Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Der große Menschenrechts-Schmäh

Die im Gefolge der Aufklärung – in Österreich insbesondere 1848 und 1867 – erkämpften Grund- und Freiheitsrechte waren ein großer Triumph der westlichen Zivilisation. Sie waren nach den Zehn Geboten des Alten Testaments, dem Nächstenliebe-Gebot des Neuen Testaments und der in vielen Kulturen auffindbaren Goldenen Regel die wichtigste Errungenschaft für ein besseres Zusammenleben von Menschen und Gemeinschaften. Jedoch: Wie bei vielem anderem Gutem kann es auch bei "Menschenrechten" ein dialektisches Umschlagen ins Gegenteil geben. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat man mehrfach sehen können, dass ein vermeintliches Immer Mehr zu einem Immer Weniger führen kann.

Politik und Rechtswissenschaft haben zuwenig begriffen, dass die Verstärkung einzelner Menschenrechte andere Rechte beeinträchtigen und schmälern kann. Man hat Nebenwirkungen nicht durchdacht oder vorhergesehen. Man hat den Slogan "Mehr Menschenrechte!" auch oft zur Tarnung politischer Machtagitation oder Propaganda benutzt. Für viele Menschen (um die es ja laut Bezeichnung eigentlich gehen sollte) ist daher das wuchernd missbrauchte Vokabel "Menschenrechte!" zunehmend vom einst erkämpften Wert zum politischen Schmäh geworden.

Das ist eine schlimme Entwicklung, weil damit auch das Viele Wichtige und Gute an den Menschenrechten abgewertet ist. Dennoch kann es keinen Zweifel geben an der problematischen Entwicklung rund um die Menschenrechte. Als Beweise für diese Entwicklung seien einige Beispiele aus einer schier unendlichen Liste genannt:

Keine Menschenrechte der Opfer

Das heute wohl auffälligste Defizit der Menschenrechts-Entwicklung ist die Tatsache, dass zwar die Menschenrechte von Tätern und Gefährdern immer mehr ausgebaut worden sind, dass aber die Menschenrechte der potenziellen Opfer kaum mehr relevant sind. Deren wichtigstes Recht sollte nämlich nicht nur nachträglicher Schadenersatz und Schmerzensgeld sein, sondern der Schutz davor, dass es überhaupt zu Verbrechen kommt.

Jedoch ist die Entwicklung genau in die Gegenrichtung gegangen:

  • Bei immer mehr Gewaltverbrechen wird von psychischen Krankheiten des Täters als Ursache gesprochen. Nehmen wir einmal an, das stimmt auch. Dann müssen wir aber auch über die in den 70er Jahren von Italien (konkret Triest) ausgegangene und bis heute wirksame Welle der Öffnung aller psychiatrischen Anstalten reden. Die zwangsweise Anhaltung psychisch kranker und gefährlicher Menschen wurde zu einer schlimmen Menschenrechts-Verletzung gestempelt. Eine Generation später müssen wir freilich feststellen: Zwar dürfte früher die zwangsweise Anhaltung psychisch auffälliger Menschen bisweilen zu streng gehandhabt worden sein. Seither aber hat die Liberalisierung viele schlimme Verbrechen ermöglicht. Unsere Gesellschaften haben es dabei zwar gut gemeint, aber eindeutig übers Ziel geschossen.
  • Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei der ebenfalls menschenrechtlich argumentierten Einschränkung der polizeilichen Arbeit. Früher haben Polizisten vielfach Übeltäter auch bei kleineren Delikten wie Widerstand gegen die Amtsgewalt, Raufereien oder Diebstählen eine Nacht in einer Polizeistation verbringen lassen. Für Jugendliche gab es manchmal auch eine rasche Ohrfeige. All das ist durch eine penible Regulierung der Polizeiarbeit heute streng verboten. Jedoch hatten solche raschen und schmerzhaften Konsequenzen unmittelbar nach der Tat viel mehr spezialpräventive Wirkung als ein Prozess samt bedingter Verurteilung ein halbes Jahr nachher.
  • In dieses Kapitel gehört auch die in Hinblick auf einen der Gewalttäter der letzten Tage bekanntgewordene Information, dass der Mann vorher schon 52 Mal polizeilich wegen der verschiedensten Delikte angezeigt worden war. Das waren wohlgemerkt Anzeigen, keine Verurteilungen. Diese haben offensichtlich Null Eindruck auf ihn gemacht. Noch schlimmer ist, dass sich diese Entwicklung auch sehr demotivierend auf die Arbeit der Polizei auswirken muss. Wer mag schon unzählige Anzeigen schreiben, die bei der Justiz nie zu etwas führen und daher auch bei den Täter nichts bewirken.

