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Die grünen Glückskinder bringen Unglück

Die europäischen Grünen waren im letzten Jahr die Glückskinder des Kontinents. Und zwar gleich dreifach, wie wenn Weihnachten, Silvester und Hochzeitstag zusammenfielen. Freilich gehen auch so einmalige Glückstage im Leben einmal zu Ende – außer, es geht davor auch die Demokratie zu Ende.

Das dreifache Glück der Grünen basierte auf den handelnden Personen, auf einem Thema und auf dem Zustand der Sozialdemokratie. Dabei waren noch vor zwei Jahren die grünen Perspektiven durchaus endenwollend gewesen. Die 68er Studentenrevolutionäre mit ihrer Nähe zum Linksterrorismus, die einst als Gründungspaten der grün-alternativen Bewegung fungiert hatten, waren in die Jahre gekommen. Nirgends glomm mehr revolutionäres Feuer.

Wie kam es von dieser grünen Veraltersheimung zum heutigen grünen Glück? Dazu zuerst ein Rückblick auf die grüne Geschichte.

Partnerschaft zwischen Marxisten und Heimatschützern

In den 80er Jahren war es zu einer politischen Eheschließung zwischen der links-alternativen und der Umwelt-Bewegung gekommen. Dieses Zusammenfinden war eigentlich überraschend. Sie hat total Gegensätzliches zusammengekleistert. Denn Umweltorientierung oder christlich formuliert: "Rücksicht auf die Schöpfung", ist eine zutiefst konservative Einstellung, die mit dem doktrinär-revolutionären Marxismus der 68er eigentlich überhaupt nichts gemein hat. Und schon gar nichts mit deren lustorientiertem Lebensstil.

Der Wunsch nach mehr Rücksicht auf die Umwelt ist logische Konsequenz emotionaler Heimatverbundenheit. Deren Wurzeln sind einerseits Jean-Jacques Rousseau und die Schäfer-Schwärmerei des 18. Jahrhunderts und andererseits die zunehmend national gefärbte Romantik des 19. Jahrhunderts. Beide Wurzeln hängen nicht zuletzt mit der Verstädterung und der dabei entstandenen Sehnsucht nach dem vermeintlich glücklichen und echten Leben auf dem Lande zusammen.

Ähnliche kollektive Gefühle wallten auch im industrialisierten 20. Jahrhundert in Form der Wandervogel-Bewegung auf. Diese gab es in allen politischen Lagern; man wanderte rot-internationalistisch, man wanderte österreichisch-katholisch, man wanderte deutschnational.

In Not-, Kriegs- und Wiederaufbauzeiten hatten die Menschen dann allerdings jahrzehntelang wenig Zeit und Lust, sich sonderlichen Naturschwärmereien hinzugeben. Erst in den 70er und 80er Jahren wurden Natur und Heimat wieder wichtig. Schwarz und Rot (wie auch das damals kaum wahrnehmbare dritte Lager) waren jedoch noch viel zu sehr im harten industrie-orientierten Wiederaufbau verfangen, als dass sie dieses neuerliche "Zurück zur Natur" rechtzeitig erkannt und eingefangen hätten.

Stattdessen fanden Teile der Umwelt- und Heimatbewussten dann eine ganz überraschende Heimat bei den extrem links stehenden und internationalistisch auftretenden Neomarxisten der 68er Generation. Einziger gemeinsamer Nenner: Sie kämpften beide gegen das wiederaufbaustolze Nachkriegssystem, gegen Establishment, Marktwirtschaft und Industrie. Sie waren beide gegen die da oben, aber aus sehr unterschiedlichen Beweggründen. Hier Klasssenkampf einer Studenten-Clique im Namen der nie gefragten Arbeiterschaft; dort Heimatkampf von Strukturkonservativen, die Angst vor jeder Veränderung haben.

