Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Metternich Blümel

Medien-Kultur-Europa-undsonstnochallesmögliche Minister Gernot Blümel hat ein Klarnamengesetz durch die Regierung gebracht. Das ist das dümmste und schlimmste Gesetz, das diese anfangs zu so vielen Hoffnungen Anlass gebende Regierung Kurz bisher produziert hat. Das erinnert lebhaft an den einstigen Vormärz-Kanzler Metternich und seinen Polizeiminister Gentz, deren totalitäre Bürger-Kontroll-Politik Hauptanlass zu Österreichs einziger echter Revolution, zum Kampf der Bürger 1848 für Grundrechte und Meinungsfreiheit geworden ist. Es kommen einem aber auch andere noch düsterere Gestalten der Geschichte in den Sinn, die die Menschen drangsaliert und sich vor ihren Meinungsäußerungen gefürchtet haben. Jedenfalls sollte der Blümel zustimmende Koalitionspartner FPÖ umgehend die Bezeichnung "Freiheitlich" ablegen. Denn vom Begriff Freiheit – deren wichtigster Kern die Meinungsfreiheit ist – entfernt sich diese Regierung mit Siebenmeilenstiefeln. Und durch das von Blümel vorgelegte Zensur- und Knebelungsgesetz ganz besonders.

An diesem harten Urteil ändert die Tatsache überhaupt nichts, dass praktisch alle ernstzunehmenden Juristen (also nicht bloß solche der Kategorie Heinz Mayer & Co) mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass der vorgelegte Regierungsentwurf sowohl beim Verfassungsgericht, beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wie auch der EU-Kommission scheitern dürfte. Damit könnte also die EU-Kommission wohl zum ersten Mal in ihrer Geschichte zur Verteidigerin der Freiheit werden.

Dieses Projekt erinnert an die kommunistische Diktatur in China, wo man das Internet zur Totalüberwachung einsetzt, wo kritische Stimmen oft auf Jahre in brutalen Lagern verschwinden.

Die hohe Wahrscheinlichkeit einer Aufhebung des Blümel-Gesetzes macht es besonders dumm, dass das Verlangen überhaupt als Gesetzentwurf eingebracht worden ist, dass jeder österreichische Internet-Poster künftig bei der Registrierung nachprüfbar Namen und Adresse angeben müsse.

Glauben Schwarz und Blau ernstlich, dass sie als Oberzensoren und Gefängniswärter im Dienste der Political Correctness populär werden? Dass die Menschen jubeln werden, wenn Österreich in ein strenges Mädchenpensionat im Stil des 19. Jahrhunderts verwandelt wird? Dieser Glaube würde den Eindruck der letzten Wochen verstärken, dass Schwarz-Blau und insbesondere der anfangs so strahlende Bundeskanzler plötzlich jedes politische Gefühl verloren haben (selbstbeschädigende Verlängerung der rot-grünen Propagandamaschinerie ORF; demonstratives Abrücken von Viktor Orban, dem Vorbild vieler europäischer Konservativer; die Stimmen raubende Spitzenkandidatur für Othmar Karas; totales Einschwenken auf den Juncker-Merkel-Weber-Kurs; oder eine Regierungskrise ausgerechnet ob eines Minivereins wie den Identitären, die sich ja so wie die beiden Koalitionsparteien als Patrioten bezeichnen).

Jedenfalls setzen die beiden Regierungsparteien nun haargenau den Weg der Züchtigung unbotmäßiger Meinungsäußerungen fort, für den bisher primär Rot und Grün gestanden sind. Die drastischen Strafen eines totalitären Gummiparagraphen für "Hass" gegen von der Linken geschützte Gruppen wie Moslems oder Afrikaner (aber nicht gegen Pfarrer, Unternehmer oder Bauern, die sind weiter vogelfrei) durch den Verhetzungsparagraphen oder das Netzdurchsetzungsgesetz waren bisher ja eigentlich sozialistische Projekte.

