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Die Sünden des Do. S und die des Do. T.

Vertrauen ist die wichtigste, fast die einzige Währung der repräsentativen Demokratie. Aber zu welchem Politiker kann man noch Vertrauen haben? Unorthodoxe Anmerkungen zum amerikanischen Präsidenten, zu einem Tiroler Jungpolitiker und zu den Herren Mahrer, Schrott und Karas (mit nachträglicher Ergänzung).

Zuerst nach Amerika: Donald Trump hat Recht. Donald Trump hat Unrecht.

Einerseits kann man keine vernünftigen Zweifel haben, dass Teile der amerikanischen Justiz aus politischen Motiven wirklich eine Hexenjagd auf den US-Präsidenten betreiben. Sie zeigen dabei eine Energie, die alle globalen Anstrengungen bei der Jagd nach Mafia und Cosa Nostra weit übertreffen dürfte. Insofern hat Trump zweifellos Recht. Wenn Trumps Rechtsanwälte wegen irgendwelcher einstiger Steuerdelikte konzentriert unter Druck gesetzt und mit jahrelangen Haftstrafen bedroht werden, nur damit sie zur Rettung der eigenen Haut ihren Klienten aus dem Weißen Haus preisgeben, dann ist das nichts anderes als eine Hexenjagd. Es widerspricht zutiefst den Grundsätzen eines anständigen Rechtsstaats, aus einem Anwalt Aussagen gegen dessen eigenen Klienten herauszupressen. Das passiert sonst nur in totalitären Staaten.

Man kann aber ebensowenig vernünftige Zweifel haben, dass Trump wieder einmal lügt, dass der Vorwurf gegen ihn stimmt, er habe zwei Frauen (mit sehr gutem Aussehen und sehr schlechtem Ruf) dafür bezahlt, dass sie eine frühere "Beziehung" mit ihm geheimhalten. Es war geradezu erwartbar, dass diese Frauen dennoch die Öffentlichkeit gesucht haben, können sie doch mit Erzählungen über jene "Beziehung" noch viel mehr Geld machen.

Seit der diesbezügliche Erfolg der Trump-Jäger bekannt ist, jubeln alle linksgerichteten amerikanischen Journalisten und die noch viel mehr von Trump-Hass beseelten Auslandskorrespondenten. Sie glauben schon wieder einmal: Jetzt ist Trump geliefert. Jetzt ist ihm ein Delikt so gut wie nachgewiesen. Jetzt wird er amtsenthoben.

Gemach, gemach, kann man ihnen da nur zurufen. Wer das amerikanische Verfassungssystem und die politischen Mehrheitsverhältnisse ein wenig kennt, muss ein solches Impeachment für extrem unwahrscheinlich halten, auch für die Zeit nach den Parlaments-Teilwahlen im November. Freilich: Wer zugleich auch die Liebe der Amerikaner zu juristischen Kontroversen kennt, kann ebensowenig Zweifel haben, dass das Thema jetzt monate-, wenn nicht jahrelang am Köcheln gehalten wird, egal wie aussichtsreich eine Amtsenthebung ist.

Wer freilich drei Schritte zurücktritt und die Dinge aus unabhängiger und nichtamerikanischer Perspektive zu bewerten versucht, kommt gar nicht aus dem Staunen heraus, wie absurd das alles ist, was da in den USA abgeht, so unsympathisch, verlogen, aufschneiderisch Trump auch ist.