Die Folterpanik

Auch das Folterverbot hat einige eindeutig negative Folgen, selbst wenn es an sich natürlich eine positive Entwicklung ist. War doch die bis in die Neuzeit auch in Europa praktizierte Folter bei Verhören oder als Strafe eindeutig einer der schmerzvollsten Teile unserer Vergangenheit. Dennoch muss man heute ernsthaft die Frage stellen – auch wenn das von Formaljuristen als Tabubruch verurteilt wird: Haben wir mit der Absolutsetzung dieses Verbots nicht ebenfalls übers Ziel geschossen? Diese kritische Frage sei wieder mit einigen Hinweisen untermauert:

  • So verbietet die gegenwärtige Menschenrechtsjudikatur generell die Abschiebung in Länder, wo es Folter oder Todesstrafe gibt. Das ist verboten, selbst wenn es um verurteilte Mörder geht. Selbst wenn es keine konkreten Hinweise gibt, dass im konkreten Fall Folter oder Todesstrafe drohen würde. Selbst wenn es Fälle gibt, wo sich Migranten sogar absichtlich als Drogendealer erwischen lassen, damit sie nicht abgeschoben werden können (weil es eben daheim die Todesstrafe gibt).
  • So dürfte man letztlich in überhaupt kein Land mehr abschieben, weil dort entweder Todesstrafen möglich sind (von den USA bis China) oder weil es dort nachgewiesene Fälle von Folterungen gegeben hat. Auch nicht nach Österreich – siehe etwa den Fall Omofuma.
  • So haben dogmatische Richter und Menschenrechtstheoretiker Folter, ja auch nur ihre bloße Androhung selbst dann für absolut unzulässig erklärt, wenn deren Einsatz die konkrete Rettung von Menschenleben zum Ziel hat. Etwa wenn nur durch Folterung eines Verbrechers eine Bombe gefunden werden könnte, deren drohende Explosion andere Menschen töten würde. Etwa wenn die Polizei mit Hilfe der Folter den Aufenthaltsort eines entführten Kindes finden will, das wegen einer Krankheit dringend Medikamente benötigt.
  • So ist die von Formaljuristen als Lösung vorgeschlagene Verpflichtungserklärung des aufnehmenden Staates, nicht zu foltern, schlicht lächerlich. Einerseits behauptet ohnedies jeder Staat, dass bei ihm nie gefoltert würde. Daher sei das Verlangen einer solchen Erklärung beleidigend. Andererseits haben ohnedies nur die allerwenigsten Staaten Interesse daran, solche unguten Typen zurückzunehmen.

Religionsfreiheit und Islam

Die schrittweise Einführung der Religionsfreiheit durch Toleranzpatente usw. war eine der positivsten Entwicklungen der Geschichte. Man denke nur an die widerlichen antisemitischen Pogrome. Man denke nur an die schlimmen Zeiten eines "Cuius regio eius religio", als der Fürst einfach vorgegeben hat, was all seine Untertanen zu glauben hatten. Man denke an die blutigen Religionskriege. Man denke an die schlimmen Christenverfolgungen im Kommunismus und Nationalsozialismus (oder im alten Rom).

