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Die Liste Strache wird eine matte Sache

Selbst jene Österreicher, die Sympathien für eine Liste rund um H.C. Strache haben könnten, müssen erkennen: von Professionalität ist da keine Spur, ebenso wenig von seriösen Erfolgsaussichten. Viel spannender ist hingegen, was das für den Rest des Landes und die Koalitionsbildung bedeutet.

Die mangelnde Professionalität der Strache-Sympathisanten lässt sich bereits am Timing erkennen, zu dem die Parteigründung bekanntgegeben worden ist. Man wählte ausgerechnet einen Zeitpunkt wenige Stunden vor Bekanntgabe des britischen Wahlergebnisses. Überdies hätte man wissen müssen, dass gleichzeitig der erste EU-Gipfel mit einer Fülle spannender Aspekte auf dem Programm stand: mit dem erstem Auftritt der neuen Kommissionspräsidentin; mit Bekanntgabe des groß betrommelten New Green Deal und seiner ersten dramatischen Auswirkungen auf alle Europäer; sowie – was allerdings weniger vorhersehbar gewesen ist – mit einem offenen Ausbruch eines Atomenergie-Kriegs zwischen Österreich samt Luxemburg auf der einen Seite und dem Rest Europas auf der anderen. Und das alles in die Vorweihnachtszeit hinein, in der vorsichtig ausgedrückt die allgemeine Aufmerksamkeit für Politik eine reduzierte ist.

Wer da hinein die Gründung einer neuen Partei terminisiert, hat wenig Ahnung von politischer Kommunikation. Zeitungen werden ja deshalb nicht umfangreicher, Nachrichtensendungen nicht länger, nur weil da eine neue Kleinpartei gegründet wird.

Ebenso gegen einen Erfolg spricht, dass diese Kleinpartei einzig von drei Wiener FPÖ-Hinterbank-Gemeinderäten gegründet worden ist, deren Namen die allermeisten Österreicher oder auch Wiener bis vor wenigen Tagen nie gehört haben.

Parteigründungen dieser Größenordnungen reichen normalerweise nur für einen Einspalter auf den hinteren Seiten der Zeitungen. Lediglich die Möglichkeit sorgt für Aufmerksamkeit, dass auch H.C. Strache der Partei beitritt. Das hat dieser vorerst allerdings noch nicht getan – ist er doch noch Mitglied einer anderen Partei und hat er bis vor wenigen Stunden doch noch behauptet, ein solches bleiben zu wollen. Diese andere Partei wird ihn jetzt wohl mit Sicherheit ausschließen.

Aber auch ein Mittun Straches würde nichts an der Chancenlosigkeit der neuen Partei ändern. Denn noch nie hat eine neue Partei mit so wenig politischem Personal begonnen. Normalerweise steht bereits am Beginn eine Garde an Persönlichkeiten bereit, wie etwa bei der einstigen Gründung des BZÖ oder des LIF oder der Neos. Ein von einer Fülle von Gerichtsverfahren belasteter Ex-Parteiobmann jedoch wird die neue Gruppe nicht retten, auch wenn sein Kampf mit der eigenen Ex-Partei zweifellos eine Zeitlang viel mediales Echo auslösen wird. Für Medien gibt es ja nichts Lustigeres als solche Kämpfe. Die versteht ein jeder, die sind nicht so zähe und anspruchsvoll wie die Sachthemen, mögen diese auch noch so wichtig sein: von den Staatsfinanzen bis zur Migration, vom Zustand der Strafjustiz bis zu dem des Bundesheeres, von den Folgen des EU-"Green-Deals" bis zur Währungspolitik.

Dennoch wird es dem Strache-Klub auch mit Hilfe der intensiven Berichterstattung medialer Voyeure nicht glücken, bei den Wählern zu punkten. Dazu wird diese zu kritisch ausfallen. Dazu fehlt ihm vor allem eine inhaltliche Story, die Wähler emotional ansprechen könnte. Selbstmitleid ist da ein wenig zu wenig, vor allem wenn zugleich vom Spesenmissbrauch bis zur in Ibiza geoffenbarten Korruptionsbereitschaft allzu viel gegen Strache spricht. Und auch wenn er jetzt seinerseits irgendwelche Schmutzgeschichten gegen bisherige Parteifreunde lancieren sollte, kann er diesen zwar schaden, kann aber selber nicht davon profitieren. Rachefeldzüge erwecken Neugier, aber sicher keine Bereitschaft, einen der Streithähne zu wählen.

Außerdem ist jedem Wähler klar: Jede Unterstützung für die Strache-Liste reduziert noch weiter die Chancen auf ein Revival für eine bürgerliche Koalition. Dazu ist der Hass zwischen Strache und seiner Ex-Partei zu groß geworden, als dass jemals noch eine Dreierkoalition mit einer (sich eventuell wieder reumütig von den Grünen abwendenden) ÖVP denkbar wäre.

Das gleicht übrigens ganz der Lage nach der Wahl 2006/2007: Damals hätte eine Rechtskoalition ÖVP-BZÖ-FPÖ zwar 94 Mandate gegen 89 von Rot-Grün gehabt. Was gereicht hätte. Aber die Abneigung zwischen dem Haider-BZÖ und der Strache-FPÖ war unüberwindbar. Dieses Hassmatch konnte nur mit einem politischen K.O.-Schlag – oder dem Tod eines Kontrahenten enden.

Auch abgesehen von irgendeiner packenden inhaltlichen Botschaft fehlen der Strache-Partei noch alle anderen essentiellen Bestandteile für eine Parteigründung. Die da heißen:

  1. organisatorische Struktur (Haider hatte bei seiner BZÖ-Abspaltung die Kärntner FPÖ-Organisation, den Parlamentsklub und alle FPÖ-Minister hinter sich; Strache hat gar nichts hinter sich),
  2. Parteiprogramm (Strache weiß wohl selbst noch nicht, ob er sich rechts oder links von der FPÖ positionieren soll, war doch Sachpolitik noch nie seine Stärke),
  3. Geld und
  4. publizistische Unterstützung.

Während man ein Parteiprogramm eventuell schnell schreiben lassen kann, sind vor allem die letzten beiden Punkte essenziell.

Denn selbst wenn Strache und das Häuflein seiner drei Aufrechten wider Erwarten einen wattierten Sponsor finden sollte, der nicht gleicht abwinkt wie der von Parteigründungsphantasien geheilte Frank Stronach, darf ein solcher Sponsor ohnedies fast kein Geld mehr fließen lassen. Üppige Spenden verbietet nämlich das im Sommer beschlossene Parteispendengesetz, das es künftig fast unmöglich macht, neue Parteien zu gründen.

Völlig neue Parteien dürfen bei ihrem ersten Antreten maximal eineinhalb Millionen Euro einsammeln, und kein Spender darf mehr als 37.500 Euro überweisen (alte Parteien dürfen noch viel weniger Spenden kassieren). Damit kann man keine Partei mit Überlebenschancen gründen, auch nicht samt den Geldern für eine Wiener Gemeinderatsfraktion, die den Strache-Freunden nun zufließen werden. Pikant ist übrigens, dass die ja selbst an Großspendern ziemlich nackte FPÖ sogar für noch strengere Limits gewesen wäre. Als hätte sie schon geahnt, dass es darum gehen wird, eine Parteigründung Straches zu behindern.

Noch schlimmer für Strache ist, dass er keinerlei Unterstützung irgendeines Mediums hat. Auch dadurch unterscheidet sich die jetzige Gründung der Minipartei von früheren Abspaltungen einzelner Promis von ihren Parteien. Die bekanntesten waren alle massiv von einem starken Medium unterstützt:

  • Franz Olah (Ex-SPÖ-Innenminister, Ex-Gewerkschafts-Chef, verdienstvoller Kämpfer gegen kommunistische Versuche der Machtergreifung 1950) war in den 60er Jahren von der damals besonders linken SPÖ hinausgeworfen worden. Er genoss massive Unterstützung durch die Kronenzeitung, gelangte aber 1966 dennoch nicht ins Parlament, und 1969 nur für eine einzige Periode mit drei Mandaten in den Wiener Gemeinderat.
  • Hans-Peter Martin (einstiger Journalist und SPÖ-Spitzenkandidat bei den EU-Wahlen 1999) erreichte 2004 und 2009 bei EU-Wahlen mit ebenfalls massiver Unterstützung durch die Kronenzeitung zwei beziehungsweise drei Mandate (immerhin 14 beziehungsweise 18 Prozent) – zerstritt sich aber jedes Mal mit sämtlichen Mitmandataren und erreichte bei der Nationalratswahl 2006 nur 3 Prozent.
  • Peter Pilz (grüner Dissident) gelang es 2017, mit massiver Unterstützung durch den ORF ganz knapp ins Parlament zu kommen. 2019 jedoch half ihm auch diese Unterstützung nichts mehr.

Ganz abgesehen davon, dass die Marktanteile von Kronenzeitung und ORF seit ihren damaligen Wahlkämpfen von Jahr zu Jahr schrumpfen: Strache wird mit Sicherheit nicht einmal von der heutigen Rest-Krone oder dem Rest-ORF unterstützt werden.

Aus all diesen Gründen werden selbst ehemalige Strache-Fans in der FPÖ-Wählerschaft kaum mit diesem gehen. Aus dem heutigen Bruderzwist im Hause FPÖ wird nur einer übrigbleiben. Und der wird nicht Strache heißen.

Was aber heißt die Abspaltung Straches für die restliche Politiklandschaft Österreichs – also vor allem für die Koalitionsperspektiven? Das hängt sehr davon ab, wie schnell es der FPÖ gelingt, die Causa Strache abzuschließen, ohne dass da ständig noch etwas nachkommt. Gelingt ihr das, dann steht sie koalitionsfähiger als noch vor wenigen Wochen da. Dann kann sie sagen: Wir haben uns gesäubert, wir lassen den Problembereich bei Strache, wir haben jetzt keinen internen Konflikt mehr (Hofer und Kickl haben ja gut zusammengehalten).

Gelingt ihr das aber nicht, dann wird es keine Alternative mehr zu Schwarz-Grün geben. Dann werden zwingenderweise die Grünen in weit höherem Ausmaß, als es ihrer Stärke entspricht, Österreichs Zukunft bestimmen.

Doch selbst wenn der FPÖ ein rascher Abschluss der Causa Strache gelingen sollte, bleibt die Parteispitze verunsichert: Denn jeder einzelne Hinterbänkler kann, wenn er von der Parteispitze etwas härter angefasst werden oder wenn er seinen Willen nicht durchsetzen sollte, künftig viel effektvoller damit drohen, die Partei zu wechseln. Das wird das Durchgreifen schwierig machen, wenn es einmal wirkliche echte "Einzelfälle" geben sollte, die in mehr als einem seit 14 Jahren unbenutzt in einem Bücherschrank liegenden Liederbuch bestehen, also echte Problemfälle, die nicht nur von Falter, ORF und einigen linken Staatsanwälte als Verbrechen angesehen werden. Dann wird die FPÖ im Eigeninteresse nachdenken müssen, ob sie den Verlust eines weiteren Mandatars riskiert.

PS: Das ungeschickte Taktieren Straches im letzten Halbjahr bestätigt übrigens auch etwas, was lange nur als Spruch von FPÖ-Gegnern gegolten hat: Das Hirn von Strache hieß Herbert Kickl. Und ohne Kickl ist Strache …

PPS: Das neue Parteispenden-Limitierungs-Gesetz – das eigentlich von Rot und Blau als Waffe gegen die ÖVP gedacht gewesen ist – erweist sich für noch eine andere Partei als ziemlich katastrophal: nämlich für die SPÖ. Diese steckt ja seit den letzten Wahlniederlagen in einer echten Finanzkatastrophe mit hoher Pleitegefahr. Sie kann sich aber als Folge des von ihr selbst betriebenen neuen Gesetzes nun nicht mehr, so wie es der damalige Parteichef Gusenbauer nach der Niederlage 2000 in bis heute nie geklärter Weise geschafft hat, durch geheimnisvolle Millionenspenden sanieren. Allerdings: Heute gibt es keine SPÖ-nahen Banken mehr, da ist die Wahrscheinlichkeit geheimer Großspenden ohnedies sehr gering geworden. Manches Mal ist es schwer, nicht schadenfroh zu sein …

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