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Wie viele Arme gibt es wirklich?

 Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher. Zahllose Journalisten und Politiker haben diese Aussage – diese Behauptung gleichsam auf einer Festtaste ihres Computers gespeichert. Aber auch wenn sie in regelmäßigen Abständen diesen Satz von dort abrufen, bleibt er dennoch eine Unwahrheit. Offenbar haben viele Torwächter der Öffentlichkeit die eiserne Regel: Es dürfen nur schlechte, niemals gute Nachrichten über ihre Schwelle.

Gewiss: Die Nullzinspolitik der letzten zehn Jahre hat zumindest auf dem Papier all jene Reiche deutlich reicher gemacht, die ihr Vermögen in Aktien und Immobilien angelegt haben. Während der Mittelstand, der nur durch Sparbücher vorgesorgt hat, durch das Ausbleiben von Zinsen massiv enteignet worden ist. Zu dieser Entwicklung gehört freilich auch das ebenso eindeutige Faktum, dass Aktien- und Immobilen-Besitzer in den Jahren 2000 und dann wieder 2008 durch einen Kurssturz drastisch ärmer geworden sind.

Überdies hat es den Ärmeren noch nie in der Geschichte genutzt, wenn die Reicheren ärmer geworden sind, egal ob das durch einen Bärenmarkt, konfiskatorische Steuern oder direkte Enteignungen passiert ist.

Noch viel falscher ist der oben stehende Satz in Hinblick auf die Armen, auch wenn mit Definitionen wild manipuliert wird, was Armut eigentlich ist. Meist wird dabei mit der "Armutsgefährdung" agitiert, die dann eintrete, wenn man weniger als 60 Prozent des mittleren (Median-)Einkommens verdient. Das ist freilich ein absurder Maßstab, der bestenfalls die Gleichmacherei nach Art des Prokrustesbettes misst. Denn selbst wenn ein Nichtarmer real um 20 Prozent mehr verdienen sollte, also reicher wird, könnte er plötzlich "armutsgefährdet" werden, wenn das Medianeinkommen zugleich um 25 Prozent steigt.

Diese "Gefährdung" hat mit wirklicher Armut nichts zu tun. Diese wird von der EU viel zielgenauer als "erhebliche materielle Deprivation" untersucht. Solcherart Arme haben vier der folgenden neun Probleme: mit Mietzahlungen, mit den Heizkosten, mit unerwarteten Ausgaben, mit Fleisch/Fisch-Einkauf an jedem zweiten Tag, mit den Kosten einer einwöchigen Urlausreise, eines Autos, einer Waschmaschine, eines Fernsehers oder eines Telefons.

Bei dieser – seriösen – Armutsmessung brechen die regelmäßigen Verarmungs-Behauptungen völlig in sich zusammen. Denn 2008 waren laut EU nur 5,9 Prozent der Österreicher wirklich arm. Und 2018 gar nur noch 2,8.

Wenn das keine gute Nachricht ist! Wären doch im 19. Jahrhundert noch mehr als 90 Prozent unter eine ähnliche Armutsdefinition gefallen (die natürlich anders ausschauen hätte müssen, weil ja viele der offenbar heute lebenswichtigen Dinge damals noch gar nicht erfunden waren). Sind in diesen Zahlen doch auch jene Menschen enthalten, die aus eigenem Verschulden in Deprivation gestürzt sind. Und solche, die ihr Vermögen gut tarnen.

Das ist aber eine ganz schlechte Nachricht für die SPÖ-Strategie. Denn diese sieht wie vor hundert Jahren ihre Existenzberechtigung im Kampf gegen eine angeblich ständig zunehmende Verarmung. Aber nehmen wir einmal an, alle 2,8 Prozent sind wirklich arm: Ihnen stehen immerhin 4,4 Prozent erwachsene Österreicher gegenüber, die über mehr als eine Million Dollar verfügen. Und nur 23 Prozent der Österreicher haben weniger als 10.000 Dollar: Alle anderen müssen Parteien ziemlich fürchten, die ständig davon reden, durch noch mehr Steuern auf die "Reichen" zugreifen zu wollen, um öffentliche Verschwendung zu finanzieren ...   

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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