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Die Spekulanten-Verschwörung

Eine „Spekulanten-Bande“ gefährdet den Euro. So ruft es seit Tagen aus den Boulevardzeitungen und aus vieler Politiker Mund. Auch in Antworten zu einem vor zwei Tagen hier erschienen Blog (der aufgefordert hat, Griechenland doch in Konkurs gehen zu lassen) hat so mancher auf die „Spekulation“ verwiesen. Das ist aber trotz der Lautstärke dieser Rufe ein Argument, das ins Leere geht.

Denn Ursache des Euro-Abgleitens in diesem Jahr ist nicht die „Spekulation“ – was auch immer man jeweils darunter verstehen will –, sondern einzig die Tatsache, dass eine Reihe von Euro-Ländern Budgetdefizite von weit mehr als 20 Prozent (beziehungsweise von weit mehr als zehn Prozent des BIP) eingestehen muss. Und dass es keinerlei Anzeichen gibt, dass diese Schuldenmacherei ein Ende findet. Was naturgemäß das Vertrauen in den Euro stört.

Es ist nicht Spekulation, sondern Intelligenz, jemandem kein Geld mehr zu geben, der immer mehr Schulden anhäuft. Oder nur zu einem sehr hohen Preis (=Zinsen).

Wäre nicht die größte Konkurrenzwährung, der Dollar, von ähnlichen Schuldenproblemen geplagt, und würden die soliden Schweizer nicht freundlicherweise wie wild ihnen angebotene Euro vom Markt weg kaufen, um einen allzu starken Frankenanstieg zu verhindern, wäre der Euro-Absturz noch viel steiler.

Wenn Politiker in einer solchen Lage plötzlich anfangen, „Spekulanten“ zu attackieren, dann wollen sie den Spiegel zerschlagen, der ihnen die eigenen Sünden zeigt. Dann sind sie wieder einmal auf der Jagd nach einem Sündenbock. Noch dazu, wo sich niemand wehren wird, weil sich niemand als „Spekulant“ fühlt, sondern weil jeder versucht, mit dem eigenen beziehungsweise dem ihm anvertrauten Geld möglichst erfolgversprechend umzugehen.

Seit es Gläubiger und Schuldner gibt, also seit Jahrtausenden, gibt es die Regel: Wenn ein Kreditnehmer als bombensicher eingeschätzt wird oder wenn er wertvolle Pfänder beistellen kann, dann muss er viel weniger Zinsen zahlen als ein wackliger Schuldner. Wenn man in eine Kategorie von Schuldnern gehört, von denen die kreditgebende Bank annehmen muss, dass im Schnitt jeder zwanzigste umfällt, dann muss sie um fünf Prozent höhere Zinsen verrechnen, will sie nicht selber umfallen.

Geldverleiher sind immer unpopulär


Ebenso viele Jahrtausende gibt es die propagandistische Antwort der Schuldner: Sie bereuen nicht ihre mangelnde Sparsamkeit, sondern beschimpfen regelmäßig die knausrigen Geldverleiher als Spekulanten oder Wucherer – oder klagen über eine „Kreditklemme“. Geld zu verleihen mag zwar bisweilen ein Geschäft sein, populär wird man damit nie. Das war übrigens auch eine der historischen Wurzeln des Antisemitismus.

Besonders skurril und widersprüchlich waren in den letzten Wochen die Kommentare von linken Politikern und Journalisten in Sachen Griechenland. An einem Tag beschimpften sie die Banken, weil sie den Griechen keine Kredite mehr geben wollten; und am anderen Tag beschimpften sie die Banken, weil sie Spekulanten seien, die höhere Zinsen verlangen.

Ohne allzu technisch werden zu wollen: All das Gesagte gilt auch für die kompliziert klingenden Finanzprodukte wie Derivate oder Credit Default Swaps (CDS). Letztere sind etwa die jahrhundertealte Urform von Versicherungsverträgen, in deren Rahmen sich einst in London einige wohlhabende Menschen – natürlich gegen saftige Gebühren – zu kollektiven Ausfallshaftungen für den Untergang einer Schiffsladung verpflichtet haben. Diese Ausfallshaftungen samt Gebühren konnten natürlich auch weiterverkauft werden. Und der Preis bei einem solchen Weiterverkauf entwickelte sich je nachdem, ob die einlangenden Nachrichten die Hoffnung auf ein erfolgreiches Ende der Schiffsreise erhöhten oder nicht.

Im Falle Griechenlands ist es heute genauso. Da muss man nur statt „erfolgreiches Ende der Schiffsreise“ einige andere Worte einsetzen: „erfolgreiche Rückzahlung der Griechenland gewährten Anleihen“.

Natürlich kann man auf eine solche Rückzahlung auch unabhängig von einer Versicherungs-Haftung wetten – ebenso wie auf den Ausgang eines Pferderennens. Voraussetzung ist nur, dass man jemanden findet, der dagegen wettet. Am Ende wird einer der beiden Wettenden seinen ganzen Wetteinsatz verlieren, aber Griechenland wird von der Wette prinzipiell nicht tangiert. Es muss nur das tun, was es versprochen hat, seine Schulden pünktlich zurückzahlen.

Und wenn es das tut, werden all jene, die auf die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands gewettet haben, kräftig auf die Nase fallen.

PS: Würde der werte Leser eigentlich derzeit Griechenland seinen Spargroschen anvertrauen?

PPS: Ich wette fast nie, und wenn, dann nur um eine Flasche guten Rotweins (die man leider oft trotz Gewinns der Wette nicht bekommt, weil viele Menschen gerne auf die Bezahlung vergessen. Daher wetten die meisten klugen Menschen nur noch mit seriösen Partnern – wenn sie schon glauben, die Zukunft besser als andere vorhersagen zu können).

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