Jetzt wird das alles durch das geplante "Bundesgesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz" übertroffen. Jetzt sind nicht mehr die Linksparteien die obersten Feinde der Meinungsfreiheit, sondern Schwarz-Blau. Eine wirklich tolle Leistung …

Die Herren Kurz und Blümel verteidigen die geplante Registrierungspflicht mit dem hanebüchenen Argument: Was in der analogen Welt strafbar sei, müsse auch im digitalen Raum gelten; daher müsse dort jeder sofort identifizierbar sein. Wo bitte, Herr Kurz, seit wann bitte, Herr Blümel, gibt es in der "analogen Welt" – womit offenbar das ganz normale Leben außerhalb des Internets gemeint ist (Politiker reden halt so geschwollen …) – wo und seit wann gibt es dort Vergleichbares? Müssen die Menschen dort mit einem Namensschild um den Hals oder einer eintätowierten Nummer oder einem Pass in der Tasche herumrennen, nur für den Fall, dass sie einmal etwas Falsches sagen könnten?

Herr Blümel redet, in einem Fernsehinterview auf das schwere Hinken dieses Vergleichs angesprochen, verwaschen herum: Man müsse sich in dieser "analogen Welt" einem Polizisten gegenüber "identifizieren" können. Nein, Herr Blümel, auch das ist Unsinn: Einem Polizisten muss man nicht antworten, und er darf nur dann fragen, wenn er einen Grund hat. Die Polizei darf aber nicht flächendeckend und ohne Grund jeden Bürger, der einfach auf der Straße geht oder im Wirtshaus sitzt, zum Identifizieren zwingen.

Der Regierungs-Vergleich mit der "analogen Welt" hinkt aber nicht nur, er ist auch provozierend: Denn in der realen Welt passieren vor aller Ohren und Augen Delikte, die nicht nur – wie es halt tatsächlich oft im Internet passiert – die Beschimpfung eines Politikers sind, sondern eindeutig Anstiftung zum Mord. Also eindeutig viel Schlimmeres! Aber nichts geschieht.

Wo wird etwa der Jean Ziegler von den Polizeibehörden und der Staatsanwaltschaft verfolgt, der die Anwendung von "Gewalt" als notwendig bezeichnet hat? Der sogar zu Mord aufgerufen hat! Denn die Aussage, dass "Spekulanten aufgehängt" gehören, ist ja nichts anderes als Anstiftung zum Mord. Das ist noch dazu in aller Fernsehöffentlichkeit geschehen, wo es also besonders viele Menschen gehört haben, was also eine solche Anstiftung noch viel übler macht.

Der progressive Intelligenzverlust der Regierung zeigt sich – am Rande sei das bemerkt – an diesem Beispiel ganz besonders: Denn die SPÖ hat ausgerechnet diesem Hetzer Ziegler erst in den letzten Tagen sogar eine Auszeichnung verliehen, statt ihn wegen Anstiftung zum Mord anzuzeigen. Dabei haben zahlreiche SPÖ-Politiker von Salzburg über Linz bis Wien selbst massiv mit Steuergeld(!) spekuliert. Aber Schwarz und Blau haben sich in den vergangenen Tagen lieber gegenseitig wegen Lächerlichkeiten zerfleischt, statt das zu thematisieren. Womit sich Kurz, Strache und ihre Gefährten als politische Stümper erwiesen haben. Denn jeder politische Profi, nicht nur ein Orban, ein Salvini oder ein Trump, hätte die Linke ob des Ziegler-Skandals nicht mehr vom Haken gelassen. Aber Schwarz und Blau ist das in ihrer Unfähigkeit offenbar nicht einmal aufgefallen.

Sie ignorieren Mordaufrufe, wollen aber mit diesem neuen Gesetz Provinz-Pensionisten vor den Kadi zerren, die in irgendeinem Internet-Forum mit ein paar (vor)schnellen Tastenklicks einen Politiker beleidigt haben. Als ob es nicht eigentlich zur Professionalität eines Menschen in der Öffentlichkeit gehörte, so etwas zu ignorieren (auch ich habe in meinem Journalisten-Leben schon hunderte Beschimpfungen und Bedrohungen gehört, analog wie digital, aber nie etwas angezeigt, sondern gelöscht oder in den Papierkorb entsorgt).

Blümel glaubt offenbar allen Ernstes, die Aggression gegen die Politik – die sicher oft mit widerlichen Vokabeln formuliert wird – werde geringer, wenn man sie breitflächig bestraft. Dabei wird genau das Gegenteil erreicht. Die Entfremdung zwischen Bürgern und Politikern wird mit Sicherheit nur noch größer, explosiver, wenn sie sich nicht einmal mehr in ein paar Postings abreagieren darf. Will man wirklich vorrevolutionäre Stimmung schüren?

