mehr als in Österreich schauen in Italien die Parteien bei allen Manövern und Entwicklungen in Wahrheit nur auf ihren eigenen Stand bei den Umfragen. Daher wird es auch dort keine Neuwahlen geben, so dramatisch und unlösbar die Regierungskrise der letzten Tage auch gewirkt hat. Aber angesichts flauer Umfragewerte sind gleich eine Reihe Parteien umgefallen und haben sich bereit erklärt, den ehemaligen Notenbankchef Mario Draghi doch zu unterstützen (der die Gelddruckmaschinen in der EZB einst zum Nachteil der deutschen und österreichischen Sparer, aber im starken Interesse Italiens wie wild angekurbelt hatte). Draghi wird daher trotz anfänglich verbreiteter Ablehnung nun wohl Premier werden, nachdem so viele auf typisch italienische Art ihre Meinung gewechselt haben.

Am auffallendsten ist das bei der – derzeit noch – größten Partei Italiens, den linkspopulistischen "Fünf Sternen". Dort war man zuerst strikt gegen ein Draghi-Experten-Kabinett. Dann haben die "Sterne" entdeckt, dass ja sonst Neuwahlen kommen könnten, als der von ihnen präferierte Premier Conte keine ausreichende Unterstützung mehr hatte, um bleiben zu können. Daraufhin sind sie plötzlich sehr konziliant geworden und akzeptieren nun doch Draghi.

Ähnlich hat auch Silvio Berlusconis Partei reagiert: Sie hat genauso viel Angst vor Neuwahlen. Sie ist fast jede Lösung zu unterstützen bereit, die ihr Wahlen erspart.

Das Gleiche gilt für die Sozialdemokraten.

Dazu kommt Matteo Renzi mit seiner kleinen Mitte-Linkspartei, der die gegenwärtige Krise überhaupt erst ausgelöst hat. Dabei hatte er ein besonders riskantes Spiel gewagt: Obwohl er noch schlechter als die anderen genannten Parteien liegt, hat er die Regierung Conte gesprengt. Er hat dabei aber richtig gepokert und auch die anderen Parteien richtig eingeschätzt, dass diese Neuwahlen so wie er panisch fürchten. Durch ihr halsbrecherisches Taktieren hat Renzis Minipartei sich im Endergebnis jetzt am meisten durchgesetzt: Sie wollte als einzige von Anfang an Draghi an der Regierungsspitze.

Als Opposition bleiben nur die Parteien am rechten Rand, insbesondere die Lega von Matteo Salvini, aber auch die "Fratelli d’Italia". Diese hätten zumindest derzeit angesichts glänzender Umfragen Wahlen mit Sicherheit gewonnen. Daher haben sie als einzige auf Wahlen gedrängt – haben aber eben vorerst keine Mehrheit, um sie zu erzwingen.

Man könnte die sich ergebende bunt zusammengewürfelte Regierungsmehrheit als die einer "Wahl-Angsthasen GmbH" bezeichnen. In dieser GmbH fürchten alle Abgeordneten aber nicht nur den schlechten Stand der eigenen Partei bei Umfragen, sondern sehr persönlich auch die beschlossene Verkleinerung des Parlaments. Diese wird nach der nächsten Wahl jedenfalls hunderte Abgeordnete mit Sicherheit ihr Mandat kosten. Da bleibt man doch lieber, so lange es geht. Auch wenn man sich verbiegen muss.

Dieses Verhalten erinnert wiederum intensiv an das Verhalten der grünen Minister in Wien, die ebenfalls plötzlich extrem flexibel werden, die völlig den eigenen Hass auf den Koalitionspartner vergessen, wenn es um die eigenen Posten geht.

Es gibt aber noch einen weiteren Faktor neben der Angst vor dem Verlust des eigenen Mandats, der viele italienische Politiker plötzlich für die Variante Draghi eintreten lässt. Das ist vielleicht sogar der stärkste Beweggrund: Es ist der bevorstehende Geldregen aus der EU. Es geht um das riesige Stück Geld, das Italien aus dem 750 Milliarden-Kredit der EU bekommt, den Frau Merkel und Herr Macron auch gegen den Widerstand Österreichs dem Rest Europas aufgeladen haben.

Es ist völlig klar: Wer jetzt an Bord der künftigen Regierungsmehrheit geht, der wird auch dabeisein, wenn diese Gelder verteilt werden. Lassen wir dahingestellt, ob dieses Motiv nun mit lauteren oder unlauteren Beweggründen verbunden ist …

Nachträgliche Ergänzung: Inzwischen scheint auch Die Lega von Matteo Salvini bereit zu sein, eine von Draghi angeführte Regierung zu unterstützen. Draghi hat zuvor freilich eine sensationelle - fast möchte man neuerlich sagen: italienische - Wendung gemacht. Er will nun statt eines Kabinetts aus parteifreien Experten ein Politikerkabinett machen - und da ist Salvini bereit mitzutun, kommt doch so unerwartet seine Partei plötzlich wieder in die Regierung ... 

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