Allein: Kann das im gleichen Maß auch für eine Religion gelten, die in ihrem heiligen Buch an vielen Stellen zur Ermordung von Christen und Juden aufruft? Die Frauen in breiter Front die Gleichberechtigung, also ein anderes Menschenrecht, verwehrt? Die auch heute noch dort, wo sie regiert, vielfach Angehörige anderer Religionen als zweitrangig, als tributpflichtig behandelt? Deren Imame zugleich vielfach verlangen, dass dieses Buch wörtlich zu nehmen und jeder Interpretation entzogen ist?

Gewiss kann niemand überprüfen, ob die kolportierte Zahl von mittlerweile – weltweit – 43.000 Terroranschlägen stimmt. Aber jedenfalls ist die Zahl rein religiös motivierter Morde und Anschläge groß. Es wird daher für immer mehr Menschen unakzeptabel, wenn die Ausübung einer solcherart so oft missbrauchten oder auch mitverantwortlichen Religion von rein formalistisch denkenden und die fundfamentale Problematik nicht durchschauenden Richtern genauso als angebliches Menschenrecht behandelt wird wie bei allen anderen Religionen.

Also wieder sehen wir: Auch durch ein Zuviel an Menschenrechten kann eine Katastrophe ausgelöst werden.

Die sozialen Rechte

Eine weitere problematische Entwicklung waren die sogenannten "sozialen" Menschenrechte, die sich nach dem zweiten Weltkrieg in immer mehr Dokumenten finden und die den bürgerlichen (Meinungsfreiheit usw.) und kollektiven (Selbstbestimmungsrecht usw.) Menschenrechten vielfach gegenübergestellt werden.

Dabei geht es aber um völlig andere "Rechte". Diese sind in Wahrheit gar keine ausjudizierbaren Menschenrechte, sondern politische Programme. Während die klassischen Grundfreiheiten bestimmtes Handeln der Obrigkeit verbieten oder einschränken, versuchen die sozialen "Menschenrechte", eine Pflicht zum Handeln zu konstituieren.

Soziale Rechte wie etwa die Rechte auf Arbeit oder Gesundheit sind nie völlig herstellbar. Schließlich sterben wir ja letztlich alle an Krankheiten (wenn wir nicht Opfer eines Mordes, Selbstmordes oder Unfalls werden). Schließlich gibt es nur dann für jeden Arbeit, wenn nicht durch jemand anderen, etwa die Gewerkschaft, Arbeit zu teuer gemacht worden ist.

Die gefährliche Folge: Wenn es Menschenrechte gibt, die nur ein nettes Ziel sein, aber nie zur Gänze eingehalten werden können, dann bedeutet das eine prinzipielle Verwässerung der echten Freiheitsrechte. Ja, noch schlimmer: Vielfach wird genau mit der Berufung auf diese sozialen Grundrechte sogar direkt eine Einschränkung der klassischen Freiheitsrechte gefordert.

Meinungsfreiheit

Mit den vielen Vorstößen der Politik gegen die Meinungsfriheit (oft auch im eigenen Interesse der Politik, um Kritiker mundtot zu machen) hat sich dieses Tagebuch schon mehrfach befasst und wird sich auch in den nächsten Tagen wieder befassen. Dabei geht es etwa um das sogenannte Verhetzungsverbot. Dabei geht es um die besonders in Österreich schlimme Beeinflussung der Medien durch die Bestechungsinserate. Dabei geht es um den Kampf der Staatsmacht gegen die freie Meinungsäußerung im Internet, die man als "Fake News" bekämft, während man gegen Lügen in klassischen Medien nichts unternimmt.

Ein besonders übles Beispiel ist ein neues Handbuch der EU-Kommission für Journalisten, in dem sie einen besonders breiten Angriff auf die Meinungsfreiheit versucht. So provoziert sie mit dem geradezu unverschämten Verlangen, dass die Medien einen islamischen Zusammenhang von Terror und sonstigen Verbrechen möglichst hinunterspielen sollen.

Elternrechte vs. Kinderrechte

Ein raffinierter Angriff auf einen Kern der Menschenrechte läuft unter der Forderung nach Verankerung von Kinderrechten. Dies plant etwa die in Deutschland noch regierende schwarz-rote Koalition unter Berufung auf einen der angeblich rechtlich völlig unverbindlichen UN-Pakte (siehe die jüngste Debatte rund um den UN-Migrationspakt, aber das nur am Rande).

Die Forderung nach mehr Kinderrechten klingt auf erste ja unglaublich positiv. Sind doch Kinder die wehrlosesten Menschen überhaupt, die oft als erste Opfer von Not, Krieg und Armut werden, die in letzter Zeit scheinbar besonders oft sexuell oder sonstwie missbraucht werden.

In Wahrheit aber versteckt sich hinter der konkreten Forderung nach mehr Kinderrechten nicht eine Verpflichtung der Staaten zu mehr Rücksicht auf Kinder, sondern das Ziel einer massiven Einschränkung der Elternrechte. Der Staat nimmt sich unter dem Vorwand des Kinderschutzes immer mehr Rechte, um sich in die Familien einmischen zu können.

Das ist extrem problematisch, ist doch die Familie die weitaus wichtigste Zelle der Freiheit vom Staat, des individuellen Schutzes vor dem Staat, der ja letztlich immer nur eine Summe der Aktionen von Parteien und Beamten ist. Wo ein Staat die Familien zerstören kann, gehen auch immer die individuellen Menschenrechte kaputt -– siehe etwa die ständige Aufforderung an Kinder in totalitären Systemen, ihre eltern zu denunzieren.

Gewiss gibt es Fälle, wo Eltern ihre Kinder vernachlässigen, wo sie ihnen nicht die notwendige körperliche oder bildungsmäßige Fürsorge zukommen lassen. Aber meistens ist das, wozu die staatliche Einmischung führt, absolut keine Verbesserung für die Kinder. So sind Kindesabnahmen, selbst wenn sie in bester Absicht erfolgen, für viele Kinder ein lebenslanges Trauma.

Gleichzeitig geht es bei dieser menschenrechtlichen Verankerung von Kinderrechten nie um das, was für die meisten Kinder in der Familie wichtig wäre: um rechtlichen und wirtschaftlichen Schutz für die Familien. Denn wenn in Staaten – wie beispielsweise derzeit Venezuela – alles kollabiert, helfen den Kindern "Kinderrechte" überhaupt nichts.

Zwar werden Kinder davor geschützt, einmal eine Ohrfeige zu bekommen – aber nicht davor, dass sie eine Stunde vor der geplanten Geburt im Mutterleib als angeblich behindert umgebracht werden können. Und diese Kinderrechte bringen auch keineswegs das demokratische Wahlrecht – denn das könnten ja bis zu einem bestimmten Alter ja nur die Eltern für die Kinder ausüben. Was familienfeindliche Politiker aber keinesfalls wollen.

Asylrecht

Von den – meist im linken und naiv-christlichen Bereich beheimateten – Apologeten eines extensiv interpretierten Asylanspruchs wird in Wahrheit insgeheim ein globales Migrationsrecht für alle sieben Milliarden Erdenbürger angestrebt. Das wird zwar nie explizit zugegeben. Darauf läuft aber die Summe der Pro-Asyl-Forderungen wie auch die Judikatur etlicher europäischer und nationaler Richter hinaus.

Das bedeutet aber umgekehrt für die Bürger jener Länder, die für die Migranten am anziehendsten sind, zwangsläufig eine dramatische Reduktion oder gar Beendigung all ihrer eigenen Menschenrechte.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung