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Wer hat den Hunger in der Welt wirklich reduziert?

Ganz ausgezeichnet – und doch viel zu kurz gegriffen: Das ist die Entscheidung, den Friedensnobelpreis heuer an das Welternährungsprogramm der UNO zu verleihen. Die Entscheidung betont völlig zu Recht: Hunger ist eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit, ist die Ursache vieler Kriege und Verbrechen der Vergangenheit gewesen. Wer hungernden Menschen Lebensmittel bringt, scheint daher an sich sehr edel zu sein. Nur wäre in Wahrheit solcher Edelmut völlig irrelevant. Denn durch all die Aktivitäten der UNO und ihrer Ernährungstochter würde die Zahl der Hungernden in der Welt um nichts geringer, wenn nicht ein ganz anderer Faktor wirksam wäre. Ein Faktor, der tausende Male wichtiger, ja, der in Wahrheit einzig entscheidend ist – der aber vom grüngeprägten Zeitgeist nicht nur negiert, sondern zunehmend fanatisch bekämpft wird.

Dieser entscheidende Faktor heißt: Wir sind seit Ende des 18. Jahrhunderts durch zahlreiche naturwissenschaftliche Entwicklungen und durch die Globalisierung der Marktwirtschaft von Jahrzehnt zu Jahrzehnt erfolgreicher geworden, die Menschheit zu ernähren. Vor allem im letzten halben Jahrhundert ist der Anteil der Menschen auf diesem Globus entscheidend gesunken, die Hunger leiden, die unterernährt sind, oder die gar verhungern müssen. Und das ist gelungen, obwohl die Zahl der lebenden Menschen ständig gewaltig gestiegen ist, obwohl wir weit länger leben, obwohl wir weit länger gesund leben.

Das ist eigentlich die größte und schönste Erfolgsgeschichte der ganzen Menschheitsgeschichte. Dieser Erfolg im Kampf gegen Hunger hat eindeutig dazu geführt, dass die Zahl der Kriege, der in einem Krieg umgekommenen Menschen noch nie so gering gewesen ist wie in den letzten Generationen.

Gewiss ist es lobenswert, wenn eine UNO-Organisation einspringt, um Menschen in Krisengebieten Lebensmittel zu bringen, um jene zu versorgen, die kein Geld haben, um sich Nahrung kaufen zu können. Das haben Rotes Kreuz und kirchliche Organisationen auch schon vor der UNO getan. Aber wirklich entscheidend ist ganz eindeutig nur, dass wir imstande sind, so viele Lebensmittel – gesündere Lebensmittel – mehr zu produzieren als jede frühere Epoche. Sonst würden die meisten humanitären Aktivitäten ja nur bedeuten: Wenn man den einen Lebensmittel liefert, muss man sie vorher irgendjemandem anderen wegnehmen.

Die Erfolge der Welternährung wurzeln nicht in den Konferenzen und Dienstreisen von Diplomaten und internationalen Organisationen, sondern in den Labors von Universitäten und in den Forschungs- und Vermarktungsaktivitäten von – ja, es sei laut und deutlich gesagt – gewinnorientierten Lebensmittel-, Agrar-, Saatgut- und Düngemittelkonzernen, aber auch in jenen kommerziellen Strukturen, die der Landwirtschaft ausreichende Mengen an Energie und an industriellen Produkten wie Fahrzeuge oder Landmaschinen zur Verfügung stellen.

Diejenigen, die von schlichten Gemütern, Kinderbuchautoren, naiven NGO-Zettelverteilerinnen und grünen Hetzern als die Urbösewichte schlechthin hingestellt werden, sind also in Wahrheit diejenigen, die am meisten für die Menschheit getan haben. Man kann nur hoffen, dass der Nobelpreis wenigstens indirekt dazu beiträgt, dass ein paar Menschen mehr die wirklichen Zusammenhänge begreifen.

Für diejenigen, die das alles nicht wahrhaben wollen, noch eine Auswahl besonders interessanter Zahlen und Daten:

  1. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sind jährlich(!) 3,1 Millionen Kinder an Ernährungsdefiziten gestorben. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert beträgt die Vergleichszahl 1.7 Millionen. Noch immer furchtbar viel – aber dennoch ist dieser Rückgang ein gigantischer Erfolg, noch dazu, wenn man bedenkt, dass sich die Erdbevölkerung gleichzeitig verdoppelt hat.
  2. Die Lebenserwartung lag im globalen Schnitt noch Mitte des 19. Jahrhunderts unter 30 Jahren, heute liegt sie über 70. Das ist auf drei Faktoren zurückzuführen: bessere Medizin (insbesondere Impfungen), bessere Hygiene (insbesondere in Spitälern und durch Einführung des Händewaschens) und bessere Ernährung.
  3. Die wichtigste Einzelmaßnahme im Anti-Hunger-Kampf war die rapide Verbreitung der Verwendung von Kunstdünger vor allem ab der Mitte des 20. Jahrhunderts. Diese Verbreitung wird zwar von grünen Ideologen kritisiert, konnte von ihnen aber in den meisten Ländern nicht verhindert werden. Erfolg hatten die grünen NGOs jedoch in etlichen afrikanischen Ländern, wo sie westliche Geldgeber unter Druck setzen konnten, damit sie Regierungen davon abhielten, die Dünger-Revolution einzuführen. Dort sind mit der Bevölkerungszahl und ersten medizinischen Verbesserungen dann logischerweise die Unterernährungszahlen gestiegen.
  4. In Äthiopien hingegen, immerhin dem zweitgrößten Land des schwarzen Kontinents, hat sich im Vierteljahrhundert 1990 bis 2015 der Prozentsatz der Hungernden um sechs Millionen halbiert – obwohl die Bevölkerung gleichzeitig um unvorstellbare 40 Millionen zugenommen hat (in jenem großen ostafrikanischen Land lief die Entwicklung besonders steil, weil das Land in dieser Zeit von einem rigiden Kommunismus zum Neoliberalismus gewechselt hat, also zu dem, was der Papst so verdammt …).
  5. Die Verbreitung des Kunstdüngers ist vor allem im letzten halben Jahrhundert erfolgt. Parallel sank der Anteil der unterernährten Menschen: 1970 lag er laut FAO bei 29 Prozent, derzeit liegt er hingegen nach Unicef-Angaben bei 9 Prozent.
  6. Fast noch interessanter: In dieser Zeit hat Afrika von Asien den negativen Spitzenrang in Sachen Unterernährung übernommen. In Asien sank der Anteil unterernährter Menschen an der Gesamtbevölkerung von 40 auf 12 Prozent. In Afrika nur von 34 auf 20.
  7. Die größte Katastrophe für die Ernährungssituation speziell in Asien wäre es, wenn dort die Kohle- und Atomkraftwerke verschrottet werden müssten. Moderne Landwirtschaft, die noch dazu ohne Ausdehnung der genutzten Fläche die Menschen ausreichend ernähren soll, braucht in sehr hohem Ausmaß Energie.
  8. Dieser für die Agrarwirtschaft wichtige Energieeinsatz hängt eng mit der Mechanisierung der Landwirtschaft zusammen, also mit dem Einsatz technischer Produkte. Eine globalisierte, arbeitsteilige und kompetitive Weltwirtschaft ohne Zollschranken hat diese den Entwicklungsländern zu Preisen zur Verfügung stellen können, die sich diese immer mehr leisten können.
  9. In der Mitte der 19. Jahrhundert hat der durchschnittliche Westeuropäer 2000 bis 2500 Kalorien zu sich genommen. Das war weniger, als heute der afrikanische Durchschnitt zu sich nimmt.
  10. In vielen Regionen und Kontinenten (insbesondere Nordamerika und Europa) ist Unterernährung nicht mehr existent, nur noch – meist ideologisch oder modisch bedingte – Fehlernährung. Dafür ist das Pendel teilweise in die Gegenrichtung ausgeschlagen: Massives Übergewicht ist insbesondere in den USA zum größten Gesundheitsproblem geworden.
  11. Die endgültige Ausrottung von Mangel- und Unterernährung wäre nur durch die großflächige Verwendung von genveränderten Pflanzen möglich, die mehr Ertrag bringen beziehungsweise widerstandsfähiger sind gegen alle möglichen Gefahren wie Schädlinge. Damit würde sich gleichzeitig auch der Einsatz von Pestiziden deutlich verringern. Dieser Schritt wird aber in manchen Regionen von grünen, linken und rechten Ideologen sehr erfolgreich verhindert. Das zeigt sich zuletzt etwa im aggressiven Widerstand von links- wie rechtsaußen gegen Handelsabkommen Europas mit Nord- und Südamerika.

Angesichts all dieser Erfolge gibt es keine rationale Erklärung für die sich in zahlreichen Studien zeigende Überzeugung der meisten Menschen vor allem in den entwickelten Ländern, dass sich die Welt in eine sehr negative Richtung entwickelt. Ursache dieser Stimmung ist wohl die Stimmungsmache durch christliche Religionsgesellschaften (die allzusehr auf das Beklagen unserer diesseitigen Sünden konzentriert sind), Spendensammel-Organisationen (die alles nur in den negativsten Tönen schildern, damit sie mehr Spenden bekommen) und Medien (bei denen oft das Prinzip regiert: only bad news ist good news).

Viele dieser her zitierten Daten hat Johan Norberg in "Progress" zusammengetragen, wo er auch jeweils die Quellen nennt.

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