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BVT oder: Wenn man Paranoia schürt, wird man selbst paranoid

Herbert Kickl ist nach Sebastian Kurz "der" Schlüsselspieler im Nationalteam Bundesregierung und deshalb im vergangenen Jahr auch prompt am meisten im Fadenkreuz nicht nur der Opposition, sondern auch vieler Medien gestanden. Er ist der klügste Kopf seiner Partei und war lange deren Oppositionsstratege. Er hat jetzt das (zusammen mit dem Finanzministerium) wichtigste Ressort übernommen, das durch die Konzentration der Koalition auf das für viele Österreicher bedrohlich gewordene Migrationsproblem noch viel wichtiger geworden ist. Er muss, noch einmal in der Fußballsprache, sowohl die Bälle verteilen wie auch die entscheidenden Tore schießen.

Eine solche Rolle motiviert. Aber wenn man motiviert ist und sich zuviel zumutet, begeht man auch mehr Fehler. Umgekehrt wissen aber auch die Gegenspieler um die Bedeutung dieses Schlüsselmannes und gehen ihn von der ersten Minute an hart an; solche Härte führt auch zu schweren Fouls, die eigentlich die Rote Karte verdienen würden.

Kickls Job heißt konkret: "Reduktion der Migration und Erhöhung der Sicherheit". Das ist eine wahlentscheidende Herkules-Aufgabe, bei der das BVT, das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, logischerweise eine zentrale Aufgabe hätte.

Gerade in diesem Themenkreis hat das BVT bisher alles andere als überzeugende Arbeit geliefert. Es gleicht vielmehr einem drögen Raddampfer, in dem rote wie altschwarze Schaufelräder gemächlich ihre ewig gleichen Kreise ziehen. Das BVT hat keineswegs mit der für die Bewahrung der österreichischen Sicherheit notwendigen Deutlichkeit in den letzten Jahren die wachsenden Bedrohungen durch Islamisierung und Migration, durch Dschihadismus und Terrorismus herausgearbeitet.

Viele BVT-Beamte haben sich wohl gedacht: Warum soll ich mir da die Finger verbrennen? Gibt es doch seit Jahrzehnten keinen Themenkreis, der die österreichische Gesellschaft so tief spaltet wie dieser. Sind doch Teile von Rot und Grün fanatische Sympathisanten von Migration und Islamisierung. Da kämpft man lieber im alten Trott gegen die Bedrohungen der Vergangenheit: also gegen das nationalsozialistische Gift (das vor 80 Jahren tatsächlich tödlich für das damalige Österreich gewesen ist, das heute aber höchstens noch in homöopathischen Spuren nachweisbar ist) und gegen den russischen Imperialismus (der vor 100 Jahren tödlich für das habsburgische Österreich gewesen ist, der heute aber zum Glück Österreich nicht bedroht).

Die angekündigte Neuordnung des BVT hin auf die aktuelle Lage wäre absolut wichtig. Kickl hat damit jedoch fehlerhaft begonnen. Er war überambitioniert ungestüm und einschlägig unerfahren. Das hat zu einer Reihe von Fehlern geführt:

  1. Wenn man sich eine solche Aufgabe vornimmt, darf man nicht den BVT-Chef sofort nach Amtsantritt als Innenminister auf fünf Jahre verlängern. Schließlich ist der Mann ja hauptverantwortlich für die Performance des BVT.
  2. Es hätte von Anfang an vertraulichen Konsens mit dem Koalitionspartner gebraucht (auch wenn es dort für diese Themen unter der Ebene Sebastian Kurz kaum einen brauchbaren Gesprächspartner gibt). Wenn man den aber nicht hat, ist eine BVT-Reform chancenlos.
  3. Man bräuchte fähige Persönlichkeiten für die Neuordnung des Verfassungsschutzes, die es aber weit und breit kaum gibt. Frustration und Intrigantentum alleine sind aber für eine solche Aufgabe jedenfalls unzureichend (utopische, nicht ganz ernst gemeinte, aber prickelnde Idealvorstellung: Österreich bittet den derzeit unausgelasteten Deutschen Hans-Georg Maaßen, die Staatsbürgerschaft zu wechseln und hier die gleiche Aufgabe zu übernehmen, die er in Deutschland hatte, wo er von den Linken in der deutschen Regierung abgeschossen worden ist, weil er sich nicht politisch opportun sondern offen und nach bestem Wissen geäußert hat).
  4. Man müsste sich aber auch bewusst sein, welche Schlüsselrolle die Verfassungsschutz-Ämter (in Deutschland wie in Österreich) in der sozialistischen Strategie spielen.

Seit dem Ende der 80er Jahre war die Sozialdemokratie zunehmend orientierungslos geworden: Kommunismus und Staatsindustrie waren krachend gescheitert. Die aufrechte demokratisch-antikommunistische Tradition vieler Sozialdemokraten wie eines Oskar Helmer in Österreich, eines Helmut Schmidt in Deutschland war zuvor durch die hereindrängende 68er Bewegung eliminiert worden. Die Phase der neoliberalen Dynamik und Reformen durch Sozialdemokraten (Blair bis Schröder) wurde bald wieder beendet. Man rückte nach links, bediente sich wieder marxistischer Steinzeitrhetorik und beschloss, gleichsam als Ideologie- und Identitätsersatz, den "Kampf gegen Rechts" ins Zentrum zu rücken.

Man begann hinter jedem Busch einen Nazi zu wittern und jeden betrunkene Provokationen grölenden Bauernburschen zur Bedrohung der ganzen Republik hochzustilisieren. Man reduzierte die gesamte Geschichtsschreibung auf sieben bis zwölf Jahre. Das hat (mit Hilfe der Durchdringung vieler Redaktionen und Universitäten) zumindest eine Zeitlang gut funktioniert. Damit konnte man viele Fakten verwischen.

Wie zum Beispiel,

  • dass in den 30er Jahren vor allem die sozialdemokratischen Wähler zu den Nazis gewechselt sind;
  • dass 1945 (vor allem in Kärnten und Wien) ein breiter Weg direkt von der NSDAP in den sozialistischen BSA geführt hat;
  • dass 1949 primär die SPÖ das Wahlrecht für Ex-Parteigenossen und die Zulassung des VdU verlangt hat (im Glauben, damit vor allem der ÖVP zu schaden);
  • dass es in keiner Regierung so viele ehemalige NSDAP-Mitglieder gegeben hat wie unter Bruno Kreisky;
  • dass ein gewisser Heinz Fischer mit eindeutig antisemitischen Untertönen einen Untersuchungsausschuss gegen Simon Wiesenthal verlangt hat;
  • dass es die SPÖ war, die zweimal mit der FPÖ kooperiert hat, bevor es dann erst auch die ÖVP getan hat.

Der wahlstrategische Grund hinter der Ausrufung des "Kampfes gegen Rechts": In den 80er Jahren waren die meisten Ex-Nazis verstorben oder  Pensionisten geworden. Damit waren sie politisch nicht mehr wichtig. Da haben Fred Sinowatz, Franz Vranitzky und als Mastermind Heinz Fischer das Strategie-Ruder umgeworfen: Ab jetzt behandeln wir den Nationalsozialismus nicht mehr als Wählerreservoir, der er nicht mehr ist, sondern als großen Feind, den wir tapfer bekämpfen. So haben wir eine neue Identität. So machen wir uns nachträglich zu Führern des Widerstandes (bei dem die Sozialdemokratie in Wahrheit nie sonderlich aktiv gewesen ist). So können wir alle unsere politischen Gegner zu Schlechtmenschen machen. So gewinnen wir moralisch nach dem Scheitern des Kommunismus wieder Oberwasser. Diese im Waldheim-Wahlkampf entwickelte Strategie wurde dann auch gleich benutzt, um den ÖVP-nahen Ständestaat, der sich immerhin, wenn auch mit untauglichen Mitteln, bis zum 12. März 1938 gegen die Nazis gewehrt hatte, mit diesen absurderweise in einen gemeinsamen "Faschismus"-Topf zu werfen.

Was hat das alles mit dem BVT zu tun? Sehr viel. In Deutschland wie Österreich ist der Verfassungsschutz bei dieser Strategie sehr wichtig. Schreiben doch die von Spionagefilmen und Datenschutzhysterie geprägten Menschen ihm geradezu Allwissenheit zu. Auch medial werden Erkenntnisse von Verfassungsschutz-Behörden wie absolute Wahrheiten behandelt. Daher ist jeder Verfassungsdienst-Bericht über angeblich rechte "Bedrohungen" – auch wenn diese nur aus pubertären oder alkoholischen Rülpsern bestehen – für die Linke in ihrer neuen Kampf-gegen-Rechts-Strategie ein wichtiges Instrument.

Das zeigte sich ganz besonders in Deutschland, als der Verfassungsschutz-Präsident Maaßen die hysterische Berichterstattung der schon lange linksgewendeten Medien sowie die Aufregung von SPD und Angela Merkel über rechte "Hetzjagden" in Chemnitz wahrheitsgemäß als falsch zurückwies. Maaßen störte dadurch ein Zentralelement der zuvor skizzierten Taktik der Sozialdemokraten. Daher wurde er abgeschossen. So kann man jetzt den Verfassungsschutz viel besser als Zeugen gegen eine angeblich rechte Bedrohung instrumentalisieren.

Eine ähnliche Instrumentalisierung hat in Österreich schon länger recht erfolgreich stattgefunden. Da war im großkoalitionär strukturierten BVT eine SPÖ-Frau dafür zuständig, regelmäßig dramatisierte Berichte über die rechte Szene zu erstellen, die dann von Rot und Grün als gefährliche rechte Gefahr verkauft werden konnten. Wie sehr diese Dame in den Schablonen der linken Propaganda verhaftet ist, machte sie selbst durch ihre Aussage beim BVT-Untersuchungsausschuss deutlich: "Meine erste Überlegung war: Das ist jetzt der Tag X, von dem in der Szene immer gesprochen wurde – wenn sie an die Macht kommen, dann hängen sie als erstes die Staatspolizei auf und als nächstes die Justiz."

Diese lächerliche Paranoia entlarvte den erschreckenden Fanatismus einer eigentlich zu ruhig-souveräner Analyse berufenen Staatspolizistin. Denn die einzige "Szene", in der solche Behauptungen je zu hören waren, war die linke. Mit Sicherheit hätte gerade diese Dame längst Strafanzeige eingebracht, wenn das irgendjemand in einer rechten Szene wirklich gesagt hätte. Werden doch seit einiger Zeit – um nur ein Beispiel für die geradezu krankhafte geistige Deformierung zu nennen – von der Polizei sogar Autowunschkennzeichen als Bedrohung der Republik geahndet. Etwa wenn in diesen angebliche Nazi-Code-Zahlen vorkommen. So hat die Polizei sogar die Zahl 18 auf den Kennzeichen von Autofahrern aus dem Wiener Bezirk Währing verboten. Diese Zahl ist angeblich ein Nazi-Code ...

Dieser Verfolgungswahn macht logisch, wie hysterisch die Linksparteien auf die Hausdurchsuchung im BVT reagiert haben. Ein Paranoiker sieht in allem genau das, wovor er sich fürchtet. Und lässt sich seine Verschwörungstheorien nicht zerstören.

Nur wenn man diese linke Paranoia versteht, begreift man, wieso die BVT-Hausdurchsuchung dem Innenminister angelastet worden ist und nicht der zuständigen Staatsanwältin und dem zuständigen Richter. Denen allein steht die Entscheidung zu, ob und wo Unterlagen zu beschlagnahmen sind. Das ist die eindeutige Rechtslage und auch das eindeutige Ergebnis aller Aussagen. Dass etwa auch im Büro einer – nicht beschuldigten – Zeugin Dinge beschlagnahmt werden, geschieht bei sehr vielen Hausdurchsuchungen.

Freilich ist ebenso klar festzuhalten, dass die gesamte Hausdurchsuchung ein absurder und den Nachrichtendienst schwer beschädigender Unsinn war. Denn es gibt in den Vorwürfen des anonymen (mit höchster Wahrscheinlichkeit aus dem BVT selbst gekommenen!) Anzeigers absolut nichts, was ein gravierendes Delikt wäre. Die Anzeigen waren eine üble und eigentlich auf den ersten Blick zu erkennende amtsinterne Intrige.

Alle darin erhobenen Vorwürfe nennen in Wahrheit nur Dinge, die für einen Nachrichtendienst eigentlich selbstverständlich sein sollten:

  • Das Aufbewahren von Unterlagen über einen Rechtsanwalt, der mittelasiatische Diktaturen vertritt, die auch Morde in Österreich begangen haben dürften (wenn es Richter gibt, die die Vernichtung dieser Unterlagen verlangen, dann sind diese ein Sicherheitsproblem und nicht das sich nicht daran haltende BVT).
  • Das Annehmen von Essens-Einladungen durch südkoreanische Kollegen. Diese nicht anzunehmen, wäre sogar ein grober Affront, der alle Informationsflüsse stoppen würde.
  • Die Weitergabe von Passformularen, die einem befreundeten Dienst im Kampf gegen eine der allerschlimmsten Diktaturen der Welt helfen sollten.

Man kann sich nur an den Kopf greifen, dass solche Aktionen so ernste Konsequenzen auslösen – während die Staatsanwaltschaft beispielsweise weiterhin die wirkliche Korruption ignoriert, also die Verwendung von Hunderten Millionen an Steuergeldern zur Medienbestechung.

Wieso solche inhaltsleeren Vorwürfe ernst genommen werden, bleibt freilich auch im Hinblick auf Kickl eine unbeantwortete Frage. Wieso hat er, wieso hat sein Büro ihren wahren Charakter nicht erkannt, sondern sie mit massivem Nachdruck samt Begleitung von Zeugen durch engste Mitarbeiter an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet? Das war zwar nicht rechtswidrig, aber alles andere als intelligent.

Hat er das gezielt getan, um das BVT zu sprengen? Gegen diese Variante spricht zweierlei: Erstens, dass Kickl dann weit dümmer wäre, als ich ihn eingeschätzt habe, weil ja eine BVT-Reform dadurch viel schwieriger geworden ist. Und zweitens, weil es in diesem Fall völlig unlogisch gewesen wäre, warum er knapp davor den BVT-Chef noch im Amt verlängert hat.

Daher halte ich die andere Erklärungsvariante für viel wahrscheinlicher: Als eine umfangreiche Korruptions-Anzeige gegen eines der wichtigsten Teile des Ministerium auf seinem Tisch gelandet war, wollte ein frisch ins Amt gekommener, überambitionierter und in diesem Amt unroutinierter Minister demonstrieren, dass er auch im eigenen Haus beim kleinsten Verdacht sofort hart durchgreift, dass es jetzt null Toleranz gegenüber Korruption gibt. Zugleich musste er fürchten, dass diese Anzeige eine Falle war, dass Kickl bloßgestellt werden sollte, hätte er nicht konsequent reagiert. Ist sie doch mutmaßlich von Links gekommen

Diese Variante macht deutlich mehr Sinn – ohne dass es Gewissheit gibt, was wirklich stimmt. In jedem Fall werden Kickl und sein Team jetzt doppelte Mühe haben, um die am Beginn definierten Ziele zu verfolgen.

Dieser Text ist in weitgehend ähnlicher Form in der Wochenzeitung "Zur Zeit" erschienen.

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