So kämpften sie 1978 gemeinsam gegen das Atomkraftwerk im Tullnerfeld und besiegten die unbezwinglich scheinende Achse aus Wirtschaft und Kreisky-Sozialdemokratie. So kämpften sie 1984 ebenso erfolgreich in der Hainburger Au gegen ein Donaukraftwerk. Dabei standen aufbegehrende CVer Seite an Seite mit den Paten der grünen Partei wie dem rot-grün-hellschwarzen Günther Nenning oder Freda Meissner-Blau – und erhielten ausgerechnet von der davor zwischen Blau und Rot schwankenden Kronenzeitung die entscheidende Unterstützung, die seither einen starken Grün-Touch hat.

Der diese Allianz mit den heimatbewussten Umweltschützern eingehende Neomarxismus war in Österreich lange nicht so stark gewesen wie in Deutschland. So war die Österreichische Hochschülerschaft viel länger als beim großen Nachbarn in bürgerlichen Händen geblieben. So gab es fast keinen autochthonen Terrorismus. So reichte die Kraft der Linksradikalen zu kaum mehr als ein paar Straßenschlachten und Anti-Opernball-Randalen, und dabei gab es oft deutsche Schlägergarden als Hilfszüge.

Den Durchbruch zu politischer Relevanz brachte den 68ern aber erst das Zusammengehen mit den konservativen, heimatverbundenen, national oder christlich geprägten Umweltschützern rund um die Kraftwerksproteste. Eigentlich müssten in der Folge diese Umweltschützer auf Grund ihrer Anzahl auch das Sagen in der neuen Partei bekommen. Dem war jedoch nicht so. Die Linken waren nämlich in einer Hinsicht den naiven und oft unpolitischen Umweltschützern weit überlegen: Sie waren seit Jahren durch nächtelange universitäre Ideologiediskussionen abgehärtet und wussten, wie man sich basisdemokratisch durchsetzt. So hatten bald die Linken, insbesondere der trotzkistische Flügel, komplett das grüne Ruder in der Hand.

Nach den ersten Erfolgen der neuen Partei begann daher die Wählerbasis bald zu bröckeln. Viel weniger als bei den anderen Lagern galt bei den Grünen: Wer einmal eine Partei wählt – etwa aus familiärer Tradition –, wählt sie immer. Die Mitgliederbasis war unberechenbar, chaotisch und recht klein. Die restlichen Wähler waren überhaupt Zufallsbekanntschaften, von denen man große Teile in der Folge auch wieder verlor:

  • Viele der an den Universitäten links radikalisierten Söhne und Töchter bürgerlicher Familien sind später wieder bürgerlich-konservativ geworden. Sie sind vor allem durch die ganz der linken Traumwelt widersprechenden Erfahrungen in Beruf und Familie zu einer anderen Lebenseinstellung gekommen und in einem Reifungsprozess von Grün (oder Rot) zu Blau oder Schwarz gewechselt.
  • Wieder andere, die einst weit links gestanden sind, wurden aus ihrer Ablehnung zu den neuen Bedrohungen Massenmigration und Islamisierung rechts.
  • Ein Beispiel: Bettina Röhl, die Tochter der deutschen Linksterroristin Ulrike Meinhof, die als Kind längere Zeit in Terroristenlagern leben hat müssen, ist heute eine der schärfsten Kritikerinnen der 68er Bewegung und ihres gesamten grünen Erbes.
  • Noch ein Beispiel: Alice Schwarzer, die langjährige Kultfigur eines linken Feminismus, liegt heute im Dauerstreit mit den linksgebliebenen Islamfreunden, weil sie sich vor allem für die vielen unterdrückten Moslem-Frauen einsetzen will.
  • Andere der 68er Generation sind nur deshalb rein verbal "links" geblieben, weil sie sich genierten, einen ideologischen Wechsel zuzugeben, auch wenn sie inzwischen innerlich ganz andere Wertordnungen hatten.

Zugleich tauchten die meisten Schlagworte, die einst exklusiv grün gewesen waren, auch bei allen anderen Parteien auf: Überall ist heute Umweltschutz heilig. Überall ist Mitbestimmung zumindest rhetorisch wichtig. Fast überall gilt die Devise "Hauptsache, eine Frau!" .

Die Biotope des grünen Überlebens

Am Anfang des neuen Jahrtausends wirkten die Grünen daher ziemlich ausgelaugt. Sie hatten auch ziemlich an den diversen früheren Parteichefs zu leiden: Christoph Chorherr wird von unguten Korruptionsvorwürfen verfolgt. Eva Glawischnig wechselte ausgerechnet zu einem Glücksspiel-Konzern. Peter Pilz reduzierte seine politische Arbeit auf die empörte Perpetuum-Mobile-Erstattung von unzähligen Strafanzeigen. Johannes Voggenhuber und Madeleine Petrovic profilierten sich vor allem durch Stänkern gegen ihre (ehemalige) Partei.

Die grüne Bewegung überlebte nur in ganz spezifischen Biotopen:

  1. In den Universitäten: Dort hatten sich im Lauf der Zeit die verbliebenen 68er Revolutionäre angesammelt (und nur Ähnlichdenkende nachrücken lassen), die untauglich waren für ein Berufsleben in der freien Wildbahn des Wettbewerbs und der Marktwirtschaft. Diese Akkumulation war besonders dort erfolgreich, wo sozialistische Minister jahrzehntelang dafür sorgen konnten, dass in ideologierelevanten Fächern nur Linke zum Zug kamen (wie etwa Verfassung, Politologie, Publizistik, Philosophie, Geschichte).
  2. In der städtischen Boboszene, also bei gut verdienenden und eigentlich politisch eher desinteressierten Menschen: Dort wirkte sich im Lauf der Zeit stark die einstige universitäre Indoktrinierung aus, sobald Studenten ins Berufsleben hinausgingen. Von ihnen waren zwar viele später bürgerlich-vernünftig geworden, aber eben nicht alle.
  3. In der NGO-Szene, die von Linken gerne mit dem Titel "Zivilgesellschaft" geschmückt wird. Dort lebt man vom Geld anderer (meist der Steuerzahler) ziemlich gut und hält sich dennoch zugleich für moralisch den Zahlern weit überlegen.
  4. In der Künstlerszene: Dort hat man traditionell einen nicht weiter hinterfragten Hang zu Radikalismen aller Art, von Braun bis Rot.
  5. In der Schwulenszene: Dort waren die Grünen besonders in jenen Phasen stark, als die Schwulen noch einige Privilegien durchzusetzen hatten (wie etwa den Anspruch auf Witwerrente, ohne dass dafür ein Cent eingezahlt worden ist).
  6. In der Feministenszene: Der Prozentsatz der grün wählenden Frauen ist weit höher als bei den Männern.

In all diesen Szenen lagen die Grünen freilich in hartem Wettbewerb mit den Sozialdemokraten, die sich lieber um diese Szenen kümmerten als um ihre einstigen Stammwähler. Die Grünen gewannen diesen Wettbewerb erst dann, als die Sozialdemokraten keine Steuergelder mehr zu verteilen hatten. Dann wurden all diese Szenen rasch grün, weil ihnen die Roten trotz allem noch immer zuviel miefigen Pensionisten- und Arbeitergeruch ausstrahlten.

Das dreifache Glück der Grünen

Den wirklichen Durchbruch der schon leicht verkalkenden Grünen brachten dann gleich drei Glücksfälle zugleich. Diese machten es plötzlich modischer denn je, grün zu sein.

Erstens: das größte Glück für die Grünen in Wählerprozenten ist zweifellos die Existenzkrise von SPD, SPÖ und Genossen. Bei diesen hat sich völlige Inhaltsleere breitgemacht. Seit Abgang der neoliberalen Parteichefs (wie Tony Blair oder Gerhard Schröder) fallen den Sozialdemokraten nur noch klassenkämpferische Uraltphrasen aus dem 19. Jahrhundert ein. Zugleich haben sie ihre Stammwähler, die Arbeiter und Pensionisten, durch einen Pro-Islam-, Pro-Schwulen- und Pro-Migrations-Kurs provoziert. Überdies haben sie die klügsten eigenen Köpfe wie Thilo Sarrazin bekämpft, statt ihnen zuzuhören.

Daher wird die Sozialdemokratie von den Wählern im Eilschritt verlassen. Die einen – vor allem die sehr migrationskritischen Arbeiter – gehen nach rechts zu Parteien, die man als konservativ oder populistisch zusammenfasst (der Wechsel war nicht so schwierig, ist doch die Sozialdemokratie selber immer in hohem Ausmaß nach dem Motto "Konsum jetzt, Sparen irgendwann" populistisch gewesen). Die anderen – der rote Teil der Bobo-Szene – gehen nach links Richtung Grün (auch dorthin war der Wechsel nicht schwierig, hatten die Sozialdemokraten ihr geistiges Vakuum ja eben weitgehend mit Inhalten der Grünen zuzukleistern versucht).

Die Folge: In Deutschland wurde die einst weit mehr als viermal so starke Sozialdemokratie links von den Grünen schon klar überholt. In Österreich wurde sie von den einst auch hier ebenfalls viel kleineren Grünen zumindest eingeholt. Haargenau dasselbe passierte rechts durch AfD beziehungsweise FPÖ.

Die Mainstream-Medien jubeln über die Auferstehung der Grünen – haben diese doch schon seit langem die Sympathien der Mehrheit der Journalisten hinter sich. Dies ist freilich keine parteigebundene, sondern eine unverbindlich-diffus-gutmenschliche Unterstützung. Etwa im ORF war SPÖ-Nähe nur solange populär, als die SPÖ die Mehrheit in den Gremien hatte; im Herzen sind dort fast alle schon lange grün (oder kommunistisch). Bürgerliche können im ORF nur noch schweigend oder sich anpassend überleben.

Freilich ignorieren die Medien in ihrer Grün-Trunkenheit völlig, dass in Deutschland wie Österreich die Summe von Rot und Grün nicht steigt, sondern von fast 50 auf 35 Prozent gefallen ist, also kaum mehr als ein Drittel der Wählerschaft ausmacht. Das ist weit weniger, als lange die Sozialisten alleine Wähler hatten. Grün triumphiert zwar, aber es gibt in Summe eben keineswegs einen Linksruck, sondern einen langfristigen Rechtstrend.

Zweitens: Das nächste große Glück der Grünen in Deutschland und Österreich sind die wählerattraktiven neuen Männer, die an die Spitze der Partei gekommen sind. Die Erfolgsbringer waren auffallenderweise wirklich durchwegs Männer. Das ist bemerkenswert in einer Partei, die stets Frauenquoten und Binnen-I als heiligstes Gut vor sich hergetragen hat. Die auch als einzige Partei signifikant öfter von Frauen als von Männern angekreuzt wird. Die Grünen waren aber - vorsichtig ausgedrückt - in den Phasen weiblicher Parteiführer nur sehr mäßig erfolgreich.

In Österreich ist der Erfolgsbringer mit Werner Kogler ein langjähriger, eigentlich unauffällig gewesener Hinterbänkler. Er wirkt aber zum Unterschied von vielen anderen Politikern irgendwie echt. Er pflegt seinen steirischen Dialekt und lässt sich durch Blasmusik feiern (frühere linke Grün-Generationen wären hingegen lieber tot umgefallen, statt sich an Blasmusik zu erfreuen). Er hat die Partei unverdrossen im tiefsten Jammertal übernommen, als sie 2017 aus dem Parlament geflogen war. Ihm sieht man es daher auch nach, dass er sich sprachlich bisweilen in einen Wirbel hineinschwurbelt. Aber er erweckt dabei doch immer den Eindruck zu wissen, wovon er eigentlich redet. Kogler ist die leibhaftige Wiederauferstehung der österreichischen Grünen und deshalb absolut sakrosankt.

Er hat zugleich in einem für die Grünen bis dahin undenkbaren Ausmaß von etlichen linken Phrasen und Themen Abschied genommen – freilich ohne sich jemals auch nur von einer einzigen zu distanzieren. Er hat auch erkannt, dass die Pilz-Linie einer manischen Aufdecker-Partei zwar bei Journalisten gut ankommt (die immer dankbar sind für eine "gute" Geschichte), aber bei den Wählern nicht sonderlich populär macht. Er hat stattdessen ab Beginn des Jahres 2019 ganz auf das Klima-Thema gesetzt. Das ist (scheinbar) ein reines Umweltthema und kein Linksthema mehr.

Fast wähnt man die Grünen wieder zurück bei ihrer Entstehungsgeschichte, also beim von den Grünen heroisierten Kampf gegen ein Atom- und ein Flusskraftwerk. Die "Kleinigkeit", dass gerade das zwei Strom-Erzeugungsformen gewesen wären, die viel weniger das von den Grünen heute zur obersten Erbsünde erklärte CO2 emittieren, übersehen sie bei der Verherrlichung des Kraftwerkkampfes. Ebenso wie die Tatsache, dass seit der Verhinderung dieser beiden Kraftwerke viel mehr Strom aus Gas- und Kohlekraftwerken produziert werden muss. Also aus solchen Kraftwerken, die heute der Gottseibeiuns für die Grünen sind.

In Deutschland zählt der Parteivorsitzende Robert Habeck zu den Erfolgsbringern, der als Star aller Talkshows durch Selbstsicherheit und gutes Aussehen brilliert. Aber auch er ist in keinem Punkt von irgendeiner linksradikalen Position abgerückt (und benimmt sich oft rüpelhaft).

Zu den grünen Erfolgsmenschen zählt aber auch der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, der – zum Unterschied von Habeck – in Sachen Migration und Islam eigentlich rechts der Mitte steht.

Und dazu zählt insbesondere auch der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, der so konservativ ist, dass er selbst in der CDU durchgehen würde.

Wir sehen, wie entscheidend Persönlichkeiten in der Politik sind – unabhängig davon, dass sie innerhalb der gleichen Partei eigentlich für recht Unterschiedliches stehen.

Drittens: Der dritte große Glücksfall für die Grünen ist der internationale Greta-Hype des letzten Jahres. Die schwedische Schülerin wird heute von allen Linken verherrlicht wie Jeanne d'Arc von den Franzosen. Wie eine fanatische Sektengründerin verkündet sie den Weltuntergang, falls man sich nicht bekehrt und ihr nachfolgt. Erstmals in der Geschichte wurde solcher Unsinn aber nicht nur Basis einer Sekte, sondern auch Treibstoff für eine Partei und politisches Programm.

Dieses Programm ist aber damit zugleich heute die größte Bedrohung von Freiheit und Demokratie. Denn sein Kern lautet: Wenn ihr nicht bis in den Alltag hinein unseren Anordnungen gehorcht, geht die Welt unter!

Der Archimedische Hebel für eine Diktatur

Mit dieser Kausalitätsbehauptung lässt sich jedes totalitäre Regime errichten, lässt sich jeder Widerspruch niederwalzen. Wer den Greta-Doppelsatz akzeptiert, dass die Klimaerwämung erstens primär menschengemacht sei, und dass sie zweitens zum Untergang der Menschheit führen werde, der akzeptiert einen Archimedischen Punkt, von dem aus absolut jede Demokratie, jedes Gesetz, jedes Menschenrecht, jeder Rechtsstaat aus den Angeln gehoben werden kann. Niemand kann noch auf Recht und Freiheit pochen, wenn er der Rettung der ganzen Erde entgegensteht.

Die grüne Greta-Religion ist damit keineswegs lächerlich, sondern nach Nationalsozialismus, Kommunismus und Islamismus die vierte große Bedrohung unserer Freiheit binnen hundert Jahren geworden. Und die netten Gesichter von Kogler, Habeck & Co sind die politischen Nutznießer dieses religiösen Neototalitarismus. Sie haben – natürlich – diesen Glücksfall des Gretismus begierig aufgegriffen. Sie haben sich nicht darum geschert, dass damit die bisherige grüne Identität komplett geändert wird. Wenn man plötzlich zum Weltretter werden kann, dann braucht man das mühsame Klein-Klein der grünen Bürgerinitiativen nicht mehr.

Dass aber diese totalitäre Gefahr so groß ist, ist nicht die Schuld der Wähler, die ja überall zu weit mehr als drei Viertel genuin demokratische Parteien wählen. Es ist die Schuld aller anderen Parteien, die selbst immer wieder ein bisschen Klima-Apokalypse nachplappern, statt den Mumm zu haben, mutig den schwachsinnigen, wenn auch strahlungskräftigen Prophezeiungen entgegenzutreten.

Sie lassen es zu, dass die vielen Naturwissenschaftler aggressiv bekämpft, aus Wikipedia gestrichen und konsequent von öffentlichen Auftritten, Professuren und Publikationsmöglichkeiten ferngehalten werden, die die Greta-Religion, den UN-Klimarat IPCC und die Behauptung kritisieren, dass deren Thesen "wissenschaftlich" unwiderlegbar bewiesen wären.

Der Umgang mit den "Klimaskeptikern" erinnert lebhaft an dunkle Epochen der Vergangenheit, als man Gefahr lief, auf dem Scheiterhaufen zu landen, wenn man öffentlich meinte: "Und sie bewegt sich doch". Damals waren ebenfalls alle dominierenden Wissenschaftler von anderen Unsinnigkeiten überzeugt: Etwa, dass die Erde der Mittelpunkt des Weltalls wäre; etwa, dass ein Aderlass eine gute Therapie für Krankheiten wäre; etwa, dass Impfungen ein Teufelswerk wären. 

Gewiss: Irgendwann sind all diese "wissenschaftlichen" Fakten im Mülleimer der Wissenschaftsgeschichte gelandet. Dasselbe wird auch mit der Unterdrückung einer freien, offenen und gleichberechtigten Diskussion unter Naturwissenschaftlern über die Ursachen, Vorteile und Nachteile des (ja seit Millionen Jahren in alle Richtungen stattfindenden) Klimawandels passieren. Die Frage ist nur: Wie lange wird das dauern? Wird auch der grüne Greta-Totalitarismus wie die anderen Totalitarismen bis dahin jahrelang ein Schreckensregime errichten können, mit strengen Strafen für jede ungenehmigte Meinung, mit Haft, Mord und vielleicht auch Folter?

Das sind keine leeren Ahnungen. Denn die Meinungsdiktatur hat ja schon auf vielen Ebenen begonnen. Vorlesungen mit unerwünschten Inhalten werden blockiert. Staatsanwälte bilden Jagdkommandos gegen unerwünschte Meinungen. Vereine sollen ohne jeden validen Grund verboten werden. Die Grünen bezeichnen die drittgrößte Partei des Landes ständig als "Rechtsextremisten". Und das schwarz-grüne Regierungsprogramm wie auch die vom ganz linken Flügel kommende Justizministerin sind eine intensive Kriegserklärung gegen "Rechtsextremisten". 

Heute stellen die Grünen eine weitaus größere Gefahr für unsere freie und demokratische Gesellschaft dar als Neonazis und Neokommunisten. Die Wahrscheinlichkeit ist extrem gering, dass sie selber freiwillig noch einmal diesen Weg verlassen. Viel zu verlockend ist die Macht, die man sich damit dauerhaft und auf moralisch hoher Warte zu erobern hofft. Der Regierungseintritt ist auf diesem Weg wohl die entscheidende Wende gewesen.

Die totale Machtergreifung wird überdies umso leichter, als die anderen Parteien ungeprüft viele grüne Phrasen nachplappern: Die Roten fast alle, die Schwarzen, Blauen, Gelben wesentliche Teile.

Mit Eroberung dieses Archimedischen Punktes ist aber auch die grüne Phase vorbei, zu der die Partei lediglich ein Mischgemüse diverser völlig unzusammenhängender Bürgerinitiativen gewesen ist. Mit den diversesten Zielen:

Einmal war da für die Freigabe von Cannabis gekämpft worden; einmal gegen den Lobautunnel; einmal gegen die dritte Flughafenpiste; einmal für die Wiederbesiedlung der Alpen durch Wölfe und Bären trotz des Risikos für Bauern und Wanderer; einmal für mehr Sozialhilfe an "Flüchtlinge" trotz der dadurch entstehenden Magnetwirkung; einmal für die Eliminierung von Parkplätzen; einmal für wandernde Bäume in der Stadt; einmal für Fahrräder und Tretroller auf Kosten der Fußgänger; einmal für Frauenquoten bei allen interessanten Posten (aber nicht bei der Aufnahme illegaler Immigranten); oder einmal für mehr Steuergeld zugunsten selbsternannter Künstler.

Das ist mittlerweile grüne Vergangenheit. Der grüne Einsatz für das monströse Bauprojekt eines Spekulanten zwischen Stadtpark und Künstlerhaus und für die Verbauung der Steinhofgründe zeigt, dass ihnen Bürgerinitiativen inzwischen sogar völlig wurscht sind.

Die Grünen haben erkannt, dass sie auf dem Weg der Bürgerinitiativen-Akkumulierung nie zum Ziel der Macht kommen. Sie haben zugleich erkannt, dass ohne Religion dauerhafte Machteroberung nicht möglich ist, dass sie also einen unangreifbaren obersten Glaubenssatz benötigen. Der kommt halt nicht mehr aus dem Christentum, sondern aus der Greta-Religion.

Damit sind wir aber auch wieder bei den Anfängen der grün-alternativen Bewegung, bei der neomarxistischen Studentenrevolution. Ist doch der Marxismus in seinem Herrschaftsanspruch immer genauso totalitär gewesen wie der jetzige Gretismus. Haben doch die Grünen dieses marxistische Machtstreben nie aufgegeben, sondern nur hinter der bürgerlichen Umweltbewegung und netten Gesichtern versteckt. Hat doch der Marxismus genauso wie die jetzige Weltuntergangsdoktrin auch immer behauptet, "wissenschaftlich" unwiderleglich bewiesen zu sein. Haben doch Kommunismus und Nationalsozialismus auch immer die gleichen drei Institutionen erkannt, die es als erste total zu durchdringen gilt: Medien, Justiz und Universitäten.

Der Rest folgte dann ganz von alleine.

PS: Um nicht missverstanden zu werden: Ich halte die Gefahren durch die rapide Islamisierung Westeuropas für noch größer als durch den "Gretismus". Nur ist eindeutig, dass die grüne "Klimatod"-Panik die Abwehrkraft Europas zusätzlich schwächt und dass die Grünen, mit wenigen Ausnahmen, die Gefahren durch den Islam nicht einmal annähernd begreifen, sondern mit Hilfe der zunehmend grün unterwanderten Justiz jede Warnung davor sogar militant bekämpfen.

Dieser Text ist in ähnlicher Form auch in der Zeitschrift "Freilich" erschienen.

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