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Moser vs. Schelling: Das Match ist entschieden

Es ist nun ziemlich klar, wer nächster Finanzminister wird. Natürlich wird der nicht Wolfgang Sobotka heißen (die Nennung des Namens Sobotka ist nur einer der vielen skurrilen SPÖ-Spins, mit denen die Kern-Partei derzeit in ihrer Verzweiflung Österreich überzieht und glaubt, durch solche Fakes noch irgendwie punkten zu können).

Die Finanzminister-Entscheidung dürfte seit den letzten Stunden eindeutig sein, zumindest für den Fall, dass die ÖVP den Finanzminister stellt. Zwar möchte man meinen, dass eigentlich die FPÖ den Finanzminister stellen würde, falls sie in die Regierung einzieht, aber ihr gegenwärtiger Aufwind nicht für den Bundeskanzler-Posten reicht. Aber dem ist erstaunlicherweise nicht so, obwohl in den letzten 17 Jahren immer die Nummer zwei in der Koalition den Finanzminister gestellt hat (was einst ein gewisser Jörg Haider durchgesetzt hatte). Die FPÖ spürt aber offensichtlich, dass man sich mit dem Finanzministerium gerade bei ihren Wählern unbeliebt machen würde. Und sie will deshalb viel lieber den Innen- und Außenminister stellen.

Daher dürfte im Fall von Schwarz-Blau jenes Ministerium der ÖVP bleiben. Das läuft auf eine Entscheidung zwischen dem gegenwärtigen Finanzminister Hans Jörg Schelling und dem Ex-Rechnungshofpräsidenten Josef Moser hinaus. Beide hatten nun binnen weniger Stunden ihre wichtigsten Auftritte in diesem Wahlkampf. Der eine in der Parlamentsdebatte, die – leider – (anstatt des Wandertags, den der oberste Wirtschaftsforscher Christoph Badelt zur Ablenkung von populistischen Forderungen vorgeschlagen hat) noch knapp vor dem Wahltag  stattfand. Der andere in einer TV-Konfrontation.

Moser hat in dieser Konfrontation jedoch alles andere als souverän gewirkt. Auftritte mit der von niemandem in Frage gestellten Aura eines Rechnungshof-Chefs sind halt zehnmal leichter, als sich der parteipolitischen Wadlbeißerei zu stellen. Damit bestätigt sich auch wieder einmal: Quereinsteiger haben nur beim Einstieg in ein Ministeramt eine politische Überlebenschance, in Parlament und Wahlkampf sind sie hingegen chancenarm. Einerseits sind sie unroutiniert, andererseits haben sie keine freie Spielwiese, um sich zu profilieren.

Im Gegensatz zu Schelling: Dieser agierte im Parlament geschickt und erfolgreich. Er ist damit eindeutig in die Favoritenrolle für einen Verbleib im Finanzministerium geschlüpft.

Schelling konnte mit seiner Strategie einen weiteren tiefen Griff des Nationalrats in den Staatssäckel verhindern, den die Linksparteien, angeführt von Peter Pilz, versucht haben. Deren Ziel war eine deutliche Ausweitung der staatlichen Unterhaltsleistungen. ÖVP und FPÖ hingegen ließen diesen Versuch geschickt ins Leere laufen.

Bei den davorliegenden Parlamentssitzungen hatten diese beiden Parteien hingegen sehr wohl bei einigen – nicht allen – teuren Wahlzuckerl-Verteilungen mitgemacht. Daher ist die nunmehrige Vernunft doppelt zu loben. Und zu loben ist damit auch, dass wir nach längerer Absenz endlich wieder einen Finanzminister sehen, der das wichtigste Wort dieses Amts beherrscht: nämlich das Wort "Nein", und der sich wieder imstande zeigt, ein solches Nein auch durchzusetzen. In den letzten eineinhalb Jahren war hingegen die Performance anders: Schelling sagte ständig laut und eloquent Nein zu neuen Budgetbelastungen – um dann in der Regierung jedes Mal nachzugeben.

So sehr Schwarz und Blau dafür Anerkennung zu spenden ist, dass sie jetzt zu einem (wenn auch elegant verpackten) Nein zum linken Populismus imstande waren, so erstaunlich ist, dass sich die Neos im Gegensatz dazu der Pilzschen Populismusforderung nicht entzogen haben. Wollen die Neos endgültig den einzigen Bereich aufgeben, wegen dem man sie mit gutem Gewissen wählen hätte können, nämlich den der wirtschaftspolitischen Nüchternheit?

Die Erleichterung des Steuerzahlers ist freilich nicht ungetrübt, weil trotz Wahlkampfs das Thema Unterhaltserhöhung nicht durchgegangen ist, und weil wenige Tage davor auch der extrem populistische Vorstoß der SPÖ, die Mieten zu senken (was den Wohnungsneubau praktisch zum Erliegen gebracht hätte) von Schwarz, Blau und Pink abgeschmettert worden ist.

Denn in etlichen anderen Bereichen hat das Parlament im Wahlkampf sehr wohl kollektiv die Big-Spender-Hosen angezogen. Und zwar neuerlich: von der Pflege bis zu den Pensionen wurde schon vor dem Sommer nichtvorhandenes Geld verteilt. Und jetzt gibt es frisches Geld für die Behinderten; jetzt wurde bei den Bankomatgebühren eine neue überflüssige Regulierung beschlossen; jetzt wurde die – für Unternehmer teure – Angleichung Arbeiter-Angestellte vorangetrieben. Dabei scheint kein Mensch in diesem Parlament auch nur an die Möglichkeit zu denken, dass eine Angleichung ja eigentlich nicht in jedem Aspekt nur nach oben, also hin zu einer weiteren Erhöhung der Lohnnebenkosten führen müsste, sondern dass es auch eine Abflachung mancher Ansprüche geben könnte.

Dabei ist dieser Vorwahlpopulismus aus mehreren Gründen dumm, schädlich und überflüssig. Denn

  • erstens sind die Menschen im Schnitt meist deutlich vernünftiger, als die Politik sie einschätzt;
  • zweitens sagen alle Konjunkturtheorien und Wirtschaftsforscher, dass gerade die derzeitige Wachstumsphase eine Zeit wäre, wo man dringend versuchen sollte, die öffentlichen Haushalte zu sanieren – denn in einer Flaute geht das viel schwieriger;
  • und drittens hat Österreich auch ohne Verteilung von Wahlgeschenken selbst in Boomzeiten ein Defizit. Hingegen kann Deutschland, der größte Handelspartner Österreichs, seit einiger Zeit mit schwarzen Zahlen protzen – trotz der noch immer anhaltenden Belastung durch die Wiedervereinigung, trotz der auch in Relation höheren Verteidigungsausgaben, trotz der großen Kosten für kulturfremde Flüchtlinge und Migranten, trotz einer niedrigeren Abgabenquote.

Der Unterschied zwischen Deutschland und Österreich hat sich auch im Wahlkampf gezeigt: Beim großen Nachbarn wurden im letzten Wahlkampfmoment keine teuren Geschenke verteilt – obwohl auch dort die Koalitionsdisziplin am Schluss nicht mehr durchgehalten und schnell die "Ehe für alle" beschlossen worden ist. Aber die verursacht wenigstens fast keine Kosten.

Auch in den meisten anderen westlichen Ländern gibt es nicht die in Österreich eingerissene populistische Verantwortungslosigkeit. Dabei wäre sie rein verfassungsrechtlich natürlich auch dort möglich. Aber anderswo gibt es halt eine verantwortungsbewusstere politische Klasse, die Österreich seit einiger Zeit nur noch sporadisch hat.

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