Abonnenten können jeden Artikel sofort lesen, erhalten anzeigenfreie Seiten und viele andere Vorteile. Ein Abo (10 Euro pro Monat) ist jederzeit beendbar und endet extrem flexibel einfach durch Nichtzahlung. 

weiterlesen

Ein Land (fast) ohne Alternativen

Medizinisch müssen wir uns wohl auf ein dauerhaftes Leben mit dem Virus, als auf das erhoffte schöne Alles-Ist-Wie-Früher-Leben nach dem Virus einstellen. Von Tag zu Tag rücken jedoch derzeit die medizinischen Fragen gegenüber den zentralen Problemen in Politik und Wirtschaft wieder in den Hintergrund. Wobei die Corona-Krise etlichen Parteien zwar geholfen hat – sie hat aber die frustrierende politische Alternativlosigkeit nicht beheben können. Und wirtschaftlich bedeutet sie eine von vielen noch gar nicht begriffene langfristige Katastrophe.

Der gesundheitliche Ausblick deutet auf die wahrscheinlich dauerhafte Notwendigkeit jährlicher Impfungen oder Konsumation von Vorbeugemedikamenten. Völlig offen sind die Auswirkungen der Corona-Krise in anderen medizinischen Feldern. Sind da nicht durch das Ausbleiben von Vorsorgeuntersuchungen und Therapien viele andere Krankheiten gefährlich übersehen worden? Wie geht es mit den psychischen Folgen einer so langen Phase, da körperliche Nähe, da der Kontakt zwischen den Generationen, ja fast jede Begegnung mit anderen Menschen, also urmenschliche Bedürfnisse, zu etwas prinzipiell Schlechtem gestempelt worden sind? Was bedeutet die Corona-Zeit für die zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen?

Manche Corona-Aufregungen sind gewiss nur politmediale Blindgänger gewesen. Vielfach ist die Krise als Chance genutzt worden, um im Eigeninteresse Alarm zu schlagen, um etwa für Frauenhäuser oder Kinderpsychiatrie mehr Subventionen zu fordern.

Auch die Medien sind nur an größer, nie an kleiner gewordenen Problemen interessiert, die es zweifellos auch als Corona-Folgen gibt. Typisches Beispiel: Als im Herbst 2020 eine Anwaltskanzlei trompetet hat, der Lockdown hätte zu einer Zunahme der Scheidungen geführt, war das in allen Medien eine große Story. Als dann die wirklichen Zahlen einen signifikanten Rückgang der Scheidungen im ersten Corona-Jahr zeigten, interessierte sich niemand dafür. Haargenau das Gleiche spielte sich mit einer angeblichen Zunahme von "Gewalt an Frauen" ab.

It’s the economy!

Viele andere Perspektiven haben sich aber tatsächlich verdüstert. Vor allem auf jenem Feld, das schon immer neben Krieg und Frieden, neben Recht und Ordnung das wichtigste jeder Gesellschaft gewesen ist, also auf dem der Wirtschaft. "It’s the economy, stupid!"

Es ist keine Panikmache, sondern Faktum, dass Österreich wie fast der ganze Rest der Welt seit 2020 die weitaus schwerste Depression seit Kriegsende durchgemacht hat, dass ausgerechnet die von Grünen oft verdammte Industrie bewirkt hat, dass der Absturz im Tourismus- und Kulturland Österreich nicht schlimmer ausgefallen ist als der im EU-Durchschnitt.

Es wäre naiv zu hoffen, nach Corona werde alles wieder gut. Die Wunden, welche die Pandemie und die globalen wie nationalen Reaktionen darauf gerissen haben, werden gesamtgesellschaftlich noch viel schlimmer als die reinen Gesundheitsfolgen.

Zurück in die Zwischenkriegszeit

Auf der Suche nach vergleichbaren Situationen stößt man bald auf die Zeit nach dem ersten Weltkrieg und der letzten ganz schlimmen Pandemie. Auch damals hat man geglaubt, die Zerstörungen durch Krieg und Pandemie werden bald überwunden sein. Man stürzte sich mit Jubel und Trubel in die Goldenen Zwanzigerjahre und merkte nicht, wie der Boden, auf dem man tanzte, hohl geworden war.

Die Ökonomen, die vor den Folgen warnten, wurden ignoriert. Europas Regierungen glaubten, durch hemmungsloses Bedienen der Gelddruckmaschinen könnten die katastrophalen ökonomischen Folgen des Krieges kompensiert werden; die kriegsbedingte Verelendung des Mittelstandes sei nur ein kleiner Kollateralschaden. Man zahlte halt Millionen für einen Laib Brot und amüsierte sich. Bis dann unweigerlich der große Krach kam, mit Massenarbeitslosigkeit, der Zerstörung des Glaubens an Marktwirtschaft und liberale Demokratie und den bedrückenden Erfolgen der beiden übelsten Verbrechensideologien der Neuzeit.

Erst mit der absoluten Nullstufe im Jahr 1945 kehrte die drei Jahrzehnte lang vertrieben gewesene Vernunft zurück. Man erkannte in breitem Konsens, dass nur eigene Anstrengung und Leistung, eine freie Marktwirtschaft und eine schlanke Verwaltung, persönliche Disziplin und nationaler Zusammenhalt, Rechtsstaat und Demokratie, Menschenrechte und Freiheit in all ihren Ausprägungen wieder nach oben, wieder zu einer gelingenden Gesellschaft führen können. Man erkannte, wie wichtig der gemeinsame Unterbau aus Christentum, antiker Philosophie und den Errungenschaften der Aufklärung ist. Man war sich bewusst geworden, dass das hemmungslose Gelddrucken und die Radikalisierungen ein furchtbarer Irrweg gewesen waren. Dass diese weder Wohlstand noch Stabilität schaffen, sondern nur zerstören können.

Die Fundamente des Landes brechen auseinander

Viele Teile dieser historischen Lehren sind seither aber wieder in Vergessenheit geraten. In Österreich gibt es keine einzige Partei mehr, die uneingeschränkt für all diese so wichtigen Grundelemente einer funktionierenden Gesellschaft stehen würde. Ohne eine tiefe Verwurzelung des Bewusstseins um die Voraussetzungen eines gelingenden Gemeinwesens in den Bürgern und den politmedialen Machtklassen ist eine langsame und stetige Erosion von Stabilität, Vertrauen und Wohlstand unvermeidlich.

Diese Erosion wird heute etwa sichtbar,

  • wenn die Regierung den Bürgern vorschwindelt, jeder wirtschaftliche und soziale Schaden durch die Krise könne von ihnen ferngehalten werden, "koste es, was es wolle" - dabei heißt dieser Slogan nichts anderes als die Rückkehr des Glaubens, dass man durch weiteres Gelddrucken die negativen Folgen einer Krise wegzaubern könnte;
  • wenn sämtliche Oppositionsparteien darin wetteifern, täglich immer neue ökonomische Opfer der Krise zu finden, die noch zu entschädigen seien, statt vehement dieses Prinzip "Whatever it takes" zu kritisieren;
  • wenn der Staat sogar ausgebliebene Trinkgelder durch ein weiteres Millionenprogramm ersetzt;
  • wenn niemand es als bedenklich ansieht, dass trotz Krise viele Pensionen um das Doppelte der Inflationsrate erhöht werden;
  • wenn die Verkehrsministerin, ohne einen einzigen demokratischen Beschluss in Regierung oder Parlament zu haben, in der EU das baldige Verbot des Verkaufs von Diesel- und Benzinautos verlangt;
  • wenn vertrauliche Vieraugen-Konversationen zwischen Bundes- und Vizekanzler zum allgemeinen Gespött an die Öffentlichkeit gezerrt werden;
  • wenn die Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt und Versammlungen aufgelöst werden;
  • wenn die Regierung – jede bisherige Regierung! – einem elektronischen Medium, das nur noch Marktanteile von weniger als einem Drittel hat, die Einhebung von Zwangsgebühren erlaubt;
  • wenn der Verfassungsgerichtshof sich wie bei der Einführung der "Homoehe" ständig in brutaler Verletzung der Gewaltentrennung als Ersatzgesetzgeber betätigt und auch als Türöffner für die illegale Massenmigration nach Österreich, die von zwei Dritteln der Österreicher abgelehnt wird;
  • wenn sich Parlamentsausschüsse in spiegelverkehrter Verletzung der Gewaltentrennung in ein Tribunal verwandeln und dort Inquisitionsjustiz betreiben;
  • wenn (ebenfalls wie nach dem ersten Weltkrieg!) Vermieter durch Einfrieren der Mietzinse de facto enteignet werden;
  • wenn Bundes- und Landesregierungen und – noch mehr – das Wiener Rathaus ungestraft alljährlich dreistellige Millionenbeträge aus dem Steuertopf zur Bestechung parteipolitisch willfähriger Medien und Finanzierung parteinaher Vereine stehle können;
  • wenn in den letzten Jahren drei Parteien an der Regierung beteiligt waren – Schwarz, Blau, Grün –, die alle vor der Wahl mehr direkte Demokratie versprochen haben, diese Versprechungen aber alle eiskalt vergessen haben, sobald sie an der Macht waren.

Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen. Sie macht extrem pessimistisch für die Zukunft Österreichs, für das Funktionieren des Staates und noch mehr für das Vertrauen der Bürger in ihn.

Was heißt das nun alles für die Regierungs- und Oppositionsparteien?

Die Regierung

Die Volkspartei befindet sich nach wie vor, auch im internationalen Vergleich, auf sehr hohem Niveau, fast auf dem des letzten Wahltags, auch wenn die Spitzenwerte der ersten Corona-Wochen abgeschmolzen sind. Die ÖVP hat dieses Niveau zweifellos Sebastian Kurz zu verdanken, der in Sachen Ausstrahlung und Kommunikation nach Bruno Kreisky und Wolfgang Schüssel einer der drei stärksten Bundeskanzler der letzten 60 Jahre ist. Er hat seinen Erfolg vor allem dadurch erzielt, dass er die ÖVP auf Anti-Migrationskurs gebracht hat. Auch Attacken einer ideologischen Justiz können dem nicht viel anhaben.

Kurz hat aber seine Partei zugleich taktisch in eine Sackgasse gebracht. Nach dem Scheitern der Koalitionen mit SPÖ und dann FPÖ hat er sich auf ein leichtfertiges Abenteuer mit der am weitesten links stehenden Partei des Landes eingelassen, einlassen müssen. Davor hatte er aber den Wählern versprochen, eine Mitte-Rechts-Politik zu machen. Das ist ein Widerspruch in sich. Woran es nichts ändert, dass Schwarz und Grün soziologisch beide eher Oberschichtparteien sind.

Diese Koalition hat durch Corona vorerst noch unerwartetes Glück gehabt. Denn bei Corona gibt es nicht die sonst in allen anderen Fragen bestehenden ideologischen Differenzen. ÖVP und Grün konnten deshalb anfangs relativ harmonisch auftreten, was die Wähler immer freut. Zwar haben sich die von den Grünen gestellten Minister als Leichtgewichte erwiesen. Aber auch Kurz kann angesichts des Plagiats-Rücktritts einer Ministerin, der jämmerlichen Performance der Verteidigungsministerin und der diversen, von der Opposition eingefädelten Justizverfahren nicht sonderlich mit dem eigenen Team protzen.

Dauerhaft wird aber die Corona-Krise nicht überdecken können, wie weit Grüne und Schwarze/Türkise in allen fundamentalen Fragen voneinander entfernt sind (auch wenn es eine dümmliche Verschwörungstheorie ist, dass Corona nur deswegen inszeniert worden wäre, um diese Differenzen zu überdecken). Die ungeheuren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind langfristig sogar zusätzliche Spaltpilze, da sie nach aller ökonomischen Vernunft zu einem umfangreichen Sparprogramm zwingen, wenn man die Inflationsgefahr und den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit vermeiden will.

Das größte Problem dieser Koalition besteht darin, dass die Grünen eine linksradikale Partei sind, die auch extremistische Elemente zumindest als Wähler zu halten versucht. Sie braucht diese Wähler dringend, hat sie doch zum Unterschied von der ÖVP schon sehr spürbare Verluste bei Umfragen erlitten. Insbesondere die Neos haben angefangen, gezielt im grünen Linksaußen-Teich zu fischen. Etliche Protestwähler, die immer gegen alles sind, was der Staat verlangt, sind von den Grünen aber auch zur FPÖ gewechselt. 

Am problematischsten an dieser Linksradikalität der Grünen ist ihre massive Unterstützung für Migranten aller Art und ihr Kampf gegen fast jede einzelne Abschiebung. Deswegen werden sie wohl auch keinem einzigen Gesetz zustimmen, das die Migration bremsen könnte. Selbst wenn das zur irrwitzigen Situation führt, dass ein illegaler Migrant nur den Corona-Test zu verweigern braucht, und schon ist er vor Abschiebung sicher.

Der Druck der illegalen Migranten in Richtung der westlichen Wohlfahrtsparadiese ist so groß, die Wege, Behauptungen und Tricks der Schlepper sind so vielfältig, dass der Schutz der Österreicher dagegen immer wieder neue Gesetze erfordern würde.

Dafür bräuchte die ÖVP die Zustimmung der Grünen. Sie wird diese aber nie und nimmer bekommen. Daher kann sie maximal nur das tun, was auf Grund früherer Gesetze möglich ist.  Damit wird das Migrationsthema für die ÖVP immer giftiger werden.

Die Regierungs-Formel funktioniert nicht

Der Spruch "Das Beste aus zwei Welten", mit dem Kurz und Werner Kogler das Zusammengehen zweier so heterogener Parteien schönzureden versucht haben, erweist sich als hohle Phrase. Sie haben so getan, als ob die Schwarzen ungeschmälert Anti-Migrationspartei bleiben und die Grünen zugleich ohne Rücksicht auf Wirtschaft und Bürger das "Weltklima retten" könnten.

Bei der "Klimarettung" droht der Koalition eine fast noch tiefere Kluft als beim Migrationsthema. Die Grünen fordern viele Maßnahmen, die katastrophal für Staatsfinanzen, Wirtschaft und Bürger sind. Besonders militant kämpfen sie gegen das Auto, also gegen das, was mehr Menschen Freiheit und Lebensqualität gebracht hat als jede andere Erfindung. Sie kämpfen damit besonders gegen die ÖVP-Wähler, die vor allem außerhalb der Städte wohnen (sei es in bäuerlichen Strukturen, sei es im Wohlstandsgürtel) und daher das Auto brauchen.

Genauso schlimm wird der grüne Klimakampf insbesondere die Industrie treffen. Die Grünen argumentieren, dass die Industrie zu viel Energie verbrauche. Dieser Kampf deckt sich bezeichnenderweise vollkommen mit dem langjährigen Kampf aller Linksradikalen gegen die Wirtschaft und insbesondere gegen die Industrie. Früher haben sie diesen Kampf mit marxistischen, klassenkämpferischen Parolen unterlegt. Das Ziel der Zerstörung der Wirtschaft wie auch der Freiheit der Menschen ist aber genau dasselbe geblieben. Von der Diktatur des Proletariats führt der Weg nahtlos zur Diktatur der Klimaideologie.

Sollte die ÖVP wirklich den Grünen sowohl die Wirtschaft wie auch das Auto wie auch ihren bisherigen Abwehrkampf gegen die Migration aus Afrika und Asien opfern (wozu man noch vieles andere wie etwa die von den Grünen vehement bekämpften Gas- und Ölheizungen in privaten Häusern zählen müsste), dann braucht die ÖVP eigentlich gar nicht mehr zur nächsten Wahl anzutreten.

Sebastian Kurz dürfte zu klug sein, um diese Gefahr nicht zu erkennen. Daher sind Riesenkonflikte in der Koalition unvermeidlich, weil auch das Rezept nicht funktionieren kann, dass man halt den grünen Verrücktheiten ein paar Milliarden an weiteren Schulden opfert, ohne dass sie unser Leben zu sehr beeinträchtigen dürften. Das geht nach Corona schon gar nicht.

Andererseits können aber auch die Grünen nicht nachgeben. Verlieren sie doch in Österreich bei allen Umfragen gegenüber den letzten Wahlen signifikant – während die deutschen Grünen aus der Opposition heraus auf einer erstaunlichen Erfolgsspur sind. Das hält keine Partei auf die Dauer aus. Das wird dazu führen, dass die Kogler-Partei in der Koalition härter wird.

Das erinnert an die Vorgänge in der FPÖ rund um Knittelfeld: 2002 haben schlechte Umfragewerte des kleinen Koalitionspartners zu einer Explosion geführt. Und die Grünen haben wie die Blauen sehr emotionale Wähler. Das muss zwar nicht automatisch jetzt wieder in eine Implosion münden, aber Tatsache ist auch: Zwischen ÖVP und FPÖ hat es damals weit mehr inhaltliche Gemeinsamkeiten gegeben als heute zwischen Schwarz-Türkis und Grün.

Die Koalition wird jedenfalls extrem unrund werden, wenn auch wohl noch eine Zeitlang weitergehen. Bei aller Irrationalität eines Teils der grünen Wählerschaft dürfte die Lust der grünen Parteispitze an der Machtausübung und allen mit ihr verbundenen Möglichkeiten, Privilegien und Geldflüssen ein starker Magnet sein, doch in der Regierung zu bleiben.

Die Alternativlosigkeit

Ein noch stärkeres Motiv, doch zusammenzubleiben, ist die von beiden Koalitionsparteien gespürte Alternativlosigkeit:

  • Die Grünen wissen: Es hat seit ihrer Gründung noch nie die so inständig ersehnte linke Mehrheit gegeben. Fast scheinen Schwarz-Blau einerseits und Rot-Grün-Pink andererseits kommunizierende Gefäße zu sein, wobei der Inhalt des rechten Gefäßes immer etwas größer bleibt (allerdings gibt es soziologisch deutliche Verschiebungen: Etliche Söhne und vor allem Töchter aus dem Bürgertum wandern im städtisch-studentischen Bobo- und Kunstszenen-Milieu nach links, aber andererseits haben die Rechtsparteien mindestens ebenso viel Zulauf von aufsteigenden Arbeitern, Angestellten, Pensionisten und Akademikern nach dem Studium, wenn sie die wirkliche Welt kennengelernt haben).
  • Die ÖVP wiederum weiß: Sie hat binnen weniger Jahre sowohl mit Rot wie mit Blau gebrochen. Eine Rückkehr zu einem der beiden Ex-Partner ist daher zumindest kurzfristig undenkbar, egal wer an den früheren Koalitionsbrüchen schuld gewesen ist. Es wäre zugleich für die ÖVP eine Imagekatastrophe, würde sie zum dritten Mal hintereinander mitverantwortlich an der Notwendigkeit vorzeitiger Wahlen. Das könnte in den Wählern der Eindruck erwecken, dass offenbar doch die Volkspartei das Problem sei, weshalb Koalitionen nicht funktionieren.

Trotz all dem überlegt man bei Schwarz wie Grün ständig, ob sich nicht irgendwo eine Alternative zur totalen Blockade auftun könnte.

So hofft jeder Grünpolitiker insgeheim, dass sich vielleicht doch einmal die Chance auf eine linke Mehrheit eröffnet. Nicht zuletzt aus diesem Grund versuchen die Linksparteien und ihre Speerspitzen in ORF und Staatsanwaltschaft fast rund um die Uhr, einerseits die ÖVP mit Skandalen in Verbindung zu bringen und andererseits die FPÖ als rechtsextrem-neonazistisch zu denunzieren. Die Wähler ließen sich dadurch jedoch bisher nicht täuschen. Allerdings haben sich auch die gegenseitigen Aggressionen zwischen ÖVP und FPÖ ständig erhöht, werden doch von beiden die von links kommenden Vorwürfe gegen die jeweils andere Partei munter geteilt, was der Kampagne der Linksparteien zusätzliche Wirkung verschaffen könnte. Weder Schwarz noch Blau begreifen, dass es dieselbe linke Kampagne ist, die abwechselnd eine von ihnen trifft.

Während die Grünen weiter auf das Wunder einer linken Mehrheit hoffen, hoffen so manche in der ÖVP – wie schon vor der letzten Wahl – auf eine Koalition mit den Neos als vierte und allerletzte Möglichkeit. Aber die Hoffnung auf eine schwarz-pinke Mehrheit ist fast ebenso unrealistisch wie die linken Träume von einer Volksfront. Diese ÖVP-Hoffnungen übersehen noch etwas: Die Neos sind inzwischen deutlich nach links marschiert und wären daher ein mindestens ebenso schwieriger Koalitionspartner wie die Grünen.

Die Opposition

Damit sind wir bereits bei einer Oppositionspartei gelandet.

Die angesprochene Links-Entwicklung der Neos hat drei Ursachen:

  • Personell ist sie Folge der Aufwertung der beiden linksradikalen Frauen Krisper und Gamon nach dem eher bürgerlich-esoterisch angehauchten Parteigründer.
  • Ideologisch gibt es bis auf zwei Männer, die aber von den heute tonangebenden Frauen an den Rand gedrängt worden sind, bei den Neos niemanden mehr, der eine innere Beziehung zum klassischen Liberalismus hätte (von dem Österreich so dringend mehr brauchen würde!). Sowohl in Hinblick auf Wirtschaftsliberalismus – Lobbyismus für Hoteliersinteressen ist freilich das Gegenteil davon! – wie auch in Hinblick auf das Freiheitsverlangen im Sinne von 1848. Unterstützen doch die Neos ständig alle Rufe nach noch mehr Regulierung und noch mehr EU-Zentralismus. Von ihrem Radikalfeminismus und der radikalen Migrations-Unterstützung ganz zu schweigen.
  • Taktisch haben sich die Neos sogar ganz bewusst nach links bewegt: Sie holen damit einige linksradikale Protestwähler aus dem grünen Wählerreservoir ab.

Auch die Hoffnungen der beiden anderen Oppositionsparteien auf eine Rückkehr zur Macht sind derzeit nicht sonderlich groß. Nicht ganz auszuschließen ist allerdings ein Zusammengehen von Rot und Blau. Das hat es nicht nur im Burgenland schon gegeben (durch einen Rechtsruck der SPÖ), sondern einmal auch auf Bundesebene (durch einen Linksruck der FPÖ). Nachhaltig oder wählerattraktiv waren beide Koalitionen freilich nicht, vor allem nicht für die Freiheitlichen. Ihre Partei lag jedes Mal in Trümmern, auch wenn man den Zerfall der Burgenland-FPÖ anderswo kaum registriert.

Unbestreitbar ist allerdings, dass Rot wie Blau trotz der gegenseitig polarisierenden Propaganda eines gemeinsam haben: einen deutlichen Hang zum Populismus.

Und noch etwas haben SPÖ und FPÖ derzeit gemeinsam – freilich etwas, das jede Koalition erschwert: Da wie dort toben ziemlich offen Personal- wie Ideologiedifferenzen.

Außerdem würden Rot, Pink und Blau für eine Mehrheit gegen die ÖVP auch noch die Grünen brauchen. Die aber sind absolut unvereinbar mit der FPÖ, haben sie diese doch ständig als Rechtsextremisten beschimpft.

Die FPÖ ist derzeit ganz vom persönlichen wie inhaltlichen Antagonismus der Herren Kickl und Hofer erschüttert. Die von Herbert Kickl betriebene Corona-Radikalisierung kommt zweifellos bei einem Teil der Parteifunktionäre gut an – sie reduziert aber die Chancen der Partei, wieder regierungsfähig zu werden. Innerparteilich dürfte Hofer den Konflikt aber dennoch schon verloren haben, obwohl er die einzige strategische Perspektive für die Partei verkörpert, wieder an die Regierung zu kommen. Offen ist nur, ob Kickl den Weg Jörg Haiders gehen wird. Dieser hat ja auch einst durch scharfe Radikalisierung den Aufstieg an die Parteispitze geschafft und ist dann in späteren Jahren staatstragend geworden, was aber für Teile der FPÖ-Wähler unerwünscht ist.

Wohl dürfte Kickl mit seinen radikalen Corona-Tönen auch etliche Sympathisanten von ganz links angezogen haben. Aber zugleich hat sein Corona-Kurs viele bürgerliche Wähler massiv verschreckt, die bei Wahlen immer zwischen Schwarz und Blau pendeln. Sie haben für die Freiheitlichen votiert, als sich die ÖVP nicht klar gegen die Migration gestellt und zu sehr an die SPÖ gebunden hat. Sie haben sich 2019 wegen des doppelten Strache-Skandals (mehr noch wegen der Spesen-Geschichten als wegen Ibiza, das ja sofort nach einer üblen linken Falle gerochen hat) wieder von der FPÖ abgewendet.

Durch diese Kickl-Kursänderung kommen die traditionellen Werte der FPÖ zu kurz, ja eigentlich gar nicht mehr vor, die ihr seit der Mutation von einer deutschnationalen zu einer konservativen Bewegung viel Sympathien eingebracht haben. Das waren:

  • Migrationskritik (womit die FPÖ den Kurswechsel der ÖVP erzwungen hat),
  • Law and Order (was ein Gegensatz zu unerlaubten Demonstrationen ist),
  • Kritik an den (gerade jetzt eigentlich besonders offenkundigen) Fehlentwicklungen der EU,
  • Betonter Österreich-Patriotismus,
  • Engagement gegen ORF-Zwangsgebühren,
  • und betonte Rücksicht auf die Älteren (wo ja die Corona-Ängste besonders groß sind).

Aber auch bei der SPÖ, der größten Oppositionspartei, gibt es ganz ähnliche Probleme durch die Corona-Krise. Auf der einen Seite hat sich Parteichefin Pamela Rendi-Wagner als die prononcierteste Vertreterin scharfer Pandemie-Maßnahmen etabliert. Es hat ihr eindeutig Punkte gebracht, dass  ihre ureigenste, früher immer am Rand gelegene Spezialisierung über Nacht eine Zeitlang ins Zentrum gerückt ist.

Aber in der SPÖ haben sich dennoch etliche Landeshauptleute und Landesorganisationen öffentlich gegen allzu scharfe Maßnahmen gestellt. Das hat brutal gezeigt, dass Rendi selbst dort, wo sie die größte persönliche Kompetenz aller Politiker hat, innerparteilich nicht sonderlich ernstgenommen wird. Und in Nach-Corona-Zeiten verblasst auch ihr medizinisches Expertentum rasch. 

Zugleich agiert die Bundes-SPÖ zum Unterschied von mehr basisverbundenen SPÖ-Teilen aus den Bundesländern in vielen anderen Fragen ziemlich links, siehe etwa ihre Unterstützung für Migration, Kampffeminismus und Schwulenbewegung.

Die Sozialdemokratie ist aber auch europaweit in einer historischen Krise. Von Italien über Deutschland bis Frankreich stehen die Sozialdemokraten noch viel schwächer da als die SPÖ, haben zum Teil nur noch einstellige Prozentsätze hinter sich. Am erfolgreichsten sind hingegen ausgerechnet jene Sozialdemokraten, die sich in Sachen Migration ganz nach rechts verschoben haben, wie etwa in Dänemark.

Was hat die größte Wahrscheinlichkeit?

Wie also könnte es weitergehen in Österreich? In vielerlei Hinsicht dürfte anhaltender Frust die dominierende politische Gefühlslage werden. Angesichts der Alternativlosigkeit scheint aber ein Platzen von Schwarz-Grün unwahrscheinlich. Aber ebenso klar ist, dass die vielen Ärgernisse rund um die Corona-Maßnahmen, die katastrophalen wirtschaftlichen Perspektiven, die ständige linke Gehirnwäsche durch den ORF, die regierungsinternen Konflikte von Migration bis Planetenrettung, dass all das mittelfristig auch der ÖVP schaden wird.

Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass das persönliche Klima zwischen Sebastian Kurz und Pamela Rendi-Wagner in der Corona-Krise deutlich besser geworden ist. Ohne das angesichts der übrigen Konfliktpunkte überbewerten zu wollen: Aber im politischen Leben tun sich bisweilen ausgerechnet jene Alternativen auf, die man am heftigsten abgeschrieben hat, und 2021/22 ist für Schwarz-Rot nicht mehr 2017, als es gescheitert ist ...

Dieser Text erschien in weitgehend ähnlicher Form auch im "Freilich"-Magazin.

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)
Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung