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Wir wollen gar nicht mehr zu den Besten gehören

Die Österreicher und Deutschen wollen gar nicht mehr Spitze sein. Das zeigt sich auch schon am fehlenden Ehrgeiz der Schüler dieser Länder. Es ist aber völlig klar: Wenn man nicht mehr zu den Besten gehört, fällt man im globalen Wettbewerb rasch zurück. Vor allem, seit sich andere Regionen mit unglaublicher Dynamik auf die Überholspur begeben haben.

Die Völker auf der Überholspur machen fast die halbe Erdbevölkerung aus: China, Südkorea, Taiwan, Vietnam und insbesondere Indien. Vor allem dieses Land weist derzeit kontinuierlich die größten Wachstumszahlen auf; es hat (mit 26 Jahren) einen um zehn Jahre niedrigeren Altersschnitt als China und einen um 17 (Österreich) bis 19 Jahre niedrigeren (Deutschland) als die Europäer; es wird bald der einwohnerstärkste Staat der Welt sein – und liegt dennoch völlig im Schatten der internationalen Aufmerksamkeit. Offenbar weil es dort recht friedlich und stabil zugeht, weil dort nach Jahrzehnten sozialistischer, wenn auch meist demokratischer Misswirtschaft die Freiheit und Kraft der Marktwirtschaft eingekehrt ist.

Als ich zuletzt in Indien war, war dort ein Thema auf den Plakatwänden absolut dominierend: Werbung für Schulen und Weiterbildung aller Art. Alles ist kostenpflichtig, aber das ganze Land weiß: Lernen und Anstrengung sind die einzige Basis für eine gute Entwicklung und für mehr Wohlstand.

Zurück nach Mitteleuropa: Da ist Anstrengung heute negativ behaftet, zumindest völlig uncool. Das zeigt auch eine OECD-Studie unter 15-Jährigen. Der Satz "Ich möchte einer der Besten in meiner Klasse sein", wird in Österreich und Deutschland von unglaublichen 53 bis 55 Prozent abgelehnt. In Estland sind es hingegen nur 31 Prozent und in Großbritannien und Australien gar nur 24 bis 26 Prozent. Gar nicht zu reden vom – bei uns verachteten – brennenden und vom ganzen Land angespornten Ehrgeiz fast aller ostasiatischen Schüler.

Bei uns gilt vielfach: "Genügend kommt von Genug." Das ist eine für die Zukunft katastrophale Einstellung. Wenn nur noch relativ wenige der Jungen zu den Besten gehören wollen, wird auch das Land künftig nicht zu den Besten gehören.

Das ist eine Einstellung, die den Jungen von den Eltern, von den Medien, von der Politik vermittelt wird. Dort werden ständig Botschaften dieser Art vermittelt: "Wir sind so reich, jetzt gilt es nur noch, den Reichtum umzuverteilen. Und überhaupt: Ständiges Wachstum ist ja ganz schlecht, wir sorgen uns lieber um die Lurche, die von irgendeinem Projekt bedroht sein könnten." Und in Hinblick auf die Schule reden Politik und Medien immer nur von den Problemen der schlechten Schüler, von den sogenannten Brennpunktschulen, die ständig noch mehr Geld brauchen. Aber nie von den guten Schülern, obwohl die für unser aller Zukunft weitaus am wichtigsten sind.

Doch die Geschichte ist unbarmherzig: Wer glaubt, sich Stillstand leisten zu können, fällt unweigerlich in einen schmerzhaften Strudel eines Abwärtssoges.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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