Besonders ärgerlich, nein lächerlich ist auch, dass man im Jahr 2019 allen Ernstes zu glauben vermag, die Republik Österreich könne ein Gesetz im Alleingang durchsetzen, das den wohl empfindlichsten Eingriff in das World Wide Web seit dessen Entstehen vorsieht. Für die Gesetzesmacher, die das alles offenbar nicht wissen: "World Wide" heißt "Weltweit", und das www ist wirklich etwas Weltweites.

Blümel kämpft jedenfalls gegen den Rest der Welt wie einst Don Quixote gegen die Windmühlen. Sein Zauberrezept: Die globalen Internetgiganten müssen ihm zufolge künftig einen "Zustellbevollmächtigten" in Österreich bestimmen, der dann mit hohen Strafen zur Einhaltung des Gesetzes gezwungen werden wird.

Spätestens bei dieser Passage muss man sich wirklich zwingen, ernst zu bleiben. Ja, glaubt denn der Mann wirklich, dass etwa Facebook oder Twitter so einen Watschenmann wirklich nominieren werden, der sich dann so vorführen lässt? Sie werden dieses Gesetz nicht einmal ignorieren. Und was tut Herr Blümel dann? Will er dann etwa allen Österreichern den Zugang zu Facebook und Twitter abdrehen – oder was?

Täte er das, bräuchten Blau und Schwarz zur nächsten Wahl gar nicht mehr anzutreten, so heftig wäre der Sturm, den die User entfachen würden. Dann stehen Regierung und Österreich blamiert da: als Maus, die brüllte.

Facebook kann sich aber nicht nur auf seine Millionen Fans verlassen (zu denen ich selbst nicht gehöre, aber darum geht es ja nicht), sondern auch auf das EU-Recht. Es gibt nämlich eindeutige EU-Richtlinien, die jedem Unternehmen garantieren, dass es ungehindert in der ganzen Union operieren kann, wenn es die Gesetze jenes EU-Landes erfüllt, wo es registriert ist. Facebook ist das in Irland, und es hält sich an dessen Gesetze. Also werden Blümel & Co am Ende doppelt blamiert dastehen.

Wen freilich dieses Gesetz treffen würde, das sind Internet-Unternehmen, die – derzeit – in Österreich registriert sind. Da ist an der Spitze eindeutig der "Standard" mit dem weitaus größten Online-Forum. Obgleich der "Standard" selber sehr weit links steht, können sich dort erfreulicherweise auch bürgerliche, konservative, christliche, heimatverbundene, klassisch liberale Stimmen relativ frei äußern. Auch wenn diese dann regelmäßig von der linken "Standard"-Mehrheit niedergevotet werden, ist das doch ein positives Zeichen der Offenheit.

Der "Standard" hat diese Alleinstellung aus drei Gründen erreicht: Erstens waren die ersten Internet-Konsumenten einst tatsächlich sehr linksdominiert. Zweitens wurde das rosa Blatt zur offensten Medienplattform Österreichs, als im Online-ORF linker Stalinismus begann, praktisch alle rechts der Mitte stehenden Meinungen zu zensurieren. Und drittens verstecken alle etwas weniger linken Zeitungen ihre Online-Auftritte teilweise hinter hohen Paywalls (Zahlungspflichten), sodass dort nie eine Forum-Kultur entstehen konnte.

Das bedeutet im Grund Unglaubliches: Schwarz-Blau schützen und unterstützen den besonders weit links stehenden ORF, obwohl der nur durch Zwangsgebühren überleben kann, während sie den "Standard" auf seinem Kerngebiet voll attackieren. Obwohl sich dieser (mit Ausnahme der quantitativ unbedeutenden Presseförderung) komplett aus dem Markt finanziert. Obwohl er dort auch – siehe die letzte Media-Analyse – zum Unterschied vom abstürzenden ORF reüssiert. Obwohl er eindeutig pluralistischer wie auch seriöser ist als der Gebührenfunk (was nichts daran ändert, dass ich bei fast keinem Kommentar die Meinung des "Standard" teile).

Das bedeutet, weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Ausländische Medien werden also kein Problem haben, das Blümel-Gesetz zu umgehen oder ganz zu ignorieren. Österreichische wird es voll treffen. Danke, liebe Regierung.

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: War es nicht diese Regierung, die gerade noch vehement gegen das "Golden Plating" zu Feld gezogen ist, also dagegen, dass Österreich in der Vergangenheit europaweite Richtlinien viel strenger umgesetzt hat als notwendig? Und jetzt versucht dieselbe Regierung in Sachen Internetzensur sogar strenger zu sein als alle anderen EU-Staaten.

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Waren es nicht diese zwei Parteien, die vehement die Überregulierung durch frühere Regierungen angeprangert haben? Jetzt wird von den österreichischen Internet-Betreibern verlangt, dass sie jeden einzelnen User ihrer Foren genau identifizieren müssen, was unglaubliche Kosten und Bürokratie auslösen wird.

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Der lauteste Slogan dieser Regierung der letzten Monate hieß eindeutig "Digitalisierung!" Und jetzt setzt sie einen harten Schlag gegen die Digitalisierung Österreichs nach dem anderen: weiterhin hohe Steuern, die viele Start-Ups vertreiben; immense Regulierung durch europäische und österreichische Gesetzgeber; Diskriminierung bei Reprographievergütung und Umsatzsteuer; und zuletzt das Projekt, im Alleingang eine Digitalsteuer einzuführen. Die Frage, ob das alles die Digitalisierung fördert oder behindert, sollte sogar ein Minister beantworten können.

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Für Ausländer, die auf österreichischen Internetseiten posten, gilt das alles jedoch nicht. Und damit natürlich auch nicht für Österreicher, die sich zum Registrieren eine ausländisches SIM-Karte beschafft haben. Gesetzes-Täter Blümel mit der ihm eigenen Überheblichkeit: Das sei halt "bis zu einem gewissen Grad möglich". Also auf deutsch: Das ist ihm wurscht. Ob auch der Verfassungsgerichtshof diese eklatante Ungleichbehandlung der Österreicher so sieht?

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Die Regierung tut so, als ob strafrechtliche Delikte im Internet derzeit nicht verfolgbar wären, weil ohne ihr neues Gesetz (echte) Täter dort  nicht eruierbar wären. Das ist ein ziemlicher Unsinn. Ist doch in aller Regel jeder Einstieg ins Internet ohnedies schon jetzt über die IP-Adresse rückverfolgbar. Bei strafrechtlichen Delikten haben Gerichte auch bisher immer die Herausgabe dieser IP-Adresse durchgesetzt. Daher müsste man eigentlich maximal in Internet-Cafes und ähnlichem eine Ausweispflicht einführen, wenn man schon solche Angst vor bösen Postern hat.
Das einzige, was durch den immensen Aufwand der Klarnamenpflicht wirklich zusätzlich möglich wird: Künftig wird es auch die Möglichkeit geben, zivilrechtliche Ansprüche wegen Internet-Äußerungen durchzusetzen, wie etwa den §1330 des ABGB, also Gewinnentgang oder "Kreditschädigung" durch eine Ehrenbeleidigung, obwohl diese nicht einmal strafrechtlich relevant ist!. Zivilrechtliche Ansprüche sind aber natürlich für jeden Rechtsanwalt viel interessanter als die strafrechtlichen, selbst wenn sie nur auf den meist lächerlichen "Unterlassungs"-Anspruch gehen, dass dieser Poster das halt nicht mehr sagen darf.

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Diese Regierung hat angekündigt, Personal einzusparen. Und woher nimmt sie das Personal nicht nur zur Überwachung eines neuen Gesetzes, sondern vor allem zum Abarbeiten Tausender neuen Gerichtsverfahren? Denn jetzt wird zweifellos eine Flut von Rechtsanwälten das Internet durchforsten, um irgendeine Bemerkung einklagen zu können. Aber das Justizministerium wird wieder einmal um Jahre zu spät mitkriegen, was da durch ein neues Gesetz auf die Justiz zukommt.

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Die Gesetzesschreiber zeigen auch in Details, wie schikanös, ja sadistisch sie sind. Sie verlangen, dass alle Internet-Anbieter bis jeweils 15. Jänner die Umsätze des vergangenen Jahres melden müssen. Das ist also deutlich früher, als selbst das Finanzamt bei der allmonatlichen Umsatzsteuermeldung verlangt, wo man den Dezember erst Mitte Februar melden muss!

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Die Betreiber von Foren müssen "nur" dann Namen und Adresse eines Posters herausrücken, wenn der Verlangende "glaubhaft macht", dass er die Identität des Posters braucht, um gegen ihn vorgehen zu können. Durch eine so unklare Formulierung werden die Betreiber von Foren in diffuse Graubereiche und kostenaufwendige Entscheidungsprobleme hineingestoßen.

Weil wir gerade beim (verzweifelten) Lachen waren: Erst im Vorjahr haben Tausende europäische Unternehmen unter gewaltigen Kosten eine sinnlose "Datenschutz"-Verordnung umsetzen müssen (allein dieses kleine Tagebuch hat das empfindliche Summen gekostet). Genutzt hat das alles bekanntlich gar nichts, außer dass man auf jeder Internet-Seite jetzt den Datenschutz-Hinweis immer erst wegklicken muss. Viren-, Spam- und Phishing-Kriminelle hingegen haben sich durch all diesen Aufwand natürlich keine Sekunde aufhalten lassen. Die lächerliche Datenschutz-Hysterie war und ist primär den Grünen und der EU anzulasten. Der nunmehr geplante Unsinn ist hingegen eindeutig Schwarz-Blau vorzuwerfen, dass bei den Internet-Betreibern (oder bei zur Umsetzung des Gesetzes neu entstehenden und kassierenden Telekom-Firmen) gewaltige Mengen an sehr persönlichen Daten akkumuliert werden, obwohl sie die gar nicht haben wollen. Damit wird also das haargenaue Gegenteil des von der Datenschutzverordnung Bezweckten erreicht.

Zusätzliche Groteske: In Südkorea hat es schon einmal diese "Klarnamenpflicht" gegeben, die dann genau wegen dieses Datenproblems wieder aufgegeben werden musste: Denn ein Hacker (vielleicht aus Nordkorea, dem – siehe BVT – neuen Freund der Staatsanwaltschaft?) hat Unmengen an Datenkopien gestohlen. Aber wenn es Österreich macht, ist ja alles ganz anders …

Das Allergroteskeste zum Schluss: Das neue Gesetz gilt nur für Diensteanbieter, die mehr als 100.000 "registrierte" User haben. Das klingt beruhigend. Damit öffnet man freilich Tür und Tor für absolut jede Umgehung. Denn dann wird jedes intelligente Internet-Medium umgehend die Registrierungspflicht beenden, um unter diese Grenze zu rutschen, die einen ungeheuren Aufwand auslösen würde ...

Wahrscheinlicher ist aber eher, dass die Regierung das alles gar nicht durchdacht hat. Daher wird das Gesetz, selbst wenn es wider Erwarten nicht von EU oder Gericht gestoppt werden sollte, schon deswegen bald novelliert werden müssen.

Angesichts dieser 100.000er Grenze könnte ich mich vorerst für das Tagebuch ja selber beruhigt zurücksetzen. Erreicht es doch diese Grenze bei weitem nicht. Denn registriert sind im Tagebuch ja nur die Abonnenten, nicht aber die nicht zahlenden User (von denen es im Vorjahr 470.000 unterschiedliche IP-Adressen gegeben hat, von denen einmal oder auch täglich im Tagebuch vorbeigeschaut worden ist).

Aber selbst wenn das neue Gesetz offenbar einen Konkurrenz-Vorteil für das Tagebuch bringt, muss ein so massiver Eingriff in eine der wichtigsten Freiheiten dennoch allerschärfstens abgelehnt und bekämpft werden. Denn Grundrechte wie die Meinungsfreiheit sollten in diesem Land immer und überall gelten, auch für die, die man nicht mag, auch für die, die man als Konkurrenten ansehen muss. Vor allem lehrt die Erfahrung: Wenn man einmal hinnimmt, dass Bürgerrechte mit einem Federstrich hinweggefegt werden, dann kann es beim nächsten Mal problemlos auch einen selber treffen.

Und dazu müsste der Gesetzgeber lediglich ein einziges Wort des Entwurfs streichen, nämlich "registrierte" vor dem Wort User. Und schon ist das Tagebuch tot.

PS: Manche haben mich bereits gefragt: Was tun außer Verzweifeln? Da gibt es nur eine Antwort: Bestürmen Sie – via Mail, Telefon, Inseraten, Besuchen von Versammlungen – den Politiker Ihres Vertrauens. Und machen sie ihn dabei zumindest glauben, dass er das noch ist.

PPS: Noch nie hätte Österreich so dringend eine liberale Partei gebraucht, die primär unsere Freiheit verteidigt. Aber jene Partei, die manchmal mit diesem Adjektiv versehen wird, zeigt sich genauso wenig liberal wie alle anderen, ist lieber Political-Correctness-Polizist als Freiheitskämpfer.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung