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Ich pfeife auf Euer „Danke“

Nein, ich will nicht, dass sich die Regierung bei mir bedankt! Sie soll einfach nur ihre Pflicht erfüllen. Die ganzseitigen Inserate, die derzeit in Zeitungen mit dem Wort "Danke!" und einem in ein Elefantenkostüm gezwängtes Kind erscheinen, sind schlicht empörend. Umso mehr, als wir – oder genauer gesagt: unsere Kinder und Enkelkinder – viel Steuergeld dafür abliefern müssen. Aber nicht nur diese Geldverschwendung ist empörend, das ist vielmehr auch die gesamte Gesinnung, die hinter solchen Inseraten steckt. Denn das ist die Gesinnung des autoritären Feudalismus aus Zeiten vor der Aufklärung, als Herrscher gewöhnt waren, ihre Untertanen mit Lob und Tadel von oben herab zu beurteilen, und bei der Krönung Dukaten in die Menge zu werfen. So recht Bundeskanzler Kurz an sich mit seinen ruhigen, aber deutlichen Antwort-Worten auf die maßlos überzogenen Hass-Attacken des freiheitlichen Klubobmanns Kickl hat, so sehr blamiert er sich durch solche Propaganda-Taten, für die er ja hauptverantwortlich ist.

Es gibt nur einen einzigen moralisch gerechtfertigten Grund, weshalb eine Regierung Geld für staatliche Kommunikation in die Hand nehmen darf: um über konkrete Maßnahmen, Gesetze und Verordnungen zu informieren, die sehr schnell möglichst vielen Österreichern kundgetan werden müssen.

Der Rest ist Verschwendung oder Bestechung. Im konkreten Fall wohl beides. Denn die Österreicher – oder präziser: jene Österreicher, die sich an die diversen "Maßnahmen" gehalten haben, – haben das aus Interesse an der eigenen Gesundheit und der ihrer Umgebung getan, manche gewiss auch aus Angs vor Strafen, aber niemals der Regierung zuliebe. Es ist daher arrogante Selbstüberschätzung, wenn sich die Regierung dafür bedankt.

Dabei gäbe es in diesen Tagen anstelle solcher inhaltsleeren und dümmlichen Sujets sogar sehr Vieles sehr konkret und sehr dringend zu kommunizieren:

  • etwa wie der Impfplan genau aussieht, von dem ständig die Rede ist, und der nach der nun erfolgten Genehmigung des ersten Impfstoffes durch die EU jetzt wirklich in jedem Österreicher das Interesse daran geweckt hat, wann er drankommt (halt bis auf die paar, die lieber krank werden, als sich impfen zu lassen);
  • etwa welche Nebenwirkung eine Impfung nach dem derzeitigen Wissensstand hat (werden doch auch recht harmlose Nebenwirkungen derzeit intensiv diskutiert);
  • etwa – und noch aktueller und dringender – wo und wie sich die Österreicher noch schnell vor Weihnachten, vor dem (erlaubten wie unerlaubten) Zusammentreffen mit ihren Familienangehörigen testen lassen können. Genau das wollen die Österreicher nämlich in diesen Stunden in sehr großer Zahl tun.

Aber auch über genau diese vorweihnachtlichen Testmöglichkeiten haben sie weder von der Bundes- noch den Landesregierungen ordentliche, präzise und nachvollziehbare Informationen in irgendwelchen Inseraten bekommen. Daher suchen jetzt Hunderttausende verzweifelt im Internet nach Möglichkeiten, doch noch sicher und ohne in einer langen Schlange zu stehen, zu einem Test zu kommen.

Der große Testandrang in den allerletzten Tagen vor Weihnachten ist eigentlich ein großer Triumph für Sebastian Kurz. Denn er hatte ja ursprünglich genau für diese Tage die großen "Massentests" ansetzen wollen, sodass die große Mehrheit der negativ Getesteten danach relativ unbesorgt mit der Familie feiern kann.

Aber die Bundesländer wollten schlauer sein und haben alle die Tests schon Anfang Dezember gemacht. Was zeigt, dass sie wieder einmal nicht die Psychologie der Menschen begriffen haben: Diese sind zwar der Familie zuliebe durchaus zu Tests unmittelbar vor Weihnachten bereit, hingegen haben sie diese Motivation Anfang Dezember noch nicht gehabt, wo ihnen jeder gesagt hat, das sei eh nur eine Momentaufnahme. Sie sind also durchaus verantwortungsbewusst – zumindest, wenn es die eigene Familie betrifft –, aber nicht auf Pfiff und nicht nur deshalb, weil es gerade einer Obrigkeit einfällt.

Da hat sich also Kurz durchaus besser in die Menschen hineinversetzen können.

Dann haben die Bundesländer gleich den nächsten Fehler begangen: Da bei der ersten großen Testwelle der Andrang sehr gering war, haben sie für die letzten Stunden vor Weihnachten nicht genug Kapazitäten aufgebaut und leiden jetzt unter dem großen Andrang.

Das alles bestätigt wieder einmal, wie wenig oft Politiker von den Menschen verstehen. Dabei sagen gerade die Bundesländer immer, dass sie so wichtig wären, weil sie so menschennah sind ...

Die Länder haben nicht nur in Sachen Tests falsch agiert. Sie schalten auch genauso wie die Bundesregierung sinnbefreite, aber flächendeckende Inserate. Etwa auf einem Inserat der Stadt Wien sieht man eine Zeichnung eines Menschen mit einer Teetasse in der Hand und eines zweiten mit einer Flasche; wobei der Teetrinker sagt: "Wir statt Virus." Daneben steht: "Jetzt daheim bleiben, dann wieder nichts auslassen."

Wie bitte? Was soll das heißen (auch das Kleingedruckte schafft da ja keinerlei Klarheit)? Ist das die Wiedergeburt der alten Humanic-Absurdwerbung? Hat sich da der "Arbeiter-Abstinenten-Bund" eingeschwindelt? Will man uns vermitteln, dass Teetrinker besser geschützt sind als Alkoholiker (einmal angenommen, die Flasche soll das Alkohol-Trinken symbolisieren)? Oder heißt das: Jetzt Teetrinken, dann aber beim Saufen "nichts auslassen"?

Wahrscheinlich geht man jedoch sowieso fehl, in irgendeinem der von Politikern geschalteten Inseraten noch einen tieferen Sinn zu suchen. Es geht dabei vielmehr schlicht nur darum, den alten Medien – also Zeitung, Fernsehen, Radio – schnell im alten Budgetjahr noch Millionen zuzuschieben, damit sie irgendwie eine Bilanz erstellen können. Botschaft fällt ihnen jedoch keine ein, die mit den Inseraten mitzuteilen wären. Also wird den Kreativleuten bei den Agenturen (das sind meist gescheiterte Journalisten) einfach gesagt: "Macht‘s halt irgendwas. Wir haben‘s den Zeitungen versprochen. Die brauchen‘s."

Was ja stimmt. Die Medien brauchen’s wirklich. Den Zeitungen und dem klassischen Fernsehen rennen ja seit Jahr und Tag die Leser und Seher davon. Die jüngere Hälfte der Nation liest kaum noch Zeitung, schaut kaum noch linear fern. Noch schneller läuft den alten Medien aber die Werbung davon, die im Internet ja viel zielgenauer platziert werden kann. Diese Flucht hat sich logischerweise in Zeiten der größten Depression seit 90 Jahren noch dramatisch verschärft. Wenn die Wirtschaft schon vor(!) Weihnachten mit gigantischen Rabatten versucht, ihre Ware noch irgendwie an den Mann zu kriegen, dann hat sie schon gar kein Geld für Werbekampagnen.

Da springt von Österreich bis Ungarn und in rund 25 anderen EU-Staaten die jeweilige Regierung mit Steuergeld gerne ein, um die Medien aufzufangen – und gleichzeitig einzufangen. Merkwürdig ist nur, dass ob dieses Vorganges in Ungarn europaweit hysterische Schnappatmung einsetzt, dass der gleiche Vorgang aber anderswo überhaupt nicht thematisiert wird.

Zurück zu Corona und dem exzessiv aggressiven Verhalten von FPÖ und Neos. Am meisten erstaunt dabei, dass die beiden Kleinparteien gar nicht mitkriegen, dass ihre aggressiven Töne ihnen überhaupt nichts bei den Umfragen bringen, dass hingegen erstmals seit langem die SPÖ mit ihrem gemäßigten Kurs ein wenig zulegen kann.

Für die allermeisten Österreicher ist es jedenfalls jenseits jeder Vernunft, wenn es Politiker gibt, die sich viel mehr als über einen neuerlichen Lockdown in den wildesten Tönen über etwas anderes aufregen: nämlich darüber, dass man sich durch einen Test eine Woche vor dessen allgemeinem Ende aus dem für alle schon längst unerträglichen Lockdown befreien kann. Hätten sie noch einen Rest an Logik, hätten sie nur ein bisschen Ahnung, wie die meisten Österreicher wirklich denken und reden, dann würden sie sich über etwas ganz anderes aufregen. Nämlich darüber:

  • warum man sich erst Ende Jänner freitesten kann und nicht gleich jetzt;
  • warum sich etwa am 26. Dezember (und in langen Wochen danach) nicht einmal jene Familienangehörigen treffen können, die sich unmittelbar davor testen lassen;
  • warum das Durchimpfen wirklich bis zum Sommer dauern muss, wenn doch schon ab jetzt das Impfen freigegeben ist;
  • warum, wie oben beschrieben, in diesen Tagen wahnwitzige Millionen von Bund und Ländern für absolut sinnbefreite Inserate hinausgeworfen werden (was die Opposition aber offenbar nicht zu thematisieren wagt, weil sie die Rache der Zeitungen fürchtet, beziehungsweise weil Rot und Pink im Wiener Rathaus haargenau dasselbe in noch stärkerem Umfang tun);
  • warum das scheinbar üppig vorhandene Geld (oder besser gesagt: die üppig vermehrte Staatsschuld) nicht stattdessen dafür ausgegeben wird, damit mehr Impfstoff da ist, damit sich schneller viel mehr Österreicher impfen lassen können;
  • warum sich Österreich im Gegensatz zu Deutschland bei der Beschaffung des Impfstoffes ohne jede eigene Bemühung ganz auf die nicht gerade für Effizienz berühmte EU verlässt (die ja in diesen Tagen mindestens zur Hälfte für das Brexit-Desaster verantwortlich ist, was ja zeigt, wie unbeweglich Brüssel ist);
  • und warum es bis zur ersten Impfung in Österreich etliche Wochen länger dauert als in hochentwickelten anderen Industrieländern.

PS: Im Gegensatz zur Opposition hat die – zumindest vorübergehend – von einer nicht-linken Studentin geleitete Hochschülerschaft die Hand besser am Puls der von ihr vertretenen Menschen: Sie verlangt Massentests für die Studenten, damit diese nach einem Jahr endlich wieder in die Hörsäle zurückkehren können. Ohne schwachsinnige Diskussionen: Huch, das ist ja ein indirekter Zwang!

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