  1. Denn wirtschafts- wie auch außenpolitisch stehen die USA heute besser da als unter den meisten früheren Präsidenten; ökonomisch geht es ihnen – auch dank Trump – derzeit sogar besser als derzeit dem gesamten Rest der Welt.
  2. Denn die Delikte, die Trump jetzt vorgeworfen werden, sind im Grund lächerlich. Dabei waren die großmächtigen und aufwendigen Untersuchungen ja – was viele vergessen – wegen der  dramatischen Behauptung in Gang gekommen, dass Trump nur durch eine wilde Verschwörung mit Russlands Präsident geworden wäre. Trotz langer, gleich mit der Wahl einsetzender Erhebungen sind aber die einzigen konkret nachgewiesenen Untaten Trumps geradezu eine Karikatur des Anfangsverdachts. Erstens hat Trump mit zwei halbseidenen Frauen ein Abkommen getroffen, dass sie über einstige Beziehungen mit ihm schweigen. Und zweitens haben sich Vertreter Trumps vor der Wahl mit Vertretern Russlands getroffen, um politisch Verwertbares über Hillary Clinton zu erfahren. "So what?", kann man da nur fragen. Denn ganz offensichtlich haben diese Hillary-Recherchen wenig ergeben. Clinton hat vielmehr durchaus aus eigenem Unvermögen verloren. Für die große Verschwörung gibt es jedenfalls nicht den Hauch eines Beweises.
  3. Müssten alle Politiker zurücktreten, die Affären hatten und die ihre Freundinnen beschworen oder bezahlt hatten, dass diese den Seitensprung nur ja diskret halten, hätte die Geschichtsschreibung fast keine Objekte der Beobachtung mehr. Man denke etwa an die Herren Kennedy, Clinton und Kreisky, von denen wir heute Einschlägiges mit Sicherheit wissen.
  4. Beide Dinge, die jetzt von vielen Journalisten wie auch den US-Demokraten als Megaverbrechen Trumps hingestellt werden, wären etwa nach der österreichischen Rechtsordnung absolut nicht strafbar. So hat etwa die SPÖ eindeutig gegen Kurt Waldheim und dann wohl neuerlich gegen Schwarz-Blau 1 mit dem Ausland konspiriert.
  5. In den meisten Ländern wären in offensichtlichem Gegensatz zu den USA Frauen, die mit dem Ausplaudern einer – an sich zwar degotuanten, aber nicht strafbaren – Sex-Geschichte drohen und für ein Schweigeversprechen Geld nehmen, eindeutig wegen Erpressung fällig. Hingegen hätte jener Mann, der erpresst worden ist "nur" Probleme mit seiner Ehefrau.
  6. Und selbst wenn man sagt, in Amerika ist halt alles anders, man dürfe in der Bewertung nur vom US-Recht ausgehen, das ganz streng Wahlkampffinanzierung außerhalb des Erlaubten verbietet, kommt man ins Zweifeln. Ist der Versuch, eine Erpresserin mit Geld zum Schweigen zu bringen, wirklich eine Wahlkampfbeeinflussung? Es sind doch die Frauen, die durch ein Outing Einfluss zu nehmen versucht haben, und nicht Trump!

Die Probleme der ÖVP

Wechseln wir nach Österreich, wechseln wir von Do. T zu Do. S, von Donald Trump zu Dominik Schrott. Der Tiroler Jungabgeordnete hatte im Wahlkampf ein "Gewinnspiel" veranstaltet, bei dem niemand gewinnen konnte, weil der Gewinn durch einen Trick bei ihm verblieben ist. Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob das nicht eine strafrechtliche "Täuschung" war. Ich meine sogar, dass man auch sehr intensiv diskutieren kann, ob das nicht auch ein Betrug war. Meiner Meinung wurden Dritte nämlich sehr wohl "am Vermögen geschädigt", weil sie gar nicht die Chance hatten, den Preis des Gewinnspiels zu bekommen, an dem sie einzig in der Hoffnung auf diesen Preis teilgenommen haben.

Gewiss kann man ein kleines Schmäh-Gewinnspiel – es ging ja nicht um hohe Gewinne – auch als jugendliche Dummheit abtun. Aber das ändert nichts daran, dass im österreichischen Nationalrat solche Menschen nichts verloren haben. Schrott sollte zumindest eine Periode lang büßen und lernen, dass man die Wähler nicht betrügen soll.

Aber es geht nicht nur um ihn. Es geht vor allem um die ÖVP und Kurz. Wenn der Tiroler nicht in den allernächsten Tagen zurücktritt – unabhängig davon, was irgendwann die Strafrechts-Überprüfung ergeben wird – dann hat die ÖVP selbst ein erstes großes Problem. Nämlich eines der Glaubwürdigkeit.

Es geht nicht an, dass Sebastian Kurz ganz radikal mit allen aufräumt, die im zu Recht übel beleumundeten rot-schwarzen System mitgemacht haben, wenn dann die von ihm geholten Abgeordneten bei einem krassen Fehlverhalten keine Konsequenzen ziehen müssen. Es geht nicht an, dass (wie erst vor wenigen Tagen geschehen) eine parteieigene EU-Abgeordnete massiv bedroht wird, nur weil sie mit einer – durchaus klugen – Analyse über Afrika gegen das Diktat der linken Political Correctness verstoßen hat, wenn hingegen ein echtes moralisches Delikt praktisch folgenlos bleibt. Es geht nicht an, sich über die Untaten des Peter Pilz zu empören, aber im eigenen Haus den blöden Schmäh zu akzeptieren: Die Werbeagentur war schuld.

Und das geht schon gar nicht an, wenn der Sünder zum engsten Freundeskreis des Sebastian Kurz gehört. Das sorgt für enormen Glaubwürdigkeitsverlust. Denn viele ÖVP-Wähler bekommen nun den Eindruck, dass Kurz nicht für eine "neue Politik" steht, sondern genauso heuchlerisch agiert wie alle anderen. Er hat halt nur die Freunde Mitterlehners durch die eigenen ersetzt.

Seine eigene Glaubwürdigkeit sollte für Kurz jedenfalls wichtiger sein als die persönliche Freundschaft mit Dominik Schrott.

Wenn Kurz nicht handelt, dann zeigt sich auch endgültig, dass das Auswählen von Personen – bei all seinen sonstigen Stärken – eindeutig seine größte Schwäche ist. Er umgibt sich offenbar einseitig mit persönlichen Freunden, die er rund um die Uhr ständig für neue Positionen heranzieht, ohne deren Schwächen zu erkennen. Man denke an Gernot Blümel. Man denke an Elisabeth Köstinger. Und man denke (in diesen Tagen ganz besonders) an Harald Mahrer.

Für jeden von ihnen wäre eine einzige Spitzenfunktion völlig ausreichend gewesen. Sie sind ja alle keine alten Hasen in der Politik, haben noch viel zu lernen und sollten nicht ständig neue Aufgaben übernehmen. Aber offenbar sind sie für Kurz genau das, was beispielsweise einst für Alois Mock die CVer gewesen sind:  Sie sind "einer von uns", einer aus der – vor allem aus der Jungen ÖVP kommenden – Partie, die sich geschworen hat, die Macht zu übernehmen.

Dass Mahrer jetzt die zweitwichtigste Funktion in der Nationalbank übernimmt, hat überdies auch deshalb einen Hautgout, weil es natürliche Interessengegensätze zwischen der Interessenvertretung der Wirtschaft und der Nationalbank gibt. Auf einen Satz gebracht: Ein Interessenvertreter muss immer dafür kämpfen, dass die Wirtschaft genug und billige Kredite bekommt – die Nationalbank muss hingegen primär für die Stabilität der Währung sorgen. Und dafür kann es naturgemäß bisweilen notwendig sein, den Kredithahn für die Wirtschaft ein wenig zuzudrehen.

Gewiss: Das entscheidende Wort in dieser Frage hat heute nicht mehr die Nationalbank, sondern die EZB, wo ja leider ebenfalls nicht die Stabilität der Währung, sondern andere, etwa national-italienische Interessen im Mittelpunkt stehen. Das macht die Bestellung Mahrers in eine Funktion, die mit der EZB gar nichts zu tun hat, zwar irrelevant, zu einer klugen Entscheidung wird sie aber dennoch nicht.

Nur einer darf sich nicht über die Bestellung des Wirtschaftskämmerers aufregen: nämlich die SPÖ. Diese hat erstens selbst gerade in die Nationalbank immer besonders viele Arbeiterkämmerer und Gewerkschafter untergebracht, die an vieles dachten, aber nie an die Geldstabilität. Und zweitens war in der ganzen Nachkriegsgeschichte ausgerechnet der SPÖ-Säulenheilige Bruno Kreisky eindeutig jener Bundeskanzler, der am heftigsten versucht hat, in die Nationalbank hineinzuregieren und diese zu einer Abkehr vom harten Schilling zu bewegen. Und es war bemerkenswerterweise – neben vielen ÖVP-Exponenten – Hannes Androsch, der Kreisky damals Kontra gegeben hat. Was dann ja auch Hauptanlass für Androschs Demontage geworden ist.

Die Fälle Mahrer und Schrott sind jedenfalls zwei Fälle, die an der sicheren Personal-Hand von Kurz zweifeln lassen. Sie haben auch etwas anderes geschafft: Man ärgert sich zur Stunde mehr über das Personal der ÖVP, als über das der FPÖ (obwohl die FPÖ-Sozialministerin eigentlich noch immer das schwächste Mitglied der Regierung ist). Aber die FPÖ hat es immerhin geschafft, für den Job der Nummer eins in der Nationalbank einen ganz exzellenten Kandidaten vorzuschlagen, an dem es kaum substanzielle Kritik gibt. Dieser wird auch keineswegs deswegen Nationalbank-Gouverneur, weil er ein Spezi von H.C. Strache wäre.

Freilich ebenso gewiss ist: Die ÖVP kann sich solche Probleme derzeit locker leisten. Denn praktisch sämtliche Oppositionsparteien stecken tief in Krisen. Sie sind sprunghaft, sind (bis auf die Neos) tief zerstritten, lassen keine klare Linie erkennen und haben vor allem nicht erkennt, dass das Migrationsthema heute die weitaus wichtigste politische Aufgabe ist.

Droht eine Nominierung von Karas?

Unter all den in Zukunft bevorstehenden Personalentscheidungen könnte nur eine einzige der ÖVP wirklich einen KO-Schlag versetzen: Wenn nämlich die Gerüchte stimmen sollten, dass die ÖVP Othmar Karas zu Österreichs Spitzenmann in der EU machen will. Dann wird totale Verwirrung unter den ÖVP-Funktionären und -Wählern einkehren. Sie werden sich irritiert fragen: Was ist mit Kurz los? Zuerst schmeißt er alle nicht zu seinem engen Freundeskreis Gehörenden hinaus. Und jetzt macht er ausgerechnet jenen Mann zum EU-Spitzenmann, der seit Jahr und Tag gegen Kurz intrigiert, der die Migrationspolitik des Bundeskanzlers vehement bekämpft, der ständig gegen Schwarz-Blau stänkert.

Sollte Kurz das wirklich machen, dann wage ich eine Prophezeiung: Dann wird am Wahltag die ÖVP sehr erstaunt sein, nur Nummer Drei bei der EU-Wahl geworden zu sein.

Aber noch halte ich Kurz für viel zu intelligent, dass er das wirklich tut. Noch glaube ich eher an die These, dass er dieses Gerücht nur streuen lässt, damit Karas nicht zu den Neos wechselt. So wie er halt seinen Vorgänger Mitterlehner einst ruhig gestellt hat, indem er ihm Andeutungen gemacht hat, er würde ihn in der Nationalbank unterbringen, auf jene Funktion, die jetzt Mahrer bekommt.

PS: Im FPÖ-Team ist es Außenministerin Kneissl, die das größte Personalproblem hat: Aber auch sie hat das mit einer Schwarzen, nämlich mit Vorvorgängerin Ursula Plassnik, die jetzt Botschafterin in der Schweiz ist. Diese hatte öffentlich die Schweizer kritisiert, sie würden nerven, weil sie sich ständig als "Sonderfall" geben, sie hätten kein Interesse an den anderen Europäern. Ein ganz übler Fauxpas, als Botschafter hat man das Gastland nicht öffentlichzu kritisieren, zumindest nicht ohne Rückendeckung der eigenen Regierung. Lediglich US-Botschafter erlauben sich das bisweilen, aber auch die ganz selten. Eine schlimme Fehlleistung von Frau Plassnik - aber eben sicher kein Problem für die Koalition, sondern nur für die jetzige Ministerin ...

(Nachträgliche Ergänzung: Immerhin, Dominik Schrott ist. zurückgetreten. Damit hat die Kurz-ÖVP wieder parteiintern für Ordnung gesorgt. Und Herr Schrott kann jetzt in aller Ruhe erklären, warum seine Sauerei keine Sauerei gewesen sein soll. Bisher hat er ja nur beleidigt dementiert, aber gar nichts erklärt.)

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